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Date post: 31-Dec-2016
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SCHWERPUNKT Inklusion und Mannschaftssport – passt das? In Hessen gibt es erste Ansätze. Aber noch spielen behinderte Sportler in einer eigenen Liga. SEITE 4 VITOS Jede Minute zählt bei der Therapie von Schlaganfallpatienten. Die Stroke Unit der Neurologischen Klinik Vitos Weilmünster ist darauf spezialisiert. SEITE 22 MENSCHEN Menschen mit Asperger-Syndrom brauchen oft Unterstützung im Alltag. Die Behindertenhilfe Offenbach bietet Betreutes Wohnen für sie. SEITE 26 ZWEITE HEIMAT Manuela Griep lebt in Hofgeismar Baunataler Diakonie AUSGABE 02.15
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SCHWERPUNKTInklusion und Mannschaftssport – passtdas? In Hessen gibt es erste Ansätze. Aber noch spielen behinderte Sportler in einer eigenen Liga. SEITE 4

VITOS Jede Minute zählt bei der Therapie von Schlaganfallpatienten. Die Stroke Unit der Neurologischen Klinik Vitos Weilmünster ist darauf spezialisiert. SEITE 22

MENSCHENMenschen mit Asperger-Syndrom brauchen oft Unterstützung im Alltag. Die Behindertenhilfe Offenbach bietet Betreutes Wohnen für sie. SEITE 26

ZWEITEHEIMAT

Manuela Griep lebt in Hofgeismar

Baunataler Diakonie

AUSGABE 02.15

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am 27. Januar haben wir die offizielle hessische Gedenkveranstaltung für die Opferdes Nationalsozialismus bei uns im Ständesaal ausgerichtet. Neben dem Minister-präsidenten, dem Landtagspräsidenten und Mitgliedern des Kabinetts konnten wireine Reihe bedeutender Gäste aus Politik und Gesellschaft begrüßen. Konsens derVeranstaltung war, sich zu dem schweren Erbe des Nationalsozialismus zu beken-nen, die Verbrechen nicht zu vergessen und der ermordeten Menschen zu gedenken.Mehr zur Gedenkveranstaltung finden Sie in dieser LWVkonkret-Ausgabe.Über diese Veranstaltungen hinaus müssen wir uns in unserem täglichen Handelndafür einsetzen, dass die Würde des Einzelnen gewahrt ist. Das gilt vor allem auchim Umgang mit jenen Menschen, die unserer Unterstützung bedürfen. Deren In-teressen sollten wir im Blick haben, mit ihnen sollten wir reden, wenn wir über Un-terstützungsmaßnahmen entscheiden. Deshalb sind wir mit der Forcierung derpersonenbezogenen Einzelfallhilfe auf dem richtigen Weg.

Wichtig ist der persönliche Kontakt, beispielsweise so, wie er alljährlich auf demHessentag stattfinden kann. Traditionell hat der LWV dort einen Partner, dessen Auf-gaben am LWV-Stand präsentiert werden. Behinderte Menschen sind täglich amStand, zeigen Aktivitäten, die zu ihrem Alltag gehören, und kommen mit Mitarbei-tern und Besuchern ins Gespräch. So hatschon mancher Standbesucher neben Kugel-schreibern und Faltblättern neue Eindrückeund Erkenntnisse mit nach Hause genom-men. Der diesjährige Partner des LWV aufdem Hessentag ist die Baunataler Diakonie Kassel (bdks), die über verschiedeneWohn- und Arbeitsangebote in Hofgeismar verfügt. Gewinnen Sie beim Lesen einenersten Eindruck der bdks und besuchen Sie uns dann ab Ende Mai in Halle 1 der Landesregierung.

Eine andere gute Gelegenheit, sich kennenzulernen, ist der Sport. Ihm kommt aufdem Weg zur Inklusion eine große Bedeutung zu. Das ist unser Schwerpunkt-Themain diesem Heft. Wir wünschen viel Freude beim Lesen und vielleicht auch beim Mit-machen. Mit den anderen Beiträgen dieses Heftes, etwa über die Stroke Unit derVitos Klinik für Neurologie Weilmünster, liegt Ihnen eine thematisch bunte The-menpalette vor.

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EDITORIAL

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Liebe Leserinnen und Leser,

Uwe BrückmannLandesdirektor des LWV und Aufsichtsratsvorsitzender der Vitos GmbH

Uwe Brückmann

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04 SCHWERPUNKT

Sport ist Leidenschaft und Emotion. Er verbindet Menschen. Was daraus entstehen kann, zeigt das Team United aus Friedrichsdorf-Köppern. Denn bunter kann eine Fußballmannschaft kaum sein: Für dieses Team laufen Jungs und Mädchen mit und ohne Handicap im Alter zwischen 10 und 25 Jahren auf. Das gleiche Ziel mit einem ganz anderen Kon-zept verfolgt der Handballverein HSG Baunatal: Dessen Fan-Projekt „Freude geben“ richtet sich ausschließlich an behinderte Menschen.

09 PARLAMENT

Deutlich mehr behinderte Menschen werden 2015 Unterstützung durch den LWV benötigen. Das spiegelt sich im jetzt beschlossenen Haushalt wider.

12 EINBLICKE

Der Wohnverbund Nord der Baunataler Diakonie Kassel präsentiert sich gemeinsam mit dem LWV auf dem Hessentag in Hofgeismar (Stand 107 in Halle 1 der Landesausstellung). Wir stellen Bewohnerin Manuela Griep vor.

16 WISSENSWERT

130 Gäste kamen zur landesweiten Gedenkveran-staltung für die Opfer des Nationalsozialismus ins Kasseler Ständehaus. Über dies und andere Ereig-nisse des ersten Quartals 2015 berichten wir unter Wissenswert.

22 VITOS

Egon Schamp hatte Glück im Unglück: Nach seinem Schlaganfall kam er sofort in die Neurologische Klinik von Vitos Weilmünster. Durch die Behandlung in der dortigen Stroke Unit konnten die Folgeschä-den abgemildert werden.

26 MENSCHEN

Alexander Leibelt ist Asperger-Autist und lebt seit mehr als einem Jahr in einer eigenen Wohnung. Möglich wurde das durch das spezielle Angebot der Behindertenhilfe Offenbach in Dietzenbach. Ein Modell, das hessenweit eine Vorreiterrolle einnimmt.

30 WER? WO? WAS?

Personalien und Veranstaltungshinweise

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INHALT

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IMPRESSUM

LWVkonkret. Zeitschrift des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen

HerausgeberLandeswohlfahrtsverband HessenÖffentlichkeitsarbeit Ständeplatz 6 - 10, 34117 KasselTel. 0561 1004 - 2213 / 2368 / 2536Fax 0561 1004 - [email protected]

RedaktionElke Bockhorst (ebo) (verantw.)Rose-Marie von Krauss (rvk)

Redaktionsmitarbeit Monika Brauns (mbr)Gisela Heimbach (hei)Philip Scharf (psh)

SatzSabine Dilling, Kassel

Druck Die Graphische, Kassel

Erscheinungstermin: April 2015

Redaktionsschluss 3. März 2015

Redaktionsschluss nächste Ausgabe 2. Juni 2014

Texte dieser Zeitschrift – auch Auszüge –dürfen nur unter Angabe der genauenQuelle und gegen Übersendung eines Belegexemplars genutzt werden.

LWVkonkret finden Sie unter www.lwv-hessen.de auch im Internet.

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Gemeinsam auf Torjagd

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FRIEDRICHSDORF / BAUNATAL. Letztes Training vor dem ersten Fußballturnier: Der quirligeBlondschopf läuft sich frei, wird von A-Jugendspieler Tim angespielt, dreht sich, stürmtmit dem Ball auf Torhüter Modi zu. Der macht sich groß, lenkt den Schuss gekonnt ab.Aber Pascal Matthäus gibt nicht auf – der 20-Jährige mit Downsyndrom entpuppt sich als ausdauernder Stürmer, der sich Chance um Chance erspielt und am Ende diemeisten Treffer verbuchen kann.

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Trainer Bruno Pasqualotto und Thorsten Pichawaren die treibenden Kräfte, als es um die Grün-dung des Teams beim SV Teutonia Köppern ging.„Ich hatte in der D-Jugend einen Spieler mit geisti-ger Beeinträchtigung. Er wurde von der Mann-schaft prima aufgenommen, hat sich toll ent-wickelt und hat großen Spaß an unserem Sport.Uns war klar, dass es noch mehr Kinder und Ju-gendliche mit Handicap gibt, die nur zu gerne Fuß-ball spielen würden. Aber irgendwann können siein einer regulären Mannschaft nicht mehr mithal-ten. So entstand die Idee für Team United“, schil-dert Bruno Pasqualotto. Das erste Trainingabsolvierten sie mit fünf Spielern. Inzwischen sindes bis zu 32. Einer kommt sogar aus Mainz. Die mei-sten sind jedoch aus Frankfurt, der Wetterau unddem Hochtaunuskreis.

FREUNDSCHAFTSSPIELE MIT ALLENNoch sind solche Sportangebote rar. Daher kanndas Team aus Jugendlichen mit und ohne Handi-cap nur bei Freundschaftsspielen in dieser Forma-tion auflaufen. Denn so bunt die Mannschaft auchist, für Turniere und Punktspiele gelten eigene Re-

geln in der Hessenliga Fußball für Menschen mitintellektueller Beeinträchtigung des Hessischen Be-hinderten- und Rehabilitations-Sportverbandes.„Eigentlich dürfen nur Spieler ab 15 Jahren miteiner geistigen Beeinträchtigung spielen“, erklärtder Coach. Immerhin hat Team United erreicht,dass auch körperlich behinderte Jugendliche spie-len dürfen. „Wir wollen nicht auch noch unter-scheiden zwischen intellektueller und körperlicherBehinderung. Die Kids erleben oft genug, dass sieausgegrenzt werden. Da möchten wir ganz be-wusst gegensteuern“, betont Thorsten Picha.

Thorsten Picha

ERFOLGREICH:Bruno Pasqualotto (r.) und sein Team

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HANDBALLBEGEISTERT:Johannes Montua, Peter Norwig, Sebastian Luckardt,

Christoph Jakobi, Jan Juris, Dennis Schanze

Bewohner der Baunataler Diakonie Kassel teilneh-men, aus dem Fan-Projekt „Freude geben“. Seit fünfJahren organisiert die HSG den Fahrdienst zu denSpielen ihrer ersten Herrenmannschaft und küm-mert sich in der Halle um die behinderten Gäste.„Heute kommen regelmäßig bis zu zehn Heimbe-wohner zu den Spielen. Das Miteinander und dieAtmosphäre in der Halle haben sich durch die Herz-lichkeit dieser Besucher positiv verändert. Und dieMitarbeiter der Diakonie berichten, dass die Hand-ball-Fans offener auf andere zugehen und eigen-ständiger geworden sind“, berichtet Peter Norwig. Schon bei den ersten Besuchen zeichnete sich ab,dass es allein beim Zuschauen nicht bleiben würde.„Wir merkten schnell, dass einige unbedingt selbstspielen wollten“, schmunzelt der Vereinsvorsit-zende. Die Rückmeldungen von Angehörigen derTeilnehmer und von Mitarbeitern der Diakonie sinddurchweg positiv. Die motorischen Fähigkeiten ver-bessern sich enorm. Und wer ins Training kommt,wird auch kommunikativer. „Wenn ein Bewohner,der nie gesprochen hat, plötzlich strahlend vom Hand-balltraining erzählt, sind auch die Mitarbeiter derDiakonie völlig von den Socken“, lächelt Peter Norwig.

VOM HANDBALL-FAN ZUM SPIELERDennoch sind die Fußballer aus dem Taunus denHandballern aus Baunatal einen Schritt voraus: Siehaben Mannschaften, mit denen sie sich messenkönnen. „Ich bin da immer noch auf der Suche“,räumt Peter Norwig ein, der Vorsitzende der HSGBaunatal und Trainer einer kleinen, aber feinenGruppe von körperlich, geistig und seelisch behin-derten Handballern. Entwickelt hat sich dieses An-gebot, an dem jede Woche etwa acht erwachsene

Die Spieler Fabian Struff und Christoph Reinbold mit Fans aus dem Projekt Freude geben.

