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Originalarbeit
Forens Psychiatr Psychol KriminolDOI 10.1007/s11757-014-0262-7
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ZusammenfassungHintergrund Für ein besseres Verständnis des Anstiegs der Bettenzahlen (Prävalenz) gemäß § 63 StGB (Unterbrin-gung in einem psychiatrischen Krankenhaus) sind die ge-richtlichen Zuweisungen (Inzidenz) nach abgeschlossenem juristischen Verfahren aufschlussreich. Bisher liegen keine Daten zur Gesamtsituation in Deutschland vor, durch die Entwicklungen in der Zahl der Anordnungen und den Merk-malen der zugewiesenen Patienten sichtbar werden.
Methode Nach vorliegenden Angaben des Forschungs-datenzentrums der Länder wird die Entwicklung der jähr-lichen Zuweisungen („Aburteilungen“) in den Maßregel-vollzug gemäß § 63 StGB in Deutschland (alte Bundes-länder) von 1995–2009 dargestellt und die Entwicklung verschiedener Merkmale (soziodemografisch, deliktbezo-gen) im Untersuchungszeitraum aufgezeigt. Hierzu wurden 12.063 Datensätze mit jeweils 9 Merkmalen ausgewertet.
Ergebnisse Die Zuweisungen haben sich im Untersu-chungszeitraum etwa um die Hälfte (47 %) erhöht. Dabei nimmt die Anzahl von schuldunfähigen Patienten gemäß § 20 StGB zu, ebenso der Anteil der mittelschweren Delikte (Körperverletzung, sonstige Gewaltdelikte und Brandstif-tung). Im Gegensatz dazu werden Patienten mit vollendeten Tötungsdelikten und Sexualdelinquenz seltener in den Maß-regelvollzug eingewiesen, und die strafrechtliche Vor- und Parallelbelastung der Patienten geht insgesamt zurück. Die einzelnen Bundesländer unterscheiden sich in den Inzidenz-raten, aber kaum in den Merkmalen der eingewiesenen fo-rensischen Patienten.
Schlüsselwörter Maßregelvollzug · Inzidenz · Delikte · Zeitliche Entwicklung
Parallel development, different incidences
Detentions according to § 63 StGB (German Penal Code) 1995–2009 (West Germany)
AbstractBackground In order to understand the increasing numbers of detentions of forensic inpatients according to § 63 StGB (German Penal Code), the development of the sentences for forensic treatment is of great importance. The overall devel-opment over a longer time period, such as a breakdown by individual federal states may reflect changes in diagnostic and legal actions.
Method According to the information supplied by the research data center of Germany (Forschungsdatenzentrum der Länder), the total number of detentions for forensic treat-ment from 1995 to 2009 for an average population number of 68.6 million inhabitants and the development of different characteristics (e.g. sociodemographic, crime-related) were identified during the investigation period. A total of12,063 records each with 9 attributes were evaluated.
Results The number of detentions for forensic treatment increased by approximately half (47 %) during the study pe-riod. The patients who were not criminally responsible and the proportion of moderately severe offences (e.g. assault, arson and other violent crimes) increased over the investiga-tion period. In contrast, the proportion of completed homi-cides and sexual crimes decreased as well as the number of previous and concurrent convictions. These developments showed similar tendencies in the individual federal states.
Gemeinsame Entwicklung, unterschiedliche InzidenzDie Zuweisungen gemäß § 63 StGB von 1995–2009 (in den alten Bundesländern)
Hans-Joachim Traub · Gerd Weithmann
Dipl.-Psych. H.-J. Traub () · G. WeithmannZentrum für Psychiatrie Südwürttemberg, Bereich Versorgungsforschung Weißenau,Weingartshofer Str. 2, 88214 Ravensburg, DeutschlandE-Mail: [email protected]
Eingegangen: 13. August 2013 / Angenommen: 24. Januar 2014© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
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H.-J. Traub, G. Weithmann
Keywords Commitment of mentally ill · Incidence · Crimes · Longitudinal development
Einleitung
Für die Entwicklung des Maßregelvollzugs gemäß § 63 StGB in Deutschland liegen nur wenige übergreifende Angaben aktuelleren Datums vor, die öffentlich zugänglich sind. In den Arbeiten [5, 6, 8, 10, 11, 18, 19] werden jeweils Teilaspekte der Entwicklung zu verschiedenen Zeitpunk-ten beschrieben; hierbei wird ein Anstieg der Bettenzahlen (Prävalenz) seit 1995 um mehr als das Doppelte belegt. Die komplexen Verbindungen zur psychiatrischen Versorgung, kriminologischen Entwicklung, zu juristischen und gesell-schaftlichen Veränderungen sowie international ähnlichen Entwicklungen [3, 7, 12, 13, 14, 15] werden dabei unter-schiedlich bewertet. Ungeachtet solcher anzunehmenden komplexeren Zusammenhänge sind zunächst als operatio-nal besser fassbare Ursachen vermehrte Einweisungen und eine längere Unterbringungsdauer anzunehmen.
