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Fluidmechanik || Strömung kompressibler Fluide

Date post: 15-Dec-2016
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8 Strömung kompressibler Fluide Bei kompressiblen Fluiden muss die Druckabhängigkeit der Dichte berücksichtigt werden. Die Gesetzmäßigkeiten für Druckverlust, Ausströmvorgänge und Anströmung von Kör- pern verändern sich. Kompressibiltätseffekte können bei der Berechnung von Gas- und Dampſturbinen und bei Sicherheitsproblemen von Druckbehältern eine maßgebliche Rol- le spielen. 8.1 Grundlagen Bei der Strömung kompressibler Fluide müssen zunächst einige Größen eingeführt werden, die bisher nicht definiert wurden. 8.1.1 Ausbreitungsgeschwindigkeit einer Druckstörung Eine der wichtigsten Einflussgrößen der kompressiblen Strömung ist die Ausbreitungsge- schwindigkeit einer Druckstörung. Dazu betrachten wir eine kleine Druckänderung, die zum Beispiel durch einen Kolben in einem Rohr konstanten Querschnitts erzeugt wird (Abb. 8.1a). Wird der Kolben in Bewegung gesetzt, erzeugt er eine Geschwindigkeit Δc und diese eine Änderung der Zustandsgrößen. Die Druckänderung Δp wird sich mit der Ge- schwindigkeit a ausbreiten, was ein instationärer Vorgang ist. Bewegt sich der Beobachter mit Geschwindigkeit a der Störung, ist der Vorgang stationär (Abb. 8.1b). Die Kontinuitätsgleichung für den mitbewegten Kontrollraum lautet: (a Δc )⋅ A ⋅(ρ + Δρ)= a A ρ (8.1) 169 P. von Böckh und C. Saumweber, Fluidmechanik, DOI 10.1007/978-3-642-33892-2_8, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013
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Page 1: Fluidmechanik || Strömung kompressibler Fluide

8Strömung kompressibler Fluide

Bei kompressiblen Fluiden muss die Druckabhängigkeit der Dichte berücksichtigt werden.Die Gesetzmäßigkeiten für Druckverlust, Ausströmvorgänge und Anströmung von Kör-pern verändern sich. Kompressibiltätseffekte können bei der Berechnung von Gas- undDampfturbinen und bei Sicherheitsproblemen von Druckbehältern eine maßgebliche Rol-le spielen.

8.1 Grundlagen

Bei der Strömung kompressibler Fluidemüssen zunächst einigeGrößen eingeführtwerden,die bisher nicht definiert wurden.

8.1.1 Ausbreitungsgeschwindigkeit einer Druckstörung

Eine der wichtigsten Einflussgrößen der kompressiblen Strömung ist die Ausbreitungsge-schwindigkeit einer Druckstörung. Dazu betrachten wir eine kleine Druckänderung, diezum Beispiel durch einen Kolben in einem Rohr konstanten Querschnitts erzeugt wird(Abb. 8.1a).Wird der Kolben in Bewegung gesetzt, erzeugt er eine Geschwindigkeit Δc unddiese eine Änderung der Zustandsgrößen. Die Druckänderung Δp wird sich mit der Ge-schwindigkeit a ausbreiten, was ein instationärer Vorgang ist. Bewegt sich der Beobachtermit Geschwindigkeit a der Störung, ist der Vorgang stationär (Abb. 8.1b).

Die Kontinuitätsgleichung für den mitbewegten Kontrollraum lautet:

(a − Δc) ⋅ A ⋅ (ρ + Δρ) = a ⋅ A ⋅ ρ (8.1)

169P. von Böckh und C. Saumweber, Fluidmechanik, DOI 10.1007/978-3-642-33892-2_8,© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

Page 2: Fluidmechanik || Strömung kompressibler Fluide

170 8 Strömung kompressibler Fluide

ungestörteZone

Dc

gestörte

p + pT + T

Zone

Kolben

Schallwelle

a: ruhender Beobachter

DD

a pT

r Dr+ r

bewegter Kontrollraummit der Schallwelle mit-

b: mitbewegter Beobachter

T + Tp + p

DD a - cD a p

T

r Dr+ r

Abb. 8.1 Zur Ausbreitung einer Druckstörung in einem Fluid

Vernachlässigt man die Terme zweiter Ordnung, erhält man für die GeschwindigkeitΔc:

Δc =aρ⋅ Δρ (8.2)

Die Impulsbilanz für den Kontrollraum lautet:

(p + Δp) ⋅ A+ m ⋅ (a − Δc) = p ⋅ A+ m ⋅ a (8.3)

Nach Multiplikation und Vernachlässigung der Terme zweiter Ordnung erhält man:

Δp ⋅ A = m ⋅ Δc (8.4)

Für denMassenstromwird a ⋅ ρ ⋅A und für die Geschwindigkeit Δc in Gl. 8.2 eingesetzt.Die Geschwindigkeit a ist damit:

a =

√ΔpΔρ

(8.5)

Für den Grenzwert der Differenzen kann die differentielle Änderung eingesetzt werden.In der Strömung treten keine dissipativen Effekte auf. Damit kann die Ausbreitungsge-schwindigkeit a einer kleinen Druckstörung (velocity of a small pressure disturbance) inerster Näherung als isentrope Änderung behandelt werden:

a = (dpdρ

)s

(8.6)

Bei isentroper Zustandsänderung für ideale Gase gilt:

pρκ

= konst. (8.7)

Die Ableitung nach Gl. 8.6 wird damit:

a = (dpdρ

)s= konst. ⋅ κ ⋅ ρκ− = κ ⋅

pρ= κ ⋅ R ⋅ T (8.8)

Page 3: Fluidmechanik || Strömung kompressibler Fluide

8.1 Grundlagen 171

.c t3

Zone

des

Sch

wei

gens

a

.c t

.

. .c t2

b

.c t2. .c t3

..c t

.a tc

2 .a t. 3 .a t.

c

.a t2. .a t

2

c

. .c t3. .c t

.c t

Zone des Schweigens

Mach'scher Kegel

.a tc

3 .a t.2 .a t. 3 .a t.

Abb. 8.2 Druckwellenausbreitung bei verschiedenen Geschwindigkeiten der Störquelle: a Unter-schall c < a, b schallnaher Bereich c = a, c Überschall c > a

Die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Druckwellen bzw. die Schallgeschwindigkeit (so-nic velocity) ist:

a =√κ ⋅ R ⋅ T =

√κ ⋅ pρ

(8.9)

In der Atmosphäre erzeugt jeder bewegte Körper an seiner Vorderseite (vorderer Stau-punkt) eine Druckerhöhung. Diese breitet sich je nach Geschwindigkeit des Körpers un-terschiedlich aus. Bewegt sich der Körper mit einer Geschwindigkeit, die kleiner als dieSchallgeschwindigkeit ist, wird sich die Druckerhöhung vom Körper als Kugelwelle vorund hinter dem Körper ausbreiten. Ist die Geschwindigkeit des Körpers größer als dieSchallgeschwindigkeit, breitet sich die Druckänderung nur hinter dem Körper aus. Dieverschiedenen Druckfortpflanzungen zeigt Abb. 8.2. Im ersten Fall breitet sich die Druck-störung vor dem bewegten Körper aus, man spricht vom Unterschallbereich. Erfolgt dieBewegung mit Schallgeschwindigkeit, bewegt sich der Körper mit der gleichen Geschwin-digkeit wie die von ihm erzeugte Druckwellenfront. Dieser Bereich wird transsonischerBereich genannt. Bewegt sich der Körper schneller als Schallgeschwindigkeit, erzeugt er ei-ne kegelförmige Druckwellenfront, der hinter dem Körper liegt (Mach’scher Kegel). Wenndie Geschwindigkeit bis zu fünfmal größer als die Schallgeschwindigkeit ist, wird dieserBereich Überschall-, darüber Hyperschallbereich genannt.

8.1.2 Machzahl

Das Verhältnis der Strömungsgeschwindigkeit bzw. die Geschwindigkeit eines Körpers ineinem Fluid zur Schallgeschwindigkeit wirdMachzahl Ma genannt.

Ma =ca

(8.10)

Page 4: Fluidmechanik || Strömung kompressibler Fluide

172 8 Strömung kompressibler Fluide

Neben der Reynoldszahl ist die Machzahl eine wichtige Kennzahl bei der Behandlungkompressibler Strömungen. Die Strömung eines Fluids bzw. die Bewegung eines Körpersin einem Fluid wird mit derMachzahl folgendermaßen unterschieden:

Ma < 1 Unterschallströmung (subsonic flow)Ma = 1 transsonische Strömung (transsonic flow)Ma > 1 Überschallströmung (supersonic flow)Ma > 5 Hyperschallströmung (hypersonic flow)

Strömungen kompressibler Fluide können bei Machzahlen, die kleiner als 0,2 sind, alsinkompressibel behandelt werden. Später wird noch gezeigt, dass für diesen Fall der Ein-fluss der Kompressibilität vernachlässigbar klein ist.

Beispiel 8.1: Geschwindigkeit eines ÜberschallflugzeugsEin Flugzeug wird von einem ruhenden Beobachter A senkrecht zur Flugrichtungin 1 km Entfernung am Punkt B optisch wahrgenommen. Das Geräusch des Fliegershört er 2,5 Sekunden später. Die Temperatur der Luft ist 20 °C. Bestimmen Sie dieGeschwindigkeit des Flugzeugs.

Lösung

• SchemaFlugzeug

a

Cc

1km

BeobachterA

B D

• Annahme– Im Beobachtungsraum ist die Schallgeschwindigkeit konstant.

• AnalyseZunächst wird die Schallgeschwindigkeit der Luft bestimmt. Der Isentropenex-ponent der Luft ist bei 20 °C 1,4 und die Gaskonstante 287 J/(kg K). Damit wirddie Schallgeschwindigkeit:

a =√κ ⋅ R ⋅ T =

√1,4 ⋅ 287 ⋅ J/(kg K) ⋅ 293,15 ⋅K = 343,2m/s

Die Entfernung zwischen den Punkten B und C ist c ⋅ 3,5 s. Die Schallwelle, dievom Beobachter am Punkt A gehört wird, wurde vom Punkt D ausgesandt. Der

Page 5: Fluidmechanik || Strömung kompressibler Fluide

8.1 Grundlagen 173

Winkel α ist der halbeWinkel desMach’schenKegels. Aus ihm kann dieMachzahlfolgendermaßen bestimmt werden.

Ma = / sin(α)

Aus den Entfernungen zwischen B und C bzw. zwischen A und B kann man denWinkel α berechnen.

α = arctan(BC/AB) = arctan(AB/Ma ⋅ a ⋅ , s)

Für dieMachzahl erhält man folgende Gleichung:

Ma = [sin[arctan(AB/Ma ⋅ a ⋅ , s)]]−

Mit dem Gleichungslöser erhält man:Ma= 1,947, c = 668,2m/s• DiskussionMit der Schallgeschwindigkeit kann die Geschwindigkeit eines Überschallflug-zeugs bei bekannter Entfernung aus der Zeitmessung bestimmt werden.

Beispiel 8.2: Geschwindigkeit eines GeschossesDie Schlierenbildaufnahme eines Geschosses zeigt einen Mach’schen Kegel mit ei-nemWinkel von 52°. Bestimmen Sie die Geschwindigkeit des Geschosses, wenn dieLufttemperatur 20 °C beträgt.

Lösung

• Schema

52°

• Annahme– Die Schallgeschwindigkeit ist im Beobachtungsraum konstant.

