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Entschuldungskurier 1/2010

Date post: 05-Feb-2016
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Die kostelose Zeitschrift des erlassjahr.de - Bündnisses
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1/2010 Entschuldungs-Kurier #9 Berichte aus Berlin - Konferenz & Wimpelübergabe | Weltbank Frühjahrstagung | Hai des Jahres | Speakers Tour | Klimawandel und Verschuldung WM-Tippspiel von erlassjahr.de: Mitmachen!
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Page 1: Entschuldungskurier 1/2010

1/2010

Entschuldungs-Kurier #9

Berichte aus Berlin - Konferenz & Wimpelübergabe | Weltbank Frühjahrstagung | Hai des Jahres |Speakers Tour | Klimawandel und Verschuldung

WM-Tippspiel von erlassjahr.de:

Mitmachen!

Page 2: Entschuldungskurier 1/2010

Inhalt

Berichte aus Berlin: Fachtagung FTAP, Wimpelübergabe

Sind wir Pessimisten?

Hai des Jahres - Siemens AG

WM-Tippspiel

Das Gastgeberland: Südafrika

Speakers Tour 2010

Neue Mitträger im Bündnis

Stimmen für ein FTAP

Klimawandel und Verschuldung

ÖKT 2010 in München

Termine

Impressum

Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter, liebe Freunde von erlassjahr.de,

das Thema internationales Insolvenzverfahren sorgt für hitzige Debatten -weltweit. Denn je näher ein Problem vor die eigene Haustür rückt, desto wichtigerwird es für uns. Um sich für die Schuldenprobleme von Ecuador oder Burundi zuinteressieren, bedarf es besonderer Motivation und Auseinandersetzung mitkomplexen Daten. Doch wenn Griechenland oder Island vor der Insolvenz steht,interessiert sich plötzlich die gesamte Öffentlichkeit für die Lösungsansätze. Wiegeht es weiter, wenn europäische Staaten in Zahlungsschwierigkeiten stecken?

erlassjahr.de sagt: Wir brauchen neue Mechanismen, um Staateninsolvenzenzu begegnen. Statt mühsam über Einzellösungen zu diskutieren, bedarf es einesgeregelten Verfahrens, das für einen fairen Ausgleich zwischen Schuldnern undGläubigern sorgt und den Gläubigern ihren Teil der Verantwortung gibt.

So äußerten sich auch die TeilnehmerInnen der internationalenExpertentagung über das faire und transparente Schiedsverfahren (FTAP) am 12.4.in Berlin. Wissenschaftler, Politiker und Entschuldungsexperten sehen die dringendeNotwendigkeit eines solchen Verfahrens. Auch bei der anschließenden Übergabeder 18.031 unterschriebenen Wimpel im Bundesministerium für wirtschaftlicheZusammenarbeit und Entwicklung bekräftigte Staatssekretär Hans-Jürgen Beerfeltzdie Entschlossenheit der deutschen Regierung, sich für ein internationalesInsolvenzverfahern einzusetzen. Lesen sie den Bericht aus Berlin auf Seite 3.

Für eine komplexe Analyse der Schuldenkrise und als Referenztext zurglobalen Verschuldungssituation empfehlen wir Ihnen den Schuldenreport 2010,den wir im Februar herausgegeben haben und den Sie bei uns im Büro oder auf derHomepage bestellen können.

Was haben Themen wie Klimawandel, brasilianische Atomkraftwerke oderdie Fußball - WM in Südafrika mit Schulden zu tun? Auch dazu erfahren Sie mehr inder aktuellen Ausgabe des Entschuldungs-Kuriers. Wir wünschen Ihnen einespannende Lektüre!

Im Namen der Redaktion grüßt Sie herzlich

Editorial

erlassjahr.deCarl-Mosterts-Platz 140477 DüsseldorfTel.: 0211 46 93 - 196Fax: 0211 46 93 - 197e-mail: [email protected]

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3Entschuldungskurier Nr. 9 Mai 2010

Ein bisschen historisch war der Mo-ment schon für die Erlassjahr-Bewegung, als der Moderator – biszu seiner Pensionierung Leiter derdeutschen Delegation im Pariser Club- die Schlussfolgerungen der Tagungam 12. April vortrug: Im Interesseehrlicher Gläubiger, vor allem aber imInteresse der erneut kritischverschuldeten Staaten muss dringendeine der Ur-Forderungen derErlaßjahr2000-Kampagne umgesetztwerden: Wir brauchen ein Inter-nationales Insolvenzverfahren.

So viel Konsens bestand nicht nurzwischen den beiden Co-ModeratorInnen, sondern auch unterden VertreterInnen von Regierungen,UNO-Organisationen, Parlamentariernund NROs, die sich in Berlin getroffenhatten. Ziel war es, diejenigenpolitischen Akteure, die ein Interessean einer solchen Verfahrensreformhaben, zusammenzubringen, sichgemeinsam auf Konzepte undkonkrete politische Schritte zuverständigen.

Den Ton dafür hatte erlassjahr.de imletzten Jahr gesetzt: Mehr als 18.000Unterschriften für ein Faires undTransparentes Schiedsverfahren(englisch: FTAP) waren im Rahmenunserer Wimpel-Kampagne 2010zusammengekommen. Die Politik undzwar sowohl die “alte”, d.h. dieRegierung der großen Koalition, alsauch die neue, vor allem der FDP-Entwicklungsminister, hatten den Ballaufgenommen. Angelpunkt dererlassjahr.de-Arbeit in der laufendenLegislaturperiode ist der Passus imKoalitionsvertrag, der dieBundesregierung auf die Schaffungeiner Internationalen Insolvenz-ordnung für verschuldete Saatenverpflichtet.

Am 12.-13. April lud erlassjahr.dedannn zusammen mit der Friedrich-Ebert-Stiftung diejenigen inter-nationalen Akteure, die dieses

politische Ziel teilen, zu einemExperten- Seminar nach Berlin ein. DieTagung zeigte im Fokus die Chancenwie auch die noch zu überwindendenSchwierigkeiten der Kampagne für einInternationales Insolvenzverfahren:

- Wo genau soll eigentlich über

eine Verfahrensreform entschiedenwerden? Die VertreterInnen derinternationalen Organisationendrängten uns, das Thema auf dieTagesordnung der G20 zu bringen,da es letztlich im Moment keinenanderen relevanten Entschei-dungszusammenhang gibt. In-zwischen trafen wir uns mit dem fürden G20-Prozess verantwortlichenBeamten im Kanzleramt, dem sogenannten “Sherpa”. Es wurdedeutlich, dass wir bei dem nächstenGipfel im Juni in Kanada (G8 undG20 unmittelbar nacheinander)keine Befassung erwarten können.Zunächst müssen noch weitereG20-Mitgliedsregierungen für dasThema gewonnen werden. Miteinigen, wie den Niederländern (inKanada ausnahmsweise dabei) undden Australiern sind wir bereitsganz gut im Gespräch.

- Wie stark wird sich Deutschland

engagieren? Als Abschluss derWimpelkampagne übergaben wirsymbolisch die 18.031 Wimpel an

Staatssekretär Hans-JürgenBeerfeltz vom Entwicklungs-ministerium. Dieser betonte dieEntschlossenheit der Bundes-regierung, das Thema internationalvoranzutreiben. Dabei hob er daspersönliche Engagement derBundeskanzlerin hervor, die sichjüngst in der Koalitionsrundeausdrücklich positiv positionierthabe. Ministerium und Regie-rungschefin gelegentlich an dieseAbsicht zu erinnern kann sicherlichnicht schaden!

- Unser Vorschlag hat im Laufe der

letzten Woche eine Reiheengagierter und einflussreicherBündnispartner gefunden. Dazugehören die G24, das ist derZusammenschluss der Ent-wicklungs- und Schwellenländerbei IWF und Weltbank, das Com-monwealth-Sekretariat, die UN-Konferenz für Handel undEntwicklung (UNCTAD), das UN-Entwicklungsprogramm UNDP undDebt Relief International. Letzteresist ein Netzwerk von Consulting-Unternehmen, welches ver-schuldete Niedrigeinkommens-länder in Fragen des Schulden-managements berät. Sie alle habensehr gute Möglichkeiten, dasThema an die verschuldetenLänder heranzutragen. AFRODADbrachte auch die Rechtsabteilungder Afrikanischen Entwicklungs-

FTAP-Vernetzungstreffen in Berlin:eine “Koalition der

Willigen” entsteht

Networking in Berlin: VertreterInnen von

internationalen Entschuldungs-NGOs

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4 Entschuldungskurier Nr. 9 Mai 2010

bank als möglichen Partner ein. Sieberät Staaten bei der Abwehr vonGeierfonds-Attacken.