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SCHWERPUNKT

Inklusion ist zunehmend auch in Sportvereinen ein wichtigesThema. Ziel ist es, diese Angebote auszuweiten. Denn noch vielzu selten sind behinderte und nicht behinderte Menschen ge-meinsam aktiv. Inzwischen hat das Thema auch den Fußball erreicht. „Wir haben vom Hessischen Fußballverband aus 2.100Vereine angeschrieben mit Blick auf ihr Interesse an Inklusion. 158 Vereine haben uns geantwortet. Darunter sind zwei,die versuchen, ein solches Team aufzubauen“, berichtet Thorsten Picha, Beauftragter für behinderte Menschen beimHessischen Fußballverband.

Der Hessische Behinderten- und Rehabilitations-Sportverband e.V. (HBRS) hat eine eigene Abteilung für Fußball eröffnetund organisiert eine Fußball-Liga für geistig behinderte Menschen. In der zweiten Saison seit Bestehen dieser Liga gehen2015 sieben Teams auf Punktejagd. Dies bietet behinderten Fußballern die Chance, regelmäßig bei Spielen zum Einsatzzu kommen. Auf lange Sicht strebt der HBRS auch eine Öffnung für nicht-behinderte Spieler an. dam

Weitere Informationen bei Thorsten Picha, Telefon 0178 1403108, oder bei Michael Trippel von der Fußball-Abteilungdes HBRS unter [email protected]

HINTERGRUND

EINE LIGA FÜR SICH

In der Fußballhalle verfolgt Modi gespannt das Trei-ben auf dem Spielfeld. Er ist seit der D-Jugend inKöppern aktiv, gehört von Beginn an zum Team.„Wir haben tolle Fortschritte gemacht. Jetzt sindwir reif, auch gegen andere Mannschaften zu spie-len“, zieht der 17-Jährige Bilanz. Er hat bereits in derregulären Jugendmannschaft Spielpraxis gesam-melt und hat als Ersatztorwart bei der B-Jugendmitgewirkt. „Felix lauf – und jetzt zu Pascal!“,schreit er. Wenige Sekunden später ein weiteres Torfür Pascal Matthäus. „Jaaaaaaah!“, tönt es durchdie Halle, während der Stürmer strahlend übersSpielfeld flitzt. Nicole Rauber-Jung aus Königsteinschaut ihrem 13-jährigen Sohn Felix regelmäßigbeim Training zu: „Wir sind so glücklich, dass esüberhaupt ein Angebot für behinderte Kinder gibt,die Fußball spielen wollen. Felix bewegt sich viel lie-ber, seit er regelmäßig trainiert.“ Diese Erfahrung hat auch Ibrahim Korkmaz ausOberursel gemacht. Wann immer es seine Arbeitzulässt, übernimmt er den Fahrdienst für eine gan-ze Gruppe. Seit sein Sohn Burkan hier kickt, ist dieganze Familie im Fußballfieber. „Es fasziniert michimmer wieder. Die Jungs haben durch den Fußballihre Angst überwunden, vom Ball getroffen zu wer-den, mal geschubst zu werden oder zu stolpern. Esmacht Spaß, ihre Freude am Spiel zu erleben undan ihren Fortschritten teilzuhaben“, betont er.

DER SPASSFAKTOR IST HOCHZu diesen Fortschritten tragen die Spieler aus denübrigen Jugend-Mannschaften des Vereins bei, diezusätzlich beim Team United mitkicken. Diesmalsind von den 18 Trainingsteilnehmern drei Jungsaus der A-Jugend. „Oft sind auch andere Alters-gruppen vertreten, und häufig auch mehr alsheute“, erzählt Thorsten Picha. Tim beispielsweise.Er und die beiden anderen A-Jugendspieler sind aufverschiedene Trainingsgruppen verteilt, versuchen,ihre Mitspieler gut ins Spiel zu bringen. „Insgesamtsind die Übungen und die Spiele etwas langsamer,dafür ist der Spaßfaktor hier extrem hoch. DieFreude der anderen Spieler überträgt sich“, lachtder 17-Jährige.

„Der Trainer ist cool“, sind sich Jungs und Mädcheneinig. „Das Trainerteam leistet tolle Arbeit“, unter-streicht Nicole Rauber-Jung. Bruno Pasqualottofreut sich still über solche Komplimente. Er sagtaber auch: „Die ganze Gruppe ist so begeistertdabei. Da macht es als Trainer unglaublich vielSpaß. Da kommt so viel zurück.“ Diese Erfahrungwollen er und seine Trainerkollegen gerne weiter-geben. Noch sind es nur wenige Vereine, die eineähnliche Richtung einschlagen. „Aber wir hoffen,dass wir andere begeistern und mitziehen können“,betont Thorsten Picha. Stella Dammbach

IM GLEICHGEWICHT: Training beim HSG

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PARLAMENT

Die Abgeordneten der Verbandsversammlung haben am 18.März einstimmig den Haushalt für 2015 verabschiedet. Da-nach wird das Haushaltsvolumen im Vergleich zum Vorjahrum rund 77 Mio. auf 1,786 Milliarden Euro steigen. „DieseSteigerung ist im Wesentlichen auf die steigende Zahl derMenschen mit Unterstützungsbedarf zurückzuführen. Wirrechnen mit 1.200 mehr Leistungsberechtigten als im ver-gangenen Jahr“, so LWV-Landesdirektor und Kämmerer UweBrückmann. „Das zeigt uns, dass wir nach wie vor richtigdamit liegen, ambulante Angebote auszubauen. Sie bremsenden Kostenanstieg und sie fördern die Selbstbestimmung derbehinderten Menschen.“ So wird die Ambulantisierungsquotein diesem Jahr auf 53,2 Prozent steigen: 15.949 Menschenwerden in der eigenen Wohnung betreut, 14.006 in einerWohneinrichtung. Das LWV-Haushaltsvolumen von 1,786 Milliarden Euro wirdüberwiegend von den hessischen Landkreisen und kreisfreienStädten finanziert. Sie zahlen über die Verbandsumlage rund1,204 Milliarden Euro an den LWV. Der Umlagehebesatz kanndamit um 0,13 auf 13,18 Prozentpunkte leicht sinken. Hinzukommen Zuweisungen aus dem kommunalen Finanzaus-gleich in Höhe von rund 110,5 Millionen Euro, die damit er-neut leicht gestiegen sind. 6,8 Millionen werden aus Rück-lagen vergangener Jahre bestritten.

1,47 MILLIARDEN EURO SOZIALHILFEDie überörtliche Sozialhilfe ist mit rund 1,47 Milliarden Euroder größte Posten bei den Ausgaben. Das sind über 82,3 Pro-zent des Gesamthaushalts. Dazu gehören auch die Leistun-gen im stationären und im Betreuten Wohnen sowie dieLeistungen für die Beschäftigten in einer Werkstatt für behin-

derte Menschen oder auf einem Betriebsintegrierten Be-schäftigungsplatz. Der LWV ermöglicht so passgenaue Unter-stützungsleistungen für rund 56.500 behinderte Menschen.Viele von ihnen erhalten mehr als eine Leistung: Sie besuchenregelmäßig eine Tagesstätte oder sind in einer Werkstatt be-schäftigt und werden in ihren Wohnungen oder einer statio-nären Einrichtung unterstützt. Laut Haushalt 2015 gibt der LWV rund 32,3 Millionen Euro fürseine Förderschulen aus, an denen 1.886 Mädchen und Jun-gen unterrichtet werden. 1.793 Kinder und Jugendliche besu-chen eine Regelschule und werden ambulant unterstützt. Inden angegliederten interdisziplinären Frühberatungsstellenwerden 823 sinnesgeschädigte Kinder bereits im Vorschulal-ter von Sozialpädagoginnen gefördert.In diesem Jahr gewährt die Hauptfürsorgestelle in 4.189 Fäl-len Unterstützung für Kriegsopfer und ihre Hinterbliebenen,Wehr- und Zivildienstgeschädigte, Impfgeschädigte und Opfervon Gewalttaten, die gesetzlich anerkannt sind. Dafür wirdder LWV in diesem Jahr voraussichtlich 41,8 Millionen Euroaufwenden, die im Wesentlichen (90,4 Prozent) vom Bund unddem Land Hessen finanziert werden.Die Ausgaben des Integrationsamtes werden über die Aus-gleichsabgabe finanziert: Sie wird von Firmen gezahlt, die we-niger schwerbehinderte Menschen beschäftigen als gesetz-lich vorgeschrieben. Mit rund 61,81 Millionen Euro unterstütztlaut Haushaltsplan das Integrationsamt schwerbehinderteMenschen an ihrem Arbeitsplatz. Es berät Firmen, die Ar-beitsplätze behinderungsgerecht umgestalten, und gibt finanzielle Hilfen. Zudem beauftragt es Integrationsfach-dienste, die schwerbehinderte Arbeitnehmer/innen an ihremArbeitsplatz begleiten und unterstützen. rvk/ebo

LWV-HAUSHALT 2015 VERABSCHIEDET

ERNEUT MEHR MENSCHEN MIT UNTERSTÜTZUNGSBEDARF

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PARLAMENT

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DIE FRAKTIONEN DER VERBANDSVERSAMMLUNG ZU WICHTIGEN THEMEN

Fritz Kramer, Bardo Bayer, Albrecht Fritz, Michael Thiele, Nils Weigand

FRITZ KRAMER, CDU-FRAKTIONSVORSITZENDER

GEDENKEN AN DIE OPFER DES NATIONALSOZIALISMUS

Alt-Bundespräsident Roman Herzog proklamierte am 3. Ja-nuar 1996 den 27. Januar, den Tag der Befreiung des Konzen-trationslagers Auschwitz-Birkenau im Jahre 1945 durch dieSoldaten der Roten Armee, zum Tag des Gedenkens an dieOpfer des Nationalsozialismus mit folgenden Worten: „Die Erinnerung darf nicht enden; sie muss auch zukünftige Ge-nerationen zur Wachsamkeit mahnen. Es ist deshalb wichtig,nun eine Form des Erinnerns zu finden, die in die Zukunft wirkt.Sie soll Trauer über Leid und Verlust ausdrücken, dem Gedenkenan die Opfer gewidmet sein und jeder Gefahr der Wiederholungentgegenwirken.“

Am 27. Januar dieses Jahres fand die landesweite Gedenkver-anstaltung im Ständehaus des LWV in Kassel statt. Dr. GerritHohendorf schilderte in seinem Vortrag sehr eindringlich, dassauch die ehemalige Landesheilanstalt in Hadamar eine der Tö-tungsanstalten der sog. „Aktion T4“ war. Daran müssen wir uns als Parlamentarier der Verbandsver-sammlung immer erinnern. Die Gedenkstätte des LWV Hes-sen in Hadamar leistet dazu einen großen Beitrag, um auchjüngere Menschen über dieses dunkle Kapitel der Geschichteaufzuklären, damit die Verbrechen nicht in Vergessenheit geraten.

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BARDO BAYER, STELLV. FRAKTIONSVORSITZENDER SPD UNDALBRECHT FRITZ, FRAKTIONSVORSITZENDER FWANHÖRUNG ZU PERSEH DRINGEND NOTWENDIG

SPD und FW haben eine Anhörung zu PerSEH beantragt. DerHaushalts- und Sozialausschuss werden mit kommunalenVertretern, den Leistungserbringern und den Behindertenver-bänden über die bisherigen Erfahrungen mit PerSEH diskutie-ren. Zudem sollen kontroverse Positionen zu einer künftigenPerSEH-Organisation und Differenzen, was die Beteiligung beider inhaltlichen Ausgestaltung von PerSEH betrifft, bespro-chen werden.

Bei unseren kommunalen Trägern, der Liga und den Einrich-tungsträgern ist große Unsicherheit vorhanden, wie es wei-tergeht mit PerSEH. Im Dezember 2013 hat die Verbands-versammlung die hessenweite „Einführung von PerSEH in mo-difizierter Form (PerSEH 1.1)“ beschlossen. In gemeinsamenArbeitsgruppen sollte die konkrete Ausgestaltung erarbeitet

werden. Keine der AGs hat bis heute getagt. Zentrale Fragensind offen: Sie betreffen den Teilhabeplan (ITP). Die Zukunftder Hilfeplankonferenzen ist ungeklärt. Wie sieht das Konzeptzur zukünftigen Bedarfsermittlung und zur Teilhabeberatungaus? Überdies fehlt eine nachvollziehbare Berechnung übereinen künftigen Stellenmehrbedarf.

