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Gewohnheiten, Affekte und Reflexivität; Habits, affects and reflexivity;

Date post: 23-Dec-2016
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Zusammenfassung: Sowohl Praxistheorien als auch die pragmatistischen Theorien von Dewey und Mead lehnen einen übertriebenen sozialtheoretischen Kognitivismus ab und betonen vorrefle- xive Gewohnheiten. Doch im Gegensatz zu den Praxistheorien werden im Pragmatismus nicht nur die vorreflexiven Strebungen des Körpers theoretisch analysiert, sondern auch die Bedingungen ihrer Transformation. Vorreflexive Gewohnheiten beruhen auf unmittelbaren Erfahrungen, die im- mer von affektiven Gestimmtheiten oder Emotionen durchtränkt sind. Diese ‚Urteile des Körpers‘ können in problematischen Situationen reflexiv befragt werden; dabei werden sie im Prozess ihrer Artikulation versprachlicht und können so Eingang in die intersubjektive Problemdefinition finden. Die hier vorgeschlagene pragmatistische Theorie von Gewohnheiten, Affektivität und Re- flexivität hat verschiedene sozial- und politiktheoretische Konsequenzen: Transformationen von affektiv gefärbten Gewohnheiten und habituellen Dispositionen lassen sich mit einem Lernmodell erklären, das Dewey mit Blick auf intelligente Gewohnheiten des Problemlösungshandelns vor- geschlagen hat. Dieses wiederum hat Konsequenzen für demokratietheoretische Fragen nach den habituellen und affektiven Grundlagen deliberativer Verständigungsprozesse. Schlüsselwörter: Pragmatismus · Praxistheorien · Gewohnheiten · Affekte · Emotionen · Reflexivität · Lernen · Sozialer Wandel · Deliberative Demokratie Habits, affects and reflexivity – A pragmatist model of social cooperation following Dewey and Mead Abstract: Both, theories of practice and the pragmatism of Dewey and Mead refuse exaggerated cognitivistic positions in social theory and emphasize pre-reflexive habits. In contrast to theo- ries of practice, pragmatism not only analyses the pre-reflexive intentions of the body but also Österreich Z Soziol (2013) 38:21–41 DOI 10.1007/s11614-013-0096-0 © Springer Fachmedien Wiesbaden 2013 Prof. Dr. F. Adloff () Institut für Soziologie, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Kochstr. 4, 91054 Erlangen, Deutschland E-Mail: [email protected] PD Dr. D. Jörke Institut für Politik- und Kommunikationswissenschaft, Universität Greifswald, Baderstr. 4–7, 17487 Greifswald, Deutschland E-Mail: [email protected] Gewohnheiten, Affekte und Reflexivität Ein pragmatistisches Modell sozialer Kooperation im Anschluss an Dewey und Mead Frank Adloff · Dirk Jörke
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Zusammenfassung: Sowohl Praxistheorien als auch die pragmatistischen Theorien von Dewey und Mead lehnen einen übertriebenen sozialtheoretischen Kognitivismus ab und betonen vorrefle-xive Gewohnheiten. Doch im Gegensatz zu den Praxistheorien werden im Pragmatismus nicht nur die vorreflexiven Strebungen des Körpers theoretisch analysiert, sondern auch die Bedingungen ihrer Transformation. Vorreflexive Gewohnheiten beruhen auf unmittelbaren Erfahrungen, die im-mer von affektiven Gestimmtheiten oder Emotionen durchtränkt sind. Diese ‚Urteile des Körpers‘ können in problematischen Situationen reflexiv befragt werden; dabei werden sie im Prozess ihrer Artikulation versprachlicht und können so Eingang in die intersubjektive Problemdefinition finden. Die hier vorgeschlagene pragmatistische Theorie von Gewohnheiten, Affektivität und Re-flexivität hat verschiedene sozial- und politiktheoretische Konsequenzen: Transformationen von affektiv gefärbten Gewohnheiten und habituellen Dispositionen lassen sich mit einem Lernmodell erklären, das Dewey mit Blick auf intelligente Gewohnheiten des Problemlösungshandelns vor-geschlagen hat. Dieses wiederum hat Konsequenzen für demokratietheoretische Fragen nach den habituellen und affektiven Grundlagen deliberativer Verständigungsprozesse.

Schlüsselwörter: Pragmatismus · Praxistheorien · Gewohnheiten · Affekte · Emotionen · Reflexivität · Lernen · Sozialer Wandel · Deliberative Demokratie

Habits, affects and reflexivity – A pragmatist model of social cooperation following Dewey and Mead

Abstract: Both, theories of practice and the pragmatism of Dewey and Mead refuse exaggerated cognitivistic positions in social theory and emphasize pre-reflexive habits. In contrast to theo-ries of practice, pragmatism not only analyses the pre-reflexive intentions of the body but also

Österreich Z Soziol (2013) 38:21–41DOI 10.1007/s11614-013-0096-0

© Springer Fachmedien Wiesbaden 2013

Prof. Dr. F. Adloff ()Institut für Soziologie, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Kochstr. 4, 91054 Erlangen, DeutschlandE-Mail: [email protected]

PD Dr. D. JörkeInstitut für Politik- und Kommunikationswissenschaft, Universität Greifswald, Baderstr. 4–7, 17487 Greifswald, DeutschlandE-Mail: [email protected]

Gewohnheiten, Affekte und ReflexivitätEin pragmatistisches Modell sozialer Kooperation im Anschluss an Dewey und Mead

Frank Adloff · Dirk Jörke

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the conditions of their transformation. Pre-reflexive habits are based on immediate experiences which are always imbued by affective moods and emotions. These ‘judgments of the body’ can be reflexively reviewed in problematic situations. They are verbalized via processes of articula-tion and thus can be transferred into an intersubjective definition of the situation. The proposed pragmatist theory of habits, affectivity and reflexivity has diverse consequences for social and political theory. Transformations of affectively imbued habits and dispositions can be explained by a model of learning that Dewey proposed with regard to intelligent habits of problem solving. This model has consequences for a theory of democracy focusing on the habitual and affective bases of deliberative processes of communication.

Keywords: Pragmatism · Theories of practice · Habits · Affects · Emotions · Reflexivity · Learning · Social change · Deliberative democracy

1 Einleitung

In den letzten Jahren hat sich in sozial- und politiktheoretischen Diskussionen die Ein-sicht durchgesetzt, dass soziales Handeln zu stark aus einer rein kognitivistischen Pers-pektive gedeutet wurde: bspw. utilitaristisch, diskursiv, normativistisch oder bezogen auf geteilte kognitive Wissensvorräte. In all diesen Varianten werden Akteure als bewusst und affektiv neutral Handelnde konzipiert. Dagegen sind seit einiger Zeit vermehrt Ein-wände formuliert worden. Vorreflexive körpergebundene Strebungen, Gewohnheiten, Emotionen bzw. Affekte und eingelebte Praxen werden ins Feld geführt, die spezifische Kooperationsbeziehungen überhaupt erst ermöglichen oder diese eben auch erschweren. Diese Sichtweise teilen sowohl pragmatistische als auch praxistheoretische Perspekti-ven. Doch können Praxistheorien (insbesondere jene, die sich auf Bourdieu beziehen) nicht hinreichend Ort und Dynamik sozialen Wandels erklären. Zudem bleibt die Dimen-sion der Affektivität in dieser Tradition untertheoretisiert und wird tendenziell unter den Begriff der habituellen Dispositionen subsumiert.

Vor diesem Hintergrund ist es das Ziel des Beitrages, John Deweys und George Her-bert Meads Sozialtheorie zu rekonstruieren und zu zeigen, dass sich aus dieser Perspek-tive die beiden erwähnten Schwachpunkte praxistheoretischer Ansätze beheben lassen. Wie Praxistheorien, so betonen auch Dewey und Mead eingespielte Gewohnheiten, doch werden nicht nur die damit verbundenen vorreflexiven Strebungen des Körpers theo-retisch rekonstruiert, sondern auch die Bedingungen ihrer Transformation werden ana-lysiert. Vorreflexive Gewohnheiten und damit verbundene Handlungskoordinationen beruhen auf primärer (Dewey) bzw. unmittelbarer Erfahrung (Mead), können jedoch in problematischen Situationen reflexiv befragt werden. Dabei sind unmittelbare Erfahrun-gen für Mead und Dewey durchtränkt von affektiven Gestimmtheiten und Emotionen. Diese ‚Urteile des Körpers‘ (Solomon) werden im Prozess ihrer Artikulation versprach-licht und können so Eingang in die intersubjektive Problemdefinition finden. Auf diese Weise können affektive und vorreflexive Erfahrungsdimensionen für den Prozess der Rekonstruktion von Kooperationsproblemen verfügbar gemacht werden.

Dieses hier vorgeschlagene pragmatistische Modell hat verschiedene sozial- und poli-tiktheoretische Konsequenzen: Transformationen von affektiv gefärbten Gewohnheiten und habituellen Dispositionen lassen sich mit einem Lernmodell erklären, das Dewey

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mit Blick auf intelligente Gewohnheiten des Problemlösungshandelns vorgeschlagen hat. Dieses wiederum hat Konsequenzen etwa für demokratietheoretische Fragen nach den habituellen und affektiven Grundlagen deliberativer Verständigungsprozesse.