- In Lateinamerika steckt die NRO-

Diskussion um eine Verfah-rensreform noch entweder sehr imGrundsätzlichen oder sie kon-zentriert sich eher auf dieSchaffung regionaler Strukturenzur kollektiven Verteidigung desseit 500 Jahren ausgeplündertenKontinents. Pragmatischer gehenda die Afrikaner zu Werke. FanwellBokosi von AFRODAD signali-sierte eine starke Bereitschaft, imRahmen von AFRODAD praktischumsetzbare Alternativen an dieRegierungen des Kontinentsheranzutragen. Gelegenheiten dazuergeben sich z.B. im Rahmen desnächsten Afrikanischen Finanz-ministertreffens im Juni, zu demAFRODAD eingeladen wurde.Beide Netzwerke werden auf derGrundlage der Berliner Ergebnissenach einem Konsens unter ihrenMitgliedern suchen. Im afri-kanischen Fall gilt die besondereAufmerksamkeit Südafrika, imHinblick auf die Rolle des Landesin den G20.

Zusammen mit Partnerorganisationenim EURODAD-Netzwerk wie auchaußerhalb Europas wird erlassjahr.desich auf folgende drei Schrittekonzentrieren:

1) Mehr Mitglieds-Länder der G20sollen von ihren Entschuldungsbewe-gungen und Nichtregierungs-organisationen auf die Unterstützungeiner deutschen Initiative bei einemder nächsten G20-Gipfel (Südkorea imNovember 2010 oder Frankreich 2011)angesprochen werden.

2) Zusammen mit den Partner-netzwerken im Süden, AFRODAD undLATINDADD, wollen wir denRegierungen der bereits wiederkritisch überschuldeten HIPC-Ländern wie auch den Staaten, dievon der Initiative ausgeschlossenblieben, ein faires und transparentesInsolvenzverfahren als Alternativeaufzeigen. Niemand, der Schulden-erleichterung benötigt, soll künftig

zuerst den fragwürdigen Kondi-tionalitäten des IWF und derWeltbank unterworfen werden. FTAPist ein wichtiges Instrument, umdiejenigen an den Kosten einer Krisezu beteiligen, die mit ihrerKreditvergabe immerhin ein Risikoeingegangen sind, statt dass alles aufdie ärmsten Bevölkerungsgruppen imSüden oder den Steuerzahler imNorden abgewälzt wird. Um welcheLänder es vordringlich geht, zeigt derneue Schuldenreport 2010, denerlassjahr.de im Februar zusammen mitder Kindernothilfe vorgestellt hat.“Die neue Landkarte der Ver-schuldung” kann für 2,50 Euro imerlassjahrde-Shop bestellt oderkostenlos aus dem Internetheruntergeladen werden (sieheKasten auf Seite 5).

Und schließlich zeigen die vielfältigenGespräche mit den verschiedenenMinisterien, dass der Druck auf dieBundesregierung weiterhin not-wendig ist. Viele Gespräche, Briefe undVeranstaltungen im Rahmen derWimpelkampagne 2009 haben uns dieVerankerung des Themas imKoalitionsvertrag eingebracht, was fürdie weltweite Kampagne ein riesigerSchritt vorwärts ist (und endlich maleiner, bei dem Deutschland nichthinterher läuft, sondern eineVorreiterrolle spielt).

Aber Papier ist erstmal nur Papier, undbekanntlich sehr geduldig. Alsnächste Schritte sollte die Bun-desregierung ermutigt werden,einzelne Länder zu unterstützen, dienach einem alternativen Verfahrensuchen. Wer zum Beispiel im Rahmenexistierender Gemeindepartner-schaften dazu konkrete Initiativenergreifen will, findet Informationen imRahmen des erlassjahr.de- Partner-schaftsprogramms unter

http://www.erlassjahr.de/themen/laenderinfo/die-schulden-die-entschuldung-und-unser-partnerland.html

Jürgen Kaiser

Wie bereits im vorigen Beitrag beschrieben,konnte erlassjahr.de im April die Kampagne“Mit Schulden fair verfahren - damit nicht dieArmen die Krise be-zahlen” erfolgreich ab-schließen; dazu über-gab erlassjahr.de zu-sammen mit den bei-den Entschuldungs-experten Dr. FanwellBokosi vom Entschul-dungsnetzwerk AFRO-DAD und Dr. HugoArias vom Partnernetzwerk LATINDADD einensymbolischen Riesenwimpel an StaatssekretärHans-Jürgen Beerfeltz im Bundesministerium fürwirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwick-lung (BMZ).

Überzeugende 18.031 Unterschriften konntenseit dem Start der Kampagne 2009 für dieEinführung eines fairen und transparentenInsolvenzverfahrens gesammelt werden, sodass nicht nur die Unterstützung in derBevölkerung für die Einführung einesStaateninsolvenzverfahrens kommuniziertwerden konnte, sondern vor allem auch dieDringlichkeit des Themas noch einmal bewusstin den Vordergrund geschoben wurde. Indiesem Zusammenhang betonte StaatssekretärBeerfeltz, dass die Regierung an der Einführungeines transparenten Entschuldungsverfahrensinteressiert sei und erwähnte die Unterstützungdurch unsere Bundeskanzlerin.

Nicht nur erlassjahr.de freut sich über diesesStatement, auch unsere internationalen Gästebegrüßten den Beitrag von Deutschland in derDiskussion um ein internationalesInsolvenzverfahren.

Der erfolgreiche Kampagnenabschluss wirdnicht nur durch Lippenbekenntnisse seitens derRegierung bestätigt: Die Forderung nach eineminternationalen Insolvenzverfahren ist imKoalitionsvertrag fest verankert, so dass nunkonkrete politische Schritte zur Umsetzung des

Verfahrens folgen sollen.

Vielen herzlichen Dank für Eure tatkräftigeUnterstützung durch Wimpel-Unterschriftenund Aktionen, die zu diesem erfolgreichenAbschluss beigetragen haben!

Abschluss derWimpel-Kampagne

Ihr erlassjahr.de - Team

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5Entschuldungskurier Nr. 9 Mai 2010

Ich zog in meinem einleitenden Vortragauf der Grundlage von IWF- Daten zurzu erwartenden wirtschaftlichenEntwicklung seine Schluss-folgerungen in Zweifel, wonach schonalles gut gehen wird und keine neuenMaßnahmen für überschuldeteLänder notwendig werden- und wurdeprompt „Pessimist“ geschimpft.

Die Daten des IWF zeigen aber, dassin den kommenden Jahren die Ländersüdlich der Sahara 12%, inZentralasien und Osteuropa sogar15% ihre Wirtschaftsleistung für denSchuldendienst aufwenden müssten-und dass in Ländern, die es gerademal schaffen, zwischen zwei undsechs Prozent ihrer Wirtschafts-leistung für Bildung oder Gesundheitauszugeben. Im Gegenteil, meinte dieChefin der Schuldenabteilung derUNCTAD, Frau Yuefen Li, die nachmir sprach. Die Kalkulationen desIWF sind zu optimistisch, ein zweitesKrisentief ist keinesfalls aus-geschlossen. Die HIPC/MDRI-Initiativen waren als permanenterAusgang aus der Schuldenkrisepropagiert worden, haben aber denTest einer Wirtschaftskrise nichtbestanden. 15 bereits entschuldeteLänder sind erneut viel zu hochverschuldet. Man muss im Kapi-talismus immer damit rechnen, dassdie Phasen der Rezessionen viel längerdauern als die Phasen anziehenderKonjunktur. Deshalb fordertUNCTAD schon seit 1996 ein Instru-ment für das Management vonStaatsschulden der Entwicklungs-länder. Eines, das die Armen schütztund auf verantwortlicher Kredit-vergabe besteht.

Henrick Harboe, Leiter der Abteilungfür Internationale Finanzinstitutionendes Auswärtigen Amtes Norwegens,verwies auf die neuen und alten Opferder Finanzkrise, einerseits HIPC/MDRI-Länder aber andererseits auchKaribik- Inseln und osteuropäischesowie zentralasiatische Länder.Außerdem würden die inländischenSchulden der Länder vom IWF garnicht mit einberechnet. Auch dieAuswirkungen der erheblichen

Kreditvergabe von großenSchwellenländern wie China, Indien,etc. sind in den Zahlen nichtberücksichtigt, weil nicht bekannt.

Deswegen braucht es ein neuesEntschuldungsverfahren für Ent-wicklungsländer. Herr Harboe meinte,man solle nicht immer dieseZahlenhuberei in den Vordergrundstellen, schließlich geht es bei denSchulden auch um Fairness, um dieLegitimität der handelnden Akteureund die Ungleichheit der Macht-verhältnisse. IWF und Weltbank sindKreditgeber. Gleichzeitig bewerten siedie Schuldner. Er forderte eineunabhängige Einrichtung für dieBewertung der Schulden einesLandes. Er regte die anwesendenNetzwerk- und Regierungsver-terInnen auf, das durch die Griechen-landdebatte gegebene öffentliche In-teresse zu nutzen, um ein neuesEntschuldungsverfahren für Ent-wicklungsländer durchzusetzen. Einesdas die Armen ent- und die Gläubigerbelastet.

