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Fachinformation - adac.de · Jagdrecht unterliegenden Wildtier (=Wild) ein Wildunfall. Viele...

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Fachinformation RESSORT VERKEHR ADAC e. V. Ressort Verkehr Stand: März 2018 Verkehrspolitik [email protected] Hansastraße 19, 80686 München Seite 1 / 19 www.adac.de/verkehrs-experten Wildunfallprävention Wildunfälle begleiten den Straßenverkehr seit seinen Anfängen. Nahezu genauso lange suchen Ver- kehrsingenieure, Jäger und Naturschützer nach Lösungen, um Wildunfälle zu verhindern. Auch der ADAC hat im Laufe der Zeit verschiedene Maßnahmen untersucht und bewertet. Grundlagen In der amtlichen Verkehrsunfallstatistik werden Wildunfälle unter der Unfallursache 'Zusammenprall mit einem Hindernis auf der Fahrbahn – Wild' aus- gewiesen. Seit 1975 wird in der Statistik zwischen Wild und anderen Tieren (Haus-/Nutztieren) bzw. Hindernissen unterschieden. Auf Bundesebene werden ausschließlich Wildunfälle mit Personen- schaden ausgewiesen. Abbildung 1: Verunglückte bei Wildunfällen in Deutschland 1975 – 2016 Seit der deutschen Wiedervereinigung 1990 wer- den jährlich zwischen 2.000 und 3.000 Wildunfälle mit Personenschäden registriert, mit leicht abneh- mender Tendenz. In den meisten Fällen werden die Verkehrsteilnehmer dabei nur leicht verletzt, aber in den letzten Jahrzehnten wurden jedes Jahr zwi- schen 10 und 30 Personen bei Wildunfällen getötet und zwischen 500 und 1.000 schwer verletzt. Der Rückgang insbesondere bei der Zahl der Getöteten dürfte im wesentlich auf die Veränderung der Pkw- Flotte (größere, schwerere und sicherere Fahr- zeuge) zurückzuführen sein. Nur im Kontext der gleichzeitig stetig steigenden Fahrleistungen kann von einer Verbesserung der Situation gesprochen werden. Über 85% aller Wildunfälle mit Personenschäden werden heute auf den Landstraßen registriert. Die Ursache dürfte daran liegen, dass die besonders wildunfallgefährdeten Abschnitte der Bundesautob- ahnen heutzutage überwiegend mit Wildschutzzäu- nen gesichert sind. Innerorts ist die Wilddichte und auch die Fahrgeschwindigkeit der Verkehrsteilneh- mer typischerweise geringer, so dass es zu weniger Ereignissen kommt. Abbildung 2: Wildunfälle mit Personenschäden U(PS) 2016 nach Straßenkategorie und Ortslage Über die Hälfte der Wildunfälle ereignet sich auf den Landes- und Kreisstraßen, aber die Unfall- dichte ist auf den Bundesstraßen deutlich höher. Der maßgebliche Einflussfaktor ist die höhere Ver- kehrsstärke. Abbildung 3: Wildunfalldichte U(PS)/1.000 km 2016 Wildunfälle sind nur für ca. 0,3 % aller im Straßen- verkehr Getöteten verantwortlich. Selbst auf den Landstraßen beträgt ihr Anteil nur ca. 0,6 % an al- len Getöteten. Abbildung 4: Getötete bei Straßenverkehrsunfällen 2016 nach Straßenkategorie
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Fachinformation RESSORT VERKEHR

ADAC e. V. Ressort Verkehr Stand: März 2018 Verkehrspolitik [email protected] Hansastraße 19, 80686 München Seite 1 / 19 www.adac.de/verkehrs-experten

Wildunfallprävention Wildunfälle begleiten den Straßenverkehr seit seinen Anfängen. Nahezu genauso lange suchen Ver-kehrsingenieure, Jäger und Naturschützer nach Lösungen, um Wildunfälle zu verhindern. Auch der ADAC hat im Laufe der Zeit verschiedene Maßnahmen untersucht und bewertet.

Grundlagen In der amtlichen Verkehrsunfallstatistik werden Wildunfälle unter der Unfallursache 'Zusammenprall mit einem Hindernis auf der Fahrbahn – Wild' aus-gewiesen. Seit 1975 wird in der Statistik zwischen Wild und anderen Tieren (Haus-/Nutztieren) bzw. Hindernissen unterschieden. Auf Bundesebene werden ausschließlich Wildunfälle mit Personen-schaden ausgewiesen.

Abbildung 1: Verunglückte bei Wildunfällen in

Deutschland 1975 – 2016

Seit der deutschen Wiedervereinigung 1990 wer-den jährlich zwischen 2.000 und 3.000 Wildunfälle mit Personenschäden registriert, mit leicht abneh-mender Tendenz. In den meisten Fällen werden die Verkehrsteilnehmer dabei nur leicht verletzt, aber in den letzten Jahrzehnten wurden jedes Jahr zwi-schen 10 und 30 Personen bei Wildunfällen getötet und zwischen 500 und 1.000 schwer verletzt. Der Rückgang insbesondere bei der Zahl der Getöteten dürfte im wesentlich auf die Veränderung der Pkw-Flotte (größere, schwerere und sicherere Fahr-zeuge) zurückzuführen sein. Nur im Kontext der gleichzeitig stetig steigenden Fahrleistungen kann von einer Verbesserung der Situation gesprochen werden.

Über 85% aller Wildunfälle mit Personenschäden werden heute auf den Landstraßen registriert. Die Ursache dürfte daran liegen, dass die besonders wildunfallgefährdeten Abschnitte der Bundesautob-ahnen heutzutage überwiegend mit Wildschutzzäu-nen gesichert sind. Innerorts ist die Wilddichte und auch die Fahrgeschwindigkeit der Verkehrsteilneh-mer typischerweise geringer, so dass es zu weniger Ereignissen kommt.

Abbildung 2: Wildunfälle mit Personenschäden

U(PS) 2016 nach Straßenkategorie und Ortslage

Über die Hälfte der Wildunfälle ereignet sich auf den Landes- und Kreisstraßen, aber die Unfall-dichte ist auf den Bundesstraßen deutlich höher. Der maßgebliche Einflussfaktor ist die höhere Ver-kehrsstärke.

Abbildung 3: Wildunfalldichte U(PS)/1.000 km 2016

Wildunfälle sind nur für ca. 0,3 % aller im Straßen-verkehr Getöteten verantwortlich. Selbst auf den Landstraßen beträgt ihr Anteil nur ca. 0,6 % an al-len Getöteten.

Abbildung 4: Getötete bei Straßenverkehrsunfällen

2016 nach Straßenkategorie

Fachinformation: Wildunfallprävention

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Zum Vergleich: 2016 kamen in Deutschland ca. 560 Personen (17%) bei Baumunfällen ums Leben, da-von ca. 460 auf Landstraßen.

Wildunfälle können sich zu jeder Tages- und Jah-reszeit ereignen. Unter Berücksichtigung typischer Tagesganglinien der Verkehrsnachfrage ist das in-dividuelle Risiko eines Wildunfalls in der Dämme-rung und nachts signifikant höher als am Tage. Die Schwankungen im Jahresverlauf sind weniger aus-geprägt als häufig unterstellt. In der vegetationsar-men Periode (Dezember bis Februar) ist das Wild-unfallgeschehen üblicherweise am niedrigsten.

Abbildung 5: Wildunfälle im Bergischen Kreis 2005

nach Jahreszeit und Tageslicht (Grafik: Unfallforschung der Versicherer GDV)

Die allermeisten Wildunfälle verursachen nur Schä-den am Fahrzeug und werden – sofern sie gemel-det werden – in der Verkehrsunfallstatistik unspezi-fisch als Sachschadensunfälle geführt. Selbst die Abschätzung der Größenordnung ist nicht möglich:

Die deutsche Versicherungswirtschaft reguliert nach eigenen Angaben jährlich ca. 250.000 Wildunfälle. An die Versicherer gemeldet wer-den verständlicherweise nur solche Unfälle, für die eine Schadensdeckung (Teil- oder Vollkas-koversicherung) besteht. Gleichzeitig muss mit Versicherungsbetrug in gewissem Umfang und dadurch überhöhten Zahlen gerechnet werden.

Der deutsche Jagdschutzverband DJV weist in seiner Jagdstatistik jährlich ca. 200.000 Stück Rehwild, 25.000 Stück Schwarzwild, 3.000 Stück Rotwild und 4.000 Stück Damwild als Fallwild aus. Dabei ist der Straßenverkehr si-cher die häufigste Todesursache. Zusammen mit den nicht abschussplanpflichtigen Nieder-wildarten geht der DJV von jährlich ca. 1 Mio. im Straßenverkehr verunglückter Wildtiere aus. Andererseits ist es ein offenes Geheimnis, dass

manche Jagdpächter ihre Abschussverpflich-tung insbesondere beim Rehwild durch fiktive Wildunfälle schönen.

Die Meldepflicht für Wildunfälle ist in den deut-schen Bundesländern nicht einheitlich geregelt (s. Tabelle unten). Zwar muss die Polizei in al-len Ländern Wildunfälle aufnehmen und weiter-leiten, das Interesse daran ist bei den zahlrei-chen geringfügigen Sachschadensunfällen je-doch gering. Selbst bei Unfällen mit Personen-schäden kommt es bei der Unfallaufnahme zu Fehlern, wenn z. B. der Verkehrsteilnehmer das flüchtige Wildtier nicht hinreichend be-schreiben kann und der Unfall als Zusammen-stoß mit einem 'anderen Tier' (=Haus-/Nutztier) registriert wird.

Grundsätzlich ist jeder Unfall mit einem dem Jagdrecht unterliegenden Wildtier (=Wild) ein Wildunfall. Viele Verkehrsteilnehmer fassen je-doch den (für sie) folgenlosen Zusammenstoß mit Kleinwild (Hasenartige, Marderartige, Füchse) und Federwild gar nicht als Unfall auf, bzw. sie wissen auch nicht, ob ein Wildtier dem Jagd- oder Naturschutzrecht unterliegt.