• AnalyseAus Beispiel 8.1 kann die Schallgeschwindigkeit mit 343,2m/s entnommenwerden. Der geometrische Zusammenhang zwischen dem halben Winkel des

Page 6: Fluidmechanik || Strömung kompressibler Fluide

174 8 Strömung kompressibler Fluide

Mach’schen Kegels δ/2 und der Flug- und Schallgeschwindigkeit erlaubt eine di-rekte Berechnung der Fluggeschwindigkeit.

c = a/ sin(δ/) = ,m/s = ,Ma

• DiskussionDie Fluggeschwindigkeit kann einfach aus den Schlierenbildern schnell bewegterKörper ermittelt werden.

8.1.3 Zustandsgrößen der Stagnation

Bei stationärer eindimensonaler Strömung in einem Strömungskanal gilt für die Zustands-änderung folgende Energiebilanz:

δq + δw = dh + c ⋅ dc + g ⋅ dz

Da die Zustandsänderung adiabat ist und dem System keine mechanische Arbeit zu-geführt wird, ist die linke Seite der Gleichung gleich null. Bei kompressiblen Strömungenwerden nur Gase und hier im Speziellen ideale Gase behandelt. Daher kann der Einflussder potentiellen Energie vernachlässigt werden. Für eine Zustandsänderung von Zustand 0zu einem beliebigen Zustand ohne Index gilt:

h +c

= h +

c

= konst.

Wird bei Zustand 0 die Geschwindigkeit c0 = 0 gesetzt, erhält man:

h = h +c

= konst. (8.11)

Dabei ist h die spezifische Totalenthalpie des strömenden Fluids, h0 die spezifische Sta-gnationsenthalpie.

Für ideale Gase gilt: h = cp ⋅ T = κκ− ⋅ R ⋅ T und c = Ma ⋅

√κ ⋅ R ⋅ T

Setzt man diese Zusammenhänge in Gl. 8.11 ein, erhält man für die Temperatur:

T = T ⋅ ( +κ −

⋅Ma) = konst. (8.12)

Dabei ist T die Temperatur eines kompressiblen Fluids, die bei einer Geschwindigkeits-änderung aus dem Ruhezustand mit der Stagnationstemperatur T0 entsteht.

Page 7: Fluidmechanik || Strömung kompressibler Fluide

8.2 Adiabate Strömung in Kanälen konstanten Querschnitts 175

Geschwindigkeitsänderung

inkompressibel

Druckänderung wegen

c

zusätzlicher Reibungsdruckverlustwegen höherer Geschwindigkeit

0

1

p1

p,c

c p

reibungsfrei

Beschleunigungsichtigung der

l

kompressibel2

p

ohne Berück-

2c

Abb. 8.3 Druck- und Geschwindigkeitsverlauf eines kompressiblen Fluids in einem geraden, hori-zontalen Rohr

8.2 Adiabate Strömung in Kanälen konstantenQuerschnitts

Bei der Behandlung inkompressibler Fluide ist die Dichte des strömenden Fluids konstant.Damit kann die Energiebilanzgleichung einfach integriert werden. Bei der Strömung vonGasen verändert sich mit dem Druck die Dichte des Fluids. Trotz eines konstanten Strö-mungsquerschnitts ändert sich damit die Geschwindigkeit des Gases. Dies kann anschau-lich am Beispiel einer waagerechten Rohrleitung ohne Querschnittsveränderung gezeigtwerden. Durch den Reibungsdruckverlust wird der Druck gesenkt, damit verringert sichdie Dichte des Gases, die Geschwindigkeit erhöht sich. Durch die höhere Geschwindigkeitwird der Reibungsdruckverlust größer als bei der inkompressiblen Strömung. Infolge derErhöhung der kinetischen Energie kommt eine Druckänderung dazu, die eine zusätzlicheAbsenkung des Druckes verursacht. Abbildung 8.3 zeigt die Druck und Geschwindigkeits-änderung eines kompressiblen Fluids in einem Rohr.

8.2.1 Energiebilanz der kompressiblen adiabaten Strömung

Bei kompressibler Strömung ändert sich mit dem Druck die Dichte. Wenn man sich aufeine adiabate Strömung beschränkt, lautet die Energiegleichung in differentieller Form:

− dp = ρ ⋅ c ⋅ dc + g ⋅ ρ ⋅ dz + dpv (8.13)

Page 8: Fluidmechanik || Strömung kompressibler Fluide

176 8 Strömung kompressibler Fluide

Der Reibungsdruckverlust ist von der Dichte und Viskosität des Fluids und Geometrieabhängig.

8.2.2 Spezielle Lösungen der Energiebilanzgleichung

Für ein gerades Rohr, in dem ein ideales Gas strömt, kann meist die Druckänderung mitder geodätischen Höhe vernachlässigt werden. Gleichung 8.11 vereinfacht sich somit zu:

− dp = ρ ⋅ c ⋅ dc +λd⋅c ⋅ ρ

⋅ dl (8.14)

Hier wird die reibungsbehaftete Druckänderung als Funktion derMachzahl hergeleitet.Zunächst wird Gl. 8.14 durch p dividiert und folgende Umformungen werden durchge-

führt:p/ρ = R ⋅ T = a/κ Ma = c/a c ⋅ dc = d(c/) (8.15)

−dpp

=κa

⋅ d (c

) +

λd⋅κ ⋅Ma

⋅ dl (8.16)

Nach weiteren Umformungen erhalten wir:

−dpp

=κ ⋅Ma

⋅d(c)c

+λd⋅κ ⋅Ma

⋅ dl (8.17)

Um einen Zusammenhang zwischen der Machzahl Ma, d. h. der Strömungsgeschwin-digkeit und der Rohrlänge l zu bekommen,müssen aus Gl. 8.17 die Terme dp/p und d(c2)/c2

eliminiert werden. Aus der Definition derMachzahl erhalten wir:

Ma = c/a c = Ma ⋅ a = Ma ⋅ κ ⋅ R ⋅ Td(c)c

=dTT

+d(Ma)Ma

Die Kontinuitätsgleichung liefert:

d(c ⋅ ρ) = c ⋅ dρ = −ρ ⋅ dcdρρ

= −dcc

= −d(c) ⋅ c

Aus der thermischen Zustandsgleichung für ideale Gase erhält man:

p = R ⋅ ρ ⋅ T dp = R ⋅ (ρ ⋅ dT + T ⋅ dρ)dpp

=dTT

+dρρ

Werden diese drei Gleichungen kombiniert, ergibt sich:

dpp

=⋅dTT

−d(Ma) ⋅Ma

(8.18)

Page 9: Fluidmechanik || Strömung kompressibler Fluide

8.2 Adiabate Strömung in Kanälen konstanten Querschnitts 177

In Gl. 8.17 eingesetzt, erhalten wir:

−dT ⋅ T

+d(Ma) ⋅Ma

=κ ⋅Ma

⋅d(Ma)Ma

+κ ⋅Ma

⋅dTT

+λd⋅κ ⋅Ma

⋅ dl

Vereinfacht:

+ κ ⋅Ma

⋅dTT

= −λd⋅κ ⋅Ma

⋅ dl +

− κ ⋅Ma

⋅d(Ma)Ma

(8.19)

Zum Schluss benötigen wir noch den Zusammenhang zwischen den Termen dT/T undMa. Diesen erhalten wir aus Gl. 8.12. Für dT/T gilt:

dTT

= −(κ − ) ⋅Ma

+ (κ − ) ⋅Ma⋅d(Ma)Ma

In Gl. 8.19 eingesetzt und umgeformt erhält man:

−Ma

+ κ− ⋅Ma

⋅d(Ma)κ ⋅Ma

=λd⋅ dl (8.20)

Gleichung 8.20 ist eine Differentialgleichung, die die Änderung der Machzahl Ma mitder Rohrlänge l bestimmt. Die Länge, bei der die Machzahl den Wert 1 erreicht, wird mitl* bezeichnet. Die Integration zwischen den Längen 0 und l* und denMachzahlenMa und1 lautet:

∫Ma

−Ma

κ ⋅Ma ⋅ ( + κ− ⋅Ma)

⋅ d(Ma) =l∗

λd⋅ dl

Unter der Annahme eines konstanten Isentropenexponenten ϰ kann die linke Seite derGleichung direkt integriert werden. Auf der rechten Seite ist die Rohrreibungszahl λ vonder Reynoldszahl abhängig. Da nach der Kontinuitätsgleichung in einem Rohr konstantenQuerschnitts gilt, dass das Produkt der Geschwindigkeit undDichte konstant ist, verändertsich in der Reynoldszahl Re= (c ⋅ d ⋅ ρ)/η während der Strömung nur noch die dynamischeViskosität. In einem idealen Gas hängt diese von der Temperatur ab. Die Abhängigkeit istrelativ schwach, so dass mit einem mittleren Wert gerechnet werden kann.

λd⋅ l∗

=l∗

l∗

λd⋅ dl (8.21)

Die Integration von Gl. 8.20 ergibt:

−Ma

κ ⋅Ma+κ + ⋅ κ

⋅ ln [(κ + ) ⋅Ma

+ (κ − ) ⋅Ma] = λ ⋅

l∗

d(8.22)

Page 10: Fluidmechanik || Strömung kompressibler Fluide

178 8 Strömung kompressibler Fluide

Abb. 8.4 Zur Berechnung vonLeitungen gegebener Länge

l (Ma )

l

c1

Ma1

l (Ma )

* 1

* 2

hypothetisches Rohr

c2

Ma2

Mit Gl. 8.22 kann die Rohrlänge l*(Ma1) berechnet werden (s. Abb. 8.4), bei der beieiner bestimmten Machzahl am Rohreintritt (oder an anderer Stelle, die als null definiertwird) dieMachzahl 1 erreicht wird.

Ist eine Rohrlänge l vorgegeben, kann man die Änderung der Machzahl mit Gl. 8.22berechnen. Für Rohrabschnitte, die kleiner als l* sind, wird die Länge wie folgt bestimmt:

λ ⋅ld= λ ⋅

l∗

(Ma)d

− λ ⋅l∗

(Ma)d

(8.23)

Mit der errechnetenMachzahl können die Änderungen der Geschwindigkeit, der Tem-peratur und des Druckes berechnet werden. Die Änderung der Temperatur kann ausGl. 8.12 hergeleitet werden.

TT∗

=T/T

T∗

/T=

+ κ + (κ − ) ⋅Ma

(8.24)

Die Temperatur T* ist die Temperatur, die bei der Machzahl 1 nach Gl. 8.12 berechnetwird. Die Änderung des Druckes kann mit Hilfe der Zustandsgleichung idealer Gase undder Kontinuitätsgleichung bestimmt werden. Somit erhalten wir:

ρρ∗

=c∗

c=

a∗

Ma ⋅ a=

Ma

√κ ⋅ R ⋅ T

√κ ⋅ R ⋅ T

= (T∗

Ma ⋅ T)/

(8.25)

Die Zustandsgleichung idealer Gase liefert:

pp∗

=TT∗

⋅ρρ∗

= (T

Ma ⋅ T∗

)/

(8.26)

Gleichung 8.24 in Gl. 8.26 eingesetzt, ergibt:

pp∗

=

Ma(

+ κ + (κ − ) ⋅Ma

)

/

(8.27)

Mit Gl. 8.22 bestimmt man die Änderung derMachzahl in Abhängigkeit der Rohrlänge.Mit den errechneten Machzahlen können die Änderungen des Druckes, der Temperatur,Dichte und Geschwindigkeit ermittelt werden.

