Date post: | 29-Jun-2015 |
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EXPOSE Ein Buch für Betroffene, Angehörige, Psychologen und Psychotherapeuten. In acht Kapiteln werden die grundlegenden Fragen der Tumorpatienten beant-wortet, Bewältigungsstrategien vorgeschlagen und die Anwendung der Klini-schen Hypnose in vielen Fallbeispielen beschrieben. Das erste Kapitel behandelt die Probleme der Diagnosevermittlung, Diagnose-verarbeitung und die Bewältigung des neuen Lebensabschnittes. Das zweite Kapitel geht der Frage „warum wurde ich krank?“ nach, und warum es keine es keine Antwort auf diese Frage gibt. Das dritte Kapitel „Krebs ist nicht gleich Krebs“ soll zu einer differenzierteren Denkweise anregen. Das vierte Kapitel soll aufzeigen, wie Patienten und vor allem deren Angehörige sich effektiver mit der Erkrankung auseinandersetzen können. Das fünfte Kapitel beantwortet die Frage „was kann ich selbst gegen die Erkran-kung tun?“ Das sechste Kapitel zeigt auf, wann psychoonkologische Betreuung sinnvoll ist, baut Vorurteile gegenüber psychischer Betreuung ab und öffnet die Sichtweise auf präventive psychische Maßnahmen. Das siebte Kapitel befasst sich mit dem Tabuthema „Sterben“, das aber oft als Druck auf den Patienten lastet, wenn darüber nicht gesprochen werden kann. Das achte Kapitel soll Mut zum neuen Leben geben und die Angst – nicht wirk-lich gesund zu sein – in den Hintergrund drängen.
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INHALTSVERZEICHNIS
VORWORT Seite 3
KAPITEL 1 Die Diagnose „Krebs“ Seite 6
Bewältigungsstrategien Seite 14
Anwendung der Klinischen Hypnose Seite 15
KAPITEL 2 „Warum wurde ich krank?“ Seite 22
Bewältigungsstrategien Seite 28
Anwendung der Klinischen Hypnose Seite 30
KAPITEL 3 Krebs ist nicht gleich Krebs Seite 37
Bewältigungsstrategien Seite 48
Anwendung der Klinischen Hypnose Seite 49
KAPITEL 4 Krebs betrifft nicht nur den Patienten Seite 59
Bewältigungsstrategien Seite 67
Anwendung der Klinischen Hypnose Seite 69
KAPITEL 5 Was kann ich selbst gegen die Erkrankung tun? Seite 75
Bewältigungsstrategien Seite 81
Anwendung der Klinischen Hypnose Seite 82
KAPITEL 6 Nicht meine Psyche ist krank, mein Körper Seite 88
Bewältigungsstrategien Seite 99
Anwendung der Klinischen Hypnose Seite 102
KAPITEL 7 Das Sterben Seite 107
Bewältigungsstrategien Seite 116
Anwendung der Klinischen Hypnose Seite 117
KAPITEL 8 Wann bin ich endlich wieder gesund? Seite 133
Bewältigungsstrategien Seite 138
Anwendung der Klinischen Hypnose Seite 140
NACHWORT Seite 146
Quellennachweis Seite 149
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Über die Autorin
Mag. rer. nat. GILHAUS Elfriede-Elisabeth geb. Forst
1948: Geboren am 23. Juli in Schwaz/Tirol/Österreich 1969: Abschluss der Schulausbildung in Wien mit der Matura am Wirtschaftskundlichen Realgymnasium 1970: Heirat mit Herrn DI Michael GILHAUS in Köln/Deutschland Zwei Kinder: geboren 1972 und 1974 1981: Umzug nach Tirol mit der ganzen Familie 1992: Beginn des Psychologiestudiums an der Innsbrucker Leopold-Franzens- Universität 1997: Abschluss des Studiums und
Beginn der Ausbildung zur Klinischen - und Gesundheitspsychologin, Beginn der praktischen Tätigkeit als Psychologin an den Innsbrucker Universitätskliniken in der hämatologischen Abteilung für Knochenmark-Transplantation 1998: Ausbildung zur Psychoonkologin 1999: Beginn der Psychotherapieausbildung „Klinische Hypnose“ nach Milton Erickson 2000: Psychoonkologin der Isolierstation der Hämatologie I der Innsbrucker Universitätskliniken und ab 2005 zusätzlich der Knochenmarktrans-plantationen
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VON DIR AN MICH
Jeden Tag begegne ich Menschen und jeden Tag nehme ich etwas von ihrem Wissen,
ihren Handbewegungen, Lächeln,
ihrer Meinung oder Mimik
in mich auf.
Ihr Wesen begleitet mich in meinem Leben, prägt mich auf die eine oder andere Art,
formt mich mit jedem Menschen neu, gibt meinem Alltag neue Worte,
neue Gestik, die ich annehme, weitergebe oder
beurteile.
Die Botschaft an Dich an diesem Tag ist ein Blatt Papier mit meinen Gedanken darauf,
die Du reflektieren kannst oder nicht, die Du weiterführen kannst oder nicht
......von mir an Dich!
(Melanie Gilhaus)
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Vorwort Seit 9 Jahren arbeite ich als Psychoonkologin im Liaisondienst (im Behandlungsteam
integriert) an einer Isolierstation für hämatologisch-onkologische Erkrankungen (Leu-
kämien und maligne Erkrankungen des Lymphsystems) und im Konsiliardienst (bei
Bedarf angefordert) an verschiedenen onkologischen Stationen der Innsbrucker Univer-
sitätskliniken.
Die Arbeit mit den Patienten* umfasst supportive Gespräche, teilweise psychotherapeu-
tische Behandlungen, die Vermittlung von Entspannungstechniken, Gespräche mit den
Angehörigen, Vorbereitung auf das vielfach veränderte Leben zu Hause und im Beruf,
Organisation von Lebenshilfen und die Sterbebegleitung.
Ein wichtiger Bestandteil meiner Arbeit ist die Vermittlung von Entspannungstechniken,
um die vielen belastenden Situation, die der Patient von der Diagnosevermittlung, Ne-
benwirkung der Behandlung bis hin zum Einstieg in ein anderes Leben durchläuft, er-
träglicher gestalten zu können.
Zu Beginn meiner Arbeit hatte ich die üblichen bekannten körperzentrierten Entspan-
nungstechniken wie das Autogene Training nach Prof. Dr. Dr. Schulz oder die Progres-
sive Muskelrelaxation nach Jacobson eingesetzt. Immer mehr aber merkte ich, dass ich
auf Grenzen stieß, nicht diese Entlastung möglich war, die ich meinen Patienten wünsch-
te. Ich suchte nach Möglichkeiten, um meinen Patienten mehr anbieten zu können, An-
gebote, die ihnen helfen konnten mehr Entlastung zu finden.
Zu diesem Zeitpunkt war mir natürlich klar, dass es eine Art der Entspannung sein müss-
te, die sich nicht nur auf den Körper konzentriert, sondern die auch dem Geist und der
Seele mehr Freiraum zur Erholung schaffen kann. Ich erlernte laufend neue Entspan-
nungstechniken, u.a. auch „Die Gedankenreise“ in der Art wie sie in der Klinischen
Hypnose nach Milton Erickson angewendet wird und begann schließlich die Ausbildung
zur Klinischen Hypnose nach Milton Erickson.
*Um einen besseren Lesefluss zu ermöglichen, spreche ich vom „der Patient“ im Allgemeinen, nicht in der
geschlechtsspezifischen Form.
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Zu Beginn hatte ich allerdings noch viele Zweifel, ob ich die erlernten Techniken über-
haupt bei meinen Schwerkranken einsetzen konnte, teilweise hatte ich sogar Aggressio-
nen gegenüber mancher mir aufgezeigten Möglichkeiten mit dem Patienten zu arbeiten,
da ich dachte, diese Therapieform kann man bei anderen Patienten anwenden, aber nicht
bei meinen Patienten, die auf alles extrem sensibel reagieren, da gibt es Grenzen.
Schließlich merkte ich aber, dass diese Aggressionen nicht auf die Möglichkeiten, die
mir die Klinische Hypnose eröffnete, zurückzuführen waren, sondern auf das Anstoßen
an meine eigene Grenzen. Ich musste lernen, Wege zu finden, wie ich die Klinische
Hypnose besser anwenden konnte.
Die Klinische Hypnose nach Milton Erickson begann mich zu faszinieren. Waren durch
sie doch endlich neue therapeutische Wege offen, die mir jenes arbeiten gestatteten, das
ich mir immer gewünscht hatte: Menschen zu helfen, ohne dass ich ihnen bestimmte
Vorgaben machen musste oder neue „bessere“ = gewünschte Verhaltensmuster einzu-
prägen hatte. Es faszinierte mich, bei den Menschen jene Ressourcen von Bewälti-
gungsmöglichkeiten zu wecken, die in ihnen selbst zu finden waren.
Das Arbeiten mit Krebspatienten auf diese Art und Weise ist auch ein tägliches Lernen
für mich, denn jeder Mensch hat andere Ressourcen, viele, die allgemein üblich sind,
aber auch viele, an die ich selbst oft nicht einmal denken würde.
Jeder Tag beginnt für mich mit der Neugier: „was werde ich heute lernen?“
und nicht mit dem Gedanken „hoffentlich fruchtet die Therapie“, denn diese Therapie
macht der Patient letztendlich durch sich selbst, ich bin nur diejenige, die den Impuls zu
einer Veränderung gibt und die Angebote zur Veränderung macht. Ob diese Angebote
angenommen werden wollen oder nicht, das entscheidet der Patient. Aber dadurch, dass
des Patienten eigene erfolgreiche Bewältigungsstrategien gestärkt werden, nimmt er sie
auch an.
Vorweg wäre noch zu sagen, dass der Krebspatient in den meisten Fällen psychisch
gesund ist, er zeigt auch normale Belastungsreaktionen, braucht also einen anderen Be-
handlungsstandard, als ein Patient mit psychischen Störungen. Ziel einer psychologi-
schen Behandlung bei Krebspatienten ist daher die Gesunderhaltung der Psyche und die
Verbesserung der Lebensqualität.
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Vor vier Jahren machte ich Interviews mit über 300 Tumorpatienten an unserer Klinik
(Innere Medizin, Chirurgie, Frauenklinik). Die wichtigsten Stationen in ihrem Krank-
heitserleben und die daraus resultierenden Ergebnisse und die langjährige Arbeit mit
über 3000 Patienten bilden die Grundlage für die nachfolgenden Kapitel. Die steigende Inzidenzrate der Krebserkrankungen erfordert ein Konzept zur besseren
Krankheitsbewältigung, einer gezielteren Aufklärung über die modernen Behandlungs-
methoden und einer Aufklärung über die möglichen psychosozialen Unterstützungen im
Krankheitsfall, um den Betroffenen die lähmende Angst zu nehmen und um ihnen Stra-
tegien einer positiven Krankheitsbewältigung zu ermöglichen. Dazu ist es notwendig, die
Bedürfnisse des Patienten zu erkennen und auf sie einzugehen. Ich hoffe, mit diesem
Buch einen kleinen Beitrag dazu leisten zu können.
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KAPITEL 1
DIE DIAGNOSE „KREBS“
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IM SCHACHT
Mitten ins Gesicht
Schlag ins Herz
Worte mit Gewicht
Kummer und Schmerz
Fetzen einer Liebe
Reste der Erinnerung
Narben der Hiebe
Tränen ohne Lösung
Seele ohne Rückhalt
Einsamkeit der Nacht
Stille der Gewalt
Gefühle im Schacht
(Melanie Gilhaus)
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Die Diagnose „Krebs“ löst bei den meisten Menschen im ersten Moment einen Schock
aus, auch dann, wenn der Betroffene bereits geahnt hat, dass er eine schwerere Erkran-
kung haben könnte und auch dann, wenn der Arzt die Diagnose einfühlsam vermittelt.
Das Wort „Krebs“ ist nach wie vor mit Tod, qualvollem Sterben und vorangehender
massivster „chemischer“ Behandlung und/oder „tödlicher Strahlendosis“ behaftet. Es ist
also nicht nur die Krankheit allein, die Angst auslösend wirkt, sondern auch die Angst
vor der Behandlung. Die geringere Angst vor Herzinfarkt, obwohl dieser noch immer die
Todesursache Nr. 1 darstellt, dessen Behandlung aber bei weitem nicht so massiv erlebt
wird, macht dies deutlich.
Unter Chemotherapie und Strahlenbehandlung wird meist noch das ursprüngliche Bild
gesehen, als diese Therapieformen sozusagen noch in den Kinderschuhen steckten. Die
Behandlung von malignen Tumoren ist in der heutigen Zeit derart spezifisch geworden,
dass man sie nicht mehr mit den früheren Behandlungsmethoden vergleichen kann, was
aber leider noch immer „landläufig“ geschieht. Bei vielen malignen Tumoren sind heute
Behandlungen möglich, es bestehen meist auch gute Heilungschancen durch die heute
wesentlich bessere Früherkennung und vor allem wirken viele Therapien lebensverlän-
gernd bei relativ guter Lebensqualität.
Der richtige Zeitpunkt der Diagnosemitteilung
Den richtigen Zeitpunkt für die Mitteilung, dass man an Krebs erkrankt ist, wird es wohl
nie geben, aber der Betroffene hat ein Recht auf eine angemessene Situation, in der das
Gespräch stattfindet. Das heißt, dass eine solche Mitteilung nicht beiläufig während
einer Untersuchung gemacht werden darf (z.B. „Das sieht aber gar nicht gut aus!“, „Das
ist ein bösartiger Tumor, kein Zweifel!“ usw.), dass diese Mitteilung in einem entspre-
chenden räumlichen Rahmen (z.B. nicht bei der Visite im Krankenzimmer in Anwesen-
heit von Mitpatienten) stattfindet und auf die momentane körperliche und seelische Ver-
fassung des Patienten Rücksicht genommen wird.
Die Gesprächsebene spielt ebenfalls eine Rolle, sowohl die sprachliche als auch die
körperliche. Die körperliche Ebene an den Patienten anzupassen vermittelt dem Patien-
ten Respekt und Einfühlungsvermögen. Wenn der Patient im Bett liegt und er bekommt
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eine Mitteilung von oben herab (Arzt steht zum Beispiel), so trifft diese Mitteilung den
Patienten noch mehr, weil er sich unbewusst „unterlegen“ fühlt. Es ist schon schlimm
genug, wenn der Patient vom Behandelnden über einen Schreibtisch (=Barriere) hinweg
informiert wird.
Fachausdrücke kann der Patient meist nur verstehen, wenn er selbst Mediziner ist. Alles,
was ein Patient aber nicht „verstehen“ kann, verursacht Unsicherheiten, selten das Ge-
fühl, dass er in „guten Händen“ ist.
Der Teufelskreis der Missverständnisse
Die Diagnosevermittlung ist auch für den Arzt nicht einfach. Jeder Arzt würde gerne
eine bessere Auskunft geben. Der Zeitpunkt der Diagnosevermittlung ist der sensibelste
überhaupt, denn er kann oft der Beginn von Missverständnissen sein.
Manche Patienten schildern die Situation der Diagnosevermittlung folgendermaßen:
„Mein Arzt hat mir schonungslos 1 die Diagnose mitgeteilt! Er hat gesagt, dass ich Krebs
habe, mehr nicht 2, er wollte mir auch nicht sagen, wie lange ich noch zu leben habe 3
oder wie schlimm es um mich steht.“ In dieser Aussage sind bereits drei mögliche Miss-
verständnisse enthalten.
Ad 1:
Auch Ärzte sind nur Menschen!
Ein Arzt pflegte vor jeder schlimmen Nachricht, die er dem Patienten vermitteln musste,
zu sagen: „Im Mittelalter wurden die Überbringer von schlechten Nachrichten geköpft!“
Diese Aussage spiegelt sehr gut die inneren Gefühle des Arztes wider. Auch für die
Ärzte ist es manchmal wie ein Gang zum Schafott, und viele eigene Gefühle müssen
unterdrückt werden, für die in solch einem Moment kein Platz ist. Es kann dann auch
passieren, dass eine Nachricht schroffer ankommt als sie sollte. Ein Arzt muss sich aber
vom Patienten abgrenzen, damit er ihm Hilfe geben kann. Diese Abgrenzung ist also
nicht gegen den Patienten gerichtet, sondern zum eigenen Schutz vor einem Burn-Out-
Syndrom (jeder Mensch im sozialen Beruf ist gefährdet ein Burn-Out-Syndrom zu ent-
wickeln, nicht nur der Arzt!) Was ist ein Burn-Out-Syndrom? Es heißt so viel wie „in-
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nerlich ausgebrannt sein“. Ein Arzt, der ständig mit schwerkranken Patienten zu tun hat,
erlebt auch ständig die Ängste und starken Emotionen der Patienten und die Erwartung
der Patienten, dass er sie heilt. Natürlich werden dadurch viele Mitgefühle geweckt und
der Arzt wird auch sein bestes tun, um die Krankheit zu bekämpfen, aber er kann auch
nur an die Grenzen der Möglichkeiten gehen. Er steht also oft unter dem Druck der Ge-
fühle und der Erwartungshaltung anderer. Das kann dazu führen, dass er diesem Druck
nicht mehr standhalten kann. Er arbeitet mehr als sonst, opfert seine Freizeit, lebt nur
noch für die Patienten und glaubt, dass es ohne ihn nicht mehr geht, fühlt sich für alles
verantwortlich. Auf Dauer „brennt“ dieses Verhalten den Menschen „innerlich aus“. Die
Folgen sind das genaue Gegenteil: der Arzt ist in seinem Engagement für die Patienten,
für die Arbeit und für Mitarbeiter reduziert, er ist ohne Auftrieb. Dem Patienten ist damit
nicht mehr gedient.
Auch nicht jeder Arzt ist in seiner Wesensart gleich. Der eine ist gefühlsbetonter und
kontaktfreudiger, der andere eher reserviert und extrem sachlich. Treffen nun Gegensät-
ze zwischen Arzt und Patient aufeinander, kann es leicht zu einem Missverständnis
kommen. Der eine Patient hätte lieber eine einfache sachliche Mitteilung, er empfindet
Mitgefühl eher als störend, verunsichernd, so als ob der Krankheitszustand bereits hoff-
nungslos wäre. Der andere Patient empfindet eine sachliche Darstellung der Krankheit
als hart und unmenschlich. Es ist also nicht immer einfach, das richtige Maß für jeden
Patienten zu finden.
Ad 2:
Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass bei der Diagnosevermittlung eine
Art „Schockwirkung“ eintreten kann, der Patient hört nicht mehr alles, was nach dem
Wort „Krebs“ oder „maligner Tumor“ oder „bösartige Erkrankung“ gesagt wird.
Der Arzt kann nicht immer sehen, ob oder wann eine solche Schockwirkung eintritt, die
ein „Überhören“ auslöst, darum ist es wichtig, dass der Patient einige Stunden später
oder in den folgenden Tagen noch einmal mit ihm spricht. Die meisten Ärzte bieten aus
diesem Grund mehrere Gesprächstermine in den Folgetagen oder am selben Tag an.
Wenn der Patient die Diagnose zu verarbeiten beginnt, werden naturgemäß auch Aggres-
sionen frei, die dann oft unbewusst auf den Arzt, der die Diagnose mitteilte, gerichtet
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werden, manche Patienten wollen dann mit einem anderen Arzt sprechen. Auf diese
Reaktion ist man vorbereitet und darum wird die Möglichkeit eines Gespräches mit
einem anderen Arzt (der natürlich im selben Team arbeiten muss, um die Krankheitsbe-
funde zu kennen) dem Patienten unterbreitet.
Ad 3:
Prognosen zum Krankheitsverlauf, vor allem zur Frage der Zeitdauer des Überlebens,
werden von den Ärzten nicht gerne erstellt. Das ist verständlich, wenn man bedenkt, dass
jeder Mensch anders auf eine Behandlung anspricht bzw. bei jedem der Krankheitsver-
lauf anders ist. Prognosen, die in den Büchern zu finden sind, sind Statistikzahlen, die
lediglich Durchschnittswerte angeben. Aber man kann keinen Menschen zum Durch-
schnitt oder zum Über- bzw. Unterdurchschnitt zählen. Diese Statistikzahlen dienen der
Wissenschaft, um feststellen zu können, welches Medikament oder welche Behand-
lungsart am erfolgreichsten eingesetzt werden kann, dienen aber nicht der Prognose für
den einzelnen Patienten. Auf die Bedeutung von Prognosen wird genauer im Kapitel
„Krebs ist nicht gleich Krebs“ eingegangen.
Missverständnisse zwischen Arzt und Patienten sollten nach Möglichkeit von Anfang an
ausgeräumt werden, um den Aufbau einer Vertrauensbasis nicht zu behindern. Hierbei
ist es wichtig, dass die Ärzte immer wieder nachfragen, ob noch Fragen offen sind und
die Patienten sich zu fragen trauen, wenn sie etwas nicht verstanden haben. Ein Patient,
der vielleicht die selbe Frage immer wieder stellt, ist nicht dumm, sondern interessiert
daran, aktiv bei der Behandlung mitzumachen.
Das Gefühlschaos
Die Diagnose kann oft schon direkt nach einer Untersuchung so ziemlich genau festste-
hen, es können aber auch Tage, manchmal sogar Wochen bis zur endgültigen Gewissheit
vergehen. Diese Zeit zwischen Hoffen und Bangen ist für den Betroffenen fast unerträg-
lich und er kann eigentlich an nichts anderes mehr denken, alles andere wird unwichtig.
In Gedanken werden alle möglichen Situationen durchgespielt. Verzweiflung, Kampf-
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lust, Resignation, Angst, Hoffnung und viele andere Gefühle mischen sich, er befindet
sich regelrecht in einem Wechselbad der Gefühle. Diese Zeit wird von den meisten Pati-
enten als große psychische Herausforderung erlebt und der Tag X wird herbeigewünscht,
Hauptsache man hat endlich Gewissheit und zugleich wird die Angst vor dem Tag X
ständig größer. Ist es dann so weit, ist die endgültige Diagnose „Krebs“ wie ein Faust-
schlag ins Gesicht, auch wenn in Gedanken diese Situation immer wieder durchgespielt
wurde. Viele Patienten schildern auch eine Art des Gefühls der Erleichterung, so para-
dox das klingen mag. Die Patienten begründen diese Erleichterung damit, dass sie nun
endlich Gewissheit haben und sich auf die gegebene Situation konzentrieren können, die
Zeit des Hin- und Herspekulierens endlich vorbei ist, sie endlich einer Behandlung zuge-
führt werden, je schneller desto besser, um dem Krebs jedes weitere Wachstum unmög-
lich zu machen.
Sprachlosigkeit
Manche Patienten sind oft nicht in der Lage, über dieses Erlebnis der Diagnosevermitt-
lung zu sprechen, sie sind regelrecht sprachlos. Man darf nicht vergessen, dass in solch
einem Moment der Gewissheit über eine schwere Erkrankung, die ganze Zukunft in
Frage gestellt wird. Alle Pläne sind wie ausradiert! „Ich hatte das Gefühl, dass mir der
Boden unter meinen Füssen weggezogen wurde“, sagen viele Patienten. Diese Aussage
macht deutlich, dass das Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit verloren gegangen ist,
zwei der wichtigsten Grundbedürfnisse des Menschen. Aber nicht nur die Grundbedürf-
nisse des Menschen werden in Frage gestellt, sondern alle darauf aufbauenden natürli-
chen Bedürfnisse des Menschen, wie z.B. das Bedürfnis die Familie zu beschützen und
für sie zu sorgen.
Diese unwillkürliche Sprachlosigkeit kann sich bei manchen Patienten über den gesam-
ten Zeitraum der Erkrankung erstrecken. Mehrere Ursachen können dahinter stehen, wie
zum Beispiel:
• nicht wahrhaben wollen,
• um keinen Preis an die Krankheit denken,
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• nicht darüber sprechen, da die Krankheit sonst schlimmer wird,
• es ertragen müssen, weil es Gottes Strafe für eine Sünde ist oder aber auch
• die Unfähigkeit über Gefühle zu sprechen.
Eine andere Form der Sprachlosigkeit ist die willkürliche. Nach der Diagnosevermitt-
lung überlegen viele Patienten, ob sie dem Ehepartner und der Familie überhaupt von der
Krankheit erzählen sollen, um der Familie diese Angst, die sie gerade selbst erleben, zu
ersparen. In den wenigsten Fällen lässt sich die Diagnose verheimlichen, da Behandlun-
gen nötig sind und großteils stationäre Aufenthalte, die einer Erklärung bedürfen. Dass
eine familiäre Aussprache erfolgt, ist auch äußerst wichtig, denn nur so kann das soziale
Netz zum Tragen kommen und zur Unterstützung während der Krankheit beitragen, ein
wichtiger Faktor, der bei Behandlungen und in allen Krankheitsphasen eine Erleichte-
rung bringt. Vor allem wird eine wichtige Vertrauensbasis durch die Offenheit und Ehr-
lichkeit geschaffen.
Es gibt Fälle, in denen die Angehörigen die Diagnose vor dem Patienten realisieren, und
es geschieht häufig, dass die Angehörigen den Arzt und das Klinikpersonal darum bitten,
dass der Betroffene seine Diagnose nicht erfährt.
Aber dieses „Verheimlichen“ ist der beste Nährboden für Missverständnisse, vor allem
dann, wenn irgendwie die Ahnung in der Luft liegt, dass doch jeder Bescheid weiß. Eine
Atmosphäre der Anspannung und Unnatürlichkeit, sowie der Ausreden oder Notlügen
baut sich auf, in der sich keiner mehr wohlfühlen kann, die oft schrecklicher als die
Wahrheit erlebt wird. Besonders schlimm wird es für den Betroffenen, wenn er trotz
aller „Vorsichtsmaßnahmen“ die wahre Diagnose erfährt. Er fühlt sich von seinen engs-
ten Vertrauten hintergangen, auch wenn der ursprüngliche Gedanke, die Schonung des
Betroffenen, im Vordergrund stand.
Der Arzt ist laut Patientengesetz verpflichtet, dem Patienten die Diagnose mitzuteilen. Er
kann nur dann Abstand davon nehmen, wenn er beim Patienten eine vorübergehende
oder bestehende geistige Unzurechnungsfähigkeit festgestellt hat bzw. wenn der/die
Betroffene schon vor der Erkrankung zum Suizid geneigt hat oder gerade durch andere
Probleme (finanziell, familiär usw.) eine extrem psychisch belastende Situation durch-
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lebt, wodurch die Existenz bedroht wird und diese Diagnose eine schwere Depression
mit Suizidfolge auslösen könnte.
Studien zur Suizidgefahr bei lebensbedrohlichen Diagnosen haben ergeben, dass die
Selbstmordrate bei der „Diagnosevermittlung von Krebs“ nicht höher liegt als bei der
„gesunden“ Bevölkerung.
ZUSAMMENFASSUNG VON BEWÄLTIGUNGSSTRASTEGIEN FÜR EINE
BESSERE DIAGNOSEVERARBEITUNG
• Missverständnisse vermeiden
⇒ bei Unklarheiten über die Diagnose bzw. Behandlung beim Arzt immer wieder nach-
fragen, auch wenn es schwer fällt, aber in diesem Moment geht es darum, gut infor-
miert zu sein und nicht um die Einschätzung des Intelligenzquotienten
⇒ Angebote für Gespräche mit dem Arzt annehmen, um eine Vertrauensbasis zu schaf-
fen, die für die Krankheitsbewältigung von großer Bedeutung ist.
⇒ keine Prognosen erwarten, sondern den Behandlungsplan mit dem Arzt in Ruhe be-
sprechen
• Sprachlosigkeit abbauen
⇒ sowohl dem Arzt gegenüber, als auch den Angehörigen
⇒ über Gefühle sprechen lernen, um seelische Entlastungen schaffen zu können
• das soziale Netz aufbauen
⇒ keine Heimlichkeiten entstehen lassen, die eine unnatürliche Atmosphäre schaffen
⇒ Offenheit und Ehrlichkeit geben Sicherheit und stärken den Zusammenhalt
• wenn oben genannte Punkte nicht erreicht werden können, psychoonkologische Hilfe
annehmen
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DIE ANWENDUNG VON ENTSPANNUNG IN DIESER PHASE
Die Diagnosevermittlung ist für den Betroffenen momentan nicht nur das Ende eines
Lebens mit Zukunftsträumen, sondern auch der Beginn einer Zeit der Ungewissheit und
der Beginn der Trauerarbeit über die verlorene Gesundheit.
Ein wichtiges Grundbedürfnis des Menschen ist wie ich bereits erwähnte das Bedürfnis
nach „Sicherheit“ und gerade dieses wird ihm in diesem Moment genommen. Da können
Welten zusammenbrechen, der Boden wird unter den Füßen weggezogen und das Gefühl
der Hilflosigkeit macht sich breit – eine Hilflosigkeit über diese noch nie da gewesene
Lebenssituation, wo es wirklich um das Leben geht und zusätzlich eine Hilflosigkeit in
der Art des Ausgeliefertseins.
Bei fast allen meinen Patienten konnte ich bisher die typischen Trauerreaktionen und
Trauerphasen erkennen, wie sie für das Abschied nehmen von geliebten Menschen be-
schrieben wird (Verena Kast, Kübler-Ross usw.). Auch die Gesundheit ist etwas „Ge-
liebtes“, die manchmal erst an Bedeutung gewinnt, wenn sie nicht mehr so selbstver-
ständlich da ist.
Trauerphasen bzw. Trauerreaktionen:
• Nicht-Wahr-Haben-Wollen
• Gefühle – Chaos
• Resignation
• Neuorientierung
Diese Reaktionen müssen nicht in dieser Reihenfolge auftreten, auch werden nicht im-
mer alle Phasen durchlebt. Genauso wie diese Reaktionen nicht immer zu einem be-
stimmten Zeitpunkt auftreten, zum Beginn einer Erkrankung zum Beispiel, sondern zu
einem beliebigen Zeitpunkt auftreten können, je nach Verlauf der Erkrankung und der
Behandlung, sie können länger dauern oder nur sehr kurz zu beobachten sein.
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Bei Patienten, die mit eigenen Gefühlen schwer umgehen können oder nicht gelernt
haben über Gefühle zu sprechen, kann es sogar sein, dass diese Phasen überhaupt nicht
beobachtet werden können.
Je länger eine Krankheit dauert, also dieser „Ausnahmezustand“ herrscht, um so eher
werden aber diese Phasen sichtbar und es kann durchaus passieren, dass ein anscheinend
psychisch stabiler Patient nun plötzlich dekompensiert. Es kann auch vorkommen, dass
ein Patient erst Monate nach dem Behandlungsabschluss die Erlebnisse aufarbeitet. Das
passiert immer dann, wenn Verdrängung (nicht-wahr-haben-wollen) nicht mehr möglich
ist.
Wie kann ich bei der Diagnoseverarbeitung helfen?
Milton Erickson legte großen Wert auf die Wertschätzung des Menschen. Diese Wert-
schätzung des Menschen ist für den Patienten in diesem Moment das wichtigste.
Er hat gerade gehört, dass er schwer krank ist, sein Körper ist nicht mehr unversehrt, sein
Körper hat Defizite, sein Körper ist nun aus der Kontrolle geraten. So ähnliche Worte
signalisiert das Unterbewusstsein nun dem Bewusstsein. Oft fragt der Geist nach “Wa-
rum gerade ich“, „was habe ich getan“, „was habe ich falsch gemacht“?
Und das Gewissen antwortet manchmal mit „du hast zu wenig Urlaub gemacht“, „du
hast zu wenig Bewegung gehabt“, „du hast nie auf dich geschaut“, „du hast Raubbau mit
deiner Gesundheit betrieben“ und ähnliches mehr, worauf automatisch Schuldgefühle
und Ängste (weiter alles falsch zu machen) auftauchen. Das Selbstwertgefühl ist zu
diesem Zeitpunkt nicht gerade ein blinkender Stern am Horizont. In diesem Moment
braucht der Patient nun wenigstens die Wertschätzung von Ihnen.
Es ist bedeutsam ihm zu signalisieren, dass sie seine Ängste und Zweifel verstehen ange-
sichts dieser völlig neuen Lebenssituation.
Worte wie „das schaffen sie schon“ sind völlig fehl am Platz, denn diese Worte machen
nicht Mut, sondern stellen eine weitere Belastung dar. Was, wenn ich auch das nicht
schaffe?
Fragen Sie nach dem, was den Patienten im Moment am meisten belastet, dann kommt
äußerst selten die Antwort, dass er Angst vor dem Sterben hat. In den meisten Fällen ist
es die Angst, den nächsten Schritt in diese nun durch Krankheit gezeichnete Zukunft zu
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machen. An erster Stelle steht meist die Therapie, eine Therapie die er noch nie durch-
gemacht hat und daher keine Erfahrungswerte sammeln konnte.
Chemotherapien / Strahlentherapien
Hier hilft es dem Patienten zumindest die Erfahrungen anderer Patienten aufzuzeigen,
wie sie es gemacht haben, die Behandlungen leichter zu ertragen. Ich sage dem Patien-
ten auch, dass ich seinen Entschluss zur Behandlung gut finde und seine innere Stärke
bewundere. Fast immer folgt dann die Antwort, dass er ja nicht anders kann und die
Behandlung machen muss.
Durch diese Wertschätzung komme ich aber genau auf den ersten wichtigen Punkt, die
Erkenntnis, dass die Behandlung freiwillig vom Patienten angenommen wurde, dass er
sich dafür entschieden hat, denn er hätte sich auch gegen eine Behandlung aussprechen
können. Dieses Bewusstmachen ist ausschlaggebend, denn dadurch wird der Patient
ganz anders mitarbeiten, wenn er merkt, dass er es selbst auch will und er bekommt die
Rückmeldung, dass er entscheidungsfähig ist (Selbstwertgefühl steigt, weil kein hilfloses
Unterordnen im Vordergrund steht).
Ich mache dem Patienten auch klar, dass er nicht nur kranke Anteile in seinem Körper
hat, sondern auch noch viele gesunde, die man über die Krankheit nicht vergessen darf,
sondern die nun zusätzlich gestärkt werden sollten. Durch das Sprechen über die Ge-
sundheit, nicht nur über die Krankheit, bekommt der Patient nun einen anderen Blick-
winkel (positive Einstellung).
Zu diesem Zeitpunkt mache ich den Patienten auch meistens das erste Angebot zu einer
Entspannung, um Kräfte und weiteren Mut zu sammeln. Sich erlauben lernen, auch ein-
mal ausruhen zu dürfen, ohne dabei den Kampfgeist oder den Willen zu verlieren. Einen
verbissenen Kampf zu führen, der ohne Überzeugung und ohne die nötige Kraft verläuft,
führt oft am Ziel vorbei. Und die Kraft sollte nicht in die Angst oder in ein unbestimmtes
Ziel investiert werden, sondern sie sollte zur besseren Krankheitsverarbeitung genutzt
werden.
Dabei verwende ich oft ein banales Beispiel, das aber noch nie seine Wirkung des besse-
ren Verständnisses verfehlt hat, das Beispiel eines Packesels:
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Ein Packesel, der Lasten tragen muss, muss auch Pausen machen, einmal alles abladen,
um sich ausruhen zu können, neue Kräfte sammeln zu können, um alles bis zum Ziel zu
tragen, ohne vorher zusammenzubrechen.