Im Folgenden wollen wir zunächst die Grundzüge praxistheoretischer Sozialtheorien skizzieren und deren wesentliche Schwachstellen herausarbeiten, nämlich die Vernach-lässigung von Emotionen und die mangelnde Erklärung sozialen Wandels (2). Beide Aspekte stehen aber innerhalb von pragmatistischen Sozialtheorien, und hier insbeson-dere bei Dewey und Mead, in einem engen Verweisungszusammenhang. Wir werden kurz die Grundzüge des pragmatistischen Handlungsmodells darstellen (3.1), um dann etwas ausführlicher auf die Rolle von Emotionen innerhalb dieses Rahmens einzugehen. Dabei werden wir auch neuere Beiträge zur Emotionssoziologie aufgreifen (3.2). Vor diesem Hintergrund wird es uns dann möglich sein, auf die Frage des sozialen Wandels zurück-zukommen (3.3). Abschließend werden wir anhand eines Beispiels die Relevanz eines pragmatistischen Verständnisses für gegenwärtige sozialwissenschaftliche Debatten auf-zeigen. In kritischer Distanz zur kognitivistischen Engführung in deliberativen Ansätzen werden wir für eine stärke Berücksichtigung von Emotionen in der Demokratietheorie plädieren (4).

2 Praxistheorien: Stärken und Schwächen

Theorien sozialer Praktiken sind als Alternative zu ‚herkömmlichen‘ Handlungs- und funktionalistischen bzw. Systemtheorien formuliert worden; dabei richten sie sich haupt-sächlich gegen deren Intellektualismus, d. h. gegen die Vorstellung von Akteuren, die sich mentalistisch an explizitem Wissen und Normen oder textualistisch an kognitiven Schemata, Diskursen oder Codes orientieren (vgl. Reckwitz 2003; Schmidt 2012; kritisch: Bongaerts 2007). Dem wird gegenübergestellt, dass soziales Handeln auf einem know-how beruhe, und es um körperlich verankerte Verhaltensroutinen und ein praktisches Verstehen gehe. Dem entsprechend werden die Materialität von Praktiken (Körper und Artefakte) und ihre implizite Logik (Relativierung von Intentionalität, implizite Motive und Emotionen) betont. Ziel dieser theoretischen Konzeption ist es, nicht primär die Logik der Theorie der Logik der Praxis überzustülpen und zugleich den Antinomien sowohl des methodologischen Individualismus als auch des methodologischen Holismus zu entgehen (vgl. Hillebrandt 2009; zum Überblick: Reckwitz 2003; Schatzki et al. 2001). Dazu gehört auch die Rekonstruktion, wie Praktiken sich einerseits gleichförmig wiederholen, ande-rerseits aber auch immer einer Unbestimmtheit und Unberechenbarkeit und damit grund-sätzlich dem Wandel unterliegen. Zwar werden diverse Sozialtheorien angeführt, die diese praxistheoretische Sichtweise vertreten, doch wird immer wieder Pierre Bourdieu als wichtigster und paradigmatischer Vertreter der Praxistheorien angeführt (vgl. Hillebrandt 2009, S. 372). Geht es um eine breite und philosophische Grundlegung der Praxistheorie wird hingegen Theodore Schatzki als wichtiger Referenzpunkt genannt, der sich dabei auf Wittgensteins Spätwerk und Heideggers Daseinsanalyse stützt – dazu gleich mehr.

Bourdieus Sozialtheorie lässt sich entnehmen, wie menschliches Handeln zu weiten Teilen vorreflexiv und gewohnheitsmäßig abläuft. Nur wenige Intentionen, Überzeu-gungen, Einschätzungen und Urteile liegen auf einer expliziten, propositional ausformu-

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lierten Ebene. Die meisten sind hingegen an die Körperlichkeit des jeweiligen Habitus gebunden. Es gilt also, kognitive Strukturen zu entziffern, die auf einem praktischen und körperlichen Erfassen und Beurteilen der Welt beruhen und nicht begrifflich-explizit vor-liegen. Die zur Anwendung gebrachten Klassifizierungsschemata (strukturierende Struk-turen) resultieren aus „der Verinnerlichung der Strukturen der die Gesellschaftsordnung organisierenden Grunddispositionen (strukturierte Strukturen)“ (Bourdieu 2001, S. 124).

Praxen funktionieren für Bourdieu zumeist unausgesprochen und ganz selbstverständ-lich. Zum Schlüsselbegriff wird bei ihm deswegen der Habitus. Ein Habitus produziert individuelle und kollektive Praktiken und beruht auf „Wahrnehmungs-, Denk- und Hand-lungsschemata“ (Bourdieu 1987, S. 101). Welchen Habitus ein sozialer Akteur hat, ist wiederum abhängig von seiner Position im sozialen Raum. Der soziale Raum mit der Ver-teilung von Kapitalsorten stellt die objektive Struktur der Gesellschaft dar, die man aus der subjektiven Teilnehmerperspektive nicht in den Blick bekomme. Deshalb verknüpft Bourdieu den subjektivistischen Strang der Soziologie mit einem strukturalistisch-ob-jektivistischen. Regelmäßig missverstehen Bourdieu’sche Akteure auf diese Weise den Sinn ihres Tuns, ihr habituelles Verhalten können sie nur partiell reflexiv-bewusst ein-holen (vgl. Bourdieu 1987, 2001). Soziale Felder sind gleichsam Kampffelder um soziale Vorteile, wobei die Akteure diese Kämpfe oftmals nicht als solche deuten, indem sie glauben, uneigennützig zu agieren (vgl. Bourdieu 1998). Diese Logik der Felder stellt für Bourdieu die relevante Struktur dar, die hinter unserem Rücken wirkt und der wir in der Regel entsprechen – die durch den Habitus hervorgebrachten Praktiken sind „objektiv an ihr Ziel angepaßt“, jedoch ohne ein „bewußtes Anstreben von Zwecken“ (Bourdieu 1987, S. 98).

Obwohl Bourdieu die Möglichkeit des Wandels sozialer Strukturen und gewisse Hand-lungsspielräume von Akteuren betont (Bourdieu 2001, S. 164 ff.; auch Bourdieu 1976), spielen diese Aspekte in seiner Sozialtheorie insgesamt eine vergleichsweise untergeord-nete Rolle, hebt er doch primär das Passungsverhältnis zwischen Habitus und sozialen Strukturen hervor (vgl. Schäfer 2012). Offen bleibt insbesondere, an welcher Stelle von Bourdieus „Theorie der Praxis“ sich ein Ansatzpunkt für bewusste Veränderung und ziel-gerichteten sozialen Wandel finden lässt (vgl. King 2000).

Theodore Schatzki (1997) weist darauf hin, dass es theoretisch inkonsistent ist zu behaupten, dass einerseits Akteure Handlungsregeln und kognitiven Schemata folgen, die sie selbst nicht explizieren können, aber zum anderen der Theoretiker sehr wohl von der Praxis auf die zugrunde liegenden Strukturen schließen könne. Denn wenn man mit Wittgenstein davon ausgeht, dass eine Regel nicht angibt, wie man ihr im Einzelnen zu folgen und sie anzuwenden hat, dann kann man von beobachteten Praktiken auch nicht auf die konstitutive Regel schließen (etwa auf Bourdieus Prinzipien der Kapitalakkumu-lation in sozialen Feldern): „formulae that in principle cannot be stated are indetermin-ate, without specific content. So if people are constantly applying formulae, they are not applying anything specific“ (ebd.: 299). Zum praktischen Verständnis (knowing how to go on) treten bei Schatzki deshalb explizite Regeln und die sog. Teleoaffektivität hinzu; zusammen genommen können sie nach Schatzki soziale Praktiken – definiert als ein „set of doings and sayings“ (Schatzki 2001, S. 50) – erklären. Mit Teleoaffektivität bezeichnet er Stimmungen und Emotionen sowie Orientierungen und Ziele von Akteuren, die sich auf Dinge richten, die ihnen etwas bedeuten. Auch für routinisierte Handlungen gibt es

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Gründe, die in ihrer teleoaffektiven Natur liegen. „In sum, a practice is a set of doings and sayings organized by a pool of understandings, a set of rules, and a teleoaffective struc-ture“ (ebd.: 53). Schatzki vermeidet auf diese Weise erstens die Bourdieu’sche Vorstel-lung, dass sichtbares Handeln durch unsichtbare und undurchsichtige Regeln strukturiert wird (dazu auch: Turner 1997). Zweitens betont er stärker als Bourdieu die Dimension der Affektivität. Zielorientierungen und Affektivität motivieren uns zum Handeln, zeigen uns, was uns etwas wert ist. Doch bleibt in Schatzkis Schriften die Rolle der Affektivität für die Konstitution, Reproduktion und den Wandel von sozialen Praktiken ebenfalls sehr unbestimmt. Er belässt es bei dem Hinweis, dass die Situationen und Dinge, die uns etwas angehen und bedeuten, uns in spezifische Stimmungen, Gefühle und Emotionen verset-zen (Schatzki 1996, S. 123). Merkwürdigerweise verfolgt Schatzki die Konsequenzen dieser sozialtheoretischen Dimension für eine Theorie sozialer Praxis nicht.