Page 11: Fluidmechanik || Strömung kompressibler Fluide

8.2 Adiabate Strömung in Kanälen konstanten Querschnitts 179

Abb. 8.5 Fanno-Linie im T-s-Diagramm

s

Ma > 1

*T

T Ma < 1

1

1'

= 1,4000k

s*s

senkrechterVerdichtungsstoß

12

Ma = 1

Die bisherigen Betrachtungen geben keine Auskunft darüber, in welche Richtung dieÄnderungen verlaufen können. Dazumuss die Änderung der Entropie untersucht werden.Für ideale Gase gilt:

s − s∗

= R ⋅ [κ

κ − ⋅ ln(

TT∗

) − ln(pp∗

)] (8.28)

Mit Gl. 8.28 errechnete Entropien sind in Abb. 8.5 in einem T-s-Diagramm dargestellt.Die so ermittelte Kurve wird Fanno-Linie oder Fanno-Kurve genannt.

Das Diagramm zeigt, dass die Zustandsänderung, da sie adiabat ist, nur nach rechtserfolgen kann. Dies bedeutet, dass beim Anfangszustand 1 in der Unterschallströmung(Ma < 1) die Geschwindigkeit der kompressiblen Strömung in einer Leitung konstantenQuerschnitts beschleunigt wird und höchstens Schallgeschwindigkeit erreicht. Sie kann inder Leitung selbst nicht erreicht werden, weil dann nach der Fanno-Linie eine negativeEntropieänderung erfolgen würde, was nach dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamikunmöglich ist.

▸ Bei gegebener Druckdifferenz zwischen dem Ein- und Austritt einer Leitungkonstanten Querschnitts kann am Austritt höchstens Schallgeschwindigkeiterreicht werden.

Am Anfangszustand 1′ ist die Strömungsgeschwindigkeit größer als Schallgeschwin-digkeit. Nach dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik muss die Geschwindigkeit ab-nehmen, was nur bis zur Schallgeschwindigkeit möglich ist. Der Druck erhöht sich bei rei-bungsbehafteter, adiabater Überschallströmung in einer Leitung konstanten Querschnitts.Bei Überschallströmung können senkrechte Verdichtungsstöße auftreten (Abb. 8.6), in de-nen sich innerhalb der freienWeglänge derMoleküle Druck und entsprechende Zustands-größen schlagartig verändern. Im Diagramm (Abb. 8.5) erfolgt die Zustandsänderung vonPunkt 1′ zu Punkt 2. Sie ist mit Dissipation verbunden. Die Geschwindigkeit wird dabeikleiner als die Schallgeschwindigkeit, der Druck erhöht sich. Mit Hilfe der Raleigh-Linien

Page 12: Fluidmechanik || Strömung kompressibler Fluide

180 8 Strömung kompressibler Fluide

Abb. 8.6 Senkrechter Ver-dichtungsstoß

Verdichtungsstoßp

c c1 2

Ma > 11 Ma < 12

dx

x

[1,2], auf die hier allerdings nicht eingegangen wird, kann gezeigt werden, dass ein Ver-dichtungsstoß nur aus der Überschall- zur Unterschallströmung möglich ist.

Wichtige Unterschiede bei der Änderung der Zustandsgrößen adiabater Unter- undÜberschallströmung in einer Leitung konstanten Querschnitts sind:

Unterschall ÜberschallDruck abnehmend zunehmendTemperatur abnehmend zunehmendGeschwindigkeit zunehmend abnehmendEntropie zunehmend zunehmend

Beispiel 8.3: Untersuchungdes Druckverlustes in einem geraden RohrIn einem geraden, 4m langen Stahlrohrmit 50mm Innendurchmesser und der Rau-igkeitshöhe von 0,1mm strömt Luft. Sie wird aus einemBehältermit demDruck von2 bar bis zum Rohreintritt isentrop beschleunigt. Zu bestimmen sind:

a) der Druckverlust im Rohr für die Eintritts-Machzahlen von 0,05; 0,1; 0,2; 0,3 und0,4

b) der Reibungsdruckverlust inkompressibler Strömung mit mittleren Stoffwertenc) der Massenstrom, wenn der Druck am Ende des Rohrs 0,98 bar beträgt.

Page 13: Fluidmechanik || Strömung kompressibler Fluide

8.2 Adiabate Strömung in Kanälen konstanten Querschnitts 181

Lösung

• Schema

4 m

T = 300 K01

p = 2 bar0

Luft

2

• Annahme– Der Isentropenexponent wird als konstant ϰ = 1,4 angenommen.– Die Strömungsvorgänge sind stationär.– Nur die Temperaturabhängigkeit der Viskosität wird berücksichtigt.

• Analysea) Hier wird der Rechnungsweg bei der Machzahl 0,4 ausführlich beschrieben,

die Rechenergebnissemit anderenMachzahlenwerden tabellarisch angegeben.Zunächst ermittelt man für die gegebene Machzahl Ma1 die Temperatur, denDruck und die Dichte amPunkt 1. Die Temperatur kannmit Gl. 8.12 berechnetwerden.

T =T

+ κ− ⋅Ma

Da die Zustandsänderung isentrop ist, gelten für den Druck und die Dichte:

p = p ⋅ (T/T)κ/ (κ − )

ρ =p

R ⋅ T

Mit der Geschwindigkeit am Rohreintritt werden die Reynolds- und Rohr-reibungszahl bestimmt. Mit Gl. 8.22 kann die Länge l*, bei der die Schallge-schwindigkeit erreicht wird, ermittelt werden. Gleichung 8.22 ist nicht nachl* auflösbar, deshalb ist die Machzahl Ma2 für die Länge l*2 = l*1 – l iterativzu bestimmen. Mit der Machzahl kann man Temperatur, Druck und Dichtean Stelle 2 berechnen. Die mittleren Werte für Geschwindigkeit, Tempera-tur, Reynoldszahl, Rohrreibungszahl undMachzahlMa2 müssen neu bestimmtwerden. Die Rechnung wird wiederholt, bis die erforderliche Genauigkeit er-reicht ist.Hier wird nur die Berechnung für Ma1 = 0,4 gezeigt, die Werte für andereMachzahlen folgen später tabellarisch.

T =T

+ κ− ⋅Ma

=300 K

1 + 0,2 ⋅ 0,42= 290,7 K

Page 14: Fluidmechanik || Strömung kompressibler Fluide

182 8 Strömung kompressibler Fluide

p = (T/T)κ/(κ − ) ⋅ p = (,/),/, ⋅ 2bar = 1,7912 bar

ρ =p

R ⋅ T=

1,7912 ⋅ 105 ⋅ Pa287 ⋅ J/(kg ⋅K) ⋅ 290,7 ⋅K

= 2,147kg/m3

Die Reynoldszahl wird mit der dynamischen Viskosität der Luft am Eintritt desRohrs bestimmt, die bei 17,55 °C 17,9 ⋅ 10–6 kg/(m s) beträgt. Die Reynoldszahlwird in eine für weitere Berechnungen günstigere Form gebracht.

Re =c ⋅ d ⋅ ρ

η=Ma ⋅

√κ ⋅ R ⋅ Td ⋅ p

η ⋅ R ⋅ T=Ma ⋅

√κ ⋅ d ⋅ p

η ⋅√R ⋅ T

=

=0,4 ⋅

√1,4 ⋅ 1,7912 ⋅ 105 ⋅ Pa ⋅ 0,05 ⋅m

17,9 ⋅ 10−6 ⋅ Pa ⋅ s ⋅√287 ⋅ 290,7 ⋅ J/kg

= 821.122

Da Re ⋅ k/d = 1640 ist, wird die Rohrreibungszahl von der Reynoldszahl unab-hängig und mit Gl. 6.35 bestimmt.

λ = [ ⋅ log(, ⋅ d/k)]− = [ ⋅ log(, ⋅ /,)]− = ,

Aus Gl. 8.22 erhalten wir für die Länge l*1:

l∗ =

dλ⋅ {

−Ma

κ ⋅Ma+κ + ⋅ κ

⋅ ln [(κ + ) ⋅Ma

+ (κ − ) ⋅Ma]} =

=0,05 ⋅m0,0234

⋅ [0,840,224

+2,42,8

⋅ ln(2,4 ⋅ 0,42

2 + 0,4 ⋅ 0,42)] = ,m

Jetzt muss dieMachzahlMa2 ermittelt werden, bei der bei 0,933m die Schall-geschwindigkeit erreicht wird. Mit Mathcad errechnet man fürMa2 den Wertvon 0,614. Die Temperatur T2 kann mit Gl. 8.12 bestimmt werden.

T =T

+ κ− ⋅Ma

=300 K

1 + 0,2 ⋅ 0,6142= 278,95K

Die Geschwindigkeit ist an Stelle 2:

c = Ma ⋅√κ ⋅ R ⋅ T = 205,6m/s

Der Druck an Stelle 2 berechnet man mit Gl. 8.27.

p =MaMa

⋅ ( + (κ − ) ⋅Ma + (κ − ) ⋅Ma

)

/

⋅ p =

=,,

⋅ ( + , ⋅ ,

+ , ⋅ ,)

/

⋅ 1,7912bar = , bar

Page 15: Fluidmechanik || Strömung kompressibler Fluide

8.2 Adiabate Strömung in Kanälen konstanten Querschnitts 183

Jetzt müssen die Reynoldszahl an Stelle 2 und die Rohrreibungszahl neu be-rechnet werden. Bei 279K beträgt die dynamische Viskosität 17,4 ⋅ 10–6 Pa ⋅ s.

Re =Ma ⋅

√κ ⋅ d ⋅ p

η ⋅√R ⋅ T

=0,614 ⋅

√1,4 ⋅ 1,1431 ⋅ 105 ⋅ Pa ⋅ 0,05 ⋅m

17,4 ⋅ 10−6 ⋅ Pa ⋅ s ⋅√287 ⋅ 278,97 ⋅ J/kg

= 843.369

Damit ist die Rohrreibungszahl von der Reynoldszahl unabhängig und bleibtunverändert. Der Druckverlust beträgt p1 – p2 = 0,649 bar.Zum Vergleich ist jetzt noch der Reibungsdruckverlust für die Luft als inkom-pressibles Medium mit den mittleren Werten der Dichte und Geschwindigkeitzu berechnen. Dabei wird die relativ kleine Änderung der Temperatur nichtberücksichtigt, d. h., T1 =T2.

ρm =ρ + ρ

=

⋅ R

⋅ (pT

+pT

) ≈p + p ⋅ R ⋅ T

cm = c ⋅ρρm

= c ⋅ ⋅ pp + p

Die inkompressible Druckänderung ist:

p − p = λ ⋅ld⋅cm ⋅ ρm

= λ ⋅

ld⋅

p ⋅ c(p + p) ⋅ R ⋅ T

p − p = λ ⋅ld⋅

cR ⋅ T

= λ ⋅ld⋅ κ ⋅ p ⋅Ma

p − p =⎛

⎝ −

− λ ⋅ld⋅ κ ⋅Ma

⎠⋅ p =

=⎛

⎝ −

− , ⋅

,⋅ , ⋅ ,

⎠⋅ 1,7912bar = ,bar

Die Druckdifferenz zwischen den Stellen 1 und 2 beträgt 0,649 bar, sie ist alsowesentlich größer als der als inkompressibel errechnete Reibungsdruckverlust.