Es gibt interne Prognosen über 135 zusätzliche neue Stellennach vollständiger Einführung von PerSEH. Wer soll das be-zahlen? Wo liegt der wirtschaftliche Nutzen für die kommu-nalen Träger des Verbandes? Die xit GmbH beziffert in ihremGutachten vom 16.05.2013 den hessenweiten Effekt auf ca. 5Mio. Euro p.a. Bei 135 zusätzlichen Stellen liegen die Kostenpro Jahr schon deutlich über den möglichen Einsparpotentia-len. Im Haushalt 2015 sind jetzt 34 neue Stellen veranschlagt,

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MICHAEL THIELE, FRAKTIONSVORSITZENDER BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

ZUR ZUKUNFT DER ERINNERUNG

Am 26.03.1945 befreiten amerikanische Truppen Hadamarund erst mit diesem Tag endete auch das Morden an behin-derten Menschen auf dem Mönchberg. Heute, 70 Jahre da-nach, erinnern wir an die Opfer der Euthanasiemorde, an ihreEntrechtung, Verfolgung und Ermordung in den zwölf Jahrender Nazidiktatur.

Nur, was heißt sich erinnern? Was bedeutet es zu gedenken?Um unsere Gegenwart zu verstehen und unsere Zukunft besser zu gestalten, brauchen wir die Erinnerung. Insbe-sondere für den Landeswohlfahrtsverband ist diese schreck-liche Erinnerung eine Herausforderung und ein Ansporn, einebessere und inklusive Welt für behinderte Menschen zu ermöglichen. Es war ein langer Weg in den vergangenen 70 Jahren, sich immer wieder dieser Aufgabe zu stellen undneue Wege aufzuzeigen. Nach der Ermordung von über

200.000 behinderten Menschen gab es nur wenige, die dieVerbrechen überlebt hatten. Diese lebten zumeist in Groß-einrichtungen oder dem Elternhaus. Erst vor 40 Jahren entstanden die ersten Werkstätten für behinderte Menschenund danach die ersten gemeindenahen Wohneinrichtungen.Es bestand immer ein Mangel an gemeindenahen Versor-gungsmöglichkeiten. Dies änderte sich erst in den vergange-nen 20 Jahren mit der gezielten Ausweitung der ambulantenHilfen.

Heute ist der Landeswohlfahrtsverband ein moderner über-örtlicher Sozialhilfeträger, der führend in der Umsetzung eineshumanen und deshalb personenzentrierten Hilfeansatzes fürbehinderte Menschen ist. Dies ist ein Werk mehrerer Genera-tionen von MitarbeiterInnen und PolitikerInnen und mankönnte sagen: „Wir haben verstanden.“

NILS WEIGAND, FDP FRAKTION

FDP FÜR INKLUSION PLUS FÖRDERSCHULEN

Die FDP-Fraktion in der Verbandsversammlung setzt sich seitjeher für den Erhalt und den Ausbau der hervorragend aus-gestatteten LWV-Förderschulen ein. Zum Landesparteitag derFDP Hessen wurde ein Antrag zur Wahlfreiheit zwischen derinklusiven Regelschule und der Förderschule eingebracht. Mitder einstimmigen Annahme dieses Antrages setzten die Libe-ralen ein starkes Zeichen für den Erhalt der Förderschulen inHessen. In letzter Zeit gab es in diversen Bundesländern dieBestrebung, die Förderschulen zu Gunsten der Regelschulenaufzugeben. Dies trifft bundesweit auf den Widerstand derbetroffenen Eltern, die eine Vielzahl von Initiativen zum Erhaltder Förderschulen gegründet haben.

Die UN-Konvention enthält nämlich keine Aussage darüber,welche Schulen es in Deutschland geben soll. Die Schließung

der Förderschulen wird in der Behindertenrechtskonventionnicht gefordert. Tatsächlich heißt es darin: Maßnahmen fürbehinderte Menschen sind nicht als Diskriminierung zu wer-ten. Im Gegenteil diskriminiere man Kinder, wenn man För-derschulen schließe.

Die FDP-Fraktion hat sich von Anfang an dafür stark gemacht,dass die Inklusion an Regelschulen ein wertvoller Ansatz fürSchüler mit Handicap sein kann, ebenso aber – je nach Elternwille und dem spezifischen Bedarf des Kindes – die Förderschulen für Kinder mit besonderen pädagogischen An-forderungen unerlässlich sind. Daher soll nach dem Willen der FDP-Fraktion eine Wahlfrei-heit zwischen beiden Schulformen ermöglicht werden, wobeidie Förderschulen nicht ausbluten dürfen.

finanziert über die steigende Verbandsumlage. Deshalb er-sucht die Verbandsspitze Landkreistag und Städtetag um Zu-stimmung. Sie verspricht, der personelle Mehraufwand werde„durch zu erwartende Steuerungseffekte mehr als kompen-siert“, so dass im Ergebnis der Gesamtaufwand in der Einglie-derungshilfe geringer sein wird, als ohne diesen Aufwand. Dasklingt verheißungsvoll! Aber eine Kalkulation über Einsparef-fekte liegt nicht vor, versprochene Synergieeffekte werdennicht aufgezeigt.SPD und FW fordern, dass zunächst in drei Pilotregionen un-geklärte Organisations- und Inhaltsfragen erprobt und fiska-

lische Effekte evaluiert werden. Vor allem der kommunale Vor-schlag, gemeinsame Teilhabestützpunkte vor Ort einzurich-ten, sollte dabei berücksichtigt werden.

Das neue Bundesteilhabegesetz wird die personenbezogeneEinzelfallhilfe regelhaft vorgeben. Hier kann der LWV mit Per-SEH beispielgebend sein. Das unterstützen wir. Allerdingsmuss die weitere Umsetzung von PerSEH auf mehr Koopera-tion setzen. Wir brauchen gründlich durchdachte, exaktdurchgerechnete praktikable Lösungen, die in erster Linie denMenschen helfen.

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EINBLICKE

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Nie ohne Wolfgang

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HOFGEISMAR. Manuela Griep setzt sich anihren Schreibtisch und holt das Mensch-ärgere-dich-nicht-Spiel hervor. Bedächtigklappt sie das Brett auseinander, legt es aufden Schreibtisch und beginnt, die Spielsteinezu verteilen. Ins Haus der gelben Steine setztsie drei gelbe und einen blauen Spielstein.„Bei den Gelben fehlt mir einer“, erklärt Manuela Griep. Offenbar kein Problem fürsie. Sie beginnt zu spielen, ganz allein.

„Sie spielt häufig gegen sich selbst“, erklärt Betreuerin SylkeDomes und lacht. „Sie versucht dabei auch, sich selbst übersOhr zu hauen.“Manuela Griep ist eine selbstbewusste und eigenwillige Per-son. Wenn sie erzählt, gehen ihre Phantasie und ihr Tempera-ment mit ihr durch. Sie berichtet ausschweifend von Aus-flügen spätabends in der Stadt. So richtig klar wird dabei nicht,ob sich das wirklich so ereignet hat. Aber Manuela Griep schil-dert alles sehr realistisch. „Ich habe mir dann für halb elf einTaxi bestellt, um zurückzufahren“, sagt sie. „Ich muss ja mor-gens früh raus.“ Manuela Griep erzählt ein wenig atemlos – und sie springtvon einem Thema zum nächsten. Nicht leicht ihr zu folgen.Wenn sie redet, lacht sie viel. Und blickt sich unterneh-mungslustig in ihrem Zimmer um. Sie lebt in der WohngruppeLöffelburger Weg in Hofgeismar, die von der Baunataler Dia-konie Kassel (bdks) getragen wird. Hier hat sie ihr zweites Zuhause gefunden. „Wir legen sehr viel Wert auf eine fami-lienähnliche Atmosphäre, in der jeder seinen Platz hat“, sagtSylke Domes.

MUSIKGRUPPE SAITENWINDManuela Griep ist inzwischen gedanklich bei einer der jüng-sten Chorproben von Saitenwind, der Musikgruppe der bdks.Viele Diskussionen habe es da gegeben, was nun überhauptgesungen werden solle, berichtet sie. „Halleluja habe ich mirgewünscht. Aber der Willi fehlte!“ Ohne ihn war der Chor, des-sen Repertoire von Gospel bis Schlager reicht, offensichtlichnicht stimmgewaltig genug. Dann wurde „Wochenend‘ undSonnenschein“ geschmettert, berichtet sie weiter. „Ich habemitgesungen, obwohl ich nicht sollte. Die Strophen singtimmer nur Klaus…“

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EINBLICKE

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Tagsüber geht Manuela Griep – wie ihre 15 Mitbewohnerin-nen und Mitbewohner am Löffelburger Weg - in die Werkstattfür behinderte Menschen. Sie muss Zylinderschrauben inkleine Metallplatten drehen, erklärt sie. „Ich habe mal Türm-chen daraus gebaut“, erzählt sie. „Hinterher musste ich alleswieder sortieren.“ Manchmal geht es eben mit ihr durch. Inder Werkstatt arbeitet auch ihr Freund Miky. Mit ihm ist sienach Feierabend viel unterwegs, am Wochenende gehen siemanchmal ins Café Wunderbar. Beim letzten Mal, so erzähltsie, kamen zum Glück auch ihre Eltern, denn sie und Miky hat-ten kein Geld für Kaffee und Kuchen eingesteckt. „Meine El-tern haben ihm einen ausgegeben“, erzählt sie stolz.

CAFE WUNDERBARIm Café Wunderbar arbeitet Manuela Griep bisweilen auch.Sie hat das Café auf dem Gelände des Wohnverbundes mit insLeben gerufen. Es wird von den behinderten Bewohnern undihren Betreuern organisiert. Den Kuchen backen sie selbst.„Jürgen Vogt, der backt“, erklärt Manuela Griep, „aber ichnicht!“ Sie bedient. Doch am liebsten trinkt sie dort ein Täss-chen Kaffee und isst von dem selbst gebackenen Kuchen. DasCafé ist nur einmal im Monat geöffnet, doch dann kommendie Gäste aus der ganzen Stadt. „Unser Inklusionsprojekt“,sagt Wohnverbundsleiterin Mechthild Scheld-Ast lächelnd.„Das wird so gut angenommen, dass wir bislang noch keineinziges Mal werben mussten.“Aber auch an anderen Tagen ist Manuela Griep viel unter-wegs. Sie liebt Einkaufsbummel, geht zum Rehasport und be-sucht regelmäßig ihren Freund Miky. Manchmal sucht siesogar selbstständig ihre Ärzte auf. Früher lebte sie mit ihrer äl-teren Schwester bei ihren Eltern in Deisel. In Kassel und Hof-geismar ging sie zur Schule. Als Erwachsene kam sie zunächstin Haus 1, dem Haupthaus in Hofgeismar mit einem intensi-veren Betreuungsangebot, seit 1990 lebt sie in dem kleineren

Haus am Löffelburger Weg, in dem die Bewohnerinnen undBewohner vieles selbst organisieren und zum Beispiel am Wochenende kochen. Neben Betreuerin Sylke Domes, mit der Manuela Griep viellacht und auch singt, ist Wolfgang ihr treuester Begleiter. Dieriesengroße Stoff-Maus, einer Micky-Maus sehr ähnlich, hatManuela Griep auf Mallorca gefunden. „Wolfgang saß da aufdem Regal und ich habe Renate gefragt, ob ich den habenkann“, erinnert sie sich. „Ist der nicht zu groß?“, habe die Be-treuerin gefragt. Aber um Manuela Grieps Herz war es ge-schehen und seitdem sitzt Wolfgang fast immer auf ihremSchoß. Außer in der Werkstatt.Wolfgang, der genauso heißt wie ihr Vater, schläft an ihrerSeite und ist sogar schon mal Tandem mit ihr gefahren. Erwurde festgeschnallt und dann ging es los. „Am nächsten Tagwollte er nicht mehr“, berichtet Manuela Griep. „Ja“, sagt SylkeDomes nachdenklich, „Wolfgang hat einen eigenen Kopf.“ „Ja,man sieht es ja!“, ruft Manuela Griep. „Nachts kneift er michimmer…Und der tritt und boxt.“ In ihrer Phantasie ersinnt die44-Jährige gern auch kleine Streitereien mit Wolfgang.