3 Deweys und Meads sozialtheoretische Alternative

In der Philosophie der Gefühle und der Emotionssoziologie ist man hingegen der Inten-tionalität von Emotionen, ihrer besonderen Erlebnisqualität, ihrem evaluativen Charakter und ihrer motivationalen Bedeutung für soziales Handeln intensiv nachgegangen. Doch haben diese Einsichten bisher kaum Eingang in die allgemeine Sozial- bzw. Handlungs-theorie gefunden (vgl. Schützeichel 2012a). Allerdings ist für sie in der pragmatistischen Handlungstheorie, wie sie John Dewey und George Herbert Mead entwickelt haben, bereits das sozialtheoretische Fundament gelegt worden. Deren Ausführungen zu den vorbegrifflichen und vorreflexiven Grundlagen sozialen Handelns sollen nun rekonstru-iert werden, um die erwähnten Schwachpunkte praxistheoretischer Ansätze zu beheben. Wie Praxistheorien1, so betonen auch Dewey und Mead eingespielte Gewohnheiten in Form von vorreflexiven Strebungen des Körpers (vgl. Schäfer 2012). Zugleich interessie-ren sie sich stark für die Bedingungen ihrer (intelligenten) Transformation. In der unmit-telbaren Erfahrung sind Subjekt und Objekt nicht getrennt, der Mensch erlebt sich als Teil seiner Umwelt, ohne dass er sich dessen in einem reflexiven Sinne bewusst ist. Dabei sind unmittelbare Erfahrungen für Mead und Dewey von affektiven Gestimmtheiten und Emotionen durchzogen. Erst wenn der Handlungsablauf ins Stocken gerät, wird diese unmittelbare Erfahrung aufgelöst. Der Handelnde wird sich seiner selbst und seiner Emo-tionen als Teil einer nun problematischen Situation bewusst. Dies ermöglicht ihre Artiku-lation und Versprachlichung. Die ‚Urteile des Körpers‘ werden intersubjektiv zugänglich und können kooperativ bearbeitet werden. Im Einzelnen werden wir zunächst kurz an die Grundzüge des pragmatistischen Handlungsmodells erinnern (3.1), dann den Ort und den

1 Zu den philosophischen Ähnlichkeiten zwischen Bourdieus Ansatz und dem Pragmatismus (etwa deren Anti-Fundamentalismus, Anti-Dualismus und relationales Denken) vgl. Emir-bayer und Schneiderhan (2012). Die Stärken Deweys und Meads in der konkreten Analyse von Reflexivität und Affektivität werden hier allerdings nur angedeutet und von den beiden Autoren nicht hinreichend sozialtheoretisch expliziert. Bourdieus Stärke liegt umgekehrt in der besse-ren soziologischen Verankerung (Kapitalsorten, Felder) seines Habituskonzepts, worauf auch Schäfer (2012) aufmerksam macht. Allgemein zur Ähnlichkeit zwischen Deweys habits und Bourdieus Habitus vgl. Colapietro (2004).

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Stellenwert von Emotionen innerhalb eines pragmatistischen Rahmens skizzieren (3.2), um abschließend auf die Frage des sozialen Wandels und die Idee der situierten Kreativi-tät zurückzukommen. Dabei wollen wir auf die demokratietheoretischen Implikationen dieses Modells eingehen (3.3).

3.1 Ein pragmatistisches Handlungsmodell

Die Sozialtheorien von Mead und Dewey teilen mit Praxistheorien die Annahme einer zumeist vorbewussten Natur unseres Handelns. Es sind weniger intentionale Absichten als Routinen, denen wir zunächst und zumeist folgen. Aus pragmatistischer Perspektive ist entsprechend die Rede von stetig zielgerichteter Intentionalität und von Zweckratio-nalität zu relativieren, reproduziert sie doch die bewusstseinsphilosophische Dichotomie von Subjekt und Objekt, von einem Zwecke setzenden Bewusstsein und der zu mani-pulierenden Welt (vgl. Joas 1992). Nach pragmatistischer Auffassung dagegen ist unser Handeln eingebettet in situative Kontexte, in denen zunächst und zumeist keine Trennung von Subjekt und Objekt, Geist und Körper, Innen und Außen existiert. Vielmehr, und das ist die zentrale naturalistische Einsicht von Mead und Dewey, sind im Handlungs-vollzug diese Aspekte in der unmittelbaren (Mead) bzw. primären (Dewey) Erfahrung vereint.2 Eine Situation wird als Ganzheit unmittelbar erlebt, ohne dass wir ein reflexives Bewusstsein von ihr haben. Handeln ist immer Handeln in konkreten Situationen, die häufig vorreflexiv, schematisiert und körperlich ‚gedeutet‘ werden und in denen das Ver-halten auf Gewohnheiten (habits) beruht: „Unsere festesten Gewohnheiten sind genau die, von denen wir am wenigsten Bewußtsein haben“ (Dewey 2007, S. 295).

Gewohnheiten zeichnen sich dadurch aus, dass sie den Umgang mit bzw. die Orien-tierung in unterschiedlichen Situationen gewährleisten. Sie stellen ein Reservoir an Verhaltensmustern und Bedeutungen dar, die es dem Menschen ermöglichen, sich in unterschiedlichen Zusammenhängen zurechtzufinden: „The essence of habit is an acqui-red predisposition to ways or modes of response, not to particular acts except as, under special conditions, these express a way of behaving. Habit means special sensitiveness or accessibility to certain classes of stimuli, standing predilections and aversions, rather than bare recurrence of specific acts“ (Dewey 1988, S. 32).

Ohne Gewohnheiten könnten wir uns in der Welt nicht orientieren, sie gewährleisten unser ‚In-der-Welt-sein‘, das vorbewusste Vertrautsein mit der Welt, vor dessen Hinter-grund eine bewusste Auseinandersetzung mit bestimmten Aspekten dieser Welt, den ‚pro-blematic situations‘, erst möglich wird. Eine ‚problematic situation‘ tritt ein, wenn die Routine durch unerwartete Ereignisse gestört wird. In derartigen Momenten kommt es zu einer Blockierung des Handlungsablaufes und in der Folge zur Trennung von Subjekt und Objekt im Sinne einer reflexiven Bewusstwerdung der Situation und ihrer Komponenten. Ziel des Reflexionsprozesses, den Dewey als sekundäre Erfahrung bezeichnet, ist die Fortsetzung des Handlungsablaufes. Hier ist der Ort einer „situierten Kreativität“ (Joas 1992, S. 11), und eben nicht, wie dem Pragmatismus oft vorgeworfen wurde, einer bloß

2 Auf die zentrale Stellung des Erfahrungsbegriffes für die pragmatistische Philosophie und Sozialtheorie können wir an dieser Stelle nicht näher eingehen; vgl. mit Blick auf Dewey die Ausführungen in Jörke (2003, S. 36–70) und hinsichtlich Mead Joas (1989).

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instrumentellen Anpassung an Handlungszwänge. Situiertes Problemlösungshandeln kre-iert vielmehr neue Handlungsmöglichkeiten und bricht überholte Routinen auf.

Mit Hilfe dieser konzeptionellen Annahmen überwindet die pragmatistische Hand-lungstheorie die strukturalistische Vereinseitigung der Praxistheorien. Auch wenn Dewey und Mead wie diese die Bedeutung von Gewohnheiten und vorbewussten Praktiken im Sinne von Handlungsroutinen sowie die Inkorporierung des Sozialen betonen, bleiben sie dabei doch nicht stehen, sondern verbinden diese Einsicht in die Situiertheit sozialen Handelns mit einer Theorie der Kreativität und des sozialen Wachstums. Bevor wir darauf zurückkommen, soll im Folgenden auf die Rolle von Emotionen in der pragmatistischen Handlungstheorie eingegangen werden. Dabei zeigt sich, dass Dewey und Mead viele Einsichten der gegenwärtigen Emotionssoziologie vorweggenommen haben.

3.2 Emotionen, Gefühle und Handlungen

Die meisten der zeitgenössischen philosophischen Emotionstheorien argumentieren in der einen oder anderen Weise kognitiv und weisen auf den evaluativen Charakter von Emotionen hin. Furcht oder Wut sind keine bloßen Gefühle ( feelings), die sich darin erschöpfen, dass sie sich phänomenal auf eine bestimmte Weise anfühlen. Sie sind inten-tional auf etwas gerichtet, repräsentieren einen Gegenstand (etwa einen gefährlichen Hund) und vermitteln dem Subjekt ein Wissen über die Welt sowie eine Bewertung (vgl. Döring 2009). Gegen eine bloße Addition von Überzeugungen, Wünschen, Urteilen und Körpergefühlen lässt sich die These formulieren, dass Emotionen körperlich-mentale Zustände sui generis darstellen, in denen ein Objekt als mit einer bestimmten Werteigen-schaft besetzt erlebt wird. Eine Schlange wird nicht als furchterregend gedacht, sondern erlebt. Dieses gerichtete Gefühl bzw. die gefühlte Bewertung wird zumeist nicht reflexiv wahrgenommen; vielmehr fesselt eine Emotion im Modus des nicht-reflexiven, unmit-telbaren Bewusstseins die Aufmerksamkeit des Subjekts und lenkt sie auf das von ihr Repräsentierte.3

Robert C. Solomon (2009) vertritt in seinem emotionsphilosophischen Integrations-versuch die These, dass Emotionen eine Art von Urteil darstellen, und stellt heraus, dass dieses Urteil nicht explizit, bewusst oder durchdacht vorliegen muss – es handelt sich häufig um ein ‚Urteil des Körpers‘.4 Wird eine Emotion ausgelöst, erfordert dies eine minimale kognitive Komponente, nämlich eine Situation als bedrohlich, stimulierend oder Ähnliches ‚erkannt’ zu erleben. Kognitionen liegen jedoch nicht immer explizit und bewusst vor: „Es gibt primitive vorbegriffliche Formen der Kognition“ (ebd.: 153). Emo-

3 Hier und im Folgenden soll mit Emotion eine ‚gefühlte Bewertung’ bezeichnet werden, im Unterschied zum ‚bloßen Gefühl‘, das sich zwar auf eine bestimmte Weise anfühlt, aber keinen intentionalen Bezug kennt. Affektivität wird im Folgenden als Oberbegriff für eine Vielzahl ‚affektiver Zustände‘ fungieren (etwa Emotionen, Stimmungen, Hintergrundgefühle etc.). Vgl. auch Fußnote 9.