Wildunfälle ereignen sich häufig nachts und sind in der Regel Alleinunfälle mit nur einem beteiligten Fahrzeug. Es ist bekannt, dass bei nächtlichen Unfällen der Anteil alkoholisierter Verkehrsteilnehmer signifikant höher ist als am Tage. Selbst bei erheblichem Sachschaden und sogar Personenschäden haben alkoholi-sierte Fahrer i. d. R. wenig Interesse an einer polizeilichen Unfallaufnahme und melden einen Wildunfall daher nicht.

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Bundesland Gesetzl. Grundlage Meldepflicht Baden-Württemberg

§ 1/II LJG Revierinhaber Gemeindebehörde Polizei

Bayern Art. 56/II LJG Revierinhaber Polizei

Berlin keine Meldepflicht Brandenburg § 27 LJG Rettungsdienst

Katastrophenschutz Brandschutz Feuerwehr Polizei Revierinhaber

Bremen keine Meldepflicht Hamburg keine Meldepflicht Hessen § 3 LJG Revierinhaber

Polizei Mecklenburg-Vorpommern

§ 24 LJG Revierinhaber Polizei

Niedersachsen keine Meldepflicht Nordrhein-Westfalen

keine Meldepflicht

Rheinland-Pfalz § 2/I,II LJG Ortsbürgermeister Polizei Forstdienststelle Revierinhaber Gemeinde

Saarland § 43 LJG Revierinhaber, Gemeinde Polizei Forst

Sachsen § 58/I/11a,b LJG Revierinhaber Polizei

Sachsen-Anhalt § 30 LJG Revierinhaber Jagdaufseher Polizei

Schleswig-Holstein § 12/II LJG Revierinhaber Polizei

Thüringen § 24/I LJG Revierinhaber Bürgermeister Gemeinde Polizei Forstdienst

Tabelle 1: Regelung der Meldepflicht für Wild-unfälle in den Landesjagdgesetzen (LJG) der jeweiligen Länder

Während Wildunfälle für die Verkehrsteilnehmer meistens glimpflich verlaufen enden sie für die be-teiligten Wildtiere fast immer tödlich. Selbst wenn ein Wildtier nicht unmittelbar durch den Zusammen-prall getötet wird, verendet es fast immer an den er-littenen Verletzungen. Der zuständige Jagdpächter bemüht sich verletzte Wildtiere nachzusuchen und

von ihren Leiden zu erlösen. Beim Rehwild beträgt die Verkehrsmortalität ca. 20% der auf der Jagd er-legten Tiere. Bei einigen großen Beutegreifern (Luchs, Wildkatze, seit einigen Jahren auch wieder Wolf) ist der Tod auf der Straße die maßgebliche Todesursache. Auch einige Greifvogelarten die häufig Aas von der Straße aufnehmen, sind über-proportional von Verkehrsunfällen betroffen.

Abbildung 6: Verunglückter Dachs

(Foto: B. Winsmann / DJV)

Wildunfälle sind eine hartnäckige Begleiterschei-nung des Straßenverkehrs. Sie verursachen zwar meistens nur Sachschäden, sind jedoch zahlenmä-ßig vermutlich die häufigste Unfallursache auf Landstraßen. Die statistische Beschreibung wird durch die hohe Dunkelziffer der Bagatelleunfälle er-schwert. Die Verkehrsmortalität ist bei einigen Tier-arten die maßgebliche Todesursache und behindert vielfach die Ausbreitung von Arten und den Aus-tausch von Individuen zwischen isolierten Teilpopu-lationen.

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Einflussfaktoren auf Wildunfälle

Stochastische Einflüsse Ein Wildunfall ist dadurch gekennzeichnet, dass ein Wildtier und ein Kraftfahrzeug sich zur gleichen Zeit am gleichen Ort befinden. Da Kraftfahrzeuge über-wiegend auf Straßen bewegt werden, ereignen sich nahezu alle Wildunfälle auf Straßen. Vereinfacht steigt das Wildunfallrisiko mit der Anzahl der Fahr-zeuge und der Anzahl der Wildtiere, die sich zur gleichen Zeit auf einer Straße befinden.

Die Häufigkeit von Wildtieren auf einer Fahrbahn wird primär durch die Wilddichte der entsprechen-den Arten im Umfeld der Straße, sowie die räumli-che Aktivität der Art geprägt. Die Wilddichte ist vor-wiegend von der Eignung eines Biotops als Le-bensraum für die entsprechende Art bestimmt. An-dere Faktoren sind z.B. die Zuwanderungsmöglich-keiten in den Lebensraum, das Auftreten von Fressfeinden, Bejagung, menschliche Störungen. Die Eignung eines Biotops wird durch die Vegeta-tion und damit auch durch land- und forstwirtschaft-liche Nutzung geprägt.

Die räumliche Aktivität von Wildtieren ist artspezi-fisch und schwankt im Laufe der Jahreszeiten und im Tagesverlauf. Viele für die Wildunfallproblematik maßgebliche Arten sind dämmerungs- und nacht-aktiv und verlassen ihre Einstände vor allem in der Dunkelheit. Viele Arten reduzieren ihre räumliche Aktivität ganz erheblich während der vegetationsar-men Zeit im Winter oder halten sogar Winterruhe oder Winterschlaf in einem Bau. Manche Arten überwinden erhebliche Distanzen zwischen ihren Sommer- und Wintereinständen und queren dabei auch wichtige Verkehrswege. Einigen Arten wird nachgesagt, dass sie sich in der Brunftzeit zum ei-nen besonders aktiv und andererseits besonders unvorsichtig bewegen. Bei vielen Arten muss sich der Nachwuchs nach der Jugendzeit neue, eigene Reviere oder Lebensräume suchen und dazu u. U. größere Entfernungen auch über Flüsse, Straßen und Gleise zurücklegen.

Die Verkehrsmenge, die im Laufe eines Tages auf einer Straße gezählt wird (durchschnittlicher tägli-cher Verkehr DTV), hängt maßgeblich von der Be-deutung der Straße im Straßennetz ab. Auf einbah-nig zweistreifigen Querschnitten können Tagesver-kehrsstärken bis ca. 20.000 Kfz bewältigt werden, auf zweibahnig vierstreifigen Kraftfahrstraßen bis zu 50.000 Kfz und auf Autobahnen auch über 100.000 Kfz am Tag. In erster Näherung kann die Klassifizierung einer Straße als Anhaltspunkt für die

Verkehrsstärke genutzt werden. So haben Bundes-straßen typischerweise deutlich mehr Verkehr als Landes-/Staatsstraßen und diese wiederum mehr Verkehr als Kreisstraßen. Im Umfeld von Ballungs-zentren gibt es oftmals deutliche Abweichungen.

Die Verkehrsstärke auf einer Straße schwankt im Jahresverlauf, vor allem aber im Laufe eines Tages bzw. einer Woche. Die saisonalen Schwankungen der Verkehrsnachfrage können i. d. R. vernachläs-sigt werden und sind signifikant kleiner als die jah-reszeitlichen Veränderungen der Aktivitätsmuster der Wildtiere. Die tageszeitlichen Unterschiede der Verkehrsstärke (Tagesganglinie) sind allerdings er-heblich. Während in den Spitzenstunden oftmals bis zu 10% der Tagesnachfrage auftreten geht die Verkehrsstärke nachts vielerorts auf weniger als 1% zurück.

Abbildung 7: Verkehrszählgerät (Foto: C. Trothe)

Neben der Anzahl von Wildtieren und Kraftfahrzeu-gen auf einer Straße trägt möglicherweise auch die Straßenraumgestaltung unmittelbar zur Häufigkeit von Wildunfällen bei. Je frühzeitiger und eindeutiger Fahrzeugführer und Wildtier sich gegenseitig sehen und einschätzen können, desto größer sind die Möglichkeiten der Beteiligten, einen Wildunfall zu vermeiden. Insbesondere der Fahrzeugführer kann u. U. noch reagieren, wenn er ein Wildtier frühzeitig bereits im Straßenseitenraum oder in der Annähe-rung an die Fahrbahn wahrnehmen und erkennen kann. Der Effekt lässt sich aber nicht isoliert be-trachten, da eine günstige Straßenraumgestaltung (gestreckte Linienführung, weite Straßenseiten-räume ohne Deckung) nahezu immer mit der Stra-ßenkategorie, der Verkehrsstärke, den Fahrge-schwindigkeiten, sowie der Eignung eines Biotops als Lebensraum für bestimmte Arten korreliert ist.

Beitrag des Verkehrsteilnehmers Die Möglichkeiten des Verkehrsteilnehmers, durch eigene Reaktionen Wildunfälle zu verhindern, sind

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sehr begrenzt. Viele Wildtiere können Geschwindig-keiten bis 10 m/s [= 36 km/h] und darüber errei-chen. Wenn ein flüchtendes Wildtier die Fahrbahn rechtwinklig quert ist die Zeitspanne vom ersten Sichtkontakt am Fahrbahnrand bis zur Kollision häufig unter 1 Sekunde. Unabhängig von der Fahr-geschwindigkeit ist diese Zeitspanne viel zu kurz für eine Reaktion, geschweige denn für eine spürbare Geschwindigkeitsreduktion oder ein gezieltes Aus-weichmanöver. Entscheidend für den Zusammen-prall ist ausschließlich, ob Fahrzeug und Wildtier sich unter Berücksichtigung ihrer jeweiligen Bewe-gungsrichtung und -geschwindigkeit auf einem Kol-lisionskurs befinden oder nicht.

Die Fahrgeschwindigkeit hat einen maßgeblichen Einfluss auf die Unfallfolgen. Insofern nimmt der Verkehrsteilnehmer durch die Wahl der Fahrge-schwindigkeit Einfluss auf die potentielle Unfall-schwere. Genauso hat die Fahrgeschwindigkeit auch Auswirkungen auf die Handlungsoptionen, die einem Verkehrsteilnehmer bei einer frühzeitigen Wildsichtung verbleiben. Je niedriger die Fahrge-schwindigkeit, desto größer sind die Chancen, dass der Fahrer sein Fahrzeug vor einem auf oder neben der Fahrbahn stehenden Wildtier anhalten kann.