Peter Lanzet

Sind wir Pessimisten?Peter Lanzet, EED, berichtet über die Frühjahrstagung derWeltbank und des IWF

Am Wochenende des 24. - 25.4.2010stritten die Gouverneure von IWF undWeltbank bei ihrer Frühjahrstagung inWashington u.a. über ihre Macht-verteilung und die Verantwortung derBanken für die Finanzierung derKosten der Finanzkrise. Über dieÜberschuldung der Entwicklungs-länder sprachen sie nicht. Dass es aberals Auswirkung der Finanzkrise erneutGrund zur Sorge vor einer Über-schuldung vieler Entwicklungs-undSchwellenländer und neuerdings auchIndustrieländer gibt und dafür eineLösung gefunden werden muss, warGegendstand heftiger Debatten einerPodiumsveranstaltung in derWeltbank am 24.4.2010. Organisiertwar sie von der NorwegischenRegierung, UNCTAD, NorwegianChurch Aid, AFRODAD und demEED. Sie stand unter dem Titel „NeueModelle der Verhandlung vonStaatsschulden“.

Bei den Fachgesprächen in Washing-ton darf man sich zum Glück solchtechnische Kauderwelsch- Titelleisten, denn dort versammeln sich jadie Eingeweihten. Etwas über 20Teilnehmerinnen und Teilnehmerwaren erschienen, darunterVertreterInnen der AustralischenRegierung, der Schuldenabteilung derWeltbank sowie der unabhängigenEvaluierungsabteilung der Weltbank,verschiedene VertreterInnenafrikanischer Delegationen beimFrühjahrstreffen (die sich leider nichtzu erkennen gaben) und einer Reihevon internationalen Netzwerken wiedem Third World Network oderLATINDADD, dem lateinamerika-nischen Netzwerk für Schulden undEntwicklung.

Der aktuelle Schul-denreport 2010, er-stellt von erlassjahr.deund Kindernothilfe,wurde am 25.02.2010bei der Bundespresse-konferenz in Berlin vorgestellt. Er infor-miert über die Folgen der Weltwirt-schaftskrise mit einer aktualisiertenLandkarte der Verschuldung, überden Stand von internationalen Ent-schuldungsbemühungen und überDeutschland als Gläubiger und gehteiner neuen Schuldenstrategie fürEcuador nach; ein Schuldnerland, dasetwas anders machen wollte.

42 Seiten DIN A4, Preis: 2,50 Eurozzgl. Versand; Bestellungen:

[email protected]

www.erlassjahr.de/shop/index.php

Schuldenreport 2010

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Entschuldungskurier Nr. 9 Mai 20106

Einen Kredit zu vergeben ist durchausnichts Negatives. Schulden sind dieKehrseite jeder Kreditvergabe, und inden allermeisten Fällen verlaufensolche Kreditvergaben bzw.Kreditaufnahmen zum Nutzen beiderSeiten. So weit so gut.

Es gibt aber Kredite, die stürzen denKreditnehmer in die Schuldenfalle,weil sie ihn weit über seineLeistungsfähigkeit belasten. Oder siebeinhalten hohe Risiken wie variableZinsen. Oder sie sind von vornhereinan Projekte gebunden, die demEmpfängerland eher schaden alsnützen. Solche Kredite zeichneterlassjahr.de einmal im Jahr mit dem“Hai des Jahres” aus. Geehrt wirddurch diesen Wanderpreis einKreditgeber, welcher sich – wie es imAusschreibungstext heißt – inbesonderer Weise um die„Ausplünderung der Länder desSüdens durch Schuldner-Gläubiger-Beziehungen“ verdient gemacht hat.Oder – wie in diesem Fall – noch dabeiist, dies zu tun.

Im Jahr 2010 zeichnen wir in diesemSinne die Siemens AG aus. Sie ist diedeutsche Mutter des deutsch-französischen Areva-Konzerns.Areva hat sich den Preis verdientdurch den mit öffentlichen Mittelnabgesicherten Export von Atom-technologie zum Weiterbau desAtomkraftwerks Angra 3 in Brasilien.

Der Bau von Angra 3 wird auf Kreditfinanziert, und da die exportierendeFirma nicht von der Fähigkeit derBrasilianer überzeugt ist, den Kreditpünktlich zurückzuzahlen, hat sie ihndurch eine so genannte “Hermes-Bürgschaft” abgesichert. Die “Euler-Hermes AG”, die diese Bürgschaft

gewährt, ist ein privatesUnternehmen, welches Bürgschaftenaber im Auftrag und auf Rechnung derBundesregierung vergibt. Ziel solcherUnterstützungen aus dem Steuer-säckel ist die Förderung der deutschenExportwirtschaft. Da es sich um dieVergabe öffentlicher Mittel handelt,muss ein dafür eigens eingerichteter“Interministerieller Ausschuss für dieVergabe von Exportbürgschaften”(IMA) der Bundesregierung derVergabe zustimmen.

Der IMA hat im Januar 2010 dieGewährung einer Bürgschaft imUmfang von 1,3 Mrd. Euro für denWeiterbau des AtomkraftwerksAngra-3 in Brasilien bewilligt. Nachder inzwischen erfolgten Unter-richtung des Bundestags-Haushalts-ausschusses ist damit eine seit 2001geltende Einschränkung beimHermes-Instrumentarium gefallen.Diese hatte Atomtechnologie bislangvon der staatlichen Ausfall-gewährleistung ausgeschlossen.

Umweltorganisationen in Brasilienund Deutschland kritisieren dasProjekt als ökologisch höchstfragwürdig. Für erlassjahr.de bedeutetdie Vergabe zudem die BelastungBrasiliens durch 1,3 Mrd. Euro neueSchulden. Zwar ist das aufstrebendeSchwellenland Brasilien im Momentauf Grund hoher Exporteinnahmenhochsolvent. Das bedeutet aber nicht,dass die BrasilianerInnen es sichleisten könnten und sollten, diedeutsche Atomindustrie wirtschaftlichüber Wasser zu halten.

Angra 3 ist die Ausweitung eines mitdem von Westinghouse gebautenMeiler Angra 1 und dem Siemens-Reaktor Angra 2 bereits bestehenden

Nuklearpark in der Bucht von Angrados Reis, an der atlantischen Küstenördlich von Rio de Janeiro. Beibeiden bereits bestehendenReaktoren fielen die Kosten erheblichhöher aus, als ursprünglich ver-anschlagt. Und auch mit dem Bau vonAngra 3 wurde bereits vor 18 Jahrenbegonnen. Wegen wirtschaftlicherSchwierigkeiten auf der brasi-lianischen Seite und deszwischenzeitlichen Ausschlusses derAtomtechnologie von der Bürg-schaftsvergabe in Deutschland lagdas Projekt dann so lange auf Eis, unddie bereits gelieferten Komponentenwurden in der Bucht eingemottet.

Zusammen mit der Organisationurgewald, welche schon seit vielenJahren deutsche Atomexporte nachBrasilien und in andere Länder desSüdens kritisch unter die Lupe nimmt,kritisieren wir konkret folgendeAspekte des Projekts:

- Mit dem Weiterbau von Angra 3

betreibt Siemens die Fixierungeines bedeutenden Schwellen-landes auf eine nicht nachhaltigeEnergieversorgung und ziehtdaraus Profit. Anstatt den Ausbauerneuerbarer Energien aktiv zufördern, zieht Siemens den Verkaufeiner in Deutschland schon seitzwei Jahrzehnten nicht mehrvermarktbaren Technologie vor.

- Siemens leitet mit dem Verkauf

der Proliferation von waffen-fähigem Plutonium Vorschub.Brasilien hat das Zusatzprotokollzum Atomwaffensperrvertrag,welches unangemeldete Kontrol-len der IAEO erlauben würde, bisheute nicht unterschrieben. Auchwenn Brasiliens gegenwärtigeRegierung ansonsten sehrlobenswerte Bemühungen unter-nommen hat, den lateinamerikani-schen Kontinent atomwaffenfrei zuhalten: So wie die Anfänge dernuklearen Zusammenarbeitzwischen der Bundesrepublik undBrasilien bis in die Zeit derMilitärdiktatur zurückreichen, gibtes keinerlei Garantie dafür, dassauch künftige brasilianische

Der Hai des

Jahres 2010 für die

Siemens AG

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Entschuldungskurier Nr. 9 Mai 2010 7

Regierungen dieser Linie folgen.Die völkerrechtlich verbindlicheBereitschaft, unangemeldeteKontrollen ins Land zu lassen,wäre zumindest ein begrenzterSchutz gegen den Missbrauch derTechnologie gewesen. Aber dazuist aus Gründen der Souveränitätauch die Regierung Lula nichtbereit.

- Der Kauf der Technologie aus

Deutschland bedeutet für Brasilienzunächst einmal 1,3 Mrd. Euro neueSchulden - entweder auf Seiten desimportierenden Unternehmens,oder im Garantiefall auf Seiten desbrasilianischen Staates. DieErfahrung mit den beiden erstenBlöcken Angra 1 und Angra 2 zeigtzudem, dass die faktischen Kostenbis zur Fertigstellung erheblichüber dem Voranschlag lagen. Dasheißt: Selbst wenn Brasilien sichangesichts seiner momentan hohenDevisenreserven Angra 3 “leis-ten” kann, enthält das Geschäft einhohes Risiko für den brasiliani-schen Staat. Und der hat auchanderswo Probleme. Zwar hatBrasilien in den letzten Jahrengroße Fortschritte bei derErreichung der Milleniums-entwicklungsziele vorzuweisen.Das gilt aber nur für die nationaleEbene, während einzelne Regionenz.T. deutlich hinter den gestecktenZielen zurückbleiben.