Eine Untersuchung der Einweisungen bzw. Zugänge als eine der Ursachen der ansteigenden Prävalenz ist mög-lich, da hier auf eine größere und einen längeren Zeitraum umfassende Datengrundlage zurückgegriffen werden kann. Der Anstieg der Belegung aufgrund verzögerter Entlassun-gen als zweiter ursächlicher Faktor kann mit den vorliegen-den Daten allerdings nur indirekt aufgezeigt werden.
Der Maßregelvollzug wird von den Bundesländern mit landesspezifisch geringfügig unterschiedlicher Gesetzes-lage gestaltet. Aktuelle Übersichten zur Belegung mit Anga-ben zum diagnostischen Spektrum, den Deliktgruppen und soziodemografischen Angaben der Patienten liegen auch für die überwiegende Anzahl der Länder in Deutschland vor, werden aber üblicherweise länderintern verwendet, und ent-sprechende Informationen fließen nur indirekt in den wis-senschaftlichen Diskurs ein.
Die gesetzliche Grundlage der Unterbringung ist ein-heitlich nach dem Strafgesetzbuch geregelt. Die Justiz-behörden erstellen unabhängig vom Maßregelvollzug der einzelnen Bundesländer und Kliniken Datensätze zu den Zuweisungen („Aburteilungen“ gemäß § 63 StGB), die über das Forschungsdatenzentrum der Statistischen Landes-ämter [4] zugänglich sind. Mit dem juristischen Fachbegriff „Aburteilungen“ wird (in Unterscheidung zur allgemein gebräuchlichen „Verurteilung“) ein abgeschlossenes Ver-fahren bezeichnet, dessen Ergebnis eine Verurteilung oder ein Freispruch sein kann. Die Einbeziehung der Freisprü-che ist notwendig, da schuldunfähige Delinquenten gemäß § 20 StGB von Schuld freigesprochen werden. Das Gericht kann aber dennoch ihre Unterbringung im Maßregelvollzug gemäß § 63 StGB anordnen.
Die Angaben zu den „Aburteilungen“ werden von den einzelnen Landgerichten nach einheitlichem Muster der Rechtspflegestatistik erhoben. Für den Zeitraum von 1995–2009 existieren weitgehend vollständige Angaben für die „alten“ Bundesländer.
Der Einfluss der Zahl an juristischen Zuweisungen („Aburteilungen“) auf die klinische Praxis und die Bele-gung wurde regional bereits in Baden-Württemberg aufge-zeigt [20]. Ebenso liegt für Baden-Württemberg bereits eine Auswertung von Merkmalen der juristischen Zuweisungen für den gleichen Zeitraum vor [21], die bezüglich der unter-suchten Merkmale weitgehend mit der vorliegenden Unter-suchung vergleichbar ist.
Ziel der vorliegenden Arbeit ist eine Übersicht zur län-derübergreifenden und länderspezifischen zeitlichen Ent-wicklung der Zahl von Zuweisungen gemäß § 63 StGB in den Maßregelvollzug. Dabei werden auch die Veränderun-gen in einzelnen Merkmalen (soziodemografische Daten, Delikte, Vorstrafen) der in den Maßregelvollzug eingewie-senen Patienten beschrieben.
