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Einkommensteuergesetz für das Fürstentum Reuss ä. L. Vom 21. Dezember 1911

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Einkommensteuergesetz für das Fürstentum Reuss ä. L. Vom 21. Dezember 1911 Source: FinanzArchiv / Public Finance Analysis, 29. Jahrg., H. 2 (1912), pp. 340-365 Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KG Stable URL: http://www.jstor.org/stable/40906706 . Accessed: 14/06/2014 13:35 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . Mohr Siebeck GmbH & Co. KG is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to FinanzArchiv / Public Finance Analysis. http://www.jstor.org This content downloaded from 185.44.78.129 on Sat, 14 Jun 2014 13:35:08 PM All use subject to JSTOR Terms and Conditions
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Einkommensteuergesetz für das Fürstentum Reuss ä. L. Vom 21. Dezember 1911Source: FinanzArchiv / Public Finance Analysis, 29. Jahrg., H. 2 (1912), pp. 340-365Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KGStable URL: http://www.jstor.org/stable/40906706 .

Accessed: 14/06/2014 13:35

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Einkommensteuergesetz für das Fürstentum Reuss ä. L. Vom 21. Dezember 1911.

(Gesetzsamml. f. d. Fürstent. Reuss ä. L. 1911 Nr. IO S. 71.)

§1. Im Fürstentum wird eine allgemeine Einkommensteuer nach Massgabe der

Bestimmungen dieses Gesetzes erhoben.

I. Steuerpflicht. A. Steuerpflichtige Personen.

§2. Einkommensteuerpflichtig sind : 1. Die hiesigen Staatsangehörigen, mit Ausnahme derjenigen a) welche, ohne im Fürstentum einen Wohnsitz zu haben, in einem anderen

Bundesstaat oder in einem deutschen Schutzgebiet wohnen oder sich aufhalten oder ihren dienstlichen Wohnsitz haben ;

b) welche neben einem Wohnsitz im Fürstentum auch in einem anderen Bundesstaat oder in einem deutschen Schutzgebiet einen Wohnsitz und zugleich ihren dienstlichen Wohnsitz haben;

c) welche, ohne im Fürstentum einen Wohnsitz zu haben, seit mehr als zwei Jahren sich im Auslande dauernd aufhalten.

Auf Reichs- und Staatsbeamte, welche im Ausland ihren dienstlichen Wohnsitz haben und dort zu entsprechenden direkten Staatssteuern nicht heran- gezogen werden, findet die Ausnahme unter c keine Anwendung.

2. Die Angehörigen anderer Bundesstaaten, a) welche, ohne in ihrem Heimatstaat einen Wohnsitz zu haben, im Fürsten-

tum wohnen oder, ohne im Deutschen Reich oder in einem deutschen Schutz- gebiet einen Wohnsitz zu haben, sich im Fürstentum aufhalten oder im Fürsten- tum ihren dienstlichen Wohnsitz haben;

b) welche im Fürstentum einen Wohnsitz und ihren dienstlichen Wohnsitz haben.

3. Diejenigen Ausländer, welche im Fürstentum einen Wohnsitz haben oder sich daselbst länger als ein Jahr aufhalten. Als Unterbrechung des Auf- enthaltes wird eine zeitweilige Abwesenheit nicht angesehen, wenn aus den Umständen, unter welchen sie erfolgt, die Absicht erhellt, den Aufenthalt bei- zubehalten.

Als Bundesstaat im Sinne dieses Gesetzes gilt auch das Reichsland Elsass- Lothringen.

Einen Wohnsitz im Sinne dieses Gesetzes hat eine Person an dem Orte, an dem sie eine Wohnung unter Umständen inn e hat, welche auf die Absicht der dauernden Beibehaltung einer solchen schliessen lassen. (§ 1 Abs. 2 des Doppelsteuergesetzes vom 22. März 1909, R.G.B1. S. 332.) Wohnen bedeutet im Sinne dieses Gesetzes einen Wohnsitz haben.

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Einkommensteuergesetz für das Fürstentum Reuss ä. L. vom 21. Dezember 1911. 34 j

Einen dienstlichen Wohnsitz im Sinne dieses Gesetzes haben nur Personen, die im Dienste des Reichs oder eines Bundesstaats stehen.

Von der Einkommensteuer werden nicht betroffen der Landesherr und die Mitglieder des Fürstlichen Hauses. Jedoch unterliegt das Einkommen des Landesherrn und der Mitglieder des Fürstlichen Hauses, welches aus hierländi- schem Grundbesitz mit Ausnahme des Domanialbesitzes, oder welches aus ge- werblichen, für Fürstliche Rechnung betriebenen Anlagen herrührt, der Ein- kommensteuer (vgl. auch Art. II des Gesetzes vom heutigen Tage, enthaltend Bestimmungen zur Einführung der Steuergesetze usw.).