Ma1 T1 p1 p1 l*1 Ma2 T2 p2 ρ2 Δp ΔpvK bar kg/m3 m K bar kg/m3 Pa Pa

0,05 299,9 1,997 2,320 561,4 0,0502 299,8 1,989 2,312 657 6770,10 299,4 1,986 2,311 138,2 0,1014 299,4 1,959 2,279 2657 26650,20 297,6 1,945 2,277 30,5 0,2123 297,3 1,832 2,146 11.360 10.5990,30 294,7 1,879 2,222 11,2 0,3517 292,8 1,597 1,901 27.757 24.2780,40 290,7 1,791 2,147 4,9 0,6143 278,9 1,143 1,427 64.865 48.996

b) Zur Berechnung desMassenstroms bei einemAustrittsdruck von 0,98 barmussdieMachzahl amEintritt so lange variiert werden, bis der Druck an Stelle 2 den

Page 16: Fluidmechanik || Strömung kompressibler Fluide

184 8 Strömung kompressibler Fluide

Wert von 0,98 bar erreicht. Solche Berechnungen werden sinnvollerweise mitProgrammen wieMathcad,Maple oder Excel durchgeführt. Nachstehend folgtdie Berechnung mitMathcad. An Stelle 1 erhalten wir die Werte:

Ma = , T = ,K ρ = , kg/m

Die Geschwindigkeit c1 ist damit:

c = Ma ⋅√κ ⋅ R ⋅ T = , ⋅

√, ⋅ ⋅ , = 142,17m/s

Der Massenstrom beträgt:

m = c ⋅ ρ ⋅ A = 142,17 ⋅m/s ⋅ 2,133 ⋅ kg/m3 ⋅ 0,25 ⋅ π ⋅ 0,052 ⋅m2 = , kg/s

• DiskussionBei der Berechnung des Druckverlustes ist der Einfluss der Kompressibilität beiMachzahlen, die kleiner als 0,2 sind, vernachlässigbar. Bei größeren Machzahlenwird der Einfluss immer stärker. Die hergeleiteten Gleichungen erlauben die Be-rechnung der kompressiblen Strömung unter den Annahmen, dass das Fluid einideales Gas und der Isentropenexponent konstant sind. Die Änderung des Isen-tropenexponenten mit der Temperatur kann iterativ berücksichtigt werden. Mitder errechneten Temperatur bestimmt man die mittlere spezifischeWärmekapa-zität und den Isentropenexponenten. Die Berechnung ist bis zum Erreichen dergewünschten Genauigkeit zu wiederholen. Bei realen Gasen sind nur numerischeLösungen mit Computerprogrammen möglich.

8.3 Strömung in Kanälen veränderlichen Querschnitts

8.3.1 Einfluss derMachzahl

Aus der Kontinuitätsgleichung erhalten wir:

dmdx

=d(c ⋅ ρ ⋅ A)

dx=

Dies kann in folgender Form geschrieben werden:

ρ⋅dρdx

+A⋅dAdx

+c⋅dcdx

= (8.29)

Page 17: Fluidmechanik || Strömung kompressibler Fluide

8.3 Strömung in Kanälen veränderlichenQuerschnitts 185

Für die isentrope Strömung liefert die Bernoulli-Gleichung:

ρ ⋅ c ⋅dcdx

= −dpdx

Unter Berücksichtigung, dass a2 = dp/dρ ist, erhalten wir:

ca

⋅dcdx

= −ρ⋅dρdx

Damit kann dρ/ρ in Gl. 8.29 ersetzt werden.

c⋅dcdx

=

Ma − ⋅A⋅dAdx

(8.30)

Aus Gl. 8.30 und Abb. 8.7 ist ersichtlich, dass die Geschwindigkeit bei der Unterschall-strömung mit zunehmendem Strömungsquerschnitt abnimmt. Dies stimmt mit unserenbisherigen Erfahrungen mit inkompressiblen Fluiden überein. Bei Überschallströmungnimmt die Geschwindigkeit mit zunehmendem Strömungsquerschnitt zu.

▸ Bei kompressibler Unterschallströmung nimmt die Geschwindigkeit in einemStrömungskanal mit zunehmendem Strömungsquerschnitt ab, bei abnehmen-dem Querschnitt zu.

▸ Bei kompressibler Überschallströmung nimmt die Geschwindigkeit in einemStrömungskanal mit abnehmendem Strömungsquerschnitt ab, bei zunehmen-dem Querschnitt zu.

In einem konvergent-divergenten Kanal kann eine Unterschallströmung an der engstenStelle bis zur Schallgeschwindigkeit beschleunigt und anschließend weiter auf Überschall-geschwindigkeit gebracht werden. Wird an der engsten Stelle keine Schallgeschwindig-keit erreicht, erfolgt danach ein Abbremsen der Strömungsgeschwindigkeit. Hat die Strö-mung am Eintritt Überschallgeschwindigkeit, sinkt sie bis zur engsten Stelle auf Schallge-schwindigkeit undwird dann je nachDruckverhältnis beschleunigt oder abgebremst (sieheAbschn. 8.4.1). Dieses Verhalten wird mit Gl. 8.30 beschrieben. Erreicht dieMachzahl denWert 1, muss die Querschnittsänderung dA/dx null werden, da sonst der Geschwindig-keitsgradient unendlich wird, was physikalisch unmöglich ist.

Ist in einem divergent-konvergenten Kanal die Strömungsgeschwindigkeit am Eintrittkleiner als Schallgeschwindigkeit, kann später nur eine Unterschallströmung auftreten. Istdie Strömung am Eintritt im Unterschallbereich, wird sie zunächst abgebremst. Bei nach-folgender Beschleunigung im konvergenten Kanal kann bei entsprechendem Druckver-hältnis Schallgeschwindigkeit erreicht werden, wenn die Querschnittsänderung wieder zunull wird. Ist die Strömung am Eintritt im Überschallbereich, wird die Geschwindigkeiterhöht und dieMachzahl erreicht an der breitesten Stelle einen maximalen Wert.

Page 18: Fluidmechanik || Strömung kompressibler Fluide

186 8 Strömung kompressibler Fluide

x

c

dAdx = 0

c

= 0dxdA

Abb. 8.7 Kompressible Strömung in Kanälen veränderlichen Strömungsquerschnitts

Abb. 8.8 Ausströmung auseinem Behälter

pA

a

pT

0

r0

0

pTr

8.3.2 Ausströmung aus einem Behälter

Bei der Ausströmung aus einem Behälter wird im betrachteten Fall (Abb. 8.8) ein großerBehälter angenommen, in dem die Geschwindigkeit gleich null ist. Damit entsprechen dieZustandsgrößen im Behälter den Stagnationswerten p0, T0, r0 und h0. Der Behälter hateine Öffnung mit dem Querschnitt A. Außerhalb des Behälters herrscht der Umgebungs-druck pa. Die Zustände am Austritt des Behälters werden ohne Indizes angegeben. Daskompressible ideale Gas strömt aus dem Behälter in die Umgebung. Die Änderung der po-tentiellen Energie wird vernachlässigt.

In den folgenden Abschnitten werden Ausströmgeschwindigkeit, austretender Massen-strom und kritische Strömung behandelt.

8.3.2.1 AusströmgeschwindigkeitAls Erstes wird die Ausströmgeschwindigkeit c am Austritt berechnet. Da bei diesem Strö-mungsvorgang keineArbeit ins System transferiert wird, lautet die Energiebilanzgleichung:

= h − h + , ⋅ c (8.31)

Bezeichnen wir die ideale Ausströmgeschwindigkeit, die bei isentroper Expansion ent-steht, mit cs, erhalten wir für die reibungsbehaftete Austrittsgeschwindigkeit cmit der Ge-schwindigkeitsziffer φ:

c = φ ⋅ cs = φ ⋅√ ⋅ (h − hs) = φ ⋅

√ ⋅ Δhs =

√ ⋅ (h − h) (8.32)

Page 19: Fluidmechanik || Strömung kompressibler Fluide

8.3 Strömung in Kanälen veränderlichenQuerschnitts 187

Bei idealen Gasen kann die Änderung der Enthalpie aus der Temperaturänderung be-stimmt werden.

c = φ ⋅

√ ⋅ κκ −

⋅ R ⋅ (T − Ts) =

√ ⋅ κκ −

⋅ R ⋅ (T − T) (8.33)

Die Temperatur Ts bei isentroper Zustandsänderung ergibt sich aus der Druckände-rung.

Ts = T ⋅ (pp

)

κ−κ

(8.34)

Damit ist die Ausströmgeschwindigkeit:

c = φ ⋅

�����

⋅ κκ −

⋅ R ⋅ T ⋅

⎡⎢⎢⎢⎢⎣

− (pp

)

κ−κ ⎤⎥⎥⎥⎥⎦

(8.35)

8.3.2.2 Austretender MassenstromDer aus dem Behälter austretende Massenstrom ist:

m = A ⋅ c ⋅ ρ (8.36)

Die Dichte in Gl. 8.36 ist die Dichte am Austritt. Sie kann aus der Zustandsgleichungidealer Gase ermittelt und eingesetzt werden.

m = A ⋅ c ⋅p

R ⋅ T(8.37)

Durch Einsetzen der Geschwindigkeit c aus Gl. 8.33 erhält man nach Umformungen:

m =A ⋅ pR ⋅ T

√ ⋅ κκ −

⋅ R ⋅ (T − T) =A ⋅ p√R ⋅ T

���� ⋅ κ

κ − ⋅ (

pp

)

⋅T

T⋅ (

T

T− ) (8.38)

In dieser Gleichung ist das Temperaturverhältnis T0/T noch unbekannt, kann jedochaus der Definition der Geschwindigkeitsziffer ϕ ermittelt werden. Aus Gl. 8.33 erhält man:

T

T=

− ϕ ⋅ ( − Ts/T)

(8.39)

Das Temperaturverhältnis Ts/T0 kann aus Gl. 8.34 eingesetzt werden und ergibt:

T

T=

− ϕ ⋅ [ − (p/p)(κ − )/κ

](8.40)

Page 20: Fluidmechanik || Strömung kompressibler Fluide

188 8 Strömung kompressibler Fluide

Für das Druckverhältnis wird vereinfachend π = p/p0 eingeführt undGl. 8.40 in Gl. 8.38eingesetzt.

m = A ⋅p ⋅

√R ⋅ T

⋅ [φ ⋅ π

− φ ⋅ ( − π(κ−)/κ)

√ κκ −

⋅ ( − π(κ − )/κ)] (8.41)

Wie aus Gl. 8.41 zu sehen ist, hängt der Massenstrom nur vom Zustand des Gases imBehälter, vom Isentropenexponenten und vom Druckverhältnis ab. Der Ausdruck in deneckigen Klammern in Gl. 8.41 wird als Ausflussfunktion Ψ bezeichnet.

Ψ =π ⋅ φ

− φ ⋅ ( − π(κ − )/κ)

√ κκ −

⋅ ( − π(κ − )/κ) (8.42)

Für die isentrope Strömung erhält man einen vereinfachten Ausdruck:

Ψs =

√ κκ −

⋅ (π κ − π κ +

κ ) (8.43)

Der Massenstrom lässt sich durch folgende einfache Gleichung beschreiben:

m =A ⋅ p ⋅

√R ⋅ T

⋅Ψ = A ⋅√ ⋅ ρ ⋅ p ⋅Ψ (8.44)

Bei der Bestimmung des Massenstroms müssen außer der Reibung auch noch dieStrahleinschnürung durch die Kontraktionszahl α berücksichtigt werden. Sie gibt an, wel-che Querschnittsfläche für die Strömung wirklich zur Verfügung steht.

m =A ⋅ α ⋅ p ⋅

√R ⋅ T

⋅Ψ = A ⋅ α ⋅√ ⋅ ρ ⋅ p ⋅Ψ (8.45)

8.3.2.3 Kritisches DruckverhältnisAbbildung 8.9 zeigt die Ausflussfunktion. Wie zu sehen ist, nehmen mit abnehmendemDruckverhältnis die Ausflussfunktion und damit der Massenstrom zunächst zu und dannwieder ab. Dieses Verhalten ist unverständlich, da zu erwarten wäre, dass mit abnehmen-dem Austrittsdruck der Massenstrom zunimmt. In Wirklichkeit steigt der Massenstrommit abnehmendem Druckverhältnis bis zu einem Maximum der Ausflussfunktion an undbleibt dann konstant.