Die vorliegende Auswertung der Zugänge kann als Ergänzung der länderintern vorliegenden Daten zur Bele-gung in Deutschland angesehen werden und einen vollstän-digeren Überblick der Entwicklungen im Maßregelvollzug ermöglichen. Der Zeitraum von 1995–2009 ist besonders interessant, da er nach relativ geringen Belegungszahlen bis Mitte der 1990er Jahre den deutlichen Anstieg der Belegung der §63-Patienten umfasst [6] und damit zu Erklärungen für Veränderungen im Maßregelvollzug beitragen könnte. Die aktuellen juristischen Zuweisungen für die folgenden Jahre 2010 und 2011 (der Datensatz mit den untersuchten Merkmalen reichte nur bis 2009; die Angaben für 2012 lie-gen bei der Fertigstellung dieses Beitrags noch nicht vor) zeigen einen Rückgang der Aburteilungen auf zuletzt 871 für Deutschland, einschließlich der neuen Länder. Die Bele-gung (alte Länder) hat sich gleichzeitig weitererhöht und betrug am 31.12.2011 6634 Patienten, die gemäß § 63 StGB untergebracht waren [16].
Methode
Allgemeines Vorgehen
Die Datenquellen sind öffentlich zugänglich [4, 16, 17]. Erfasst werden alle Aburteilungen mit §63-StGB-Anordnung (n = 12.063) der „alten“ Bundesländer, unabhängig von einer parallel verhängten Freiheitsstrafe oder Schuldunfähigkeit gemäß § 20 StGB (Schuldunfähigkeit wegen seelischer Stö-rungen). Die durchschnittliche Bevölkerungszahl der alten Bundesländer im Zeitraum von 1995–2009 beträgt 68,6 Mio.
Für die Erfassung der Veränderungen der Daten im Zeit-verlauf werden als Ausgangs- (1995) und Endpunkte (2009)
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Gemeinsame Entwicklung, unterschiedliche Inzidenz
zur Ausprägung „junge Delinquenten“ (komplementäre Aus-prägung: „erwachsene Delinquenten“) zusammengefasst.
Ebenso werden bei den Merkmalen „Anlassdelikte“, „Zahl der Vorstrafen“, „schwerste Vorstrafe“ und „Länge der parallelen Haftstrafe“ einzelne Ausprägungen in Kate-gorien zusammengefasst, die für die Fragestellungen sinn-voll erscheinen.
Die nach dem Straftatensignierschlüssel hoch diffe-renzierten „Anlassdelikte“ werden in 10 Kategorien bzw. Deliktgruppen gegliedert, die der in Maßregelvollzug und Rechtspflege überwiegend gebräuchlichen Struktur entspre-chen ([1, 2]; Abb. 4).
Zur Vergleichbarkeit der einzelnen Merkmale zum Anfangs- und Endzeitpunkt werden die Werte der Aus-prägungen jeweils in Prozentangaben umgerechnet. Da sich Veränderungen im Vergleich der Zeitpunkte teilweise nur geringfügig im prozentualen Verhältnis abbilden, wird zusätzlich jeweils ein Maß für die Veränderung angegeben. Dieses Maß („Anteil am Zuwachs“) gibt den Anteil der jeweiligen Ausprägung an der gesamten Veränderung von 1995–2009 in Prozent an (Abb. 2, 4, 5, 6).
Für das Jahr 1995 sind für die Bundesländer Hamburg und Saarland keine Angaben zu den Merkmalen vor-handen, ebenso für 1996 in Hamburg. Aus einer früheren Untersuchung [20] lagen aber Angaben zur Häufigkeit der §63-Zuweisungen vor. Die ein bzw. 2 fehlenden Jahreswerte der einzelnen Merkmale werden jeweils durch eine Extra-polation über den linearen Trend ermittelt und im Verhält-nis zu den übernommenen Häufigkeitsangaben eingesetzt. Insgesamt beträgt der Anteil der extrapolierten Datensätze 1995 4,3 % und 1996 3,1 %.
Ergebnisse
In Tab. 1 werden die absoluten Häufigkeiten der §63-Zuwei-sungen im Zeitraum aufgelistet. Die zur Darstellung der Entwicklung errechneten Anfangs- und Endwerte (Tab. 2) entsprechen nicht den absoluten Angaben für 1995 und 2009. Bei Ländern mit geringerer Einwohnerzahl (Bremen, Saarland, Hamburg, Schleswig-Holstein) sind teilweise erhebliche Schwankungen der Häufigkeiten sichtbar. Bei fast allen Ländern ergibt sich eine lineare Steigerung, für Rheinland-Pfalz und dem Saarland wird ein Maximum in der Mitte des Zeitraums deutlich, der einer Häufigkeitskurve in Form eines umgedrehten, flachen „U“ entspricht. Um die Vergleichbarkeit zu erhalten, werden anstatt der genaueren, polynomialen auch hier die linearen Trends berechnet.