- Siemens kann sich nicht hinter

dem Argument verstecken, dersouveräne brasilianische Staatwolle den Kauf schließlich. DieseTatsache entbindet einen Liefe-ranten ebenso wenig wie einenKreditgeber von der sorgfältigenPrüfung eines Geschäfts ein-schließlich seiner sozialen undpolitischen Implikationen. Auchwenn ein souveräner Staatbeispielsweise Produkte ausKinderarbeit verkaufen will, ist einprivates Unternehmen damit nichtautomatisch von der Einhaltungvon Kinderschutzkonventionenentbunden.

- Siemens hat mit der Beantragung

der Bürgschaft der Abschaffungder Hermes-Umweltleitlinie Vor-schub geleistet; nach Berichtenmancher Kommentatoren hat er siesogar aktiv betrieben. Damit istnicht nur im konkreten Fall,sondern generell der Glaubwür-digkeit einer restriktiven deutschenExportpolitik ein schwerer Schadenzugefügt worden. Im Gegensatz zurdeutschen staatlichen Hermes-Kreditversicherung schließenbeispielsweise die Weltbank unddie Asiatische Entwicklungsbankdie Finanzierung des Exports vonAtomtechnologien kategorischaus.

- In ihrer Grundsatzzusage

verzichtet die Bundesregierung aufdie Verankerung von Auflagen. Eswird lediglich verlangt, dass einexterner Gutachter überprüft, ob Jürgen Kaiser

die Auflagen aus dem brasi-lianischen Genehmigungsver-fahren eingehalten werden. Da essich bei dem Atomkraftwerk Angra3 um ein höchst umstrittenesProjekt handelt, wurden dievorläufige Umweltgenehmigungund die Baugenehmigung mit 44bzw. 60 Auflagen versehen. Ob derBetreiber Electronuclear diese biszur Inbetriebnahme von Angra 3einhalten kann, ist mehr alsfraglich. Schließlich ist am StandortAngra dos Reis das AKW Angra 2bereits seit 2000 am Netz, ohne dasszentrale Genehmigungsauflagen –v.a. die bisher nur sehr provi-sorische Lösung für die Lagerungder radioaktiven Abfälle sowie derunzureichende Katastrophen-schutz – auch nur ansatzweisezufriedenstellend „gelöst“ wordensind.

Der “Hai des Jahres” wird dieses Jahr an die Siemens AG verliehen

Dabei sein und mitmarschieren!

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Auch zur Fußballweltmeisterschaft2010 (11.6. – 11.7.2010) in Südafrikadarf unser informatives Tippspiel nichtfehlen. In Zusammenarbeit mit „DeineStimme gegen Armut“ und „Aktions-bündnis gegen Aids“ starteterlassjahr.de pünktlich zur Weltmeis-terschaft ein Tipp-Spiel, wo Teil-nehmer und Teilnehmerinnen nicht nurtolle Preise gewinnen können,sondern gleichzeitig bei jedem Spielauch über die jeweiligen Länder zumThema Entwicklung und Ent-schuldung informiert werden.

Die Regeln sind einfach: wer denrichtigen Sieger, Verlierer oderunentschieden tippt bekommt zwei,für die richtige Tordifferenz gibt es dreiund für das korrekte Ergebnis sogarvier Punkte. Bis 30 Minuten vorSpielbeginn kann getippt werden,dabei geht es um das absolut finaleErgebnis, das heißt, im Falle einesElfmeterschießens oder einerVerlängerung das Ergebnis, dasdaraus resultiert. Zusätzlich gibt esBonuspunkte für Tipps, die amAnfang des Turniers aufgegebenwerden und die unterschiedlicheZusatzpunkte einbringen (zwischen 3und 10 Punkte pro richtigenBonustipp). Diese Bonustipps gehenin die Gesamtpunktzahl mit ein.

Pro Spieltag gibt es einenSpielkommentar per Email, darin zumjeweiligen Teilnehmerland Hinter-grundinformationen von erlassjahr.de.Denn während die Aufmerksamkeitder Welt ganz dem Fußball gilt, wollenwir auch hinter die Stadionwändeschauen. Was geschieht in denHeimatländern derFußballmann-schaften abseitsvom grünen Rasen?Passen Entwick-lungspolitik undFair Play über-haupt zusammen?Norden gegen Sü-den: Wer gewinnt?

Mitmachen und mehr wissen ist dieDevise – wir laden Euch herzlich zurTeilnahme am Tippspiel ein.Rechtzeitig vor dem Start wird dasTippspiel über die erlassjahr.de–Website zugänglich sein, mit allenInfos zu Regeln, Gewinnen,Spielterminen und Länderauf-stellungen. Unter den Preisen für diebesten Tipper sind Fan- undUnterstützerpakete der Veranstaltermit T-Shirts, CDs, bunten erlassjahr.deSchals und vielem mehr. Der/dieGewinnerIn auf Platz 1 bekommtaußerdem einen fairen Fußball. Machtmit beim fairen Tippspiel!

Die teilnehmenden Länder, dieGruppenverteilung und Spielplänefindet man unter http://de.fifa.com/worldcup/matches/index.html.

Das GastgeberlandSüdafrika

Die Regenbogennation - so wirdSüdafrika gern genannt, aufgrundseiner 47 Millionen Menschenunterschiedlicher Herkunft undverschiedener Kultur, die verschie-densten Religionen und Sprachenzugehören. Der Name „Regenbogen-nation“ passt jedoch auch auf die Situ-ation des Landes: starke Einkom-mensunterschiede und hoheArbeitslosigkeit, die auf diejahrzehntelange Apartheid-Politikzurückgehen, große soziale Un-gleichheit, eine hohe Kriminalitätsrate,sowie eine starke HIV-Quote in derBevölkerung (18,1%) als Entwick-lungs- und vor allem Investitions-hemmnisse. Trotzdem gilt Südafrika

als ein Land, das sich ökonomisch

gut entwickelt und„nur“ einen Anteil von 10,7 % an extrem armer

Bevölkerung besitzt,die von weniger als ei-nem US-Dollar pro Tag

leben muss; im Vergleich zu

anderen afrikanischen Ländern einauffallend niedriger Anteil. Weiter giltSüdafrika laut BMZ als „Wirtschafts-lokomotive“ des afrikanischen Kon-tinents mit reichen natürlichenRessourcen und der Erbringung vonrund einem Viertel der gesamtenafrikanischen Wirtschaftsleistung.

Besteht Südafrika die harte Prüfungvor den Kritikern als erster afri-kanischer Veranstalter der Fußball-weltmeisterschaft?

Obwohl kritische Stimmen befürchten,dass Südafrika sowohl organisations-wie auch sicherheitstechnisch für einederartige Großveranstaltung nichtgeeignet ist, so darf nicht vergessenwerden, dass Südafrika regelmäßiggrößere internationale Sportereignisseausgerichtet hat: Im Jahr 1995 dieRugbyweltmeisterschaft oder dieWeltmeisterschaft des Women’sWorld Cup of Golf in 2005 – 2008.

Viele sehen durchaus eine Chance derAufwertung speziell für das LandSüdafrika und generell für denKontinent Afrika durch positive Pub-licity und immense Aufmerksamkeit inder Öffentlichkeit, wiederum anderesprechen von einer der größtenFehlentscheidungen der FIFA.Südafrika jedenfalls möchte sich derWelt in einem neuem Gewand zeigenund beweisen, dass auch einafrikanisches Land in der Lage ist, eineWeltmeisterschaft zu organisieren.Dafür werden Milliarden in den Bauvon modernen Stadien, unzähligenHotels, Transport- und Sicher-heitsvorbereitungen, Ausbau vonStraßen und Flughafen investiert; soläuft z. B. bis 2012 ein breitesstaatliches Infrastrukturprogramm inHöhe von 100 Milliarden Rand.

Auch ehrgeizige Pläne, wie die größteSportarena Afrikas in Johannesburgzu bauen, wurden im Rahmen derWM-Vorbereitungen teuer verwirk-licht.

Das erlassjahr.de-Tippspiel mit Mehrwert zurFußball-Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika

Entschuldungskurier Nr. 9 Mai 20108

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Sport und Schulden

Fragen muss man sich, ob der ganzeAufwand Südafrika wirklichnachhaltig nützt - sicher ist, dassSüdafrika hohe Erwartungen an dasFußballturnier stellt und neben derinternationalen Aufmerksamkeit undder exzellenten Außendarstellung vorallem eine nachhaltige Ankurbelungder Wirtschaft erwartet. Geht mannach offiziellen Schätzungen, soschaffte die WM ca. 130.000 neueArbeitsplätze, und soll mit ca. 21Milliarden Rand zum Brutto-inlandsprodukt beitragen, außerdemhat sie die Folgen der Welt-wirtschaftskrise durch dauerhafteAuftragsvergabe und Investitionenim Land abgeschwächt.