Die erste Entspannung halte ich immer kurz. Erstens um zu sehen, ob sich der Patient
darauf einlassen kann und zweitens, ob er überhaupt Ruhe aushalten kann. Die erste
Entspannung ist angelehnt an das Autogene Training, aber ohne die typischen Einstreu-
ungen vom Gefühl der Schwere, dass sich in den jeweiligen entspannten Körperzonen
ausbreiten soll. „Schwere“ ist in diesen Momenten vom Patienten kaum auszuhalten,
auch wenn von einer angenehmen Schwere der Ruhe gesprochen würde.
Die erste Entspannung:
„Legen sie sich bequem hin (Entspannungslage einnehmen lassen)
und dann atmen sie einmal tief durch. Wenn sie wollen schließen sie die Augen. ----
Erwarten sie nicht, dass sie nun ganz entspannt sein müssen, lassen sie es einfach ge-
schehen ------ (Druck, entspannen zu „müssen“ nehmen)
Gehen sie in Gedanken an einen Ort, an dem sie gerne sind -------
an einen Ort an dem sie Wärme und Geborgenheit spüren können-------
ein Ort an dem der Alltag draußen bleibt, an dem sie ganz für sich sind. -------
Nehmen sie jenen Ort, der ihnen spontan in den Sinn kommt, es wird der richtige für
heute sein. -----------
Dort lassen sie sich nun nieder und machen es sich in Gedanken bequem und kuschelig.
----- (Distanzierung vom Alltag)
Das ist ihr Ort der Ruhe, an dem sie nun Zeit haben einmal ganz für sich zu sein,------
wo der Alltag draußen ist, -----
wo nur sie wichtig sind, alles andere kann ruhig einmal bis später warten, -------
jetzt ist nur ihre Ruhe und ihre Erholung von Bedeutung, ----------
erlauben sie sich diese Entspannung und genießen sie diesen Augenblick ganz für sich. --
-------(einen sicheren Ort haben, loslassen lernen)
Gedanken die vorbeikommen, lassen sie gehen wie Wolken am Himmel, -----------
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auch die Gedanken müssen nun nicht zu Ende gedacht oder bewertet werden, auch sie
haben Zeit bis später. ------ (Erlaubnis zur Konzentration auf sich selbst)
Spüren Sie wie gut es tut die Arme auszuruhen, einmal gar nichts tun zu müssen, nur
ausruhen und diesen Augenblick genießen -----------
und spüren, wie die Arme entspannt auf der Unterlage liegen. ------ (Körper fühlen ler-
nen)
Und der Kopf und der Nacken---, spüren sie wie angenehm es ist, den Nacken zu ent-
spannen, den Kopf auszuruhen, ------
einmal an gar nichts denken zu müssen, nur zu spüren wie gut es dem Nacken tut, -----
dem Kopf, wenn er locker auf der Unterlage liegen kann.-----
Und dann atmen sie sich einmal frei, -----
atmen sie langsam durch die Nase ein, sammeln dabei alles aus dem Körper, was diese
Ruhe stören könnte, -----
halten dann den Atem kurz an,----
um dann durch den Mund auszuatmen.
Atmen sie alles hinaus, weit weg vom Körper.----
Dann noch einmal: einatmen, sammeln, Atem anhalten und alles weit weg atmen--------
und noch einmal (Maximal 3 Mal). -------- (freimachen vom restlichen Alltag)
Spüren Sie wie schön es ist einmal frei zu sein, -----
spüren wie sich die Ruhe langsam im Körper ausbreitet, in alle Ecken und Winkel des
Körpers gelangt eine angenehme wohlige Ruhe.-----------
Breitet sich aus im Rücken----,
der Rücken entspannt sich und ein Wirbel nach dem anderen kommt gut auf der Unter-
lage zum Liegen
dann der Bauch-----,
Gesäß und Becken-----,
das tut gut.------------- (Konzentration auf Ruhe stützen)
Und auch die Beine entspannen sich, -------
liegen gut und es ist schön, die Beine auszuruhen, ---------
im Moment nirgends hingehen müssen oder den Körper tragen müssen, einfach ausru-
hen können, das tut gut.----------
23
Spüren sie wie angenehm es ist, ganz entspannt zu sein. -----
Sollte irgend etwas diese Ruhe noch stören, so lassen sie es aus dem Körper fließen, -----
hinausfließen,----------
Fließen-------
und spüren sie wie schön es ist, frei zu sein, --------
genießen sie diesen Augenblick im Hier und im Jetzt, in diesem Moment. -----------
(Längere Pause! Durch das Hervorheben des „Hier und Jetzt“ wird der Augenblick des
Loslassens noch bedeutender)
Durch die Ruhe ist in ihrem Körper nun Platz für neue Kräfte, positive Energien, die
sich nun angenehm in ihrem Körper ausbreiten. ----------
Diese Kräfte gibt ihnen die Natur, die immer da ist, sie immer umgibt (Sicherheit nicht
allein zu sein, gestützt zu sein, Kräfte immer sammeln zu können, nicht nur zu bestimm-
ten Zeitpunkten) ------
Die Sonne gibt ihnen Wärme, ---------
das Wasser Vitalität-------,
die Luft Frische ----
und die Erde Stärke.-----
Und diese vereinten Kräfte breiten sich nun in ihnen aus, erneuern ihre inneren eigenen
Kräfte, gehen durch den ganzen Körper, ------
zu den Armen, ---
Nacken und Kopf, ------
Brust, ----
Rücken, -----
Bauch, ----
Gesäß, -----
Becken-------
und zu den Beinen.---
Und ihr ganzer Körper ist nun voller positiver Energien, -------
ihre eigenen inneren Kräfte sind nun stark, jene Kräfte mit deren Hilfe sie schon viele
Dinge in ihrem Leben erreicht haben, auf die sie stolz sein können. (Selbstsicherheit und
Selbstwertgefühl stärken)
24
Spüren sie Ihre Kraft -----------------
Glauben sie an sich selbst!--------------- (Selbstvertrauen!)
Und diese positiven Energien nehmen sie nun mit von ihrem Ort der Ruhe, den sie nun
langsam, ganz langsam verlassen,
um wieder in die Gegenwart zurückzukehren, mit der Gewissheit, dass wann immer sie
das Gefühl haben neue Kräfte zu brauchen, sie an ihren Ort der Ruhe zurückkehren
können (sich selbst helfen können neue Kräfte zu sammeln, einen Platz haben an dem
man sich zurückziehen kann, wo Ängste und Sorgen zumindest für eine kurze Zeit drau-
ßen bleiben)------------
Öffnen sie die Augen, um sich in ihrer Umgebung wieder zurecht zu finden,
recken und strecken sich
und spüren sie, dass sie ausgeruht sind.
Wichtig ist immer nachzufragen, ob es möglich war auch innere Ruhe zu halten oder
sonst irgend etwas vielleicht unangenehm war. Unruhe oder Unangenehmes sollte sofort
besprochen werden, um spätere Entspannungseinheiten nicht von vornherein zu blockie-
ren. Es können auch frühere Erlebnisse oder Traumata aufgetaucht sein, die in diesem
Moment nicht unbeachtet bleiben dürfen.
25
KAPITEL 2
„WARUM WURDE ICH KRANK ?“
26
Warum gerade ich?
Diese Frage beschäftigt viele Betroffene immer wieder. Sie grübeln, was sie falsch ge-
macht haben könnten. War es die Ernährung, zu wenig Schlaf, zu viel Stress und, und,
und.......!
Schuldgefühle machen sich oft breit und führen zu Depressionen. Menschen, die subjek-
tiv gesehen einen wesentlich schlechteren „Lebenswandel“ führen, die aber gesund sind,
verstärken negative Aggressionen und oft Resignationen, die einen positiven Kampf
gegen die Krankheit behindern.
Es gibt karzenogene Stoffe, die eine Krankheit auslösen können, wie zum Beispiel
Suchtmittelabusus, Asbest, verschiedene ätzende Chemikalien, giftige Gase usw. Es
kann aber auch eine genetische Veranlagung vorhanden sein.
Aber warum erkranken andere Menschen unter den selben Einflüssen mit den selben
Voraussetzungen nicht?
Es gehören immer mehrere Faktoren zusammen, um eine solche Krankheit zum Aus-
bruch gelangen zu lassen. Genau lässt sich nie sagen, was nun wirklich der Auslöser
war, außer ein Mensch hat sich permanent unter einem krankmachenden Einfluss befun-
den. Ob nun körperliche oder psychische Einflüsse zu einer Überlastung des Immunsys-
tems geführt haben und die Kontrolle über das natürliche Zellwachstum verloren ging
oder Zellen unter bestimmten Einflüssen mutierten und das Immunsystem keinen
Schlüssel finden konnte, um diesen Code zu knacken, Selbstvorwürfe oder Vorwürfe
von anderen, sind in jedem Fall nicht das, was der Krankheitsbewältigung nun nützt.
Jeder kann an Krebs erkranken, keiner hat die Gewissheit, dass er sein Leben lang davor
verschont bleibt!
Gesundheit ist irgendwie etwas Selbstverständliches,... solange man sie hat. Geht sie
verloren, ist die Frage nach dem „warum“ wohl eine der ersten, die sich aufdrängt.
Es ist die Suche nach der Ursache, nach einem Schuldigen, nach einer Lösung aus dieser
Situation, so als ob die Antwort damit auch gleichsam zur Aufhebung der Krankheit
führen könnte.
27
Aggressionen und Schuldgefühle
Oft wird diese quälende Frage nach dem „warum“ mit immer stärker werdenden Aggres-
sionen begleitet. Positive und negative Aggressionen sind natürliche Lebensgefühle des
Menschen. Negative oder destruktive Aggressionen beinhalten Wut, Traurigkeit, Ohn-
macht, Hilflosigkeit und ähnliches mehr. Positive oder konstruktive Aggressionen kön-
nen zu Tatendrang, Durchsetzungsvermögen, Aufbau des Selbstbewusstseins usw. füh-
ren.
Aggressionen können gegen andere oder sich selbst gerichtet sein, aber auch ins Leere
gehen, und fast immer sind sie auch gegen die Krankheit an sich abgezielt.
Negative Aggressionen gegen andere Menschen treten besonders dann auf, wenn der
Betroffene ein gesundes Leben geführt hat. Er kann nicht verstehen, warum sein Körper
nicht gesund blieb, er hat nie geraucht, er hat keinen Alkohol getrunken, immer auf ge-
sunde Ernährung geachtet, war immer darauf bedacht seinen Körper mit Sport oder mit
viel Bewegung in frischer Luft fit zu halten. Der Nachbar oder ein Bekannter oder
Freund hat nie auf seine Gesundheit geachtet, ja sie sogar mit Füßen getreten und er ist
gesund! Die Frage nach Gerechtigkeit bleibt offen und nicht selten wird das Selbstmit-
leid immer größer! Teilweise kann es passieren, dass dann den „Gesunden“ die Krank-
heit gewünscht wird, vor allem, wenn er sagt: „Du schaffst das schon“, was in der Folge
auch noch zu weiteren Schuldgefühlen führen kann.
Negative Aggressionen werden teilweise auch auf Menschen gerichtet, die den Betroffe-
nen einmal psychisch schwer verletzt haben. Zum Beispiel, wenn der Ehepartner fremd
gegangen ist, oder wenn die Kinder mit Undankbarkeit die vielen Opfer, die man für sie
gebracht hat quittieren, ein Arbeitgeber, der nach so langer Zeit der besten Zusammenar-
beit einfach die Kündigung auf den Tisch gelegt hat, gute Freunde, die einen bitter ent-
täuschten usw.
War der bisherige Lebensstil nicht unbedingt auf die Gesundheit ausgerichtet, dann
werden vielfach destruktive Aggressionen gegen sich selbst wach, gepaart mit quälenden
Schuldgefühlen. Die Verzweiflung über das eigene Verhalten im vergangenen Leben
und die nicht mehr gutzumachenden Folgen, kann soweit gehen, dass der Betroffene in
28
eine schwere Depression verfällt. Gedanken wie - ich kann es nicht mehr ungeschehen
machen, ich bin selbst Schuld, das ist jetzt die Strafe für mein ungesundes Leben wider
besserem Wissen - sind an der Tagesordnung. Es scheint oft keinen Lichtblick zu geben,
aus dieser „Selbstschuld“ herauszukommen.
Einige Betroffene haben Aggressionen, die sich gegen keine bestimmte Person richten.
Diese Aggressionen machen oft ein Verhalten aus, das man als „launisch“ bezeichnen
könnte, in Wirklichkeit weiß der Betroffene nicht, wie er damit umgehen soll.
Fast immer richten sich Aggressionen auch auf die Krankheit. Im Grunde genommen ist
das der erste Schritt, gegen die Krankheit anzugehen und sich nicht unterkriegen zu
lassen, aber die Aggressionen sollten zielgerichtet sein, damit sie zu konstruktiven wer-
den und nicht im Vakuum abgebaut werden.
Ein Beispiel, wie Aggressionen gezielt gegen die Krankheit eingesetzt werden können,
gab das Arztehepaar „Simonton“ bereits vor ca. 30 Jahren. Sie entwickelten die Metho-
de der Krankheitsvisualisierung, die darin besteht, sich vorzustellen wie der Tumor von
den Killerzellen aufgefressen wird.
Aber auch andere Aktivitäten durch Aggression können entstehen. Die Betroffenen
krempeln ihr ganzes Leben um und gestalten es rein nach Gesundheitsaspekten, was dem
Wohlbefinden und der aktiven Mithilfe zur Krankheitsbewältigung sicher einen enormen
Vorschub leistet, da es ein zielgerichtetes Handeln ist.
Krankheit als Strafe
Es gibt Tumorpatienten, die ihre Erkrankung als Strafe Gottes für eine Sünde in ihrem
Leben ansehen.
Eine Patientin wusste, dass die Ursache ihres Unterleibskrebses darin lag, dass sie sich
als junges Mädchen einer Abtreibung unterzog. Sie musste nun diese Strafe annehmen,
sie durfte nicht klagen oder verbittert sein.
Ein Mann mit Hodenkrebs begründete seine Erkrankung als Strafe für die Untreue zu
seiner Ehefrau.
Eine Patientin mit Brustkrebs links hatte über Jahrzehnte mit der Schwiegermutter den
Haushalt zu teilen, von der sie gedemütigt und nie als richtige Schwiegertochter aner-
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kannt wurde. Als die Schwiegermutter krank wurde und verstarb, verspürte sie keine
Trauer, sondern ein Gefühl der Erlösung. Nun war sie selbst erkrankt. Das war die Strafe
dafür, dass sie so herzlos gewesen war (Sitz des Herzens unter der linken Brust).
Manchmal wird die Erkrankung nicht als Strafe für ein selbst begangenes Unrecht gese-
hen, sondern als Strafe für von anderen begangenem Unrecht, meist an dem Betroffenen.
Einige Patientinnen waren bei der Befragung davon überzeugt, dass die Untreue ihres
Mannes zum Auslöser vom Unterleibs- oder Brustkrebs wurde. Die Krankheit war die
Strafe für den Ehemann, eine Art Rache nach folgendem Motto: Der „Untreue“ soll nun
ruhig Angst um mich haben, wenn ich sterbe, wird er schon sehen, was er an mir gehabt
hat!
Auch Kinder spielen oft eine Rolle. Einige Patienten gaben an, dass sie ihr ganzes Leben
für die Kinder geopfert hatten, die aber mit Undank all die Mühen quittierten. Die Er-
krankung brächte den Kindern dann die bittere Erkenntnis, dass sie unrecht gehandelt
hatten und reumütig zum Patienten kämen (Wunsch nach sozialer Unterstützung!).
Krankheit als Folge von Stress
Ob beruflicher oder familiärer Stress, fast immer wurde er von den Befragten als Aus-
beutung der Gesundheit gesehen. In vielen Fällen kamen Schuldgefühle dazu, weil kein
Urlaub gemacht wurde oder die Karriere im Vordergrund stand oder aber auch die fami-
liäre Situation nie bereinigt wurde.
Männer gaben häufiger als Frauen beruflichen Stress als Ursache an. Sie hatten sich oft
bei der Arbeit überfordert gefühlt, teilweise auch unter dem Druck einer großen Verant-
wortung gelitten. Teilweise gaben auch Ehefrauen dieser Patienten eine solche Erklärung
ab, stützten also unbewusst die Schuldgefühle des Patienten.
Manchmal kam sogar noch das Gefühl „für das sich nicht kümmern um häusliche Pflich-
ten“ gestraft zu werden hinzu, denn der Mann bekam zu hören: „Er war ja nie da! Immer
beruflich unterwegs!“
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Krankheit als Antwort auf kritische Lebensereignisse
Als kritische Lebensereignisse werden jene Lebensereignisse bezeichnet, die meistens
nicht vorhersehbar sind und die das Leben plötzlich verändern, so wie eine schwere
Erkrankung, Unfall, Tod, Trennung, unerwartete Kündigung usw.
Nicht-kritische Lebensereignisse, sind jene, die man voraussehen und zum Teil auch
planen kann. Für manche Menschen werden aber nicht-kritische Lebensereignisse oft zu
kritischen. Ein Beispiel dazu:
Ein Mann freute sich seit Jahren auf seine Pensionierung, um dann endlich die Reisen
machen zu können, die er sich immer erträumte. Er träumte davon mit seiner Frau ge-
meinsam Sehenswürdigkeiten zu besichtigen, geschichtsträchtige Plätze aufzusuchen
und alles mit eigenen Augen zu sehen, was er nur aus Büchern oder dem Fernsehen
kannte. Endlich war es soweit. Aber statt der Reiselust machte sich ca. 3 Monate nach
der Pensionierung eine unendliche Müdigkeit und Antriebslosigkeit breit, der Hausarzt
stellte Depressionen fest. Wie war es dazu gekommen? Eigentlich wollte der Mann am
liebsten am ersten Tag nach seiner Pensionierung losfahren. Aber erst musste noch mit
den Freunden und mit der Familie dieser Lebensabschnitt gefeiert werden. Schließlich
war es endlich soweit, die Koffer waren gepackt, als die Tochter plötzlich wegen einer
akuten Blinddarmentzündung und sofortiger Operation in die Klinik musste. Der
Schwiegersohn war auf Montage im Ausland, irgend jemand musste inzwischen auf die
drei Enkelkinder zwischen 2 und 7 Jahren aufpassen. Bis die Tochter wieder schwerere
Gegenstände heben konnte, wie etwa das kleinste Kind und den Wäschekorb, waren
zwei gute Wochen vergangen und im Garten wurden inzwischen die Früchte reif, welche
die Ehefrau noch einkochen wollte. Die Reisepläne verschoben sich wieder. So reihte
sich eines ans andere, bis der Mann das Gefühl hatte, dass sich seine Träume nie erfüllen
würden, es würde immer etwas „dazwischen“ kommen. Schließlich gab er seine Pläne
und Ziele auf, was erst zu Unlust, Antriebslosigkeit und schließlich zur Depression
führte. Als auch noch eine Tumorerkrankung hinzukam, war er sich sicher in einigen
Wochen zu sterben.
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Die Frage nach dem „warum“ wird manchmal auf diese geschilderten Arten beantwortet.
Wenn man die Erklärungsinhalte genauer betrachtet, haben sie alles etwas gemeinsam:
die hohe seelische Belastung. Seelische Erschütterungen und Verletzungen, die über
einen längeren Zeitraum anhalten, führen zu einer Art Dauerstress, das Immunsystem
wird geschwächt. Krebszellen haben eine größere Chance vom eigenen Immunsystem
nicht erkannt zu werden.
In mehreren Studien sollte diese Theorie belegt werden, aber nicht immer konnten derar-
tige seelische Dauerbelastungen alleine für den Ausbruch einer Krebserkrankung ver-
antwortlich gemacht werden. Es müssen also mehrere Faktoren aufeinander treffen. Das
heißt, dass ein genetischer oder umweltbedingter Einfluss oder ein anderer körperlich
schwächender Einfluss ebenfalls stattgefunden hat. Um die Funktion von Zellen und
deren „Entgleisung“ besser zu verstehen, soll im nächsten Kapitel auf die Entstehung
maligner Tumoren näher eingegangen werden.
ZUSAMMENFASSUNG MÖGLICHER BEWÄLTIGUNGSSTRATEGIEN
• Sogar die Wissenschaft ist schon lange bemüht, eine Antwort auf das „warum“ zu
finden, aber auch sie hat noch keine eindeutige Antwort parat. Warum quäle ich mich
also mit dieser Frage?
• Grübeln kostet Kraft, vielfach auch den Schlaf. Beides trägt nicht zur Genesung bei!
Besser ist die Frage „was kann ich gegen die Erkrankung tun!“
• Eine nicht belegte Antwort auf die Frage nach dem „warum“ wirkt keine Wunder
und löst die Erkrankung nicht auf
• Schuldgefühle und Selbstvorwürfe sind destruktiv und geben dem Krebs Nahrung
• Vorwürfe von anderen sind unangebracht und meist ohne wahre Begründung
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• Wenn ich an einen strafenden Gott glaube, dann darf ich nicht vergessen, dass er
auch ein liebender ist, der Sünden verzeiht! Ich muss lernen zu verzeihen, vor allem
mir selbst
• Ich setze meine natürlichen Aggressionen sinnvoll ein, ich verbessere ungesunde
Lebensweisen und gebe das Vertrauen in mich selbst nicht auf
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ANWENDUNG VON ENTSPANNUNG IN DIESER PHASE
Fallbeispiel für eine Entspannung vor Behandlungsbeginn:
Ein Patient (55 Jahre) mit einem inoperablen Gehirntumor wurde an unsere Klinik über-
stellt. Die Ärzte gaben ihm noch ein paar Wochen Lebenszeit, hatten kaum Hoffnung,
dass eine Therapie noch anschlagen würde. Geplant war erst eine Strahlentherapie und
dann Chemotherapie.
Der Patient war verständlicherweise sehr verzweifelt. Er erzählte mir von seinem Leben.
Er war als Kind in Tirol aufgewachsen, seine Ursprungsfamilie lebt heute noch hier. Als
junger Mann und Künstler zog er in die Welt hinaus. Er lebte in Paris, in Mailand usw.
bis er schließlich in Amerika blieb, wo er die Frau seines Lebens gefunden hatte und
große berufliche Erfolge feierte. Seine 11-jährige Tochter war aber das wichtigste in
seinem Leben. Nun war er aufgrund seiner Erkrankung hierher nach Tirol gekommen,
denn in Amerika wurde er erst falsch behandelt und als der Tumor endlich erkannt wur-
de, kündigte ihm seine amerikanische Krankenversicherung.
Er verurteilte sich auch selbst, dass er zu lange damit gewartet hatte zu einem Arzt zu
gehen, als alles anfing. Er hatte es wohl geahnt, Angst davor gehabt, weil er sein tolles
freies Leben nicht aufgeben wollte.
Er wusste nun, dass er wahrscheinlich nicht mehr lange leben würde, hatte Angst, dass er
seine Frau und Tochter, die erst in 2 Wochen von Amerika anreisen konnten, nicht mehr
sehen würde.
Ich fragte ihn, ob er wüsste, wie stark seine inneren Kräfte seien. Er meinte, dass er frü-
her sehr stark war, er hatte lange Jahre schlechte Zeiten gefristet, als er noch ein unbe-
deutender Künstler war, hatte gelernt sich selbst immer wieder zu motivieren, aber diese
Kraft fehlte ihm nun, dazu wäre er inzwischen zu schwach und fühlte sich zu alt. Ich
fragte ihn daraufhin, ob er es annehmen könnte, wenn ich ihm zeige, wie er neue Kräfte
sammeln kann.
Er hörte auf zu weinen, wurde hellhörig. Ich erzählte ihm, wie wichtig es wäre, die Kräf-
te nicht in die Verzweiflung fließen zu lassen, sondern sie im Wettlauf gegen die Zeit
anzuwenden. Zeit wäre momentan sein wichtigster Faktor, denn er brauchte Zeit, damit
34
die Therapie schneller als die Krankheit sein konnte, er seine Frau und seine heißgeliebte
Tochter wiedersehen konnte. Ich fragte ihn, ob er schon einmal Entspannung gemacht
hatte. Er hörte früher oft gerne Entspannungsmusik bzw. Entspannungsgeräusche: das
Plätschern eines Wassers, das Zwitschern von Vögeln im Wald usw.
Ich erklärte ihm den Zusammenhang von Entspannung und Erholung, das Sammeln von
Energien und die folgende positive Beeinflussung seiner gesunden Anteile im Körper.
Für ihn war eine „Gedankenreise in einen Wald“ ideal, da er durch die Geräusche der
Natur auch früher Entspannung fand.
Der Waldspaziergang (Entspannung nach Milton Erickson, angenehme Anregung aller
Sinne zur Veränderung negativer Gefühle)
Wie immer ließ ich den Patienten zuerst an seinen Ort der Ruhe gehen. Von dort aus
begann die Gedankenreise:
„Gehen sie nun ein Stück mit mir spazieren. Ich werde ihnen bei diesem Spaziergang
durch einen wunderschönen Wald erzählen, was ich sehen kann, hören, riechen, schme-
cken und fühlen. -----
Es ist frühmorgens kurz vor Sonnenaufgang. --------
Unter unseren Füssen beginnt ein herrlicher Weg, der zwischen alten und starken Bäu-
men hindurchführt. -----------
Der Weg ist angenehm zu gehen. --------
Der Boden ist nicht zu hart, nicht zu weich, er ist nicht steil, er tut den Füssen so gut,
dass man darauf gehen kann und das Gefühl hat, dass sich die Beine entspannen. --------
--
Und diese alten starken Bäume (alt ist nicht auch automatisch schwach!) haben herrli-
ches Laub,-----------
das Laub hat ein zartes grün, das den Augen gut tut, das Gesicht entspannt ------------
Und wenn man so einen alten Stamm mit der Hand berührt, --------------
dann spürt man seine borkige Rinde --------
seine Stärke -------
die man direkt spüren kann, wenn man ihn berührt----------
Wie lange steht er wohl nun schon hier ----
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und wie vielen Stürmen hat er schon standgehalten?------ (Stürme überstehen können!)
Seine Äste neigen sich schützend über uns, ----------
die Äste, die Schatten geben, --------
vor Regen schützen ----
und die eine Art Geborgenheit vermitteln------------------
seine Blätter, die im zarten angenehmen Windhauch leicht rauschen ---------
ein zarter Windhauch, der unsere Gesichter sanft streichelt und erfrischt -----------------
(Liebe, Geborgenheit vermitteln)
Und der Duft des Waldes nach Moos, ----
Rinde, ----
Blätter,-----
Erde ---------------------
jener unvergleichlich frische Duft der Tannen und Fichten ------------------------
wohltuend ---
Und die Sonne geht nun langsam auf ------
die Vögel in den Baumkronen begrüßen mit fröhlichem Gezwitscher diesen neuen Tag,
mit einer Fröhlichkeit, die fast ansteckend ist (angenehmes Gefühl durch frühere Erfah-
rungen erinnern) ---------
und wenn man ihnen zusieht, wie sie von Ast zu Ast fliegen mit einer Leichtigkeit ---------
eine Leichtigkeit, die man spüren kann,-------
man hat fast das Gefühl, sich selbst aus allem zu erheben mit einer Leichtigkeit, von der
man nichts wusste,-------
wie schön das ist------
und wie leicht es einem der sanfte Wind macht, sich zu erheben ------------
(jemand vermittelt Leichtigkeit und jemand hilft es leichter werden zu lassen)
Und die Wärme der Sonne, die nun da und dort durch die Blätter wunderbare Strahlen
wirft, --------
die den Körper wohlig wärmt -----------
Strahlen, die auf dem Moos am Boden wunderschöne Muster ergeben------------
und das Moos, das duftet--------
und die Tautropfen der Nacht glänzen auf ihm in der Sonne wie kleine Kristalle ----------
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Wir gehen weiter und sehen links und rechts vom Weg Stauden mit herrlichen Beeren,
sind es Himbeeren, -----
Brombeeren,----
oder Erdbeeren? ------------
Wir kosten von diesen Früchten.--------
Spüren sie, wie fruchtig sie sind,-----
wie dieser Geschmack auf der Zunge zergeht, -------
dieser unvergleichlich wunderbare Geschmack, der nur bei den Waldbeeren so intensiv
ist -------------------------
Und dort vorne, da sind ihre Lieblingsblumen in ihren Lieblingsfarben, -----
daher duftet es hier so wunderbar, diese herrlichen Blumen mit diesem erfrischenden
Duft ----------------
Hören sie, dort rauscht in der Ferne nicht ein Bach ---------
Gehen wir zu diesem Wasser!
Immer dem Geräusch nach, ---
es wird langsam lauter-----
und schließlich stehen wir davor. Ein klarer Bach schlängelt sich durch diese Au. ----
Das Wasser ist so klar, so rein-----------
man kann auf den Grund des Baches sehen, -----
dort liegen viele kleine, vom Wasser rundgeschliffene Kiesel ----------------
und hält man die Hand in das klare, reine Wasser, so spürt man diese Kühle, -------
diese Frische, so rein, so klar -------------------
und wir nehmen einen Schluck von diesem klaren Wasser und spüren wie es den Mund
und die Kehle benetzt, erfrischt, spüren die Vitalität des Wassers ----------------------------
Und wir gehen weiter, kommen an eine Waldlichtung ---------------
Es wird immer heller --------,
da liegt plötzlich eine unendlich weite Blumenwiese vor uns, duftend,-----
die Grashalme und Blüten wiegen sich leicht im sanften Wind hin und her---------
hin und her ----------
hin und her --------
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und es ist fast so, als ob man den beruhigenden Pulsschlag der Natur fühlen könnte in
diesem Wiegen, hin und her-----
hin und her ------------ (Wiegen soll Gefühl der Geborgenheit verstärken, ruhiger Puls-
schlag an der Beruhigung des eigenen mitwirken)
Und diese Ruhe ---------
dieser Frieden hier --------------
die Sonne, die mit ihren ersten Morgenstrahlen den Körper wohlig wärmt------
und der Windhauch der zart über den Körper streicht und ihn kühlt----------------
wie schön ist es doch hier --------------------
und wie leicht atmet es sich langsam ein und aus -------
ein und aus,------
atmet alles hinaus, was diese Ruhe stören könnte, ein und aus ----------------
und wie frei man hier ist ---------------------- (Loslassen unterstützen)
Ich werde nun hier bleiben, aber gehen sie ruhig weiter,-----
gehen sie hinein in ihre Natur,-----
sehen sie, was sie sehen können,
hören sie, was sie hören können,
riechen sie, was sie riechen können,
schmecken sie, was sie schmecken können und
spüren sie, was sie spüren können --------
genießen sie diese Augenblicke ganz für sich --------- ----------(längere Pause)
Den Patienten in seiner eigenen Phantasie gehen lassen, damit das „Erleben“ tiefer gehen
kann, die Entspannung mehr zur Autosuggestion werden kann.
Kommen sie nun zu mir zurück zur Blumenwiese,--------
gehen wir gemeinsam zurück.
Schauen sie noch einmal zurück auf diese Wiese,------
spüren sie die Sonne, die ihnen ihre wunderbaren Energien schenkt, ------
spüren sie den Wind, der ihnen die Luft zum Atmen gibt ---------
wir gehen vorbei am Bach,---
38
greifen sie noch einmal ins Wasser und spüren sie wie diese Vitalität ihren Körper
durchströmt ----------
und wir gehen weiter zum Wald,----
die Vögel sind so fröhlich , fliegen spielend von Baum zu Baum,-----
und wenn sie den Stamm des alten Baumes anfassen, dann spüren sie die Kraft, jene
Kraft, die nun ihren Körper stark macht für den Alltag ------------
und der Boden unter den Füßen, hält, trägt und stützt sie ----------
der Boden, die Erde, die sie nährt und ihnen ihre Kraft gibt------------------
und da sind war auch schon am Ende der Reise angelangt. ------
Sie haben so vieles mitgebracht!-------
Spüren Sie die Kraft der Sonne, die Vitalität des Wassers, die Frische des Windes und
die Stärke der Erde.-------
All diese positiven Energien erneuern in ihrem Körper die inneren Kräfte, ---------
jene inneren Kräfte, mit deren Hilfe sie schon vieles in ihrem Leben erreicht haben,
worauf sie stolz sein können------
spüren sie ihre Kraft,-------
spüren sie, wie ihre gesunden Anteile des Körpers stark werden, ---
so stark, dass sie es spüren können,-------
spüren sie es ----------
und glauben an sich selbst!
Der Patient hatte während der Entspannung, als wir auf die Blumenwiese hinaustraten,
plötzlich die Arme ausgebreitet und begann zu lächeln. Ich konnte sehen, wie er die
Wärme der Sonne begrüßte und wie er mit einem Lächeln auf seine eigene Reise ging.
Und am Schluss als wir alle Kräfte noch einmal einfingen, da bekam er rote Wangen und
er atmete fast zu schnell vor Aufregung.
Er erzählte mir, dass er plötzlich spürte, wie stark er war und er war sich sicher, nun die
nötige Kraft zum Durchhalten zu haben. Er sei über die Blumenwiese gelaufen und hätte
eine unendliche Entlastung gespürt und eine Leichtigkeit, die er seit Monaten nicht mehr
gefühlt hatte, er war glücklich und er habe alle Energien gespürt, die ganze Natur sei nun
39
in ihm und er fühle sich so stark. Er bedankte sich für dieses Erlebnis und fragte, wann
wir es wiederholen könnten.
Ich selbst hatte so eine starke Reaktion eines Patienten noch nie erlebt und hatte fast
Angst vor mir selbst, vor dieser Macht, einen Menschen derartig beeinflussen zu können
und ich hatte Angst, falsche Hoffnungen ihn ihm geweckt zu haben.
Einige Tage danach hörte ich, dass der Patient Sehausfälle bekommen habe. Es war
schwer zu sagen, ob diese von der Strahlentherapie herrührten oder von dem Tumor, der
sich weiter ausbreitete.
Als ich zum Patienten kam, da glaubte ich einen gedrückten Menschen vorzufinden, aber
statt dessen sagte er nur: „Gut, dass sie kommen. Wir holen uns neue Kräfte!“
Nun machten wir eine Woche lang täglich eine Gedankenreise, je nachdem wohin der
Patient jeweils gehen wollte, einmal ans Meer, ein anderes Mal auf den Berg, zu einem
See, in den Urwald usw. Immer, wenn die Sonne ins Spiel kam, breitete der Patient die
Arme aus und begann zu lächeln.
Sein Zustand verbesserte sich täglich und als seine Frau und Tochter kamen, da war er
voller Zuversicht die Krankheit zu besiegen, beauftragte seine Frau zur Wohnungssuche,
da die Behandlung länger dauern würde.
Und wirklich, der Tumor kam zum Stillstand. Die Chemotherapie hatte gewirkt und er
selbst hatte die Kraft gefunden, seine Ängste zu überwinden. Der Patient fühlte sich bald
nach Abschluss der Behandlung bei bester Lebensqualität. Er hatte sich eine Werkstatt
gemietet, um wieder seine künstlerische Tätigkeit als Bildhauer aufzunehmen.
Der Patient war zwar in Remission, aber eine Operation war auch nach der Behandlung
nicht möglich gewesen. Nach ca. 3 Jahren begann der Tumor wieder zu wachsen,
schließlich relativ schnell im ganzen Körper Metastasen zu bilden.