▸ Der Massenstrom aus einem Druckbehälter konstanten Innendruckes nimmtmit abnehmendem Austrittsdruck zunächst zu und bleibt dann ab einem be-stimmten Austrittsdruck konstant.

Page 21: Fluidmechanik || Strömung kompressibler Fluide

8.3 Strömung in Kanälen veränderlichenQuerschnitts 189

Abb. 8.9 Ausflussfunktion fürϰ= 1,4

Druckverhältnis

Aus

fluss

funk

tion

Y

0

0,1

0,2

0,20 0,4

0,3

0,4

0,5

Maximum

0,6

0p/p0,8 1,0

0,5

1

0.8

j =2

k =1,4

0,9

Dieser Druck wird kritischer Druck bzw. das Druckverhältnis kritisches Druckverhältnisgenannt. Das Maximum der Ausflussfunktion bestimmt das kritische Druckverhältnis.

dπ=

⋅ φ ⋅ ( − πκ−κ )

− φ ⋅ ( − π κ−κ )

−π

κ−κ ⋅ φ ⋅ κ−κ

− φ ⋅ ( − π κ−κ )

⋅ [ + φ ⋅ ( − π

κ−κ )

− φ ⋅ ( − π κ−κ )

] = (8.46)

Für das kritische Druckverhältnis erhalten wir:

(pp

)krit

=

⎡⎢⎢⎢⎢⎢⎢⎢⎢⎢⎣

φ + − ⋅ κ ⋅ ( − φ)

⋅ φ ⋅ (κ + )+

+

����(

φ + − ⋅ κ ⋅ ( − φ)

⋅ φ ⋅ (κ + ))

+ ⋅ κ ⋅ ( − φ)

φ ⋅ (κ + )

⎤⎥⎥⎥⎥⎥⎥⎥⎥⎥⎦

κκ−

(8.47)

Für die isentrope Ausströmung mit φ= 1 erhält man einen einfacheren Ausdruck:

(pp

)kri t , s

= (

κ + )

κκ −

(8.48)

Wird das kritische Druckverhältnis in Gl. 8.41 eingesetzt, erhalten wir das Maximumder Ausflussfunktion. Das kritische Druckverhältnis kann mit Gl. 8.47 berechnet oder aus

Page 22: Fluidmechanik || Strömung kompressibler Fluide

190 8 Strömung kompressibler Fluide

Abb. 8.10 Kritisches Druck-verhältnis nach Gl. 8.47

0 0,2 0,4 0,8 1,00,60,52

0,54

0,56

0,58

0,60

0,62

0,64

Geschwindigkeitsziffer j

kriti

sche

s D

ruck

verh

ältn

is

k =1,4

1,21,3

dem Diagramm in Abb. 8.10 abgelesen werden. Für die isentrope Ausflussfunktion ergibtsich:

Ψkrit , s = (

κ + )

κ −

√ κκ +

(8.49)

8.3.2.4 Kritischer Massenstrom und kritische GeschwindigkeitDer kritischeMassenstrom kann aus Gl. 8.41 direkt bestimmt werden, indem dort derWertder kritischen Ausflussfunktion eingesetzt wird.

mkrit = α ⋅ A ⋅√ ⋅ ρ ⋅ p ⋅Ψkrit (8.50)

Für die allgemeine Berechnung von Ψkrit wird hier keine geschlossene Funktion ange-geben, weil die Gleichung sehr groß und unübersichtlich ist. Es ist besser, das kritischeDruckverhältnis aus Gl. 8.47 zu berechnen und den Zahlenwert in Gl. 8.42 einzusetzen.Für die isentrope Zustandsänderung erhalten wir:

mkri t , s = A ⋅√ ⋅ ρ ⋅ p ⋅Ψkrit , s = A ⋅

√ ⋅ ρ ⋅ p ⋅ (

κ +

)

κ −

√ κκ +

(8.51)

Der kritische Massenstrom kann mit der Ausflussziffer μ= α ⋅ ϕ und mit der isentropenkritischen Ausflussfunktion vereinfacht berechnet werden.

mkrit = μ ⋅ A ⋅√ ⋅ ρ ⋅ p ⋅Ψkrit , s = μ ⋅ A ⋅

√ ⋅ ρ ⋅ p ⋅ (

κ +

)

κ −

√ κκ +

(8.52)

Diese einfachere Berechnung berücksichtigt jedoch nicht die korrekte reibungsbehaf-tete Änderung der Dichte.

Page 23: Fluidmechanik || Strömung kompressibler Fluide

8.3 Strömung in Kanälen veränderlichenQuerschnitts 191

Abb. 8.11 Strömungsbild undDruckverlauf

p0pp

p = p

x

U

p = pU

unterkritisch

0p

p

c

U

0

p

p

pU

x

kritisch

p0

c = a

pU

▸ Die kritische Ausströmgeschwindigkeit ist gleich der Schallgeschwindigkeit, be-zogen auf den Zustand des Gases am Austritt.

Aus einer Austrittsöffnung mit plötzlicher Querschnittserweiterung kann ein Gashöchstens mit Schallgeschwindigkeit strömen.

8.3.2.5 Strömungsvorgänge bei kritischer StrömungBei der Strömung inkompressibler Fluide ist der Druck am Austritt aus einer plötzlichenQuerschnittserweiterung gleich dem Druck der Umgebung. Direkt am Austritt bleibt derQuerschnitt des Strahls konstant. Ebenso verhält sich die unterkritische Strömung kom-pressibler Fluide. Bei kritischer Strömung ist der Druck am Austritt größer als der derUmgebung und der Strahl platzt auf. Dieses Aufplatzen wird durch den Druck im Strahl,der höher ist als der der Umgebung, bewirkt. Abbildung 8.11 zeigt den Strömungsvorgangund Druckverlauf bei unterkritischer und kritischer Strömung.

Beispiel 8.4: Kritische Ausströmung aus einem BehälterIn einem Behälter befindet sich Luftmit demDruck von 4 bar und einer Temperaturvon 300K. Der Druck der Umgebung ist 1 bar. Aus einer Öffnungmit 0,1 cm2 Quer-schnitt strömt die Luft aus. Die Geschwindigkeitsziffer ist 0,95, die Kontraktionszahl0,9.

a) Bestimmen Sie den Druck am Austritt und den austretenden Massenstrom.b) Bestimmen Sie den Massenstrommit Gl. 8.52.

Page 24: Fluidmechanik || Strömung kompressibler Fluide

192 8 Strömung kompressibler Fluide

Lösung

• Schema

p = 4 bar

T = 300 K0

0

Luft

p = 1 barU

• Annahmen– Der Isentropenexponent wird als konstant ϰ= 1,4 angenommen.– Die Strömungsvorgänge sind stationär, d. h., im Behälter ist der Druck kon-stant.

• Analysea) Um festzustellen, ob die Strömung kritisch oder unterkritisch ist, wird zunächst

das kritische Druckverhältnis mit Gl. 8.47 bestimmt.

(pp

)krit

=

⎡⎢⎢⎢⎢⎢⎣

,+−,⋅(−,)⋅, ⋅, +

+

( ,+−,⋅(−,)⋅, ⋅, )

+ ,⋅(−,)

, ⋅,

⎤⎥⎥⎥⎥⎥⎦

,,

= 0,5419

Der Druck am Austritt wird damit 0,5419 ⋅ p0 = 2,168 bar. Er überschreitet denWert des Außendruckes, d. h., die Strömung ist kritisch.Die Ausflussfunktion berechnet sich mit Gl. 8.42, indem dort das kritischeDruckverhältnis eingesetzt wird.Den Massenstrom erhalten wir aus Gl. 8.50.

mkrit = α ⋅ A ⋅√ ⋅ ρ ⋅ p ⋅Ψkrit =

α ⋅ A ⋅ p ⋅√

√R ⋅ T

⋅Ψkrit =

=0,9 ⋅ 10−5 ⋅m2 ⋅ 4 ⋅ 105 ⋅ Pa ⋅

√2

√287 ⋅ J/(kg ⋅K) ⋅ 300 ⋅K

⋅ 0,4514 = ,kgs

b) Die Berechnung des Massenstroms mit Gl. 8.52 ergibt:

mkrit =μ ⋅ A ⋅ p ⋅

√R ⋅ T

⋅ (

κ + )

κ−

√ κκ +

= ,kgs

Page 25: Fluidmechanik || Strömung kompressibler Fluide

8.3 Strömung in Kanälen veränderlichenQuerschnitts 193

• DiskussionDer Massenstromund Druck am Austritt können sehr einfach bestimmt werden.In unserem Fall liefert die Näherungsgleichung einen zu großenWert von ca. 2%.Die Abweichungen werden mit zunehmender Reibung größer, die Ursache liegtin der durch Reibung verursachten höheren Temperatur.

Beispiel 8.5: UnterkritischeAusströmung aus einem BehälterDer im Beispiel 8.4 berechnete Fall ist für einen Behälterdruck von 1,3 bar neu zubestimmen.

LösungAnnahmen und Schema sind gleich wie im Beispiel 8.4.

• Analysea) Um festzustellen, ob die Strömung kritisch oder unterkritisch ist, wird zunächst

das kritische Druckverhältnis mit Gl. 8.47 wie in Beispiel 8.4 bestimmt.

(pp

)krit

= ,

DerDruck amAustritt hat einen kleinerenWert als 0,5419 ⋅ p0 = 0,704 bar, d. h.,die Strömung ist unterkritisch. Der Druck am Austritt ist gleich dem Außen-druck von 1 bar.Die Ausflussfunktion wirdmit Gl. 8.42 berechnet, indemman dort das Druck-verhältnis von 1 : 1,3 = 0,7692 einsetzt.

Ψ =

�����

,,

⋅,

− , ⋅ ( − ,,/,)⋅⎛

− , ⋅ ( − ,,/,)

− ⎞

= ,

Der Massenstrom kann mit Gl. 8.45 berechnet werden.

m =A ⋅ α ⋅ p ⋅

√R ⋅ T

⋅Ψ =10−5 ⋅m2 ⋅ 0,9 ⋅ 1,3 ⋅ 105 ⋅ Pa ⋅

√2

√287 ⋅ J/(kg ⋅K) ⋅ 300 ⋅K

⋅0,3930 = , kg/s

b) Für die isentrope Ausflussfunktion erhalten wir aus Gl. 8.43:

Ψs =

√ κκ −

⋅ (π κ − π κ +

κ ) =

√,,

⋅ (,/, − ,,/,) = ,

Page 26: Fluidmechanik || Strömung kompressibler Fluide

194 8 Strömung kompressibler Fluide

• DiskussionMultipliziert man die Ausflussfunktion mit der Geschwindigkeitsziffer, erhältman 0,396. Der so berechnete Massenstrom ist um 0,7% größer als der mitGl. 8.42 exakt berechnete Wert.

8.3.3 Entleeren eines Behälters

Das Entleeren eines mit Gas gefüllten Behälters ist ein instationärer Vorgang. Währenddes Entleerungsvorgangs verändert sich der Druck p0 im Behälter. Erfolgt die Entleerungadiabat und ohne Dissipation, also isentrop, verringert sich der Druck entsprechend derisentropen Zustandsänderung. Eine schnelle Entleerung des Behälters kann angenähertmit der isentropen Druckänderung im Behälter behandelt werden. Erfolgt die Entleerungsehr langsam und der Behälter ist nicht isoliert, wird sich die Temperatur des Gases imBehälter nicht verändern, d. h. isotherm ablaufen. Die Wirklichkeit liegt zwischen diesenbeiden Vorgängen. Der Massenstrom kann nach Gl. 8.45 bestimmt werden. Der Ausflusserfolgt je nachdem, ob die Strömung kritisch oder unterkritisch ist, nach unterschiedli-chen Gesetzmäßigkeiten. Wird für die Ausflussfunktion ΨGl. 8.42 verwendet, erhält mansehr komplexe Gleichungen. Dann empfiehlt es sich, die Berechnung mit Computerpro-grammen durchzuführen. Hier wird die isotherme und isentrope Druckänderung beimEntleeren eines Behälters mit der isentropen Ausflussfunktion Gl. 8.43 behandelt.