Abbildung 8: Durch Wildunfall beschädigtes

Fahrzeug (Foto: J. Hanekopf)

Durch eine besonnene Reaktion nach einem Zu-sammenprall kann ein Verkehrsteilnehmer u. U. ei-nen Sekundäranprall mit einem zweiten Fahrzeug oder einem Hindernis (Baum) im Seitenraum ver-hindern und dadurch die Unfallfolgen deutlich be-grenzen.

Beitrag des Wildtieres Die Möglichkeiten der Wildtiere, Verkehrsunfälle bewusst zu verhindern, sind noch geringer anzuse-hen als die Möglichkeiten der Verkehrsteilnehmer. Viele Wildtiere haben sich an Kraftfahrzeuge ge-wöhnt und lassen sich in ihrem vertrauten Bereich von Autos weniger stören als von Fußgängern. Die

abstrakten Gefahren des Straßenverkehrs entzie-hen sich dem Erfahrungsspektrum von Wildtieren. Wildtiere können die hohe Geschwindigkeit von Kraftfahrzeugen auf Straßen nicht richtig einschät-zen, insbesondere wenn sie von Scheinwerfern ge-blendet werden. Die angeborenen Instinkte und Fluchtreflexe, sowie die erworbenen Verhaltenswei-sen unterscheiden sich zwischen den relevanten Arten, wodurch manchen Tierarten eine höhere Verkehrsintelligenz unterstellt wird als anderen. Die Lernfähigkeit und somit die Erziehbarkeit von ein-zelnen Individuen ist gering. Wildtiere haben meist keine Möglichkeit mehr, aus ihren Fehlern im Stra-ßenverkehr zu lernen.

Abbildung 9: Verunglückter Damhirsch

(Foto: J. Hanekopf)

Einfluss auf die Unfallfolgen Verschiedene Faktoren beeinflussen die Unfallfol-gen. Dabei sollen im Weiteren ausschließlich die Unfallfolgen für den Verkehrsteilnehmer betrachtet werden, das Wildtier kommt in fast allen Fällen durch den Zusammenprall mit einem Kraftfahrzeug zu Tode.

Die Masse (Gewicht) eines Wildtieres hängt von Art, Alter und Geschlecht ab und trägt linear zu dem Schadensereignis (kinetische Energie, Impuls) bei. Ein schwerer Tierkörper verursacht unter glei-chen Bedingungen größere Schäden als ein leich-ter. Neben der Masse ist vor allem der Anprallort am Fahrzeug entscheidend für die Schäden. Für die Insassen wird die Gefahr am größten, wenn hochbeinige oder springende Wildtiere die Wind-schutzscheibe treffen und diese u. U. sogar durch-schlagen. Die Höhe des Fahrzeuges und die Ge-staltung der Fahrzeugfront beeinflussen das Risiko eines derartigen Unfallverlaufs. Die Fahrzeug-masse ist dafür entscheidend, wie stark das Fahr-zeug durch den Anprall eines Wildtieres verzögert wird. Eine kritische Verzögerung (Impuls) kann der Zusammenprall mit heimischen Wildtieren nur bei

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Zweirädern verursachen, bei Pkw und Lkw ist der Massenunterschied i. d. R. zu groß.

Den größten Einfluss auf die Unfallschwere hat die Fahrzeuggeschwindigkeit, die mit ihrem Quadrat zur Anprallenergie beiträgt. Die Bewegungsge-schwindigkeit des Wildtieres kann dagegen ver-nachlässigt werden.

Wenn das Fahrzeug nach dem Zusammenstoß mit dem Wildtier mit einem anderen Fahrzeug oder ei-nem Hindernis im Seitenraum der Straße kollidiert (Sekundäranprall) steigt die Unfallschwere bzw. die Schadenshöhe i. d. R. ganz erheblich an.

Abbildung 10: Folgen eines Baumunfalls

(Foto: ADAC)

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Maßnahmen zur Wildunfallprävention Die oben diskutierten Einflussfaktoren auf die Häu-figkeit, den Verlauf und die Folgen von Wildunfällen zeigen auch die Ansatzpunkte für Maßnahmen zur Wildunfallprävention auf. Wirksame Maßnahmen müssen in der Lage sein, maßgebliche Einflussfak-toren im positiven Sinne zu verändern.

Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrssicher-heit zielen entweder darauf ab, Konflikte und Un-fälle zu verhindern (aktive Sicherheit) oder die Un-fallfolgen zu begrenzen (passive Sicherheit). Maß-nahmen zur Wildunfallprävention unterscheidet man jedoch vorrangig nach der Beeinflussung des Verkehrsteilnehmers bzw. der Wildtiere. Die pas-sive Sicherheit von Fahrzeugen und Straßen soll an dieser Stelle nicht vertieft werden.

Reduktion der Verkehrsstärke Ein naheliegender Ansatzpunkt zur Vermeidung von Wildunfällen ist die Reduktion der Verkehrs-stärke auf den Straßen. Je weniger Fahrzeuge – insbesondere nachts – unterwegs sind, desto weni-ger Wildunfälle werden sich – aus rein stochasti-schen Gründen – ereignen. Die Wirkung wäre nicht ganz linear, da starker Verkehr manche Arten von der Fahrbahn fernhält; ein Effekt, der bei einer Re-duktion der Verkehrsstärke wieder entfallen würde.

Abbildung 11: Hohe Verkehrsstärke auf einer

Landstraße (Foto: ADAC)

Die erforderlichen Maßnahmen, um eine spürbare Reduktion der Verkehrsstärke zu erreichen, er-scheinen jedoch unverhältnismäßig. Im Grunde kommen nur Fahrverbote, bzw. Nachtfahrverbote auf besonders von Wildunfällen betroffenen Stre-ckenabschnitten in Frage. Dies würde die Mobilität der Bürger wesentlich beeinträchtigen. Außerdem wäre damit zu rechnen, dass punktuelle Sperrun-gen zu erheblichen Verkehrsverlagerungen, höhe-ren Fahrleistungen und damit auch zu einer Verla-gerung des Wildunfallgeschehens auf andere Stre-cken führen.

Reduktion Wilddichte Analog zur Reduktion der Verkehrsstärke ist auch die Reduktion der Wilddichte von relevanten Arten im Umfeld von Straßen ein naheliegender Ansatz-punkt, um das Wildunfallgeschehen positiv zu be-einflussen.

Im Hinblick auf die Wildunfallproblematik ist die räumliche Mobilität der unterschiedlichen Arten ein entscheidender Aspekt. Während das Rehwild zu-mindest im Sommer kleinräumig territorial lebt, be-anspruchen das Schwarzwild, aber auch große Beutegreifer wie Luchs oder Wolf, große bis sehr große Streifreviere. Rot- oder Damwild lebt in grö-ßeren Rudeln und benötigt entsprechend große Le-bensräume. Dazu wechselt es u. U. zwischen den Sommer- und Wintereinständen über große Distan-zen.

Von den für die Wildunfallproblematik maßgebli-chen größeren Arten ist nur beim Rehwild eine lo-kale Anpassung der Wilddichte vorstellbar. Als Maßnahme zur Vergrämung kommt nur die gezielte Schwerpunktbejagung in Frage. Von Seiten man-cher Jäger wird angeführt, dass die Erlegung terri-torialer Böcke in Straßennähe dazu führen würde, dass die entsprechenden Reviere alsbald von jun-gen, unerfahrenen Tieren eingenommen würden, die erst recht im Straßenverkehr verunglücken. Die Bejagung von Kitzen und Ricken ist nur während weniger Monate im Jahr zulässig, in denen die Tiere bereits nicht mehr territorial leben. Generell ist die Jagd in unmittelbarer Straßennähe mit Si-cherheitsrisiken behaftet und nur schwer durchführ-bar.

Abbildung 12: Feldrehe (Foto: Vera Buhl / Wikipedia)

Die Diskussion über großräumig verträgliche Wild-dichten wird in der Fachwelt überwiegend unter dem Aspekt akzeptabler Verbissschäden und der natürlichen Verjüngung der Wälder geführt. Die Re-duzierung von Wildunfällen ist ein nachrangiges Ziel gegenüber den Fragen des Artenschutzes und der Biodiversität.

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Beeinflussung der räumlichen Aktivität der Wildtiere Die meisten Maßnahmen zur Wildunfallprävention zielen auf die Beeinflussung des Wildtierverhaltens. Dabei sind zwei Aspekte zu unterscheiden:

Lenkungsmaßnahmen sollen Wildtiere zu ge-eigneten Querungsstellen an Straßen führen o-der zumindest verhindern, dass Tiere an be-sonders unfallträchtigen Stellen auf die Fahr-bahn gelangen können. Sie greifen massiv in die über Generationen eingeprägten Wildwech-sel, sogenannte Wildwege, ein.

Sensibilisierungsmaßnahmen sollen Wildtiere zu besonders vorsichtigem Verhalten in Stra-ßennähe anhalten. Durch spezielle Reize wer-den die natürlichen Reflexe des Wildes ange-regt, mit Gefahren zu rechnen und sich beson-ders vorsichtig zu bewegen. Idealerweise un-terbinden die Sensibilisierungsmaßnahmen die natürliche Mobilität der Wildtiere nicht.

Physische Maßnahmen Physische Barrieren sind die wirksamste Maß-nahme, um Wildtiere von der Fahrbahn fernzuhal-ten. Seit den 1970er Jahren setzt sich der ADAC für die Zäunung von wildunfallgefährdeten Ab-schnitten an Bundesfernstraßen ein. Neben unter-schiedlichen Wildschutzzäunen stellen auch andere Strukturen wie Lärm- und Sichtschutzwände, Stütz-mauern, Widerlager und andere konstruktive Lö-sungen von Verkehrsbauwerken physische Barrie-ren dar.