§3. Einkommensteuerpflichtig sind ferner: 1. Gemeinden hinsichtlich des Einkommens aus solchen im Fürstentum

gelegenen kommunalen Anstalten und Unternehmungen, welche einen gewerb- lichen Charakter tragen, z. B. Gasanstalten, Elektrizitätswerke, Strassenbahnen, Leihhäuser, Sparkassen, Schlachthäuser; sowie, sofern sie im Fürstentum ihren Sitz haben,

2. juristische Personen, insbesondere Aktiengesellschaften, Kommandit- gesellschaften auf Aktien, Berggewerkschaften, Gesellschaften mit beschränkter Haftung und eingetragene Genossenschaften ;

3. Konsumvereine; 4. Personenvereine von nicht geschlossener Mitgliederzahl, soweit solche

nicht im vorstehenden begriffen sind; 5. ungeteilte Erbmassen und andere mit dem Rechte des Vermögens-

erwerbs ausgestattete Vermögensmassen.

§4. Ohne Rücksicht auf Staatsangehörigkeit, Wohnsitz oder Aufenthalt unter-

liegen der Einkommensteuer alle Personen mit dem Einkommen aus im Fürsten- tum gelegenem Grund- und Gebäudebesitz sowie aus im Fürstentum befindlichen gewerblichen Betriebsstätten (§ 3 Abs. 2 des Doppelsteuergesetzes vom 22. März 1909) zur Ausübung eines stehenden Gewerbes.

Vorstehende Bestimmungen finden auch auf die in § 3 bezeichneten Steuer- püichten Anwendung.

Ausländer unterliegen ferner der Einkommensteuer, ohne Rücksicht auf die Dauer ihres Aufenthalts im Fürstentum, mit dem Einkommen aus den im Fürsten- tum betriebenen gewinnbringenden Beschäftigungen.

II. Steuerbares Einkommen. B. Steuerfreie Personen.

§5. Von der Einkommensteuer sind befreit: 1. Natürliche Personen - mit Ausnahme der nur nach § 4 Abs. 1 steuer-

pflichtigen - , deren Einkommen den Betrag von 400 M., wenn sie jedoch das 55. Lebensjahr vollendet haben, den Betrag von 500 M., oder, wenn sie ver- heiratet sind und mit dem Ehegatten einen gemeinschaftlichen Haushalt haben oder wenn sie unterhaltsberechtigten Personen angemessenen Unterhalt ge- währen, den Betrag von 750 M. nicht übersteigt.

Die ausserhalb des Fürstentums wohnenden Besitzer hierländischer Grund- stücke und Gewerbeanlagen, deren Jahreseinkommen aus diesen Grundstücken und Gewerbeanlagen 50 M. nicht übersteigt, haben dieses Einkommen nach dem für die unterste Klasse bestimmten Satze zu besteuern, sofern im umge- kehrten Falle in dem Staat, dem die betreffenden Steuerpflichtigen angehören, für solches Einkommen gleichfalls eine Steuer entrichtet wird.

Als Einkommen gilt das nach den §§ 6-17 dieses Gesetzes steuerbare Einkommen.

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342 Einkommensteuergesetz für das Fürstentum Heuss ä. L. vom 21. Dezember 1911.

2. Personen, welche an dem Feldzuge 1870/71 oder an den von deutschen Staaten vor 1870 geführten Kriegen ehrenvollen Anteil genommen haben, sofern ihr Einkommen 900 M. nicht übersteigt. Beträgt ihr Einkommen mehr als 900 M. und nicht mehr als 1500 M., so wird ihre Jahreseinkommensteuer nur zur Hälfte erhoben.

3. Inländische Kirchen, Pfarreien und Schulen sowie die ausschliesslich kirchlichen, gemeinnützigen, wohltätigen, Besoldungs- oder Pensionszwecken dienenden juristischen Personen und mit dem Rechte des Vermögenserwerbs ausgestatteten Personenvereine und Vermögens massen.

4. Die auf Gegenseitigkeit beruhenden Versicherungsanstalten sowie die Feuerversicherungsgesellschaften, solange sie verpflichtet sind, die nach dem Gesetze vom 23. Dezember 1882 geordnete Abgabe zu entrichten.

A. Allgemeine Grundsätze.

§6. Bei der Berechnung des steuerbaren Einkommens sind ausser Betracht

zu lassen: 1. Einkünfte, welche nach reichsrechtlichen Vorschriften nicht steuerbar

sind oder nur in einem anderen deutschen Bundesstaat besteuert werden dürfen; 2. das Militäreinkommen der Personen des Unteroffizier- und Gemeinen-

standes, sowie für den Fall einer Mobilmachung das Militäreinkommen aller Angehörigen des aktiven Heeres und der Marine;

3. die mit Kriegsdekorationen verbundenen Ehrensolde sowie die auf Grund des Art. I al. 3 des Reichsgesetzes vom 22. Mai 1895 gewährten Veteranen- beihilfen ;

4. die Zinsen der den Betrag von 600 M. insgesamt nicht übersteigenden Kapitaleinlagen, welche von physischen Personen bei den Sparkassen des Fürstentums oder durch Regierungsbekanntmachung bezeichneten auswärtigen Sparkassen angelegt sind.