Eine Umrechnung in Inzidenzraten erlaubt trotz der erheblichen Unterschiede in den Häufigkeiten der einzel-nen Länder einen Vergleich (Abb. 1). Die Länder sind in der Reihenfolge der Erhöhung der Inzidenzraten angegeben. Im Mittel beträgt die Steigerung 0,4 Patienten (bzw.§63-Zu-
nicht die absoluten Häufigkeiten dieser Jahre verwendet, sondern jeweils die „theoretischen“ Werte der Zeitpunkte, die sich durch Anpassung eines linearen Trends (entspricht der Regressionsgeraden) im Untersuchungszeitraum erge-ben. Dieses Vorgehen soll mögliche Ungenauigkeiten und natürliche Schwankungen in den Datenreihen ausgleichen. In den Abbildungen und Tabellen ergeben sich daraus teilweise Rundungsfehler, auf deren Angleichung verzichtet wurde. Ebenso werden bei sehr geringen Häufigkeiten und mehre-ren Ausprägungen eines Merkmals bei bevölkerungsärmeren Ländern rechnerisch „Patientenanteile“ erzeugt, die <1 sind.
Zur sprachlichen Vereinfachung werden die „Aburteilun-gen mit Anordnung der Unterbringung in den Maßregelvoll-zug gemäß § 63 StGB“ im Folgenden als „§63-Zuweisungen“ abgekürzt.
Berechnung der Inzidenzraten
Zum Vergleich der Häufigkeitsangaben der einzelnen Län-der werden die theoretischen Anfangs- und Endwerte des Zeitraums von 1995–2009 jeweils auf 100.000 Einwohner (Inzidenz) bezogen. Dabei werden die jahresbezogenen Angaben zur Einwohnerzahl der Länder verwendet.
Merkmale der eingewiesenen Patienten
Es werden folgende Merkmale ausgewertet (Tab. 2): Sozio-demografische Angaben (Alter beim Delikt, Geschlecht, Staatsangehörigkeit), strafrechtliche Vorgeschichte (Zahl der Vorstrafen, schwerste Vorstrafe) und juristische Anga-ben zum aktuellen Rechtsverfahren (Art des angewendeten Strafrechts, Einschränkung der Schuldfähigkeit, Anlass-delikt, Länge der parallelen Haftstrafe). Die Merkmale haben in den unterschiedlichen Datenblättern für Jugend- und Erwachsenenrecht teilweise andere Reihenfolgen und Codierungsmuster, außerdem verändern sich ab 2007 die Datenblätter in wichtigen Punkten. Diese Unterschiede und Änderungen wurden bei den Auswertungen berücksichtigt.
Aus Datenschutzgründen werden einige Merkmale über-haupt nicht (z. B. die Landgerichtsbezirke) oder nur stark komprimiert zur Verfügung gestellt (z. B. nur kategoriale Altersangaben). Eine Änderung der Codierungsrichtlinien betrifft die Merkmale der strafrechtlichen Vorgeschichte, da ab 2007 diese Daten bei schuldunfähigen Delinquenten nicht mehr angegeben werden.
Die Angaben zur Staatsangehörigkeit erfolgen dichotom; außer der deutschen werden alle anderen Nationalitäten zusammengefasst.
Beim ursprünglichen Merkmal „Art des angewendeten Strafrechts“ wird zwischen dem Allgemeinen- und Jugend-strafrecht unterschieden. Im neu gebildeten, dichotomen Merkmal „junge/erwachsene Delinquenten“ werden die jugendlichen und heranwachsenden Delinquenten bis 21 Jahre
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tiver Anteil) angestiegen; ihr Anteil am Zuwachs beträgt 16 %. Der Anteil der „Frauen“ ist um 2 % angestiegen bei einem Zuwachs um + 15 %. Der relative Anteil der „anderen Nationalität“ steigt um 6 % auf 21 % bei einem Zuwachs von + 35 %. Der Anteil der „Schuldunfähigen“ steigt um 11 % und beträgt 2009 71 %. Der Anteil am Zuwachs erreicht dabei mit + 96 % einen sehr hohen Wert.