MITEINANDER LACHENBezugsbetreuerin Sylke Domes spielt dieses Spiel gern mit.„Wir müssen mit Wolfgang reden, dass es so nicht weitergeht“,sagt sie streng. Diese kleinen Inszenierungen öffnen ganz of-fensichtlich der Zugang zu Manuela Grieps Herz. Miteinanderlachen, miteinander scherzen, singen und auch fabulieren, dasist wichtig für die Verständigung zwischen Bewohnerin und

KAFFEEKLATSCH:Manuela Griep und ihre Mutter im Café Wunderbar

Die Wohngruppe im Löffelburger Weg ist eine von dreizehnfür geistig behinderte Menschen im Wohnverbund Nord derbdks. Insgesamt leben dort 140 Bewohner stationär, dasheißt in einem Wohnheim. Manuela Griep ist eine der selbst-ständigeren von ihnen. Daneben werden 75 junge und ältereErwachsene in ihren eigenen Wohnungen ambulant betreut(Betreutes Wohnen). Sie sind selbst fürs Einkaufen, Kochenund Saubermachen verantwortlich. Zum Wohnverbund Nordzählen Betreuungsangebote in Hofgeismar, Grebenstein undWolfhagen. ebo

HINTERGRUND

BETREUUNGSANGEBOTE FÜR 215 BEWOHNER

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Betreuerin. Und es macht Spaß, den beiden dabei zuzuhören.„Wir holen die Menschen dort ab, wo sie sich befinden“, sagtSylke Domes. „Wir stellen sie und ihre Individualität in denMittelpunkt. Im Grunde so, wie es die Pädagogin Maria Mon-tessori formuliert hat: Den anderen helfen, Dinge selbst zutun.“In den Gesprächen mit Manuela Griep geht es dabei oft umWolfgang. Er ist schon der zweite ständige Begleiter in Ma-nuela Grieps Leben. Der erste war ein Stoff-Affe namens Judy.Doch Judy ging irgendwann kaputt. Die Begegnung mit Wolf-gang in einem mallorquinischen Laden war deshalb schick-salshaft. Die große Maus ist Tröster, streitbarer Spielkameradund Zuhörer in einem. Besonders deutlich wird das, wenn Ma-nuela Griep von ihren Krankenhausaufenthalten erzählt.

WOLFGANG AUF DER LAMPEMehrfach musste sie operiert werden. Fast in allen zurücklie-genden Jahren. Und häufig muss sie in den Computertomo-

graphen. Doch Wolfgang darf da manchmal nicht mit, schongar nicht in den OP. Das war bei Stoff-Affe Judy nicht anders.Ärzte, Pfleger und Schwestern müssen jedes Mal wieder ar-gumentieren, dass das wegen der notwendigen sterilen Be-dingungen im OP eben nicht geht. „Auf gar keinen Fall“, zitiertManuela Griep den Arzt Dr. Schlieper. Und trotzdem hat sie„nur ein bisschen geweint“ im Krankenhaus. Nicht wegenWolfgang, sondern weil die Schwester ihre Vene zunächstnicht fand. Das tat weh. Aber als Manuela Griep dann dieÄrzte und Schwestern mit Mundschutz sah, musste sie schonwieder lachen. Und nach dem Aufwachen aus der Narkosewar sie schnell getröstet. Die Schwestern und Pfleger hattenWolfgang nämlich auf die Lampe am Bett gesetzt. Zum Schluß singen Manuela Griep und Sylke Domes zusam-men. Ein Geburtstagslied: „Wie schön, dass du geboren bist,wir hätten Dich sonst sehr vermisst…“ Einfach, weil das eineschöne Melodie ist. Geburtstag hat heute niemand. ManuelaGriep wird Ende Oktober 45. Elke Bockhorst

EINVERSTÄNDNIS:Manuela Griep und Sylke Domes

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Die Eröffnung der Ausstellung IN MEMORIAM bildete amMorgen des 27. Januar den Auftakt des Gedenktags für dieOpfer des Nationalsozialismus im Ständehaus Kassel. Als Teilder landesweiten Gedenkveranstaltung, die in diesem Jahrvom LWV organisiert wurde, beschreibt sie auf mehr als 40 Ta-feln das nationalsozialistische „Euthanasie-Programm“. DieAusstellung will „nicht erklären, sondern mit den Ereignissenkonfrontieren“, schreibt Michael vonCranach im Ausstellungskatalog. Erund seine Frau Katharina hatten sieim Auftrag der Deutschen Gesell-schaft für Psychiatrie, Psychothera-pie und Nervenheilkunde entwickelt.

Auf die Ausstellungseröffnung folgteam Nachmittag die hessenweite Ge-denkfeier, zu der LWV-LandesdirektorUwe Brückmann rund 130 Gäste be-grüßte. „Wir als LWV haben mit derÜbernahme der ehemaligen Landes-heilanstalten ein schweres Erbe an-getreten. „Dazu bekennen wir uns“,sagte er in seiner Rede. „Deshalb dür-fen und wollen wir nicht aufhören, an die Verbrechen zu erin-nern. Wir werden das Andenken an die ermordeten Menschenin Ehren halten.“ Daran knüpfte Bundesratspräsident und Mi-nisterpräsident Volker Bouffier an, der betonte, wie schwernoch immer zu begreifen sei, welche abscheulichen Gräuel-taten in Auschwitz-Birkenau und an vielen anderen Orten be-gangen wurden. Er wies auf die weltweite Bedeutung des

ERINNERN AN DIE OPFER DES NATIONALSOZIALISMUS

GEDENKVERANSTALTUNG IM STÄNDEHAUS KASSEL

Gedenktags hin: „Überall kommen Menschen zusammen, umden Opfern des Nationalsozialismus ihre Ehre zu erweisen.“Den aktuellen politischen Bezug des Gedenktags hob Land-tagspräsident Norbert Kartmann zum Abschluss hervor: „Mitdieser Veranstaltung bekennen wir uns auch zu unserer be-sonderen Verantwortung im Kampf gegen Rassismus und In-toleranz, gegen Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit.

Dies zu betonen, erscheint mir ge-rade in diesem Jahr von besondererBedeutung.“

Im Mittelpunkt der Veranstaltungstand der Vortrag von Dr. Gerrit Ho-hendorf vom Institut für Geschichteund Ethik der Medizin der Techni-schen Universität München. Er stelltedie Biografien einiger Opfer ins Zen-trum seines Vortrags. Ergänzt wurdesein Vortrag durch eine Lesung vonHelmut Bader, dessen Vater in der Tö-tungsanstalt Grafeneck umgebrachtworden war. Helmut Bader las aus Ta-gebuchaufzeichnungen und Briefen

seines Vaters Martin, der an Parkinson litt und deshalb in einepsychiatrische Klinik gekommen war. „Da ich es spüre, dassich nicht nochmal so alt werde, (…) schreibe ich alle Erinne-rungen (…) in dieses Buch“, notierte er im Vorwort zu seinenAufzeichnungen. Er war 39 Jahre alt, als er in Grafeneck starb.Unter dem Eindruck dieser Lebensgeschichte erhoben sich dieAnwesenden zu einer Gedenkminute. rvk

Der Gedenktag für die Opfer des National-sozialismus geht auf den früheren Bundes-präsidenten Roman Herzog zurück, der1996 angeregt hatte, am 27. Januar einesJahres in besonderen Veranstaltungen derOpfer des Nationalsozialismus zu geden-ken. Im Jahr 2005 wurde dieser Tag zudemdurch die Vereinten Nationen als „Interna-tionaler Gedenktag für die Opfer des Holo-caust“ bestimmt. Weitere Informationen: www.lwv-hessen.de

Helmut Bader (li.) und Dr. Gerrit Hohendorf

GEDENKREDE: Ministerpräsident Volker Bouffier

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DARMSTÄDTER HOCHSCHUL- UND BERUFSINFORMATIONSTAGE

ZUKUNFT PLANEN

Mit dem Thema „Zukunft kann man nicht googeln. Aber pla-nen“ lockten die Darmstädter Hochschul- und Berufsinfor-mationstage (hobit) im Januar zahlreiche Besucherinnen undBesucher in das Kongresszentrum Darmstadtium, die sichdort bei den rund 132 Institutionen über die aktuellen Aus-bildungs- und Studienangebote informierten. Eine dieser In-stitutionen war der LWV, der sich zum zweiten Mal mit einemStand präsentierte. Unter den Besuchern waren hauptsächlich Schülerin-nen und Schüler, die demnächst ihren Schulabschlussabsolvieren werden. Aber auch Studenten, Auszubil-dende und Eltern waren an den Berufs- und Ausbil-dungsangeboten interessiert. Inmitten der vielenAngebote konnte der LWV Hessen sowohl mit seinenvielseitigen und interessanten Aufgabenbereichen alsauch mit dem Studienangebot Bachelor of Arts für dieAllgemeine Verwaltung punkten. Außerdem konntendie Interessierten an einem Quiz teilnehmen und be-kamen als kleine Erinnerung ein Give-away mit LWV-Logo. Eine Vertreterin des Fachbereichs Aus- und Fortbil-dung beantwortete mit Unterstützung von fünf An-wärtern und zwei Mitarbeitern der Regionalverwal-tung Darmstadt alle Fragen zum LWV als Arbeitgeber.

War der LWV Hessen vielen zuvor kein Begriff, waren sie nacheiner kurzen Erläuterung begeistert von der Arbeit des Ver-bandes.Veranstaltet wird die Bildungsmesse von den drei Darmstäd-ter Hochschulen, der Stadt Darmstadt, der Vereinigung derhessischen Unternehmerverbände und der örtlichen Agenturfür Arbeit. Bianca Brüne/ Kirsten Rupprecht/ebo

EUTHANASIE-VERBRECHEN

EIN FILM ÜBER DEN MASSENMORD

„Wo bringt ihr uns hin?“ heißt der 90-minütige Film von Jür-gen Hobrecht, der die Tötung von 300.000 Behinderten undKranken thematisiert. Sie wurden getötet von Ärzten und Pfle-gepersonal und wurden Opfer einer Ideologie, die behinderteMenschen als „lebensunwert“ ansahen. 70 Jahre später fra-gen Angehörige, Ärzte und Pfleger nach. Eine Gesellschaft be-ginnt sich zu erinnern, an eine Tat, die noch heute tiefe Spurenhinterlässt und der Probelauf war für den Mord an den JudenEuropas.

Im Fokus des Filmprojektes steht eine bundesweite Veran-staltungsreihe mit dem Thema „lebenswert/unlebenswert“.Wie stark empfinden sich behinderte Menschen heute alsgleichwertig? Wie stark ist das Echo der Euthanasie-Verbre-chen? Fragen, die behandelt werden im Film. Erstmals öffnetder Film den Blick für die europäische Dimension des Themas,

der Massenmord im besetzten Polen, in der Sowjetunion, imBaltikum, sowie dem sogenannten Protektorat Böhmen undMähren. Die Erinnerungsarbeit von Angehörigen der drittenGeneration, die erstmals einen klaren Einblick in Opferbiogra-fien ermöglicht, wird thematisiert, es kommen letzte Tatzeu-gen zu Wort und es wird auf die wenigen Aktionen desWiderstands eingegangen. Unter anderem wird versucht, derFrage nachzugehen, welchen Einfluss die Tatsache, dass Ärzteund Pflegepersonal ihre Patienten getötet haben, auf das heu-tige Selbstverständnis der heilenden und helfenden Berufehat. Gedreht wird der Film in der Warthe-Region, im heutigenPolen. Wann er Premiere haben wird, ist noch offen. Derzeitsuchen die Filmer noch Sponsoren für das Projekt. psh

Weitere Informationen unter www.phoenix-medienakademie.com und www.GedenkortT4.eu

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„Mehr Augenlicht für Bangladesch“ – so lautete das Motto desjüngsten Spendenprojektes der Feldbergschule Idstein. DieSchülerinnen und Schüler der LWV-Schule engagieren sichschon seit 17 Jahren für soziale Projekte in der Welt. Als sie er-fuhren, dass die Lebensbedingungen und fehlende Behand-lungsmöglichkeiten in Bangladesch häufig zur Erblindung

führen, entschlossen sie sich zu helfen. Sie nahmenKontakt auf zur Andheri-Hilfe Bonn e.V. Diese Hilfs-organisation betreut dort unter anderem so ge-nannte Eye-Camps. In diesen flexiblen OP-Sälenkönnen auch auf dem Land Augenoperationen vor-genommen werden. Die Feldbergschüler erzieltenaus dem Verkauf ihrer kunsthandwerklichen Pro-dukte auf dem Idsteiner Weihnachtsmarkt stolze1.000 Euro. Und der Rotary-Club Bad Camberg-Id-stein legte noch einmal 500 Euro drauf. Im Februarkonnte das Geld an die Andheri-Hilfe überwiesenwerden. Schulleiter Michael Scheurich ist stolz aufseine Schüler: „Sie haben sich dafür entschieden,dass elf Kinder, die durch den Grauen Star erblin-det sind, eine neue Linse erhalten. Eine solche OP

kostet 100 Euro und bringt das Augenlicht zurück. Von denrestlichen 400 Euro wird zusätzlich ein Sehtest-Programm zurFrüherkennung und Behandlung von Augenerkrankungen aneiner Schule finanziert.“ Die Feldbergschule ist eine Schulemit den Förderschwerpunkten emotionale und soziale Ent-wicklung sowie kranke Schülerinnen und Schüler. hei/ebo

ERNA SCHÜTTLER

EIN 100. GEBURTSTAG MIT FÜNF GENERATIONEN

Ein ganzes Jahrhundert hat Erna Schüttler erlebt. Zu ihremGeburtstag im Februar bekam sie orangefarbene Rosen vonihren Ur-Ur-Enkeln. Auch Landesdirektor Uwe Brückmann gra-tulierte: Erna Schüttler wird als Kriegerwitwe vom LWV seitvielen Jahren im Rahmen der Kriegsopferfürsorge unterstützt.Weitere Ehrengäste waren Bürgermeister Wilhelm Gebhardund Landrat Stefan Reuß. Insgesamt fünf Generationen feierten den Ehrentag in Wan-fried: Erna Schüttler hat eine Tochter und einen Sohn, fünfEnkel, vier Ur-Enkel und drei Ur-Ur-Enkel. „Meine Ur-Groß-mutter spielt sehr gerne Gesellschaftsspiele und war immersehr ehrgeizig darin. Beim Kniffeln etwa will sie immer ge-winnen“, erzählt Ur-Enkelin Melanie Salewski.