Weiter wird davon ausgegangen, dasssich durch die WM die angeschlageneTourismusbranche erholt. Es scheintsich jedoch bereits jetzt schonabzuzeichnen, dass dieser Plan nichtganz aufgehen wird: So läuft widerErwarten der Ticketverkauf nurschleppend, was sicherlich aufhorrende Preise und Aufschläge z. B.im Hotelgewerbe zurückzuführen ist,so wie auf Befürchtungen in Bezugauf erhebliche Sicherheitsmängel undKriminalität, die die Besucher von

Entschuldungskurier Nr. 9 Mai 2010 9

Südafrika fern hält.

Bereits vor dem eigentlichen Start derWeltmeisterschaft wird vor ras-sistischen Unruhen während derSpiele gewarnt, zurückgehend auf dieErmordung des RechtsextremistenEugene Terreblanche aufgrund einesLohnkonflikts. Erwartet wurdenoptimistisch eine halbe MillionBesucher, die ca. 4,5 Milliarden Euroin die Wirtschaft pumpen sollten,mittlerweile werden durch dieWirtschaftskrise und die starkgestiegenen Preise für Flüge undUnterkünfte höchstens 250.000Besucher erwartet.

Der Nutzen der Austragung einerWeltmeisterschaft wird spätestens imVerhältnis zu den Kosten interessant:So musste Südafrika erheblicheMehrkosten allein für den Stadienbauin Kauf nehmen, so z. B. das Green-Point-Stadion von Kapstadt, das nachAngaben der Times ca. 366 MillionenEuro gekostet hat; doppelt soviel wieursprünglich kalkuliert. Auch dasEndspiel-Stadion „Soccer City“ dürftestolze 302 Millionen Euro gekostethaben. Kürzungen im Staatshaushaltfür das Jahr 2009/2010 von rund 100Millionen Euro gehören dann wohl zuden folgenreichen Konsequenzen.Auch wird der kurzfristige

So ein grüner Rasen kann was kosten. Prestigeobjekt Fußballstadion

Wachstumseffekt der WM nur nochauf rund 0,5% mehr Wachstumgeschätzt. Da bleibt es abzuwarten,was die Fußball-WM Südafrika imEndeffekt und auch auf lange Sichtgesehen, wirtschaftlich wie sozial, an

Nutzen bringt.

Desmond Tutus Redeüber Schuldenerlass für Afrika

Desmond Tutu, anglikanischerErzbischof und Friedensnobelpreis-träger, hat gegen die Apartheid inSüdafrika gekämpft und setzt sich fürmehr Gerechtigkeit ein - weltweit. Inseiner nach wie vor aktuellen Rede(englisch) vergleicht er die Ver-schuldung des Kontinents mit einermodernen Form von Apartheid undfordert einen Schuldenerlass.

Eine schöne Einstimmung vor dengroßen Sportereignissen der WM!

http://www.youtube.com/

watch?v=lpClvLlYI8E

Kristina Rehbein

Page 10: Entschuldungskurier 1/2010

Entschuldungskurier Nr. 9 Mai 201010

Start in Berlin

14. April 2010, Berlin, Stresemann-straße 94: Vor dem Gebäude desMinisteriums für wirtschaftlicheZusammenarbeit und Entwicklung(BMZ) trifft sich an einem frostigenMorgen eine kleine Gruppe vonEntschuldungsexperten und bringteinen überdimensionalen regenbo-genfarbenen Wimpel mit rein. Daraufverkündet die Zahl 18.031 die Anzahlder Unterschriften, die von Mitträgernund Unterstützern von erlassjahr.deim Rahmen der Kampagne 2009gesammelt wurden. “Mit Schulden fairverfahren - damit nicht die Armen dieKrise bezahlen” war ihr Motto, unddie anwesenden Experten aus Malawiund Ecuador wollen es in denfolgenden Tagen in ihren Vorträgenaufgreifen. Nach einem kurzenEmpfang und der Wimpel-Übergabekann die Speakers Tour 2010 beginnen.

Die Gäste & die Tour

Dr. Fanwell Kenala Bokosi, PolicyAdvisor vom EntschuldungsnetzwerkAFRODAD, und Dr. Hugo Arias,Vorsitzender des PartnernetzwerksLATINDADD, sind auf Einladung vonerlassjahr.de nach Deutschlandgekommen, um bei unserenregionalen MittägerorganisationenVorträge zu halten und über dieVerschuldung in Afrika undLateinamerika zu berichten. Denn dasJahr 2010 steht im Zeichen einer neuerSchuldenkrise, die (nicht nur) denLändern des Südens droht. DieEntschuldung unter der HIPC-Initia-tive hat zwar einige Erfolge gebracht,doch viele Länder sind entwederbereits wieder kritisch

verschuldet, oder ihre Verschul-dungsindikatoren zeigen ein erhöhtesRisiko für eine Neuverschuldung an.Was bedeutet das für den Alltag inAfrika und Lateinamerika und welcheWege aus der Schuldenkrise haben dieLänder eingeschlagen - darüber habendie Experten berichtet.

Vorträge bei regionalen Gruppen undInterviews für Zeitungen oderZeitschriften gab es in Gießen, Herne,Marl, München, Frankfurt und Bonn.Ob mit großem Publikum oder alsGespräch am runden Tisch gestaltet,jedes Mal wurden Fanwell Bokosi undHugo Arias mit vielen Fragenkonfrontiert. Warum verschulden sichEntwicklungsländer immer wieder?Welche Schulden sind illegitim undwas hat es mit diktatorischen Regimesin Afrika zu tun? Und was hateigentlich die Überprüfung der Staats-schulden von Ecuador ergeben? Werbei der Speakers Tour dabei war,konnte sich aus erster Handinformieren.

Der Abschluss der Speakers Tour2010 wurde so wie viele andereEreignisse Mitte April durch denVulkanausbruch auf Island beein-flusst: Fanwell Bokosis Rückreisenach Harare musste um vier Tageverschoben werden. Hugo Arias hatteGlück, denn seine Tour war länger undder Flug nach Quito war nichtbeeinträchtigt. Unser Dank gehörtallen, die Fanwell während derunfreiwilligen Wartezeit in Münchenmit Rat und Tat zur Seite standen!

Speakers Tour 2010: Entschuldungsexperten

zu Gast bei erlassjahr.de - Mitträgern

Partnerorganisationen

AFRODAD steht für African Forumand Network on Debt and Develop-ment und ist ein Netzwerk vonafrikanischen Entschuldungs-initiativen mit Sitz in Harare,Simbabwe. AFRODAD sucht nach-haltige Lösungen für die gravierendenSchuldenprobleme des Kontinents.Mehr Informationen zu den Akti-vitäten findet man unterwww.afrodad.org

LATINDADD - La Red Latinoame-ricana sobre Deuda, Desarrollo yDerechos - ist unser Partner in Latein-amerika und koordiniert dort 17Entschuldungsinitiativen in 9 Län-dern. LATINDADD setzt sich ein füreine Wirtschaftsordnung, die denMenschen dient und deren ökonomi-sche, soziale und kulturelle Rechterespektiert. Über seine Projekteberichtet LATINDADD im Internetunter www.latindadd.org

Jana Zwernemann

Hugo Arias zu Besuch beim Brasilienkreis, Marl

Bokosi, Kaiser, Arias

Herne, Eine-Welt-Zentrum

Page 11: Entschuldungskurier 1/2010

Im Jahr 2009 und auch im aktuellenJahr 2010 durften wir uns über einigeneue Mitträger und Wiedereintritte imerlassjahr.de-Bündnis freuen undmöchten diese an dieser Stelle gernenäher vorstellen.

So hat sich zu Beginn des Jahres 2009die Micha-Initiative Deutschlandentschieden, dem Entschuldungs-bündnis beizutreten und sich mit unsgemeinsam für mehr Gerechtigkeit zuengagieren. Die Micha-Initiative hatsich den Kampf gegen extreme Armutzum Schwerpunkt gesetzt. Als Initia-tive wurde sie von der DeutschenEvangelischen Allianz ins Lebengerufen und ist Teil der weltweitenKampagne Micah Challenge. Durchgeduldige und permanente Be-wusstseinsbildung, „Erinnerungs-arbeit“ i. B. auf Politiker und Verant-wortungsträger, durch Informa-tionsverbreitung usw. fordert sie dieErreichung der Milleniumsent-wicklungsziele ein.www.micha-initiative.de

Kurz danach durften wir den CVJMe/motion aus Essen als neuenMitträger begrüßen, der als christlicheGemeinde vor allem gemeinschafts-fördernde und kulturelle Veran-staltungen ausrichtet, Bildungsarbeitdurch Vorträge, Seminare undGesprächskreise leistet und weltweitePartnerschaften fördert. In diesem Zu-sammenhang initiiert die CVJM e/mo-tion viele interessante Projekte: so z.B. gemeinsame Urlaube, Schulungen(z. B. „Campus 2009“) oder Work-shops zu verschiedensten Themen.www.cvjm-emotion.de