4 Solomons Perspektive schlägt eine Brücke zwischen den beiden die Philosophie der Emotionen dominierenden Traditionslinien, nämlich der auf Brentano zurückgehenden Fokussierung auf die Intentionalität der Emotionen und der auf James’ und Wundts Arbeiten beruhenden Tradi-tion, der Phänomenologie der Emotionen nachzugehen. Denn sowohl die rein kognitivistische Lesart wie auch die rein auf Qualia abhebende Phänomenologie verkürzen den Emotionsbegriff.

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tionen sind daher nicht notwendigerweise reflexive und bewusste Urteile, sondern können Wahrnehmung und Urteil in einer Weise miteinander verschränken, die Solomon (ähnlich wie Dewey und Mead) „unmittelbar“ nennt (ebd.: 157). Ebenso wenig sind Emotionen bloße Wahrnehmungen von Vorgängen im eigenen Körper, denn sie beziehen sich auf etwas in der Welt: Sie drücken ein Sich-an-der-Welt-Beteiligen aus. Die in Emotionen ausgedrückten Urteile sind nicht nur nicht-explizit, sie sind auch nicht-propositional strukturiert. In ihnen drückt sich also weniger ein ‚Wissen-dass‘ als ein implizites ‚Wis-sen-wie‘ aus. Wir fühlen körperlich unsere Beteiligung an der Welt; es geht um Dinge, mit denen wir zu tun haben, in denen wir aufgehen oder in denen wir angesprochen sind. Hier besteht offenkundig eine Parallele zu Schatzkis Konzept teleoaffektiver Strukturen.

Entweder lenkt die über uns kommende und zugleich von uns kreierte Emotion vom bisherigen Handlungsfluss ab oder sie rückt einige Aspekte der Handlungssituation in den Fokus und lässt andere in den Hintergrund treten. Sie setzt uns über etwas Negatives oder auch Positives in Kenntnis; sie macht machtvoll darauf aufmerksam, dass sich in der Handlungssituation – die zuvor eine taken for granted-Basis hatte – etwas Signifikantes verändert hat. Emotionen haben somit einen reflexiven Charakter, doch ist die emotionale Selbstreflexion nicht primär kognitiv-symbolisch, sondern körperlich verankert. Eine Emotion hebt die Dimensionen der selbstverständlichen Verschränkung unseres Selbst mit der Welt hervor, die sonst nur implizit-verkörpert vorliegen (Katz 1999). Der Fall der emotionalen Erregung und Erfahrung verdeutlicht auch, dass der Körper bei nicht-emotionaler Kommunikation normalerweise unbeachtet bleibt. Im Moment der Emotion – etwa bei einem Gespräch unter Tränen – gerät der Körper in die eigene Aufmerksamkeit sowie in die von alter ego. Die körperlich verankerte Hintergrundfundierung des Selbst gerät so temporär aus den Fugen. Schließlich erwächst aus der Emotion eine spezifische Handlungsbereitschaft: z. B. Rückzug aus der Welt bei Trauer, aggressives Verhalten im Fall der Wut. Der in die Wahrnehmung geratene Körper verschafft uns dadurch einen bestimmten Zugang zur Welt. George Downing (2000, S. 259 f.) spricht von Mikroprak-tiken des Körpers, die uns zur Verfügung stehen und die uns (mehr oder weniger gut) mit der Fähigkeit ausstatten, die emotionale Qualität von Situationen zu erfassen.5 Es geht a) um die Fähigkeit, Veränderungen im Körper zu spüren, b) diese bewusst zuzulassen und sie nicht zu unterdrücken, c) die Fähigkeit, diesen Zustand zur Untersuchung der rele-vanten Situation zu nutzen und d) den Modulationen und Nuancen des Körperzustands zu folgen. Wenn sich körperliche Mikropraktiken mit sprachlichen Praktiken überlap-pen, entwickelt sich unter Umständen e) die Fähigkeit, das Spüren von Gefühlen mit einer sprachlichen Beschreibung der neuen Situation zu verknüpfen und f) die Fähigkeit und Bereitschaft, die eigene Werthierarchie durch die emotionale Erfahrung in Frage zu stellen. Eine intensive emotionale Erfahrung ist häufig durch Ambiguität gekennzeichnet und lässt keine klare Deutung zu; daher kann sie vermeintlich fest bestehende, bewusst verfolgte Intentionen und Werte in Frage stellen. Darauf kommen wir nochmals zurück.

5 Im Anschluss an Dewey geht auch Richard Shusterman (2012, S. 262 f.) in seiner Philosophie der Somästhetik davon aus, dass die Kultivierung der Fähigkeit zu somatischer Selbstreflexion entscheidend für die Freiheit menschlichen Handelns ist, da man sich nur auf diese Weise aus der Abhängigkeit von unreflektierten Gewohnheiten befreien kann.

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Auf präreflexive Art und Weise sind wir also in unserem Körper und durch diesen mit der Welt verschränkt; und eine negative Emotion weist darauf hin, dass diese Verschrän-kung problematisch geworden ist. Dies ist eine Sicht, wie sie in aller Deutlichkeit in der pragmatistischen Handlungstheorie Deweys und Meads ausgearbeitet wurde. Wir sind vornehmlich leiblich Handelnde; unsere Wahrnehmung ist die eines Handelnden, der sich aktiv mit der Welt auseinandersetzt und nicht nur passiv von ihr affiziert wird. In diesem Sinne gibt es im Bereich des Handelns auch keine einfachen Reiz-Reaktions-Kopplun-gen: Was als Reiz für einen Organismus gilt, ist abhängig von der Handlungssituation, in der er sich befindet. Die jeweilige Aktivität legt also fest, was als ein Handlungsreiz in welcher Hinsicht gelten kann (Dewey 2003a). Dabei laufen Aktivitäten nach Dewey und Mead wie gezeigt zumeist gewohnheitsmäßig ab. Erst in problematischen Situationen, die nicht mehr routinisiert bewältigt werden können, setzt ein reflexives Bewusstsein für die Situation und die erforderliche Neuanpassung ein.

Pragmatistisch formuliert machen sich problematische Situationen, in denen Hand-lungsmuster und Gewohnheiten nicht fortgesetzt werden können, zunächst auf einer emotionalen Ebene bemerkbar (Mead 1987a, S. 212); sie werden mit einer besonderen Intensität wahrgenommen. Die Emotion selbst wird vom Individuum primär körperlich in Form einer unmittelbaren Gefühlsqualität erlebt, die sich sehr schnell und mit nur mini-malem interpretativen Aufwand einstellt (Baldwin 1985, 1988).6 Diese mit der Körper-wahrnehmung verbundenen phänomenalen Qualitäten sind zwar zeichen- und sinnhaft (im Sinne von Peirce), doch nicht bewusst, reflexiv oder symbolisch. Im Falle des Zorns etwa wird das Objekt des Zorns komplett im Lichte des Zorns gesehen bzw. gefühlt. Dabei gilt: „Wenn wir zornig sind, sind wir uns nicht des Zorns, sondern dieser Objekte in ihren unmittelbaren und einzigartigen Qualitäten bewusst“ (Dewey 2003b, S. 100). Man erfährt ein Handlungsproblem, bevor es formuliert oder reflexiv eingeholt wird – wir erleben die „unmittelbare Qualität der ganzen Situation“ (ebd.). Mit anderen Worten: Ein Gefühl drängt sich in einer Präsenz auf, die die ganze Situation durchdringt (vgl. Adloff 2013). Diese Präsenzwahrnehmung beruht wiederum auf früheren Erfahrungen, die sich in Gewohnheiten sedimentiert haben.