Wildschutzzäune bestehen aus verzinktem Stahl-draht. Die Maschenweite nimmt von oben nach un-ten ab, um auch kleinere Arten daran zu hindern, durch den Zaun zu schlüpfen. Viele Tierarten gra-ben im Boden, daher müssen Wildschutzzäune i. d. R. tief im Erdreich verankert werden, um das Untergraben zu verhindern. Die Höhe variiert in Deutschland je nach vorkommenden Arten zwi-schen 220 und 260 cm.

Eine erfolgreiche Zäunung darf keine Lücken auf-weisen, auch nicht im Bereich von Gewässerque-rungen oder Über- und Unterführungen von Ver-kehrswegen. Problematisch sind einmündende Straßen und Wege, so dass Zäunungen fast nur an planfreien Strecken mit großem Abstand zwischen den Anschlussstellen errichtet werden können.

Abbildung 13: Wildschutzzaun (Foto: ADAC)

Wildschutzzäune müssen in regelmäßigen Abstän-den selbstschließende Fluchttüren aufweisen. Diese müssen automatisch verriegeln, so dass Wildtiere diese Türen nicht aufdrücken können. Sie dürfen aber nicht abgeschlossen werden. Daneben sind nach Bedarf abschließbare Betriebstore einzu-bauen.

Durch Lücken im Bereich der Anschlussstellen oder durch beschädigte Zaunabschnitte können gele-gentlich Wildtiere auf die Straße gelangen und sind dann auf der beidseitig gezäunten Fahrbahn gefan-gen. Idealerweise werden in regelmäßigen Abstän-den, zumindest aber im Abstand von einigen hun-dert Metern von Anschlussstellen sogenannte Aus-sprünge angelegt. Hier geht der Zaun in eine senk-rechte Geländestufe über, von der ein Wildtier (von innen nach außen) herunter springen, aber nicht (von außen nach innen) hinauf springen kann. Klei-nere Zufahrten, insbesondere von Wirtschaftswe-gen, können u. U. durch Wildroste (ähnlich Weide-roste) oder Tore physisch gesichert werden.

Wildschutzzäune müssen regelmäßig kontrolliert und gewartet werden. Der Zaun muss von Bäumen, Sträuchern, Stauden und Gras freigeschnitten und insbesondere die Beweglichkeit der Fluchttüren si-chergestellt werden. Schäden entstehen durch Wildtiere, Verkehrsunfälle, landwirtschaftliche Fahr-zeuge und Maschinen, Pflanzenwuchs, umstür-zende Bäume und Äste.

Elektrozäune werden vielfach in der Nutztierhaltung eingesetzt. Auch zur Wildschadenverhütung setzen manche Jäger und Landwirte Elektrozäune ein um Schwarzwild von gefährdeten Kulturen fernzuhal-ten. In der Wildunfallprävention haben sich Elektro-zäune bislang nicht bewährt, da sie sehr häufig kontrolliert und instandgesetzt werden müssen. Elektrozäune können kleinere Arten nicht zurück-halten.

Die für Wildunfälle maßgeblichen heimischen Arten können Barrieren bis ca. 100 cm (z. B. Schutz-planke) mühelos überspringen. Wildtiere vermeiden

Fachinformation: Wildunfallprävention

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aber in der Regel den Sprung in einen nicht einseh-baren Landebereich. Deshalb wirkt eine niedrige Sichtblende am Kopf einer stark ansteigenden Bö-schung als Psychobarriere, auch wenn sie prinzipi-ell übersprungen werden könnte.

Abbildung 14: Grünbrücke Kiebitzholm

(Foto: V. Seifert)

Physische Barrieren verstärken die Trennwirkungen von Verkehrswegen. Dies kann bei manchen Arten zu einer Verinselung mit dem Risiko der geneti-schen Verarmung bis hin zum Erlöschen von Teil-populationen führen. Die Trennwirkung von Ver-kehrswegen sollte deshalb durch geeignete Que-rungshilfen für Wildtiere kompensiert werden. Ideal sind Streckenabschnitte in Tunnellage oder große Tal- bzw. Hangbrücken, die vielen Tierarten die un-gestörte, niveaufreie Querung einer Straße ermög-licht. Insbesondere kleinere Tierarten nehmen auch andere Ingenieurbauwerke, wie Gewässerquerun-gen, Bachverrohrungen oder landwirtschaftliche Über- und Unterführungen an. Für das Rot- und Damwild als Leitarten sind jedoch u. U. aufwändige Wild- oder Grünbrücken mit Irritationsschutzwän-den erforderlich.

Optische Maßnahmen Bereits seit Jahrzehnten suchen Jäger, Tierschüt-zer und Fachleute für Straßenverkehrssicherheit nach einfachen, preiswerten Lösungen zur Verhin-derung von Wildunfällen im untergeordneten Stra-ßennetz. Aufgrund der hohen Kosten, der vielen ni-veaugleichen Kreuzungen und nicht zuletzt der Trennwirkung kommen physische Maßnahmen auf den meisten Straßen nicht in Frage. Die Mobilität von Wildtieren auch über Straßen hinweg ist grund-sätzlich erwünscht, aber die Tiere sollen die Fahr-bahnen 'vorsichtig' überqueren.

Die Beobachtung, dass sich Wildunfälle vorwiegend in der Dämmerung und nachts ereignen, führte zur Idee des passiven Lichtzauns. Im Scheinwerferlicht der Kraftfahrzeuge sollen Lichtstrahlen und -reflexe das Wild irritieren und zum Verhoffen und Abwarten bringen. Wenn keine Kraftfahrzeuge auf der Fahr-bahn sind löst sich der Lichtzaun wieder auf.

Abbildung 15: Optischer Wildwarner

(Foto: SRS Entwicklung & Vertrieb GmbH & Co. KG)

Unterschiedliche Materialien wurden im Laufe der Jahre eingesetzt, um die Lichtreflexe am Fahrbahn-rand und im angrenzenden Gelände zu erzeugen. Die Palette reicht von Staniolstreifen (Lametta) und optischen Datenträgern (CDs) über Glas- und Me-tallspiegel, Prismenreflektoren bis zu retroreflektie-renden Schilderfolien. Die Materialien werden im Geäst straßennahen Sträucher und Bäume, an den Leitpfosten (Zeichen 620 nach §43 StVO) oder an eigens aufgestellten Pflöcken angebracht.

Abbildung 16: Prismen und Folienreflektor

(Foto: Beilharz Straßenausrüstungen)

Die ursprünglich eingesetzten metallisch-silbernen Materialien verändern die Farbe des Scheinwerfer-lichts der Fahrzeuge kaum. Prismenreflektoren aus Kunststoff wurden zunächst transparent, später vor-wiegend in Rot hergestellt. Seit sich bei den Akteu-ren die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass die maß-geblichen Schalenwildarten (Rehwild, Schwarzwild, Rotwild, Damwild) keinen Rezeptor für rotes Licht im Auge haben, werden Prismen- und Folienreflek-toren überwiegend in blauer Farbe angeboten.

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Abbildung 17: Farbsehvermögen von Mensch und

Tier (Quelle: Pirsch, Nr. 02/2004)

Zahlreiche Beiträge in der Jagdpresse dokumentie-ren einen beeindruckenden Rückgang der Wildun-fallzahlen nach dem Einsatz von optischen Maß-nahmen. Auch die Hersteller entsprechender Pro-dukte verbreiten freigiebig Erfolgsmeldungen zufrie-dener Anwender. Einer wissenschaftlichen Über-prüfung halten diese 'Untersuchungen' jedoch sel-ten stand. Die häufigsten Mängel:

Als Bezugsgröße für das Wildunfallgeschehen vor Einsatz der Maßnahme werden nicht lang-jährige Erwartungswerte (Mittelwerte), sondern kurzfristig (1 bis 3 Jahre) erhöhte Wildunfall-zahlen, die letztlich zum Einsatz der Maß-nahme geführt haben, gewählt. Der rein stochastisch erklärbare Rückgang der Unfall-zahlen auf den langjährigen Erwartungswert wird dann fälschlicherweise der Maßnahme zu-geschrieben.

Die Unfallzahlen vor Einsatz der Maßnahme werden nicht über einen ausreichend langen Zeitraum präzise erfasst und dokumentiert, um den Erwartungswert bestimmen zu können.

Veränderungen der maßgeblichen Einflussgrö-ßen Wilddichte und Verkehrsstärke werden im Untersuchungszeitraum nicht erfasst und be-rücksichtigt.

Es werden keine präzisen Hypothesen zum Wirkungsmechanismus der optischen Maß-nahme aufgestellt und bewiesen oder wider-legt. So ist noch immer unklar, ob optische Maßnahmen vorrangig auf die Wildtiere oder e-her auf die Verkehrsteilnehmer wirken.

Der Beobachtungszeitraum nach Einsatz der Maßnahme beschränkt sich oftmals auf ein o-der zwei Jahre. Aufgrund der kleinen Unfallzah-len und der vielen exogenen Einflüsse (Störgrö-ßen) ist dies zu kurz, um den Erfolg der Maß-

nahme auf einem akzeptablen Signifikanzni-veau beurteilen zu können. Es können besten-falls Tendenzaussagen getroffen werden.

Es besteht eine große Bereitschaft bei allen Beteiligten, nicht erfolgreiche Strecken aus der Stichprobe auszublenden oder den Misserfolg mit exogenen Faktoren (fehlerhafte Anwen-dung, untypisches Nahrungsangebot, etc.) zu begründen.

Unabhängige Untersuchungen über die Wirksam-keit von optischen Maßnahmen zur Beeinflussung des Verhaltens von Wildtieren kommen oftmals zu dem Ergebnis, dass eine Wirkung zwar nicht aus-zuschließen, auf einem aussagekräftigen Signifi-kanzniveau jedoch nicht zu belegen ist.