Die Abb. 3 zeigt die Mittelwerte und die Streuung des „Alters beim Delikt“ zu den beiden Zeitpunkten. Das Durch-schnittsalter ist um über ein Jahr angestiegen. Die Streuung hat sich erweitert. Während 1995 die meisten Patienten im Alter zwischen 27 und 37 Jahren auffällig wurden (Inter-quartilsabstand 10,5), hat sich 2009 die Altersspanne etwa um die Hälfte vergrößert (Interquartilsabstand 15,5).
Bei den Anlassdelikten (Abb. 4) ergibt sich eine relative Erhöhung nur für die Körperverletzungen um 19 %; alle anderen Deliktkategorien bleiben anteilsmäßig unverändert oder gehen zurück. Der Zuwachs seit 1995 besteht zu + 79 % aus Körperverletzungsdelikten, gefolgt von Brandstiftun-gen (+ 13 %) und sonstigen Gewaltdelikten (+ 12 %). Die („vollendeten“) Tötungsdelikte und die Sexualdelikte gehen relativ zurück und erreichen 2009 auch absolut niedrigere Häufigkeiten als 1995; entsprechend liegen die Anteile am Zuwachs im negativen Bereich.
Die Vorstrafen (Abb. 5) wurden bei Zuweisungen gemäß § 20 StGB (Schuldunfähigkeit) nur bis 2006 erfasst (1995: n = 636; 2006: n = 918). In Abb. 5a „Zahl der Vorstrafen“ wird die Ausprägung „keine“ aus der „Art der Vorstrafen“ (Abb. 5b) nicht wiederholt. In den Ergebnissen zeigen sich ein relativer und ein absoluter Rückgang bei den Vorstrafen mit mehr als 2 Jahren Haft, ebenso ein relativer Rückgang bei den §63-Zuweisungen mit mehr als 5 Vorstrafen.
In Abb. 6 wird die Länge der Parallelstrafen dargestellt. Diese betreffen nur schuldgeminderte Patienten gemäß § 21 StGB. Der relative und der absolute Anteil von §63-Zuwei-sungen mit längeren, parallel zur Maßregel verhängten Frei-heitsstrafen (> 2 Jahre) sind rückläufig.
weisungen) auf 100.000 Einwohner in 15 Jahren. Die Stan-dardabweichung der Inzidenzraten steigt von 0,40 im Jahr 1995 auf 0,70 im Jahr 2009, sodass von einer divergenten Entwicklung der Länder ausgegangen werden kann.
Veränderung der Merkmale insgesamt
Die Veränderungen der Merkmale sind in den Abbildungen 2–6 dargestellt. Die verwendeten Prozentangaben beziehen sich auf die jeweils für Anfangs- und Endpunkt errechneten Werte. Für 1995 entsprechen die 100 % einer errechneten Zahl von 652 §63-Zuweisungen, für 2009 der Zahl von 957. Die Differenz der Zahl von 1995 bis 2009 beträgt abso-lut 305 §63-Zuweisungen, was bezogen auf 1995 einem Zuwachs von 47 % entspricht.
In Abb. 2 sind 4 Merkmale mit dichotomen Ausprägun-gen dargestellt. Der Anteil der „jungen Delinquenten“ ist im Zeitraum von 15 Jahren geringfügig um 2 % auf 11 % (rela-
Tab. 1 Aburteilungen (absolute Werte) gemäß § 63 StGB in Deutschland (alte Länder) 1995–2009Aburteilungen gemäß § 63 StGB 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009Baden-Württemberg (BW) 86 83 100 124 113 124 91 130 115 128 114 104 135 125 132Bayern (BY) 161 163 227 199 202 208 221 226 238 243 197 194 216 251 201Berlin (BE) 35 47 58 47 58 58 50 74 81 80 89 68 75 87 87Bremen (HB) 6 7 4 5 14 8 5 15 14 14 20 14 16 25 16Hamburg (HH) 11 20 15 20 13 14 25 13 20 20 13 27 21 31 24Hessen (HE) 42 63 41 41 41 50 64 60 57 68 63 72 62 74 69Niedersachsen (NS) 28 47 89 97 101 92 104 72 107 125 107 99 128 125 116Nordrhein-Westfalen (NW) 124 122 130 163 104 107 122 151 144 168 155 145 147 159 140Rheinland-Pfalz (RP) 37 31 33 35 39 66 51 84 64 70 63 44 50 57 54Saarland (SL) 13 24 23 17 10 14 39 22 18 31 20 12 15 23 14Schleswig-Holstein (SH) 16 21 19 22 14 17 18 17 18 21 20 17 25 23 16Deutschland alte Länder (D) 559 628 739 770 709 758 790 864 876 968 861 796 890 980 869
Abb. 1 Inzidenzraten der Bundesländer
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Gemeinsame Entwicklung, unterschiedliche Inzidenz
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abweichungen sämtlicher Merkmale jeweils für 1995 und 2009 über alle Bundesländer ergibt durchgängig einen Rückgang der Streuung in den Ausprägungen (mit Aus-nahme des Deliktalters).