Handlungsgewohnheiten bilden den Hintergrund für schnelle körperlich-emotionale ‚Interpretationen‘ und Reaktionen, die nach Mead (1987a) zunächst einen nicht-symboli-schen Charakter haben. Nicht-symbolische, affektive Interaktion reagiert rasch und direkt auf die Gesten und Expressionen des Anderen, ohne aufwendige kognitive Interpretatio-nen dazwischen schalten zu müssen (vgl. Mead 1991, S. 120 f.; Blumer 1936).7

6 Im Rahmen seiner funktionalistischen Psychologie hat Dewey dieses Emotionsmodell schon sehr früh in Grundzügen entwickelt. In zwei Aufsätzen (Dewey 1894, 1895) setzt er sich kri-tisch mit Darwins und James’ Emotionstheorien auseinander und vertritt die Auffassung, dass Emotionen im Rahmen von Handlungsunterbrechungen und konfligierenden Handlungsimpul-sen entstehen. Interessanterweise findet sich hier auch schon ein frühes Plädoyer, Rationalität und Emotionalität nicht als Gegensätze aufzufassen.

7 In diesem Aufsatz geht es weniger um die Differenzen zwischen Dewey und Mead als um eine gemeinsame pragmatistische Perspektive auf Affekte, Gewohnheiten und Intelligenz. Dabei synthetisieren und aktualisieren wir teilweise Deweys und Meads Positionen. Mead zeigt in der Regel eine größere Zurückhaltung gegenüber dem Emotionsthema. In der Unterscheidung von ‚I‘ und ‚me‘ kehrt teilweise der Dualismus von irrationaler Emotionalität und Rationalität

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Die Integration von eher kurzlebigen, deutlich konturierten Emotionen in ein pragmatis-tisches Handlungsmodell ist jedoch nur der erste Schritt hin zu einer Integration von Hand-lungs- und Affekttheorie. Kurzlebige, bewusst bemerkbare Emotionen setzen in Situationen der Problematisierung und Diskontinuität ein; bei kontinuierlichen Handlungsabläufen lie-gen aber auch Gefühle vor – allerdings von niedrigerer affektiver Valenz. Man kann mit Dewey (2003b) argumentieren, dass jede Handlungssituation über eine bestimmte affektive Hintergrundfärbung verfügt, die alles in ein spezifisches Licht taucht. Eine durchgängige affektive Qualität (Ruhe, Hochgefühl, Niedergedrücktheit, Melancholie etc.) färbt alle Wahr-nehmungen und Denkprozesse situativ ein, sie bestimmt die Angemessenheit und Relevanz von Themen und die jeweiligen Wahrnehmungsfokusse, durchaus im Sinne von Schatzkis Teleoaffektivität. In diesem Sinne sollte man die Dichotomie von affektiven vs. nicht-affek-tiven und rationalen Handlungen überwinden, da Emotionen bzw. affektive Färbungen in allen Handlungen eine Rolle spielen (vgl. Schützeichel 2012a; Shalin 2007; Emirbayer und Goldberg 2005; Garrison 2003). Das, was wir alltagspsychologisch oder auch philosophisch als wissenschaftlich, rational, vernünftig oder affektiv-neutral bezeichnen, ist nicht frei von Affektivität, sondern besteht aus einer spezifischen Balance von Gefühlen. So spricht Wil-liam James (1994, S. 137) bspw. von Wahrheit als dem, das uns eine tiefe ästhetische Befrie-digung gewährt. Auch Dewey geht davon aus, dass es keine Vernunft ohne Affektivität gibt: „,Reason‘ as a noun signifies the happy cooperation of a multitude of dispositions, such as sympathy, curiosity, exploration, experimentation, frankness, pursuit – to follow things through – circumspection, to look about at the context, etc., etc.“ (Dewey 1988, S. 136). Die hier involvierten Impulse bringen etwas in Gang und „machen uns Beine“ – Vernunft besteht also im Austarieren verschiedener Dimensionen emotionaler Erregbarkeit.

In der Regel bemerken wir die affektive Grundtönung von Handlungen und Situa-tionen nicht – wir sind affiziert, ohne zu wissen, dass wir affiziert sind.8 Die affektive Tönung bleibt in der Regel implizit, und normalerweise wird sie von uns nicht wahrge-nommen (Gallagher 2005, S. 201). Und trotzdem beeinflusst diese Tönung auch ‚höhere‘ kognitive Operationen. Die Tönung selbst ist vorreflexiv und nicht-begrifflich, färbt aber unser Denken auf spezifische Weise. Dazu Dewey: „Fühlen an sich ist a-noetisch; es existiert, wie jede unmittelbare Qualität existiert, aber nichtsdestoweniger ist es ein unverzichtbares Mittel jeder noetischen Funktion“ (Dewey 2007, S. 250). In Stimmungen und Hintergrundgefühlen stellt sich ein spezifischer affektiver Selbstbezug ein, der einen Möglichkeitsraum für das empfindende Individuum konstituiert. Diese sich im Hinter-grund befindenden Gefühle eröffnen einen Raum für das, was einem kognitiv möglich oder unmöglich erscheint (Slaby 2011). Es bilden sich unterschiedliche Bedeutsamkeits-

zurück (Pettenkofer 2012, S. 217). In Meads (1991, S. 216, 269) Abwertung der Theorie der (reflexiven) Selbstgefühle von James und Cooley zeigt sich Ähnliches: Für Mead ist das Selbst allein durch sprachlich vermittelte Reflexivität gekennzeichnet. Auch das Modell der Rollen-übernahme wird kognitivistisch von empathischen Gefühlen freigehalten (vgl. Wiley 2011). Für diese partielle Ausgrenzung der Affekte aus der Theorieanlage besteht u. E. keine Notwendig-keit, deshalb wird das hier entwickelte Modell dem Geiste Deweys und Meads zugeordnet.

8 Es hat sich in Philosophie, Psychologie und den Sozialwissenschaften noch kein gemeinsamer Sprachgebrauch im Bereich von Emotionen und Affekten eingebürgert. Wir nutzen den Begriff des Affektes als Oberbegriff, unter den verschiedene Dimensionen (Emotionen, Stimmungen, Hintergrundgefühle, Atmosphären etc.) fallen, die einer genaueren Definition bedürfen.

31Gewohnheiten, Affekte und Reflexivität

bezüge, Erfahrungen werden auf je spezifische Weise affektiv gerahmt. Während sich Emotionen auf einzelne Objekte in der Welt beziehen, richten sich Hintergrundgefühle auf die Welt als Ganzes aus (Ratcliffe 2005).9 Sie werden zwar primär körperlich erfah-ren, haben also nur einen minimalen kognitiven Gehalt, richten sich aber dennoch auf die Welt: „I suggest that existential feelings are feelings in the body, which are experien-ced as one’s relationship with the world as a whole“ (ebd.: 49). Die Hintergrundgefühle erschließen uns gleichsam die Welt in einer gewissen Färbung, in einem gewissen Ton, doch zunächst auf nicht-reflexive Weise. Dessen ungeachtet ist es möglich, sich reflexiv und explizit den Hintergrundgefühlen zuzuwenden.

Diese Form von affektiver Intentionalität situiert uns in einem Raum von Möglichkei-ten: „Ein Gefühl zu erleben, bedeutet demnach, dass sich ganz bestimmte Möglichkeiten unmittelbar aufdrängen, während anderes, was eigentlich auch möglich ist oder sein müsste, eigentümlich abgeblendet oder sogar ganz aus dem Bereich des Erwägbaren verschwunden ist“ (Slaby 2011, S. 32). In Anlehnung an Wittgensteins Formulierung aus dem Tractatus lässt sich also sagen, dass die Welt des Furchtsamen eine andere ist als die der Zuversicht-lichen. Furcht, Depression und Scham lassen den Möglichkeitsraum schrumpfen, Stolz weitet ihn aus (vgl. Ratcliffe 2010). Dies zeigt, wie der affektiv konstituierte Möglichkeits-raum aufs Engste mit dem Handeln von Menschen verknüpft ist. Die Hintergrundgefühle geben einigen Handlungsmöglichkeiten eine spezifische Valenz, blenden dabei aber andere Möglichkeiten aus. Ähnlich wie Emotionen kann man sie als präreflexive, körperlich ver-ankerte Urteile ansehen, die unsere Erfahrungsmöglichkeiten vorstrukturieren.10

Deweys (2004) Überlegungen zur Einbildungskraft folgend lässt sich sagen, dass Hin-tergrundgefühle unsere Fähigkeit zur Imagination von Handlungsoptionen vorstruktu-rieren. Das Wirkliche der Gefühle enthält Ausblicke auf das uns Mögliche. Die Frage, die sich hier stellt, muss natürlich lauten, ob Hintergrundgefühle nur die immer gleichen Möglichkeitsspielräume aufzeigen.

3.3 Sozialer Wandel

Für Mead und Dewey können habituelle und affektive Transformationen verschiedene Gründe haben. Zum einen spielt die Versprachlichung und die damit einhergehende bewusste Reflexivität eine große Rolle für die Transformation von Gefühlen. Zum ande-ren sprechen beide Pragmatisten dem menschlichen Handeln eine genuine Kreativität zu, bspw. vermittelt über die Spontaneität von Impulsen des ‚Ich‘ (‚I‘).