Davon unberührt sind blaue bzw. blauweiße Halb-kreisreflektoren™ (retroreflektierende Schilderfolie auf halbrundem Kunststoffträger) zur populärsten Maßnahme zur Wildunfallvermeidung in Deutsch-land avanciert. Die Reflektoren werden – meistens von den Kreisgruppen des Landesjagdverbandes – an der Außenseite von Leitpfosten angebracht. Der Leitpfosten ist ein amtliches Verkehrszeichen und darf in seinem Erscheinungsbild eigentlich nicht verändert werden. In vielen Landkreisen haben die Jäger deshalb spezielle Vereinbarungen mit dem Landratsamt und/oder dem zuständigen Straßen-bauamt geschlossen, die es ihnen gestatten, die Reflektoren auf eigene Kosten an den Leitpfosten anzubringen. In einigen Bundesländern gibt es auch ministerielle Weisungen dazu.

Abbildung 18: Blauer Halbkreisreflektor™

(Foto: K. Löhnert)

Zusätzliche blaue Reflektoren an den Leitpfosten gehören inzwischen in vielen Gegenden zum nor-malen Erscheinungsbild einer nächtlichen Land-straße und werden nicht nur von Wildtieren, son-dern auch von Kraftfahrern wahrgenommen. Es ist jedoch noch unbekannt, ob die Verkehrsteilnehmer

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diese Reflektoren als Indikator für besondere Wild-unfallgefahr begreifen und ihr Fahrverhalten ent-sprechend darauf einstellen.

Christoph Schulze1 hat das lichttechnische Wirk-prinzip von neun optisch wirkenden Wildwarnreflek-toren (WWR) untersucht: Um die Wirksamkeit von WWR […] zu bewerten, wurden auf Basis lichttech-nischer Reflexionsmessungen in mehreren Ver-suchsaufbauten Annäherungsvorgänge in etwa 3.000 Varianten simuliert. Für die untersuchten WWR wurde als optisches Prinzip spiegelnde Re-flexion an aus Beobachtersicht sehr kleinen Antei-len der Oberfläche belegt. Das Reflexionsverhalten ist räumlich stark inhomogen und dadurch auf sehr geringe Teile des notwendigen Wirkbereiches be-grenzt. Keiner der untersuchten WWR ist in der Lage, für eine unter Praxisgesichtspunkten ange-messene Streubreite an straßengeometrisch, fahr-zeugbeleuchtungstechnisch und beobachterseitig typischen Situationen ausreichend wahrnehmbare optische Reize für Wildtiere zu generieren.

Schulze kommt zu dem Schluss, dass optische Wildwarnreflektoren zur tierseitigen Vermeidung von Wildunfällen nicht geeignet sind.

Falko Brieger2 beschäftigte sich in einem fünfjähri-gen Pilotprojekt mit den Fragen, ob die Farbe Blau eine Warnfarbe für das Rehwild darstellt und die Lichtreize des blauen Halbkreisreflektors zur Mini-mierung von unfallrelevantem Verhalten führt. Dazu wurden Gehegeversuche mit unterschiedlich be-leuchteten Futterboxen, Videobeobachtungen im Straßenraum mit / ohne WWR, weitere Gehegever-suche mit beleuchteten und nicht beleuchteten WWR sowie Auswertungen des Bewegungsverhal-tens von Rehen mit Telemetriesendern im Bereich von Straßen mit / ohne WWR durchgeführt. Die um-fassenden Untersuchungen zeigten, dass die Farbe Blaue keine „Warnfarbe“ für Rehe darstellt und blaue Halbkreisreflektoren das Rehverhalten nicht dahingehend ändern, dass Wildunfälle vermieden werden.

Olfaktorische Maßnahmen Der Geruchssinn von Wildtieren ist fast immer bes-ser ausgeprägt als der Gesichtssinn. Die ge-

1 Schulze, C.; Polster, J.-U.: Wirkungsweise von Wildwarnern; Forschung Straßenbau und Straßen-verkehrstechnik, Heft 1127 (2017) 2 Brieger, F.; Kämmerle, J.-L.; Martschuk, N.; et al. Wildlife Biology (2017) https://doi.org/10.2981/wlb.00331

wünschte Sensibilisierung der Wildtiere in Straßen-nähe soll deshalb nicht durch optische Reize, son-dern durch Duftbotschaften erreicht werden. Dabei macht man sich die angeborene Scheu der Wild-tiere vor Fressfeinden bzw. dem Menschen zu Nutze.

Als Alternative bzw. Ergänzung zu den optischen Maßnahmen wurde Anfang der 1990er Jahre in Folge eines Ideenwettbewerbs von ADAC und Lan-desjagdverband Bayern der Duftzaun® von der Fa. Hagopur entwickelt und eingeführt. Im Gegensatz zu optischen Maßnahmen wirken Duftstoffe rund um die Uhr.

Abbildung 19: Starterset Duftzaun®

(Foto: Hagopur)

Das für den Duftzaun® entwickelte Sekret enthält künstlich hergestellte Geruchsstoffe von Mensch, Bär, Wolf und Luchs – den maßgeblichen Fress-feinden der relevanten heimischen Schalenwildar-ten. Das Sekret wird einem klebrigen PU-Schaum (ähnlich Bau- oder Montageschaum) beigemengt und in kleinen Schaumdepots an Bäumen oder Pfosten entlang der Straße ausgebracht. Die Aro-mastoffe des Sekrets diffundieren über einen länge-ren Zeitraum aus dem Schaumdepot in die Umge-bungsluft. Mit nachlassender Wirkung können die ausgehärteten Schaumdepots erneut mit dem Sek-ret geimpft werden.

Vereinzelt nutzen Jäger auch alternative Mittel zur olfaktorischen Vergrämung. So werden z. B. menschliche (vom örtlichen Friseur) oder Hunde-haare, Buttersäure, Rasierwasser oder Deospray am Straßenrand ausgebracht, um Wildtiere zu be-einflussen.

Brieger, F., Hagen, R., Kröschel, M. et al. Eur J Wildl Res (2017) 63: 72. https://doi.org/10.1007/s10344-017-1130-5

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Genau wie die opti-schen Maßnahmen sol-len olfaktorische Maß-nahmen die Wildtiere nicht am Queren der Straße hindern, son-dern – im Zusammen-wirken mit Straßenlärm und Bewegung der Fahrzeuge – sensibili-sieren und zu vorsichti-gem Verhalten bewe-gen. Die Literatur zur Wirksamkeit der olfak-torischen Maßnahmen gleicht ebenfalls derje-nigen bei den optischen Maßnahmen. Einer Vielzahl positiver Er-folgsmeldung aus dem

Kreis des Herstellers und der Anwender stehen we-nige, zumeist indifferente oder negative wissen-schaftliche Studien gegenüber. Ungeklärte Fragen sind z. B.:

In welcher Form ändern Wildtiere ihr Verhalten, wenn sie den Duftzaun® erstmals wahrneh-men?

Ist das Verhalten aller Wildarten gleich?

Gewöhnen sich Wildtiere nach einiger Zeit an die neue Duftnote in ihrem Lebensraum?

Meiden Wildtiere den behandelten Streckenab-schnitt und queren die Straßen an einer ande-ren Stelle?

Der ADAC war in die Entwicklung und Erprobung des Duftzaun® eng eingebunden. Über seine Regi-onalclubs hat er zahlreiche Projekte in mehreren Bundesländern angeschoben und mit Materialspen-den unterstützt. Häufig konnte im ersten Jahr nach Anwendung des Produkts ein deutlicher Rückgang der Wildunfallzahlen vermeldet werden. Selbstkri-tisch muss jedoch angemerkt werden, dass die Evaluierungen der vom ADAC unterstützten Pro-jekte wissenschaftlichen Standards nicht genügt haben.

Da die Wirkung des Sekrets nach wenigen Mona-ten nachlässt muss der Duftzaun® mindestens zweimal im Jahr neu geimpft werden und verlorene

3 Trothe, C; Meißner, M.; Herzog, S.: Wildunfälle verhindern – was hilft wirklich? Präventionsmaß-nahmen auf dem Prüfstand. Abschlussbericht, Göt-tingen (2016)

oder zerfallene Schaumdepots müssen ersetzt wer-den. Die meisten Projekte jedoch wurden nach we-nigen Jahren von den Beteiligten vor Ort auf eigene Rechnung nicht mehr weitergeführt.

Christian Trothe3 untersuchte zwischen 2011 und 2015 auf 28 Streckenabschnitten in Schleswig-Hol-stein die Wirksamkeit von blauen Halbkreisreflek-torenTM und Duftzaun®: Während des Untersu-chungszeitraumes gingen die Wildunfallzahlen auf den mit Duftzaun® ausgestatteten Strecken im Mit-tel um rund 56% gegenüber den Vorjahren zurück. Auf den Teststrecken mit blauen Halbkreisreflek-torenTM reduzierte sich die Zahl der Wildunfälle im Mittel um 63%. Es gab weder Hinweise auf eine Gewöhnung des Wildes an die Reflektoren oder den Duftzaun®, noch auf eine Verlagerung der Wildunfallereignisse aus den mit Präventionsmaß-nahmen ausgestatteten Abschnitten heraus. Unter-schiede in der Wirksamkeit beider Maßnahmen zeigten sich beim Damhirsch, hier wirkt der Duft-zaun®offenbar besser als der blaue Halbkreisreflek-torTM. Beim Reh waren keine Unterschiede zu be-obachten.

Für die Untersuchung hatte der Landesjagdverband Strecken mit besonders vielen Wildunfällen vorge-schlagen. Die konkrete Erfassung der Unfälle im Vorher-Zeitraum erfolgte jedoch retrospektiv und mit einer anderen Methodik als nach Durchführung der Maßnahme.

Akustische Maßnahmen Neben Gesichts- und Geruchssinn versucht man auch den Gehörsinn der Wildtiere anzusprechen, um sie vor den Gefahren des Straßenverkehrs zu warnen. Über den 'natürlichen' Verkehrslärm (Moto-rengeräusch, Abgasanlage, Abrollgeräusch der Reifen, Fahrtwind) hinaus sollen Schallsignale eine Signalwirkung auf Wildtiere erzielen. Schallquellen werden für den Anbau an Fahrzeugen, wie für den stationären Einsatz am Straßenrand angeboten.