Für eine Überprüfung der Tendenz zur Konformität wer-den die Bundesländer in 2 Gruppen geteilt (Abb. 1) und verglichen. Die Gruppe der Länder mit unterdurchschnitt-lich steigender Inzidenz (< 0,4; Saarland, Schleswig-Hol-stein, Bayern, Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg) umfasst 44,8 Mio. Einwohner bei einem absoluten Zuwachs von 109 Zuweisungen (+ 24 %). Die Gruppe mit über-durchschnittlichem Zuwachs (> 0,4; Hessen, Hamburg, Rheinland-Pfalz, Niedersachsen, Berlin, Bremen) umfasst 23,8 Mio. Einwohner bei einem absoluten Zuwachs von 197 Zuweisungen (+ 97 %). Unterschied der beiden Grup-pen im Zuwachs der Inzidenz ist signifikant (χ2).
Vergleicht man hingegen die Prozentanteile der Aus-prägungen, ergeben sich zum Anfangspunkt 1995 teilweise noch signifikante Unterschiede (z. B. Körperverletzungen) der 2 Gruppen in den untersuchten Merkmalen, zum End-punkt 2009 aber keinerlei signifikanten Unterschiede mehr.
Diskussion
Übergreifende Entwicklung
Zunehmende Diversität der forensischen Patienten
Die Veränderung in den Merkmalen Geschlecht, Alter und Staatsangehörigkeit zeigt eine vermehrte Anzahl an Zuwei-sungen von Patienten, die bisher in der forensischen Psych-
Entwicklungen der Patientenmerkmale in den Bundesländern
In den Tab. 2 werden die Angaben zu den einzelnen Bun-desländern für den Anfangszeitpunkt (1995) und Endpunkt (2009) als Prozentanteile dargestellt. Die errechneten absolu-ten Häufigkeiten der Länder sind in der Kopfzeile angegeben.
Bei einem Vergleich der Differenzen zwischen den Zeit-punkten findet sich in den Deliktkategorien bei allen Ländern eine deutliche Erhöhung (10–35 %) der Körperverletzungs-delikte, ebenso ein Rückgang der vollendeten Tötungsde-likte (− 1 % bis − 22 %) und der Sexualstraftaten (−2 % bis − 11 %), hier mit den Ausnahmen Baden-Württemberg (ohne Veränderung bei den Sexualstraftaten gegen Erwachsene) und dem Saarland (Steigerung der Sexualstraftaten gegen Kinder um 1 %). Bei den sonstigen Gewaltdelikten und den Brandstiftungen ist die Entwicklung jeweils uneinheitlich.
Auch bei den Vorstrafen ergeben sich in den einzelnen Ländern meist ähnliche Entwicklungen wie im Länder-durchschnitt. Der Anteil der Patienten mit Vorstrafen über 2 Jahren Haft sinkt (− 2 % bis − 9 %) mit Ausnahmen in Ham-burg und Schleswig-Holstein. Auch der Anteil der Patienten mit mehr als 5 Vorstrafen geht überwiegend zurück (− 4 % bis − 11 %); Steigerungen finden sich Berlin, Hamburg und dem Saarland.
Bei „Schuldeinschränkung“ ergibt sich eine durchgängige Erhöhung der schuldunfähigen Patienten (3–26 %) mit Aus-nahme von Schleswig-Holstein. Bei den Parallelstrafen der gemäß § 21 StGB schuldgeminderten Patienten zeigt sich bis auf eine Ausnahme (Bremen 2 %) ein Rückgang (− 1 % bis − 30 %) der Patienten mit Haftstrafen über 2 Jahren Dauer.