Geboren wurde Erna Schüttler 1915 in Warburg in Westfalen,sie erlebte zwei Weltkriege und kam durch ihre Heirat mitFriedrich Schüttler 1938 nach Eschwege. Sie war Hausfrauund Mutter und unternahm sehr gern Reisen. Doch erst imAlter von 59 Jahren machte sie selbst den Führerschein, ummobil zu sein. Vor fünf Jahren zog sie nach Wanfried in die

Seniorenresidenz. Im Rechnen ist die Hundertjährige immernoch gut und hält sich damit mental fit. So übt sie mit Ur-En-kelin Melanie, seit diese die Schule besucht, das Ein mal Eins.

Kristin Weber/ebo

Die Schülerprojektgruppe zeigt, wie viele Augenoperationen finanziert werdenkönnen. Jede Karte symbolisiert eine Operation für ein Kind in Bangladesch.

FELDBERGSCHULE IDSTEIN

HILFE FÜR BLINDE KINDER IN BANGLADESCH

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JOHANNES-VATTER-SCHULE

ROBOTER BAUEN UNDPROGRAMMIEREN

„Komm, komm!“, lockt Alessandra ihren Roboter. „Wenn ichmeine Hand vor den Ultraschallsensor halte, kommt der Ro-boter herangefahren“, erklärt sie. „Das habe ich dem Robotereinprogrammiert.“ Siebtklässler der Johannes-Vatter-Schulehaben an einem Projekt der Technischen Hochschule Mittel-hessen (THM) unter Leitung von Eva Langstrof teilgenommen:Das RobertaRegioZentrum will mit solchen Kooperationen In-teresse an Robotik und Programmierung bei den Schülernwecken. Alle Schülerinnen und Schüler der LWV-Förderschule habeneine Hörschädigung und so bestanden zu Beginn des Projek-tes auf beiden Seiten Unsicherheiten in Bezug auf Kommuni-kation und Lernvoraussetzungen. Eine der Schülerinnen mitCochlea-Implantat fragte sich zu Beginn: „Wird Frau Langstrofverstehen, was ich sage? Werde ich die Anweisungen hörenkönnen?“ Sie konnte es. Nach sieben Projekttagen hatten alleunter professioneller Anleitung komplexe Roboter gebaut. Siehaben an ihren Modellen gearbeitet und spielerisch grundle-gende Programmierkenntnisse erworben, um die Roboterüber ihr Laptop in Bewegung zu bringen: Die Siebtklässler lie-ßen sie rollen, hüpfen, springen, pfeifen und tanzen. „Wir möchten unseren Schülern vielfältige Perspektiven bie-ten“, erklärt Schulleiter Manfred Drach. „Dazu gehört auch,frühzeitig das Interesse für technische Berufe zu wecken“.

Für Physiklehrer Stefan Eufinger war die Kooperation eine Ge-legenheit, technisches Lernen im Unterricht zu ermöglichen.„Wir würden es uns sehr wünschen, wenn die Kooperationfortgeführt und einen festen Platz im Schulcurriculum be-kommen könnte.“ psh

Weitere Informationen unter www.roberta-home.de

Alessandra schmückt einen Roboter als Weihnachtsmann.

DR. JÜRGENS IM BUNDESSOZIALMINISTERIUM

GESPRÄCH ÜBER PERSEH

Der Erste Beigeordnete des LWV, Dr. Andreas Jürgens, war imJanuar zu Gast im Bundesministerium für Arbeit und Sozia-les in Berlin. Er folgte einer Einladung der ParlamentarischenStaatssekretärin Gabriele Lösekrug-Möller und stellte ihr Per-SEH, die personenzentrierte Steuerung der Eingliederungs-hilfe in Hessen vor. Die Staatssekretärin zeigte großesInteresse an dem Verfahren, das in drei Regionen des Bundes-landes erprobt wurde und auf ganz Hessen ausgedehnt wer-den soll. Sowohl die Finanzierung als auch die Ermittlung despersönlichen Bedarfs an Teilhabeleistungen für behinderteMenschen wird durch PerSEH grundlegend reformiert. Ga-briele Lösekrug-Möller zeigte sich erfreut, dass der LWV mitdiesem Verfahren innovative Wege gehe und die Personen-zentrierung in der Eingliederungshilfe fördere. Die Aktivitätendes LWV würden durch die aktuell im Bund vorbereitete Reform der Eingliederungshilfe befördert, betonte die Staats-sekretärin. ebo

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SCHULTHEATERTAGE

KOMIKO LÄSST UFO LANDEN

Raumschiff Enterprise stand Pate bei der jüngsten Produktionder Theatergruppe KOMIKO. Zur Titelmelodie des bekanntenSciencefiction-Films landen die Schauspieler als Außerirdi-sche auf der Bühne. „Pannen, Macken und Alienpower“ heißtdas neue Stück, das die Schülerinnen und Schüler der Max-Kirmsse-Schule auch diesmal wieder selbst entwickelt haben.Am 10.März standen sie vor ausverkauftem Haus auf derBühne des Kleinen Hauses im Hessischen Staatstheater. Ein Feuerwerk der Fantasie ist das neue Stück. Da tretenWesen mit sechs Armen und Beinen, mit vielfachen Ohrenund Augen auf. Sie lieben nachwachsende Dauerwurst undImmerkekse und räkeln sich unter der Lerndusche. Sie lernendie Erdbewohner kennen, entdecken Gemeinsamkeiten undhelfen sich gegenseitig. 16 Jugendliche zwischen 15 und 19Jahren (sie besuchen die Berufsorientierungsstufe ihrerSchule) haben das Stück auf die Beine gestellt. Kulissen, Ko-stüme, eingespielte Filme und Fotos und sogar einen Raphaben sie selbst kreiert.

„Die Identifikation mit der Situation ist so groß, dass die Schü-ler in der Geschichte leben“, sagt Theaterpädagogin AnnetteLüders. Schulleiterin Annette Sauer ist überzeugt: „Auf derBühne zu stehen und den Applaus zu erleben, stärkt die Ju-gendlichen in besonderer Weise.“ Magdalena im Nachge-spräch auf der Bühne: „Alle haben Ideen gehabt und so ist dasStück entstanden. KOMIKO, das sind wir alle zusammen.“Ein gemeinsames inklusives Theaterstück mit Schülern einerallgemeinen Schule wird das nächste Projekt sein, da sind sichalle beteiligten Pädagogen einig.Seit zehn Jahren existiert die Theatergruppe an der Max-Kirmsse-Schule, einer Schule in Trägerschaft des LWV mit einerAbteilung Geistige Entwicklung. Darstellendes Spiel ist inzwi-schen Teil des Schulcurriculums. ebo

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AUSSTELLUNG IM STÄNDEHAUS

KUNST KENNT KEINE BEHINDERUNGAcht Künstler des Kunstprojekts der Behindertenhilfe Berg-straße (bhb) präsentierten vom 16. bis 27. März im KasselerStändehaus ihre Werke. Unter dem Titel „Kunst kennt keineBehinderung“ waren über 50 Arbeiten in ganz unterschiedli-chen Techniken und Materialien zu sehen: von Kreidezeich-nungen über Öl- und Acrylmalerei bis hin zu Arbeiten mit

Edding. Die große Ausdrucksstärke und Feinfühligkeit beein-druckte Besucher der Ausstellung. Fünf Künstler waren beider Ausstellungseröffnung in Kassel dabei und kamen mit denGästen ins Gespräch.Das Kunstprojekt der bhb wurde 1997 gegründet, um Mitar-beitern in der Werkstatt für behinderte Menschen eine tem-

poräre Freizeitbeschäftigung zubieten. Das Angebot wurde so gutangenommen, dass es eine ständigeEinrichtung geworden ist. Rundzwanzig Männer und Frauen kom-men regelmäßig, um zu malen. DieKünstler des Projekts, unter ihnenauch zwei Vollzeitkünstler, habensich in der südhessischen Region be-reits einen Namen gemacht undstellen regelmäßig aus, unter ande-rem auf der Bensheimer Kunstmeileoder der BehindART in Darmstadt

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Weitere Informationen bei Elisabeth Schmiedel, 06251 93685 - 17,[email protected]

Mehmet Tas

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VITOSMELDUNGEN

VITOS KURHESSEN

NEUBAU DER PSYCHIATRIE IN KASSELAuf 1,79 Millionen Euro beläuft sich der Förderbescheid desHessischen Sozialministeriums für den Neubau einer Er-wachsenen-Psychiatrie mit 110 Betten in Kassel-Wilhelms-höhe. Diesen Bescheid hatte Staatssekretär Wolfgang Dippelim Januar an Vitos Kurhessen überreicht, die die Klinik fürPsychiatrie und Psychotherapie bauen und betreiben wird. Siewird die Einrichtung ersetzen, die bis Ende 2012 fast 30 Jahreim Schwesternwohnheim der Orthopädischen Klinik unter-gebracht war. Die Stationen sind seither in Bad Emstal.Nach letzten Vorbereitungen beginnen in wenigen Wochendie Bauarbeiten hinter der Orthopädischen Klinik Kassel. Dortwird bis Ende 2017 ein mehrstöckiges Gebäude geschaffen,dessen Baukosten sich auf rund 19 Millionen Euro belaufen. Inden Obergeschossen sollen Räume für mehrere Stationen mitinsgesamt 110 Betten und im Erdgeschoss für Verwaltung,

Therapien und Caféteria entstehen. Eine ungewöhnliche el-lipsenförmige Bauweise soll dazu beitragen, die Frischluftzu-fuhr aus dem Landschaftsschutzgebiet für die Stadt zugewährleisten.