Der Patient war im ersten Moment erschüttert, aber er war dankbar für die wunderschö-
nen Jahre, die er noch erleben durfte. Er war auch dankbar für jeden Lebenstag und jedes
kleine schöne Erlebnis, das er mir bis knapp vor seinem Tod erzählte.
40
KAPITEL 3
„KREBS IST NICHT GLEICH KREBS“
41
In der heutigen Zeit berichten alle Medien von Krebs.
Jedoch hört oder sieht ein „Nichtbetroffener“ anders als ein „Betroffener“. Letzterer
bezieht alle Aussagen auf sich selbst, überhört oder übersieht zum Teil wichtige Infor-
mationen wie zum Beispiel, dass ein Präparat nur an Mäusen erfolgreich ausprobiert
wurde. Der Betroffene würde am liebsten sofort damit behandelt werden, besonders
dann, wenn die bisherigen Medikamente nicht den Erfolg brachten, den er sich erhoffte.
Medikamente, die im Versuchstadium sind, brauchen etliche Jahre bis sie in den Handel
kommen und erhältlich sind. Diese Tatsache stürzt in manchen Fällen die Patienten in
eine erneute Hoffnungslosigkeit.
Ein weiteres Problem sind oft Berichte, die so allgemein gehalten sind, dass man nicht
immer nachvollziehen kann, um welche Tumorart und um welches Krankheitsstadium es
tatsächlich geht.
Zum Beispiel:
Die Ehefrau von Herrn Grönemeyer verstarb nach langem Kampf gegen die Krankheit
an Brustkrebs.
Die Frau von Michael Gorbatschow verstarb an Leukämie, da sie keinen Knochenmark-
spender fand.
Abgesehen davon, dass unsere Gesellschaft dazu neigt, vor allem negative Berichte
breitzutreten und die positiven als selbstverständlich anzusehen, werden auch immer
prominente Leute als Medienaufhänger genommen. Für den „normal Sterblichen“ be-
deutet diese Tatsache oft auch, dass er nie eine Chance haben wird, wenn doch schon
solche Leute keine Chance hatten.
Als Frau Gorbatschow verstarb, kamen solche Befürchtungen bei einigen Patienten stark
zum Ausdruck durch die Worte: „‘die‘ hatten doch sicher Geld genug, um sich ein Kno-
chenmark zu kaufen und haben trotzdem keines bekommen.“ So als ob durch den Um-
stand nicht reich und berühmt zu sein, noch weitere Chancen ausradiert wären.
In diesem Kapitel kann die Entstehung und die Behandlung von malignen Tumoren nur
in einer Kurzübersicht dargestellt werden. In der heutigen Zeit gibt es alleine über 200
verschiedene Arten von Chemotherapien und unzählige Möglichkeiten in der Radio-
42
therapie. Diese Zahlen bestätigen, dass eine individuelle Behandlung, abgestimmt auf
Art des Tumors, des Körpervolumens usw. garantiert ist.
„Krebs“ ist also niemals gleich „Krebs“ und „Behandlung“ ist nicht gleich „Behand-
lung“.
Jeder Patient ist ein Individuum. Auch wenn zwei Patienten die gleiche Behandlung
bekämen, bedeutete dies nicht, dass beide gleich gesund oder weiter krank bleiben.
Ein Beispiel:
Zwei Patienten bekommen die gleiche Chemotherapie, jeweils sechs Chemotherapien
im Zyklus von drei Wochen. Der eine kann in drei Wochen seine nächste Therapie be-
ginnen, der andere nicht, weil er inzwischen eine Infektion durch die Immunsuppression
erlitt. Bei ihm kann vorerst mit der Chemotherapie nicht fortgefahren werden, erst muss
der Infekt beseitigt sein.
Während der eine die Chemotherapien ohne Komplikationen durchziehen kann, wird
beim anderen die Lebensqualität stark beeinträchtigt.
Genauso kann die Chemotherapie beim einen greifen, beim anderen nicht.
Es geschieht häufig, dass sich Menschen mit der „gleichen“ Tumorart treffen, gerade
beim stationären Aufenthalt in der Klinik ist dies öfters der Fall. Erfahrungen werden
ausgetauscht, aber auch viele Unsicherheiten werden geweckt. Ein Beispiel: eine Patien-
tin mit Brustkrebs trifft eine andere mit der „selben“ Diagnose. Die eine Patientin be-
kommt nach der Operation Strahlentherapie, die andere Chemotherapie. Die erste Unsi-
cherheit ist bereits vorprogrammiert: Warum bekomme ich eine andere Behandlung? Bin
ich ein „Versuchskaninchen“, probieren sie bei mir etwas aus? Ist bei mir alles zu spät,
dass man nur noch eine Pseudobehandlung durchführt? Ähnliche Fragen und Unsicher-
heiten tauchen plötzlich auf.
Das schlimmste Erlebnis für einen Patienten ist, auf einen anderen mit dem „gleichen“
Tumor zu treffen, dem es zur Zeit sehr schlecht geht oder der sich in der terminalen
Phase befindet. Der Patient sieht sofort seine Zukunft, auch wenn er mitten im Heilungs-
prozess ist und ihm die guten Fortschritte auch aufgezeigt werden.
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Wie bereits erwähnt, gibt es in der heutigen Zeit wesentlich mehr und vor allem indivi-
duell abgestimmte Behandlungsmethoden, die auf eine ausgesprochen differenzierte
Diagnose aufbauen. Das heißt, dass zum Beispiel „Brustkrebs“ eigentlich die Lokalisati-
on des Tumors bezeichnet, aber nicht dessen Art (hämatologisch oder hormonell be-
dingt, vom Lymphsystem ausgehend usw.) und auch nicht das Stadium, in dem sich der
Tumor befindet und auch nicht die Art des bösartigen Zellwachstums (klar abgegrenzt,
diffus ins Gewebe gewachsen usw.). Ein Vergleichen mit anderen Patienten ist daher
nicht sinnvoll. Bei Unsicherheiten sollte in jedem Fall der behandelnde Arzt zu Rate
gezogen werden und nicht andere Patienten oder die Fachliteratur.
Was ist Krebs? (z. Teil eine Zusammenfassung der Vorlesung an der Universität Kon-
stanz: Einführung in die Medizin II -Krebs - Januar 98)
In den letzten sechs bis acht Jahren wurde das Verständnis der Pathogenese von Krebs
durch Erfolge in der Grundlagenforschung stark verändert. Die zwei Hauptziele der
derzeitigen Forschung sind, die molekulare und genetische Pathologie von Krebs besser
zu verstehen und die Therapiemaßnahmen auszuweiten. Die größten Hoffnungen liegen
in den Fortschritten der molekulargenetischen Forschung.
Definitionen: Ein Tumor ist eine Gewebsvermehrung; dieser Begriff ist nicht gleichbe-
deutend Krebs.
Hypertrophie: funktionell bedingte Gewebsvermehrung.
Hyperplasie: funktionell bedingte Gewebsneubildung (Neoplasie).
Adenom: gutartige (benigne), solitäre, durch eine Kapsel zum Umfeld abgegrenzte Ge-
websneubildung.
Karzinom: bösartige (maligne), manchmal abgegrenzte, mit einer Kapsel versehene, die
Kapsel durchbrechende, in das Blutgefäßsystem oder das Lymphgefäßsystem einbre-
chende Gewebsneubildung, die ihre Zellen nach dem Einbruch in andere Organe
verstreuen kann (Metastasierung).
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Eine Ausnahme in diesen Definitionen bildet der gutartige Gehirntumor. Beim Wachsen
drückt er auf lebenswichtige Strukturen und kann somit lebensbedrohlich sein, obwohl er
per Definition nicht bösartig ist.
Was bedeutet Krebs für den Organismus ?
Die Bösartigkeit eines bösartigen Tumors wird durch verschiedene Parameter relativiert:
Tumormasse: Auch ein bösartiger Tumor stellt kein Problem dar, so lange seine Masse
noch gering ist. Das Prostatakarzinom wächst meist so langsam, dass viele Männer ster-
ben, bevor es diagnostiziert wird.
Lokalisation: Darmpolypen stellen z.B. an sich keine Bedrohung für den Organismus
dar, bis sie z.B. in die Leber metastasieren.
Man kann also als naturwissenschaftliche Beschreibung der Bedeutung von Krebs für
den Organismus formulieren:
Wachstum von Zellen in der Weise, dass ab einer bestimmten Menge von entdifferen-
zierten Zellen (Tumormasse) oder ihrer durch Entdifferenzierung geänderten Lokalisati-
on (Metastasen) die Lebensqualität des Menschen stark vermindert wird und es durch
weiteres Fortschreiten zum vorzeitigen Tode kommt.
Was ist Krebs von der Zelle her ?
• Die fehlende Differenzierung und fehlende Wachstumskontrolle ermöglichen
die fortwährende Hyperplasie (funktionell bedingte Gewebsneubildung) und
dadurch den Einbruch in Gefäßsysteme (Blut, Lymphe).
• Durch eine fehlende Differenzierung und topographische Kontrolle der Ortszu-
gehörigkeit können die Metastasen in Organen überleben, die sich vom Ur-
sprungsgewebe unterscheiden. Normalerweise brauchen die Zellen das Milieu
ihrer bestimmten Umgebung, um überleben zu können. Nur Zellen, die Verlet-
zungen reparieren, können ihr Stammgewebe verlassen.
Die Zellmorphologie (Zusammenfassung von Erbar: Onkologie 1995)
Zum besseren Verständnis der onkologischen Problematik sollen zunächst die normale
Zellmorphologie, genetische Grundlagen und die Zellteilung kurz skizziert werden.
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Zellmorphologie: Die Zelle besteht aus dem Zellkern (Nukleus) und dem Zelleib (Zytop-
lasma). Im Zytoplasma befindet sich das Zentralkörperchen (Zytozentrum), dem bei der
Zellteilung eine entscheidende Rolle zukommt und andere wichtige Zellbestandteile, die
für den Stoffwechsel wichtig sind. Umgeben wird die Zelle von der Zellmembran, die
sowohl bei der Tumorentstehung wie auch bei der Tumorvernichtung z.B. durch Che-
motherapeutika eine besondere Rolle spielt. Die Zellmembran dient der Abgrenzung der
Zelle nach außen, so dass das innere Milieu reguliert werden kann. In der Membran
laufen zahlreiche, teils durch Enzyme katalysierte, biochemische Umsetzungen und
Prozesse ab. Die Zellmembran ist für chemische Substanzen ein schwer passierbares
Hindernis und schützt somit die Zelle vor schädigenden Stoffen. Die in der Zellmembran
eingelagerten Rezeptoren sorgen aber dafür, dass lebenswichtige Stoffe, darunter auch
Hormone, die Zellhülle passieren können oder an sie gebunden werden. Sie erkennen
sozusagen die passenden anderen Moleküle. Die Rezeptoren sind sehr vielfältig und für
jede Zellart typisch. Sie dienen dadurch auch als Erkennungszeichen für die unterschied-
lichen Zellen, so auch für die verschiedenartigen Krebszellen. Einige können auch che-
mische Botenstoffe aus der umgebenden Flüssigkeit erkennen und die Information wei-
terleiten, die dann die zentrale Zellsteuerung im Zellkern beeinflusst. Die Rezeptoren
sorgen auch dafür, dass sich teilende Zellen einen geordneten Zellverband mit gemein-
samer Funktion ausmachen und sich nicht unkontrolliert weiterteilen, so wie das bei der
Krebszelle der Fall ist, die eine wesentlich geringere Anzahl von Rezeptoren oder verän-
derte Rezeptoren aufweist. Darüber hinaus zeichnet sich die Membran von Tumorzellen
durch Strukturen aus, die antigenen Charakter haben, dadurch werden sie vom Immun-
system als körperfremd erkannt. Mit Hilfe von Tumormarkern können diese antigenen
Eigenschaften auch für die Verlaufskontrolle bei der Therapie genutzt werden.
Wie entsteht Krebs in der Zelle?
Es gibt keinen Krebs ohne Genschäden. Diese Schäden können bestehen in angeborenen
oder erworbenen Mutationen oder in angeborenen Polymorphismen.
Die genomische Ausstattung eines Menschen kann schon gewisse Schäden oder Mutati-
onen beinhalten, die von den Eltern geerbt wurden. Es gibt eine Reihe von Krebsarten,
die familiär auftreten, z.B. Tumore der Brust, Prostata, des Pankreas und des Dickdarms,
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sowie die multiple endokrine Neoplasie, eine Entartung der Hormondrüsen. Eltern ma-
chen sich oft Vorwürfe, dass sie ihren Kindern solche jetzt bekannten Risiken aufbürden,
aber noch immer müssen mehrere Faktoren zugleich zusammenkommen, einen Pool
bilden, um den Ausbruch dieser Erkrankung zu fördern. Andererseits liegt hier einer der
großen Nutzen der molekularen Medizin, denn frühe Risikoaufklärung kann zu frühen
Vorbeuge- und Interventionsmaßnahmen führen.
Im Laufe des Lebens können äußere Einwirkungen, d.h. Noxen wie Strahlen, toxische
Substanzen, Sauerstoffmangel und Sauerstoffexzess (Freie Radikale) zu diesem Pool
beitragen. Erworbene Mutationen werden auch als somatische Mutationen bezeichnet.
Tumorauslösende primäre Zelläsionen
Mutationen in Protoonkogenen
Mutationen in Tumorsuppressorgenen, z.B. p53
Mutationen in Genen für DNA Reparatur
Tumorauslösende sekundäre Zelläsionen
• toxische Schäden
• Bestrahlung
• Psyche, Biographie
⇒ Hormonwirkungen
⇒ Immunstörungen
Obwohl der letzte Punkt noch kontrovers ist, deutet die Epidemiologie an, dass emotio-
nale Ereignisse wie Trauer, Frustration, Unterdrückung und Folter eine Rolle in der
Karzinogenese spielen können unter der Voraussetzung, dass auch andere Faktoren hin-
zukommen. Man glaubt, dass der Effekt im Methylierungszustand der DNA liegt, d.h. in
der Transkriptionssteuerung. Das heißt einfach gesagt, dass eine Fehlsteuerung der Zel-
len erfolgt.
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Eigenschaften von Mutationen
Aktivierende Mutationen machen aus einem Protoonkogen, das in jedem Zellkern vor-
handen ist, ein Onkogen (krebserzeugendes Gen).
Eine solche Mutation erhöht das Risiko einer Krebserkrankung bedeutend.
Inaktivierende Mutationen schalten schützende Gene, sogenannte Tumorsuppressorgene,
ab. Ein Teil der noch gesunden Genanteile, kann das andere mutierte kompensieren.
Wenn aber im Laufe des Lebens eine Mutation in allen Genanteilen der Zelle erworben
wird, so kann die Regulation des Zellwachstums beeinträchtigt werden und exzessives
Wachstum resultieren.
Die Mutationen von Onkogenen und Tumorsuppressor Genen werden als "multiple ga-
tekeeper" Mutationen eingestuft. Es gibt weiters Gene, die für die Reparatur der DNA
verantwortlich sind. Mutieren sie, so können sie dadurch „reparaturunfähig“ werden.
Meist reichen eine genetische und eine somatische Mutation in einer Zelle nicht aus, um
unkontrolliertes Wachstum hervorzurufen. Nach der "multiple hit" Theorie von Vogel-
stein müssen im Laufe des Lebens 2 bis 3 somatische Mutationen zu einer genomischen
Mutation dazukommen, um bösartiges Wachstum auszulösen.
Die vielen Mutationen, die wir jeden Tag erwerben, können größtenteils beseitigt wer-
den.
Der Körper hat Kontrollsysteme auf verschiedenen Ebenen, durch die er viele entartete
Zellen erkennen und vernichten kann: Spezifische Lymphozyten kontrollieren das Zell-
äußere. T-Zellen oder natürliche Killerzellen erkennen entartete Zellen an ihrem Antigen
auf der Zelloberfläche und leiten eine Vernichtung dieser entarteten Zelle ein.
Sind diese Prozesse gestört, kann eine entartete Zelle im Organismus weiterleben und
sich vermehren.
Ferner kontrolliert sich jede Zelle auch selbst: DNA Reparatur Gene und die von ihnen
gesteuerten Enzyme können kleinere Schäden beheben. Falls jedoch Genschäden in den
Reparaturgenen auftreten, können andere erworbene Schäden nicht repariert werden. Bei
irreparablen Fehlern im Genom oder der Proteinsynthese wird die Apoptose = der pro-
grammierte Zelltod eingeleitet.
Der Zellzyklus verläuft in mehreren Phasen.
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Normalerweise befinden sich differenzierte Zellen in der Ruhephase G0, sie können aber
wieder in die G1 Phase = Phase, die auf die Zellsynthese vorbereitet, eintreten. Am Re-
striktionspunkt wird entschieden, ob eine Mitose (Zellteilung) eingeleitet wird, ob die
Zelle sich weiter differenzieren soll, ob es einer Reparatur der DNA bedarf oder ob der
Zelltod eingeleitet werden soll. Wird diese Stelle passiert, so wird die DNA verdoppelt
(S-Phase), dann tritt die Phase nach der Zellsynthese ein = G2, bis die Zellteilung bzw.
Mitose erfolgt. Falls die Kontrolle am Restriktionspunkt ausfällt führt dies zu bösartigem
Wachstum.
p53 ist eine solche regulatorische Einheit am Restriktionspunkt. Es empfängt Informati-
onen über den Zustand der Zelle, z.B. Sauerstoffmangel, DNA Schäden, Aktivation von
Onkogenen. Daraufhin kann es den Zellzyklus anhalten und eine DNA Reparatur einlei-
ten, oder die Zelle in die Apoptose (Zelltod) schicken. (Mutationen des Gens finden sich
in über 50% aller Krebstumore).
p53 ist also sowohl Wächter der DNA Reparaturen, wie auch Richter, der die Zelle in
den Selbstmord schicken kann.
Die Chemotherapie und die Bestrahlung haben zum Ziel, die DNA von Tumorzellen zu
schädigen, um den Zelltod einzuleiten.
Metastasierung
Unter Metastasierung (griechisch: metastasis = Wegzug) versteht man die Verschlep-
pung neoplastischer Zellen auf dem Blut- und Lymphweg von einer Körperstelle an eine
andere und ihr An- und Weiterwachsen an entfernter Lokalisation. Da diese Zellen nicht
von ihrem Primärtumor abhängig sind und keine Funktion erfüllen, können sie sich un-
gestört weiter vermehren. Zellen eines bösartigen Tumors besitzen zusätzlich die Fähig-
keit zur amöboiden Eigenbewegung. Sie tragen auch auf ihrer Zelloberfläche Enzyme,
die das umgebende Gewebe zerstören können. So gelangen z.B. Tumoren des Magens-
oder Darmes in die freie Bauchhöhle.
Die Einteilung maligner Tumoren im TNM-System
Dieses Klassifikationssystem ist eine symbolische Darstellung der anatomischen Aus-
dehnung der Tumorerkrankung
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Der Buchstabe T bezeichnet die Größe des Primärtumors, N beschreibt den Befall der
regionären oder weiterer Lymphknoten, die als Filtersystem dienen und
M kennzeichnet den Metastasenstatus.
Diese Einteilung gilt aber nicht für maligne Erkrankungen des hämatopoetischen Sys-
tems, hier wird nach der FAB-Klassifikation klassifiziert und auch nicht für Neoplasmen
des lymphatischen Systems, die nach der Ann-Arbor-Klassifikation unterschieden wer-
den oder auch eine weitere Modifizierung nach Musshoff/Schmidt-Vollmer erfahren.
Aber nicht nur die Stadieneinteilung, staging genannt, ist von Bedeutung, sondern auch
der Grad der Differenzierung - Grading genannt. Das „grading“ erfolgt durch eine histo-
logische Befundung mit dem Buchstaben G, ferner mit dem Buchstaben C, der den Si-
cherheitsfaktor der erfolgten Histologie angibt. ( z.B. Bei einer Operation ist ein diffe-
renzierterer Befund, als bei einer Gewebsprobe möglich, aber nicht immer kann operiert
werden!)
Die Klassifikation eines Tumors entscheidet über die weitere Therapie und die Prognose.
Die Klassifikation dürfte auch aufzeigen, dass ein Patient A mit einem Bronchialkarzi-
nom z.B. nicht die selbe Behandlung oder den selben Krankheitsverlauf wie der Patient
B mit der selben Lokalisation des Primärtumors haben muss. Mitentscheidend sind die
Größe des Tumors, der Befall der Lymphknoten und die Anzahl bzw. Lokalisation der
Metastasen.
Die Behandlung eines malignen Tumors
Die Operation: nicht immer ist eine Operation möglich oder auch nötig. Nicht möglich
ist z.B. die Operation eines Blutkrebses oder die vollständige Operation eines Organs,
das lebensnotwendig ist oder aber auch, wenn der Tumor wichtige lebenserhaltende
Blutbahnen oder Organe durchsetzt hat. Nicht nötig ist eine Operation, wenn durch die
Behandlung mit Medikamenten (dazu gehört auch die Chemotherapie) oder durch Be-
strahlung das gleiche oder ein besseres Ergebnis erzielt werden kann.
50
Die Chemotherapie: wird dann eingesetzt, wenn durch ihre Wirkung eine Verkleine-
rung, ein Verschwinden oder Stabilisierung des Tumors erzielt werden kann, aber auch
um nicht operativ entfernbare Tumoren zu behandeln. In manchen Fällen wird eine sol-
che Behandlung auch nach einer Operation eingesetzt, um ein Restrisiko vorhandener
nicht nachweisbarer, aber vermuteter Tumorzellen (Mikrometastasierung) auszuschlie-
ßen oder zu verringern. Das selbe gilt für
die Strahlentherapie oder Hormontherapie.
Ob eine Chemo- Hormon - oder Strahlentherapie angewendet wird, entscheidet der On-
kologe nach Vorliegen des Befundes.
Nebenwirkungen der Chemotherapie:
• Stomatis - ein sekundärer Pilzbefall kann hinzutreten (prophylaktische Maßnahmen:
intensive Mund- und Zahnhygiene, pürierte bzw. flüssige Nahrung)
• Übelkeit und Erbrechen (Prophylaxe: Antiemetika)
• lokale Infektionen mit Übergang in eine Sepsis durch Granulozytopenie: bedrohlichs-
te Komplikationen (Prophylaxe: engmaschige körperliche Untersuchungen, Tempe-
raturmessungen, Vermeidung von Menschenansammlungen, notfalls Isolation)
Nebenwirkungen der Strahlentherapie:
Je nach Volumen und Lage des Tumors und Dauer der Bestrahlung kann auch gesundes
Gewebe in Mitleidenschaft gezogen oder gar zerstört werden, je nach Empfindlichkeit
des umgebenden normalen Gewebes. Im Vergleich zu den Bestrahlungsmethoden vor 50
Jahren hat sich heute aber viel geändert. Bei geringer Strahlendosis werden kaum Ne-
beneffekte erwartet. Bei hoher Strahlendosis wurden z.B.
• bei der Bestrahlung vom Brustkorb Lungenentzündungen, Fibrosen (Zellansamm-
lungen) der Lunge und des Mittelfells, beobachtet.
• Bei der Bestrahlung des Unterleibes können als Spätfolgen Darmstenosen und
Harnninkontinenz auftreten.
• Auch neurologische Symptome können bis zu ca. 1,5 Jahre später nicht immer aus-
geschlossen werden.
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ZUSAMMENFASSUNG MÖGLICHER BEWÄLTIGUNGSSTRATEGIEN
• Prinzipiell nur den behandelnden Arzt bei Unsicherheiten, die durch Literatur, Mitpa-
tienten oder Geschichten durch Hörensagen entstehen, konsultieren. Er ist der einzi-
ge, der Ihr Krankheitsbild und dessen Behandlung genau kennt.
• Je mehr Information Ihnen Ihr Arzt gibt, desto besser können Sie sich an die zu er-
wartende Situation anpassen, bei Unklarheiten gleich nachfragen
• Informationen, die Ihnen Ihr Arzt gibt, annehmen und nicht bewusst überhören.
Nicht nach dem Motto handeln, „was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß“
• Guten Freunden, Nachbarn oder anderen Personen, die es mit Behandlungsratschlä-
gen oft gut meinen, die aber Unsicherheiten und Ängste vermitteln, zu verstehen ge-
ben, dass Sie ihre Anteilnahme schätzen, Sie aber selbst genau wissen, was Sie zu tun
haben, da Sie durch den engen Kontakt mit Ihrem behandelnden Arzt kompetent mit
Ihrer Erkrankung und deren Behandlung umgehen können
• Falls Sie eine Alternativbehandlung neben der medizinischen in Anspruch nehmen
wollen, besprechen Sie diesen Plan mit Ihren behandelnden Arzt. Er kann Ihnen
sinnvolle Behandlungen erklären und Ihnen bei sinnlosen Behandlungen viel Geld
sparen helfen. Auch können einige Alternativbehandlungen einen negativen Einfluss
auf Ihre medizinische Behandlung haben, was ausgeschlossen werden sollte, durch
die Planung des richtigen Zeitpunkts einer Alternativbehandlung.
• Bei Ängsten oder Unsicherheiten, die Ihnen auch Ihr Arzt nicht nehmen konnte, eine
psychoonkologische Betreuung in Anspruch nehmen.
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ANWENDUNG VON ENTSPANNUNG
Fallbeispiele zur Entspannung während der Behandlung:
Eine Patientin (62 Jahre) kam auf unsere Station, die durch die letzte Chemotherapie
zuwenig Abwehrkräfte hatte (niedrige Leukozytenanzahl) und isoliert werden musste.
Die Chemotherapie war nötig geworden, als man bei einer Kontrolluntersuchung Metas-
tasen in der Lunge feststellte (nach einem Mamma-Carzinom vor vier Jahren).
Die Patientin war verständlicherweise sehr erschüttert. Zusätzlich hatte ihre Schwester in
der Zwischenzeit auch Krebs gehabt, der sie bislang immer Mut machen konnte, was ihr
angesichts der Wiedererkrankung nun nicht mehr gelang. Vor drei Jahren war ihre beste
Freundin plötzlich ebenfalls an Krebs gestorben. Die letzten beiden Chemotherapien
gegen die Metastasen hatten nicht so angeschlagen wie erwartet. Sie sah eigentlich keine
Hoffnung mehr, vor allem hatte sie Angst, dass die weiteren nötigen Chemotherapien
über ihre Kräfte gehen. Bei jeder Chemotherapie hatte sie nach zwei Tagen unerträgliche
Kopfschmerzen, Übelkeit und Fieberschübe. Diesmal war auch noch das Immunsystem
so stark betroffen, dass sie eine allgemeine Schwäche erlitt. Sie hatte das Gefühl, dass
sie mit den Anforderungen des Lebens in diesen Tagen derartig überlastet war, dass sie
daran zweifelte, Kraft für weitere Therapien aufzubringen.
Für mich ist es wichtig mit den Patienten nach Aufarbeitung der Probleme, verstärkt auf
das Leben in gesunden Zeiten einzugehen. Bei jedem Behandlungsgespräch erfährt man
auch vieles über das bisherige Leben des Menschen. Die positiven Erfahrungen dieses
Menschen helfen mir nun bei dem Wiederaufbau und Entdeckung neuer Ziele des Pati-
enten, beim Aufbau von neuem Mut und Hoffnung, denn dort liegen viele Bewältigungs-
strategien, die dem Patienten erst durch die Gespräche bewusst werden.
Diese Patientin erzählte mir, dass sie lange Spaziergänge liebt. Sie erzählte von einem
Erlebnis, als sie mit ihren Freunden zu einer Wanderung aufgebrochen war:
„Wir waren gerade auf einem etwas geradem Waldstück unterwegs, als wir auf dem
Weg plötzlich Blutspuren sahen. Wir schauten die Blutspur entlang und da sahen wir in
einer Entfernung von etwa 200 m in einer Waldlichtung einen Adler mit seiner Beute
sitzen. Als er uns bemerkte, kam er uns ein Stück entgegen, hob dann die Schwingen,
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jede fast einen Meter breit, und flog dann völlig lautlos über unsere Köpfe hinweg. Es
war nichts zu hören, nichts zu spüren. Ich war so beeindruckt! Noch nie hatte ich so
einen riesigen Vogel aus nächster Nähe gesehen. Er war so schön, hatte ein herrliches
Gefieder und wie er dann so majestätisch abhob -----ganz lautlos ----- es war für uns alle
ein Erlebnis, das wir niemals vergessen werden. Ich sehe diesen Vogel noch immer vor
mir, eine Pracht!“
Dieses Erlebnis war nun die beste Grundlage für die Entspannungsübungen, die ich ab
diesem Zeitpunkt mit ihr durchführte.
Wenn ich ein Vogel wäre..... (Dissoziation oder Distanzierung von Problemen, um eine
neue Perspektive entwickeln zu können)
Wie immer begann ich die Entspannung mit dem Aufsuchen des Ortes der Ruhe. Dann
begann ich die Erzählung meiner Patientin zu wiederholen.
„Sie gehen auf einem wunderschönen Waldweg spazieren. –
Der Wald duftet -------
und die Sonne scheint zwischen den Bäumen hindurch-----
da und dort fallen die Sonnenstrahlen auf den Weg.------
sie spüren wie die Sonnenstrahlen ihren Körper wärmen -----
wie schön das ist,---
sie spüren den leichten Windhauch auf ihrer Haut -----------
der die Äste der Bäume leicht bewegt. ---------
Der Weg unter den Füßen ist angenehm zum Gehen ------
da und dort ist eine Waldlichtung, in der Moos und Tannenzapfen zu sehen sind ---------
sie gehen zu der Waldlichtung, -----
heben einen Tannenzapfen auf und spüren die einzelnen Schuppen des Tannenzapfens,
die rau sind ------
sie riechen an ihm----
und haben diesen typischen harzigen Geruch des Waldes in der Nase ----------
die Ruhe hier in diesem Wald ------
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wunderbar, -------
nur das Knacksen kleiner Gehölze bei manchen Schritten ist zu hören ----------
sie gehen mit offenen Augen durch die Natur, nichts soll ihren Blicken entgehen und sie
sehen auch kleine bunte Blumen, --
Beeren,------
Pilze ----
und geschäftige Käfer am Wegesrand. ----------
Da entdecken sie eine Blutspur---
und als sie die Blicke an dieser Spur entlang schweifen lassen, entdecken sie einen
prächtigen Adler-------
er hat wunderschönes Gefieder -------
er kommt ein paar Schritte auf sie zu --------
und dann hebt er seine Schwingen-----
und sie sehen seine Pracht, ----
seine Größe------
und er erhebt sich lautlos mit einer majestätischen Erhabenheit ----
und einer Schönheit,-------
ja anmutig ----------
er fliegt lautlos über sie hinweg---------
und sie denken sich, wenn ich doch dieser Adler wäre ------
und da bemerken sie, dass sie dieser Adler sind. --------
Sie spüren wie der Wind ihre starken Schwingen hoch trägt,-----
sie gar nichts tun zu brauchen, als nur die Schwingen auszustrecken,-------
die Luft trägt sie ganz von selbst und sie segeln nun hoch ----------
immer höher --------
ab und zu machen sie einen Flügelschlag, der so leicht und ohne große Kraftanwendung
geschieht,---------
so ganz von selbst, so wie das Atmen ----------
sie können entspannt und locker in den Lüften segeln -------
sie spüren diese wunderbare Leichtigkeit, die in diesen Höhen herrscht --------------
und sie spüren die Stille und Ruhe -----------------
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kein einziger Laut, nur das eigene Flattern der Flügel, die sich ganz von selbst bewegen,
so wie man beim Atmen die Lungenflügel ganz von selbst bewegt-------------
und diese Luft ist klar und rein, erfrischend------------------
und sie erheben sich über die Wälder-------- ,
Wiesen-----------,
Seen ------------ ,
Straßen wie kleine Linien ziehen sich ebenso wie Flüsse und Bäche durch die Land-
schaft-----------
und alles ist von hier oben unbedeutend und klein -------------------
ganz klein und unwichtig ----------
nicht mehr die Details sind wichtig---------,
nur das Gesamte beeindruckt -------------
ist schön-----
wunderschön, die Natur so zu sehen.-----------
Und hier oben in den Lüften spürt man die Wärme der Sonne anders, ----
man spürt diese angenehme Wärme als wohliges Gefühl auf dem Gefieder -------
und man spürt diese Energien der Sonne im ganzen Körper --------------
die Sonne hält den Körper beweglich und geschmeidig, während die klare, reine Luft ihn
kühlt -------
ihn hält und trägt---------
Und dieses wunderbare Gefühl des Freiseins -------------
diese Leichtigkeit des Seins---------
diese wunderbare Stille und Ruhe im Körper ------------
genießen sie diesen Augenblick und segeln ruhig weiter,-----
sehen, hören, riechen, schmecken und spüren sie alles-------
und genießen sie im Hier und Jetzt diesen Augenblick ganz für sich ----------
(längere Pause)
Sie haben nun alles gesehen,-------
haben die Kräfte der Natur in sich vereint---------------------
die Kraft und Wärme der Sonne ---
der Wind, der sie gehalten, getragen, gekühlt und erfrischt hat ---------------
56
und es war schön---
nun wünschen sie sich die Kraft und Stärke des Bodens zu spüren ------------
sie landen nun sanft und ohne große Mühe in einem Blumenfeld -----------
es duftet,----
es blüht hier alles und sie spüren, ---
wie sie die Erde hält,
trägt,
stützt ---------------------------
und sie sehen, dass sie kein Vogel mehr sind, ---
aber sie spüren, wie schön es ist, auch wieder sie selbst zu sein---------
die Erde zu spüren und zu riechen ---------------
Und sie spüren, wie viele Kräfte sie mitgebracht haben,--------
die Kräfte der Natur, die nun ihre inneren Kräfte gestärkt haben----------------------
jene inneren Kräfte mit deren Hilfe, sie schon so vieles erreicht haben, auf das sie stolz
sein können ..............(usw.)...................
Die Entspannung endet immer mit der gedanklichen Rückkehr in die Gegenwart.
Die Patientin erzählte mir, wie sie über diese Erde geflogen ist . Sie fühlte sich auf ein-
mal so stark und mächtig und sie war sich sicher, viele Kräfte mitgebracht zu haben, sie
spürte sie im ganzen Körper. Sie war etwas enttäuscht, dass ihre Arme keine Schwingen
mehr bei der näheren Betrachtung waren. Ich riet ihr, da und dort doch einfach immer
wieder abzuheben, es würden schon Flügel aus ihren Armen werden.
Sie bestätigte mir das, als ich nach zwei Tagen zu ihr kam. Sie war inzwischen viel „ge-
flogen“ und hatte wunderbare Erlebnisse gespürt. Und sie fühlte sich kräftig genug, um
die Therapien durchzustehen.
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Die Erlaubnis zum Weinen
Immer wieder passiert es, dass man im Konsiliardienst zu einem Patienten gerufen wird,
weil er depressiv zu werden scheint.
In den seltensten Fällen handelt es sich wirklich um eine beginnende Depression. In den
meisten Fällen kann der Patient nur einfach nicht mehr den Druck aushalten. Die Familie
erwartet, dass der Patient gesund wird, die Ärzte verlangen, dass der Patient nicht viel
fragt und ohne Komplikationen seine Therapien durchsteht und das Pflegepersonal be-
müht sich zwar um persönlichen Kontakt, hat aber zu wenig Zeit, um Trost zu geben.