Im Zuge der reflexiven Aufmerksamkeit verändern sich emotionale Erfahrungen; durch die Versprachlichung werden sie intersubjektiv zugänglich, objektiviert und gene-ralisiert (vgl. Mead 1987c). Zugleich ist die Beschreibung des Gefühls nicht mehr das

9 Hier und im Folgenden greifen wir Slabys (2011) Begriff von Hintergrundgefühlen auf, der große Ähnlichkeit mit Ratcliffes (2005) Konzept existenzieller Gefühle hat. Uns erscheint der Begriff des Hintergrundes besser geeignet zu sein, den Sinn des Gemeinten zu kennzeichnen. Vgl. auch Slaby (2012) über Ratcliffes Phänomenologie existenzieller Gefühle.

10 Die Nähe zu Bourdieus Habituskonzept liegt auf der Hand. Allerdings haben wir es nicht länger mit einer black box zu tun. Hintergrundgefühle sind sowohl für den Sozialwissenschaftler wie auch für die Betroffenen selbst prinzipiell beobachtbar.

32 F. Adloff und D. Jörke

Gefühl selbst. Man führt Unterscheidungen ein, die sich abheben vom qualitativen Gan-zen, das „direkt und nicht-reflexiv“ erlebt wird (Dewey 2003b, S. 105). Damit wird eine Erfahrung gleichsam vervollständigt; das erlebte Gefühl wird in einen narrativen Zusam-menhang mit der eigenen Person und mit anderen Personen oder Objekten gebracht. Wenn das Selbst dagegen im qualitativen Erleben ‚versackt‘, wenn es ihm nicht gelingt, sein Gefühl mittels intersubjektiver Symbole zu fixieren, dann bleibt die Erfahrung nicht kommunizierbar. Eine Erfahrung zu artikulieren bedeutet keinesfalls automatisch, sich vorgefertigter kultureller Versatzstücke zu bedienen; es geht immer auch um die Artiku-lation einer eigenen unvertretbaren Erfahrung (vgl. Jung 2007). Man ringt um den bio-graphisch wie situativ angemessenen Ausdruck des Gefühls.

Zwar ist in einem sozialtheoretischen Sinn die besondere Bedeutung unmittelbarer Erfahrung für das soziale Handeln hervorzuheben, doch liegt in einem normativen Sinne eine vollständige emotionale Erfahrung erst dann vor, wenn die zwei Ebenen des Erfah-rungsbegriffs vermittelt werden: Eine unmittelbare Gefühlsqualität a) wird mit der vorhan-denen Semantik einer Kultur b) in Zusammenhang gebracht, und zwar über einen Prozess der Artikulation c), der zumeist die Form der sprachlichen Explikation annimmt, aber auch performativ und deiktisch vollzogen werden kann. Matthias Jung spricht im Anschluss an Dewey davon, dass auf diese Weise „Austauschbeziehungen zwischen dem gelebten und dem interpretierten Leben gestiftet“ werden (Jung 2008, S. 165) – für Dewey kann so ein individuelles wie kollektives Wachstum an Erfahrungen initiiert werden. Dabei determi-niert weder die Seite des Erlebens die kulturelle Deutung noch umgekehrt. Das Erleben interpretiert sich nicht selbst, sei es auch noch so präsent, evident oder intensiv; es muss artikuliert und damit in eine Semantik übersetzt werden. Wie dies geschieht, ist nicht fest-gelegt. So betont John Dewey (2003b, S. 98): „Wenn man sie [die erfahrene Situation, FA & DJ] ‚implizit‘ nennt, bedeutet das nicht, dass sie impliziert ist.“ Qualitativ intensiv Erfahrenes legt nicht von sich aus seine Deutung fest und behält gegenüber Versuchen der Interpretation einen „Rest an Autonomie“ (Hartmann 2009, S. 251). Dadurch wird ein Möglichkeitshorizont eröffnet, aus dem heraus nur eine einzige Möglichkeit durch Artiku-lation verwirklicht wird. Explizieren heißt also nicht, dass etwas klar konturiert wird, was vorher schon – nur eben implizit – vorhanden war (Jung 2009, S. 223). Umgekehrt kann eine semantische Beschreibung dem qualitativen Erleben nicht einfach beliebig überge-stülpt werden, da das Erleben Grenzen in Form von Interpretationsspielräumen setzt.

Festzuhalten ist, dass emotionale Erfahrung auf Artikulation hin angelegt ist: Das Erle-ben ist nur eine Komponente der Erfahrung, die sich ‚vollständig‘ erst im Austausch zwi-schen qualitativem Lebensvollzug und kultureller Sinndeutung vollzieht. Dabei greift das Selbst zumeist auf ein bestimmtes sprachliches Format zurück: die Erzählung im Rah-men biographischer Sequenzen des Erlebens und Handelns. Erlebte Emotionen können im Zuge ihrer Artikulation fest etablierte Selbstbeschreibungen durch ihre Ambiguität in Frage stellen. Umgekehrt lassen die erzählerischen Artikulationen der Gefühle ihren Gegenstand nicht unverändert, sondern formen ihn in einer spezifischen Weise.11 Durch

11 Auch der Historiker William M. Reddy (1997) stellt diesen Punkt heraus. Die Aussage „ich bin wütend“ ist nicht identisch mit der Emotion der Wut, sondern verändert diese durch die sprach-liche Bezeichnung. Sprache ist in diesem Sinne nicht neutral gegenüber dem, was sie bezeich-net. Emotionen können also nie bloß sprachlich ‚repräsentiert‘ werden.

33Gewohnheiten, Affekte und Reflexivität

Narrationen werden Emotionen benannt und damit individualisiert. Sie werden in einen biographischen Kontext gestellt. Dadurch werden sie kontextbezogen beurteilbar, sie kön-nen den Status intersubjektiver Anerkennung erhalten und so auch eine normative Gel-tung für sich beanspruchen. Die Neubeschreibung einer Emotion kann wiederum zu einer Veränderung von erlebten Motivationen und Gefühlen beitragen. In diesem Sinne stehen Erleben und Beschreibung in einem konstitutiven Verhältnis spannungsreichen Wandels zueinander; sie ko-konstituieren Erfahrung und deren Veränderung (vgl. Taylor 1988).

Das zweite pragmatistische Modell menschlicher Kreativität bezieht sich auf das Selbst des Individuums. George Herbert Mead geht bekanntlich in seinem Modell sozia-ler Identität von verschiedenen Instanzen aus (vgl. Joas 1989, S. 116 ff.; Mead 1991, S. 216 ff.): Den spontanen Impulsen und der Triebausstattung des Menschen (Ich bzw. ‚I‘) steht die innere Repräsentation des Verhaltens anderer gegenüber. Das ‚me‘ als die hereingenommene Perspektive anderer auf mich selbst stellt eine Bewertungsinstanz für die Strukturierung der spontanen Impulse dar (wobei letztere nicht als biologisches Fak-tum anzusehen sind, auch sie sind durchaus ‚sozialisiert‘).

Dewey hat sich in seinem Werk Human Nature and Conduct stark auf Meads Konzeption des Selbst bezogen und Gewohnheiten, Impulse und Intelligenz in ein spezifisches Verhältnis gesetzt (vgl. Jörke 2003, S. 100 ff.). Gewohnheiten können durch die Impulse des Ich gestört, unterbrochen und erneuert werden: „At critical moments of unusual stimuli the emotional outbreak and rush of instincts dominating all activity show how superficial is the modifica-tion which a rigid habit has been made able to effect“ (Dewey 1988, S. 72). Die Impulse kön-nen dabei entweder als schöpferische Triebenergie bzw. als Antriebsüberschuss angesehen werden (eine Position der Mead und Dewey scheinbar auch zuneigen) oder sie werden auf unterschiedliche miteinander konfligierende Handlungsgewohnheiten zurückgeführt. Diese beiden Positionen12 sind durchaus vermittelbar: Die ursprüngliche Impulsivität und Affekti-vität des Säuglings wird im Verlauf der Ontogenese in soziale Gewohnheiten transformiert, ohne dass die spontane biologisch verankerte Impulsivität ganz verloren geht.13

In problematischen Handlungssituationen reagieren wir impulsiv und emotional und wenden uns dann reflexiv unseren Emotionen zu, um sie auf ihren kognitiven und eva-luativen Gehalt und ihre biographische Genese hin zu befragen. Auch können die Hinter-grundgefühle in problematischen Situationen in den Fokus der Aufmerksamkeit gelangen – so kann uns deutlich werden, welchen Möglichkeitssinn wir dem Alltagshandeln zugrunde legen. Intelligenz liegt also dann vor, wenn wir die präreflexive Unmittelbar-keit emotionaler Erfahrung reflexiv thematisieren, um zu einer Lösung des Handlungs-problems (im Lichte der Vergangenheit wie der Zukunft) zu gelangen (vgl. Mead 1991,

12 Exemplarisch finden sie sich bei Habermas und Honneth. Während Jürgen Habermas die kreativen Impulse des Ich über den Umweg einer Vervielfältigung von konfligierenden Rol-lenerwartungen rekonstruiert, spricht Axel Honneth dem Ich eine eigenständige kreative und individualisierende Kraft zu (vgl. Hartmann 2003, S. 172 ff.).

13 Vgl. dazu auch Mead (1991, S. 397 ff.). In der evolutionspsychologischen Forschung geht man zumeist von universellen, ‚fest verdrahteten‘ Basisemotionen aus, die allerdings kulturell gerahmt und geformt werden können. Einschlägig sind hierzu die Forschungen Paul Ekmans (1992). Er geht zudem von einer emotionsspezifischen Physiologie (zumindest für Wut, Furcht, Ekel, wahrscheinlich auch für Trauer) aus, die sich auf distinkte Weise im Gesichtsausdruck manifestiert.