Das künftige Behandlungskonzept sieht vor, in Kassel Patien-ten mit eher nach innen gerichteten Störungen wie beispiels-weise Burn-out-Syndrome, Depressionen oder psychosoma-tische Störungen zu behandeln. Am Standort in Bad Emstalsollen Patienten mit Störungen wie etwa Schizophrenie,Manie oder Borderline therapiert werden. Die Kasseler Ambulanz und die Tageskliniken sind seit 2013gemeinsam mit dem psychiatrisch ambulanten Pflegedienstin der Karthäuserstraße 3 untergebracht. Dort sollen sie dau-erhaft bleiben. rvk

MASSREGELVOLLZUG

ENTWEICHUNGSSTATISTIK 2014 In 2014 hat Vitos für ihre sechs forensischen Kliniken keineneinzigen Ausbruch verzeichnet. Neun Mal entwichen Patienten,während sie beurlaubt waren oder unbegleiteten Ausganghatten. In keinem Fall gab es einen Hinweis auf eine Straftatin dieser Zeit. Damit liegt der hessische Maßregelvollzug mitseinen 768 Behandlungsplätzen im bundesdeutschen Vergleichdeutlich unter der durchschnittlichen Entweichungsrate. Während die Vitos Kliniken für forensische Psychiatrie Eltvilleund Riedstadt 2014 gar keine Entweichungen zu verzeichnenhatten, kehrte in Bad Emstal, Haina und Hadamar jeweils ein

VITOS GESELLSCHAFTEN

ETHIKBEAUFTRAGTE UND -KOMMISSIONEN HELFEN Ein Patient droht, sich umzubringen, ein anderer verweigertseine Zustimmung zu einer wichtigen Therapie oder ein ge-setzlicher Betreuer ist ganz anderer Ansicht als Ärzte und Kli-nikmitarbeiter: Wenn Regeln und Vorschriften beim Umgangmit Menschen in Ausnahmezuständen nicht weiterhelfenoder die Beteiligten sogar eher verunsichern, kann der Ethik-beauftragte eingeschaltet werden. Dass das Thema in den Vitos Gesellschaften besondere Be-achtung findet, kann man daran ablesen, dass es fast überallEthik-Komitees oder -kommissionen gibt, die sich berufsgrup-penübergreifend zusammensetzen. Neben Einzelfallbespre-chungen haben sich die Kommissionen auch das Ziel gesetzt,durch Fortbildungen die Ethik-Kompetenz der Beschäftigten

zu erhöhen. Es gibt aber auch andere Handlungsfelder, wieGabriele Swietlik, Ethikbeauftragte in Herborn, beschreibt:„Wir beschäftigen uns etwa auch mit dem Neubau der Klinikfür Psychiatrie und Psychotherapie. Wir prüfen, inwieweit dieRaumplanung Platz vorsieht, dass Angehörige angemessenAbschied nehmen können, wenn bei uns ein Patient stirbt.“ Der Kontakt zu Ethikbeauftragten der Vitos Gesellschaftenkann entweder über die jeweiligen Internetseiten oder überdie Geschäftsführungen geknüpft werden. Nach dem hessischen Krankenhausgesetz ist ein Ethikbeauf-tragter seit 2011 in jeder Klinik vorgeschrieben. Er soll sowohlPatienten und Angehörigen als auch Mitarbeitern beratendzur Seite stehen. rvk

Patient nicht vom unbegleiteten Ausgang zurück. Eine Pa-tientin der jugendforensischen Klinik Marburg, drei Patientenaus Hadamar und zwei aus Bad Emstal waren während einerBeurlaubung nicht vereinbarungsgemäß erreichbar oder kehr-ten nicht rechtzeitig zurück. Mit den Ausgängen im Rahmen von Vollzugslockerungen undBeurlaubungen, die nach einem Stufensystem streng geregeltsind, sollen die Patienten auf ein Leben im Anschluss an denKlinikaufenthalt vorbereitet werden. rvk

Weitere Informationen unter www.vitos.de

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VITOS WEILMÜNSTERKLINIK FÜR NEUROLOGIE

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WEILMÜNSTER . In der Nacht zum 2. Januar 2015 wollte Egon Schamp noch einmal aus dem Bett. „Plötzlich lag ich auf dem Bettvorleger“, erzählt er vier Wochen später. Die linke Körperhälfte des 77-Jährigen war gelähmt. Egon Schamp hatte eine schwere ischämische Attacke erlitten, einen Hirninfarkt. Hierbei kommt es durch den Verschluss von Gefäßen imGehirn zu einer Minderdurchblutung und Minderversorgung mit Sauerstoff und Glukose. Nur wenige Stunden bleiben nach einem solchen Schlaganfall, um das Blutgerinnsel im Gehirn durch eine Lysetherapie aufzulösen. Diese Akuttherapie darf nach sorgfältigen differentialdiagnostischen Untersuchungen nur in speziell dafür ausgerüsteten Stationen, so genannten Stroke Units, durchgeführt werden.

Wenn jede Minute zählt

Egon Schamp

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Egon Schamp hatte Glück. Frau und Sohn waren bei ihm, rie-fen gleich den Notarztwagen, und die Rettung war nur 18 Ki-lometer entfernt. Die Stroke Unit der Vitos Klinik fürNeurologie Weilmünster setzte sofort ein umfassendes Dia-gnose- und Behandlungsprogramm in Gang. „Die ersten acht Tage waren schlimm“, sagt Egon Schamp.

Den linken Arm und auch das Bein kann er schon wiederetwas bewegen. „Kupplung und Bremse klappt“, lacht er, „ja,die haben klasse Leute hier, die Ärzte und Schwestern, die The-rapeuten und Krankengymnasten.“ Egon Schamp kennt siemit Namen. Überhaupt fühlt er sich wohl in der Klinik. „Ich bin40 Jahre Spedition gefahren, zwanzig davon für eine Molkereiund hier habe ich früher Milch hingefahren.“ Man merkt EgonSchamp an, wie sehr ihn das Gespräch noch anstrengt, es ko-stet ihn Kraft, konzentriert zu bleiben.

GLÜCK GEHABTOberarzt Dr. Michael Lorisch ist zuversichtlich: „Er hat Glückgehabt. Am Anfang war Herr Schamp stark desorientiert. TrotzLysetherapie hatte sich seine Bewusstseinslage eher noch ver-schlechtert, so dass er von der Stroke Unit zunächst auf un-sere Intensivstation kam. Hier können wir schnell reagieren,zum Beispiel mit einer künstlichen Beatmung. Und die

Schwellung, die sich im Bereich des großen Hirninfarkts erge-ben hatte, konnte intensivmedizinisch gut behandelt wer-den.“ Auf der Intensivstation habe sich Herr Schamp soweitgebessert und stabilisiert, dass wir ihn im Rahmen der Akut-therapie in unsere Frührehabilitation aufnehmen konnten. In-zwischen ist Egon Schamp wieder in der Lage, mit Hilfe zulaufen, zu essen und zu trinken. Auch große Phasen der Ver-wirrtheit gibt es nicht mehr. Möglich wurde dies durch einenumfassenden, individuell auf den Patienten zugeschnittenenTherapieplan, organisiert durch ein Team, das neben Ärztenund Schwestern aus Neuropsychologen, Ergotherapeuten,Krankengymnasten und Logopäden besteht. „Zusammen mitHerrn Schamp haben wir in der Früh-Reha die Aufgaben ge-schafft, die wir uns gestellt hatten“, sagt Dr. Lorisch. „Nun war-ten wir nur noch auf einen geeigneten Platz für die nächsteReha-Phase, die in einem anderen Haus stattfinden wird.“

HOCHQUALIFIZIERTE FACHKLINIKDie Vitos Klinik für Neurologie ist eine der größten neurologi-schen Akutkliniken Hessens. Sie ist eine von mehreren Klini-ken von Vitos Weilmünster, dessen architektonisch schöneGebäude idyllisch im Taunus liegen. Der Tochtergesellschaftder Vitos GmbH gehören neben der Neurologischen Klinik

Dr. Martin Buchkremer im Demo-Raum: Hier betrachten Teammitglieder gemeinsam die Schäden,

die der Schlaganfall im Gehirn verursacht hat.

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VITOS WEILMÜNSTERKLINIK FÜR NEUROLOGIE

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auch eine Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie sowie einefür Psychosomatik, eine Heilpädagogische Einrichtung und einPflegezentrum an. Das Klinikum ist zudem Kooperationspart-ner der Vitos Schule für Gesundheitsberufe Mittelhessen. „Inder Klinik für Neurologie decken wir den größten Teil dessenab, was in diesem Fachbereich möglich ist“, sagt Prof. Dr. ClausRüdiger Hornig, Ärztlicher Direktor und Chefarzt der Klinik fürNeurologie. „Unsere Schwerpunkte liegen in der Untersu-

chung und Behandlung von akuten Schlaganfällen, von ent-zündlichen Nervenerkrankungen, insbesondere Multiple Skle-rose, von Epilepsie, Demenz, Parkinson, Schwindel undSchlaferkrankungen sowie Kopfschmerzen, kurz allem, was inder Neurologie vorkommen kann.“

BESTENS AUSGESTATTETIn den 18 Jahren seiner Tätigkeit am Klinikum entstand diezertifizierte Stroke Unit, ein Neubau für den Intensivbereichinklusive Erweiterung und kürzlich auch der OP für neuro-chirurgische Eingriffe. 29 Arztstellen gibt es in der Neurologie.Mehr als 20 Therapeuten und eine ganze Reihe von Techni-schen Assistenten und Krankenschwestern versorgen jährlichrund 3.500 Patienten, etwa 700 mit einem Schlaganfall. „Wasuns auszeichnet ist sicher, dass wir hier alle Bereiche der neu-rologischen Akutmedizin, von der Intensivstation bis zur Früh-rehabilitation, abdecken. Magnetresonanz- und Computer-tomografie sind an sieben Tagen in der Woche rund um dieUhr einsatzbereit. Wir verfügen über die komplette Ultra-schalldiagnostik und vor allem auch über die Intensivstationund den OP. Wir können im Falle von Komplikationen jedenPatienten vor Ort schnell versorgen und intensivmedizinischbetreuen und müssen sie nicht irgendwohin auswärts trans-portieren“, sagt Chefarzt Prof. Hornig.16 Betten stehen auf der Intensivstation für schwerstkrankePatienten nach Schlaganfällen, Hirnverletzungen und ande-ren lebensbedrohlichen neurologischen Erkrankungen zur

Ursache für einen Schlaganfall ist entweder eine geplatzteAder im Gehirn oder ein Blutgerinnsel, das eine Gehirnaderverstopft. Im zweiten Fall kann das Gerinnsel mit blutver-dünnenden Lyse-Medikamenten aufgelöst werden. Der Be-griff „Lyse“ bedeutet Auflösung. Das geht nur, wenn derSchlaganfall nicht länger als circa vier Stunden zurückliegt. Ist diese Zeit überschritten, hat sich das Blutgerinnsel so ver-festigt, dass die Medikamente es nicht mehr lösen können.Wird der Schlaganfall durch eine geplatzte Ader verursacht,darf eine Lysetherapie nicht angewendet werden, weil siedie Blutungen im Gehirn noch verstärken würde. Es ist des-halb sehr wichtig, diese Ursache vor einer Lysetherapie si-cher auszuschließen. Aus diesem Grund darf diese Therapienur von spezialisierten Stroke Units durchgeführt werden.Hirnblutungen behandelt man je nach Lage und Größedurch abschwellende Medikamente oder auch durch eineOperation. kre/hei

HINTERGRUND

WAS IST EINE LYSETHERAPIE?Prof. Dr. Claus Rüdiger Hornig

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Verfügung. Im OP können neurochirurgische Eingriffe vorge-nommen werden wie das Setzen von Sonden für Hirndruck-messungen. Die Klinik bildet aus und bietet auch eine zwei-jährige Zusatzausbildung „Intensivmedizin“ innerhalb derFacharztausbildung an. Im Rahmen ihrer neurologischen Allgemeinstationen gibt es ein Spezialangebot „Schmerztherapie für chronischSchmerzkranke“ und auch eine ambulante Sprechstunde fürMenschen mit schwer zu behandelnden Epilepsien. Diese Patienten wie auch Parkinson-Kranke, die medikamentösschwer einzustellen sind, finden in der Klinik zudem Angeboteim stationären Bereich. Ebenfalls in die Klinik integriert ist einmodernes Schlaflabor, in dem Patienten mit unterschied-lichen Schlafstörungen behandelt werden. Eine davon, dieSchlafapnoe, bei der es während des Schlafs zu Atem-stillständen kommt, steht häufig in Zusammenhang mitSchlaganfällen.