Wenn dann ein Patient weint, so ist das keine Depression, sondern einfach etwas, was
ihm in diesem Moment gut tut, einwenig Ablassen des Druckes.
Statt Antidepressiva empfehle ich dann den Ärzten und dem Pflegepersonal, den Patien-
ten einen „Heultag“ zu gestatten. Erst wenn das Weinen nicht besser wird, so sollte man
mich noch einmal rufen.
Zum Patienten sage ich, weinen sie einmal so richtig, sie werden sehen, wie viel Druck
weggeht und wie viel Platz sie in sich für neue Kräfte schaffen. Weinen zu unterdrücken
kostet mehr Kraft, als Tränen einfach den freien Lauf zu geben.
Auf meiner Station kennen mich die Ärzte und das Pflegepersonal, sie wissen, dass ich
„Heultage“ verordne und sie sind mit dem Weinen des Patienten nicht überfordert, da sie
wissen, dass nicht sofort eine Depression dahinter steckt.
Meine Patienten sind oft einige Wochen zur Chemotherapie stationär aufgenommen,
während dieser Zeit gibt es Tage, an denen sie psychisch sehr stark sind, aber es gibt
auch Tage an denen sie sehr deprimiert und wieder hoffnungslos sind.
Immer wieder kommt es dann vor, dass die Patienten meinen, nicht weinen zu dürfen,
da das keine positive Einstellung wäre.
Ich frage dann nach, wann sie sonst noch im Leben geweint haben. Wenn sie traurig
waren, wenn sie wütend waren, wenn sie enttäuscht waren, auch wenn sie glücklich
waren , antworten sie.
Ich frage weiter, ob es durch das Weinen eine schlimme Veränderung gegeben hat.
Nein, es hat immer gut getan!
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„Warum verbieten sie sich dann Dinge, die ihnen gut tun? Warum erlauben sie sich nicht
zu weinen?“ frage ich.
Und hier ist wieder ein Anknüpfungspunkt für eine Entspannung.
Fallender Regen (Entspannung zum Loslassen und Veränderung negativer Einstellun-
gen)
Wie immer zu Beginn den Ort der Ruhe aufsuchen.
„Wir gehen nun gemeinsam vom Ort der Ruhe zu einem wunderschönen Regenwald------
-- Dort gibt es Pflanzen und Bäume, die wir noch nicht so gut kennen, aber es ist nicht
wichtig den Namen von ihnen zu wissen, es genügt, wenn wir neugierig sind, was wir in
diesem duftenden Wald sehen können. ----------
Da sehen sie diese großen Blätter von dieser herrlich blühenden Pflanze. ----
Die Blätter sind saftig grün,-- ----------
der Stiel der Blüte ist dick und saftig ---------
die Blüte duftet wunderbar und sie hat ihre Lieblingsfarbe -------------
die Blüte ist wunderschön--- -------------
ein bunter Schmetterling schwebt mit leichtem Flügelschlag zu dieser Blüte------
und saugt mit seinem langen Rüssel den Nektar auf, -------
dabei zittern seine Flügel leicht --------
seine Farben auf den Flügeln, wie schön sie sind,
sie ergeben ein harmonisches Muster ------
nun fliegt er weiter zu einer anderen Blüte ------------
wenn man diesem Schmetterling zusieht, spürt man ein Gefühl der Leichtigkeit -----------
er schwebt so leicht dahin ----------
so leicht ---------
und es tut gut diese Leichtigkeit zu spüren ---------------
Und die Vögel dieses Waldes scheinen fast miteinander zu sprechen -----
teilweise sind es ungewohnte Laute, aber das Plaudern, Singen, Zwitschern ist so vielfäl-
tig, dass man gar nicht aufhören möchte zuzuhören--------------------
Wenn man weitergeht, kommt man an wunderschönen Bäumen vorbei-------
manche haben eine glatte Rinde ------
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glatt und angenehm kühl fühlen sie sich an ----------
und manche Bäume haben eine borkige, rissige Rinde, aber auch sie fühlen sich kühl
und angenehm an ------------
die Bäume geben Schatten und ein Gefühl der Geborgenheit ---
und Ruhe geht von ihnen aus ----------
Sonnenstrahlen fallen sanft und angenehm da und dort durch die Blätter der Bäume ----
die Sonnenstrahlen wärmen den Körper ------
die Sonnenstrahlen bringen Blütenknospen dazu sich zu öffnen -------
ein herrlich erfrischender Duft verbreitet sich ----------
ein sanfter Windhauch streicht über die Haut -------
in der Ferne hört man Wasser plätschern ---------------
Wenn man näher zu diesem Wasser geht ---------------
dann sieht man, wie klares, reines Wasser über kleine Felsen rinnt -----------
kleine Wasserfälle, die das Wasser zum sprudeln bringen, ---
kleine Tröpfchen, die in die Luft spritzen und die in der Sonne in allen Farben schillern
wie kleine Luftperlen ------------------
Und da vermischen sich die kleinen Wasserperlen auf einmal mit Regentropfen -----
Die Regentropfen fallen zuerst vereinzelt -----------
es werden nun mehr -------------
und nun regnet es aus allen Wolken, die man vor lauter Pracht des Waldes nicht bemerkt
hat ----
gerade war da doch noch die Sonne ------
Die Regentropfen trommeln nun auf die Bäume, die Blätter, den Boden .-----
Aber die Regentropfen sind warm--------
oh, sie fühlen sich gut an -------------
sie tun gut ----
sie laufen nun über das Haar --------
über das Gesicht, fühlen sich an wie Tränen, so warm, -----
aber sie tun so gut ------- -------
sie befreien-----------
sie waschen alles weg ------------
60
sie laufen über den Hals --------
die Brust, den Rücken -------------
so warm, so wohlig ------
so befreiend -----------
sie nehmen alles vom Alltag mit fort -----------
sie laufen über die Beine zum Boden,
zum Boden, wo alles versickert, verschwindet ------------
verschwindet im nichts --------------
und es tut so gut diesen Regen zu spüren --------------
dieser Regen, der befreit -----------------
spüren sie wie frei sie sind -----------
geben sie alles dem Regen, was ihr Freisein stören könnte ----
er nimmt alles weg, nimmt es fort, lässt alles im nichts verschwinden -------------------
Atmen sie sich endlich einmal frei,-----
indem sie nun langsam durch den Mund einatmen, den Atem kurz anhalten und durch
den Mund alles hinausatmen, was diese Ruhe noch stören könnte (3 x diese Atemübung
insgesamt durchführen)...
Spüren sie diese Ruhe, die sie durchströmt--------
Genießen sie diesen Augenblick, im Hier und im Jetzt, in diesem Moment, ganz für sich
------------------- (längere Pause)
Der Regen hat aufgehört, -------
es ist still und ruhig geworden. ---------
Eine herrliche Stille,------
so voller Frieden ---------
die Sonne scheint wieder und malt nun einen wunderschönen Regenbogen in einiger
Entfernung über diese Landschaft -------
Die Blütenkelche öffnen sich wieder und verströmen ihren herrlichen Duft ---------------
Der bunte Schmetterling hatte sich in einer Blüte versteckt und fliegt nun wieder mit
leichtem Flügelschlag über die Blütenpracht ---------
die Vögel beginnen nun wieder zu singen ------------
ja jetzt singen sie fröhlich und ausgelassen ------------
61
Der Regen hat allen gut getan ----------------------
Die Natur scheint in viel bunteren Farben zu leuchten -----------------------------
es scheint fast so, als ob der Regen die Kräfte der Natur gestärkt und erneuert hätte ----
ja, der Regen tut gut ------------------
Wie schön, dass es den Regen gibt!
Fühlen sie wie der Regen auch ihre inneren Kräfte erfrischt und gestärkt hat,----------
jene inneren Kräfte mit deren Hilfe sie schon viele Dinge in ihrem Leben erreicht haben,
auf die sie stolz sein können ...............
(Schluss wie bei den anderen Entspannungsübungen)
Es kommt vor, dass die Patienten an manchen Stellen bei diesem Spaziergang zu wei-
nen beginnen.
Wenn dies passiert, so flechten Sie in die Entspannung folgende Worte ein:
„... es ist schön, dass sich nun endlich diese Wolke in ihnen auflösen darf----
und aus dem Körper strömen kann, ------
fortströmen ------
weg vom Körper, --------
weit weg ------
und wie erleichternd das ist ----------
wie schön es ist, Platz zu haben für neue Kräfte, positive Energien.“
62
KAPITEL 4
KREBS BETRIFFT NICHT NUR DEN PATIENTEN
63
Die Erkrankung an einem malignen Tumor ist nicht nur für den Betroffenen ein Schock,
oft wird die ganze Familie in Angst und Schrecken versetzt. Teilweise können die Be-
troffenen mit der Erkrankung sogar besser umgehen, als die Angehörigen. Die Erkran-
kung eines Familienmitgliedes ist aber in jedem Fall eine „Festigkeitsprobe“ für die
Familie oder Partnerschaft. Es ist nicht einfach, das richtige Maß an Fürsorge zu finden.
Manche Patienten fühlen sich entmündigt, weil ihnen jeder Handgriff abgenommen
wird, andere wiederum fühlen sich im Stich gelassen, weil die Hilflosigkeit und Ratlo-
sigkeit der Angehörigen so groß ist, dass sie wie gelähmt agieren. Oft liegt es auch am
Patienten selbst, dass die Situation schwierig wird, vor allem dann, wenn er keine Hilfe
annehmen kann oder wenn er aus Angst vor der Krankheit hilflos wird und sich nichts
mehr zutraut. In jedem Fall ist eine Umorientierung nötig, was nicht immer leicht zu
bewältigen ist.
Auch der Freundes- und Bekanntenkreis kann zum Problem werden. Soll man den
Freunden etwas von der Krankheit erzählen oder nicht, wie werden sie reagieren? Hat
man seinen Bekannten- und Freundeskreis eingeweiht, geschieht es oft, dass man ständig
mitleidig nach dem Befinden gefragt wird, was für den Patienten alles andere als auf-
munternd wirkt und auch oft destruktiv sein kann, weil man auch über etwas anderes als
nur über die Krankheit sprechen will. Oder die Freunde wenden sich ab, weil sie nicht
wissen, wie sie nun mit der neuen Situation umgehen sollen.
Nicht nur der Betroffene selbst, sondern die ganze Familie und der Freun-
des/Bekanntenkreis steht einer neuen Situation gegenüber.
Die Situation der Familie:
Je nach Schwere der Erkrankung und der Art der Behandlung kann das „normale“ Fami-
lienleben nicht mehr fortgeführt werden. In vielen Fällen kommt die Erkrankung wie ein
heiterer Blitz aus dem Himmel und alle stehen fassungslos dieser neuen Situation gegen-
über.
In jeder Familie gibt es eine familieneigene Organisation, wobei ein Familienmitglied oft
mehr Organisation übernommen hat als das andere. Erkrankt nun der „Hauptorganisator“
64
kann es zu familiären Zusammenbrüchen kommen, wenn niemand anderer sich dieser
Aufgabe gewachsen sieht oder wenn kein anderer aus gesundheitlichen Gründen diese
Aufgaben übernehmen kann. Um solchen Zusammenbrüchen vorzubeugen gibt es meh-
rere Stellen, an die man sich wenden kann. Im Gemeindeamt kann man sich Informatio-
nen zu den verschiedenen Sozialdiensten einholen, eventuell kann man dort auch schon
einen Termin mit dem zuständigen Sozialarbeiter ausmachen. Der Sozialdienst ist zu-
ständig für Hilfen im Haushalt (Kinderbetreuung, Abnahme von schweren Hausarbeiten,
die nicht mehr verrichtet werden können), Organisation von Pflegegeldern oder Zu-
schüssen, wichtige Informationen über die Leistungen der Krankenversicherung, Haus-
krankenpflege usw.
Viele Menschen scheuen sich einen solchen Weg zu nehmen. In solchen Fällen kann der
Seelsorger der Gemeinde auch oft schon weiterhelfen.
Wenn der Seelsorger auch nicht einbezogen werden soll, dann sollte zumindest der be-
handelnde Arzt von der familiären Situation in Kenntnis gesetzt werden, er wird sich
bemühen, ihnen entsprechende Hilfsorganisationen zu vermitteln.
Wenn der Patient in die häusliche Pflege entlassen werden kann und die Familie kann
die Betreuung des Patienten übernehmen, gibt es dennoch oft unerwartete Schwierigkei-
ten. Zum Beispiel:
Die allgemeine Wohnsituation.
Einige Fallbeispiele:
Ein Patient kann nach der Operation nach Hause entlassen werden, er bekommt ambu-
lante chemotherapeutische Behandlungen. Im großen und ganzen läuft die Familienor-
ganisation normal ab, nur in der Zeit nach den ambulanten Behandlungen kehren chaoti-
sche Bedingungen ein, welche die ganze Familie belasten. Der Patient fühlt sich zwei
Tage nach der Behandlung schwach, er schläft viel, hat teilweise Fieber. Im Schlafzim-
mer möchte er nicht liegen, er legt sich ins Wohnzimmer, dort kann er wenigstens ein
wenig Fernsehen. Das Wohnzimmer ist allerdings der Mittelpunkt der Wohnung, die
anderen Zimmer sind rundherum verteilt. Wenn die Freunde des Sohnes zu Besuch
65
kommen, müssen sie erst durch das Wohnzimmer, wo der Patient liegt, um in das Zim-
mer des Sohnes zu gelangen. Der Patient fühlt sich gestört, mag auch in diesem Zustand
von keinen Fremden gesehen werden. Andererseits hat es der Patient nicht gerne, wenn
der Sohn stundenlang bei Freunden statt zu Hause ist. Es kommt jedes Mal zum Streit.
Der Patient kann nicht verstehen, dass der Sohn keine Rücksicht auf ihn nimmt, der
Sohn würde gerne ein normales Leben weiterführen, er hat sowieso schon genug Angst,
wenn er den Patienten so sieht, aber ihm zuliebe bleibt er zu Hause. Auch das Auswei-
chen in die Küche nützt nichts, die wenigstens so liegt, dass der Freund des Sohnes nicht
durch das Wohnzimmer gehen muss, denn die Gespräche und das Lachen stören den
Patienten trotzdem.
Wenn der Sohn rät, dass der Patient ins Schlafzimmer gehen soll, wo er ungestört wäre,
wird der Patient ungehalten, denn er kann ja schließlich in seiner Wohnung tun und
lassen, was er will.
Ein anderes Beispiel:
Eine Patientin wird nach einer Gehirntumoroperation nach Hause (vorerst im Rollstuhl)
entlassen. Die Wohnung ist aber nicht rollstuhlgerecht. Überall treten Schwierigkeiten
auf, angefangen vom fehlenden Lift im Haus, bis hin zu den zu schmalen Türen, durch
die der Rollstuhl kaum geht. Die Toilette ist so eng, dass man mit dem Rollstuhl gerade
drinnen Platz hat, aber nicht wenden kann und daher der Patientin nicht aus dem Stuhl
helfen kann.
Ein weiteres Beispiel:
Eine Patientin kommt bettlägerig nach Hause. Das Schlafzimmer befindet sich im oberen
Stockwerk, das Esszimmer, Wohnzimmer und Küche befinden sich im Parterre. Die
Patientin kann alleine nicht über die Stiegen gehen, sie ist zu schwach. Sie kann aber
auch nicht den ganzen Tag im Schlafzimmer verbringen, da sie sonst vom Familienleben
ausgeschlossen wird. Am Morgen schläft die Patientin endlich fest, nachdem sie die
halbe Nacht wach gelegen hatte, keiner will sie wecken, um sie nach unten zu begleiten,
wo sie den Tag verbringen könnte. Oft will sie auch im Bett bleiben. Alle Familienmit-
glieder sind berufstätig müssen zeitig aus dem Haus, haben keinen Urlaub und Pflegeur-
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laub mehr. Die Familienmitglieder wechseln sich zwar ab bei der Betreuung, aber es ist
im gesamten eine unbefriedigende Situation im Haus, jeder hat ein schlechtes Gewissen.
Diese Beispiele zeigen deutlich wie stark ein erkranktes Familienmitglied die gewohnte
Situation verändern kann und wie stark eine Krankheit oft alle lähmt. Einfachste Überle-
gungen wie Umräumen der Zimmer, die eine abgeschlossene Atmosphäre des Patienten
bei Bedarf erlauben und zugleich eine Teilnahme am Familienleben ermöglichen, wer-
den nicht angestellt. Viele Wohnungen sind nicht rollstuhlgerecht, daher müssen andere
Hilfen wie ein Pflegebett, Leibschüsseln usw. organisiert werden und Sozialdienste die
dabei helfen, dass der Patient ohne Lift auch einmal ins Freie kommt. Überlegungen zu
einem Umzug in eine andere rollstuhlgerechte Wohnung müssen gut durchdacht sein,
denn in vielen Fällen findet sich eine solche Wohnung nicht im Handumdrehen, lohnt es
sich überhaupt, kann der Patient in absehbarer Zeit wieder gehen oder so traurig dieser
Gedanke auch ist, wird er von der neuen Wohnung überhaupt noch profitieren können.
In jedem Fall ist es wichtig, dass mit dem Patienten die neue Situation besprochen wird.
Es müssen Lösungen gefunden werden, die für alle Beteiligten akzeptabel sind. Kom-
promisse müssen eingegangen werden, an die sich jeder halten muss, sowohl der Patient
als auch die Angehörigen.
Wie viel Hilfe braucht der Kranke?
Ein weiteres Problem sind Situationen, in denen der Patient zwar noch schwach ist und
seinen alltäglichen Pflichten nur teilweise nachkommen kann, er aber für sich selbst
sorgen kann. In manchen Fällen wird dem Patienten dann alles abgenommen, was ihm
das Gefühl einer Belastung für die ganze Familie zu sein einbringt. Er bekommt somit
auch keine Gelegenheit seine Kondition zu steigern, er lebt zusehends zurückgezogener.
Auch das Gegenteil kann der Fall sein. Die Abschätzung des Patienten der eigenen Kräf-
te oder die Abschätzung der Angehörigen über die Kräfte des Patienten entsprechen
nicht der Realität. Der Patient überfordert sich selbst oder er wird überfordert. Es ist für
viele Menschen auch nicht einfach plötzlich Hilfen in Anspruch nehmen zu müssen,
67
bisher waren sie selbständig und haben alles alleine geschafft. Das Annehmen von Hil-
fen wird oft als Schwäche und Minderwertigkeit gesehen.
Auch in diesem Fall ist es wichtig, dass die Familie eine gemeinsame Lösung findet, die
Erleichterungen, aber keine „Entmündigungen“ zulässt. Würde der Patient Hilfe anneh-
men, aber die Familie sieht die Notwendigkeit nicht, sollte der Patient seine Familie
darauf aufmerksam machen. Leider gibt es auch Familien in denen ein Zusammenhalt in
solch schweren Zeiten nicht möglich ist. In diesem Fall sollte der Patient seine familiäre
Situation mit dem behandelnden Arzt, einem Psychologen, einem Seelsorger oder mit
dem Sozialdienst besprechen.
Medikamentation zu Hause
Ein weiteres Problem kann die Medikamenteneinnahme, die zu Hause nach einem ge-
nauen Therapieplan erfolgen muss, darstellen. Zum einen gibt es Patienten, die zu Hause
mit der Medikamenteneinnahme nachlässig werden, die Zeiten nicht einhalten oder die
Medikamente vergessen. Zum anderen übernehmen die Ehepartner wie selbstverständ-
lich diese Aufgabe, da sie meinen, damit dem Patienten einen Dienst zu erweisen, für ihn
zu sorgen.
Im ersten Fall ist es gut, wenn der Partner an die Medikamente erinnert und eventuell
dem Arzt eine Mitteilung macht, wenn der Patient die Medikamenteneinnahme verwei-
gert.
Im zweiten Fall wird der Patient vom Partner abhängig, da er sich auf ihn verlässt, er
kennt seine eigenen Medikamente und deren Sinn gar nicht. Ist der Partner dann einmal
verhindert, kann es sein, dass der Patient mit seinen Medikamenten nicht mehr zurecht
kommt. Er kann dann auch bei einer Medikamentenumstellung kaum beurteilen, welches
Medikament nun unerwünschte Nebenwirkungen zeigt. Auch der Partner schränkt sich
in seiner eigenen Freiheit ein. Er muss dann ständig zu einem bestimmten Zeitpunkt
anwesend sein, um die Medikamente zu verabreichen. Das mag zu Beginn das Gefühl
der eigenen Fürsorglichkeit steigern, wird aber auf Dauer zu einer Belastung.
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Die Sexualität
Die Krankheit kann die Libido eines Menschen stark beeinflussen, aber auch die Libido
des Partners. Dieses Thema ist für viele Menschen aber „tabu“ und viele Fragen bleiben
unausgesprochen und die Sexualität wird ausgeklammert. Vor allem scheuen sich viele
Betroffene oder deren Angehörige dem behandelnden Arzt die Frage zu stellen, ob ein
Sexualleben möglich ist.
Da Sexualität zum normalen Leben mit einem Partner dazugehört, sie auch oft gerade in
Zeiten von Krankheit wichtig ist (= angenommen sein, trotz evt. Körperlicher Verände-
rungen, vom Partner dennoch attraktiv und nicht abstoßend empfunden zu werden),
sollte in jedem Fall mit dem behandelnden Arzt darüber gesprochen werden, wie das
Sexualleben gestaltet werden kann und welche Hilfsmittel (z.B. bei operationsbedingten
Erektionsstörungen des Mannes) eingesetzt werden können.
Kinderwunsch
Besonders bei jungen Menschen, die noch Kinder haben möchten, sollte eine Aufklärung
über die Auswirkung einer Operation, der Chemotherapie oder Strahlenbehandlung
automatisch vor dem Eingriff erfolgen, denn in manchen Fällen ist eine spätere Famili-
enplanung nicht mehr möglich. Bei Männern kann z.B. das Sperma in einer Samenbank
gegen jährlich entsprechendes Entgelt verwahrt werden.
Krankheit als positive Veränderung
So seltsam es klingen mag, so beschreiben viele Patienten und deren Angehörige, dass
die Krankheit die Familiensituation positiv verändert hat. Es gibt plötzlich Zusammen-
halt in der Familie. Unwesentliche Dinge treten in den Hintergrund und „Familienleben“
tritt in den Vordergrund. Es werden Gemeinsamkeiten entdeckt und gepflegt, ehrliche
Kommunikation ist entstanden und einer kann sich auf den anderen verlassen, wobei
jeder dennoch seinen Freiraum hat.
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Die Situation im Freundes-/Bekanntenkreis
Der soziale Rückzug
Sozialer Rückzug kann manchmal schon in der Familie stattfinden. Aber viele Patienten
möchten nicht, dass jemand außerhalb der Familie über die Krankheit Bescheid weiß.
Der endgültige soziale Rückzug beginnt. Denn wie soll man den Freunden oder Bekann-
ten erklären, dass man nun eine Perücke trägt oder im Moment nicht Tennis spielen
kann, im Moment keine Bergwanderung möglich ist usw.
Manche Patienten sehen sich auch plötzlich als nicht mehr zu den anderen zugehörig, sie
stigmatisieren sich selbst.
Eine Patientin beschrieb sehr bildhaft die Situation mit ihren Freunden:
Sie hatte das Gefühl auf einem Weg zu gehen, auf dessen anderen Seite alle ihre Freunde
waren, sie winkten herüber oder sahen verschämt zur Seite. Sie selbst war alleine auf der
anderen Straßenseite, sie wäre gerne auf die andere Seite gegangen, aber sie wusste
nicht, wie ihre Freunde reagieren würden, wenn sie die Straßenseite wechseln würde, sie
traute sich nicht.
Der soziale Rückzug kann auch erfolgen, gerade wenn Freunde und Bekannte Bescheid
wissen. Für den Patienten gibt es nichts Schlimmeres als täglich angerufen zu werden
mit der Frage: „Wie geht es dir heute?“, womöglich mit einem mitleidigen Unterton.
Oder bei jedem Treffen gesagt zu bekommen, dass man ja gar nicht krank aussieht, so
als ob ein totenähnliches Aussehen eher angebracht wäre oder ob Zweifel über die
Ernsthaftigkeit der Erkrankung entstehen würden. Oder Freunde/Bekannte beginnen
einen Bogen um den Patienten zu machen, weil sie nicht wissen wie sie mit ihm oder der
Krankheit umgehen sollen. Der Patient ist es auch leid, ständig über seine Krankheit
sprechen zu müssen, manche Freunde/Bekannte fragen aber Löcher in den Bauch.
Probe der Freundschaft
Freundschaften werden genauso wie das Familienleben in dieser Zeit auf eine harte Pro-
be gestellt. Wahre Freunde wollen lernen mit dieser Situation umzugehen, andere kön-
70
nen oder wollen es nicht. Es gibt aber auch Menschen, die zwar zu einer Freundschaft in
dieser Zeit bereit wären, die aber unfähig sind, weil sie soziale Defizite haben und mit
dieser Situation überfordert sind (z.B. fehlende Empathie, Ängste, Depressionen). Für
den Betroffenen ist es besser, wenn solche Freunde den Rückzug antreten, denn nichts
ist schlimmer als ein Mensch, der mitleidig statt mitfühlend ist, der Ängste ausbreitet
und der seine Depressionen auf den Betroffenen überträgt.
ZUSAMMENFASSUNG MÖGLICHER BEWÄLTIGUNGSSTRATEGIEN
IM FAMILIÄREN- UND FREUNDESKREIS
• Die neu entstandene Situation gemeinsam planen (Wohnung, Hilfen usw.)
• Hilfsorganisationen in Anspruch nehmen
• Rat und Hilfe einholen (Arzt, Psychologe, Sozialdienst, Seelsorge, Gemeinde usw.)
• Auch Fragen stellen, die vielleicht unangenehm erscheinen, die aber für die Lebens-
qualität wichtig sind (Sexualität, Kinderwunsch usw.)
• Dem Patienten angemessene Hilfe geben (nicht entmündigen, nicht alleine lassen)
• Als Patient Hilfen annehmen lernen (Ein „Dankeschön“ tut dem Helfenden wohler,
als der Vorwurf „Das hätte ich auch alleine gekonnt!“ Wie würden Sie sich in umge-
kehrter Situation fühlen?!)
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• In schwierigen Familiensituationen, die psychisch belastend sind, psychoonkologi-
sche Hilfe in Anspruch nehmen
Was kann man tun, um wichtige soziale Kontakte aufrecht zu erhalten?
• Jenen Freunden und Bekannten, die für einen selbst wichtig sind, die man gerne um
sich hat, Bescheid sagen.
• Ihnen sagen, dass man nicht ständig von der Krankheit reden will, dass man ganz
normal weiterleben möchte und am alltäglichen Leben teilhaben möchte
• Dass Humor und Lachen ebenfalls einen Platz haben müssen und man nicht von
Trauerminen umgeben sein möchte
• Dass die Freunde ehrlich sagen sollen, was ihnen an der neuen Situation Angst macht
und ihnen helfen, wie sie damit umgehen können
• Dass man ihnen ehrlich sagen wird, wenn man Hilfe braucht und sie ehrlich sagen
sollen, ob sie diese Hilfe geben können
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ANWENDUNG DER KLINISCHEN HYPNOSE Fallbeispiel zu einer psychologischen Behandlung (Klinische Hypnose: therapeuti-sche Geschichte) bei einem Rezidiv mit Panikattacken Eine Patientin (61 Jahre) hatte nach 2 Jahren eine Wiedererkrankung (Rezidiv). Sie hatte
eine Leukämie gehabt, war fast zwei Jahre in Remission gewesen, hatte wieder eine ganz
normale Lebensqualität in dieser Zeit, lebte nur wesentlich bewusster und hatte gelernt
mehr auf sich selbst und die eigenen Bedürfnisse zu schauen. „Und dann kommt diese
Mitteilung!“, sagte sie niedergeschmettert. Die Patientin erzählte auch, dass sie nun oft
plötzlich in der Nacht wach wurde, mit starkem Herzklopfen, Schweiß gebadet, unfähig
langsam zu atmen und eine unwahrscheinliche Angst drücke ihr zugleich die Kehle zu.
Es lag auf der Hand, dass diese Attacken mit der Wiedererkrankung im Zusammenhang
standen, aber sie mussten auch nicht zugleich der Ursprung sein. Die Patientin hatte
zwar Angst, dass sie eine weitere Behandlung, die Knochenmarktransplantation nicht
überleben würde, hatte auch Angst nie mehr so richtig zu Kräften zu kommen, dass das
Leben noch Qualität haben könnte, waren doch die vergangenen Behandlungen auch
schon schwer genug und das „war nun alles umsonst!“
War wirklich alles umsonst gewesen?
Bei näherer Betrachtung musste die Patientin erkennen, dass sie durch die Erkrankung
vor zwei Jahren vieles dazu gelernt hatte, was ihrem Leben sogar einen schöneren Sinn
gab, dass sie intensiver gelebt hatte, mehr Rechte auch für sich geltend gemacht hatte
und die Familie nun viel stärker zusammenhielt als früher. Sie hatte auch ihre Schwie-
gertochter lieben gelernt, die ihr früher so hart und distanziert erschienen war, von der
sie aber gelernt hatte, Hilfen anzunehmen, denn ihre Schwiegertochter half ihr so, dass
sie nie das Gefühl hatte, dass es sich um Hilfestellungen handelte, es waren „Selbstver-
ständlichkeiten“ wie die Schwiegertochter es nannte. Ihre Schwiegertochter hatte eine
gesunde und praktische Veranlagung Dinge in die Hand zu nehmen, die der Patientin
imponierten und die sie zwischenzeitlich von ihrer Schwiegertochter erlernt hatte. Ei-
gentlich zählten die letzten zwei Lebensjahre zu den schönen Erinnerungen.
Und nun das!
73
Die Patientin war einverstanden, dass wir uns auf die Suche des wahren „Angstmachers“
begaben.
Die therapeutische Geschichte
Ich sagte der Patientin, dass ich ihr eine Geschichte erzählen wollte, in der natürlich
Hauptdarsteller vorkommen müssten, ein Antagonist, ein Protagonist, helfende Nebenfi-
guren.
Sie sollte sich ein Symbol aussuchen, das ihre momentane Lebenslage darstellen würde,
den Antagonisten also, ein weiteres Symbol für das Leben, so wie sie es sich wünschte,
den Protagonisten und weiter ein Symbol für ihre Fähigkeiten, die Helfer.
Die Patientin wählte einen großen grauen Nebel zum Antagonisten, einen blühenden
Baum zum Protagonisten und einen bunten Vogel und einen Puma zu den Helfern.
Die therapeutische Geschichte hat den Vorteil, dass man erzählend Unbewusstes be-
wusst machen kann, Fähigkeiten, die der Mensch besitzt, einflechten kann, um eine
positive Veränderung zu erreichen in einer Art, wo der Patient nur jene Teile aus der
Geschichte herausfiltern wird, die ihm nützlich sind.
Die Geschichte vom Nebel
„Es war einmal ein Gärtner, der einen wunderschönen Park pflegte. In diesem Park
waren starke alte Bäume, in denen bunte Vögel wohnten, duftende Blumen und ein gro-
ßer Teich, in dem Enten und Frösche lebten, um den Libellen schwirrten und in dem sich
der Himmel spiegelte.
Es war alles in Ordnung bis sich eines Tages ein dicker, grauer Nebel über diese herrli-
che Natur legte und alles nur noch verschwommen und farblos wahrzunehmen war.
Dieser Nebel wollte nicht mehr fortgehen, er schien immer dichter zu werden. Die Vögel
zwitscherten nicht mehr in den Bäumen, deren Laub langsam und ohne sich zu verfärben
zu Boden fiel. Die Blumen hörten auf zu duften, im Teich spiegelte sich nichts mehr au-
ßer einem fahlen Grau. Die Entlein hatten ihre Köpfe unter die Flügel gesteckt und
schliefen nur noch. Kein Frosch und keine Libelle belebten den Teich, alles schien auf-
gehört haben zu hoffen, dass die Sonne den Nebel auflösen wird oder ein starker Wind
den Nebel auseinander wirbelt.
74
Der Gärtner war verzweifelt und auch er begann zu glauben, dass sein Park nie mehr in
seiner alten Schönheit erstrahlen wird.
Er legte sich unter einen Baum, der nun kahl war. Auf einem Ast saß ein Vogel, der als
einziger noch Farbe behalten hatte, ein Vogel der auf wundersame Weise recht munter
und voller Hoffnung zu sein schien. Der Vogel schaute wachsam in alle Richtungen, so
als ob er auf etwas zu warten schien.
Der Gärtner sagte zu dem Vogel: „Wartest du auf die Sonne, da kannst du lange warten,
die kommt nicht mehr! Oder gar auf den Wind?“
Und der Vogel antwortete: „Ich warte auf meinen Freund den Puma!“
Der Gärtner war erstaunt, dass der Vogel sprechen konnte, aber es wunderte ihn nichts
mehr.
„Was machst du, wenn dein Freund kommt, der Puma? Gehst du mit ihm von hier
fort?“, fragte der Gärtner weiter.
„Nein, ich möchte hier bleiben. Und ich weiß, dass der Puma den Nebel verjagen kann,
er ist so stark, er kann alles, was er möchte!“ krächzte der Vogel und putzte sich das
Gefieder, damit er schön war, wenn sein Freund der Puma kam.
„Und wann kommt der? Der hätte doch schon längst kommen können, wenn er so stark
ist, wie er glaubt?“
„Mein Freund spürt, wenn ich ihn brauche und ich weiß, dass er gespürt hat, dass ich
nun auf ihn warte, er kommt sicher!“
Der Gärtner sprach weiter: „Ich würde ja von hier weggehen, wenn ich meinen Park
nicht so lieben würde. Ich kann ihn nicht im Stich lassen. Ich glaube nicht, dass der
Puma den Nebel verjagen kann, das habe ich ja nicht einmal geschafft und ich bin ein
Mensch!“
„Mag schon sein, dass du klüger als mein Puma bist, aber der Puma ist dennoch stärker,
vor allem ist er schnell, so schnell, dass er dem Nebel schon Angst machen wird.“
„Träume du nur weiter, ich werde mich nun einwenig ausruhen“, sagte der Gärtner und
rollte sich am Fuß des Baumes zusammen, um ein Schläfchen zu halten.
Es mag wohl einige Zeit vergangen sein, als der Gärtner plötzlich durch einen heftigen
Windstoß, der ihm die fahlen abgefallenen Blätter ins Gesicht blies, wach wurde. Als er
die Augen öffnete, da sah er etwas unwahrscheinlich schnell durch den Park laufen, er
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konnte gar nicht erkennen, was da durch den Park lief, so schnell bewegte sich das
Ding. Der Nebel begann sich nun wie eine Spirale in sich zusammenzuziehen, so als ob
ihn ein innerer Sog dazu befehlte.
Vom Baum rief der Vogel: „Schau her, was habe ich dir gesagt, mein Freund der Puma
wird uns helfen. Da sieh doch Gärtner, wie der Nebel immer kleiner wird, wie er sich
windet und wie er einen Ausweg sucht, um dem Puma zu entkommen!“
Der Puma hatte unendliche Kräfte, der Nebel versteckte sich nun hinter Sträuchern und
Hecken, der bunte Vogel rief dem Puma aber immer wieder zu, wo sich nun der Nebel
befand. Und der Puma jagte ihn aus seinen Verstecken, so lange bis der Nebel keine
andere Wahl mehr hatte als wegzufliegen, weit fort, um ja niemals wieder an diesen Ort
erinnert zu werden.