Insgesamt ergibt sich im Zeitverlauf eine Tendenz zur Konformität der untersuchten Merkmale. Die Standard-
Abb. 3 Alter (Jahre) beim Delikt
16% 15%
35%
96%
9% 8%15%
60%
11% 10%
21%
71%
JungeDelinquenten
Frauen AndereNationalität
Schuldunfähige
Anteil am Zuwachs19952009
Abb. 2 Veränderung bei 4 dichotomen Merkmalen. (Die jeweils kom-plementäre Ausprägung addiert sich zu 100 %)
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1 3
Gemeinsame Entwicklung, unterschiedliche Inzidenz
Die zunehmende Diversität der Patienten lässt höhere Anforderungen an die Flexibilität der Behandlung und Prog-nose im Maßregelvollzug erwarten. Die sprach- und kulturbe-zogenen Verständigungsprobleme müssen berücksichtigt und entsprechende therapeutische Angebote geschaffen, Ausbil-dungs- und Unterrichtsmöglichkeiten gefördert werden. Auch kann bei einem höheren Anteil älterer Patienten ein größerer allgemein- und fachmedizinischer Aufwand erwartet werden. Bei zahlreicheren jungen Patienten mit wahrscheinlich größe-rer Impulsivität und Risikobereitschaft ergeben sich höhere Anforderungen an die Fachkompentenz der Betreuer.
iatrie seltener untergebracht wurden. Es werden 2009 mehr Frauen, mehr jüngere und ältere Patienten sowie mehr Patien-ten ohne deutschen Pass in den Maßregelvollzug eingewiesen als 1995. Das Merkmal ausländische Staatsangehörigkeit ist dabei nicht identisch mit dem Migrationshintergrund, sodass die Anzahl der Migranten eher unterschätzt werden dürfte. Insgesamt steigt der Altersdurchschnitt (arithmetisches Mit-tel) um mehr als ein Jahr, wobei die zweigipflige Altersver-teilung zeigt, dass zunehmend sowohl jüngere als auch ältere Patienten in den Maßregelvollzug gelangen.
a b
Abb. 5 Vorstrafen. a Art der Vorstrafen, b Zahl der Vorstrafen (Bei den Vorstrafen liegt der End-punkt im Jahr 2006)
-5%
T�tungsdelik
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Versuch
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20%
12% 9% 13%
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1% 5%
6% 6%
39%
7% 5% 13%
6% 13%
1% 4%
Anteil am Zuwachs1995
2009
Abb. 4 Deliktkategorien. Sonsti-ges Gewaltdelikt Raub, Erpres-sung, Nötigung und Bedrohung. BtMG Betäubungsmittelgesetz
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H.-J. Traub, G. Weithmann
Zunahme fast ausschließlich durch schuldunfähige Patienten
Der Zuwachs im Untersuchungszeitraum wird fast voll-ständig (96 %) durch schuldunfähige Patienten gemäß § 20 StGB verursacht und bekräftigt eine bereits beschriebene Entwicklung [11, 21] im Maßregelvollzug. Diagnostisch kann bei diesen Patienten ein Anteil von über 80 % schizo-phrener Erkrankungen angenommen werden [9, 21].
Länderspezifische Entwicklungen
Insgesamt finden sich die übergreifend aufgezeigten, zentra-len Trends in der Entwicklung aller Länder. Für Baden-Würt-temberg zeigen sich im Wesentlichen ähnliche Trends und Veränderungen in den Merkmalen wie in der vorliegenden Untersuchung [21]. Zwar ergeben sich auch in Bundesländern mit höherer Inzidenzrate (Bayern) oder wesentlicher Steige-rung der Inzidenz (Niedersachsen, Berlin) punktuell durchaus Abweichungen in einzelnen Ausprägungen, aus denen sich jedoch keine gemeinsamen, ähnlichen Muster in der Entwick-lung mehrerer Länder ableiten lassen. Insgesamt erscheinen einzelne Abweichungen im Zeitverlauf eher zufällig.
Dies bedeutet, dass es nach den untersuchten Merkma-len keine Hinweise auf überproportionale Zuweisungen von bestimmten Patientengruppen in einzelnen Ländern gibt, etwa mehr „schwierigere“ Patienten mit Persönlichkeitsstö-rungen oder Sexualstraftaten.