ZERTIFIZIERTE STROKE UNITDie Krankheitsbilder in der Neurologie in Weilmünster sindvielfältig, das diagnostische und therapeutische Angebot ba-siert auf umfassender Kompetenz. Prof. Hornig: „Wir wareneine der ersten zertifizierten Stroke Units in Deutschland. Die-ses Jahr steht bereits die vierte Re-Zertifizierung an. DieSchlaganfallversorgung entwickelt sich weiter. Im Moment istder nächste Schritt die Einrichtung von sogenannten Neuro-vaskulären Netzwerken zum fachlichen Austausch über sel-

tene Schlaganfälle und Sonderformen. 16 Pilotprojekte laufendazu in Deutschland, einem davon gehören wir an.“

WETTLAUF MIT DER ZEIT GEWINNENVon dem Know-how der Klinik profitieren Patienten wie EgonSchamp. „In der Stroke Unit geht es darum, den Patienten er-stens schnellstmöglich zum Beispiel mit einer Lysetherapie zubehandeln, zweitens darum, zeitnah abzuklären, was die Ur-sache für den Schlaganfall war und rasch Maßnahmen einzu-leiten, die weitere Schlaganfälle verhindern. Zum Dritten istes wichtig, früh mit krankengymnastischen und weiteren un-terstützenden Behandlungen zu beginnen. Dazu gehört aucheine sogenannte Aktivierende Pflege. Viele unserer Patientenin der Frührehabilitation übernehmen wir aus anderen Klini-ken“, fasst der Ärztliche Direktor zusammen.Egon Schamp ist auf dem Sprung von der sogenannten Früh-rehabilitation Phase B zu Phase C, einer weiterführenden Rehabilitation, die in einer entsprechenden Einrichtung statt-finden wird. Wie er erleiden etwa 250.000 Menschen pro Jahrin Deutschland einen Schlaganfall. Viele von ihnen haben we-niger Glück als Egon Schamp, oft nur, weil sie nicht umgehendin eine Stroke Unit gekommen sind. Die Folge sind nicht seltenbleibende Hirnschädigungen und ein weiteres Leben abhän-gig von häuslicher oder institutioneller Pflege. „Bei einemSchlaganfall kommt es auf jede Minute an“, betont Prof. Hor-nig. In seiner Klinik setzt man alles daran, den Wettlauf mitder Zeit zu gewinnen. Sigrid Krekel

Dr. Michael Lorisch und Egon Schamp

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DIETZENBACH/MAINTAL. Alexander Leibelt geht gern spazieren. An der frischenLuft lässt der 23-Jährige seinen Gedanken freien Lauf, tauscht sich aus mitseiner Betreuerin Kerstin Schilling vom Wohnverbund Dietzenbach. Sie gehen nebeneinander. Das hat für Alexander Leibelt einen ganz klaren Vorteil: Er darf geradeaus schauen beim Gespräch, ohne unhöflich zu wirken. Augenkontakt ist beim Spaziergang kein kommunikatives Muss. Eine großeErleichterung für einen Menschen, der Asperger-Autist ist.

Asperger, das bedeutet für die Betroffenen Kontakt- und Kom-munikationsschwierigkeiten. Was anderen Menschen dieKommunikation erleichtert und bereichert – Gesten, Mimik,Tonfall ihres Gesprächspartners – baut für Menschen mit As-perger eine Mauer auf, die es zu überwinden gilt. Sie müssenintellektuell verarbeiten, was für andere schlicht Subtext ist,der nebenbei wahrgenommen wird: Was bedeuten die hoch-gezogenen Augenbrauen? Was wollen mir die Mundwinkelverraten? Warum lacht der andere jetzt? Habe ich wirklich ver-standen, was er mir sagen will? Mit diesen Unsicherheitenmuss Alexander Leibelt jeden Tag zurechtkommen.

DER ALLTAG WIRD ZUM STRESSDurch das Asperger-Syndrom ist er weniger eingeschränkt,als beispielsweise jemand mit dem sogenannten Kanner-Au-tismus: Diese Menschen fallen schon im Kleinkindalter durchden fehlenden Spracherwerb auf und sind häufig geistig be-hindert. Alexander Leibelt ist normal intelligent. Dennoch schränkt As-perger seine Lebensqualität deutlich ein. Im Alltag gerät diepermanente Unsicherheit zum Stress. Es gibt zwar Therapien,die, wie an der Frankfurter Universitätsklinik, kommunikati-ves Verhalten trainieren, Gesichtsausdrücke und Mimik inter-

pretieren helfen. Doch die Probleme gehen darüber hinaus:Jede neue Situation, jeder Kontakt mit Fremden ist Stress purfür Menschen mit Asperger. „Asperger“, erläutert Katrin Fi-scher vom LWV, „wird oft erst im Erwachsenenalter richtig dia-gnostiziert. Verhalten sich Kinder mit Asperger auffällig, dannwird meist angenommen, die Ursache sei ein Aufmerksam-keitsdefizitsyndrom“, sagt Fischer, die beim LWV für Alexan-der Leibelt zuständig ist. „Es wäre interessant zu wissen, obdie Entwicklung eine andere wäre, wenn man bereits mit denKindern therapeutisch arbeiten würde.“

Für die Erwachsenen mit Asperger werden oft Kleinigkeitenzum Problem. Was tun, wenn die kaputte Glühbirne schlagar-tig die Wohnung ins Dunkel taucht und kein Plan erklärt, wiesie zu wechseln ist? Wenn das Aufräumen der Wohnung über-fordert? Der Gang zum Arbeitsamt zum Alptraum wird? „Meine Betreuerin gibt mir Sicherheit“, sagt Alexander Leibeltund bringt damit den für ihn persönlich wichtigsten Aspektder Begleitung im Alltag auf den Punkt. Er hat im Büro desWohnverbunds Dietzenbach, der zur Behindertenhilfe Offen-bach zählt, Platz genommen und wirkt ein wenig nervös.Seine Betreuerin Kerstin Schilling sitzt neben ihm, sie sagtnicht viel. Allein, dass sie da ist, hilft Alexander Leibelt, die

Kontakt nur wohl dosiert

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eigenen Worte zu finden. „Schon bei der Wohnungssuchehabe ich Hilfe gehabt“, erzählt er, schaut kurz zu Kerstin Schil-ling und lässt keinen Zweifel daran, dass er ohne ihre Unter-stützung wohl heute noch bei der Mutter wohnen würde. DasEinrichten der ersten eigenen vier Wände war eine schöne

Aufgabe, die aber auch viel Planung verlangte. Leibelt warfroh, diese Schritte nicht allein gehen zu müssen. Möbelhaus,Baumarkt – kein gewohntes Umfeld für ihn. „Auch bei der Ar-beitssuche hatte ich Hilfe. Auf dem Arbeitsamt zum Beispiel,wenn ich Formulare ausfüllen oder Gespräche führen musste.

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Manchmal reicht es auch einfach, dass ich weiß, es ist nochjemand dabei. Der muss noch nicht einmal mit zu dem Ge-spräch kommen, kann draußen warten. Es hilft mir, zu wissen,ich kann, wenn was ist, nachfragen.“ Er spricht, schaut immerwieder zur Seite, die Hand am Reißverschluss der Kapuzen-jacke, auf, zu, im steten Wechsel. Er hat sich innerlich auf die-ses Gespräch vorbereitet, doch eine Unruhe bleibt.

ROUTINE WEISS ER ZU SCHÄTZENLeibelt wohnt nun seit einem Jahr in der eigenen Wohnung inMaintal, arbeitet im Rahmen einer unterstützten Beschäfti-gung im Lager eines Baumarkts und hat gute Chancen, im An-schluss an das mehrmonatige Praktikum übernommen zuwerden. Was ihm an der Arbeit gefällt? „Dass es immer dergleiche Ablauf ist“, sagt er, „Ware reinfahren, einräumen, Müllrausholen. Das ist etwas Verlässliches. Nicht jeden Tag etwasanderes.“ Diese Routine weiß er zu schätzen. Er hat auchschon anderes erlebt, als er in Ravensburg eine Ausbildungzum Gartenbaufacharbeiter machte. „Anfangs war das gut.Aber dann kam immer wieder etwas Neues. Jeden Tag sind wirzu anderen Kunden gefahren, mal Platten im Garten legen,mal Sträucher schneiden. Das war zu viel.“ Aber er hat seineAusbildung beendet. Kerstin Schilling findet das beachtlich:

„Herr Leibelt ist sehr zielstrebig“, sagt sie und betont, dassviele andere abgebrochen hätten. In Ravensburg teilte sich Leibelt mit einem jungen Mann einZimmer in einer betreuten Wohngemeinschaft. Zu ihm hälter heute noch Kontakt. „Wir telefonieren täglich, meistensüber den Computer“, erzählt Leibelt. Über Silvester war ersogar zwei Wochen bei seinem Freund zu Besuch. Daheim inMaintal hat er keine Freunde, niemanden, der ihn so gut kenntwie der Ravensburger Mitbewohner. „Ein Jahr zusammen ineinem Zimmer“, erklärt er, „das ist schwer zu toppen.“So entspannt sich Leibelt nach der Arbeit nicht in der Kneipemit Kollegen, lieber löst er Kreuzworträtsel, liest Fantasy-Romane oder geht Joggen. Damit seine Gedanken nicht zusehr um unbewältigte Situationen kreisen, kommen zweimaldie Woche Kerstin Schilling oder ihr Kollege zu Besuch. Ange-bote wie diese, betont Katrin Fischer vom LWV, sollten Nach-ahmer finden. Mit seinen Betreuern bespricht Alexander Leibelt, was anliegt.„Häufig reden wir über bestimmte Situationen, die er erlebthat, sagt Kerstin Schilling. „Dann helfen wir einzuordnen, waspassiert ist.“ Oder es wird geplant, was als nächstes anzuge-hen ist. Das Thema Ordnung halten und Wohnung putzensteht gerade auf dem Programm. Was soll er zuerst tun?

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ENTSCHEIDUNGSHILFE IM ALLTAG

Interview mit Jörg Kreißl, stellvertretender Leiter des Wohnverbunds Dietzenbach der Behindertenhilfe in Stadt und Kreis Offenbach e.V.

Herr Kreißl, das Betreute Wohnen fürMenschen mit Asperger-Autismus isthessenweit einmalig. Wie kam es dazu?Betroffene haben den Wunsch nach Be-treutem Wohnen an das zum Verein Behindertenhilfe gehörende Autismus-Therapieinstitut in Langen herangetra-gen. Da wir im Verein seit über 20 JahrenErfahrung im Betreuten Wohnen haben,wurden wir seitens der Kollegen vomAutismus-Therapieinstitut um Unter-stützung bei der Umsetzung gebeten.Vor drei Jahren haben wir die Arbeit auf-genommen. Die Finanzierung dafürübernimmt das zuständige Jugendamtbeziehungsweise der Landeswohl-fahrtsverband.

Wieviele Asperger-Autisten erhaltenUnterstützung?Derzeit sind es acht Klienten, die vondrei Mitarbeitern betreut werden – diezum Teil noch weitere Aufgaben im Ver-ein wahrnehmen. Alle Mitarbeiter er-halten im ersten halben Jahr eineintensive Einarbeitung in die ThematikAsperger-Syndrom, ehe sie ihr erstes Ar-beitsbündnis, wie wir es nennen, miteinem Klienten eingehen. Zur Sicherungder Qualität unserer Arbeit werden die

Mitarbeiter zudem durch eine in der Ar-beit mit diesem Personenkreis erfahreneTherapeutin des Institutes in 14-tägli-chen Fallbesprechungen intensiv ge-coacht. Darüber hinaus nehmen dieMitarbeiter regelmäßig an internen undexternen Fortbildungen teil. Bei Klienten, die zusätzlich eine Therapieam Institut wahrnehmen, findet zudemkontinuierlich ein kollegialer Austauschzwischen der fallverantwortlichen Fach-kraft des Ambulant Betreuten Wohnensund dem behandelnden Therapeutenstatt.

Warum ist das notwendig?Asperger ist nicht gleich Asperger. Es han-delt sich meist um ein sehr komplexesBeeinträchtigungsbild mit zusätzlichenBegleiterkrankungen. Jeder Fall ist so in-dividuell, dass immer neue Fragen auf-tauchen und die Betreuer sich sehr flexi-bel auf ihre Klienten einstellen müssen.

Worin liegen die konkreten Unterstüt-zungsleistungen im Betreuten Wohnen?Neben der psychosozialen Begleitungvor Allem in der kontinuierlichen Unter-stützung zur Bewältigung von Alltags-notwendigkeiten. So fällt es Klienten

beispielsweise oft schwer, Alltagshand-lungen sinnvoll zu planen oder Trans-ferleistungen in Bezug auf neue Situati-onen zu erbringen: Wenn ich weiß, wieich das Bad putze, bedeutet das nochlange nicht, dass ich auch die Küche put-zen kann. Schon die Schritte davor – Wasbrauche ich zum Putzen, wo kaufe ichdas? – können eine so hohe Hürde sein,dass es nie zum Putzen kommt. Hierhilft der Betreuer bei der Planung unddarin, Prioritäten zu setzen, Entschei-dungen zu treffen und mit möglichenHindernissen umzugehen.

Ohne die Kooperation des Klienten gehtaber nichts, oder?So ist es. Deswegen ist die Vertrauens-basis enorm wichtig. Schließlich müs-sen im Alltag im Rahmen der Beratungauch existenzielle Entscheidungen ge-troffen werden: die eigene Wohnungfinden oder Arbeit suchen. Erst das ver-trauensvolle Gespräch ermöglicht es,dem Klienten oftmals seine aktuelle Le-benssituation zu reflektieren, Wünscheund Bedürfnisse zu benennen, sie zuordnen und in einen individuell sinnvol-len Zusammenhang zu stellen.