Viele Tiere können Töne in einem weit höheren Frequenzspektrum (oberhalb ca. 16 kHz) wahrneh-men als Menschen. Fledermäuse, aber auch Del-fine orientieren sich räumlich mit Hilfe reflektierter Ultraschallwellen (Prinzip Echolot). Spezielle Hun-depfeifen erzeugen für Menschen unhörbare Schallwellen im Ultraschallbereich.

Abbildung 20: Duftzaun® (Foto: C. Trothe)

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Abbildung 21: Ultraschall-Wildwarner

(Foto HR Autozubehör)

Der Kfz-Zubehörhandel bietet preiswerte Kunst-stoffpfeifen an, die durch den Fahrtwind ab etwa 50 km/h ein Ultraschallsignal abgeben. Die Pfeifen müssen möglichst exponiert an der Karosserie des Fahrzeuges angebracht werden, z. B. unterhalb der Außenspiegel. Der Pfeifton ist für Menschen nicht hörbar. Die Wirkung dieser Pfeifen auf das Verhal-ten von Wildtieren ist jedoch äußerst umstritten.

So genannte Wildwarner, Schallquellen für den Ein-satz am Fahrbahnrand, sind deutlich aufwändiger und teurer. Eine elektronische Steuerung erzeugt das Signal im hörbaren oder auch unhörbaren (Ult-raschall) Bereich mit einem speziellen Lautspre-cher. Das Signal wird von einem Lichtsensor aus-gelöst, sobald das Scheinwerferlicht von Fahrzeu-gen darauf fällt. Die Stromversorgung erfolgt durch eine Batterie, ggf. in Kombination mit Solarzellen. Oftmals sind zusätzliche optische Reflektoren an-gebracht, bzw. das Gerät erzeugt auch ein Lichtsig-nal. Das ganze Gerät kann an der Außenseite von Leitpfosten installiert werden. Der modulierte Pieps- oder Pfeifton soll das Wild sensibilisieren und wäh-rend der Vorbeifahrt eines Kraftfahrzeuges daran hindern, die Straße zu queren.

Akustische Wildwarner für den Einsatz am Fahrbahnrand sind vor allem in den Nachbarlän-dern Schweiz und Österreich populär. Wie schon bei den oben behandelten optischen und olfaktorischen Maßnah-men liegen Evaluationsberichte im Wesentlichen aus dem Kreise der Hersteller und An-wender vor. Unabhängige Un-tersuchungen der Wirksamkeit von akustischen Maßnahmen

zur Beeinflussung des räumlichen Verhaltens von Wildtieren sind rar.

Eng verwandt mit den akustischen Wildwarnern sind elektronische Vergrämungsgeräte auf Ultra-schallbasis. Verschiedene Ausführungen verspre-chen Schutz vor Flöhen, Zecken, Stechfliegen, Wühlmäusen und Maulwürfen, bis hin zu Steinmar-dern in geparkten Kfz.

Biotopgestaltung Die räumlichen Aktivitäten von Wildtieren sind nicht zweckfrei. Viele Wildtiere wechseln mehrmals täg-lich zwischen Einständen, in denen sie gut ge-schützt und versteckt ruhen, wiederkäuen, ver-dauen und Äsungsflächen, auf denen sie Nahrung aufnehmen. In der Paarungszeit werben die männli-chen Exemplare vieler Arten um die Gunst der Weibchen und bekämpfen Konkurrenten. Rot- und Damwild zieht dazu zu speziellen Brunftplätzen, Rehböcke treiben die Geißen in ihrem Revier und verjagen andere Böcke. Dazu kommen saisonale Wanderungen und die Wanderschaft der Jährlinge auf der Suche nach einem eigenen Revier.

Nur wenige dieser räumlichen Aktivitäten lassen sich beeinflussen. Durch eine günstige Biotopge-staltung versucht man zumindest den häufigen Wechsel zwischen Einständen und Äsungsflächen so zu gestalten, dass die Wildtiere möglichst selten Straßen queren müssen.

Abbildung 23: Wildacker

(Foto: Gerhard Elsner, Wikipedia)

Die meisten Arten bevorzugen kleinräumig struktu-rierte Habitate. Kleinteilige Strukturen mit Wald, Wiese und Feld mit Feldhecken und Feldgehölzen erlauben kurze Wege zwischen sicheren Einstän-den und abwechslungsreichem Nahrungsangebot. Im Gegensatz dazu bieten Monokulturen weder im Wald noch im Feld günstige Lebensbedingungen. Größere Wildtiere müssen u. U. lange Wege zwi-schen einer Aufforstungsfläche im Hochwald (Ein-stand) und einer geeigneten Wiese oder einem Feld (Äsung) zurücklegen. Insbesondere Straßen

Abbildung 22: Akustischer Wild-warner (Foto: WEGU-GFT)

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auf der Feld-Wald-Kante sind von häufigen Wild-wechseln betroffen.

Die Gestaltungsmöglichkeiten interessierter Ak-teure sind jedoch begrenzt. In der Regel sind weder Jäger noch Straßenbaulastträger Eigentümer grö-ßerer land- und forstwirtschaftlicher Flächen. Die Eigentümer oder Pächter bestimmen im Rahmen ihrer land- und forstwirtschaftlichen Tätigkeit über die konkrete Nutzung jeder Parzelle. Große, zu-sammenhängende Flächen lassen sich einfacher maschinell bearbeiten. Die Fruchtfolge von Feld-früchten wird – abgesehen von den klimatischen und bodenbiologischen Randbedingungen – vor-rangig von den Marktanforderungen bestimmt. Auch im Wald lässt der Forstwirt ungern Flächen für Wildäcker brachliegen.

Die Verbesserung der Lebensräume für Wildtiere ist aus Gründen des Natur- und Artenschutzes ein wichtiges Ziel. Als zielgerichtete Maßnahme zur Wildunfallprävention ist sie eher nicht geeignet.

Gestaltung der Straßenseitenräume Die Gestaltung der Straßenränder steht zwischen den Maßnahmen zur Beeinflussung der Wildtiere und Maßnahmen, die auf den Verkehrsteilnehmer abzielen. Sie beeinflusst zwei wichtige Aspekte:

Attraktivitäten und Aufenthaltsqualität für Wild-tiere in unmittelbarer Straßennähe

Sichtbarkeit von Wildtieren für die Verkehrsteil-nehmer

Der Straßenseitenraum ist integraler Bestandteil der Lebensräume von Wildtieren. Gerade in Wald-gebieten bildet sich entlang der Straßenschneisen aufgrund der besseren Belichtung eine gestufte, ar-tenreiche Waldrandgesellschaft heraus. Stauden und Buschwerk bieten vielen Tieren Nahrung und Deckung. Der Straßenbaulastträger hat – in engen Grenzen – die Möglichkeit, Einfluss auf die Attrakti-vität des Straßenseitenraums für die maßgeblichen Arten für Wildunfälle zu nehmen:

Bestimmte Sauergräser und giftige Stauden werden vom Schalenwild nicht als Nahrung an-genommen. Der gezielte Einsatz dieser Pflan-zen kann Tiere vom Fahrbahnrand fernhalten.

Durch regelmäßige Mahd kann die für die Äsung zur Verfügung stehende Biomasse ge-ring gehalten werden.

Andererseits wühlen Wildschweine gerne in of-fenen Wiesenstreifen am Straßenrand nach Knollen, Mäusenestern und Engerlingen.

Obstbäume und masttragende Bäume (Eiche, Buche, Kastanie, Walnuss, Haselnuss), aber auch Sträucher (Beeren) bieten im Herbst ein reiches Nahrungsangebot für Hirsche, Schwarzwild und viele andere Tierarten. Alleine deshalb sollten sie nicht unmittelbar am Stra-ßenrand stehen.

Nach einigen Beobachtungen sucht das Wild die Straßenränder gerne auf, um von der Straße abgeschwemmte Auftaumittel (Natrium-chlorid / Salz) aufzunehmen.

Die Sichtbarkeit des Wildes für den Verkehrsteil-nehmer ist eine Voraussetzung für jede bewusste Reaktion. Deckungsfreie, gemähte Seitenstreifen erleichtern die rechtzeitige Wahrnehmung von Tie-ren neben der Straße. Zumindest in Waldgebieten ist es zwar unrealistisch einen ausreichenden Frei-raum zu schaffen um hochflüchtiges Wild rechtzei-tig zu sehen. Aber bereits ein oder zwei Meter ne-ben der Straße verbessern die Sichtbarkeit von si-cherndem, verhoffendem Wild am Fahrbahnrand. Dies gilt insbesondere für Kurven, in denen die Sichtweite durch frei geschnittene und gemähte Seitenräume erheblich vergrößert werden kann.

Abbildung 24: Freier Straßenseitenraum

(Foto: ADAC)

Beeinflussung der Verkehrsteilnehmer Neben Maßnahmen zur Beeinflussung der Ver-kehrsnachfrage, der Wilddichte, des Wildes und der Straßengestaltung kann vor allem das Verhalten der Verkehrsteilnehmer dazu beitragen, Wildunfälle zu verhindern oder zumindest die Unfallfolgen zu begrenzen. Im Laufe der Zeit wurden zahlreiche Ansätze entwickelt, um Verkehrsteilnehmern das Risiko von Wildunfällen deutlich zu machen und sie zu angepasstem Verhalten zu motivieren.

Zeichen 142 Wildwechsel Die StVO sieht ausschließlich das Verkehrszeichen Z142 Wildwechsel zur Warnung vor besonders wildun-fallgefährdeten Streckenabschnitten

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vor. Die Länge der Gefahrstrecke kann auf einem Zusatzschild angegeben werden. Wenn das Zei-chen als Warnung oder Aufforderung zur eigenver-antwortlichen Anpassung des Fahrverhaltens nicht ausreicht, kann ergänzend eine örtliche Geschwin-digkeitsbeschränkung angeordnet werden.