Und siehe da! Die Sonne brachte wieder Farben hervor, die Bäume und Blumen began-
nen zu blühen und zu sprießen. Alle Vögel zwitscherten, im Teich spiegelte sich der
blaue Himmel und die Entlein schwammen und tauchten fröhlich in seinem Wasser, die
Frösche quakten, die Libellen summten, es war alles wunderbar.
Und der Gärtner schaute sich um und da sah er einen seiner geliebten Bäume, der lange
im Nebel versteckt war, ein Baum, der in der Zwischenzeit unendlich gewachsen war,
übersäht mit Blüten, die dufteten und in deren Krone die bunten Vögel Nester bauten.
Der Baum war so stark, so schön geworden und der Gärtner murmelte vor sich hin, wie
das wohl angehen kann, dass dieser Baum in dem Nebel wachsen konnte.
Der bunte Vogel hörte das Gemurmel und er erklärte dem Gärtner: „ Glaubst du, dass
nur du schlau bist? Der Baum wusste, dass über dem Nebel die Sonne ist und er hat alle
Kraft zusammengenommen, um über den Nebel hinauszuwachsen. Er hätte es auch ge-
schafft. Zum Glück ist aber der Puma rechtzeitig gekommen, denn so ist ihm die Kraft
für die Blüten übrig geblieben und für seine Blätter. Und seine Äste sind noch immer so
stark, dass man darin ein Nest bauen kann!“
Der Gärtner nickte und bedankte sich bei dem bunten Vogel für seine Hilfe, dass er den
Puma zu Hilfe geholt hatte und sein Park nun wieder so schön wie vorher war, vielleicht
sogar ein bisschen schöner war, als zuvor, jetzt mit diesem wunderschönen, starken,
großen und wunderschön blühenden Baum dort?“
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Die Patientin weinte am Schluss der Geschichte.
Sie erzählte mir, dass für sie der Nebel plötzlich zu einem Hund geworden war, ein
Hund vor dem sie in ihrer Kindheit unwahrscheinlich viel Angst hatte, den sie aber im-
mer füttern musste, weil ihr Vater es ihr aufgetragen hatte. Und immer, wenn sie ihrem
Vater gesagt hatte, dass sie Angst vor dem Hund hätte und ob nicht ihr Bruder oder ihre
Schwester das erledigen könnten, so sagte ihr Vater, dass sie sich nicht so anstellen soll
und gefälligst den Auftrag erledigen sollte. Sie hatte sich damals so allein und unterlegen
gefühlt, auch so unverstanden und sie hatte nicht den Mut, dem Vater weiter vorzujam-
mern, der nur böse dabei wurde.
Sie fand die Geschichte aber wunderschön, vor allem, dass der Baum so groß und stark
und schön geworden war.
Die Patientin hatte aber eine wichtige Aussage gemacht, sie hatte als Kind dieses Erleb-
nis mit dem Hund, Ängste, die sie im Bewusstsein nicht verarbeitet hatte, die nun aber
wieder auftauchten, in dieser Situation der Wiederholung ihrer Krankheitsgeschichte.
Die Parallelen zur Krankheit waren nun offen: Der Nebel- der zum Hund wird, der die
Angst auslösende Figur darstellte, war die Krankheit. Der Vater war in der Kindheit
derjenige gewesen, der trotz der offensichtlichen Hilflosigkeit des Kindes, Erwartungen
an sie gestellt hatte. In der heutigen Situation kam diese Hilflosigkeit wieder hervor,
auch der Druck der Erwartung all ihrer Freunde und Familienmitglieder und auch die
eigene Erwartung, dass sie zu funktionieren hatte und es daraus keinen anderen Ausweg
gab. Die täglichen Fütterungen der Hunde damals, diese immerwiederkehrende Situati-
on, die voller Angst war, war heute diese anscheinend immer wiederkehrende Krank-
heit.
Wir begannen in einer weiteren Sitzung (Tranceinduktion) diese Kindheitssituation zu
bearbeiten und zu verändern. Der Patientin wurde in dieser Sitzung bewusst, dass sie
kein feiges kleines Mädchen gewesen war, sondern ein extrem mutiges. Sie hatte täglich
ihre Ängste überwunden und ihre Aufgaben erfüllt. Und das kleine Mädchen hat nun
auch endlich gesehen wie stolz der Vater sie immer angeschaut hat. Der Vater war nie
ein großer Redner gewesen, er wirkte oft streng und kalt, aber er wollte eigentlich nur
seinem Mädchen klar machen, dass es die Aufgaben des Lebens erfüllen kann, wenn es
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nur den Mut dazu hatte und den hatte sie ja täglich bewiesen. Und er hatte sie oft so
voller Wärme und stolz angeblickt, wie keines seiner anderen Kinder, auch das wurde
ihr nun bewusst.
Die Patientin konnte durch diese Geschichte einen Zugang zu ihrer Lebensgeschichte
finden. Zu einem Teil ihres Lebens, den sie unbewusst verdrängt hatte, weil sie damit
Unfähigkeiten, Mängel, Feigheit usw. verbunden hatte. Dabei war es eigentlich ein Teil
des Lebens in dem viele ihrer Fähigkeiten verborgen waren. Nicht immer bleiben die
Symbole, die Patienten anbieten gleich, sie können sich während der Geschichte zu
anderen verändern bzw. kann eine Verbindung zu Lebensgeschichten hergestellt werden,
die durch eine andere Figur besser verarbeitet werden können (Dies war bei meiner Pati-
entin geschehen). In manchen Geschichten können die Patienten sogar mit den von ihnen
dargebotenen Symbolen nichts anfangen. Dann ist es sinnvoll im entspannten Zustand
neue Symbole zu suchen und eine neue Geschichte zu erzählen.
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KAPITEL 5
WAS KANN ICH SELBST GEGEN DIE ERKRANKUNG TUN?
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Viele Patienten fragen sich, was sie selbst zur Genesung beitragen könnten. Die einen
holen sich Rat beim Arzt, andere decken sich mit Literatur ein, andere überschütten den
Körper mit Vitaminen und Säften, andere suchen einen „Wunderheiler“ auf und einige
stellen sich diese Frage überhaupt nicht, da sie der Meinung sind, dass sie sowieso nichts
tun können.
Was kann man wirklich tun?
„Alles, was hilft, eine positive Einstellung zum Leben zu erhalten!“ ist oft die Antwort.
Und hier beginnt das nächste Problem! Denn was ist positiv, was negativ?
Manche Patienten beginnen nun die Krankheit zu verdrängen, weil sie keine Ängste
(=negativ) zulassen dürfen. Diese Strategie mag eine zeitlang auch ganz gut funktionie-
ren, aber es gibt eben Tage an denen das nicht gelingt und schon sind die Gewissensbisse
wegen der negativen Einstellung wieder da! Was ist aber nun eigentlich positives Den-
ken? Wahrscheinlich versteht jeder etwas Anderes darunter.
Aber ist nicht schon die Befürwortung der Behandlung der Krankheit etwas Positives?!
Hier beginnt das positive Denken, und man kann einiges dazu tun, um selbst aktiv mit
den Ärzten Hand in Hand den Kampf gegen die Krankheit aufzunehmen. Falls eine zu-
sätzliche alternativ-medizinische Behandlung in Anspruch genommen wird, sollte der
behandelnde Arzt davon in Kenntnis gesetzt werden, um eine gegenseitige Beeinflus-
sung der Wirkung mancher Medikamente (z.B. Mistelpräparate) zu verhindern.
Positives Denken heißt eine positive mentale Einstellung zu erlangen, in der aber auch
ganz normale Gefühle durchaus ihren Platz haben sollten, das heißt, dass auch die Psy-
che nicht zu kurz kommen sollte!
Bereits zu Beginn der Erkrankung kann man sehen, ob der Patient aktiv oder passiv
seiner Krankheitsverarbeitung gegenübersteht. Die einen glauben und sagen, dass sie
nichts tun können, sie müssen auf Gott oder den Arzt vertrauen, sie bleiben auch meist
bei einer passiven Haltung, wenn sich niemand findet, der sie motiviert oder wenn eine
Motivation dazu vom Betroffenen negiert wird. Vielfach überfällt die Betroffenen auch
eine lähmende Angst, die ihnen ein Agieren unmöglich macht oder sie trauen sich nicht,
80
sich der Krankheit zu stellen, sie schieben sie aus dem Bewusstsein. Dieses „Verdrän-
gen“ kann wie bereits erwähnt eine zeitlang gut gehen, aber wenn ein kritischer Punkt
erreicht wird, kann dieser Abwehrmechanismus zusammenbrechen und die Auseinan-
dersetzung mit der Erkrankung wird schwer bewältigt. In wenigen Fällen kann diese
Haltung bis zum Tod aufrecht erhalten werden. Zurück bleiben dann meist die Fragen:
„War sich der Patient seiner Erkrankung bewusst?“, „Hat er überhaupt zu kämpfen ver-
sucht?“ oder „Wie sah es in ihm wirklich aus?“
Wenn ein Betroffener diese Haltung einnimmt und sie bis zum Schluss verfolgt, so ist
das zu respektieren, da es seine einzige Möglichkeit ist, mit dieser Krankheit überhaupt
weiterleben zu können.
Andere Patienten neigen wieder zu Überreaktionen, sie stopfen alle am Markt erhältli-
chen „Wundermittel“ in sich hinein, ohne zu überlegen, ob überhaupt eine Wirkung
damit verbunden sein kann, außer der, dass das Portemonnaie schrumpft oder sogar eine
sinnvolle Behandlung blockiert.
Ein weiterer Prozentsatz der Betroffenen wandert zu einem „Wunderheiler“ und mag er
noch so weit entfernt sein.
Hinter solchen Handlungen stecken große Ängste vor der Krankheit, die Angst vielleicht
vor damit verbundenen Leiden, einem qualvollen Tod und vor allem vor dem Selbstvor-
wurf, nicht alles gegen die Krankheit getan zu haben.
Aber nicht jede Krebserkrankung ist gleich ein Todesurteil, viele Krebsarten können
heute gut in Schach gehalten oder gar geheilt werden, wie bereits im vorangegangenen
Kapitel erwähnt wurde.
Im allgemeinen können Menschen, die gewohnt sind sich durchs Leben zu kämpfen,
besser mit dieser neuen Situation umgehen, da sie Bewältigungstechniken parat haben.
Aber eine Krankheit kann bei solchen Patienten auch den endgültigen Zusammenbruch
auslösen. Ebenso können Erkrankte, die es bisher eher „leicht im Leben“ hatten an dieser
neuen Situation wachsen und ungeahnte Kräfte und Stärken entwickeln.
Viele Patienten nehmen aktiv (compliant) an der Verbesserung der neuen Lebenssituati-
on teil. Dazu gehört die kompetente Information durch den behandelnden Arzt, die Um-
81
stellung der Lebensgewohnheiten auf diese neue Situation und die Schaffung von Entlas-
tungen im körperlichen, psychischen und geistigen Bereich. Nicht immer ist die Entlas-
tung ohne fremde Hilfe möglich. Gerade dann nicht, wenn das soziale Netz (Familie,
Freunde, Arbeitsplatz, Wohnmilieu usw.) Defizite aufweist. Für solche Fälle gibt es
kompetenten Beistand (Arzt, Psychologe, Sozialarbeiter usw.), der in Anspruch genom-
men werden sollte.
Positiv handeln oder denken, heißt aber nicht, dass ganz natürliche Gefühle wie Angst,
Wut und Traurigkeit keinen Platz mehr haben dürfen. Das Verdrängen dieser Gefühle ist
wenig sinnvoll, sie sollten eher kritisch und realistisch betrachtet werden, denn nur so
können sie im Rahmen bleiben und nehmen keine unrealistischen Formen an. Genauso
wie beim Verlust eines geliebten Menschen „Trauerarbeit“ geleistet wird, wird bei dem
momentanen Verlust der Gesundheit empfunden. Wobei der Ausdruck „Arbeit“ im Sin-
ne eines prozesshaften Geschehens verstanden werden soll und nicht im Sinn einer me-
chanischen Bearbeitung. Prozesshaft deshalb, weil Schritt für Schritt eine Anpassung an
die reale Situation durch erworbene neue Erfahrungen möglich wird.
Ein Beispiel dazu:
Ein Mann (ca. 60 Jahre alt) war sein Leben lang gesund und hatte nun plötzlich einen
malignen Tumor. Er sollte eine Chemotherapie bekommen, vor der er panische Angst
hatte, kannte er doch von Erzählungen und aus den Medien, wie schrecklich so eine
Behandlung wäre.
Beim Befragen des Patienten, welche Vorstellungen er von einer Chemotherapie hätte,
stellte sich heraus, dass er eigentlich keine konkrete Vorstellung davon hatte, er wusste
nicht einmal, dass die Chemotherapie bei ihm in Form einer Infusion verabreicht würde,
obwohl es der Arzt gesagt hatte (es gibt inzwischen auch Chemotherapien in Tabletten-
form). Seine Angst war so groß, dass er eigentlich nicht richtig zuhören und das Wort
„Infusion“ nicht mit Chemotherapie in Verbindung bringen konnte.
Nach seiner ersten Chemotherapie schüttelte er mit dem Kopf und sagte, dass er nicht
gedacht hatte, diese Therapie lebend überstehen zu können und er sich wundern würde,
wie gut es ihm nun ginge. Anhand seiner neu erworbenen Erfahrung mit „Chemothera-
pie“ war er nun in der Lage, sich über die Behandlung auszusehen.
82
Eine positive Einstellung zur neuen Lebenssituation beinhaltet natürlich auch die Erhal-
tung von Lebensqualität. Unter Lebensqualität wird jeder etwas anderes verstehen, genau
so wie jeder unter positiver Einstellung etwas anderes verstehen kann. Gewisse Grundla-
gen bestimmen aber, was Lebensqualität ausmacht.
Dazu gehören:
• Gesundheit (körperlich, geistig, psychisch)
• Familie
• Beruf
• Freizeit
• Umwelt
Da Lebensqualität in erster Linie von der Gesundheit abhängt, wird im Falle einer Er-
krankung die Lebensqualität stark beeinträchtigt. Es heißt also Lebensqualität neu auf-
zubauen. Als Maßstab für die Lebensqualität darf nie der Ausgangspunkt vor der Er-
krankung genommen werden. Der neue Maßstab muss dort angesetzt werden, wo eine
Erholung von der Erkrankung beginnt. Nicht das Endziel darf im Vordergrund stehen,
sondern die schrittweise Annäherung an das Ziel. Das heißt, dass die täglichen Fort-
schritte zählen und eventuelle Rückschläge wieder einen neuen Ansatz der Meßlatte
bedeuten. Im Krankheitsfall müssen die anderen Bereiche neben der Gesundheit Defizite
ausgleichen können. Das bedeutet z.B. dass nun die Familie eine höhere Bedeutung
erlangt oder aber auch die Freizeit. Die berufliche Situation wird eher zu weiteren Defi-
ziten beitragen als zu einem Ausgleich von Defiziten. Aber bei vielen Patienten kann
auch gerade durch die berufliche Situation ein neue Lebensqualität vermittelt werden.
Beispiel:
Ein Patient erfährt erst jetzt bei seiner Erkrankung, wie sehr er im Betrieb geschätzt
wird. Seine Kollegen besuchen ihn häufig in der Klinik und berichten ihm, was es im
Betrieb Neues gibt. Sein Chef verspricht ihm, dass er ihm seinen Arbeitsplatz freihalten
wird, egal wie lange seine Krankheit dauert, er kann kommen, wann immer er möchte, er
selbst bestimmt, wann und ob er arbeiten möchte. Die Firma unterstützt die Familie,
83
indem sie finanzielle Hilfen anbietet, die zu einem angemessenen Zeitpunkt ausgegli-
chen werden können. Kolleginnen helfen beim Babysitten, damit die Ehefrau öfters den
Mann in der Klinik besuchen kann.
Der Patient bekommt durch diese Unterstützung wieder neuen Lebensmut, er braucht
sich in beruflicher Hinsicht weniger Sorgen um seine Zukunft zu machen.
In vielen Fällen erhalten körperorientierte Patienten nun plötzlich Freizeit, die sie im
Moment nicht ausfüllen können. Wenn bisher Sport an erster Stelle der Freizeitaktivitä-
ten stand, fällt für die erste Zeit der Erkrankung diese Möglichkeit oft weg, was dem
Patienten ein noch stärkeres Gefühl der Einschränkung der Lebensqualität gibt. Und
nicht immer fällt es Menschen leicht, einen Ersatz für Freizeitbeschäftigungen, die mit
Bewegung zu tun hatten, zu finden. Ein Gefühl von Lebensqualität kann nur dann wieder
erreicht werden, wenn der Patient einen Neuanfang macht. Das heißt, dass er nicht vom
Stand seiner Aktivität vor seiner Erkrankung ausgehen darf, sondern er Tag für Tag die
neuen Fortschritte nach seiner Erkrankung erkennen muss.
Freizeitaktivitäten, die eher auf der mentalen Ebene stattfanden (Musik, Lesen usw.)
können nach der Erkrankung oft wieder leichter aufgenommen werden, obwohl viele
Patienten darüber klagen, dass sie sich schlechter konzentrieren können als früher. Auch
hier gilt: Schritt für Schritt Fortschritte zu erkennen.
Körperliche Einschränkungen werden auch oft als seelische Belastungen empfunden.
Nicht selten wird das Selbstwertgefühl geringer und affektive Störungen beginnen.
Wenn das seelische Gleichgewicht über einen längeren Zeitraum nicht wieder hergestellt
werden kann, sollte psychologische Hilfe in Anspruch genommen werden, genau so wie
man ärztliche Hilfe sucht, wenn es dem Körper schlecht geht. Denn einer Seele, der es
schlecht geht, verhindert den Blick auf den Körper, dem es vielleicht schon besser geht.
Fortschritte bleiben somit unerkannt.
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ZUSAMMENFASSUNG MÖGLICHER BEWÄLTIGUNGSSTRATEGIEN FÜR EINE AKTIVE KRANKHEITSBEWÄLTIGUNG
• Informationen über Krankheit, Behandlung und Zeit nach der Behandlung vom kom-
petenten Arzt einholen, um selbst Kompetenz zu erlangen
• Sich der Krankheit und den Gefühlen stellen, nur so können Probleme aufgearbeitet
werden
• Bei Beruf und Freizeit, aber auch in der Familie realistische Einschätzungen durch
Eigenerfahrung sammeln
• Neue „Meßlatten“ anlegen
• Zusätzliche Alternativbehandlungen mit dem Arzt absprechen
• Neue Ziele setzen
• Die neuen Ziele schrittweise angehen
• Eine neue Lebensqualität entwickeln
• Bei anhaltenden Belastungen (körperlich, seelisch) Rat und Hilfe einholen
85
ANWENDUNG DER IMAGINATIONSTECHNIK
Fallbeispiel Eine Patientin (53 Jahre) hatte durch die Chemotherapie bzw. durch die begleitende
Behandlung mit Steroiden eine eher selten in diesem starken Ausmaß auftretende Ne-
benwirkung: „Muskelschwund“ und Beeinträchtigung der Gefühlsnerven in Händen und
Füssen. Innerhalb kurzer Zeit konnte die Patientin nicht mehr alleine aufstehen. Auch
die Gefühllosigkeit in ihren Fingern war für sie unerträglich. Es war nun schon mehr-
mals passiert, dass ihr etwas aus den Händen glitt. Ausgerechnet ihr aus den Händen
glitt, wo sie seit Jahrzehnten -seit dem Tod ihres Mannes- alles fest im Griff hatte, um
ihren Kindern alles zu ermöglichen, was ihr Mann und sie sich vorgestellt hatten. Es
beunruhigte sie zusehends. Diese Immobilität traf sie am schwersten, denn sie war ge-
willt gesund zu werden, aber nicht unter solchen Umständen, wenn sie zum Pflegefall
wurde.
Eine Physio- und eine Ergotherapeutin trainierten täglich mit ihr, aber die Muskulatur
und die Nervenbahnen waren natürlich nicht so schnell wieder aufgebaut, wie sie abge-
baut waren. Das machte der Patientin Sorge und die Angst blockierte das Erkennen der
täglichen Besserung.
Alle Anerkennungen für die Fortschritte und das Besprechen der neuen „Meßlatte“ hal-
fen nicht diese innere Blockade zu lösen.
Ich fragte die Patientin, ob sie mir nicht mehr von ihrem schönen Garten erzählen könn-
te. Der Garten zählte zu unseren „Genesungsgesprächen“. Ich nenne jene Gespräche
„Genesungsgespräche“, die eine Neuorientierung in die Zukunft ermöglichen, in denen
geliebte Lebensgewohnheiten - die weiter erhalten bleiben können - eine wichtige Rolle
spielen. Natürlich hatte ich mir vorher von der Physiotherapeutin bestätigen lassen, dass
die Patientin bald wieder in der Lage sein wird, ihren Garten zu bestellen.
Ich ließ mir den Garten genau beschreiben. Dann sagte ich zur Patientin, dass ich mir
ihren Garten wunderbar vorstelle und ich Lust hätte, dort in Gedanken spazieren zu ge-
hen und ob sie mich begleiten wolle. Sie fand diese Idee „Schön“!
86
Magdalenas Garten (Trance-Induktion)
Beginn wie üblich, aber ohne Suchen des Ortes der Ruhe, sondern Aufsuchen des Gar-
tens.
„Ich freue mich, dass ich ihren wunderschönen Garten betreten darf. ---------------
Und hier sehe ich auch schon den von ihnen angelegten Weg mit Natursteinen vor mir –
Wie schön er ist-------------
Er geht genau mitten durch den Rasen, so wie sie es beschrieben haben -----------------
Ich denke daran, wie sie jeden Stein an seinen ausgesuchten Platz gelegt haben ---------
Ich spüre direkt, wie es sich für sie angefühlt hat diese schönen Platten aufzuheben und
dann behutsam an den für sie vorgesehen Platz zu legen--------------
Wie sich die Muskeln der Arme anspannen, die Finger greifen und sich der Stein zu
bewegen beginnt ---------------------------
Und wie es sich anfühlt, den Stein langsam an seinen Platz zu legen bis er so liegt, wie
er liegen soll--------------------
Sich die Muskeln entspannen ---------------------------------
Wie gleichmäßig diese Platten angeordnet sind------------------
Wunderschön-----------------
Und hier, ach wie auserlesen --------------------
Ihr Blumenbeet, in dem die Blumen nach Farbe und Größe geordnet sind------------
Es ist genau wie sie es beschrieben haben ------------
In der Mitte die dunkelroten Rosen, die voller Blüten sind und höher als die anderen
Pflanzen stehen--------------
Dieser Duft, der sich ausbreitet -----------------------
Direkt berauschend dieser Duft der Rosen--------------------------
Rundherum die „fleißigen Lieschen“ in allen Farben -------------------------
Weiß, rosa, rot ----------------------
Diese Farben tun den Augen gut -------------------------
Wie sorgfältig alles gesetzt ist -----------------------
Ich sehe sie vor mir, wie sie dieses Beet anlegen
Für jede Pflanze graben sie eine kleine Kuhle in diese braune Erde,-------
In diese Erde, die so gut riecht -----
87
Sie legen die kleinen Pflanzen mit ihren weichen zarten Wurzeln behutsam hinein-----
Die Wurzeln fühlen sich an wie Samt-----------------------------
Und wie sich diese kühle Erde anfühlt, die sie nun um die Pflanzen anhäuften -----------
Mit den Fingerspitzen drücken sie sanft die Erde über den Wurzeln fest, damit die klei-
nen Pflanzen guten Halt haben-----------
Sie gießen die frischgesetzten Blumen-------------------
Und nun diese Blütenpracht ------------
Wenn ich nach vorne links schaue, dann sehe ich jene kleine Baumgruppe im gepflegten
Rasen unter der eine weiße Gartenbank steht ------------------------------------
Gehen sie mit mir zu dieser Bank-----------------------
Spüren sie wie sich nun im Gegensatz zu den Wegsteinen der Rasen unter den Füßen
anfühlt ---------------------------
Weich auf den Fußsohlen --------------
Die Muskulatur der Beine spürt diese Veränderung -----------------
Die Füße müssen nun etwas höher gehoben werden -------------------
Die Beinmuskulatur spannt sich aber nicht nur in den Zehen, um den Knöchel, an der
Ferse an -----------------------------
Sie spannt sich bei jedem Schritt auch in der Wade, --------
Im Knie --------------
Und im Oberschenkel an -----------------------------
Aber das passiert irgendwie ganz von alleine -------------------------
Und dann senkt sich das Bein langsam wieder zu Boden ---------------
Kurz bevor das Bein den Boden berührt entspannt es sich für einen Augenblick ------
Die Zehen berühren zuerst den Rasen --------------
Das Bein spannt sich wieder an, aber diesmal anders -----------------------
Es ist eher ein Durchstrecken des Beines, um den Körper tragen zu können ----------------
Die ganze Fußsohle rollt nun langsam ab ----------------
Und schließlich steht der Fuß wieder mit seiner ganzen Sohle am Boden ------------
So geht es Schritt für Schritt-------------
Wie von alleine----------------
Das Gehen auf diesem Rasen tut den Füßen gut --------------
88
Wir haben die Bank erreicht --------------------
Die Bäume sind stark und hochgewachsen-----------
Breiten ihre Äste über uns aus-----------------
Die Äste der Birke sind weiß, mit vielen kleinen zarten Blättern daran -------------
Und daneben die Rotbuche mit ihren dunklen Ästen und diesen etwas größeren roten
Blättern -------------------
Und der Ahorn mit seinen gezackten großen Blättern -----------------
Wenn man die Stämme der Bäume anfasst, spürt man die Kühle -------------
Aber auch diese Stärke der Bäume --------------------
Es ist eine Kraft, die von diesen Bäumen ausgeht, so als ob man diese Kraft durch die
Arme fließen spürte ----------------
So als ob der ganze Körper diese Kraft aufsaugen würde -----------------------
Der Stamm der Birke fühlt sich eher glatt an -----------------
Die Rotbuche ist borkig ----------------------
Und der Ahorn auch, aber dennoch fühlt er sich anders als die Rotbuche an -----------
Und wir setzen uns auf diese romantische Bank -----------------------------
Oh ja, hier kann man ausruhen und träumen --------------------------------
(längere Pause)
Wenn ich von hier aus über den Garten schaue, entdecke ich noch so viele wunderbare
Dinge ----------------------
Ich sehe den Kräutergarten --------------------------------
Gehen wir zum Kräutergarten ----------------------
Je näher man kommt, um so stärker duftet er -----------------
Es duftet nach Rosmarin --------------
Nach Oregano------------------
Nach Basilikum----------------
Nach Liebstöckel ------------------
Nach Estragon ---------------------
Ein Duft wie im Märchen von „Tausend und einer Nacht“ --------------------------
Die blühenden Hecken, die den Garten einsäumen -----------------------
Ein Blütenmeer ---------------------------
89
Weißer Jasmin ----------------
Ich liebe diesen Duft -----------------
Gelbe Ranunkeln ---------------------
Rote Weigelis -----------------------
Wie ein buntes Band säumen die Hecken den Garten ein ----------------------
Es ist ein wunderbarer Garten-------------------------
Er gibt so viel Kraft --------------------
Ich bin ihnen dankbar, dass ich diese Kraft, die ihr Garten mir schenkt, spüren darf -----
Ich kann verstehen, dass dieser Garten ihnen Kraft gibt ------------------
Jede Blume ---------------------
Jeder Grashalm----------------
Alles ist mit so viel Liebe gepflegt ---------------------
Und der Garten gibt für diese Liebe alles in tausend Düften und Farben zurück ---------
Ja, hier kann man sich wohlfühlen -----------------------
Ich sehe, dass die Patientin sich im Moment sehr wohlfühlt. Ich störe sie nicht in ihrem
Garten. Ich ziehe mich aus ihrer Entspannung zurück.
Ich lasse sie nun in Ruhe in ihrem Garten Kräfte sammeln ----------------
Bleiben sie hier, ich finde alleine zurück -----------------------------
Wir sehen uns später -------------------------------
Genießen sie alles, mit all ihren Sinnen -----------------
Als ich nach ca. einer halben Stunde wieder zu ihr kam, erzählte sie mir, wie schön es zu
Hause in ihrem Garten war. Sie fühlte sich nun so stark und hatte neuen Mut, ihren Kör-
per zu trainieren. Wie immer, wenn ich solche Imaginationen mache, möchten die Pati-
enten diese oder ähnliche Reisen wiederholen. Ich bestärke die Patienten solche Reisen
alleine zu machen, denn nur so können sie lernen, alleine in jenen Momenten zu ent-
spannen, in denen sie es am meisten brauchen. Natürlich bemühe ich mich, solche Ent-
spannungseinheiten mit ihnen am Anfang regelmäßig zu machen, aber es soll keine
Fixierung auf mich bzw. meine Stimme aufgebaut werden, denn dann gelingt die Auto-
90
suggestion nicht so gut, wie sie sollte. Abgesehen von einer möglichen Fixierung muss
ich leider auch im Rahmen meiner Behandlungsmöglichkeiten bleiben, denn auch mein
Arbeitstag hat nur eine begrenzte Stundenanzahl.
91
KAPITEL 6
„NICHT MEINE PSYCHE IST KRANK, SONDERN
MEIN KÖRPER“
92
Diese Antwort folgt oft auf die Frage, ob eine psychologische Betreuung erwünscht ist.
Psychologische Betreuung oder Behandlung wird vielfach mit der Behandlung von Geis-
teskrankheiten gleichgesetzt. Psychologische Interventionen sind aber keineswegs nur
bei psychischen Störungen angebracht, sondern vor allem zur Prävention. Die Gesunder-
haltung der Psyche bei körperlichen Erkrankungen ist ein wichtiger Faktor, der hilft,
Behandlungen und krankheitsbedingte psychische Belastungen besser zu verarbeiten.
Denn Körper, Geist und Seele gehören zusammen. Alles beeinflusst sich gegenseitig.
Wir merken dieses Zusammenspiel zum Beispiel sehr genau, wenn wir Kopfschmerzen
haben. In solchen Momenten ist man nicht gerade gut aufgelegt und die Konzentration
auf bestimmte Arbeiten wird schwieriger. Man ist nicht so belastbar wie sonst! Eine
Krebserkrankung ist eine Belastung für den Körper, für den Geist und die Psyche. Also
ist es daher wichtig, Entlastungen dort zu schaffen, wo sie möglich sind. Psychische
Entlastungen können zum Beispiel durch Gespräche geschaffen werden, die klären,
wodurch im Moment die größte Belastung entstanden ist. Belastungen können durch die
Behandlung entstanden sein, es kann die Familiensituation sein, es können Schlafstörun-
gen sein usw. Es gibt viele Dinge, die in einer Krankheitssituation eben viel schwerer zu
ertragen sind als sonst. Psychische Entlastungen können aber auch durch Erlernen ver-
schiedener Krankheitsbewältigungstechniken erreicht werden, die spezifisch für Krebs-
patienten ausgerichtet sind und helfen, Ängste zu reduzieren.
Seelische Belastungen durch Krankheit
Eine Krebserkrankung beinhaltet oft langwierige Behandlungen mit immer wiederkeh-
renden Klinikaufenthalten. Das unbeschwerte Leben, so wie es früher vielleicht einmal
war, kann nicht mehr einkehren, zumindest nicht die erste Zeit nach der Erkrankung. Das
Leben hat andere Formen angenommen. Nicht jeder Mensch kann diese Umstellung
gleich gut verkraften. Fast immer entstehen auch psychische Belastungen. Es gibt Pati-
enten, die sich selbst psychisch entlasten können, aber es gibt auch Menschen, die das
nicht schaffen.
Mitentscheidend ist das soziale Netz, in das der Patient eingebettet ist. Kann es psychi-
sche Belastungen nicht abfangen oder es verstärkt sie sogar, sollte eine psychische
Betreuung erfolgen. In diesem Fall geht es nicht um die Behandlung psychischer Stö-
93
rungen, sondern um die Gesunderhaltung der Psyche, um psychischen Störungen vorzu-
beugen. Das selbe gilt für die Angehörigen eines Patienten, die ebenfalls psychischen
Belastungen ausgesetzt sind.
Gespräche und Hilfestellungen mit Patienten bedürfen einer Vertrauensbasis. Diese
Vertrauensbasis ist mit viel Einfühlungsvermögen in den Patienten zu erarbeiten, was
nicht immer leicht ist, da die Vorurteile gegenüber allem was mit „Psyche“ zu tun hat,
groß sind. Noch immer sind viele Menschen der Meinung, dass „Psychiater“, „Psycho-
logen“ oder „Psychotherapeuten“ nur für Menschen mit psychischen oder geistigen
Erkrankungen zuständig sind. Aber alle drei Berufsgruppen arbeiten auch präventiv, das
heißt, dass jeder bemüht ist, Stress, Ängste usw. beim Patienten abzubauen, um psychi-
schen Störungen (früher als Krankheiten bezeichnet) vorzubeugen. Sind psychische
Störungen vor der Erkrankung bereits einmal aufgetreten wie z.B. Depressionen, Panik-
attacken usw. und wurden Psychopharmaka bereits vor der Krebserkrankung eingenom-
men oder die psychischen Belastungen werden von Patienten nicht mehr ertragen, dann
muss ein Psychiater zu Rate gezogen werden, denn nur er als Facharzt darf Medikamente
verschreiben, die auch zu den Behandlungsmedikamenten passen.
Alle drei Berufsgruppen haben eine zusätzliche spezielle Ausbildung für die psychoon-
kologische Betreuung zu absolvieren.
Diese Auswahl an psychoonkologisch geschultem Personal garantiert dem Patienten,
dass er von jemanden betreut wird, der speziell für die Problemstellungen bei Krebser-
krankungen ausgebildet wurde.
Eine psychoonkologische Betreuung steht jedem Krebspatienten zu, der sie in Anspruch
nehmen will. Zu diesem Zweck wurden an vielen Kliniken in Österreich (natürlich auch
in anderen europäischen und amerikanischen Ländern), speziell auf jenen Stationen an
denen Krebspatienten behandelt werden, sogenannte Liaison- oder Konsiliardienste
eingerichtet, ebenfalls gibt es ambulante psychoonkologische Betreuungseinrichtungen
für Angehörige und auch für Patienten, die nicht stationär behandelt werden müssen oder
bei denen eine ambulante Nachsorge ansteht.
Im übrigen gilt, dass jeder Patient einen Anspruch auf psychologische Betreuung hat.