8.3.3.1 Isothermes Entleeren eines BehältersDie zeitliche Massenänderung im Behälter entspricht dem Massenstrom. Die Masse imBehälter ist durch die thermische Zustandsgleichung idealer Gase gegeben.

−dmdt

= −ddt

(p ⋅VR ⋅ T

) = m (8.53)

Da die Temperatur und das Volumen des Behälters konstant sind, ändert sich mit derZeit nur der Druck p0.

m = −V

R ⋅ T⋅dpdt

(8.54)

Der Massenstrom kann aus Gl. 8.44 eingesetzt werden.

−V

R ⋅ T⋅dpdt

= A ⋅μ ⋅ p ⋅

√R ⋅ T

√ κκ −

⋅ ((p/p)κ − (p/p)

κ + κ ) (8.55)

Page 27: Fluidmechanik || Strömung kompressibler Fluide

8.3 Strömung in Kanälen veränderlichenQuerschnitts 195

Nach Separation der Variablen erhalten wir folgende Differentialgleichung:

−dp

p ⋅√

κκ− ⋅ ((p/p)

κ − (p/p)

κ + κ )

=A ⋅ μ ⋅

√ ⋅

√R ⋅ T

V⋅ dt (8.56)

Zur Lösung muss unterschieden werden, ob die Strömung kritisch oder unterkritischist. Ist das Druckverhältnis pU/p0 kleiner als das kritische Druckverhältnis, dann ist es kon-stant und kann aus Gl. 8.48 eingesetzt werden.

Damit erhalten wir für die kritische Ausströmung:

−dpp

=A ⋅ μ ⋅

√ ⋅

√R ⋅ T

V⋅ (

κ +

)

κ−

√ κκ +

⋅ dt (8.57)

Ist der Druck im Behälter zur Zeit t = 0 gleich p00, wird die zeitliche Änderung desDruckes p0:

p = p ⋅ exp(−A ⋅ μ ⋅

√ ⋅

√R ⋅ T

V⋅ (

κ +

)

κ −

√ κκ +

⋅ t) (8.58)

Gleichung 8.58 gilt, bis p0 den Wert p = pU ⋅ ( κ+ )

κκ − erreicht.

Wird das kritische Druckverhältnis unterschritten, ist der Austrittsdruck gleich großwie der Umgebungsdruck pa und muss deshalb in Gl. 8.56 eingesetzt werden.

−dp

p ⋅√

κκ− ⋅ ((pa/p)

κ − (pa/p)

κ + κ )

=A ⋅ μ ⋅

√ ⋅

√R ⋅ T

V⋅ dt (8.59)

Zum Integrieren ersetzen wir das Druckverhältnis durch den dimensionslosen Druckπ = pU/p0. Für dp0 erhalten wir dann:

π =pUp

dπdp

= −pUp

dp = −ppU

⋅ dπ

In Gl. 8.59 eingesetzt, ergibt es:

dπ√π ⋅ κ +

κ − π ⋅ κ + κ

=

κ − ⋅A ⋅ μ ⋅

√κ ⋅ R ⋅ T

V⋅ dt (8.60)

Die linke Seite der Gl. 8.60 kann nur numerisch integriert werden. Auf der rechten Seitewird für den Bruch eine Zeitkonstante t0 gebildet, so dass die rechte Seite eine dimensions-lose Zeit darstellt. √

κ −

⋅A ⋅ μ ⋅

√κ ⋅ R ⋅ T

V⋅ dt =

dtt

= dτ (8.61)

Page 28: Fluidmechanik || Strömung kompressibler Fluide

196 8 Strömung kompressibler Fluide

Druckverhältnis der unterkritischen Strömung p = p /p0U

0.9 1.0

= 1,21,31,41.5

4 k

Dim

ensi

omsl

ose

Zeit

t

0.50

1

0.6

2

3

0.7 0.8

Abb. 8.12 Diagramm der isothermen Ausströmzeit bei unterkritischer Strömung

Die Zeit t0 ist das√(κ − )/-fache der Zeit, die bei der Temperatur T0 zum Entleeren

des VolumensVmit Schallgeschwindigkeit benötigt wird. Gleichung 8.60 integriert, ergibt:

π

∫π

dπ√π ⋅ κ +

κ − π ⋅ κ + κ

= τ − τ (8.62)

Abbildung 8.12 zeigt ein Diagrammmit numerisch ermittelten Integralen für verschie-dene Werte des Isentropenexponenten. Bei der dimensionslosen Zeit null entspricht dasDruckverhältnis dem kritischen Druckverhältnis. Kleinere Werte dürfen hier nicht ver-wendet werden, weil die Strömung dann kritisch ist und Gl. 8.58 gilt.

Mit den dimensionslosenZeiten, die aus demDiagrammbei denDruckverhältnissen zuBeginn und amEnde der Ausströmung abgelesenwerden, kann dieAusströmzeit bestimmtwerden. Sie ergibt sich als Differenz beider dimensionsloser Zeiten, multipliziert mit derZeit t0.

Beim Druckverhältnis 1 gehen die Werte der dimensionslosen Zeiten gegen unendlich.Beginnt die Entleerung mit der kritischen Strömung, muss die Ausströmzeit zunächst

bis zum Erreichen des kritischen Druckverhältnisses mit Gl. 8.58 ermittelt werden, an-schließend die unterkritische Ausströmzeit bis zum Erreichen des Enddruckes.

Page 29: Fluidmechanik || Strömung kompressibler Fluide

8.3 Strömung in Kanälen veränderlichenQuerschnitts 197

Beispiel 8.6: Entleeren einer DruckluftflascheDas Ventil einer Druckluftflasche mit 20 l Volumen wird versehentlich nicht voll-ständig geschlossen. Der Querschnitt der Ventilöffnung beträgt 0,1mm2. Die Ge-schwindigkeitsziffer der Öffnung ist 0,3, die Kontraktionszahl 1. Der ursprünglicheDruck in der Flasche war 150 bar. Die Temperatur der Luft und die der Flasche sind20 °C. Der Außendruck beträgt 0,98 bar. Die Temperatur in der Druckluftflasche istkonstant.

a) Bestimmen Sie den Druck nach zwei Stunden.b) Bestimmen Sie, nach welcher Zeit der Druck auf 1,2 bar absinkt.

Lösung

• Annahmen– Der Isentropenexponent wird als konstant ϰ= 1,4 angenommen.– Die Temperatur ist in der Druckluftflasche konstant.

• Analysea) Die Strömung ist zunächst sicher kritisch. Mit Gl. 8.58 kann der Druck nach

zwei Stunden bestimmt werden, wenn er größer als der kritische Druck ist.

p = p ⋅ exp(−A ⋅ μ ⋅

√ ⋅

√R ⋅ T

V⋅ (

κ +

)

κ −

√ κκ +

⋅ t) = ,bar

Der mit kritischem Druckverhältnis berechnete Druck beträgt:

p = pU ⋅ (

κ + )−

κκ −

= , bar

Damit ist der berechnete Druck richtig.b) Zur Berechnung der Zeit, die bis zum Absinken des Druckes auf das kritische

Druckverhältnis notwendig ist, kann Gl. 8.58 umgeformt und nach der Zeitaufgelöst werden.

t =ln (p/p)

A⋅μ⋅√

⋅√

R⋅TV ⋅ (

κ+ )

κ − ⋅√ κ

κ+

=ln (/,)0,2482 ⋅ 10−3/s

= .s

Zur Bestimmung der Zeit während der unterkritischen Ausströmung begin-nen wir mit der Zeit null beim kritischen Druckverhältnis. Die dimensionsloseZeit, die beimDruckverhältnis 0,98/1,2 = 0,817 erreichtwird, ist nach demDia-gramm in Abb. 8.12 1,80. Die Zeitkonstante beträgt:

t =

√κ −

⋅V

A ⋅ μ ⋅√κ ⋅ R ⋅ T

=0,02 ⋅m3

10−7 ⋅m2 ⋅ 0,3

√0,4

2 ⋅ 1,4 ⋅ 287 ⋅ 293 ⋅m2/s2

= 869 s

Page 30: Fluidmechanik || Strömung kompressibler Fluide

198 8 Strömung kompressibler Fluide

Damit ist die Zeit, die benötigt wird, um den Druck von 1,8551 bar auf 1,2 barzu senken, 1564 s. Die totale Zeit, in der der Druck von 140 bar auf 1,2 barabsinkt, wird: 16.308 s = 4 h 32min.

• DiskussionMit den angegebenen Formeln und dem Diagramm kann die Ausströmzeit ein-fach bestimmt werden. Voraussetzung ist jedoch, dass die Temperatur im Behälterkonstant bleibt.

8.3.3.2 Isentropes Entleeren eines BehältersFür das isentrope Entleeren eines Behälters gilt auch Gl. 8.55, nur dass die Temperatur dortnichtmehr konstant ist. DieÄnderung der StagnationstemperaturT0 mit demStagnations-druck p0 entspricht jener der isentropen Zustandsänderung. Sie ist:

T = T ⋅ (p/p)κ − κ (8.63)

Damit und mit den Druckverhältnissen p/p0 = π erhalten wir aus Gl. 8.55:

−dpdt

=A ⋅ μ ⋅ p ⋅

√ ⋅ R ⋅ T ⋅ (p/p)

κ − κ

V⋅

√ κκ −

⋅ (π κ − π κ +

κ ) (8.64)

Für die kritische Strömung gilt:

−dp

p⋅κ + ⋅ κ

= A ⋅μ ⋅

√ ⋅ R ⋅ T

V ⋅ pκ − ⋅ κ

⋅ (

κ + )

κκ −

√ κκ +

⋅ dt (8.65)

Gleichung 8.65 kann nach Separation der Variablen integriert werden und ergibt:

(pp

)

κ− ⋅ κ

= + A ⋅(κ − ) ⋅ μ ⋅

√ ⋅ R ⋅ T

⋅ κ ⋅ V⋅ (

κ +

)

κ −

√ κκ +

⋅ t (8.66)

Je nachdem, ob die Zeit oder der Druck gesucht wird, kann Gl. 8.66 entsprechend auf-gelöst werden.

Für die unterkritische Strömung wird das Druckverhältnis p0/pa = π in Gl. 8.64 einge-setzt.

−dpdt

=A ⋅ μ ⋅ p ⋅

√ ⋅ R ⋅ T ⋅ π

−κκ ⋅ (pa/p)

κ − κ

V⋅

√ κκ −

⋅ (π κ − π κ +

κ )

Für das dimensionslose Druckverhältnis π = pU/p0 erhalten wir:

dπ√

κκ− ⋅ (π

κ+κ − π ⋅κ+

κ )=A ⋅ μ ⋅

√ ⋅ R ⋅ T ⋅ (pa/p)

κ−κ

V⋅ dt (8.67)

Page 31: Fluidmechanik || Strömung kompressibler Fluide

8.3 Strömung in Kanälen veränderlichenQuerschnitts 199

00,6 1,00,90,7 0,8

0,2

0,4

0,6

0,8

1,0

1.2

1,4

1,6

1,8

2,0

k

1.51,41,3

= 1,2

0,5Druckverhältnis der unterkritischen Strömung p = p /p0U

Dim

ensi

omsl

ose

Zeit

t

Abb. 8.13 Diagramm der isentropen Ausströmzeit bei unterkritischer Strömung

Gleichung 8.67 ist nicht geschlossen integrierbar. Ähnlich wie bei isothermer Ausströ-mung kann eine numerische Integration vorgenommen werden. Mit der dimensionslosenZeit τ erhält man folgende Lösung:

τ =tt

=A ⋅ μ ⋅

√ ⋅ R ⋅ T ⋅ (pa/p)

κ − κ

V⋅ t (8.68)

π

∫π

dπ√

κκ− ⋅ ( − π κ −

κ ) ⋅ π κ+κ

= τ − τ (8.69)

Die numerische Lösung ist in Abb. 8.13 dargestellt.