In der Fachwelt besteht Einigkeit, dass das Warn-schild nahezu wirkungslos ist. Unter Berücksichti-gung der Tagesganglinie des Verkehrs sieht die überwiegende Mehrheit aller Verkehrsteilnehmer niemals Wild im Bereich des Warnschildes. Die Ge-fahr bleibt abstrakt und die StVO gibt dem Ver-kehrsteilnehmer auch keine Handlungsempfehlung, wie er sich – über die ohnehin erforderliche Auf-merksamkeit im Verkehr hinaus – vor Wildunfällen schützen soll. Auch kann in der Praxis schwerlich zwischen Streckenabschnitten mit und ohne Wild-unfallgefahr unterschieden werden. So dient Z142 vorwiegend der formalen Erfüllung der Verkehrssi-cherungspflicht des Baulastträgers.

Zeichen 274 zulässige Höchstgeschwindigkeit Mit dem Zeichen Z274 Geschwindig-keitsbeschränkung kann das ge-wünschte Verhalten des Verkehrs-teilnehmers in einem wildunfallge-fährdeten Streckenabschnitt konkre-

tisiert werden. Üblicherweise wird eine örtliche Ge-schwindigkeitsbeschränkung von 70 oder 80 km/h angeordnet.

Auch hier besteht Einigkeit in der Fachwelt, dass die Akzeptanz dieser Geschwindigkeitsbeschrän-kungen sehr gering ist. Die Wildunfallgefahr ist abs-trakt und für die meisten Verkehrsteilnehmer, wel-che die Strecke bei Tageslicht befahren, auch ob-jektiv sehr gering. Die Durchsetzung der Geschwin-digkeitsbeschränkung mit Kontrollen wird von den Verkehrsteilnehmern – zumindest tagsüber mit ei-ner gewissen Berechtigung – als willkürlich empfun-den. Nächtliche Kontrollen finden aus organisatori-schen Gründen und wegen der geringen Verkehrs-stärken selten statt.

Dynamische Beschilderung Die geringe Akzeptanz von Z142 Wildwechsel und Z274 örtliche Geschwindigkeitsbeschränkung be-ruht darauf, dass diese Zeichen 24 Stunden am Tag gelten, die konkrete Wildunfallgefahr jedoch für den individuellen Verkehrsteilnehmer in der Dunkel-heit erheblich höher ist als bei Tageslicht. Die

Mehrheit der Verkehrsteilnehmer, die tagsüber un-terwegs ist, erlebt deshalb niemals Wild im Gel-tungsbereich dieser Verkehrszeichen.

Es gibt verschiedene Ansätze, durch Dynamisie-rung die Akzeptanz von Warnungen zu verbessern:

Elektronische Warnschilder zeigen das Zeichen Z142 selbstleuchtend auf einem LED-Display. Das Zeichen wird jedoch nur eingeschaltet, wenn das Fahrzeug eine Mindestgeschwindig-keit überschreitet und/oder die Umgebungshel-ligkeit unter einem Schwellwert liegt.

Alternativ können auf einem Vollmatrixdisplay täglich oder wöchentlich wechselnde Warnun-gen und Botschaften für die Fahrzeugführer dargestellt werden. Die Aktivierung erfolgt wie oben dynamisch entsprechend der Fahrge-schwindigkeit und/oder Umgebungshelligkeit.

Abbildung 25: Dynamisches Wildwechselwarnschild

Landesverkehrswacht Niedersachsen

In manchen Gegenden wird saisonal (z. B. zur Brunft des Damwildes) oder nach bestätigter Sichtung von Großwild (Elchwild) gewarnt. In der Regel wird dazu nicht oder nicht nur das amtliche Verkehrszeichen Z142, sondern frei gestaltete Bild und/oder Textdarstellungen ge-wählt.

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Abbildung 26: Warnschild zur Damwildbrunft in

Schleswig-Holstein (Foto: C. Trothe)

Wildwechselwarnanlage Noch weiter geht die Dynamisierung bei einer elekt-ronischen Wildwarnanlage. Im Bereich einer länge-ren Zäunungsstrecke wird eine Furt eingerichtet, auf der große Wildtiere (i. d. R. Rot- oder Damwild als Leitarten) kontrolliert die Fahrbahn queren sol-len. In der Annäherung an die Furt werden die Tiere von Infrarotbewegungsmeldern erfasst und detek-tiert. Die Fahrzeuge auf der Straße können dann auf elektronischen Warnschildern (s. o.), in Kombi-nation mit einer Geschwindigkeitsbeschränkung auf 50 oder 70 km/h vor den unmittelbar querenden Wildtieren gewarnt werden.

Abbildung 27: Prinzipskizze Wildwarnanlage

(Grafik: Ministerium für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr des Landes Schleswig-Holstein)

Elektronische Wildwarnanlagen sind zwar nicht ganz so teuer wie Wildbrücken, ihre Kosten bewe-gen sich dennoch im hohen 6-stelligen Bereich. In Deutschland sind drei Anlagen in Betrieb:

B292 bei Aglasterhausen und Breitenbronn in Baden-Württemberg (seit 2006)

B202 bei Preetz in Schleswig-Holstein (seit 2011)

B224 bei Dorsten in Nordrhein-Westfalen (seit 2012)

Typische Herausforderungen bei der Umsetzung:

Die Furt der Wildwechselanlage muss in das großräumige Wildwegenetz insbesondere des Rot- und Damwildes eingebunden sein, damit der Zwangswechsel auch angenommen wird.

Die Querungsstelle dient ausschließlich dem Wild. Reiter, Wanderer oder Radfahrer verursa-chen Fehlauslösungen und vergrämen das Wild.

Die elektrische Energieversorgung der Anlage, die häufig weit entfernt von Ansiedlungen er-richtet wird, muss sichergestellt werden.

Erwerb oder Pacht der Flächen (ca. 2 x 500 m²) beiderseits der Furt, auf der die Wildtiere er-fasst werden.

Organisation der Pflege: die Detektionsflächen müssen mehrmals jährlich gemäht werden, um die Verbuschung zu verhindern und den Tieren keine Deckung zu bieten.

Organisation der Wartung für die Zaunanlage (s. oben: physische Maßnahmen).

Nachteile bzw. Grenzen von elektronischen Wild-warnanlagen:

Im Bereich der Furt können Wildtiere auf der Fahrbahn zwischen die beidseitigen Zäune ge-raten und möglicherweise nicht mehr herausfin-den. Sie stellen dann eine besondere Gefahr für Verkehrsteilnehmer dar und werden von der Anlage nicht mehr erfasst.

Hochflüchtiges Wild kann den durch die Senso-rik abgedeckten Bereich in wenigen Sekunden überwinden und die Fahrbahn erreichen. Die Anlage schaltet zwar ein, ein gefährdetes Fahr-zeug hat jedoch u. U. das Warnschild schon passiert.

Die Akzeptanz der Verkehrsteilnehmer ist auch bei hochdynamischen Einrichtungen wie einer Wildwarnanlage nicht besonders hoch. Es kommt weiterhin zu erheblichen Überschreitun-gen der dynamisch angezeigten und sogar der gesetzlichen Höchstgeschwindigkeit auf Land-straßen.

An den ersten beiden Anlagen in Deutschland wurde ein wissenschaftliches Monitoring durchge-führt. Die Häufigkeit der Wildunfälle ist deutlich zu-rückgegangen. Es bleibt jedoch unklar, welchen

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Anteil die Zäunungen bzw. die dynamischen Anzei-gen an diesem Erfolg haben.

Treibjagdbeschilderung Wild ist herrenlos, daher greift bei Wildunfällen – im Gegensatz zu Unfällen mit Haus- und Nutztieren – auch keine Halterhaftung. Der Jagdausübungsbe-rechtigte besitzt das Wild nicht, er hat lediglich das Aneignungsrecht erworben. Die Verkehrssiche-rungspflicht des Straßenbaulastträgers greift nur bei Gefahren, die über das übliche Maß deutlich hinausgehen und für den Verkehrsteilnehmer nicht ohne weiteres erkennbar sind. Wildunfälle fallen re-gelmäßig unter das allgemein übliche Maß der Ge-fahr, welches die Teilnahme am Straßenverkehr mit sich bringt.

Anders gelagert ist die Situation bei Treib- oder Drückjagden, soge-nannten Gesellschafts-jagden. Hier wird durch Treiber und u. U. Hunde bewusst Wild angerührt oder hochge-macht (auf die Läufe gebracht), damit die an-gestellten Schützen in kurzer Zeit eine größere Strecke erzielen kön-nen. Der Jagdleiter ist dafür verantwortlich, dass durch die Jagd niemand gefährdet wird. Dies betrifft insbe-sondere den Umgang mit Schusswaffen; aber auch durch flüchtiges Wild können Gefahren, vor allem für den Stra-ßenverkehr, entstehen.

So darf Wild keinesfalls auf Straßen zugetrieben werden. Dennoch lässt sich oftmals nicht vermei-den, dass einzelne Treiben in der Nähe von Stra-ßen durchgeführt werden. Der Jagdleiter muss ge-eignete und zumutbare Maßnahme ergreifen, um Gefahren von den Verkehrsteilnehmern abzuwen-den (Verkehrssicherungspflicht). Die jeweils erfor-derlichen Maßnahmen können nicht generell be-nannt werden. Bei eingetretenen Schäden muss ggf. ein Gericht abwägen, ob die getroffenen Maß-nahmen ausreichend waren, um der Verkehrssiche-rungspflicht zu genügen.

Zur Absicherung kommt vorrangig die temporäre Warnung mit dem amtlichen Zeichen Z142 ggf. in Verbindung mit einer Geschwindigkeitsbeschrän-kung in Frage. Anordnungsberechtigt ist in jedem Fall die zuständige Straßenverkehrsbehörde, hilfs-weise die Polizei.

Der ADAC hat in Zusammenarbeit mit dem Bayeri-schen Jagdverband und einem Verkehrstechnikan-bieter eine mobile Treibjagdbeschilderung in Anleh-nung an die Verkehrszeichen der StVO entwickelt. Es ist zweifelhaft, ob abgestellte Treiber mit Warn-flaggen, Leitkegel oder gar Pkw-Warndreiecke be-reits die Verkehrssicherungspflicht erfüllen können.