94
Wann ist eine psychoonkologische Betreuung angebracht
• Wenn der Patient/Angehörige die neue Lebenssituation nicht bewältigen
kann/können
• Wenn Ängste berechtigte Hoffnungen zunichte machen
• Wenn das soziale Netz nicht auffängt
• Wenn neben der Erkrankung noch Probleme anderer Art auftreten
• Wenn andauerndes Grübeln zum Verlust der Lebensqualität führt
• Wenn Schlafstörungen und Schlaflosigkeit auftreten
• Wenn ein Abschalten von Gedanken an die Krankheit nicht mehr möglich ist
• Wenn unerklärliche Stimmungseinbrüche eintreten
• Wenn die Mitmenschen zum Problem werden
• Wenn eine psychiatrische Vorgeschichte vorhanden ist
Was beinhaltet eine psychoonkologische Betreuung
• Entlastungen schaffen durch supportive (unterstützende) Gespräche
• Entlastungen schaffen durch das Aufzeigen von sinnvollen sozialen Hilfen
• Vermittlung von Krankheitsbewältigungstechniken
- Verhinderung unrealistischer Ängste
- Abbau von Schlafstörungen
- Stärkung der eigenen Kräfte
- Stärkung des Selbstbewusstseins
- Motivation und Anleitung zur aktiven Teilnahme bei der Krankheitsbewältigung
- Stärkung in kritischen Situationen
• Psychotherapie bei eingetretenen oder bereits vorhandenen psychischen Störungen
• Angehörigenbetreuung
• Psychoonkologische Nachbetreuung
• Sterbebegleitung
95
Entlastungen durch supportive Gespräche
Die Angst vor dem Tod ist in den meisten Fällen nicht das größte Problem für den Pati-
enten wie man im ersten Moment annehmen könnte. Es gibt so viele Probleme, die im
Moment an erster Stelle stehen, so dass die auch vorhandene Angst vor dem Tod in den
Hintergrund tritt. Vordergründig kann z. B. eine Nebenwirkung der Behandlung sein
oder familiäre Angelegenheiten.
Ein Beispiel:
Eine junge Frau mit ca. 30 Jahren hat Brustkrebs. Sie hat vor 11 Monaten ihr zweites
Kind geboren. Dass sie die Krankheit besiegen will ist keine Frage, auch die Behandlun-
gen, mögen sie noch so anstrengend sein, lässt sie über sich ergehen, denn sie will leben.
Ihr größtes Problem ist, dass ihr zweites Kind bald ein Jahr alt wird und es seine Mutter
ab dem 4. Lebensmonat nur selten gesehen hat, da sie mehr Zeit in der Klinik als zu
Hause verbrachte. Wird das Kind wissen, dass sie die Mutter ist, kann das Kind eine
normale Mutterbeziehung nachholen? Was kann sie tun, damit eine normale Mutter-
Kind-Beziehung möglich ist?
Ein anderes Beispiel:
Ein Mann (48 Jahre alt) kann mit seiner Erkrankung eigentlich gut umgehen. Sein größ-
tes Problem ist die Ehefrau, die ständig weint und ihm Angst macht, die ihm immer
wieder sagt, dass er gesund werden muss, da sie ohne ihn nicht leben kann. Er trägt sein
bestes bei, um wieder gesund zu werden, aber die Genesung liegt nicht nur in seiner
Hand. Seine Frau belastet ihn noch zusätzlich mit der Aufgabe, dass er auch der Hüter
ihres Lebens ist.
Ein weiteres Beispiel:
Eine Frau im mittleren Alter hat die Darmoperation und die anschließende Chemothera-
pie zur eigenen Zufriedenheit und zur Zufriedenheit der Ärzte hinter sich gelassen. Sie
ist seit einiger Zeit zu Hause, der Alltag ist im Familienleben wieder eingekehrt, sie kann
auch wieder ihren vorherigen Beruf ausüben. Ihr größtes Problem sind die Arbeitskolle-
gen, die sie ständig mitleidig ansehen und fragen wie es ihr wohl heute ginge. Sie ma-
96
chen ihr eine Rückkehr in den Arbeitsalltag unmöglich, was aber ihr größter Wunsch
wäre.
Beispiele über Belastungssituationen, denen der Krebspatient nicht immer gewachsen
ist, da er sehr sensibel für solche Situationen geworden ist, gibt es genug.
Das Aufzeigen sinnvoller sozialer Hilfen
Wenn die Familie, die das wichtigste Glied beim Beistand ist, nicht belastbar ist oder
auch nicht unterstützen kann (Krankheit des Partners, Fehlen eines Partners, Kinder weit
weg oder zu klein, keine Verwandten oder Freunde usw.), so gibt es viele staatliche
soziale Hilfen, die in Anspruch genommen werden können. Die Krankenkassen ent-
scheiden darüber, wie viele Kosten sie übernehmen werden. Für genaue Auskünfte sind
die Sozialarbeiter zuständig, die mit pflegerischen Institutionen zusammenarbeiten,
ebenfalls mit dem jeweiligen Sozialdienst des Wohnbezirkes des Patienten. Manche
Patienten wissen aber nicht, dass es solche Möglichkeiten gibt, daher sollte das soziale
Netz des Patienten hinterfragt und bei Bedarf mit Einverständnis des Patienten die Sozi-
alarbeit eingeschaltet werden.
Neben dem supportiven Gespräch ist das Erlernen von Krankheitsbewältigungstech-
niken von Bedeutung.
Dazu gehören:
Während der Behandlung:
• Entspannungstraining (Autogenes Training, Muskelentspannung, Anleitung zur
Selbsthypnose) → bei unangenehmen Eingriffen, Schlafstörungen, medikamentösen
Nebenwirkungen, als Gedankenstop, Stress- und Angstabbau, Schmerzbewältigung
• Compliancetraining (lernen aktiver Mithilfe bei Behandlungen)
• Mobilisierung eigener Kräfte (über das Mentale zum Körper gelangen)
• Ressourcen bewusst machen (körperlich und mental)
• Angstverarbeitung
• Selbstbewusstseinstraining
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Nach der Behandlung:
• Entspannungstraining (Autogenes Training, Muskelentspannung, Anleitung zur
Selbsthypnose) = Stress-Angstabbau
• Führung eines Schmerz- oder Angsttagebuches (bewusst machen von Schmerz -
oder Angst auslösenden Situationen und deren Veränderung, auch um Besserungen
zu erkennen)
• Lernen von Annehmen sinnvoller Hilfen (welche Hilfe brauche ich, welche nicht)
• Belastungstraining (körperlich und mental)
• Situationstraining (je nach Situation, die belastend ist)
• Gesundheitstraining (die gesunden Anteile im Körper stärken bzw. nach einer Re-
mission an die Gesundheit glauben)
• Abgrenzungstraining (was betrifft mich, was nicht)
• Soziales Training (Wiedereingliederung in die Gesellschaft)
In einer terminalen Phase:
• Sterbebegleitung (Loslassen und Abschiednehmen)
In manchen Fällen führt die Erkrankung zum Tod. In dieser Phase des Abschiednehmens
und Loslassens brechen oft viele Gefühle über den Patienten und vor allem über die
Angehörigen herein. Eine echte Kritikfähigkeit ist in dieser Phase oft nicht möglich. Das
heißt, dass Schuldgefühle und Aggressionen oft einen freien Lauf nehmen, der nicht
mehr kontrollierbar ist. Angehörige erleben oft zum ersten Mal das Sterben, sie haben
Angst vor dem Sterbenden und vor dem Tod. Der Sterbende selbst kann in manchen
Fällen nicht Abschiednehmen, weil die Angehörigen ihn daran hindern, sie den nahen-
den Tod nicht wahrhaben wollen. In anderen Fällen macht der Sterbende den Angehöri-
gen ein Abschiednehmen unmöglich. Was dann oft zurückbleibt ist eine Leere, die da-
durch entsteht, dass man Dinge, die man aussprechen wollte, unausgesprochen blieben.
Dieser wichtige Teil der psychoonkologischen Arbeit wird im nächsten Kapitel genauer
beschrieben.
98
Psychotherapie und Psychopharmaka Wie ich bereits erwähnte kann es möglich sein, dass nicht nur relativ normale Belas-
tungsreaktionen eintreten, sondern dass auch psychische Störungen auftreten. Psychische
Störungen können vorübergehender Natur sein, z.B. ein Durchgangssyndrom nach einer
bestimmten Medikamentengabe (z.B. Cortison ruft in höheren Dosen oft Wahnvorstel-
lungen hervor) oder es liegen schon von früher psychische Störungen vor, die manchmal
durch die krankheitsbedingte Belastung verstärkt auftreten. Vor allem Persönlichkeits-
störungen oder Depressionen treten scheinbar plötzlich zu Tage, frühere Panikattacken
treten wieder auf.
Beispiel:
Eine Ehefrau kam zu mir in die psychoonkologische Sprechstunde, da ihr Mann seit der
Erkrankung die gesamte Familie terrorisierte. Bei dem Gespräch stellte sich heraus, dass
dieser Patient bereits früher schon eine extrem autoritäre Familienführung ausübte, sie
die Kinder laufend vor Schlägen in Schutz nehmen musste und es mit ihm eigentlich
nichts zu lachen gab. Nun würde er aber völlig „ausrasten“, denn er würde sogar mit
Stühlen werfen, wenn er nicht sofort Gehör findet. Die inzwischen erwachsenen Kinder
seien geflüchtet und sie sei nun der ganzen Situation alleine ausgesetzt.
Als der Patient das nächste Mal zur stationären Behandlung kam, brauchte ich den Kon-
takt zu ihm gar nicht zu suchen, denn die Ärzte hatten sein inzwischen auffälliges Ver-
halten ebenfalls bemerkt und bereits den psychiatrischen Konsiliar gerufen, der die nöti-
ge Medikamentation verschrieb und den Patienten betreute. Die Ehefrau berichtete mir
dann später, dass ihr Mann endlich das erste Mal in ihrer Ehe erträglich geworden war,
auch die Kinder hätten nun einen liebevollen Vater. Der Patient selbst hatte zum ersten
Mal das Gefühl, dass er so angenommen wurde wie er ist und nicht das starke führende
Oberhaupt sein musste, so wie es ihm sein Vater vorgelebt hatte. Er war froh, dass end-
lich dieser Druck von ihm genommen war.
Bei diagnostizierten psychischen Störungen (Depressionen, Angststörungen oder von
früher bekannte Störungen) oder bei anhaltendem Leidensdruck trotz psychologischer
Interventionen, ist eine medikamentöse Behandlung unumgänglich. Es geht um das
99
Wohl des Patienten! In diesem Fall ist die beste Therapieform nun einmal die medika-
mentöse, was aber eine weitere psychische Unterstützung oder Therapie wie bisher in
keinem Fall ausschließen darf.
Ich erlebe immer wieder, dass die Patienten in eine Depression abrutschen, wenn eine
Behandlung länger dauert und die Belastung nicht mehr erträglich ist. Wenn ich den
Leidensdruck sehe und zur medikamentösen Behandlung rate, höre ich oft: „ich nehme
schon so viele Tabletten!“ oder „die Chemo ist für den Körper schon genug Chemie!“
usw.
Fragt man den Patienten, ob er Kopfschmerztabletten nehmen würde, wenn er andauern-
de Kopfschmerzen hätte, dann sagt er „ja“! Ich frage dann: „und warum nehmen sie
keine Tablette, wenn ihre Seele schmerzt? Wann sonst glauben sie, dass sie das Recht
haben eine Tablette gegen diesen Seelenschmerz zu nehmen als in dieser Situation, in
der sie sich im Moment befinden?“
Fast alle Patienten sind dann zur Einnahme von Psychopharmaka bereit und kein einzi-
ger hat sich bisher darüber beklagt oder sich überredet gefühlt, jeder war dankbar und
fragte sich vielmehr, warum er nicht schon früher diese Erleichterung angenommen hat.
Es ist bisher auch nie der Fall gewesen, dass ein Patient von diesen Medikamenten ab-
hängig wurde. Und in fast allen Fällen konnten die Medikamente, vor allem durch die
Krankheit bedingte Depressionen oder Angststörungen, nach Abschluss der Behandlun-
gen wieder abgesetzt werden.
Angehörigenbetreuung
Wie schon mehrmals in den vorhergehenden Kapiteln erwähnt wurde, sind die Angehö-
rigen oft scheinbar mehr belastet als der Patient selbst.
Wie kann das sein?
Der Patient ist aktiv am Krankheitsgeschehen beteiligt, während die Angehörigen trotz
aktiver Hilfen nur passiv am Geschehen selbst beteiligt sind. Es entsteht eine Art Hilflo-
sigkeit, die nur schwer zu ertragen ist. Nur der Patient selbst weiß, wie fähig er ist, die
momentane Situation (körperlich und seelisch) zu verkraften. Der Angehörige wiederum
sieht nur einen Kranken, dem er zwar durch Worte beweisen kann wie sehr er ihn liebt,
aber er kann ihm nichts von der Krankheit, der Behandlung abnehmen. Durch dieses
100
gezwungenermaßen passive Teilnehmen, entsteht Frustration, weil die Situation nicht
verändert werden kann. Vor allem, wenn es dem Patienten schlecht geht, wird dieser
Zustand ausweglos. Die Angehörigen trauen sich nicht mehr von der Seite des Patienten,
weil sie Angst haben, dass sie in dem Augenblick, wenn sie der Patient brauchen würde,
nicht anwesend sind.
Immer wieder erlebe ich, dass die Angehörigen dann in eine Art Trance verfallen. Sie
spüren keine eigenen Bedürfnisse mehr. Sie essen nicht, sie trinken nicht, sie schlafen
nicht, sie wollen nicht von der Seite des Patienten weichen. Das einzige Bedürfnis, das
sie noch wahrnehmen ist die Blase zu entleeren, ein Automatismus. Angst, Liebe oder
auch Schuldgefühle, die nicht selten hinter solchen Trance-Zuständen liegen, dürfen aber
nicht bis zur Selbstaufgabe führen.
Gerade diese Situationen fordern eine psychologische Intervention für die Angehörigen,
die Mitpatienten und das Pflegepersonal heraus. Einsicht von den Angehörigen für diese
„Selbstaufgebende Rolle“ kann man in diesem Moment auch nicht erwarten, denn es
scheint für ihn keine andere Möglichkeit des Helfens zu geben. Es bedarf eines extremen
Fingerspitzengefühls, ihn wieder an seine eigenen Bedürfnisse heranzuführen, ohne dass
er aggressiv wird oder gar psychisch eskaliert. Es geht bei dieser Situationsschilderung
nicht um einige Tage, sondern um Wochen, die der Angehörige fast rund um die Uhr am
Bett des Patienten verbringt und die in ein regelrechtes Burn-Out führen. Dieses Burn-
Out hilft weder dem Patienten noch dem Angehörigen.
Zusätzlich kommt oft von den Mitpatienten die Klage, dass sie es nicht aushalten, wenn
Tag und Nacht ein Fremder (=Nichtkranker) am Nebenbett sitzt. Auch für das Pflegeper-
sonal wird es eine Belastung. Besonders kritisch wird die Situation, wenn nicht nur ein
Angehöriger, sondern alle Angehörigen gleichzeitig anwesend sein wollen, was nicht
selten auch noch zu Diskussionen innerhalb der Angehörigen führt, wer überhaupt das
Privileg des Bettbewachens hat.
Um solche Situationen zu vermeiden, ist es wichtig, rechtzeitig den Kontakt zu den An-
gehörigen aufzunehmen. Ein Angehöriger, der in „guten“ Zeiten des Patienten das Bett
schon ständig im Auge behält, wird in schlechten Zeiten nicht dazu zu bewegen sein,
sich mit anderen Angehörigen abzuwechseln.
101
Eine der wichtigsten Aufgaben des Psychoonkologen ist es daher, die Angehörigen mit
einzubeziehen. Nur so kann man rechtzeitig Ängste, Schuldgefühle usw. erkennen und
Eskalationen vorbeugen. Vor allem kann man rechtzeitig abklären, was für den Patienten
gut ist und nicht für die anderen. Die meisten Patienten empfinden solche „Dauerbewa-
chungen“ als anstrengend, da sie sich bemühen müssen wach zu bleiben und „stark“.
Das kostet Kraft und zusätzlich können beim Patienten wieder neue Schuldgefühle ent-
stehen durch das Bewusstsein „anderen derartige Sorgen bereiten zu müssen“!
Solchen Angehörigen kann geholfen werden, indem
- man rechtzeitig dafür sorgt, dass sie sich mit anderen Familienmitgliedern oder
Freunden abwechseln können,
- man sie auffordert eine Pause zu machen, um bei Kräften zu bleiben für die Zeit, wo
sie wirklich gebraucht werden,
- man mit ihnen und dem Patienten bespricht, was für alle akzeptabel ist (auch für
Mitpatienten und Pflegepersonal)
- man bei psychischen Störungen (abnorme Belastungsreaktion) eine regelmäßige
Betreuung durchführt.
Es gibt aber nicht nur Angehörige, die sich selbst vergessen bis sie psychisch eskalieren,
es gibt auch jene Angehörige, die den Patienten völlig alleine lassen. Auch hier ist ein
Einsatz der Psychoonkologen nötig:
- man fragt den Patienten, welchen Besuch er am liebsten sehen würde. Dementspre-
chend versucht man diese Personen zu erreichen
- man schaut, dass sie durch die „Klinikbrücke“(=Besuchsdienst unserer Klinik: frei-
willige Helfer, die mit dem Patienten reden, ihnen Einkäufe erledigen usw./ eine Art
Bindeglied zur Außenwelt) versorgt werden
- man fragt, ob sie gerne mit dem Klinikseelsorger mehr Kontakt hätten (oft ein
wichtiges Angebot)
- man betreut sie engmaschiger als andere Patienten, wenn vorherige Punkte nicht
erfüllt werden können.
102
Psychologische Betreuung kann in allen Phasen der Erkrankung nützlich sein. Wichtig
ist die Scheu davor zu verlieren und einmal umzudenken. Wenn sich der Körper nicht
wohl fühlt, geht man selbstverständlich zum Arzt, aber wenn sich die Seele nicht wohl-
fühlt, muss das ohne Hilfe durchgestanden werden, weil eine psychologische Betreuung
bei uns noch nicht „salonfähig“ ist. In Amerika ist man in diesem Punkt wesentlich wei-
ter.
Das Zusammenspiel von Körper, Seele und Geist ist erwiesen. Daher sollte die Seele, die
durch einen kranken Körper geschwächt ist, mit Hilfe von mentalem Training wieder
aufgebaut werden. Das bedeutet, dass die Seele gesund erhalten wird und bedeutet nicht,
dass die Seele bereits krank ist.
Viele wissenschaftliche Untersuchungen deuten darauf hin, dass psychische Interventio-
nen bei schweren Erkrankungen und chronischen Krankheiten, eine bessere Lebensquali-
tät vermitteln und sogar den Krankheits- und Genesungsverlauf positiv beeinflussen. ZUSAMMENFASSUNG MÖGLICHER BEWÄLTIGUNGSSTRATEGIEN BEI
PSYCHISCHEN BELASTUNGEN
• Innerhalb des sozialen Netzes in Gesprächen über Ängste, Sorgen usw. Entlastungen
schaffen
• Entspannungstraining anwenden
• Führen eines Tagebuches, um positive Veränderungen bewusst zu machen, und bei
negativen Veränderungen eigene Ressourcen rechtzeitig zu mobilisieren
• Sich vor Augen führen, was man im Leben alles schon geschafft hat, um wieder Mut
für die Herausforderung im Krankheitsfall zu bekommen
• Unsicherheiten, die durch Informationsdefizite über die Erkrankung oder deren Be-
handlung auftreten, ausräumen, in dem der behandelnde Arzt um Rat gefragt wird
103
• Neue Lebensziele definieren, die realisierbar sind (in kleinen Schritten!!)
• Keine körperlichen Überforderungen, die sich letztlich auf die Psyche auswirken
(Misserfolgserlebnisse meiden!), auch hier in kleinen Schritten eine neue körperliche
Kondition erwerben
• Innerhalb des engsten Lebensbereiches neue Pläne aufstellen, die das Zusammenle-
ben erleichtern (welche Arbeit macht wer, wer kann helfen, was kann der Patient al-
leine, wann und wobei braucht er Hilfe usw., um eine Über- oder Unterforderung des
Patienten zu verhindern)
• Gute Hilfen dankbar annehmen und nicht negieren ( Immer überlegen, was man
selbst im umgekehrten Fall auch für den anderen tun würde. Auch überlegen, ob man
selbst im umgekehrten Fall lieber ein „Dankeschön“ oder „das hätte ich schon selber
gekonnt“, hören will. Angehörige können oft leichter mit der Krankheit umgehen,
wenn sie auf diese Weise das Gefühl bekommen, das Leid mit dem Patienten teilen
zu können.)
• Zusätzliche psychische Belastungen meiden (z.B. Freunde, die ihre Probleme bei
dem Patienten abladen wollen; Musik, die traurig stimmt; Literatur über Krankheiten,
die hauptsächlich mit Statistikzahlen bestückt ist; Freunde, die ständig alles besser
wissen, vor allem im Bezug auf die Behandlung; Menschen, die Mitleid, statt Mitge-
fühl vermitteln)
• Dinge tun, die Freude machen und über die man lachen kann (Lachen ist gesund!
Und hat nicht auch der Kranke ein Recht auf ein normales Leben, statt ab Erkran-
kungsbeginn eine gedrückte Stimmung aller erleben zu müssen?)
• Psychoonkologische Hilfe annehmen (wann immer Sie wollen, aber immer im Falle
eines ausweglosen Gefühls, von übergroßen Ängsten, Hilflosigkeit und deprimieren-
den Gedanken, sowie bei Schwierigkeiten oben genannte Punkte auszuführen)
104
• Bei diagnostizierten psychischen Störungen oder anhaltendem Leidensdruck medi-
kamentöse Unterstützung annehmen (wenn man Kopfschmerzen hat, nimmt man ei-
ne Tablette, wenn die Seele schmerzt, sollte eine Medikamenteneinnahme genauso
selbstverständlich sein!)
105
ANWENDUNG VON ENTSPANNUNG
Die Belastung der Angehörigen ist unumstritten.
Um einem Burn-Out vorzubeugen, biete ich Entspannungseinheiten an (Einzeln oder in
Gruppen), die auch für die Angehörigen eine Entlastung darstellen.
Für die Einzelentspannung suche ich jene Art der Entspannung heraus, die am besten für
diese Person geeignet ist.
Bei der Gruppenentspannung hat sich die „Progressive Muskelrelaxation nach Jacobson“
am besten bewährt.
Wenn die Teilnehmer entspannt sind, flechte ich aber Suggestionen ein.
Beginn wie üblich (Entspanntes Sitzen in diesem Fall = Kutscherhaltung, Aufsuchen des
Ortes der Ruhe, um eine Distanzierung vom Alltag zu erreichen), dann die Muskelent-
spannung: (Anspannung ca. 15 Sekunden, Entspannung ca. 1 Minute)
„Konzentrieren sie sich nun auf ihre Arme und Hände. Ballen sie die Hände zur Faust
und spüren sie die Anspannung in ihren Fingern, ------
Händen,-----
Unterarmen,--------
Oberarmen,---------
Einwenig auch in den Achseln und auf den Schultern.--------
Wie fühlt sich diese Anspannung an?---------------------
Und nun lassen sie ihre Hände und Arme locker und spüren die Entspannung--------------
spüren sie wie gut das tut ---------------------
Einmal nichts halten müssen-------
Nichts tragen müssen ------------
Einfach einmal loslassen können -------------------
Das ist angenehm ------------------
Genießen sie diesen Augenblick --------------
Dann ziehen sie die Schultern hoch --------------
Spüren die Anspannung,-------------------
106
In den Schultern ---------------------
In den Armen------------------
Im Nacken und Hinterkopf ----------------
im Rücken -------------------
einwenig in der Wirbelsäule ------------------
in der Brust ---------------
einwenig im Bauch ----------------
wie fühlt sich die Anspannung an?---------------
und dann lassen sei langsam los ----------------
das tut gut ---------------------
nichts hat mehr Halt auf ihren Schultern ----------------
alles Schwere gleitet herab --------------------
so als ob ein Rucksack von ihren Schultern fällt ----------------------------
und spüren sie, wie schön es ist einmal frei zu sein ------------------
erlauben sie sich alles abzuladen ----------------------
genießen sie diesen Augenblick -----------------
Ziehen sie nun ihre Augenbrauen hoch und spüren die Anspannung auf der Stirn----------
Den Schläfen------------
Am Nasenansatz---------------------------
Wie fühlt sich die Anspannung an?--------------
Und dann loslassen -------------
Das ist gut -----------
Dann die Augen zusammenkneifen ----------
Spüren sie die Anspannung auf den Augen, ----
der Stirn,------
der Nase----------
und den Wangen-----------
107
wie fühlt sich die Anspannung an?-----------
Und loslassen ------------
Das tut gut ----------------
Dann die Nase rümpfen --------------
Spüren sie die Anspannung auf der Nase,----
den Wangen,--------
den Mund --------------------
Wie fühlt sich die Anspannung an? ------------
Und loslassen-------
Das ist angenehm ----------------
Dann die Zähne zusammenbeißen ------------
Die Anspannung spüren im Mund, ----
im Kiefer,------
in den Wangen,--------
einwenig auch am Hals ---
Wie fühlt sich die Anspannung an?----------
Und loslassen, das tut gut ------------
Lassen sie das Unterkiefer fallen und spüren sie wie gut das tut ---------------------
Nun atmen sie sich einmal frei, indem sie langsam durch die Nase einatmen, alles aus
dem Körper sammeln, was diese Ruhe stören könnte, dann den Atem kurz anhalten und
durch den Mund wieder ausatmen -------- (insgesamt 3x)
Spüren sie, wie schön es ist, einmal frei zu sein, ----
Platz zu schaffen für Ruhe und Erholung------
Und nun ziehen sie den Bauch ein, vergessen dabei nicht ganz normal zu atmen -------
Die Anspannung ist zu spüren im Bauch,--------
108
im Gesäß---------
und im Becken -----------------
Einwenig auch in der Brust und im Rücken ------------
Wie fühlt sich die Anspannung an?-------------
Und loslassen-------
Das tut gut ------------
Genießen sie diese Entspannung-------
Nun die Zehenspitzen nach oben ziehen in Richtung Knie und die Anspannung spüren----
In den Füßen----
Unterschenkel-----------
Knie-----------
Oberschenkel--------
Einwenig auch im Bauch------
Gesäß und Becken
Wie fühlt sich die Anspannung an? ------------
Und nun loslassen--------------
Das ist ein feines Gefühl-----------
Im Moment nirgends hingehen müssen------------
Den Körper nicht tragen müssen--------------------
Einfach die Beine ausruhen können ----------------------
Genießen sie diesen Augenblick-----
Ihr ganzer Körper ist nun entspannt ------------
Um die Entspannung zu intensivieren, zähle ich nun von eins bis zehn ---------------
Entfernen sie sich mit jedem Schritt noch ein Stückchen mehr vom Alltag----------
Erlauben sie sich diesen Moment der vollkommenen Entspannung, indem sie immer
mehr in ihre innere Ruhe hineingehen------------------
Bei zehn haben sie ihre optimale Entspannung erreicht und fühlen sich gut ---------
109
(Zählen ------ mit je 10 Sekunden Abstand für jede Stufe)
Sie sind nun völlig entspannt und fühlen sich gut---------------------
Spüren sie wie schön es ist in sich selbst zu ruhen------------------
Spüren sie die Geborgenheit in sich --------------------
Wie schön es ist in sich selbst zu wohnen -------------------------
Erlauben sie sich diese Ruhe für eine kleine Weile ganz für sich -----------
Genießen sie diesen Moment im Hier und im Jetzt---------
In diesem Augenblick -------------
(längere Pause, ca. 2 Minuten)
Und in ihrem Körper ist nun Platz für neue Kräfte, neue Energien------------
Die stark und mächtig mit jedem Atemzug in ihren Körper gelangen----------
Sich in ihnen ausbreiten -------------------
Ihre Kräfte erneuern ----------------
Jene Kräfte, die sie so gut einzusetzen wissen -----------------------
Mit deren Hilfe sie jenem Menschen, der sie im Moment am meisten braucht, viel Kraft
geben -----------
Ihm helfen alles Schwere zu ertragen-------------------------
Spüren können, wenn er Ruhe braucht, auch einmal alleine sein möchte --------------------
Ihm helfen, gesund zu werden, soweit es in ihrer Macht steht ------------------
Seien sie stolz auf sich------------------
Denn Sie geben das wichtigste-------------
Ihre Liebe ------------------
Spüren sie ihre Kraft-------------
Vertrauen sie auf sich selbst -------------------„
(Rückführung vom Ort der Ruhe in die Gegenwart)
110
KAPITEL 7
DAS STERBEN
111
Wie eine Feder
Ich laufe durchs Gras und spüre den Boden unter mir,
sehe zwischen den grünen Halmen den Weg zu Dir.
Ich höre wie das Gras wächst und Schmetterlinge singen,
und gelbe Blumen flüstern mir geheimnisvoll ins Ohr.
Ich laufe durchs Gras und spüre den Boden unter mir,
er ist weich und warm, als läge ich bei Dir.
Blumen tanzen im Wind und lachen dabei in den Himmel,
der über mir seine hellblauen Flügel ausbreitet.
Ich laufe durchs Gras und spüre Wolken unter mir,
mein Herz schwebt lautlos über Dir,
und ich sehe den Weg meiner neuen Reise,
in die mich der Wind wie eine Feder davonträgt.
(Melanie Gilhaus)
112
In unserer Kultur wird der Tod, der auch zu unserem Leben als Abschluss gehört, immer
mehr ausgeklammert. Man sucht nach ewiger Jugend, das Leben wird so gestaltet, als ob
es niemals enden würde. Spricht man vom Tod, dann in einer unnatürlichen Weise, so
als ob man eigentlich nicht darüber sprechen dürfte.
Für das Wort „Tod“ haben die Menschen Synonyme gefunden, um das Aussprechen
dieses Wortes zu umgehen, so als ob man ihn sonst herbeireden würde, teilweise auch
um die Angst vor dem Sterben ins Lächerliche abzurücken, um damit die Angst zu ver-
kleinern. (Beispiele: Den Sensenmann treffen, den Löffel abgeben, die Patschen aufstel-
len, das Holzpyjama anziehen usw.).
Der Tod wird immer als Feind gesehen, er ist der, der unserem Leben ein schreckliches
Ende setzt.
Was ist der Tod aber wirklich?
Ist ER es, der krank macht, oder ist es eine Krankheit, die weitere Lebensfunktionen
nicht mehr ermöglicht? Fügt ER derartige Verletzungen bei einem Unfall zu, die ein
Überleben unmöglich machen? Lässt ER altern oder die biologische Uhr?
Tatsache ist, dass der Tod dann ins Leben tritt, wenn das Dasein nicht mehr weiter ge-
führt werden kann, aber er ist nicht der, der die Ursache dafür ist. Er ist der, der bei ei-
nem nicht mehr möglichen Leben auffängt und je nach religiösem Glauben in das
„Nichts“ oder in ein „anderes Leben“, in eine „andere Welt“ begleitet.
Der Tod sollte daher nicht als Feind gesehen werden.
Denn eigentlich ist es DAS STERBEN, das Angst macht. Welche Angst löst das Sterben
aus? Wenn man die Menschen fragt, dann ist die häufigste Antwort, dass sie schnell und
ohne Schmerzen sterben wollen. Die Angst einen langen Leidensweg erdulden zu müs-
sen ist die größte Angst des Menschen.
Die heutige Medizin erlaubt aber weitgehend ein schmerzfreies Sterben. Ein schmerz-
freies Sterben ist oft mit hohen Opiatdosen verbunden, die einen normalen „Denkvor-
gang“ oder die „Selbstkontrolle“ nicht mehr zulassen. Es kann passieren, dass ein Ster-
bender unverständliche Laute oder ein lautes Stöhnen von sich gibt, oder unkontrollierte
113
Bewegungen ausführt, was den Angehörigen Angst macht und was ihnen das Gefühl
gibt, dass der Sterbende schreckliche Schmerzen ertragen muss.
In solchen Fällen tritt oft Panik bei den Angehörigen ein, sie haben Angst in der Nähe
des Sterbenden zu bleiben.
Ein Beispiel:
Ein älterer Patient lag im Sterben. Seine Angehörigen saßen rund um das Bett, weinten
heimlich, starrten den Sterbenden an und warteten darauf, was nun kommen würde.
Keiner der Angehörigen traute sich den Patienten anzufassen. Da fing der Sterbende
plötzlich laut zu stöhnen an. Die Angehörigen suchten nach einem Arzt, der ihm die
vermeintlichen Schmerzen nehmen sollte. Ich war gerade in der Nähe. Ich ging zum
Patienten, streichelte ihn, sprach leise auf ihn ein und er wurde wieder ruhig. Die Ange-
hörigen sahen, dass die Nähe dem Sterbenden gut tat und sie trauten sich endlich ihn zu
streicheln und mit ihm zu reden. Der Patient starb ruhig und kaum merklich.
Dieses Beispiel soll zeigen, dass in einer solchen angespannten und psychisch belasten-
den Situation, Angehörige oft vollkommen unnatürlich reagieren. Angst macht vor allem
die fehlende Erfahrung in einer solchen Situation, die dann überfordernd wirkt. Vorhan-
dene Erfahrungen sind meistens solche, die vom Hörensagen übernommen wurden oder
über die gelesen wurde, die aber keine eigenen Erfahrungen sind, auch sie machen eher
Angst als das sie beruhigend wirken.
Das soll aber nicht bedeuten, dass Angehörige nur mit einer Sterbebegleitung zurecht
kommen. Angehörige nehmen meist auf ihre ganz persönliche und familieneigene Weise
Abschied von Sterbenden und da sollte eigentlich kein „Fremder“ stören.
Eine psychologische Betreuung ist nur dann angebracht, wenn Angehörige in dieser
Situation überfordert sind und um seelische Traumata, die eine normale Trauerreaktion
erschweren, zu vermeiden.
114
Wann kann eine Überforderung eintreten?
• bei unerwartetem Sterben
• wenn der Sterbende durch die Krankheit (vor allem bei Gehirntumoren) in seiner
Persönlichkeit und in seinem Verhalten verändert ist
• wenn der Sterbende durch Medikamente in seinem Verhalten verändert ist
• wenn der Angehörige noch minderjährig ist
• wenn die Angst vor dem Tod auch schon in anderen Situationen stark war
• wenn die Angst vor dem Tod normale Reaktionen blockiert
Nicht immer gelingt eine Heilung. Manchmal werden Patienten als geheilt entlassen, die
zu Beginn eine schlechte Prognose hatten, andere Patienten wieder, die eine gute Prog-
nose haben, sterben an ihrer Erkrankung.
So sehr ich mir auch wünschen würde, dass eine Heilung immer gelingt, vor allem wenn
der Patient daran glaubt und sein Bestes gibt, so wurde noch kein Patentrezept zur siche-
ren Vorhersage der Heilung gefunden. Aber eines ist sicher: die Entspannung und das
Sammeln neuer innerer Kräfte verhilft zu einer wesentlich besseren Lebensqualität wäh-
rend der Zeit der Behandlung und auch danach, wenn eine Remission eintritt. Ist das
nicht möglich, so eröffnen sich gerade für die Sterbebegleitung durch das Verwenden
von Metaphern viele Wege, um dem Patienten das letzte Gespräch zu ermöglichen.
Patienten verwenden oft scheinbar unbewusst Metaphern während der ganzen Zeit ihrer
Erkrankung, man muss nur hinhören. Manchen Patienten fällt es schwer über das Ster-
ben zu sprechen, weil innerhalb der Familie darüber auf keinen Fall gesprochen werden
darf, das würde einer selbsterfüllenden Prophezeiung nahe kommen. Dabei wünschen
sich Schwerkranke einfach nur, dass man ihre Gedanken über das Sterben oder das Le-
ben nach dem Tode teilt, bzw. man ihren letzten Wunsch respektiert.