Erhebliche länderspezifische Unterschiede finden sich jedoch in der Häufigkeit der Zuweisungen bzw. in den Inzidenzraten. Der Gegensatz zwischen den eher niedri-gen Steigerungen der Inzidenz in den großen Flächenstaa-ten (Nordrhein-Westfalen, Bayern, Baden-Württemberg) und den Stadtstaaten mit hoher Inzidenzsteigerung könnte soziodemografische Hintergründe vermuten lassen. Dieser naheliegende Zusammenhang hat sich in einer vorangegan-genen, regionalen Untersuchung allerdings nicht bestätigen lassen. In Baden-Württemberg zeigten sich bei teilweise noch höheren Inzidenzraten einzelner Städte als in den Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen keine erkenn-baren Zusammenhänge zu den regionalen sozialökonomi-schen Indikatoren [20].
Unabhängig vom Bundesland lässt sich ein ähnliches „Profil“ an Patientenmerkmalen identifizieren, sodass keine qualitativen länderspezifischen Unterschiede in den gut-achterlichen oder juristischen Herangehensweisen zu ver-muten sind. Die großen quantitativen Unterschiede in den Inzidenzraten zeigen aber verschieden interpretierte Erheb-lichkeitsschwellen in den Anlassverfahren auf. Für diese differierenden Entwicklungen besteht Forschungs- und Diskussionsbedarf.
Zunahme mittelschwerer Delikte bei geringerer krimineller Vorbelastung
Fast vier Fünftel des Zuwachses der §63-Zuweisungen geht auf Körperverletzungsdelikte zurück. Zusammen mit den ebenfalls zunehmenden Brandstiftungen und sonsti-gen Gewaltdelikten wird mehr als der gesamte Zuwachs im Untersuchungszeitraum erreicht. Entsprechend ergibt sich ein Rückgang im Anteil anderer Deliktkategorien, der v. a. die öffentlichkeitswirksamen Delikte der vollende-ten Tötungshandlungen und der Sexualdelikte betrifft. Sie gehen sowohl absolut als auch relativ zurück. Die anderen Delikte, eingeschlossen die versuchten Tötungsdelikte, ver-ändern sich dagegen nur geringfügig.
Die bei schuldgeminderten Patienten parallel verhängten Freiheitsstrafen haben sich verkürzt. Der Anteil der Patien-ten mit Haftstrafen über 2 Jahren Dauer hat sich absolut und relativ verringert. Es kann deshalb von harmloseren Anlass-delikten bei den §20-StGB-Patienten ausgegangen werden.
Auch die deliktische Vorbelastung der Patienten geht zurück; es ergibt sich nicht nur eine relative, sondern auch absolute Verringerung der Werte für Zahl und Schwere der Vordelikte. Insgesamt fällt damit die rechtliche Gewichtung der Anlassdelikte und der Vorstrafen zunehmend milder aus, sodass eine Veränderung in Richtung weniger gravierender Delikte angenommen werden kann. Offenbar wird auch bei geringerer krimineller Auffälligkeit eher eine Maßregel angeordnet.
Abb. 6 Länge Parallelstrafe
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1 3
Gemeinsame Entwicklung, unterschiedliche Inzidenz
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Methodische Beschränkungen
Bei Merkmalen mit geringen absoluten Häufigkeiten (z. B. beim Merkmal „sonstige Delikte“, bei dem 1995 und 2009 relativ wenige Maßregelanordnungen erfolgten bzw. bei Bundesländern mit geringerer Einwohnerzahl) sind erhebliche Unschärfen zu erwarten. Diese methodische Beschränkung ergibt sich aus der Darstellung zeitlicher Entwicklungen über den linearen Trend. Die Entwicklungs-trends bei Merkmalen mit geringen Anteilen sollten deshalb nur zurückhaltend interpretiert werden.
Fazit
Mit der steigenden Zahl der Patienten im Maßregelvoll-zug wird für eine deliktsensible Öffentlichkeit eine höhere Gefährlichkeit suggeriert. Es ist aber keinesfalls die zuneh-mende Menge an „Sexualstraftätern und Mördern“, die auf der Zugangsseite zur Steigerung der Belegungszahlen führt, sondern es handelt sich um eine wachsende Anzahl an schi-zophrenen Patienten, die während einer akuten Krankheits-phase mit mittelschweren Delikten auffällig werden und für die grundsätzlich ein erfolgversprechendes, zeitlich ein-grenzbares Behandlungskonzept vorliegen sollte.
Die einzelnen Bundesländer unterscheiden sich in ihrer Entwicklung kaum in den Merkmalen der Patienten, jedoch eindeutig in den Häufigkeiten der Zuweisungen.
Interessenkonflikt Es besteht kein Interessenkonflikt.
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