Der Stadtverband der Ökologisch-Demokratischen Partei ausMünchen trat dem Bündnis zum01.05.2009 bei. Der Verband engagiertsich für bewusste Verantwortunggegenüber Mensch und Naturanstelle der allgemein praktiziertenKonsumorientierung und demegoistischen Streben nach „immermehr“. So betreibt er aktiv Umwelt-und Sozialpolitik gemäß derEinstellung, dass ökologische

Verantwortung nicht nur Naturschutzbedeutet, sondern dass Ökologiegrundsätzlich auch Gerechtigkeit undDemokratie fördert.*www.oedp-muenchen.de

Im November 2009 begrüßten wir denVerein Vorbachmühle Weikersheime.V. als neuen Mitträger in unserenReihen, der mit der Unterstützung voninnovativen Projekten derEntwicklungszusammenarbeit, durchSeminare, Fortbildungsveran-staltungen und Diskussionsrundendie ökumenische Zusammenarbeitund die Hilfsbereitschaft in derEntwicklungszusammenarbeit fördert.Im Wasser- und Hygienebereich istder Verein in der internationalenentwicklungspolitischen Diskussionsowie in der Beratung undEvaluierung von internationalen,staatlichen und kirchlichenOrganisationen aktiv. Mehr zum Profildes Vereins findet man z. B. unterhttp://de.betterplace.org/organisa-tions/vorbachmuehle

Ende 2009 wurde die KirchlicheArbeitsstelle Südliches Afrika(KASA) Mitträger im Bündnis, die sichals ökumenische Fachstelle zu denSchwerpunktländern Südafrika, Na-mibia, Simbabwe und Sambia vor allemmit sozio-ökonomischen Fragen undProblemfeldern auseinandersetzt.Durch Aktionsberatung, Stärkungzivilgesellschaftlicher Kompetenzusw. unterstützt und berät KASAkirchliche Akteure in den obengenannten Ländern vor Ort. ImZusammenhang mit Entschuldungsetzt sich die KASA für die Streichungder durch die Apartheid verursachtenSchulden der Region ein.www.kasa.woek.de

Auch die Christoffel BlindenmissionDeutschland e.V. (CBM) ist unserfreulicherweise seit dem 01.01.2010nach einer kurzen Unterbrechungwieder als Mitträger zugehörig.

* Parteien können bei erlassjahr.de nicht auf Bundes-, wohl aber auf der lokalen Ebene Mitträger werden

Entschuldungskurier Nr. 9 Mai 2010 11

Neue Mitträger im Bündnis von

erlassjahr.de

Island sagt nein

Zum ersten Mal in der Geschichte hatein ganzes Volk sich dagegenausgesprochen, seine Schulden zubezahlen. Auch wenn noch nichtabsehbar ist, wie am Ende eineRegelung zwischen des Isländern undihren britischen und niederländischenGläubigern aussehen wird, ist dieTatsache der Volksabstimmung überdieses Thema am 6.März und dasüberzeugende Ergebnis von 90%Nein-Stimmen ein großer Fortschrittfür die Selbstbestimmung der Völkerim Angesicht ihrer Gläubiger.

IWF: Sambia kann sich wiederkommerziell verschulden

Einen begrenzten Spielraum für nicht-konzessionäre Neuverschuldung hatder IWF nach seiner jüngsten MissionSambia eingeräumt. Die jüngstenwirtschaftspolitischen Maßnahmenund das weltwirtschaftliche Umfeld fürSambia seien so günstig, dass dasLand als eines der ersten Post-Com-pletion Point HIPCs nun auch offiziellSpielräume für neue Kredite zuMarktzinsen eingeräumt bekam.

IDB streicht Forderungen anHaiti

Die Interamerikanische Entwick-lungsbank hat bei ihrem Gouver-neurstreffen im mexikanischenCancún beschlossen, alleausstehenden Forderungen an Haitinachträglich in Zuschüsse umzu-wandeln, und künftig nur nochZuschüsse an das erdbebenzerstörteLand zu vergeben. Die schlechteNachricht dabei: Die Gouverneuresagten der IDB die volle Kompensationfür den entgangenen Schuldendienstzu. Im Klartext: Geld aus denEntwicklungshilfehaushalten derreichen Länder wird - statt in neueund zusätzliche Projekte irgendwo aufder Welt - an die IDB fließen, damitderen Kapitalausstattung nicht unterdem Schuldenerlass leidet. Wie schonbei HIPC kann in diesem Sinne vonder eigentlich versprochenen “Zusätz-lichkeit” des Schuldenerlasses keineRede sein.

Kurznachrichten

März 2010

Gemeinsam mit den Menschen inEntwicklungsländern möchte dieCBM den Kreislauf von Armut undHugo Arias zu Besuch beim Brasilienkreis, Marl

Page 12: Entschuldungskurier 1/2010

Entschuldungskurier Nr. 9 Mai 201012

Behinderung durchbrechen und eineWelt schaffen, in der Menschen mitBehinderungen dieselben Chancenund Rechte bekommen wie alleanderen und frei von Krankheit undArmut leben können. Die CBM fördertrund 1.000 Entwicklungsprojekteweltweit. Neben der Projektarbeit inden Entwicklungsländern gestaltetdie CBM im Inland Maßnahmen derBildungs- und Öffentlichkeitsarbeit zuaktuellen entwicklungspolitischenThemen.www.christoffel-blindenmission.de

Zum 01.03.2010 ist dem Bündnis dieWescogroup beigetreten. Sie verstehtsich als „Management Spin-Off“ desFinanz-, Handels-, und Industrie-sektors, der verschiedenste Expertenim Bereich Finanzen, Handel,Bankwesen und Industrie in über 23Ländern unter einem Dachzusammenschließt. Die Beratungs-gruppe führt auch Projekte inEntwicklungsländern durch undengagiert sich aktiv für Länder wie z.B. Samoa oder die Philippinen, diedurch verheerende Naturkatastrophenschwer geschädigt wurden, undstartet in diesem Zusammenhang u.a.Spendenaufrufe auf der Website.www.wescogroup.eu

Erfreulicherweise hat die EvangelischeKirchengemeinde Wengern dieMitträgerschaft in unserem Bündniszum 01.04.2010 wieder aufgenommen.Die flotte Gemeinde betreibt lebendigeGemeindearbeit durch ein Angebot anverschiedenen Gemeindegruppenund interessanten Aktionen für alleGenerationen. Jedoch bleibt das En-gagement nicht nur innerhalb derGemeindegrenzen; so organisierte dieGemeinde in Kooperation mit derLäufertruppe der TGH Wetter dieSpendenaktion „Laufen für Haiti” undkonnte so 3700 Euro für die Opfer desErdbebens zusammentragen!Mehr Informationen gibt es unterwww.ev-kirchen-wengern.de

Sehr gefreut hat uns auch derWiedereintritt der EvangelischenKirchengemeinde Johannes zuRheine am 01.04.2010, die sich nach 4½ Jahren erneut entschieden hat, dasBündnis als Mitträger zu unterstützen.

Ebenfalls zum 01.04.2010 konnten wirdie Kirchengemeinde St. Nikolai inFlensburg als aktiven Mitträgerbegrüßen. St. Nikolai verfolgt in ihrerGemeindearbeit zentrale Anliegen, wiedie Förderung des Engagements fürFrieden, Gerechtigkeit und Be-wahrung der Schöpfung durch z. B.organisierte Ausstellungen undKonzerte, durch Gottesdienste undVeranstaltungen, die sich mit sozialenund politischen Anliegen derMenschen auseinandersetzen unddurch Kooperation mit anderenkirchlichen und nichtkirchlichenEinrichtungen der Stadt.www.nikolaikirche-flensburg.de

Last but not least ist kurz vorRedaktionsschluss die OrganisationPAI (Partner Aid International e.V.)in das Bündnis eingetreten. Die PAIunterstützt Projekte der Entwick-lungszusammenarbeit und entwick-lungsorientierten Nothilfe in Ost-europa, Afrika und Asien, wobei siebesonderen Wert auf den kulturellenAspekt ihrer Arbeit legt, da sie Kulturals einen Schlüssel zu Nachhaltigkeitdefiniert.www.partner-aid-international.org/de/index.htm

Allen neuen und wieder einge-

tretenen Mitträgern hiermit ein ganz

herzliches Willkommen im

erlassjahr.de-Bündnis. Vielen Dank,

dass Sie uns im Engagement für eine

faire Welt unterstützen!

Kurznachrichten

April 2010

Britisches Anti-Geier-Gesetz

Die von der Jubilee Debt Campaignunterstützte Gesetzesvorlage zurBekämpfung von Geierfonds ist durchdas britische Unterhaus gegangen.Das Gesetz, das erstmal nur für einJahr verabschiedet wurde und dann(unter möglicherweise neuenMehrheitsverhältnissen) überprüftwerden muss, macht es Geierfondsunmöglich, vor britischen Gerichtendie volle Zahlung der billig gekauftenForderungen an überschuldete Ländereinzuklagen.

DR Kongo vor dem Comple-tion Point

Unsere belgischen Kollegen von11.11.11 gehen davon aus, dass dieDR Kongo im Juni den CompletionPoint, d.h. die weitgehendeEntschuldung im Rahmen von HIPC/MDRI, erreichen wird. Dasafrikanische Land ist der größte (undteuerste) Schuldner unter den HIPCs.