34 F. Adloff und D. Jörke

S. 140). Damit ist zugleich gesagt, dass Reflexionen durch affektive Komponenten ange-stoßen werden. Emotionale Irritationen lösen kognitive Reflexionsprozesse aus (Petten-kofer 2012, S. 211). Habitualisiert man eine solche Verhaltensweise kann sie sich im Dewey’schen Sinne zu einer intelligenten Gewohnheit entwickeln.

Laut Dewey kann die Impulsivität des Menschen zwar rigide Gewohnheiten hinterfra-gen bzw. als problematisch konstituieren, jedoch nicht zu deren Reorganisation beitragen. Mit anderen Worten: Den Impulsen kommt zwar eine dekonstruktive, aber keine rekons-truktive Funktion zu. Um über die Phase des Konfliktes hinauszugelangen und somit ein neues Gleichgewicht der verschiedenen Gewohnheiten und Handlungserwartungen erreichen zu können, ist ihm zufolge das Zusammenwirken von aufbrechender Impulsivi-tät und einer rekonstruktiv verfahrenden Intelligenz erforderlich. Dewey misstraut einem bloß affektuell motivierten Handeln; dieses könne lediglich zufällig zu befriedigenden Problemlösungen führen. Allein der Gebrauch der Intelligenz weise einen angemessenen Weg der Kreation neuer Werte bzw. Gewohnheiten:

The moral correlate of liberated impulse is not immediate activity, but reflection upon the way in which to use impulse to renew disposition and reorganize habit. Escape from the clutch of custom gives an opportunity to do old things in new ways, and thus to construct new ends and means. Breach in the crust of the cake of custom releases impulses; but it is the work of intelligence to find the ways of using them. (Dewey 1988, S. 117)

Intelligenz ist für Dewey jedoch alles andere als das individualistische Vernunftvermögen der Bewusstseinsphilosophie. Vielmehr ist Intelligenz für ihn ein soziales Produkt, mit-hin eine Fähigkeit, die sozial erworben und somit ihrerseits Bestandteil des habituellen Selbst ist. Hierbei handelt es sich gleichsam um Gewohnheiten zweiter Ordnung, die die Fähigkeit bezeichnen, einen intelligenten, lösungsorientierten Umgang mit konfligieren-den Gewohnheiten erster Ordnung führen zu können. Somit besteht kein grundsätzlicher Gegensatz zwischen Gewohnheit und Intelligenz, „but between routine, unintelligent habit, and intelligent habit or art“ (Dewey 1988, S. 55). Und je stärker und variabler diese reflexiven Gewohnheiten ausgeprägt sind, desto wahrscheinlicher ist für Dewey die Chance einer befriedigenden Bearbeitung des jeweiligen Konfliktes. Dementsprechend verspricht er sich eine intelligentere Handhabung von individuellen wie sozialen Kon-flikten durch eine Förderung dieser intelligenten Gewohnheiten. Dewey spricht in diesem Zusammenhang von der Notwendigkeit, derartige reflexive Gewohnheiten auszubilden: „What is necessary is that habits be formed which are more intelligent, more sensitively percipient, more informed with foresight, more aware of what they are about, more direct and sincere, more flexibly responsive than those now current“ (Dewey 1988, S. 90).

Der herausragende Stellenwert, den die Pädagogik innerhalb seines Werkes einnimmt, erklärt sich also in der Hoffnung, durch eine veränderte Schulpraxis die gesellschaftliche Verbreitung intelligenterer Gewohnheiten und mithin eine höhere Problemlösungskom-petenz gewährleisten zu können. Dewey begründet diese außerordentliche Relevanz, die er der Reform des Schulwesens zuschreibt, mit der Annahme, dass Kinder und Jugendli-che im Gegensatz zu den meisten Erwachsenen noch keine festen, rigiden Gewohnheiten ausgebildet haben.

35Gewohnheiten, Affekte und Reflexivität

Doch ist es nicht allein die Fähigkeit zur Erwerbung intelligenter Gewohnheiten, die Dewey und auch Mead zufolge den Menschen auszeichnet. Darüber hinaus ist er aufgrund seines Sprachvermögens in besonderer Weise fähig zum kooperativen Problemlösungs-handeln. Daraus ergibt sich für Dewey die Idee einer demokratischen Experimentierge-meinschaft. Über demokratische Kooperationsprozesse soll individuelles wie kollektives Wachstum ermöglicht werden, im Sinne der Überwindung von Handlungsblockaden.14

Dem liegt ein epistemisches Demokratieverständnis zu Grunde, dem zufolge die Ratio-nalität politischer Entscheidungen umso höher ist, je mehr unterschiedliche Perspektiven bei der Suche nach Problemlösungen beteiligt werden. Den Hintergrund hierfür bilden drei ineinander verschränkte Annahmen: Erstens die pragmatistische Überzeugung von der generellen Überlegenheit wissenschaftlicher Methoden gegenüber den Methoden der Autorität oder des Zufalls. Zum zweiten Deweys These, dass der wissenschaftliche Pro-zess selbst von seiner binnendemokratischen Struktur lebt. Je demokratischer er verfasst ist, umso vielfältiger sind die Hypothesen und umso wahrscheinlicher ist die Entdeckung neuer Problemlösungen. Drittens schließlich die Annahme, dass auch ethische, soziale und politische Probleme einer wissenschaftlichen Betrachtungsweise zugänglich sind und das Grundproblem der Moderne darin besteht, dass man sich bisher geweigert hat, Intelligenz und experimentelle Phantasie auch in diesen Bereichen zum Zuge kommen zu lassen. Dewey erhofft sich demgegenüber eine deutliche Verbesserung politischen Han-delns durch die Anwendung der wissenschaftlichen Methode.

An dieser Stelle muss Dewey jedoch vor einem geläufigen Missverständnis geschützt werden, einem Missverständnis, dem er durch eine recht undifferenzierte Verwendungs-weise des Ausdrucks ‚wissenschaftliche Methode’ selbst Vorschub geleistet hat. Wenn er von der Übertragung wissenschaftlichen Denkens auf den Bereich der Politik und der Moral spricht, dann predigt er damit keinen Szientismus, er hat auch keine sozialtechno-logische Utopie vor Augen. Beides ließe sich auch kaum mit seinem Demokratiever-ständnis vereinbaren. Ihm geht es vielmehr darum, dass der experimentelle Geist, wie er ihn am adäquatesten in den Naturwissenschaften verkörpert sieht, auch bei gesellschaft-lichen Konflikten Anwendung findet.

Zudem verschränkt Dewey dieses epistemische Verständnis von Demokratie mit einem umfassenden sozialen Demokratieverständnis, welches Demokratie als eine Lebensform begreift. Erst vor dem Hintergrund umfassender gesellschaftlicher Kooperationsbeziehun-gen könne nämlich jene Solidarität erzeugt werden, welche kollektiv verbindliche Prob-lemlösungen erfordern. Eben dadurch unterscheidet sich Deweys Demokratietheorie auch von heutigen Ansätzen einer deliberativen Demokratie, die sowohl die gesellschaftlichen Voraussetzungen als auch die emotionale Basis menschlichen Handelns ausblenden.15 Die

14 Vgl. zum Folgenden ausführlicher Jörke (2003, S. 203–38).15 Wie Axel Honneth (1999) zeigt, ist es gerade die Zusammenführung der Idee rationaler Deli-

beration mit einem normativ anspruchsvollen Konzept gesamtgesellschaftlicher Kooperations-beziehungen, welche seine Demokratietheorie gegenüber deliberativen Ansätzen auf der einen und republikanischen Theorien auf der anderen Seite als überlegen erscheinen lässt, die jeweils nur einen Pol betonen. Dewey vermeidet sowohl die deliberative „Vereinseitigung der Demo-kratie auf die politische Sphäre“ (ebd.:64), als auch die zu „starke Ethisierung der Politik“ (ebd.: 61) im Republikanismus.

36 F. Adloff und D. Jörke

Auseinandersetzung mit der deliberativen Demokratietheorie dient daher abschließend dazu, den sozialtheoretischen Ertrag des Pragmatismus anhand eines derzeit sehr populä-ren Modells zu illustrieren.