Gefahrenwarnung im Navi oder Handy Bereits 2007 hat der ADAC angeregt, Autofahrer dynamisch im Navigationsgerät vor Wildunfällen zu warnen. Solche Warnungen können ortsbezogen und in Abhängigkeit von der Tageszeit bzw. der Helligkeit erfolgen. Diese Dynamik gewährleistet prinzipiell eine bessere Akzeptanz als die statische Beschilderung am Fahrbahnrand. Die erforderliche Technologie (Annäherungsalarme vor besonderen Koordinatenpunkten) steht in Navigationsgeräten und Navigations-Apps zur Verfügung und wird z. B. zur Warnung vor Verkehrsüberwachungseinrichtun-gen, wenngleich illegal, heute schon genutzt.

Hemmnis für die Umsetzung ist bis heute die Da-tengrundlage für Abschnitte mit besonderer Wildun-fallgefahr. Weder die Anordnung von Zeichen Z142 noch einzelne Wildunfälle oder Wildunfalldichten werden heute in zentral zugänglichen Datenbanken erfasst.

Das BMVI fördert im Zeitraum 2017 – 2020 das Forschungsprojekt WilDa. Unter Leitung der Tech-nischen Hochschule Deggendorf werden georefe-renzierte Unfalldaten und Geodaten aus den Berei-chen Verkehrsverwaltung, Fernerkundung oder Wetterdienst mit Big Data Methoden analysiert, um Wildunfälle räumlich prädiktiv und quantitativ fun-diert verstehen und erklären zu können. Mit dem Projekt soll eine Methodik und exemplarisch eine Datengrundlage geschaffen werden, die zukünftig als Grundlage für einen digitalen Warndienst der Verkehrsteilnehmer sowie straßenseitige Präventi-onsmaßnahmen dienen könnte. Der ADAC unter-stützt das Projekt mit Daten aus seiner Verkehrsla-geerfassung.

Die wuidi GmbH baut schon heute einen Warn-dienst auf, bei dem Jäger besonders gefährliche Streckenabschnitte hinterlegen können. Der Auto-

Abbildung 28: Treibjagdbeschilderung (Foto: Dambach)

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fahrer soll während der Fahrt durch eine Smart-phone-App orts- und zeitabhängig vor erhöhter Wildunfallgefahr gewarnt werden.

Fahrerassistenzsysteme Wildtiere sind vor allem nachts schlecht erkennbar. Als Warmblütler können sie jedoch mit Infrarotka-meras prinzipiell gut erfasst werden. Verschiedene Autohersteller bieten schon heute in ihren Spitzen-modellen (optional) Systeme zur Nachtsichtunter-stützung des Fahrers an. Eine Infrarotkamera wer-tet den Straßenraum vor dem Fahrer aus und warnt (akustisch, im Head-Up Display, im Kombiinstru-ment oder im Navigationsdisplay) insbesondere vor Fußgängern auf oder neben der Fahrbahn. Fuß-gänger und Radfahrer in Bewegung können auch mit Radarsensorik identifiziert werden. Automati-sche Notbremssysteme, die auf Fußgänger oder Radfahrer reagieren, werden schon in vielen Fahr-zeugmodellen angeboten.

Die Erfassungssysteme müssen noch etwas weiter entwickelt werden, um auch Wildtiere zuverlässig identifizieren und berücksichtigen zu können. Erste Prototypen werden gezeigt z. B. Large Animal De-tection System von Volvo. Eine Warnung darf den Fahrer im entscheidenden Moment nicht vom Ver-kehrsgeschehen ablenken und automatisches Bremsen oder Ausweichen darf nicht zu einem grö-ßeren Schaden als ohne das System führen.

Öffentlichkeitsarbeit In Ergänzung zu Warnungen vor der abstrakten o-der konkreten Wildunfallgefahr an der Straße dient die Öffentlichkeitsarbeit dazu, die Verkehrsteilneh-mer generell für die Thematik zu sensibilisieren.

Abbildung 30: Plakatmotiv DJV, Verkehrswacht, DVR,

VBG

Abbildung 31: Plakat 'Keiler kommt' der Verkehrswacht Harburg-Land

Der Übergang ist fließend. So werden Plakate na-türlich vorwiegend an den Straßen aufgestellt, die auch von Wildunfällen betroffen sind.

In zahlreichen norddeut-schen Landkreisen wer-den Wildunfälle durch sogenannte Dreibeine kenntlich gemacht. Die Dreibeine werden nach einem Wildunfall für ei-nige Wochen im Stra-ßenseitenraum aufge-stellt und sollen den Verkehrsteilnehmern deutlich machen, dass auch auf ihrer Straße ständig Wildunfälle ge-schehen.

Alle Maßnahmen an der Straße müssen von einer intensiven Öffentlichkeitsarbeit begleitet werden. Hier kommt den lokalen Medien eine besondere Bedeutung zu, da das Interesse der Verkehrsteil-

nehmer steigt, wenn Wildun-fälle durch Beispiele und Aktio-nen aus ihrem Wohnumfeld il-lustriert werden. Die Proble-matik der Medienarbeit liegt darin, dass Wildunfälle an sich keinen Neuigkeitswert haben. Auch die Maßnahmen und Verhaltenshinweise sind seit vielen Jahren bekannt. Außer in Presseartikeln, Radio- und Fernsehbeiträgen wird die Wildunfallproblematik vor al-lem in Informationsblättern und Broschüren aufbereitet.

Typische Anlässe für Pressemitteilungen sind z. B.:

Statistische und örtliche Auswertung der Wild-unfälle im Landkreis

Neue Schilder oder Plakate aufgestellt am Fahrbahnrand

Maßnahmen zur Wildbeeinflussung eingeführt

Rehwildbrunft von Mittel Juli bis Mitte August

Damwildbrunft von Mitte Oktober bis Mitte No-vember

Beginn der Sommerzeit Ende März (Sonnen-aufgang eine Stunde später, Verkehrsteilneh-mer sind vermehrt in der Morgendämmerung unterwegs)

Abbildung 29: Plakatmotiv Dreibein der Landesver-kehrswacht Niedersachsen

Fachinformation: Wildunfallprävention

ADAC e. V. Ressort Verkehr Stand: März 2018 Verkehrspolitik [email protected] Hansastraße 19, 80686 München Seite 19 / 19 www.adac.de/verkehrs-experten

Ende der Sommerzeit Ende Oktober (Sonnen-untergang eine Stunde früher, Verkehrsteilneh-mer sind vermehrt in der Abenddämmerung un-terwegs)

Wesentliches Ziel der Öffentlichkeitsarbeit ist die Sensibilisierung der Verkehrsteilnehmer für die abs-trakte Gefahr von Wildunfällen. Dazu müssen vor allem drei Botschaften vermittelt werden:

Vernünftige Fahrgeschwindigkeit Es gibt keine sichere Fahrgeschwindigkeit. Auch bei 50 km/h kann ein Verkehrsteilnehmer einen Wildunfall nicht verhindern, wenn ein Wildtier direkt vor dem Fahrzeug auf die Fahr-bahn springt. Der ADAC hat jedoch in mehre-ren Crashtests mit Schwarz- und Damwild ge-zeigt, dass bei 80 km/h zwar schwere Schäden am Fahrzeug entstehen, der Unfall für die In-sassen jedoch ohne Verletzungen verlaufen kann. Der Anhalteweg, die Unfallschwere und das Risiko, die Kontrolle über das Fahrzeug zu verlieren, nehmen mit zunehmender Fahrge-schwindigkeit exponentiell zu.

Abbildung 32: ADAC Crashtest mit Schwarzwild

(Foto: ADAC)

Verhalten von Wildtieren richtig einschätzen Neben unvermeidbaren Unfällen gibt es immer wieder Situationen, in denen Verkehrsteilneh-mer das Verhalten der Tiere falsch einschätzen und in einen durchaus vermeidbaren Unfall ver-wickelt werden. Viele Tierarten leben in Familienverbänden,

Rotten oder Rudeln. Wer ein Tier auf oder an der Fahrbahn sieht muss immer mit nachfol-genden Artgenossen rechnen. Oftmals nähern sich Wildtiere der Fahrbahn vorsichtig und sichern häufig in Richtung des ankommenden Fahrzeuges. Das heißt aber keineswegs, dass das Wildtier das Fahrzeug erkannt hat und sein Verhalten darauf einstellt. Wildtiere können auch noch unmittelbar vor dem Fahrzeug auf die Fahrbahn springen. Gerade dem Rehwild sagt man nach, dass es völlig unberechenbar wäre und nach dem Que-ren der Fahrbahn auch wieder zurück flüchtet. Ein Kraftfahrer sollte nach Wildsichtung seine Fahrgeschwindigkeit in jedem Fall ganz erheb-lich, ggf. bis auf Schrittgeschwindigkeit reduzie-ren. Wildtiere lassen sich u. U. durch Hupen verscheuchen.

Nicht ausweichen, auf der Fahrbahn bremsen Wildunfälle verursachen in den meisten Fällen nur Sachschäden am Fahrzeug. Im Gegensatz dazu haben Baum- und Gegenverkehrsunfälle die höchste Unfallschwere auf Landstraßen mit zahlreichen Schwerverletzten und Getöteten. Der Versuch, einen Wildunfall durch ein Aus-weichmanöver zu verhindern, führt nicht selten zu erheblich schwereren Unfallfolgen für die Fahrzeuginsassen. Durch eine Vollbremsung vor dem Zusammen-prall kann die Unfallschwere reduziert werden. Das Antiblockiersystem ABS verhindert inzwi-schen in den meisten Fahrzeugen das Ausbre-chen und Schleudern, auch in Kurven. Nach dem Zusammenprall muss der Verkehrs-teilnehmer versuchen, das Fahrzeug auf der Fahrbahn kontrolliert anzuhalten.

Daneben können im Rahmen der Öffentlichkeitsar-beit auch Hinweise zur Absicherung der Unfall-stelle, der Unfallmeldepflicht, zu Versicherungsleis-tungen oder zum Tierschutz gegeben werden.


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