Staudammprojekte in Äthio-pien: Internationale Petition

Unsere italienischen KollegInnen vonder CRBM rufen zur Unterstützunggegen die Staudammprojekte GilgelGibe II und III in Äthiopien (mitAuswirkungen bis nach Kenia) auf.Den Aufruf, Link zur Unterzeichnung,und eine informative Homepage zudem Fall Gilgel Gibe findet man unter:www.stopgibe3.org

MDGs: “Ein Schritt vorwärts,zwei zurück?”

Die EU hat im April einen Zwölf-Punkte-Plan zu den Milleniums-entwicklungszielen vorgelegt. DieAnalyse des Dokuments von Eurodadkommt zu wenig erfreulichenErgebnissen: Die Erreichung derMDGs liegt noch in weiter Ferne.Länder in Afrika südlich der Saharasind am weitesten von der Erreichungder Ziele entfernt.

Kristina Rehbein

.

Page 13: Entschuldungskurier 1/2010

Entschuldungskurier Nr. 9 Mai 2010 13

„Es kann Staaten geben, die mit ihren Schulden nicht mehr fertig werden.Deshalb ist es an der Zeit, das für viele Undenkbare zu denken: Wir brauchengeordnete Insolvenzverfahren nicht nur für Unternehmen, sondern auch für Staaten.“- Bundespräsident Horst Köhler im Focus-Interview, 20.3.2010

„Bei jeder Insolvenz eines Unternehmens müssen die Gläubiger auf einen Teil ihrerForderungen verzichten, so sollte es auch bei einem Insolvenzverfahren für Staaten sein. Das zu

lösen ist das A und O, dann lohnen sich Spekulationen nicht mehr. Dazu aber brauchen Sie keinen Fonds –sondern klare Regeln.“

- Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble im Spiegel-Interview, 17.4.2010

„Wir sollten eine Regelung finden, die dem amerikanischen Insolvenzverfahren Chapter11 entspricht. Das konzentriert sich mehr darauf, die Basis eines Unternehmens zu retten, als dieGläubigerforderungen zu bezahlen. (...) Die Käufer von Staatsanleihen müssten sich dann im Falle einerInsolvenz Abschreibungen gefallen lassen – wie im klassischen Vergleichsverfahren.“- Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle im Zeit-Interview vom 29.4.2010

“Wir haben uns im Koalitionsvertrag ausdrücklich dazu bekannt, dass wir zurSchließung dieser internationalen Regelungslücke ein internationales Insolvenzverfahren

benötigen. Wir werden uns daher dafür einsetzen, dass dieses Thema im internationalen Rahmenaufgegriffen wird. Ob dies im Rahmen des G20-Prozesses gelingen kann, muss ernsthaft geprüft werden.”

- Gudrun Kopp, parlamentarische Staatssekretärin im Bundesentwicklungsministerium, bei der Frühjahrstagung

der Weltbank in Washington, 24.04.2010

„Der Deutsche Bundestag fordert vor diesem Hintergrund die Bundesregierungauf (...) zu prüfen, wie die bestehenden Strukturen und Mechanismen zur Regelung voninternationalen Insolvenzverfahren verbessert werden können, um staatliche und/oder privateGläubiger und staatliche Schuldner in einer Verschuldungskrise zu koordinieren und um die Gleich-behandlung der Gläubiger sicherzustellen. Dabei soll ebenfalls geprüft werden, ob ein internationales Insolvenz-Streitbeteiligungsorgan, wie jüngst im März 2009 von der UN Commission of Experts on Reforms of the Interna-tional Monetary and Financial System (Stiglitz-Kommission) gefordert, zielführend erscheint.“- Antrag des Deutschen Bundestags zur Internationalen Kreditfinanzierung vom 17.6.2009

„Kredite werden wir insbesondere unter Berücksichtigung der Schulden-tragfähigkeit geben. Entschuldungen von Entwicklungsländern werden wir nur unter

der Voraussetzung einer transparenten Haushaltsführung, der Bekämpfung von Korruptionund Misswirtschaft sowie des Aufbaus einer soliden Wirtschaftsstruktur und der Stärkung der

Eigenfinanzierung der Entwicklungsländer gewähren. Wir setzen uns zudem für die Implementierungeiner internationalen Insolvenzordnung ein.“

- Koalitionsvertrags zwischen CDU/CSU und FDP, Kapitel 5, Punkt 8 (Entwicklungszusammenarbeit)

„Ich kann lhnen versichern, dass ich mich innerhalb der Bundesregierungund auch im Kreis der internationalen Finanzinstitutionen in die Diskussionenzur Umsetzung eines Staateninsolvenzverfahrens aktiv einbringen werde. Gerne nehmeich auch lhren Vorschlag auf, das Thema im Rahmen der nächsten Frühjahrstagung von IWFund Weltbank anzusprechen.“- Entwicklungsminister Dirk Niebel in seiner Antwort auf den Brief von erlassjahr.de vom 4. Dezember 2009

„Sollten Staaten, was sehr selten ist, nämlich und nur beischweren gesamtwirtschaftlichen Fehlern in Verbindung mit notorischer Uneinsichtigkeit der Fall ist, zahlungs-

unfähig werden, müsste es auch ein Insolvenzverfahren geben, bei dem auch die Gläubiger Federn lassen.“- Gustav Horn, wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunktur-

forschung (IMK) im Handelsblatt-Interview vom 23.3.2010

„Dann muss Griechenland das tun, was jeder Schuldner tut – es meldet eben Insolvenz an.“- Thilo Sarazzin, Deutsche Bundesbank-Vorstand, als Antwort auf die Frage der Salzburger Nachrichten, was

Griechenland tun soll, wenn es seine Schulden nicht mehr refinanzieren kann, im Interview von 19.3.2010

Stimmen für ein internationales Insolvenzverfahren

Entschuldungskurier Nr. 9 Mai 2010 13

Page 14: Entschuldungskurier 1/2010

Entschuldungskurier Nr. 9 Mai 201014

Klimawandel und VerschuldungMein Klima, deine Schulden

Sie sind arm, sie sind verschuldet -und trotzdem sollen sie für die Folgendes Klimawandels bezahlen.Entwicklungsländer sind die Verliererim Prozess der globalen Erder-wärmung. Der industrialisierte Nordendes Planeten genießt einen hohenLebensstandard, doch unserLebensstil ist energieaufwändig undberuht auf einem steigendenRohstoffverbrauch. Im Kreislauf derglobalisierten Wirtschaft sieht das soaus: Der Norden importiert Rohstoffeund „exportiert“ zusammen mit denWaren weltweit die Emissionen, die beider Produktion und durch den hohenEnergieverbrauch anfallen. Währendder Müll in den Städten des Südensin Gegensatz zu den Emissionenauffällt, ist gerade die unsichtbare„clean pollution“ durch Treib-hausgase, die zum Großteil im reichenNorden ausgestoßen werden, in ihrenFolgen für die Menschen inEntwicklungsländern real und vongrößter Bedeutung.

Wo kommen die Emissionen her?

Nach Berechnungen von German-watch geht der Hauptteil der vomMenschen seit der Industrialisierungproduzierten Treibhausgase his-torisch auf die Industrieländer zurück.Sie sind für etwa vier Fünftel derEmissionen verantwortlich, und etwadie Hälfte davon wurde allein von denVereinigten Staaten in die Atmo-sphäre ausgestoßen. Das verblei-bende Fünftel geht auf dieEntwicklungs- und Schwellenländerzurück. In dieser Gruppe war Chinafür die Hälfte der Emissionenverantwortlich. Inzwischen haben sichaber auch Schwellenländer und einigeisolierte „Wohlstandsregionen“ ausdem Süden zu der Gruppe der Ländermit sehr hohem Ausstoß vonTreibhausgasen gesellt. Spitzenreiterist hier – wenig überraschend –wieder China, das in absoluten Zahlendie USA sogar schon zeitweise imCO2 – Ausstoß übertroffen hat. Einanderer Blick ergibt sich, wenn mandie pro-Kopf-Zahlen vergleicht. Daliegt der Chinese mit etwa 4,6Kubiktonnen CO2-Ausstoß im Jahretwa im weltweiten Durchschnitt,während der

durchschnittlicheDeutsche mehr alsdoppelt so viel –9,7 Tonnen CO2 -Ausstoß verursacht.Und der Kollege ausden USA schleudertjährlich fast 19Tonnen CO2 in dieAtmosphäre. In Ecuador dagegenfallen nur 2,37 Tonnen CO2 pro Kopfan, so die UN-Berechnungen.

Die Folgen

Was verändert sich für die Süd-Staaten durch den Klimawandel? DieAntwort ist sehr komplex undGegenstand von zahlreichen Studien,die z. B. im Rahmen des WeltklimaratsIPCC (Intergovernmental Panel on Cli-mate Change) Tausende vonWissenschaftlern beschäftigen.Klimawandel bedeutet nicht nur, dasssich Temperaturen im Durchschnitterhöhen, sondern auch, dassvermehrt mit chaotischen Wetter-phänomenen zu rechnen ist.