4 Eine pragmatistische Kritik des Modells deliberativer Demokratie

Die Grundintention des Modells einer deliberativen Demokratie ist bekanntlich, die rein aggregativen Verfahren der Entscheidungsfindung, wie sie das klassische Paradigma der liberalen Demokratie darstellen, durch solche Mechanismen zu ergänzen, die im Vorfeld der Entscheidung eine breite Diskussion garantieren. Die damit verbundene Hoffnung besteht in einer Steigerung der sachlichen Rationalität auf der einen und der demokrati-schen Legitimation auf der anderen Seite. Die Erhöhung der sachlichen Rationalität soll sich aus der Inklusion möglichst verschiedener Gesichtspunkte sowie aus einer Verringe-rung der Akzeptanzprobleme ergeben. Die Erwartung eines Gewinns an demokratischer Legitimität speist sich aus der grundlegenden Annahme, dass kollektiv verbindliche und somit auch zwingende Entscheidungen nur dann zu rechtfertigen sind, wenn die Adressa-ten der entsprechenden rechtlichen Normierungen auch gleichzeitig deren Autoren sind (Habermas 1992; Bohman und Rehg 1997). Dewey teilt mit Theorien einer deliberativen Demokratie die Annahme, dass der Austausch von Argumenten sowie die Verschränkung der jeweiligen Perspektiven wesentliche Bestandteile einer erfolgreichen Bearbeitung öffentlicher Probleme sind. Insbesondere in Die Öffentlichkeit und ihre Probleme (Dewey 1996) entwickelt er ein epistemisches Demokratieverständnis, welches die Rationalität politischer Entscheidungen an die Einbeziehung möglichst vieler Perspektiven bindet. Doch das ist nur ein Aspekt einer Aktualisierung pragmatistischer Einsichten.

Stellt man das hier im Anschluss an Dewey und Mead vorgelegte Konzept von Erfah-rung, Gewohnheiten und Affekten in Verbindung mit zeitgenössischen Theorien delibera-tiver Demokratie, zeigt sich deren rationalistische und kognitivistische Engführung (vgl. Weber 2012). Aus dieser Perspektive wird ersichtlich, dass der Deliberationsprozess zum einen auf grundlegenden Dispositionen oder Gewohnheiten der Diskursteilnehmer beruht, die zunächst in einem vorpolitischen Bereich erzeugt werden müssen. Zum anderen hängt das Gelingen des deliberativen Prozesses aber auch von spezifischen Gegebenheiten des Dis-kurses selber ab, Bedingungen, die gleichsam unterhalb der Schwelle der artikulierten, oder eben auch nicht vorgebrachten Argumente liegen. Argumentative Verständigungsprozesse leben weniger von einer nur kognitiven als von einer affektiven Dimension des sozialen Han-delns, ohne die sie ihre konsensuale oder vertrauensstiftende Kraft nicht entfalten können. Deliberationen sind immer soziale Praktiken, in denen neben rational-sachlichen auch soziale und identitätsstiftende Merkmale wie ein spezifischer Sprachgestus, eine gewisse Emphase, eine Stimmung oder auch das leidenschaftliche Eintreten für eine politische Überzeugung wirksam sind. Es sind die damit verknüpften Emotionen, Gestimmtheiten und vorbewussten Präferenzen der Beteiligten, deren Bedeutung für den Erfolg deliberativer Entscheidungspro-zesse maßgeblich ist. Diese werden im Rahmen der Theorie einer deliberativen Demokratie aber nicht, oder nur in unzureichender Weise, thematisiert. Somit geraten jene Dimensionen systematisch aus dem Blick, die für den Erfolg von Argumentationsprozessen mindestens ebenso wichtig sind wie die Überzeugungskraft der vorgebrachten Gründe.

37Gewohnheiten, Affekte und Reflexivität

Im Anschluss an die hier skizzierte pragmatistische Sozialtheorie lässt sich die kog-nitivistische Engführung korrigieren. Dewey und Mead zufolge sind Situationen immer durch das Ineinandergreifen von aktiven und passiven Erfahrungselementen gekenn-zeichnet, die zusammen deren sinnliche Einheit konstituieren. Auch die Diskursteilneh-mer befinden sich in einer solchen umfassenden Situation des Gebens und Nehmens, und der Austausch der Argumente ist dabei nur ein Aspekt, der getragen wird von einer Art vorbewusster Gestimmtheit in der jeweiligen Situation. Argumente überzeugen in der Regel nicht allein, sie müssen eine Koalition mit Gefühlen, Stimmungen, Emotionen und Wünschen eingehen. Nur in der Verbindung mit diesen Erfahrungsdimensionen können sie eine transformative Kraft entfalten. So stellt sich erstens die Frage, wie demokratische Partizipation dieser Seite menschlicher Erfahrung gerecht werden kann. Zweitens ist zu diskutieren, welche Hintergrundgefühle und Emotionen demokratischen Prozeduren und Engagementformen entgegenkommen. Nur derjenige, der das Gefühl hat, einen Unter-schied bewirken zu können, wird sich in demokratische Kooperations- und Konfliktfor-men hineinbegeben. Erscheint die Welt als von fremden Mächten gesteuert, fühlt man sich von ihr abgetrennt und entfremdet, vermögen auch keine guten Argumente vom Gegen-teil zu überzeugen. Es erscheint sinnvoll, hier von verschiedenen gesellschaftlichen Emo-tionsmilieus zu sprechen, die spezifische Hintergrundgefühle und typische Emotionen miteinander teilen (vgl. Schützeichel 2012b). Gefühle, die demokratische Partizipation mit ermöglichen, sind somit sozial und nicht nur psychologisch ungleich verteilt.16

Demokratische Ideale müssen fühlbar sein, dadurch sind sie erreichbar. Nur die „Ehe von Emotion und Intelligenz“ stellt für Dewey (2004, S. 286) eine Gewähr für die „Geburt besserer Institutionen“ dar. Dies bedeutet auch, dass Emotionen ein legitimer Platz in demokratischen Auseinandersetzungen gebührt. Denn vornehm zurückhaltende Zivilität ist die Waffe derjenigen, die über Macht verfügen; die tendenziell Ohnmächti-gen haben nur ihre Scham oder ihre Wut, die wiederum von den Mächtigen als illegitime Ausdrucksform abgelehnt wird (vgl. Adloff 2010). Gerade von Bourdieu lässt sich an die-ser Stelle lernen, wie Emotionen und Hintergrundgefühle habituell und sozialstrukturell ungleich verankert sind und in einem engen Verhältnis zu Herrschaftsverhältnissen stehen (Emirbayer und Schneiderhan 2012).17 Eine partizipative Demokratie muss, so ist wiede-

16 Dies wird im Anschluss an Untersuchungen von Barrington Moore auch von Honneth (1990) hervorgehoben. Honneth kritisiert Prozesse einer „normativen Klassenherrschaft“ (ebd.: 192), die in der Diskursethik nicht hinreichend reflektiert werden.

17 Die genuin soziologischen Theorieanteile sind bei Dewey nur unterkomplex ausgeprägt, ins-besondere im Bereich der Differenzierungs- und Ungleichheitstheorie. Zum wechselseitigen Ergänzungsverhältnis von Dewey und Bourdieu vgl. erneut Emirbayer und Schneiderhan (2012) und Schäfer (2012). Eine umfassende Integration beider Theorieperspektiven steht noch aus und kann an dieser Stelle nicht eingelöst, sondern nur eingefordert werden. Hier ist auch der Ort, an dem eine Integration der emotionssoziologischen Macht- und Statustheorien, ins-besondere der von Theodore Kemper (1991), in das hier vorgestellte Theoriemodell erfolgen müsste. Furcht, Scham und Schuld sind bspw. Emotionen, die sozialstrukturell mit geringer Macht und einem niedrigen Status einhergehen. Furcht entsteht nach Kemper bspw. in Situa-tionen unzureichender Macht eines Akteurs gegenüber einem anderen. Wird die Machtlosigkeit sich selbst zugeschrieben, entstehen daraus Gefühle der Unterordnung und Hilflosigkeit, die die bestehende Sozialstruktur wiederum stabilisieren.

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rum von Dewey zu lernen, eine emotional intelligente Demokratie sein (vgl. auch Shalin 2004). Dazu gehört auch die Schulung emotionalen Verstehens – sowohl von anderen als auch des Verstehens von sich selbst.

Danksagung: Unser Dank gilt Henning Hahn, den Teilnehmern des Erlanger Kolloquiums zur Sozial- und Kulturtheorie sowie zwei anonymen Gutachtern für hilfreiche Kritiken und Verbes-serungsvorschläge.

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Frank Adloff, Prof. Dr., hat seit 2010 den Lehrstuhl für Allgemeine und Kultursoziologie an der Universität Erlangen-Nürnberg inne. Forschungsschwerpunkte: Soziologische Theorie und Kul-tursoziologie, Soziologie der Emotionen, Zivilgesellschaft und Philanthropie. Veröffentlichun-gen: Adloff, Frank (2010): Philanthropisches Handeln. Eine historische Soziologie des Stiftens in Deutschland und den USA. Frankfurt/New York: Campus. Adloff, Frank (2012): Zwischen Aktivi-tät und Scham: Eine kultur- und emotionssoziologische Perspektive auf die Anti-Aging-Medizin. In: Silke Schicktanz/Mark Schweda (Hg.): Pro-Age oder Anti-Aging? Altern im Fokus der moder-nen Medizin. Frankfurt/New York: Campus, S. 327–343.

Dirk Jörke, PD Dr., ist Heisenbergstipendiat der Deutschen Forschungsgemeinschaft am Insti-tut für Politik- und Kommunikationswissenschaft der Universität Greifswald. Forschungsschwer-punkte: Demokratietheorien, Ideengeschichte und Pragmatismus. Veröffentlichungen: Kritik demokratischer Praxis. Eine ideengeschichtliche Studie. Baden-Baden: Nomos 2011. Demokra-tie in neuen Räumen. Ein theoriegeschichtlicher Vergleich. In: Österreichische Zeitschrift für Politikwissenschaft.


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