Oft erlebe ich, dass innerhalb der Familie diesen wichtigen „Sterbegesprächen“ ein Rie-
gel mit den Worten: „rede doch nicht so“, oder: „davon will ich nichts hören, du musst
gesund werden" oder ähnliches – vorgeschoben wird und der Patient gerade in seinem
vielleicht wichtigsten Moment seines „Lebens“ nichts sagen kann oder darf, er alleine
ist.
115
Ich spreche offen mit jedem Patienten über den Tod, wenn er es möchte. Die Diagnose
Krebs ist heutzutage noch immer mit dem Tod verbunden, auch wenn der Tod nicht
unmittelbar vor der Türe steht, aber Gedanken daran, was sein wird, wenn die Krankheit
nicht mehr aufzuhalten ist, sind immer da. An die Möglichkeit des Sterbens denkt man
oft gerade erst durch eine Erkrankung, sonst wird dieser letzte Lebensabschnitt eher
ausgeklammert, verdrängt, um nicht an die Endlichkeit des Lebens denken zu müssen.
An den Tod zu denken ist nichts Negatives, sondern etwas Eigen- und Fremdverantwort-
liches. Das ist nicht gleichbedeutend mit: „aufgeben“, „nicht kämpfen wollen“ usw.,
sondern das ist ein ziel- und handlungsorientiertes Denken. Das Ziel ist zwar gesund zu
werden, aber auch daran zu denken, was getan werden muss, wenn dieses Ziel nicht
erreicht werden kann und welche Handlungen notwendig werden, um die Hinterbliebe-
nen nicht in eine noch größere Trauer zu stürzen, ist für mich ein umsichtiges Denken
und Handeln, vor allem zu einem Zeitpunkt, in dem solche Maßnahmen überhaupt noch
möglich sind, solange sich der Patient noch mitteilen kann. Und über all diese Vorkeh-
rungen zu sprechen bedeutet nicht, dass sich dieser Patient als Todgeweihter sieht, oder
damit den Tod wie ein Magnet anzieht.
Er will auch über das sprechen, was ihn selbstverständlich beschäftigt und was auch mit
viel Angst besetzt sein kann. Die Angst bezieht sich fast immer weniger auf das Ende
eines Lebens, sondern auf die Art des Sterbens auf das „Wie“. Kein Mensch möchte
qualvoll mit Schmerzen sterben. Immer wieder werde ich gefragt, wie das Ende sein
wird.
Die moderne Medizin verspricht, dass kein Mensch unerträgliche Schmerzen erdulden
muss.
Trotzdem stöhnen einige Menschen, die sterben. Dieses Stöhnen verunsichert Angehöri-
ge und ich höre immer wieder die Frage, ob die Schmerzen unerträglich sind.
Natürlich befinde ich mich nicht in der Situation des Patienten und kann mir nicht anma-
ßen zu wissen, dass es ihm „gut“ geht, aber ich kann mir die Situation, die vor mir liegt,
genauer ansehen und die mögliche Ursache für diese „Unruhe“ des Patienten finden.
„Unruhe und Stöhnen“ ist nicht gleichzusetzen mit „Schmerzen zu haben“.
Fragt man Patienten, die eine zeitlang starke Schmerzmittel hatten und in dieser Zeit
verwirrt waren, stöhnten und unverständliche Dinge sagten, wie sie diese Zeit erlebten
116
und ob sie Schmerzen hatten, so kommt meist die Antwort, dass sie keine Schmerzen
hatten, aber sich auch eigentlich an nichts erinnern. Manche Patienten antworten, dass
sie wussten, dass sie Schmerzen haben müssten, es aber nicht so empfanden.
Fallbeispiel:
Ich war noch kein Jahr als Psychoonkologin tätig, als ich auf eine Station gerufen wurde,
in der ein bereits Sterbender (56 Jahre) eingeliefert wurde (mit der Hoffnung, dass noch
Wunder an unserer Klinik bewirkt würden) mit der Bitte, die Angehörigen zu beruhigen.
Der Patient atmete schwer, konnte nicht sprechen, schien unansprechbar, er gab nur
seufzende Laute von sich. Seine Frau, der Sohn mit seiner Freundin und die Tochter
waren nach und nach eingetroffen, um bei diesen Patienten die letzten Stunden seines
Lebens zu verbringen. Aber es wunderte mich nicht, dass der Patient seufzte, sich ver-
ständlich zu machen versuchte und ihn keiner von der Familie verstand. Die Angehöri-
gen hatten solche Angst vor dem Tod und damit Angst vor dem Patienten, so als ob der
Tod sie ebenfalls erfassen könnte, wenn sie nur in seine Nähe gerieten, dass sie sich eher
weit weg aufhielten, statt ihm nahe waren.
Ich ging an sein Bett und sah, dass seine Augen suchend umherschweiften. Er konnte
seine Familie hören, aber nicht sehen. Ich sagte zu dem Patienten, dass er keine Angst zu
haben brauche, es wären alle seiner Lieben da, sie würden sich auch bald zu ihm setzen.
Er nickte kaum merklich. Ich streichelte ihn, sprach beruhigend auf ihn ein. Er hörte auf
zu seufzen und begann ruhiger zu atmen.
Ich bat nun die Familiemitglieder näher ans Bett zu kommen, sagte jedem, dass er viel-
leicht noch etwas schönes diesem lieben Mann sagen möchte, und dass jetzt der Zeit-
punkt dazu wäre. Ich sagte der Familie, dass sie, wenn es ihnen möglich war, ganz nah
bei ihm bleiben sollten, dass ihm das gut täte. Sie fragten mich, ob das überhaupt erlaubt
wäre, ob man ihn angreifen dürfte, ohne ihm weh zu tun dabei. Ich versicherte der Fami-
lie, dass sie es schon merken würden, wenn der Patient seine Ruhe haben wollte. Ich
ging aus dem Zimmer, versprach aber bald wieder zu kommen, als ich die unsicheren
Blicke der Familie sah. Nach etwa einer halben Stunde schaute ich in das Zimmer.
Wäre es ein anderer Anlass gewesen, hätte man von einem idyllischen Bild sprechen
können.
117
Die Frau hatte den Kopf des Mannes in ihren Armen und streichelte ihn, die Tochter
hatte ihren Kopf in die Hand ihres sterbenden Vaters gelegt und der Sohn hielt zusam-
men mit seiner Freundin die andere Hand. Der Patient hatte einen zufriedenen Ge-
sichtsausdruck, atmete ruhig, er schien zu schlafen.
Ich verließ leise das Zimmer und ungefähr eine weitere halbe Stunde später, war der
Patient verstorben.
Etwa ein halbes Jahr später wurde ich für eine Entspannung zu einer stationären Patien-
tin in die orthopädische Abteilung gerufen. Als ich das Zimmer betrat, sah ich die Pati-
entin mit der ich arbeiten sollte, eine andere Patientin aber war in ihrem Bett hinter ei-
nem großen Blumenstrauß so verdeckt, dass ich das Gesicht nicht sehen konnte.
Ich begann mit meiner Patientin die Entspannungsart festzulegen. Ich hatte keine drei
Sätze gesprochen, als die Patientin hinter dem Blumenstrauß meinen Namen nannte und
fragte, ob ich sie noch erkenne. Ich trat ans Bett und sah die Frau dieses verstorbenen
Patienten. Sie hatte vor einigen Tagen eine Bandscheiben – OP gehabt. Sie hatte mich an
der Stimme erkannt. Sie sagte, dass sie meine Stimme nie vergessen würde, da ich so
sanft und beruhigend an jenem Tag mit allen gesprochen hätte. Sie würde auch nie ver-
gessen, dass ich ihnen allen geholfen hatte Abschied zu nehmen vom Mann, so dass
keiner das Gefühl hatte, dass dieser Mann gegangen war und wichtige Dinge nicht ge-
sagt wurden.
Das ist jener Moment, in dem wir Psychoonkologen unwahrscheinlich viel Kraft von den
Patienten oder Angehörigen zurückbekommen. Dies sei hier angemerkt, um jenen vielen
Fragen „wie hält man das Sterben der Menschen aus“ oder „dieser Beruf kostet zu viel
Kraft“ usw. eine Antwort zu geben. Man darf nicht nur sehen was man gibt, man muss
auch sehen, was man zurückbekommt. Auch wenn es oft zu einem viel späteren Zeit-
punkt geschieht!
Es kann aber auch genau das Gegenteil für einen sterbenden Patienten wichtig sein. Es
gibt Menschen, die alleine mit dem Leben abschließen wollen, die regelrecht auf den
Moment des Alleinseins mit dem Sterben warten.
118
Immer wieder erlebe ich dieses Entsetzen der Angehörigen, wenn der Patient in jenem
Augenblick diese Erde verlässt, wenn gerade niemand von der Familie bei ihm war.
„Wir haben uns immer abgewechselt, es war immer jemand da, ausgerechnet in diesem
Moment, wo dieser oder jener Angehörige das Zimmer für einen Augenblick verlassen
hat, da ist es passiert!“ Oft werden diese Sätze fast mit einem vorwurfsvollen Unterton
gegenüber jenem Angehörigen, der gerade die „Wache“ hatte, formuliert, was meist zu
Schulgefühlen bei diesem Angehörigen führt.
Dabei war das für diesen Patienten die einzige Chance sich „losgelassen“ zu fühlen, um
endlich diesen Schritt in die andere Welt gehen zu können.
Das „Loslassen“ spielt sowohl beim Patienten, als auch bei den Angehörigen immer
wieder eine Rolle. Daher sind Sterbegespräche so wichtig! Statt aus falscher Pietät sol-
che Gespräche zu meiden, die dem Patienten das Sterben nur erschweren, ist es besser
das unausweichliche „Sterben“ zu ermöglichen und diesen allerletzten Moment erträg-
lich zu machen, für alle Beteiligten.
119
ZUSAMMENFASSUNG MÖGLICHER BEWÄLTIGUNGSSTRATEGIEN
• Dem Patienten die Möglichkeit geben über das Sterben zu sprechen
• Wünsche des Sterbenden respektieren und erfüllen (wenn möglich)
• Loslassen können
• Sterberituale erleichtern die Situation (Angehörigen und Patienten diese Möglich-
keit geben)
• Unterstützung anbieten, wenn Probleme nicht alleine bewältigt werden
• Begleitung geben
• Nachbetreuung der Hinterbliebenen anbieten, wenn es nötig ist
120
ANWENDUNG VON ENTSPANNUNG
Fallbeispiel:
Ein sehr junger Patient (33 Jahre) war schon längere Zeit auf meiner Station zur Behand-
lung eines malignen Nierenlymphoms gewesen. Er hatte eine extrem aggressive Erkran-
kung, die mehrmaligen Chemotherapien brachten nicht den gewünschten Erfolg. An-
fangs war der Patient fast psychotisch vor Angst, aber er wuchs langsam in sein Schick-
sal hinein. Er liebte es, wenn ich mit ihm in Gedanken ans Meer reiste, denn dort hatte er
seinen letzten wunderbaren Urlaub verbracht. Er erzählte mir von seiner jungen Frau (30
Jahre) und seiner Tochter (15 Jahre alt). Seine Frau war seine große erste Liebe gewesen
und auch umgekehrt. Als sie schwanger wurde, konnten sie nicht heiraten, weil sie noch
minderjährig waren, es durfte auch niemand von der Schwangerschaft erfahren. Die
Mutter des Patienten wusste es aber und hat die beiden jungen Liebenden unterstützt und
ihnen geholfen. Sobald es möglich war, haben sie geheiratet. Er erzählte von seinen
anfänglichen Schwierigkeiten Geld für seine Familie zu verdienen, hatte es aber endlich
weit gebracht, so weit, dass er ein Haus bauen konnte und ein gut florierendes Geschäft
hatte. Sie führten ein herrliches Familienleben. Für ihn war der Gedanke unerträglich
seine junge Frau und die Tochter, die ihn doch noch brauchte, zurückzulassen. Seine
Gedankenreisen ans Meer halfen ihm, Stück für Stück von der Todesangst loszulassen.
Der Patient kehrte mit seinen Gedanken also immer an diesen Strand auf den Malediven
zurück. Da ich selbst noch nie dort war, ließ ich mir den Strand und die Umgebung von
ihm schildern.
Die Entspannung
Der Anfang wie immer, nur dass diesmal der Ort der Ruhe wegfiel, da ja der Strand der
„Ort der Ruhe“ war.
„In Gedanken stehst du auf und gehst nun von deinem Hotelzimmer hinunter zum Strand.
Die Sonne ist noch nicht aufgegangen, aber es wird wieder ein herrlicher Tag.---
Du gehst den blumengesäumten Weg hinunter zum Strand. -----
Die Blumen duften ---
121
an ihren Blättern hängen noch Wassertropfen, weil sie der Gärtner kurz zuvor gegossen
hat -------
Der Weg ist wie immer frisch gefegt ------
Das Meer ist zu hören, die Wellen, die ans Ufer kommen und gehen ----------
Der Weg mündet in einen fast weißen Sand, der von der Nacht noch angenehm kühl ist
und es tut den Füßen gut darauf zu gehen -----------
Der Strand ist noch leer und ruhig, nur da und dort eine Möwe, die einen Laut von sich
gibt und das Rauschen des Meeres ------------------
Der Sand wurde am frühen Morgen gesäubert und man kann die Spuren des Rechens
noch in feinen Linien sehen ------------------
da liegt eine Muschel, du hebst sie auf, spürst die glatte Innenfläche und die raue Außen-
fläche ------------
Schau, wie die perlmut Innenfläche im Morgenlicht schimmert, in allen Farben -------
wie ein Regenbogen----------
Mächtige Palmen stehen im Sand, --------
geben nach Sonnenaufgang Schatten, in dem man sich ausruhen kann ------------
Du hörst das Rauschen der Palmblätter, die wie große Wedel aussehen und die sich im
sanften Wind, der vom Meer kommt, leicht hin und her wiegen ----------
Du riechst das Meer ------------
dieser unvergleichliche Duft des Meeres ---------
und du spürst diese sanfte Meeresprise auf deiner Haut ---------------
diese wohlige Wärme, die dich sanft streichelnd umhüllt------
Du gehst weiter und du trittst unter den Palmen hervor und vor dir liegt nun plötzlich
dieses unendlich weite Meer, -----
unendlich weit und schön ----------------------------
Das Meer ist türkisfarben ------------
das Meer ist ruhig und die Wellen kommen sanft und ruhig ans Ufer ---------
kommen und gehen -------------
kommen und gehen -----
kommen und gehen ---------
ganz ruhig, wie der ruhige Pulsschlag des Meeres, so hört es sich an --------------
122
und du spürst wie sich in dir diese Ruhe ausbreitet ---------------
Du gehst näher ans Ufer und siehst das klare reine Wasser. -------
Jedes Sandkörnchen ist fast zu sehen ----------
ganz leicht bewegen sich die Sandkörnchen, wenn eine Welle zum Ufer kommt, dann
rollen sie zu dir und wenn die Welle ins Meer zurückgeht, dann rollen sie wieder von dir
weg -----------------
so ruhig und gleichmäßig sind sie in ihrer Bewegung --------------------
Du gehst mit deinen Füßen in dieses klare Wasser und es ist angenehm warm -------------
es hat eine Wärme, die dir gut tut ----------------------------
Und du hast auf einmal Lust, dich in dieses Wasser hineinzulegen ---------------------
Du liegst nun ganz am Ufer,
den Körper im wohligen Wasser
und den Kopf im weichen Sand, der sich wie ein angenehmes Kopfkissen anfühlt ----------
und du spürst wie dich dieser Boden hält,-----
stützt-----
und trägt,-----
so dass du dich ruhig fallen lassen kannst, es geschieht nichts dabei ----------------------
Und du spürst wie die Wellen deinen Körper sanft umspülen -------------
Du spürst wie mit jeder Welle dein Körper freier wird ---------
die Wellen nehmen alles vom Alltag mit ----------
nehmen alles mit und tragen es hinaus ins weite Meer--------
wo alles im Nichts verschwindet ---------
sich auflöst ---------
und du fühlst dich frei und leicht ------------
und da atmest du durch, --------
du atmest ganz langsam durch die Nase ein, hältst den Atem an, um dann langsam durch
den Mund wieder auszuatmen (3x) ---------------------
Und du spürst diese Ruhe in dir -------------------
diese herrliche Ruhe und diese Friedlichkeit --------------------
Die Sonne geht nun langsam am Horizont auf,-----
färbt den Himmel goldgelb -------------
123
Und da die ersten Sonnenstrahlen --------
sie sind noch wohlig warm, nicht heiß -----
du spürst die Sonne in deinem Gesicht und du spürst wie gut dir das tut ---------------
du spürst diese Ruhe und Wärme -------------
Ich lasse dich nun alleine -------------
genieße das Meer,-----
mache das was dir gefällt, ganz für dich ---
mit all deinen Sinnen
und genieße was du sehen—hören—riechen—schmecken und fühlen kannst ----
ich werde später zurückkommen -----------
spüre, wie schön es ist und genieße diese Augenblicke im Hier und im Jetzt, ganz für
dich --------- (längere Pause)
Ab diesem Moment kann man den Patienten auch alleine weiterträumen lassen, ohne ihn
zurückzuholen, wenn man das vorher abgesprochen hat, damit er die Entspannung so
lange wie er möchte fortsetzen kann. Allerdings muss bei den ersten Entspannungen
immer ein Rückholen stattfinden und eine positive Rückmeldung erfolgt sein, erst dann
kann man den Patienten in Zukunft die Entspannung alleine beenden lassen.)
Komm, gehen wir nun gemeinsam zum Hotel zurück----------
Du schaust zurück zum Meer, diese Weite und diese Freiheit----------
und diese Vitalität, die dir das Wasser mitgegeben hat ---------------
Du spürst die Sonne auf deiner Haut, diese Wärme, diese wunderbaren Energien der
Sonne ----------
auch diese nimmst du nun mit --------------
die Frische des Windes ------
Du kommst zu den Palmen ----
du berührst den Stamm dieses Baumes, du spürst seine Kraft, die dich begleiten wird ----
Du kommst zum Weg, der zum Hotel zurückführt ---------------
Du legst die Muschel wieder in den Sand und betrittst diesen Weg, ---------
124
an dem die Blumen nun durch die Wärme der Sonne ihren erfrischenden Duft verströ-
men --------------
Am Ende des Weges steht ein Tisch auf dem eine Schale mit deinen Lieblingsfrüchten
steht --------
du nimmst eine Frucht und du schmeckst dieses angenehme Aroma, das auf deiner Zun-
ge zergeht und deinen Gaumen und deinen Mund erfrischt -------------
Ganz langsam kehrst du nun in dein Hotelzimmer zurück und von dort in den Alltag------
-in den Alltag, in den du nun viele neue Kräfte mit hinein bringst ---------
innere Kräfte, mit deren Hilfe du diesen Tag wieder meistern wirst -----
so wie immer -----
und du kannst stolz auf dich sein ----------------
Ende wie immer (Augen öffnen usw.)
In dieser Art hatte ich mit dem Patienten zwei bis dreimal wöchentlich Entspannungs-
training gemacht. Er machte es oft auch alleine und er konnte wirklich entspannen und
neue Kräfte sammeln.
Der Patient verstarb alleine, etwa eine halbe Stunde nachdem er seiner Frau gesagt hatte,
dass sie nach Hause fahren solle.
Seine Frau konnte nicht verstehen, dass er alleine verstorben ist, dass er sie nach Hause
geschickt hatte. Ich erklärte ihr, dass er nur alleine sterben konnte, denn er hatte seine
Familie über alles geliebt, all diese Monate war jener Gedanke, seiner Familie mit der
Krankheit so viel Kummer bereiten zu müssen, der unerträglichste, wie sollte er es da
fertig bringen mit ansehen zu müssen, wie es seiner Familie geht, wenn er fortgehen
muss.
Die Familie hatte sich nach seinem Tod um ihn versammelt, jeder streichelte diesen von
der Krankheit gepeinigten Menschen und keiner schaffte den ersten Schritt zum endgül-
tigen Abschied. Irgendwann aber musste es sein. Mir war klar, dass dieser Familie ein
Abschiedsritual fehlte.
125
So bat ich alle Familienmitglieder sich an der Hand zu nehmen, damit ich ihnen etwas
sagen konnte, was der Patient immer wieder gesagt hatte und ihm das wichtigste war.
„Er war sehr stolz auf seine Familie und er hat sie innig geliebt, sie war ihm das Wich-
tigste und Schönste in seinem Leben. Besonders stolz war er darauf, dass seine Familie
zusammenhält und er sagte, bei uns kann sich einer auf den anderen verlassen, wir haben
alles Hand in Hand gemacht. Und so ist es für ihn der schönste Abschied, wenn er sehen
kann, dass ihr Hand in Hand auch ohne seinen Körper weitergehen könnt, seine Liebe
wird euch begleiten, ihr lasst ihn nicht zurück, er geht auch in euren Herzen mit, bei
jedem einzelnen!“
Sie konnten gemeinsam hinausgehen.
Die junge Frau stand noch lange mit mir im Briefkontakt, da sie weiter weg wohnte und
nicht zum Gespräch kommen konnte. Es geht ihr heute wieder gut, sie hat in ein neues
Leben zurückfinden können, was ihr zu Beginn unmöglich erschien.
Fallbeispiel:
Eine junge Patientin (32 Jahre) wurde nach einem Rezidiv (Gehirntumor) zu mir in die
Entspannungsgruppe überwiesen, um neben den verabreichten Antidepressiva eine wei-
tere Entlastung zu erfahren.
In der Gruppe mache ich prinzipiell das Entspannungstraining nach Jacobson (Progressi-
ve Muskelrelaxation), da ein Eingehen auf einzelne Entspannungstechniken oder Prob-
lembearbeitung in der Gruppe nicht möglich ist.
Die Entspannung beginne ich immer mit dem Aufsuchen des Ortes der Ruhe, dann
kommt die Entspannung nach Jacobson und am Schluss wie immer das Bewusstmachen
der eigenen Kräfte. Diese Patientin sprang gleich nach Ende der Entspannung auf und
lief durch den Raum. Ich hatte ihre Unruhe bereits bei dem Wachrufen der Energien
bemerkt, erschrak aber dennoch, als sie so plötzlich aufsprang.
Sie erklärte dann, dass sie so etwas noch nie erlebt hatte. Sie hatte zum ersten Mal in
ihrem Leben gespürt wie schön es war, einmal alles abzuladen und dann spürte sie die
Kräfte, die in ihrem Körper waren, so stark, dass sie nicht mehr ruhig sitzen konnte.
Diese Patientin kam ein halbes Jahr lang jede Woche zur Gruppenentspannung. Sie fühl-
te sich eigentlich gut, machte auch zu Hause Entspannung, aber die Krankheit schritt fort
126
und nahm ihr immer mehr an Mobilität. Als sie stationär aufgenommen wurde, etwa drei
Wochen vor ihrem Tod, besuchte ich sie mehrmals wöchentlich für die Entspannungs-
übungen. Ich merkte, wie sehr sie unter ihrer Immobilität litt und fragte sie, was sie
eigentlich im Moment am liebsten tun würde. Sie antwortete, dass sie das Skifahren
vermisst. „Auch wenn ihr Körper im Moment dazu nicht in der Lage ist, ihr Geist kann
Skifahren!“, antwortete ich. Und so begannen wir nun mit den „Gedankenreisen“. Sie
ging darin völlig auf. Jedes Mal wollte sie eine andere Gedankenreise machen. Einmal
wollte sie Skifahren, das andere Mal rodeln, Eislaufen, im Schnee spazieren gehen usw.
Die Krankheit zeichnete sie immer mehr und es war eine Frage der Zeit, wann sie ins
Koma fallen würde oder eine Atemlähmung eintreten könnte bzw. ein anderer letaler
Zustand.
Eines Tages bat sie mich, ob ich mit ihr Skispringen gehen könnte. Das wäre das einzige,
was sie sich noch nicht getraut hätte. Ich antwortete ihr, dass ich das auch noch nie ge-
macht hätte, ich mich aber bemühen wollte, den schönsten Sprung für sie vorzubereiten.
Mir war in diesem Moment bewusst, dass sie eigentlich von dem Sprung in ein anderes
Leben sprach, ein Sprung vor dem sie bisher Angst gehabt hatte, sie aber wusste, dass
nun die Zeit dazu war.
Ich kannte ihre Familiengeschichte, wusste, dass sie einen sechsjährigen Sohn hatte, von
dem sie sich am schwersten trennen konnte. Ansonsten hatte sie extrem realistisch ihren
Tod vorbereitet. Sie hatte sich selbst eine Grabstelle ausgesucht, alles arrangiert, sehr
zum Schock ihrer Mutter, die nicht über das Sterben sprechen konnte.
Diese Patientin hatte gelernt in Metaphern zu sprechen, um alles sagen zu können, was
sie bedrückte, in einer Art, in der sie niemanden verletzte, vor allem nicht ihr Kind oder
ihre Mutter.
Das Skispringen
Entspannungsbeginn wie immer, aber anstatt den Ort der Ruhe aufzusuchen, an den Ort
des Geschehens gehen.
„ Draußen wird es langsam hell.-----
Ein schöner Wintertag beginnt ----------
Der Schnee liegt weich und flauschig auf den Ästen eines romantischen Winterwaldes. -
127
Bald wird die Sonne aufgehen und die Schneekristalle wie kleine Diamanten aussehen
lassen, die in allen Farben schillern ----------
Es ist der richtige Tag, um Skispringen zu gehen ------------
Sie gehen nun mit ihren Skiern in Richtung Sprungschanze. -----
Sie sind warm angezogen, so dass die Kälte ihnen nichts anhaben kann -----------
die Skier sind leichter zu tragen als sie gedacht haben-------------
Sie gehen einen schmalen Weg am Waldrand entlang. -----
Die Äste der Bäume beugen sich mit diesen wunderschönen Schneekissen weiter herun-
ter als sonst -------------
wenn man anstreift, so fällt der lockere Schnee in tausend kleinen Kristallen lautlos zu
Boden, um sich dort im Muster des Schneeteppichs einzufügen -----------------------------
Der Schnee knirscht unter den Schuhsohlen ------------
es ist das typische Knirschen von Pulverschnee, der in der Kälte seine Form von unzäh-
ligen kleinen Schneeflocken behält, -----
sie sind nicht ineinander verschmolzen, sondern jede kleine Flocke ist für sich ein Teil
dieser Schneelandschaft------------------
und diese Ruhe und Stille-----
auch sie ist eine Eigenart des Winters, ----
der Schnee, der alle Geräusche dämpft --------------
Nur die eigenen Schritte sind zu hören -------------
Der Schnee trägt dennoch gut, man sinkt nicht ein ----------
das gehen ist nicht mühsam -----
weiter geht der Weg über eine Wiese ----------------
über eine Wiese, die im Sommer voller Blumen ist, die jetzt aber unter dem Schnee ruht,
um Kräfte zu sammeln, um später wieder voller Blumen sein zu können-------------------
Die Wiese lässt sich leicht überqueren und dort vorne kann man schon sehen wie die
Wiese in einem Hang ausläuft---------------
dort befindet sich die Sprungschanze.
Sie gehen darauf zu, sind dort angekommen --------------
die Sprungschanze ist gut präpariert, die Spuren, in denen die Skier von ganz alleine
geführt werden, sind klar und deutlich zu sehen -------------
128
sie können sich ganz sicher fühlen, denn es stimmt alles ------------
(alle Vorkehrungen wurden getroffen)
sie schnallen sich die Skier an, -------
legen die Winterkleidung ab-----
und da stehen sie nun strahlend schön in ihrem glatten, anliegendem Sprunganzug, der
silbern glitzert,-----
sie dennoch warm hält und der sie sicher durch die Luft tragen wird, weil kein Wind-
hauch sich in irgendeiner Falte darin verfangen kann, -----
sie einen klaren geraden Flug wagen können --------
sie atmen tief durch --------------
sie wenden nun die Skier auf die Sprungschanze zu –
sie spüren wie sich in ihnen Kräfte sammeln, ungeahnte Kräfte ----------------
Und sie fahren los,
sie spüren wie die Skier sicher in der Spur liegen,------
sie spüren wie sie nun der Fahrtwind erfrischt ---------
sie erreichen das Ende der Flugbahn und -------
sie spüren wie sie die Luft trägt, sie sich sicher fühlen können ----------
sie spüren den Wind im Gesicht, der sie kühlt, aber der ganz und gar nicht kalt ist -------
sie fliegen ------
sie fliegen -------------------
sie fliegen so schön und gerade --------------
in diesem Moment geht die Sonne auf ------
die Sonne taucht die Landschaft in ein unwahrscheinlich schönes Licht -------------
Sie sehen auf einmal ihre Familie am Anfang der Sprungschanze stehen und alle sind
stolz, wie schön und leicht sie fliegen ----------------
(Familie ist stolz auf sie wie sie die Krankheit, das Sterben erträgt und damit umgeht)
sie sehen einen kurzen Augenblick lang wie ihr Sohn ihnen zuwinkt, ---
sie hören wie ihre Mutter ruft „keine Angst, flieg nur, ich passe auf dein Kind auf, fliege
nur, auch das kannst du, ich bin stolz auf dich!“ -----
129
(Erlaubnis der Mutter loslassen zu dürfen / das Kind in guten Händen wissen / Mutter
gibt Wertschätzung und damit Dankbarkeit und das Gefühl gute Erinnerungen zu hinter-
lassen)
und sie schauen wieder nach vorn und sie sehen die Sonne vor sich -----
wunderschön,-----
warm --------
-und wohlig ---------
(wenn man die Liebe und die Geborgenheit in der Familie verlässt, keine Angst haben
müssen in eine Kälte hinein zu springen)
im ersten Moment sind sie von diesem Licht geblendet ----
aber dann sehen sie die wunderschöne Wiese, die vor ihnen liegt, ------------
es ist eine Wiese, die zwar weiß und rein vom Schnee vor ihnen liegt, aber sie können die
tausend und abertausend Blüten, die darunter liegen sehen und riechen, sie können
hindurchsehen, als ob es den Schnee überhaupt nicht geben würde ----------------
und sie sehen bunte Schmetterlinge, die leicht und unbeschwert über diese Wiese hin-
wegschweben ---------------
sie hören ein Vogelgezwitscher so voller Lebensfreude -----
und sie wissen, dass sie dort landen wollen in dieser Welt voller schöner Dinge ----------
-und sie landen weich und sanft auf diesem transparenten Schnee,---------
so weich, so sanft -------------
ganz weich und sanft, -----------
ohne Mühe -------------------
sie spüren, wie dieser Boden sie hält,---------
trägt--------
und stützt ---------------------------------------
und sie spüren diese Wärme des Bodens,---------
diese wohlige angenehme Wärme --------------------
sie riechen einen Blütenduft, der sie fast berauscht --------------
und sie schauen sich um und sehen, dass sie mitten in dieser herrlichen Blumenwiese
voller Leben gelandet sind -----
ganz leicht und sanft ---------------
130
schauen sie sich nur weiter um,-------
sie entdecken so viele schöne Dinge, ---------
Dinge, die ihnen zeigen, dass sie hier willkommen sind ----------------------------
in einer Landschaft, die erst durch sie vollkommen ist. --------
Entdecken sie wie schön alles ist, ganz für sich ---------------------------------
(neue Umgebung mit vertrauten Dingen umgeben, willkommen sein)
An dieser Stelle ließ ich die Patientin alleine, wie sie es sich vorher gewünscht hatte. Sie
kannte mich, ich kannte sie, wir wussten beide, dass sie alleine sein konnte, es auch
brauchte, um loslassen zu können. Sie hatte nun ein unwahrscheinlich entspanntes Ge-
sicht, an dem die letzten Tränen noch nicht getrocknet waren, aber in dem auch ein fast
unmerkliches Lächeln zu sehen war. Obwohl ich zu Beginn der Entspannung fast Angst
hatte, dass sie diesen „Abschied“ nicht verkraftet, wusste ich nun, dass ich sie alleine
lassen konnte.
Etwas später schaute ich noch einmal bei ihr vorbei. Ihre Mutter war zu Besuch gekom-
men und ich fragte nur, ob alles in Ordnung sei. Sie sagte „Ja, machen sie sich keine
Gedanken, es ist alles bestens!“
Das war an einem Freitag. Als ich am Montag wieder in die Klinik kam, sagte man mir,
dass diese Patientin am Samstag in der Früh um 8.15 Uhr relativ sanft entschlafen sei.
Einige Tage später merkte ich, dass etwa um diese Zeit (es war Winter) die Sonne auf-
geht.
Fallbeispiel für die Betreuung einer Angehörigen nach dem Tod ihrer Tochter
Eine Frau kam ein halbes Jahr nach dem erschütternden Tod ihrer Tochter zu mir mit
den Worten: „Ich habe keine Kraft um weiterzuleben!“ Ihre Tochter war mit 24 Jahren
an Leukämie gestorben.
Die Frau war geschieden, der Exmann kümmerte sich kaum um sie, auch sonst hatte sie
kein großes soziales Netz, nur einige Arbeitskollegen die über den Tod ihrer Tochter
Bescheid wussten.
Das einzige, was ihr noch einwenig Freude im Leben bereitete waren ausgedehnte Spa-
ziergänge durch die Natur, durch wilde „ungezähmte“ Natur. Gepflegte Parks oder Wäl-
131
der mit gut angelegten Wegen gaben ihr im Moment nicht das, was sie von früher ge-
wohnt war, als sie noch mit ihrer Tochter die Natur bewundern konnte.
Diese Aussage von der wilden Natur war eine wunderbare Metapher. Diese Metapher
spiegelte ihr Innerstes wider. Ungezähmte Trauer wäre für sie gut gewesen, aber sie
konnte sie nicht ausleben, da man von ihr Disziplin erwartete. Disziplin bei der Arbeit
ihre einzige Struktur im Tagesablauf, an die sie sich halten konnte. Man spürte ihr inne-
res Gefühlschaos, auch ihre Zweifel am Sinn eines Weiterlebens.
Nachdem wir über die neue Sinnsuche ihres weiteren Lebens gesprochen hatten, sie als
einzigen Sinn das Ordnen der Zeichnungen und Skulpturen, die ihre Tochter angefertigt
hatte sah, ihr aber die Kraft dazu fehlte, gingen wir zum „Kraftaufbau“ über.