Das Interview führte Katja Gußmann

Küche putzen – wie geht das? „Zuhause hat das immer meineMutter gemacht“, sagt er fast ein wenig entschuldigend. Alexander Leibelt stellt sich den Herausforderungen seinesAlltags. Häufig ziehen sich Menschen mit Asperger zurück,weil sie fürchten, anzuecken und auf Unverständnis zu sto-ßen. Es ist stressfreier, keinen Kontakt zu anderen Menschenzu haben. Für Alexander Leibelt ist Einsamkeit keine Option.Nach der eigenen Wohnung und einer festen Arbeitsstelle

wünscht er sich für die Zukunft mehr Freizeitaktivitäten mitFreunden. Kerstin Schilling wird ihn auch dabei unterstützen.„Wir bieten gemeinsame Freizeitaktivitäten für unsere Klien-ten an, Schwimmen gehen zum Beispiel“, sagt sie. „Aber auchindividuelle Begegnungen werden gefördert. Ein Treffen miteinem anderen Klienten zum Billiardspielen ist in Planung.“Vielleicht findet Alexander Leibelt in ihm einen Gleichgesinn-ten, der den Blick in die Augen lieber meidet. Katja Gußmann

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WER? WO? WAS?VERANSTALTUNGSHINWEISE

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GEMEINSAM FÜR EINE SOZIALE STADT

Unter dem Motto Gemeinsam für eine soziale Stadt findet am14. Mai in Kassel auf der Fulda das Tigerentenrennen statt.Die Benefizveranstaltung wird vom Verein Soziale Hilfe orga-nisiert. Der Erlös dieser Veranstaltung kommt der Arbeit mitWohnungslosen und sozial benachteiligten Menschen zu-gute. Veranstaltungsort ist die Kasseler Regattawiese am Aue-damm zwischen Spitzhacke und Drahtbrücke. Inzwischen hatsich das Rennen, das in jedem Jahr stattfindet, zu einem Volks-fest entwickelt. Neben vielen Preisen gibt es ein Programmmit Tanz, Akrobatik und anderen künstlerischen Aktionen. AlsAndenken kann man auch eine Tigerente adoptieren. psh

Weitere Informationen und Programmhinweise unterwww.soziale-hilfe-kassel.de

DIE KUNST DER ERINNERUNG

Die Gedenkstätte Hadamar zeigtbis zum 6. Mai die Sonderausstel-lung „Die Kunst der Erinnerung –Die Erinnerung der Kunst“ von Dr.Horst Hoheisel. Die Ausstellungwird aus Anlass des 70. Jahrestagesdes Kriegsendes gezeigt. Hoheiselzeigt unter anderem Zeichnungen,Dokumente und Fotografien vomAschrottbrunnen in Kassel. Der Brunnen stellt heute einen Ortdes Erinnerns dar. 1908 vom jüdischen Unternehmer gespen-det, wurde er später von nationalsozialistischen Aktivisten zerstört. Horst Hoheisel baute die zwölf Meter hohe Pyrami-denskulptur nach und versenkte sie während der documenta8 als verlorene Form spiegelbildlich in den Rathausplatz. Da-durch wurde die Pyramide zum Trichter, in den das Wasser ge-räuschvoll herabstürzt. Horst Hoheisel betont die Bedeutungdes Betrachters: „Das eigentliche Denkmal ist der Passant, derauf dem Brunnen steht und darüber nachdenkt, weshalb hieretwas verloren ging.“ Der in Kassel lebende Künstler veran-schaulicht das Konzept des Gegendenkens, das zu einer aktiven Auseinandersetzung der Betrachter mit dem Natio-nalsozialismus auffordert. psh

Weitere Informationen und Programmhinweise unterwww.gedenkstaette-hadamar.de

OBDACHLOSIGKEIT HAT JEDES GESICHT

Wie schnell beurteilen wir Menschen aufgrund von Äußer-lichkeiten? Dieser Frage widmet sich die Ausstellung der Fo-tografin Ann-Kathrin Kampmeyer. Sie wird im Rahmen desJubiläums-Veranstaltungsprogramms „Kunst und Kultur amAutoberg“ vom 26. Februar bis 30. April im Haus Sankt Martinam Autoberg in Hattersheim gezeigt. Wie in einem Bilderrät-sel werden 26 Frauenporträts gezeigt. Darunter sind sechsPorträts wohnungsloser Frauen. Alle Protagonistinnen wur-den unter den gleichen Bedingungen fotografiert, so dassMake-up, Schmuck oder Kleidung keinerlei Aufschluss geben,woher diese Frauen kommen. Der Betrachter wird nicht miteiner Auflösung belohnt, sondern muss für sich selbst ent-scheiden, wie die Frauen auf ihn wirken. psh

Weitere Informationen unterwww.annkathrinkampmeyer.com

BIPOLAR ROADSHOW

Im Kulturzentrum Eichberg findet am 30. April um 20 Uhr dieBipolar Roadshow statt. Mit musikalischen Beiträgen undBuch-Lesungen wird auf die Bipolare Störung aufmerksam ge-macht. Betroffene wurden früher als manisch-depressiv bezeichnet.Dabei finden extreme, wil-lentlich nicht beeinflussbareSchwankungen in Stimmungund Antrieb statt, die in kei-ner Weise mit normalen Be-findlichkeitsschwankungenzu vergleichen sind. MartinKolbe, einer der bekanntesten deutschen Gitarristen, bekanntdurch das Duo „Kolbe und Illenberger“ erkrankte 1979 an derBipolaren Störung. Nachdem er sich von der Bühne zurückzog,trat er erstmals wieder zum Jahrestag der Deutschen Gesell-schaft für Bipolare Störungen 2012 in Hannover auf. Zu die-sem Zeitpunkt war er bereits erster stellvertretenderVorsitzender und Betroffenenvertreter. Im Frühjahr 2014nahm er die englischsprachige CD „Songs from the Inside“ auf,aus der er vorspielt. In diesen Songs thematisiert er aus-drucksstark, berührend und bewegend die Erfahrungen mitseiner Krankheit und der Psychiatrie. Ein weiterer Auftritt andiesem Abend ist eine Vorlesung von Sebastian Schloesser, dermit 27 als Shootingstar am Hamburger Schauspielhaus Thea-terregisseur wurde. Auf seinem Höhepunkt erlebte er Phasenvon Größenwahnsinn bis hin zu Depression, teilweise war erso in sich gefangen, dass er an Selbstmord dachte. In seinemBuch „Lieber Matz, dein Papa hat ‘ne Meise“, beschreibt er aufwunderbare Weise seinem kleinen Sohn in Form von Briefen,was mit einem Menschen passiert, der in die „Irrenanstalt“eingeliefert wird und wie schwierig es ist, seine „Meise“ zu bezwingen psh

Weitere Informationen und Programmhinweise unterwww.kuz-eichberg.de

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WER? WO? WAS?PERSONALIEN/VERANSTALTUNGSHINWEISE

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25-JÄHRIGES DIENSTJUBILÄUM

Hauptverwaltung Kassel25.01.2015 Kirsten Becker-OldenzeelBeschäftigte, Fachbereich 214

Regionalverwaltung Darmstadt29.01.2015 Heiner PölitzBeschäftigter, Fachbereich 102

Regionalverwaltung Wiesbaden01.12.2014 Roland BremeBeschäftigter, Fachbereich 207 Altersteilzeit

15.01.2015 Ursula NagyBeschäftigte, Fachbereich 214

02.02.2015 Alexander GrundBeschäftigter, Fachbereich 103

Johannes-Vatter-Schule, Friedberg08.06.2014 Britta Wolf-MohrBeschäftigte

28.08.2014 Sabine BauerBeschäftigte

28.08.2014 Christiane HenkelBeschäftigte

40-JÄHRIGES DIENSTJUBILÄUM

Johannes-Vatter-Schule, Friedberg01.10.2014 Volker WiltheisAmtsrat

NACH MEHR ALS 10 DIENST-JAHREN AUSGESCHIEDEN

Regionalverwaltung Wiesbaden31.12.2014 Franziska NehringBeschäftigte, Fachbereich 207

IM RUHESTAND/IN RENTE

Hauptverwaltung Kassel30.11.2014 Peter AscheBeschäftigter, Fachbereich 102

01.01.2015 Gerhard HeinemannAmtmann, Vitos GmbH

31.01.2015 Inge WiechaBeschäftigte, Fachbereich 103

01.03.2015 Regina GerntLtd. Verwaltungsdirektorin ehemalige Fachbereichsleiterin 206

Regionalverwaltung Darmstadt31.12.2014 Rosemarie GaßmannBeschäftigte, Fachbereich 206

Freiherr-von-Schütz-Schule, Bad Camberg31.01.2015 Waltraud KaufmannBeschäftigte

Hermann-Schafft-Schule,Homberg/Efze31.01.2015 Harald UmbachBeschäftigter

NEUE NAMEN -NEUE POSITIONEN

Hauptverwaltung Kassel01.01.2015 Udo SchadeLeiter des Funktionsbereichs 102.5IT-Verwaltungsangelegenheiten

Regionalverwaltung Darmstadt16.02.2015 Karl-Heinz SchönFachbereichsleiter, derzeit insbesondere im Fachbereich 207

lante Suchtberatungsstellen dazu. Die medizinische Rehabili-tation für suchtkranke Menschen kennt Karl-Heinz Schöndaher gut und auch im Bereich der Eingliederungshilfe fürsuchtkranke Menschen konnte er Erfahrungen sammeln. Zwischen 2008 und 2011 widmete er sich in einem zweitenStudium der Unternehmensführung im Wohlfahrtsbereich ander Universität Heidelberg, das er mit einem Master ab-schloss. „Nach langen Jahren in der Sozialarbeit bei einem freien Trä-ger hat mich die Aufgabe in der Rolle eines Leistungsträgersinteressiert“, sagt Schön. „Der Landeswohlfahrtsverband prä-sentiert sich als moderner Dienstleister und nach den Erfah-rungen aus dem Bewerbungsverfahren und den erstenWochen kann ich das sehr unterstreichen. Nun hoffe ich, diesoziale Arbeit aus dieser Rolle heraus im Sinne der Leistungs-berechtigten mit all meinen Erfahrungen positiv beeinflussenzu können.“ Karl-Heinz Schön hat einen 27-jährigen Sohn. Er ist verheira-tet und lebt in Darmstadt-Eberstadt. Als gebürtiger Saarlän-der, so sagt es von sich selbst, habe er Hessen seit 1983 alsseine Wahlheimat angenommen. ebo

NEUER FACHBEREICHSLEITER

Mitte Februar hat Karl-Heinz Schön als neuerFachbereichsleiter beim LWV begonnen. Der53-Jährige arbeitet in der RegionalverwaltungDarmstadt. Sein Aufgabengebiet umfasst der-zeit insbesondere die Leitung des Fachbereichs207, in dieser Funktion ist er zuständig für see-lisch behinderte Menschen, Menschen mit Ab-

hängigkeitserkrankungen und alleinstehende Wohnungslose. Nach dem Erststudium der Sozialarbeit an der Ev. HochschuleDarmstadt von 1983 bis 1987 hat Schön Berufserfahrungenin der offenen Jugendhilfe und der Sozialpädagogischen Fa-milienhilfe gesammelt. Danach arbeitete er bei der Caritas:Gemeinsam mit Bürgerinnen und Bürgern wurden Anliegeneines Stadtteiles gefördert und ehrenamtlich Angebote fürKinder, Jugendliche und Familien organisiert. 1998 übernahmer die Verwaltungsleitung einer Rehabilitationsklinik fürsuchtkranke Männer des Caritasverbandes Darmstadt. Nachund nach kamen eine Adaptionseinrichtung für wohnungs-lose und/oder arbeitslose Suchtkranke, die nach der stationä-ren Reha nicht in ihre Wohnung zurück können, eineTagesrehabilitation und die Bereichsleitung für vier ambu-

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Der Landeswohlfahrtsverband Hessen ist ein Zusammenschluss der Landkreise und kreisfreien Städte, dem soziale Aufgaben übertragen wurden.

• Er unterstützt behinderte, psychisch kranke und sozial benachteiligte Menschen in ihrem Alltag und im Beruf. • Er betreut Kriegsbeschädigte, deren Angehörige und Hinterbliebene.• Er ist Träger von Förderschulen und Frühförderstellen.• Er ist Alleingesellschafter der Vitos GmbH, die einen wesentlichen Teil der psychiatrischen Versorgung in Hessen sicherstellt.

www.lwv-hessen.de

ZWISCHEN HIMMEL UND ERDEKarfred ThöneAcryl Leinwand 2012Atelier Farbentänzer HofgeismarBaunataler Diakonie Kassel (bdks)


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