Beispiel 8.7: Schnelles Entleeren eines DruckbehältersEin Druckbehälter für Luft mit 3m3 Volumen wird über ein Ventil mit einer Quer-schnittsfläche von 0,001m2 entleert. Die Geschwindigkeitsziffer ist 0,6 und dieKontraktionszahl 1. Der ursprünglicheDruck im Behälter war 2 bar und die Tempe-ratur betrug 50 °C. Der Außendruck ist 0,98 bar, die Zustandsänderung im Behälterisentrop.

Page 32: Fluidmechanik || Strömung kompressibler Fluide

200 8 Strömung kompressibler Fluide

a) Bestimmen Sie den zeitlichen Verlauf der Druckabnahme.b) Bestimmen Sie die Temperatur im Behälter beim Erreichen des Umgebungs-

druckes.

Lösung

• Annahmen– Der Isentropenexponent wird als konstant ϰ= 1,4 angenommen.– Die Zustandsänderung im Behälter ist isentrop.

• Analysea) Die Strömung ist zunächst sicher kritisch. Bis zum Erreichen des kritischen

Druckverhältnisses kann der Druckverlauf mit Gl. 8.66 bestimmt werden.

(pp

)

κ − ⋅ κ

= + A ⋅(κ − ) ⋅ μ ⋅

√ ⋅ R ⋅ T

⋅ κ ⋅ V⋅ (

κ +

)

κ −

√ κκ +

⋅ t

Nach Umformung erhalten wir:

(pp

)

κ − ⋅ κ

= + A ⋅(κ − ) ⋅ μ ⋅

√ ⋅ R ⋅ T

⋅ κ ⋅ V⋅ (

κ +

)

κ −

√ κκ +

⋅ t

p = p ⋅⎡⎢⎢⎢⎣ +

, ⋅ , ⋅ , ⋅√ ⋅ ⋅

, ⋅ ⋅ (

,

),

√,,

⋅ t⎤⎥⎥⎥⎦

,,

= p ⋅ ( +t

, ⋅ s)−

Der Druck im Behälter, bei dem das kritische Druckverhältnis erreicht wird,ist:

p, kri t = pU ⋅ (κ +

)

κκ −

=0,98 ⋅ bar0,52828

= 1,855 bar

Dieser Druck wird nach 1,831 s erreicht. Anschließend erfolgt die Entleerungunterkritisch. Aus dem Diagramm in Abb. 8.13 kann die dimensionslose Zeitfür ein gegebenes Druckverhältnis abgelesen werden. Dort werden für die wei-teren Berechnungen die dimensionslosen Zeiten bei den Druckverhältnissenvon 0,6 bis 0,99 in Schritten von 0,05 entnommen. In nachstehender Tabel-le sind die berechneten Werte für die kritische und unterkritische Strömungaufgelistet.Zur Berechnung der Zeit t0 muss in Gl. 8.68 für den Druck p00 der Wert beimErreichen des kritischen Druckes, also bei 1,855 bar, eingesetzt werden. DieTemperatur ist mit der isentropen Zustandsänderung zu berechnen.

Page 33: Fluidmechanik || Strömung kompressibler Fluide

8.3 Strömung in Kanälen veränderlichenQuerschnitts 201

Zeit t Druck p0 pU /p0 τ τ ⋅ t0s bar – – s0,000 2,0000,485 1,9600,962 1,9221,431 1,8851,800 1,8561,813 1,855 0,5282 ab hier kritisch4,418 1,633 0,60 0,243 2,6046,110 1,508 0,65 0,401 4,2967,740 1,400 0,70 0,553 5,9279,343 1,307 0,75 0,703 7,53010,958 1,225 0,80 0,854 9,14412,636 1,153 0,85 1,010 10,82314,469 1,089 0,90 1,182 12,65616,878 1,032 0,95 1,388 14,86419,431 0,990 0,99 1,645 17,681

Der Druckverlauf ist grafisch dargestellt.

0 5 10 15 20Zeit in s

1,0

2,0

Dru

ck in

bar

Umgebungsdruck 0,98 bar

b) Der Umgebungsdruck wird erst nach unendlich langer Zeit erreicht. Die Tem-peratur nähert sich damit demWert:

T = T ⋅ (pU/p)(κ − )/κ = (,/),/, ⋅ 323K = ,K

Page 34: Fluidmechanik || Strömung kompressibler Fluide

202 8 Strömung kompressibler Fluide

• DiskussionDie Berechnungen der Ausströmzeit und des Behälterdruckes sind sehr einfachmöglich. Die isentropeDruckänderung im Behälter tritt nur bei kurzzeitiger Aus-strömung auf.

8.4 Überschallströmung

In den vorgehenden Kapiteln wurde gezeigt, dass sich der Druck bei kompressibler Un-terschallströmung in einer Querschnittsverengung am Austritt höchstens bis auf den kri-tischen Druck absenkt. Dabei kann die Geschwindigkeit dort Schallgeschwindigkeit er-reichen. In einer nachgeschalteten, entsprechenden Düse kann die Geschwindigkeit aufeine höhere als Schallgeschwindigkeit gebracht werden. Wie zu erwarten ist, muss die Dü-se nicht konvergent, sondern divergent sein.

Bei der Strömung mit Geschwindigkeiten, die über der Schallgeschwindigkeit liegen,erfolgen in einer allmählichen Querschnittserweiterung Druck- und Dichteänderung so,dass die Geschwindigkeit erhöht, der Druck verringert wird. In einer Querschnittsveren-gung sinkt dagegen die Geschwindigkeit und der Druck steigt.

Wenn also die Geschwindigkeit in einer zunächst konvergenten Düse im engsten Quer-schnitt auf Schallgeschwindigkeit gebracht wird, kann die Geschwindigkeit in einer darauffolgenden divergenten Düse weiter erhöht werden. Solche Düsen wurden zum ersten Malvon dem Deutschen Körting in einer Dampfstrahlpumpe und dem Schweden de Laval ineinerDampfturbine eingesetzt. Nach Letzterembenannteman eine solcheDüseLavaldüse.

8.4.1 Lavaldüse

Abbildung 8.14 zeigt eine Lavaldüse mit dem Druck- und Geschwindigkeitsverlauf in derDüse. Man setzt Lavaldüsen in Turbinen, Strahlpumpen, Raketentriebwerken und Über-schallwindkanälen ein.

8.4.1.1 Berechnung der LavaldüsenIst das Druckverhältnis klein genug, wird im konvergierenden Düsenabschnitt der Druckauf den kritischen Druck gesenkt, die Geschwindigkeit steigt im engsten Querschnitt aufSchallgeschwindigkeit an. Im divergierenden Düsenabschnitt wird der Druck weiter ge-senkt, dieGeschwindigkeit steigt an. Eine Lavaldüse ist für einen bestimmtenMassenstromund ein bestimmtes Druckverhältnis pa/p0 ausgelegt. Der für den isentropenMassenstrom

Page 35: Fluidmechanik || Strömung kompressibler Fluide

8.4 Überschallströmung 203

Abb. 8.14 LavaldüsemitDruck- und Geschwindig-keitsverlauf

c 0

pckr kr

p0

Tp

ckr

min

0

A

0

pxa up = p

x

ac

c

AxTp a

Aaa

a

notwendige kleinste Düsenquerschnitt kann mit Gl. 8.50 ermittelt werden.

Amin =m

μ ⋅√ ⋅ p ⋅ ρ ⋅Ψkrit

=m

μ ⋅√ ⋅ p ⋅ ρ

⋅ (κ +

)

κ −

√κ + κ

(8.70)

Der Druck am engsten Querschnitt wird mit Gl. 8.47 berechnet. Die Geschwindigkeitam Austritt der Düse ist durch Gl. 8.35 gegeben.

Der für den Massenstrom und das Druckverhältnis notwendige Austrittsquerschnittkann mit der Ausflussfunktion bestimmt werden.

Aa =m

μ ⋅√ ⋅ p ⋅ ρ ⋅Ψ

(8.71)

Hatman ein h-s-Diagramm für das entsprechendeGas, kann das Enthalpiegefälle direktabgelesen und die Geschwindigkeit am Austritt mit Gl. 8.18 berechnet werden.

Die größte erreichbare Geschwindigkeit in einer Lavaldüse lässt sich aus Gl. 8.35 be-stimmen. Man erhält sie, indem man das Druckverhältnis zu null setzt.

Damit dieseGeschwindigkeit erreicht wird,muss derDruck amAustritt gleich null wer-den. Dann hätte aber auch die Austrittstemperatur denWert null und eine unendlich großeAustrittsfläche wäre notwendig.

Ist der Druckverlauf entlang der Düse vorgegeben, kann mit Gl. 8.72 der Strömungs-querschnitt der Düse bestimmt werden, indem dort in die Ausflussfunktion an Stelle x dasentsprechende Druckverhältnis eingegeben wird.

Ax =m

μ ⋅√ ⋅ p ⋅ ρ ⋅Ψ

(8.72)

Page 36: Fluidmechanik || Strömung kompressibler Fluide

204 8 Strömung kompressibler Fluide

p1

paus

Fall 1Fall 2

Fall 3

Fall 4 Fall 5

pa a

pa

pa

papa

p'

Abb. 8.15 Betriebszustände der Lavaldüse

Bei einer nach diesenKriterien ausgelegten Lavaldüsewird amDüsenaustritt gerade derUmgebungsdruck erreicht und die Geschwindigkeit entspricht der Auslegungsgeschwin-digkeit.

8.4.1.2 Betriebsverhalten bei veränderlichem GegendruckWeicht der Ein- oder Austrittsdruck vom Auslegungswert ab, können Betriebsfälle auftre-ten, die für die Düse nicht optimal sind. Der Eintrittsdruck, das Druckverhältnis und derMassenstrom bestimmen die notwendige Geometrie der Düse. Verändert sich bei kon-stantem Austrittsdruck der Eintrittsdruck, verändern sich auch der Massenstrom und dasDruckverhältnis. Wird bei konstantem Eintrittsdruck der Austrittsdruck verändert, bleibtder Massenstrom bei der kritischen Strömung konstant, das Druckverhältnis ändert sich,die Auslegung stimmt nicht mehr. Hier werden fünf Fälle gezeigt, die bei verschiedenenAustrittsdrücken auftreten können.Den für dieAuslegung verwendetenAustrittsdruck be-zeichnen wir mit paus (Abb. 8.15).

Fall 1: pa > pkritDer Austrittsdruck ist höher als der kritische Druck. In der gesamten Düse ist dieStrömungsgeschwindigkeit im Unterschallbereich. Sie verhält sich wie eine Ventu-ridüse. Im engsten Strömungsquerschnitt wird der niedrigste Druck erreicht. Imdivergierenden Teil der Düse verringert sich die Geschwindigkeit, der Druck wirderhöht. Der Massenstrom ist kleiner als der kritische Massenstrom.

Fall 2: pa > pkrit > pausDerAustrittsdruck ist größer als jener bei derAuslegung und auch größer als der kri-tische Druck. Im engsten Düsenquerschnitt wird gerade die Schallgeschwindigkeiterreicht, im nachfolgenden divergenten Teil der Düse erfolgt jedoch eine Verdich-tung. DerMassenstrom ist wie in allen folgenden Fällen der kritischeMassenstrom.