Das Saatkorn der Kraft
Anfang wie immer (Entspannungshaltung, Aufsuchen eines Ortes der Ruhe)
„Von ihrem Ort der Ruhe führt ein Weg in eine Heide---------------
der Weg ist kaum zu erkennen, denn er führt durch wildes Gestrüpp---------------
hohe trockene Gräser säumen diesen Weg---------------
kleine Stauden sind durch unachtsame Schritte umgeknickt ---------------
vielleicht hat auch Niederwild die Beeren von den Stauden gefressen ------------
es ist alles eher kahl -------------
und kaum eine Blume zu sehen ---------------
viele alte Wurzeln liegen hier-----------------
aber dennoch ist dieser Weg eigenartig -----------------
denn er verlockt zum Weitergehen ------------------
es kommen einige vertrocknete Hecken dort vorne ins Blickfeld -------------
wie es wohl dahinter aussehen mag? --------------------
ob die Natur dahinter auch so karg ist? --------------------
Der Weg zu den Hecken ist etwas mühsam, denn immer wieder bleibt man an dem Ge-
strüpp und den kleinen Dornen hängen ----------------------
Endlich erreichen sie aber diese Hecken , weil sie sich nicht beirren lassen und tapfer
weitergehen -----------------
Und sie werfen einen Blick dahinter ------------------
132
Im ersten Moment ist nicht viel zu sehen --------------------
Sie bahnen sich einen Weg durch die Hecken, müssen die Augen kurz schließen, um die
Äste nicht in die Augen zu bekommen ----------------
Sie gehen hindurch -------
Und als sie die Augen öffnen, da liegt eine wunderbare unendlich weite, blumenübersäte
Heide vor ihnen-------
Erika in allen Farben --------------------
Kleine Moospflanzen, die wie weiche Kissen aussehen --------------------
Wurzeln, die wie kleine tanzende Figuren aus den Pflanzen herausragen -------------------
Und dieser Duft -----------------------
Es duftet nach allem möglichen------
Nach Blüten------------
Nach Moos--------------------
Nach Erde-----------------------
Unsagbar schön---------------------
Und sie haben das Gefühl sich hier hinsetzen zu müssen, um diese Natur zu bestaunen ---
Sie setzen sich auf einen Baumstumpf------------------
Rundherum ist weiches Moos-------------
Tausend kleine Blüten von den Erika --------------------
Sie schauen über diese weite Heide, die so duftet -----------------
Kleine Bienen summen über den Blüten ---------------
Sie sammeln eifrig den Nektar, um Honig daraus zu machen -----------------
Da und dort ein Schmetterling, der leichten Flügelschlags von Blüte zu Blüte gaukelt ----
Nur in der Ferne sind einige Bäume zu erkennen, sonst ist alles weit und frei---------------
Sie haben plötzlich Lust sich in dieses weiche Moos zu legen -----------------
Ja, das tut gut -----------------
Weich und wohlig ist ihr Körper auf diese Unterlage gebettet -----------------
Sie sehen nun über sich den blauen Himmel ---------------------
Nur eine kleine weiße Wolke ist dort ------------------
Sie schauen der Wolke zu, wie sie sich in diesem leichten Windhauch entfernt, ---------
ein sanfter Windhauch, der den Duft der Blüten zu ihnen bringt,-----
133
sie erfrischt ----------
und die Wolke löst sich nun langsam auf -----------------------
der Alltag löst sich ebenso auf ----------------
übrig bleibt ein Himmel, so klar, so rein ----------------------
und der Himmel ist so blau, ------------
so schön ------------------
es ist ein blau, das unwahrscheinliche Ruhe vermittelt ----------------
sie fühlen sich in ein ruhendes schönes blau getaucht ----------------------
und sie liegen auf diesem weichen, wärmenden Moos, ---------------------
sie spüren wie sie der Boden hält ----------------
stützt ---------------------
trägt--------------------------
lassen sie sich los --------------------
erlauben sie sich loszulassen --------------------
loslassen, um diese Ruhe hier voll aufnehmen zu können ------------------
loslassen, um Platz für neue Kräfte zu schaffen-----------------
erlauben sie sich diesen Augenblick --------------------------
erlauben sie sich einmal ganz frei zu sein -------------------
spüren sie wie gut das tut ------------------------
(ca. 1 Minute Pause)
Und nun spüren sie die Sonnenstrahlen auf ihrem Körper ------------------
Sanfte Sonnenstrahlen, die ihnen so gut tun ----------------------
Und mit diesen Strahlen erwacht in ihrem Körper eine neue Energie ----------
Es fühlt sich an, als ob in ihrem Inneren ein Samenkorn aufgeht -------------------
Ein Samenkorn, das zu einer wunderschönen kräftigen Blume gehören muss --------------
Und sie spüren, wie dieses Samenkorn wächst ---------------
Sie mit Kraft erfüllt -----------------
Nun hat es zwei kleine zarte Blätter ----------------------
Es werden immer mehr Blätter------------
Sie werden immer kräftiger ------------------
Und da ist die erste Blütenknospe ------------------------
134
Eine Blütenknospe die neugierig macht, welche Farbe sie wohl haben wird ---------------
Und da geht sie auf --------------------
Es ist ihre Lieblingsfarbe -----------------
Und dieser herrliche Duft ---------------------
Diese Schönheit ----------------------
Und es werden mehr Blüten -------------------
Immer mehr ------------------------
Und sie hören auf einmal diese Blüten flüstern ---------
Hier ist es schön ---------------
Hier ist so viel Liebe ------------------------
Hier wollen wir wachsen ---------------------
Hier können wir endlich unsere Schönheit und Kraft entfalten ------------------
Und sie spüren wie die Kraft dieser Blume in ihren Körper strömt------------
Angenehm und wohltuend -------------------
Die Kraft strömt weiter -------------------
Drängt alles hinaus, was das Wachstum stören könnte ---------------------------
Erlauben sie dieser Blume zu wachsen---------------------
Zu gedeihen --------------------------------
Und spüren sie wie schön es ist, dieses Wachsen zu spüren ----------------------------
Spüren sie wie schön es ist, diesen Kräften Raum zu geben, --------------------
Diesen Kräften, die sie mit einem angenehmen und wohltuenden Gefühl erfüllen --------
Und diese wundersame Blume gibt ihnen Kraft-------------------
Fühlt sich bei ihnen wohl -------------------------------
In ihrer Wärme--------------------------
In ihrer Liebe ------------------------------
Es ist so viel Liebe in ihnen, dass diese Blume nirgendwo anders wachsen möchte --------
Hier fühlt sie sich zu Hause ---------------------------------
Sie möchte an ihrem Leben teilhaben ----------------------------
Alles, was ihnen wichtig ist mit ihnen teilen ------------------------
Schatten sein, wenn es sie zu verbrennen droht ---------------------
Ihnen Licht sein, wenn es dunkel ist ------------------------
135
Möchte alles für sie sein, um ihre Liebe zu erwidern ---------------------------
(kleine Pause)
Und diese wundersame Blume, die aus der Saat der Kraft in ihnen gewachsen ist---
Möchte sie ein Leben lang begleiten ---------------
Ihnen helfen wieder Dinge zu tun, die ihnen wichtig sind --------------------
(kleine Pause)
Und diese wunderbare Blume begleitet sie nun zurück in ihr Leben --------------
Keine Angst, sie wird da sein, wenn sie an sie glauben ----------------------
(Rückführung in den Alltag)
Diese Mutter hatte Tränen auf ihren Wangen, aber auch ein Lächeln.
Sie meinte, dass sie weiterleben musste, um die schönen Kunstwerke ihrer Tochter zu
ordnen, darin würde sie selbst weiterleben können und an ihre Tochter jene Erinnerung
bewahren, die ihrer würdig war. Sie fühlte sich nun kräftig genug, um diese Dinge zu
tun.
Zum Abschluss meinte sie: „Und wenn ich traurig bin, dann denke ich an meine Blume,
die immer in mir einen Platz haben wird, ich werde sie pflegen!“
Leider habe ich nichts mehr von dieser Mutter gehört, es hätte mich interessiert, ob sie
alles ordnen konnte. Aber ich denke, sie konnte es.
136
KAPITEL 8 WANN BIN ICH ENDLICH WIEDER GESUND?
137
MUTTER ERDE
Ein neuer warmer Tag hat begonnen, zahlreiche Knospen versprühen ihren lieblichen Duft.
Die Natur hat über Nacht an Kraft gewonnen. In allen Schattierungen spiegelt sie sich wider,
und eine Palette von Farbimpressionen lässt sich auf den Augen nieder.
Klar und unnahbar erstreckt sich der Horizont, hinter den Berggipfeln steigt die Sonne empor,
und in der Ferne erlischt der blasse Mond. Das Kreischen von Krähen hallt durchs Tal,
Nebelschwaden erheben sich vom feuchten Boden, und Tautropfen glänzen nun im warmen Sonnenstrahl.
Der Tag ist zu neuem Leben erwacht!
(Melanie Gilhaus)
138
Diese Frage „Wann bin ich endlich wieder gesund?“ steht im Vordergrund. Ebenso die
Frage „werde ich überhaupt gesund?“
Es gibt generell keine Regel, nach der man sagen könnte, dass man hundertprozentig
gesund ist, genauso wenig wie man sagen kann, ob eine Heilung hundertprozentig mög-
lich ist. Es gibt viele statistische Daten, die eine bestimmte Prognose ergeben. Es handelt
sich aber immer um Durchschnittswerte. Das heißt, dass bei einem Menschen eine Hei-
lung zu Hundertprozent gelingen kann, obwohl der Durchschnitt vielleicht nur bei drei-
ßig Prozent liegt. Es sollten also keine statistischen Daten sein, die zu einer Beurteilung
führen. Es sollte nie vergessen werden, dass nicht der ganze Körper krank ist, sondern
nur ein Teilbereich, der zwar den gesamten Organismus stark beeinflussen kann, aber die
gesunden Anteile dürfen darüber nicht außer Acht gelassen werden. Es gilt die kranken
Anteile zu eliminieren und die gesunden zu stärken. Dazu sind Behandlungen nötig, die
dem Körper oft ein Schwächegefühl und Mattigkeit einbringen. Das macht manchmal
Angst, denn man ist ja schließlich gewohnt, dass es einem nach einer medizinischen
Behandlung besser geht und nicht schlechter.
Manche Patienten setzen diese neue Erfahrung mit dem üblichen Muster gleich und das
Ergebnis ist die scheinbare Gewissheit, dass es nun weiter bergab geht, denn der Patient
fühlt sich schlechter als vorher, statt besser wie gewohnt. Auch wenn die Behandlungen
heute bei weitem nicht mehr so massiv wie früher sind, so sind sie doch anstrengend und
es kann je nach Behandlungsdauer und Stärke der Erkrankung mehrere Monate dauern,
bis das Gefühl einer Besserung eintritt. Denn eine sofortige Besserung tritt meist nur
dann ein, wenn der Tumor auf schmerzempfindliche Organe oder Nervenbahnen drückt,
der durch die Behandlung zum Stillstand kommt oder auch kleiner wird und dadurch die
Schmerzen gelindert werden können.
Ein weiterer Punkt, der Unsicherheiten hervorrufen kann, sind die Kontrolluntersuchun-
gen. Manche Patienten zweifeln an der Genesung, da sie laufend zu den Kontrollunter-
suchungen bestellt werden, andere wiederum haben Angst, dass die Untersuchungsab-
stände zu kurz sind, um eine Wiedererkrankung auszuschließen. Die Untersuchungsab-
stände sind aber so ausgelegt, dass die Kontrollen sinnvoll sind. Natürlich stellen die
Kontrolluntersuchungen eine psychische Belastung dar. Mit der Krankheit kann nicht so
139
richtig abschlossen werden, solange immer wieder die Erinnerung daran wachgehalten
wird. Aber eines ist sicher, der Krebspatient ist einer der am besten kontrollierten Patien-
ten, eine Wieder- oder Neuerkrankung wird meist früher festgestellt als bei anderen
Menschen. Das ist zwar kein Trost, aber zumindest ein Risikofaktor weniger.
Die Kontrolluntersuchungen
Sie dienen folgenden Zwecken:
• Der Überwachung einer kurativen Behandlung, um ein Neuauftreten des Tumors
(Rezidiv) rechtzeitig zu erkennen und eine erfolgreiche Behandlung einzuleiten
• Beobachtung der nichtkurativ behandelten Erkrankungen in bezug auf ihr malignes
Verhalten, z.B. Metastasierung während einer stattfindenden palliativen Maßnahme,
um hier wenn nötig, eine Therapieumstellung vornehmen zu können
• Das rechtzeitige Erkennen von Therapiebehandlungsschäden, um sofort geeignete
Gegenmaßnahmen einleiten zu können
Welche Untersuchungen sind notwendig
• Zwischenanamnesen
• gründliche körperliche Untersuchungen
• Laboruntersuchungen wie: Blutbild, alkalische Phosphatase, Gamma-Gt und LDH,
Tumormarker (je nach Art der Erkrankung)
• technische Untersuchungen wie: Endoskopie, Computertomographie, Kernspinto-
mographie, Szintigraphie (je nach Art der Erkrankung)
Die Nachsorgeuntersuchungen werden überwiegend in Zusammenarbeit zwischen den
therapieführenden Kliniken, den niedergelassenen Fachärzten und den Hausärzten
durchgeführt.
Die Nachsorgeuntersuchungen sind im Bezug auf ihren Umfang auf ein vernünftiges und
notwendiges Maß reduziert, das jedoch ausreichend ist, bei kurativ behandelten Krebspa-
tienten frühzeitig Lokalregionäre- oder Fernrezidive zu erkennen. Hierbei werden stan-
dardisierte Nachsorgeprogramme angewandt.
140
Bei nichtkurativ behandelten Patienten, d.h. bei Patienten, bei denen palliative Maßnah-
men durchgeführt wurden oder werden, bei denen also kurative Maßnahmen nicht mög-
lich sind, wird die Nachsorge der individuellen Situation des jeweiligen Tumorpatienten
angepasst.
Dank der Möglichkeiten einer frühen Diagnosestellung durch inzwischen modernste
Untersuchungstechniken sowie aufgrund der heute auf dem neuesten Wissensstand ba-
sierenden therapeutischen Maßnahmen (Operation, Strahlen-, Chemo-, Hormon-, Im-
muntherapie) ist in vielen Fällen eine kurative Behandlung realisierbar.
In anderen Fällen führen kombiniert angewandte Behandlungsmethoden in der Regel zu
besseren oft langanhaltenden Therapieerfolgen mit weniger Rezidiven und besseren
Lebensbedingungen. Nicht nur die Tumorvorsorge, sondern auch die Tumornachsorge
spielt dabei eine entscheidende Rolle.
Die psychologische Unterstützung des Patienten während und nach seiner Erkrankung
gewinnt immer stärker an Bedeutung. Sowohl die Ärzte, als auch das Pflegepersonal,
sind bemüht dem Patienten diese Unterstützung auch zu geben. Aber nicht immer ist es
möglich auf besondere Umstände, die bei jedem Patienten individuell auftreten können,
einzugehen, das würde den Zeitrahmen, der dem Arzt oder dem Pflegepersonal zur Ver-
fügung steht, sprengen.
Um die psychische Unterstützung dennoch zu gewährleisten, sind Ärzte und das Pflege-
personal bemüht, dem Patienten diese Unterstützung durch Psychoonkologen zukommen
zu lassen.
Wichtig ist auch eine angemessene Rehabilitationszeit nach der Erkrankung und deren
Behandlung. Leider gibt es in Österreich nur wenige Rehabilitationszentren, die für eine
spezielle Krebsnachsorge ausgerüstet sind und deren Leistungen von den gängigen
Krankenkassen getragen werden. In jedem Fall sollte der behandelnde Arzt gefragt wer-
den, welche Rehabilitationsmaßnahmen sinnvoll sind. Anschließend sollte bei der zu-
ständigen Krankenkasse die Information eingeholt werden, welche Leistungen sie trägt
und welche nicht, um sich auf anfallende Kosten einstellen und um eventuell nötige
Zuschüsse ansuchen zu können.
141
Da die „Amtsmühlen“ oft langsam mahlen, ist es ratsam, sich rechtzeitig darum zu
kümmern.
Es gibt Krankheitsverläufe, die eine vollkommene Heilung nicht gewährleisten, aber die
einen angemessenen Lebenszeitraum bei relativ guter Lebensqualität einräumen. Die
Antwort auf die Frage „wann werde ich endlich wieder gesund“ hängt also von der Art
der Erkrankung und deren möglichen Heilung ab. Ist eine Heilung nicht möglich, aber
eine Lebensverlängerung, dann sollte diese Zeit nicht in Angst angenommen werden
können, sondern es sollte eine kostbare Zeit mit Lebensqualität werden. Das ist leicht
gesagt, werden Sie nun denken! Dieser Rat kommt aber von jenen Patienten, die diese
Situation erlebten. Sie beschrieben diese Zeit als die wertvollste in ihrem Leben. Einige
Patienten sagten sogar, dass sie dankbar für diesen Zeitraum waren, da sie Gelegenheit
hatten Dinge zu erledigen, die ihnen wichtig waren und sie bewusst Abschied nehmen
konnten, sie nun das Leben loslassen konnten, was anderen Menschen, die diese Zeit
nicht hatten, vorenthalten blieb.
ZUSAMMENFASSUNG MÖGLICHER BEWÄLTIGUNGSSTRATEGIEN BEI DER NACHSORGE
• Unsicherheiten über den Krankheits-Genesungsverlauf durch Gespräche mit dem
behandelnden Arzt ausräumen
• Den Stand der Krankheit realistisch betrachten und sich damit auseinandersetzen
• Kontrolluntersuchungen als Sicherheitsfaktor und nicht als Risikofaktor sehen
• Angstaufbau vor den Untersuchungen und zwischendurch vermeiden
• Entspannungstechniken einsetzen
142
• Den Alltag in kleinen Schritten wieder aufnehmen
• Angemessene körperliche Arbeiten verrichten
• Psychoonkologische Hilfen annehmen, wenn die psychischen Belastungen zu groß
sind
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ANWENDUNG DER ENTSPANNUNG
Einer der schönsten Momente bei meiner Arbeit sind jene, in denen ich erfahre, dass der
Patient in Remission ist (=keine Tumoranzeichen erkennbar sind).
Prinzipiell gehe ich immer davon aus, dass die Heilung anhält, auch wenn statistische
Daten dagegen sprechen. Wenn ich selbst nicht an eine Heilung glauben könnte, dann
wäre ich die falsche Person für diese Patienten, die Hoffnung und Glauben brauchen.
Damit meine ich aber nicht, dass ich im gegenteiligen Fall die Augen verschließe.
Jene Patienten, die als geheilt entlassen werden, sind im Moment glücklich. Ängste tre-
ten dann auf, wenn die Befunde der Kontrolluntersuchung länger auf sich warten lassen,
wenn die Kräfte nicht in dem Ausmaß zurückkehren wie sie vor der Erkrankung waren,
wenn während der Erkrankung viele Komplikationen zu verzeichnen waren oder wenn
vieles verdrängt wurde.
Leider kommt nur ein Bruchteil von jenen zur ambulanten Betreuung, die eine Nachsor-
ge bräuchten.
Nicht in allen Orten gibt es Psychoonkologen, an die man die Patienten überweisen
könnte, nicht immer sind die Verkehrsverbindungen so günstig, dass eine weitere
Betreuung in der Klinik möglich ist, und selten kann sich der Patient eine Rehabilitation
leisten, die oft nur im Ausland zu finden ist und daher nicht immer von den Krankenkas-
sen finanziert wird. Dabei könnten so viele nachträgliche Belastungen verhindert wer-
den, ebenso eine fehlende Lebensqualität.
Patienten, die Hilfe brauchen, finden aber dennoch oft einen Weg zu ihrem vertrauten
Psychoonkologen.
Fast immer gibt es bereits durch den Klinikaufenthalt eine Basis. Manchmal melden sich
Patienten erst nach 2 Jahren oder länger, wenn sie merken, dass die „Psyche“ leidet. Es
kann sein, dass Alpträume den Patienten verfolgen, es kann sein, dass die Angst vor
einer Wiedererkrankung nicht abstellbar ist, es kann sein, dass sie zum „Hypochonder“
geworden sind, weil sie jeden Schmerz mit einer Krebserkrankung verbinden. In allen
Fällen ist aber immer eine anhaltende Remission bestätigt worden und man könnte mei-
nen, dass nun der Weg in den normalen Alltag begehbar ist.
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Freunde und Angehörige haben oft nicht mehr den Nerv sich anzuhören, dass noch im-
mer ein Zweifel an der Genesung vorhanden ist und „ewig“ der Gedanke an „ich bin
wieder krank“ gegenwärtig ist.
Wenn man bedenkt, dass diese Menschen in ihrem Urvertrauen erschüttert worden sind,
dann ist diese Reaktion verständlich. Diese Menschen bräuchten eine ständige Versiche-
rung, dass sie für die nächsten zwanzig Jahre gesund sind, die ihnen aber niemand geben
kann. Das Selbstvertrauen gibt es nicht mehr, das einst vielleicht noch in Ordnung war.
Solchen Patienten muss Selbstvertrauen erst wieder gelehrt werden, das ihnen zwar
keine Lebensgarantie für die nächsten Jahre geben kann, aber zumindest jene Lebens-
qualität, die nötig ist, um ihr Leben erleben zu können.
Fallbeispiel
Seit zwei Jahren kommt ein Patient (65 Jahre alt) mit seiner Frau regelmäßig alle 14
Tage zur Entspannung. Er hatte vor 18 Jahren einen Gehirntumor, der aber irgendwann
nicht mehr weiter wuchs, sondern eher stagnierte. Der Patient ist sehr gebildet und intel-
ligent, aber der Tumor hat doch einige Gehirnareale zerstört, was sich teilweise in einem
recht kindlichen Verhalten darstellt, gepaart mit frühsenilem Verhalten. Zusätzlich hat er
eine Makuladegeneration, durch die er fast ganz erblindet ist.
Aufgrund der Untersuchungen per Computertomographie konnte ein jährliches Wachs-
tum von so geringem Umfang festgestellt werden, dass man eigentlich nicht mehr von
einer progressiven Erkrankung sprechen kann. Der Patient wurde von einer Kollegin zu
mir zur Entspannung überwiesen, um seine Ängste zu reduzieren.
Die Ehefrau des Patienten kommt immer zu den Entspannungseinheiten mit, da sie
inzwischen durch die extreme Belastung zu Depressionen neigt.
Wir begannen vor ca. 2 Jahren mit den ersten Entspannungsübungen, die ihm sehr hal-
fen. Eines Tages bat er mich, ob ich nicht die Entspannung nach Simenton anwenden
könnte, er würde diese Visualisierungsmethode gerne lernen. Ich selbst wende aber aus
persönlichen Gründen diese Art der Visualisierung nicht in der ursprünglichen Form an.
Ich besprach mit ihm wie er sich sein Immunsystem symbolisch vorstellt. Seine Symbole
waren „Wächter“ und „Soldaten“.
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Ich schlug ihm ein sogenanntes „Entspannungs-Potpourri“ vor, das mehrere Entspan-
nungstechniken beinhaltet, auch die Visualisierung. Seit diesem Zeitpunkt möchte er nur
noch diese Entspannung machen, er meint, dass das genau die richtige für ihn ist.
Entspannungs-Potpourri:
Die Erholung für den Körper:
Arme, Schultern und Rücken werden wie beim Jacobson - Training entspannt. Das Ge-
sicht wie beim Autogenen – Training. Dann kommt die dreimalige Atemübung und
Bauch, Gesäß, Becken und Beine werden wieder wie beim Autogenen – Training ent-
spannt.
Anschließend kommt die Erholung für den Geist:
Ein kleiner Spaziergang an einen Bergsee, ans Meer oder in den Wald, je nachdem wozu
der Patient an dem Tag gerade Lust hat.
Zum Schluss kommt die Visualisierungstechnik:
„......... und nun ist durch diese Ruhe Platz in ihrem Körper für neue Kräfte ----------
diese Kräfte stärken ihr Immunsystem --------------------------
ihre natürlichen Killerzellen und Helferzellen sind nun so frisch und stark, dass ihnen
nichts entgehen kann -----------------------------
sie sind auf ihren Wachposten -----------------------
andere patrouillieren durch ihren Körper --------------------
durchkämmen alles -----------------
jede Zelle-------------------
jede Faser ------------------
alles wird genau betrachtet ---------
und was nicht in diesen Körper gehört wird eliminiert -----------------
und die „Wachezellen“ stehen ganz eng um den schlafenden Tumor -------------
sie passen gut auf, dass er nicht aufwacht --------------------
sie stehen da wie Soldaten-----------------
wie eine Garde ------------------
oh, sie sind wachsam -----------------------
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und die anderen „Wächterzellen“ passen auf, dass niemand müde wird -------------
sie tauschen sich sofort aus, wenn dies der Fall sein sollte --------------------------
keine Angst, alle sind da und passen auf ------------------------------
sobald der Tumor schrumpft, ziehen die „Wachezellen“ den Kreis enger ------------------
diese „Wachezellen und Wächterzellen“ sind stark und aufmerksam --------------------
und ihr Immunsystem ist stark ----------------------
so stark ----------------
und es bekommt immer wieder neue Kräfte ------------
durch die wunderbare Energie der Sonne ----------------
der Frische des Windes ------------------
der Vitalität des Wassers ------------------
und der Stärke der Erde, die uns nährt -------------------------
sie haben alle Energien in sich vereint ----------------------
ihre inneren Kräfte sind erneuert --------------------
sie sind stark -------------------
spüren sie ihre Kraft -------------------
und glauben an sich selbst ----------„
(Rückführung wie üblich)
Dieser Patient ist auch zugleich ein Beispiel dafür, dass es nicht leicht ist, in einen nor-
malen Alltag zurückzukehren. Zwischendurch schafft es der Patient ganz gut, das Leben
in den Griff zu bekommen, aber er meint, dass die Ängste wiederkommen würden, wenn
er nicht alle 14 Tage kommen könnte.
Bei jedem anderen Patienten hätte ich darauf bestanden, dass er die Entspannungsübun-
gen alleine schaffen muss, denn nur so kann er sich selbst helfen.
Aber in diesem Fall kann der Patient nur sehr schwer ohne Anleitung zur Entspannung
finden. Er braucht auch die Sicherheit psychologische Stützen zu haben, persönliche
Kontakte sind für ihn wichtig. Zwischendurch entspannt er mit meinen CDs, aber er sagt,
dass es dann nicht so gut geht, wie wenn ich es persönlich mache, was seine Frau auch
bestätigt. Natürlich spielt bei diesem Patienten auch die Fixierung eine Rolle, aber wenn
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man abwägt wie sehr er von diesen Entspannungseinheiten profitiert, so kann man beru-
higt eine vorübergehende Fixierung gelten lassen.
Inzwischen habe ich angefangen die Abstände der Entspannungseinheiten zu vergrößern
(1x monatlich), um die Fixierung langsam rückgängig zu machen.
Was versteht man unter Fixierung? Eine Fixierung liegt immer dann vor, wenn bestimmte Bedingungen vorherrschen müs-
sen, damit eine bestimmte Reaktion eintreten kann.
Fixierungen können sich auch auf Personen oder Gegenstände beziehen.
Im Zusammenhang mit Entspannungsübungen, bei denen immer nur die selbe Person
spricht, wird eine Fixierung auf die Stimme ausgelöst.
Wenn man einen Patienten engmaschig betreuen muss, kann es passieren, dass er sich
auf die betreuende Person fixiert (nur „der Arzt“ ist vertrauenswürdig, oder nur „diese
Krankenschwester“ darf mich anfassen usw.)
Als Psychologe ist man zusätzlich noch jemand, der oft über die intimsten Dinge erfährt
und die Gefahr einer Fixierung ist noch größer.
Im allgemeinen sollte solch eine Fixierung vermieden werden, um dem Patienten eine
Hilfe statt einer Blockade zu sein. Er sollte in der Lage bleiben, sich auf sich selbst zu
stützen und nicht glauben lernen, dass seine gesamten Bewältigungen des Lebens von
der Stütze eines anderen abhängen.
Gerade aber bei Tumorpatienten, die viele Belastungen auf sich nehmen müssen, sie sich
einer längeren Behandlung unterziehen müssen, ist eine Fixierung oft unausweichlich.
Meine Patienten sind insgesamt meist 1 Jahr in Behandlung. Sie kommen ca. 6 bis 8 mal
zu einer stationären Chemotherapie, die mit einem ca. 3-4 Wochen dauernden (manch-
mal auch länger) Aufenthalt verbunden ist. In dieser Zeit baut sich natürlich auch eine
gewisse Vertrauensbasis auf.
Wenn ich merke, dass die Fixierung beginnt, weise ich den Patienten verstärkt darauf
hin, dass er „seine Bewältigung“ gut macht. Ich schleife ihm sozusagen ins Bewusstsein
ein, dass er selbst es ist, der alles bewältigen kann. Und so ist es auch, denn nur er selbst
kann etwas verändern oder annehmen, ich bin nur diejenige, die Anregungen dazu gibt.
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Manche Patienten möchten für ihre Aufenthalte zwischendurch zu Hause gerne weiter
Entspannungsübungen machen, was ich sehr befürworte. Allerdings ist es gerade die oft
vorhandene Schwäche der Patienten, die sie an einer wirklichen Entspannung hindert.
Sie schaffen es nicht, sich in die entspannte Lage zu bringen, da sie in der geschwächten
gefangen sind. Diesen Patienten gebe ich dann eine meiner selbst erstellten CDs mit
nach Hause, obwohl hier schon eine Fixierung vorprogrammiert werden kann.
Prinzipiell rate ich jedem, der Entspannung lernen will, dass er die Anleitung dazu bei
mir lernen kann, aber er selbst mit seiner eigenen inneren Stimme üben muss, damit er in
Zeiten, wo er Entspannung braucht, sie auch zu jedem Zeitpunkt möglich ist. Also nicht
vorher bestimmte Bedingungen (in diesem Fall meine gewohnte Stimme) geschaffen
werden müssen, um entspannen zu können.
Das selbe rate ich jedem, der fragt, welche CD am Markt die beste ist.
Bei den CDs am Markt ist zusätzlich ein vorheriges Anhören unbedingt notwendig. Es
gibt so vieles am Markt, gutes und schlechtes, aber jeder muss für sich die „passende“
Stimme oder auch die Musik, die meist im Hintergrund dabei ist, finden. Eine CD, die
man sich nicht anhören kann, weil man die Stimme oder die Musik nicht mag, ist raus-
geschmissenes Geld und gerade diese CDs kosten oft mehr als üblich.
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Nachwort Ich konnte nur einen kleinen Bereich meines Arbeitsalltags wiedergeben. Aber ich hoffe,
dass ich mit diesen Schilderungen aufzeigen konnte, wie wichtig es gerade für Tumorpa-
tienten ist, die Erlaubnis zu bekommen, auch einmal alles ablegen zu dürfen, ohne dabei
den Kampfgeist zu verlieren.
Ich freue mich auch, dass inzwischen im Klinikalltag die Entspannungstechniken aner-
kannte Interventionen sind, die immer stärker eingesetzt werden.
Als ich vor ca. 10Jahren mit Entspannung zu arbeiten begann, hatte ich das Gefühl, das
diese Arbeit fast belächelt wurde. Ich ließ mich aber nicht beirren, da ich merkte wie
sehr die Patienten solche Bewältigungsstrategien brauchten und wie viel Lebensqualität
ich ihnen dabei geben konnte.
Inzwischen wird „Entspannung“ als Interventionstechnik ernst genommen. Referate über
den Sinn und die Verwendung von Entspannungstechniken sind ein fester Bestandteil für
die Ausbildung von Psychoonkologen geworden.
Aber nicht nur für Tumorpatienten gewinnt die „Entspannung“ immer mehr an Bedeu-
tung, sondern für alle, die „unter Druck“ stehen.
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DIE ZEHN GEBOTE ZUM ÜBERLEBEN VON KREBS (nach Paul Klein, 1998)
1. Du sollst das Wort, "Krebs" als ein Wort betrachten. Als solches und nicht
mehr und nicht weniger. Die ursprüngliche Bedeutung hat sich über die Jah-re stark verändert, so wie die Wörter Pocken, TBC und Kinderlähmung. Alle bedeuteten einmal fürchterliche Gebrechen, die jetzt nicht mehr gefürchtet werden. Das solltest Du auch bei Krebs beachten. Diese Betrachtungsweise sollte nie vergessen werden.
2. Du sollst Deine Chemo- und Strahlentherapien lieben wie Dich selbst, denn sie sind Deine Freunde und Meister, die in der Lage sind, Deine Krankheit zu besiegen.
3. Du sollst voll an Deiner Genesung teilhaben. Du sollst alle Details über Dei-ne Krankheit lernen, ihre Diagnosen, ihre Prognosen, ihre Behandlungen, konventionell oder alternativ. Du sollst offen und ehrlich mit Deinem Onko-logen diskutieren und alles fragen, was Du nicht verstehst. Dann kannst Du intelligent und wissend mit Deinem Arzt kooperieren.
4. Du sollst Deine Krankheit als eine zeitlich begrenzte Phase in Deinem Le-ben sehen und Deine Zukunft planen, so als ob diese Zeit nie da gewesen wäre. Du sollst niemals, zu keiner Zeit, diese Zeit der Krankheit als Dauer-zustand betrachten. Du sollst Dir Langzeitziele für Dich selbst setzen. Nur so wirst Du wirklich genesen und Dein Glaube wird somit mächtig zur Dei-ner Genesung beitragen.
5. Du sollst Deine Gefühle offen und ehrlich gegenüber jenen, die Du liebst, ausdrücken. Denn auch sie sind betroffen. Du sollst sie trösten und beruhi-gen, weil auch sie das brauchen, so wie Du selbst.
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6. Du sollst ein Trost für Deine krebserkrankten Mitmenschen sein, ihnen Wis-sen vermitteln, Mut zusprechen sowie Verständnis und Liebe entgegenbrin-gen. Du sollst ihnen Hoffnung geben, wo keine ist; denn nur in der Hoff-nung liegt ihre Rettung. Und somit verbreitest Du auch für Dich selbst Trost.
7. Du sollst niemals die Hoffnung aufgeben, auch nicht dann, wenn Du in ei-nem Moment das Gefühlt hast, tief im Herzen entmutigt zu sein. Aber es wird vorübergehen bei der Gewissheit, dass bessere Tage auf Dich warten - vielleicht schon morgen oder übermorgen.
8. Du sollst die Zeit Deiner Erkrankung nicht als die Summe Deines gesamten Lebens betrachten, sondern nur als ein Teil von ihm. Erfülle Dein Leben mit anderen Ablenkungen, sind sie noch so unwichtig, kühn, uneigennützig o-der lediglich amüsant. Dein Leben mit Deiner Krankheit zu füllen bedeutet, sich ihr auszuliefern.
9. Du sollst unbedingt zu jeder Zeit, in allen Situationen Deinen Sinn für Hu-mor behalten, da Lachen Dein Herz erhellt und Deine Genesung beschleu-nigt. Das ist keine leichte Aufgabe. Manchmal scheint sie sogar unmöglich, aber dies versetzt der Krankheit einen schweren Schlag.
10. Du sollst ausdauerndes und unerschütterliches Vertrauen haben in die Medi-zin, Deine Zukunft, in Dich selbst oder was auch immer. Das ist das oberste Gebot. Standfestes Vertrauen erhält Dich aufrecht.
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QUELLENNACHWEIS
Abschlussbericht Befragung onkologischer Patienten 1998/1999: TI-LAK Innsbruck, Qualitätsmanagement, Univ.-Doz. Dr. W. Stühlinger Aufklärung nach dem Ärztegesetz § 22 An integrated model of treatment for cancer patients: Arkansas Can-cer Research Center, Simonton Stress begünstigt Tumorentstehung: Bahnson unnd Bahnson 1979 Mamma-Carzinom -Erkrankungen bei chronischem Stress: Scherg et al.1981 Critical review of psychosocial interventions in cancer care: Fawzy et al., 1995, California USA Einführung in die Medizin II -Krebs: Zusammenfassung der Vorlesung an der Universität Konstanz, Januar 98) Onkologie - Compact Lehrbuch: Erbar Paul, F.K.Schattauer Verlag, 1995 Die zehn Gebote zum Überleben von Krebs: Paul Klein 1998 Gedichte: Melanie Gilhaus Coverbild: Aquarell Josefine Minhard 1999 (Leukämiepatientin) Verfügbare CDs: Entspannungstraining nach Jacobson Autogenes Training nach Schulz Gedankenreise nach Milton Erickson Entspannung mit Farben