Die Anpassung an die verändertenBedingungen wird gerade für diearmen Länder im Süden einenimmensen finanziellen Aufwandbedeuten. Wo sollen aber die Mittelherkommen? Die Landwirtschaft, dieErhaltung der Ökosysteme, dieWasserverfügbarkeit – sie sind heuteschon für viele arme Länder einriesiges finanzielles Problem. DerAnstieg des Meeresspiegels um einenMeter würde etwa die Hälfte derReisanbaufläche von Bangladeschvernichten, schätzte die Weltbankschon im Jahr 2000. Hunger,Klimaflüchtlinge und neue Schuldenwären die Folge. Bangladesch hatschon heute Schuldenprobleme – wiesoll das Land mit den zu erwartendenFolgen fertig werden?

Das Konzept der ökologischenSchulden dreht den Spieß um undfordert Klimagerechtigkeit. Es soll eineVerbindung hergestellt werdenzwischen denen, die für denKlimawandel verantwortlich sind, undden Folgen von ihrem Handeln. ImHinblick auf die Umweltbelastungwerden nämlich die üblichen

Schuldnerländer zu Gläubigern – undumgekehrt. Und die Entwicklungs-länder behaupten zurecht, dass sienicht für etwas zahlen wollen, was sienicht verursacht haben.

Es gibt auch optimistische Klima-Prognosen – aber nur kurzfristig undfür wenige Länder. In Russland undKanada könnte die Verschiebung vonKlimazonen neue Möglichkeiten fürdie Landwirtschaft oder dieErschließung von Rohstoff-vorkommen bedeuten. Wo vorherewiges Eis lag, werden vielleicht einesTages grüne Wiesen sein, oder eherFelder und neue Öl-Pipelines. Mitwelchen Folgen? Durch denschmelzenden Permafrost würdenoch mehr Methan freigesetztwerden, und durch die Ausweitungder Industrie und intensiverLandwirtschaft würden noch mehrTreibhausgase in die Atmosphäregelangen.

Klimaschutz und Anpassung

Maßnahmen zur Anpassung an denKlimawandel müssen schon heutefinanziert werden. Die bishergegründeten Fonds und vor allem dieenthaltenen Mittel lassen aber zuwünschen übrig. Der Schuldenreport2010 stellt fest, dass von dengeschätzten 50 bis 80 Milliarden US-Dollar für die globalen Anpassungs-maßnahmen lediglich 5 Milliarden zurVerfügung stehen, davon nur ein Teilals Zuschüsse. Auch Schuldenerlassekönnten in der Finanzierung vonAnpassungsmaßnahmen sinnvolleingebracht werden. Der Umgang mitden ökologischen Schulden liegtnämlich in der Verantwortung desNordens.

Jana Zwernemann

Page 15: Entschuldungskurier 1/2010

ww

w.erlassjah

r.de/term

ine

13.-16. Mai

erlassjahr.de-Stand beim Ökume-nischen Kirchentag in München.

15. Mai

Hai des Jahres 2010! erlassjahr.deverleiht den Wanderpreis an dendiesjährigen Gewinner inAnerkennung seiner besonderenVerdienste um die Ausplünderungsüdlicher Staaten mittels Schuldner-Gläubiger-Beziehungen. Siehe S. 7

10. Juni

Vorstellung des Schuldenlabyrinth2010 der Ev. Jugend Pfalz in BadDürkheim und Vortrag von JürgenKaiser (erlassjahr.de).

5. -7. November

Mitträgerversammlung 2010.

Ort: Fulda.

Termine

Entschuldungskurier Nr. 9 Mai 2010 15

Redaktion:Jana Zwernemann (V.i.S.d.P.)

AutorInnen dieser Ausgabe:Jürgen Kaiser, Kristina Kühne,Peter Lanzet, Kristina Rehbein,Jana Zwernemann

Fotos:BMZ (S.1, 4) Brasilienkreis Marl(S.10 unten), erlassjahr.de (S.1, 2,3, 10), Jana Zwernemann (S.1 unten)Imp

ress

um

Michael Bührke / PIXELIO (S.14),Rike /PIXELIO (S.9), Peter Lanzet(S.5)

Layout:Kristina Rehbein, Jana Zwernemann

Druck:Knotenpunkt OffsetdruckGmbH, Buch/Hunsrück

Redaktionsschluss: 30.4.2010

Der Nachdruck einzelner Artikelist bei Nennung der Quellenangabeausdrücklich gestattet.

Wir freuen uns jederzeit überKritik, Anmerkungen undTerminhinweise!

Bankverbindung:erlassjahr.de e.V.Bank für Sozialwirtschaft in KölnBankleitzahl: 370 205 00Kontonummer: 8 24 77 00

Auch erlassjahr.de ist dieses Jahrwieder dabei: Am 2. ÖkumenischenKirchentag, der vom 12. bis zum 16.Mai in München stattfindet.Prominente Gäste, ein buntesKulturprogramm, verschiedeneGottesdienste und Diskussions-runden, veranstaltet von mehr als 2000Mitwirkenden versprechen span-nende und produktive 5 Tage.Schwerpunkt-Themen des 2. ÖKTsind Globalisierung und Wirtschaft,die soziale Ordnung Deutschlands,Frieden und der Dialog mit denWissenschaften, um die sich dasbunte Programm drehen wird.

Erlassjahr.de ist mit verschiedenenAktionen am Stand dabei: so z.B. mitdem altbekannten, aber immeraktuellen Schicksalsrad, welches überdie Lebenssituation in denverschiedenen Entwicklungsländerninformiert oder einem Quiz am Stand,wo die Teilnehmer sich auch mit derThematik anderer Mitträger-Organisationen, die am ÖKT vertretensind, auseinander setzen sollen.

Highlight für erlassjahr.de ist andiesem Wochenende die Verleihungdes “Hai des Jahres” (siehe Hinter-grundinformationen auf Seiten 6 und7 dieser Ausgabe) an die Siemens AG.Der Hai (3 Meter lang und aus

vor die Firmenzentrale gebrachtwerden.

Jürgen Kaiser wird im Namen vonerlassjahr.de aktiv bei Podiums-diskussionen dabei sein: am Freitag,den 14.05.2010 von 11:00 - 12:30 Uhrin Saal 13 des Messegeländes auf demPodium “Reichtum verpflichtet, Armutauch”, mit anderen prominentenPodiumsgästen, wie z. B. AlbertoAcosta (ecuadorianischer Wirt-schaftswissenschaftler und Politiker);außerdem am Samstag, den 15.05.10von 11:00 - 12:30 Uhr im Audimax derTechnischen Universität auf dem Po-dium “Auswirkungen der Finanzkriseauf Entwicklungsländer”.

Viele prominente Gäste werden amÖKT erwartet, bekannte Namen ausder Politk, Kirche, aus sozialenBewegungen - alle treffen sich MitteMai in München. Wer also amSchicksalsrad drehen, am Quizteilnehmen, den Hai für Siemensmitverleihen, sich informieren, odereinfach nur vorbeischauen möchte,ist herzlich willkommen an unseremerlassjahr.de-Stand in der Halle B6,Stand Nr. I20 auf der Agora im Mes-segelände.

Offizielle Seite des Kirchentags:

http://www.oekt.de/

erlassjahr.de auf dem 2. ÖkumenischenKirchentag in München vom 12. biszum 16.Mai

Pappmaché) wird vor Ort amerlassjahr.de-Stand bis Samstagwarten und dann mit einemProtestmarsch zur Preisverleihung

International:

26. - 27. Juni 2010

Gipfeltreffen G20, Toronto, Kanada

9.-11. Oktober 2010

Jahrestagung der Weltbank und desInternationalen Währungsfonds inWashington D.C., USA

11. - 12. November 2010

Gipfeltreffen G20, Seoul, Südkorea

Page 16: Entschuldungskurier 1/2010

Wir werden MitträgerWir unterstützen das Bündnis erlassjahr.de durch unsere Mitträgerschaft mit einem Mitträgereitrag von........... Euro (Richtwerte siehe unten). Die Mitträgerschaft beginnt sofort und kann jederzeit durch die

Mitträgerorganisation gekündigt werden.

Organisation: ........................................................................

Kontaktperson: ........................................................................

Anschrift: ........................................................................

PLZ, Ort: ........................................................................

Telefon: ........................................................................

Fax: ........................................................................

E-Mail: ........................................................................

Homepage: ........................................................................

..........................................................

Ort, Datum, Unterschrift

Richtwerte für den jährlichen Mitträgerbeitrag:

50 Euro für Eine-Welt– und Agenda-Gruppen

100 Euro für Kirchengemeinden, kleine Kommunen, Netzwerke, NGOs

250 Euro für Dekanate, Kirchenkreise, Verbände, größere Kommunen

500 Euro für Landeskirchen und Diozösen

bitte ausgefüllt senden an:

erlassjahr.de, Carl-Mosterts-Platz 1, 40477 DüsseldorfFax: 0211 46 93 197

Entschuldungskurier Nr. 9 Mai 201016

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