Page 37: Fluidmechanik || Strömung kompressibler Fluide

8.4 Überschallströmung 205

Brennkammer Laval-düse

Amin

Abb. 8.16 Lavaldüse eines Raketentriebwerks und einer Dampfturbine

Fall 3: pa = paus < pkritDer Druck am Austritt entspricht dem Druck, für den die Düse ausgelegt ist. Imengsten Querschnitt wird Schallgeschwindigkeit erreicht. Im divergenten Teil er-folgt eine Entspannung auf den Auslegungsdruck. Die Düse ist „angepasst“. DieserStrahl tritt mit konstantem Querschnitt aus der Düse.

Fall 4: pkrit > pa > pausDer Gegendruck p′a > paus wird vor dem Ende der Düse erreicht. Sie ist „unange-passt“. In der Reststrecke der Düse erfolgt ein Verdichtungsstoß auf den Austritts-druck. Hinter dem Verdichtungsstoß ist die Strömung im Unterschallbereich.

Fall 5: pkrit > paus > paDer Austrittsdruck ist tiefer als der Auslegungsdruck der Düse, er wird an derenEnde erreicht. Die Strömung innerhalb der Düse ist wie bei der Auslegung. Nachdem Austritt erfolgt eine Nachexpansion mit Strahlausbreitung.Die durch unangepasstenGegendruck auftretendenVerdichtungsstöße verursachenSchwingungen des Gasstrahls und erhebliche Strömungsverluste.

8.4.1.3 Konstruktive Gestaltung der LavaldüsenDer Verwendungszweck bestimmt den Verlauf des Strömungsquerschnitts einer La-valdüse. Bei Strahlapparaten und Strahltriebwerken nimmt man bevorzugt kreisförmigeQuerschnitte. Damit sich die Strömung nicht ablöst, wählt manmeist den Öffnungswinkeldes divergenten Düsenteils unter 10°. Damit keine Strahleinschnürung eintritt und derGeschwindigkeitsbeiwert groß gehalten werden kann, wählt man den Abrundungsradi-us des konvergenten Teils möglichst groß. Bei Raketentriebwerken und sehr schnellenÜberschallflugzeugen hat der divergente Teil oft eine etwas glockenförmige Gestalt.

Bei den Regelstufen der Dampfturbinen wird durch geeignete Konturen der Turbinen-schaufeln eine Lavaldüse gebildet. Abbildung 8.16 zeigt die Düsenformen von Raketen-triebwerken und Dampfturbinen.

Page 38: Fluidmechanik || Strömung kompressibler Fluide

206 8 Strömung kompressibler Fluide

Beispiel 8.8: Auslegen einer LavaldüseDie Lavaldüse einer Rakete, in der Wasserstoff mit Sauerstoff verbrannt wird, istauszulegen. Die Verbrennung in der Brennkammer erfolgt bei 30 bar Druck und ei-ner Temperatur von 2500K. Der Schub der Düse soll bei 0,98 bar Umgebungsdruck10 kN betragen. Die Gaskonstante ist 461,5 J/(kg K), der Isentropenexponent 1,3, dieGeschwindigkeitsziffer 1.

a) Bestimmen Sie die Temperatur und Geschwindigkeit am Düsenaustritt.b) Bestimmen Sie den Durchmesser der Düse an der engsten Stelle und amAustritt.

Lösung

• Annahmen– Der Isentropenexponent ist konstant ϰ= 1,3.– Da die Geschwindigkeitsziffer 1 ist, erfolgt die Zustandsänderung in der Düseisentrop.

– Der angegebene Zustand in der Brennkammer ist der Stagnationszustand.• Analyse

a) Die Geschwindigkeit am Austritt kann mit Gl. 8.33 berechnet werden. Sie ist:

ca =

�����

⋅ κκ −

⋅ R ⋅ T ⋅

⎡⎢⎢⎢⎢⎣

− (pp

)

κ − κ ⎤⎥⎥⎥⎥⎦

= ,m/s

Die Temperatur am Austritt wird mit Gl. 8.33 bestimmt.

Ta = T −ca ⋅ (κ − ) ⋅ κ ⋅ R

= 2500K −0,3 ⋅ 2336,42 ⋅m2/s2

2 ⋅ 1,3 ⋅ 461,5 ⋅ J/(kg ⋅K)= K

b) Um die Strömungsquerschnitte berechnen zu können, muss derMassenstrom,der für die Erzeugung von 10 kN Schub notwendig ist, mit Gl. 5.15 bestimmtwerden.

m =Fca

=10.000 ⋅N2336,4 ⋅m/s

= 4,28 kg/s

Der Düsenquerschnitt an der engsten Stelle kann mit Gl. 8.70 berechnet wer-den.

Amin =m ⋅

√R ⋅ T

√ ⋅ p

⋅ (κ +

)

κκ−

√κ + κ

=

=4,28 ⋅ kg/s ⋅

√461,5 ⋅ 2500 ⋅m2/s2

√2 ⋅ 30 ⋅ 105 ⋅ Pa

⋅ (2,32)

1,30,3

√2,31,3

= 0,00264m2

Page 39: Fluidmechanik || Strömung kompressibler Fluide

8.4 Überschallströmung 207

Der Durchmesser ist an der engsten Stelle: dmin =√

⋅Aminπ = ,m

Aus der Kontinuitätsgleichung erhalten wir den Düsenquerschnitt amAustritt.

Aa =m

ρa ⋅ ca=m ⋅ R ⋅ Ta

pa ⋅ ca=4,28 kg/s ⋅ 461,5 ⋅ J/(kg ⋅K) ⋅ 1135 ⋅K

0,98 ⋅ 105 ⋅ Pa ⋅ 2236,4 ⋅m/s= 0,01023m2

Damit wird der Durchmesser am Austritt: da =√

⋅Aaπ = ,m

• DiskussionBei isentroper Zustandsänderung mit konstantem Isentropenexponenten ist dieBerechnung einer Lavaldüse sehr einfach. Bei reibungsbehafteter Strömung undunter Berücksichtigung der Änderung des Isentropenexponenten wird die Be-rechnung komplex und muss mit entsprechenden Programmen durchgeführtwerden.

8.4.2 Verdichtungsströmung

Zur Verdichtung von Gasen und zur Rückgewinnung kinetischer Energie von Fluiden ho-her Strömungsgeschwindigkeiten werden Diffusoren verwendet. Wie bei der Lavaldüsegezeigt wurde, treten bei Überschallströmung in einer Erweiterung des Strömungsquer-schnitts eineGeschwindigkeitserhöhung undDruckabnahme, also Expansion, auf. BeiVer-engung des Strömungsquerschnitts treten bei Überschallströmung eine Absenkung derGeschwindigkeit und Erhöhung des Druckes, somit eine Verdichtung auf. Der Konfusorwird daher in der Literatur oftÜberschalldiffusor genannt, obwohl er, geometrisch gesehen,ein Konfusor ist. Hier werden Gesetzmäßigkeiten für Verdichtungsströmungen in Unter-schalldiffusoren und Überschallkonfusoren hergeleitet.

8.4.2.1 UnterschalldiffusorAbbildung 8.17 stellt den Verdichtungsvorgang in einem Unterschalldiffusor dar.

Die Geschwindigkeit am Austritt des Diffusors beträgt:

ca = ϕ ⋅√

c − ⋅ cpm ⋅ (T − T) (8.73)

Der Wirkungsgrad des Diffusors ist gegeben als:

ηDiff =ΔhsΔh

(8.74)

Page 40: Fluidmechanik || Strömung kompressibler Fluide

208 8 Strömung kompressibler Fluide

Abb. 8.17 Verdichtung ineinem Unterschalldiffusor

p1

c1

a

pc2

2

22

p

Tc1 1 2

1

c

pT

s Dh

s

Dh

T1

p1

h p

T2s

T2

2

Für die Temperatur am Austritt des Diffusors erhält man:

T = T +T

ηDiff⋅

⎡⎢⎢⎢⎢⎣

(pp)

κ − κ

− ⎤⎥⎥⎥⎥⎦

(8.75)

In Gl. 8.73 eingesetzt, ist die Geschwindigkeit am Austritt des Diffusors:

c =

�����c −

⋅ κ ⋅ R ⋅ T

(κ − ) ⋅ ηDiff⋅

⎡⎢⎢⎢⎢⎣

(pp)

κ − κ

− ⎤⎥⎥⎥⎥⎦

(8.76)

Das größte Druckverhältnis lässt sich mit einem Unterschalldiffusor erzielen, wenn amEintritt die Geschwindigkeit am größten, also höchstens Schallgeschwindigkeit und amAustritt gleich null ist. Für das maximale Druckverhältnis erhält man damit:

(pp)max

= [κ −

⋅ ηDiff + ]κ

κ −

(8.77)

Bei idealem Diffusorwirkungsgrad hat man das kritische Druckverhältnis.

(pp)max ,s

= [κ −

+ ]κ

κ −

= (κ +

)

κκ −

(8.78)

Mit der Kontinuitätsgleichung lässt sich die erforderliche Austrittsfläche bei vorgegebe-nem Druck am Austritt des Diffusors bestimmen.

A =m ⋅ R ⋅ T

p ⋅ c(8.79)

Page 41: Fluidmechanik || Strömung kompressibler Fluide

Literatur 209

Abb. 8.18 Verdichtung ineinem Überschallkonfusor

2

p1

c1

a

pc2

2

p

Tc1 1

1

c

pT2

2

s

Dh

T1

p

Dh

1

h p

T2s

T

2

2

s

8.4.2.2 ÜberschallkonfusorIm Überschallkonfusor findet ebenfalls eine Verdichtung statt. Die Geschwindigkeit amEintritt ist größer als jene am Austritt. Beide Geschwindigkeiten liegen im Überschallbe-reich. Da im Gegensatz zur Unterschallströmung die Geschwindigkeit prozentual stärkerab- als die Dichte zunimmt, muss sich der Strömungsquerschnitt in Strömungsrichtungverengen. Abbildung 8.18 zeigt einen Überschallkonfusor.

Die Berechnungen der Geschwindigkeiten, Temperaturen und Strömungsquerschnitteerfolgen wie in bei dem Unterschalldiffusor. Das Druckverhältnis kann aus Gl. 8.76 be-stimmt werden.

pp

= [(Ma −Ma) ⋅ ηKonf ⋅κ −

+ ]κ

κ −

(8.80)

Nach Gl. 8.80 wäre theoretisch ein unendliches Verdichtungsverhältnis erzielbar. MitwachsenderMachzahl nimmt aber derWirkungsgrad des Diffusors ab, damit ist die wirkli-che Verdichtung begrenzt. In Überschallkonfusoren wurden Verdichtungsverhältnisse biszu sechs erreicht. Bei Gl. 8.80 ist zu beachten, dass die Machzahl Ma2 auf die Schallge-schwindigkeit im Zustand 1 bezogen ist.

Literatur

[1] Roberson J A, Crowe C T (1997) Engineering Fluid Mechanics, 6. Edition, John Wiley & Sons,Inc., New York[2] Fox RW, McDonald A T (1994) Introduction to Fluid Mechanics, 4. Edition, John Wiley & Sons,Inc., New York[3] Shapiro A H (1953) Compressible Fluid Flow. Vol. 1, John Wiley & Sons, Inc., New York[4] Zierep J (1990) Grundzüge der Strömungslehre. 5. Auflage, Springer Verlag, Berlin[5] Houghton E L, Carpenter PW (1993) Aerodynamics for Engineering Studensts. Edward Arnold,London


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