§7. Als Einkommen gelten die gesamten Jahreseinkünfte der Steuerpflichtigen

in Geld und Geldeswert aus: 1. Kapitalvermögen; 2. Grundvermögen, Pachtungen und Mieten einschliesslich des Mietwerts

der Wohnung im eigenen Hause; 3. Handel und Gewerbe einschliesslich des Bergbaues; 4. gewinnbringender Beschäftigung, sowie aus Rechten auf periodische

Hebungen und Vorteile irgendwelcher Art, soweit diese Einkünfte nicht schon unter Nr. 1 - 3 begriffen sind.

§8. Ausserordentliche Einnahmen aus Erbschaften, Schenkungen, Lotterie-

gewinnen, Lebensversicherungen, aus dem nicht gewerbsmässig oder nicht zu Spekulationszwecken unternommenen Verkauf von Grundstücken und ähnliche Erwerbungen gelten nicht als steuerbares Einkommen, sondern als Vermehrung des Stammvermögens und kommen ebenso wie Verminderungen des Stamm- vermögens nur insofern in Betracht, als die Erträge des letzteren dadurch ver- mehrt oder vermindert werden.

§9- I. Von dem Rohertrag der in § 7 bezeichneten Einkommensquellen sind

die Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung des Ertrags (Wer- bungskosten) in Abzug zu bringen.

Als Werbungskosten gelten auch: 1. die an den Staat zu entrichtenden Landrenten; 2. solche indirekte öffentliche Abgaben, welche zu den Geschäftsunkosten

zu rechnen sind; 812

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Einkommensteuergesetz für das Fürstentum Reuss ä. L. vom 21. Dezember 1911. 34.3

3. die regeliD assi gen jährlichen Absetzungen für Abnützung der Gebäude, Maschinen, sowie des sonstigen toten Inventars, sofern die Kosten der Beschaffung nicht unter den Betriebsausgaben verrechnet sind;

4. die Beiträge für Versicherung von Sachen und Rechten sowie gegen Haftpflicht:

5. die gesetzmässigen Beiträge zu den Berufskammern. II. Von dem Gesamteinkommen sind in Abzug zu bringen: 1. Die Zinsen von denjenigen Schulden, welche der Steuerpflichtige vor

Beginn der Einschätzung schriftlich unter Angabe des Namens und Wohnortes des Gläubigers sowie des Zinsfusses und des Datums der Schuldurkunde speziell nachweist.

Der Abzug anderer Schuldenzinsen ist unstatthaft; 2. auf besonderen Privatrechtstiteln beruhende Renten und dauernde

Lasten ; 3. die von den Steuerpflichtigen gesetz- oder vertragsmässig zu entrichten-

den Beiträge für Kranken-, Unfall-, Alters- und Invaliditätsversicherung und an Witwen-, Waisen- und Pensionskassen, und zwar die vertragsmäsaigen Bei- träge bis zum Gesamtbetrag von 300 M.;

4. Versicherungsprämien für Versicherungskapitalien bis zu 10,000 M., welche für Versicherung des Steuerpflichtigen auf den Todes- oder Lebensfall gezahlt werden, insoweit sie den Betrag von 300 M. jährlich nicht übersteigen ;

5. die auf Grund rechtlicher Verpflichtung vom Steuerpflichtigen zur all- mählichen Tilgung eines auf seinem Grundbesitz haftenden Schuldkapitals zu entrichtenden Beträge, insoweit dieselben 1 Proz. des Kapitals und den Betrag von 300 M. jährlich nicht übersteigen.

Soweit die unter Ziff. 1, 2 und 5 aufgeführten Verbindlichkeiten wirt- schaftlich in Beziehung zu Einnahmequellen stehen, welche bei der Veranlagung ausser Betracht zu lassen sind, findet Abrechnung nicht statt. Erstreckt sich die Besteuerung nur auf das im § 4 bezeichnete Einkommen, so ist der Abzug der Beiträge unter Ziff. 3 überhaupt nicht, der Abzug der Zinsen, Renten und Lasten (Ziff. 1 und 2) nur insoweit statthaft, als sie zu den inländischen Quellen wirtschaftlich in Beziehung stehen. Eine wirtschaftliche Beziehung zwischen einer Schuld und dem Grundbesitz ist insbesondere anzunehmen, wenn die Schuld für den Erwerb oder zum Zwecke der Verbesserung oder Bebauung des Grundstücks aufgenommen ist. Die Eintragung im Grundbuch ist nicht entscheidend.

III. Nicht abzugsfähig sind insbesondere: 1. Direkte Steuern; 2. Verwendungen zur Verbesserung und Vermehrung des Vermögens, zu

Geschäftserweiterungen, Kapitalanlagen oder Kapital abtragungen vorbehaltlich der Ausnahme unter II, 5;

3. die zur Bestreitung des Haushalts der Steuerpflichtigen und zum Unter- halt ihrer Angehörigen gemachten Ausgaben, insbesondere alle Aufwendungen zur Befriedigung persönlicher Bedürfnisse, wie die für Wohnung, Nahrung, Kleidung, Bedienung, Pflege, Erziehung, einschliesslich des Geldwertes der zu diesen Zwecken verbrauchten Erzeugnisse und Waren des eigenen landwirt- schaftlichen oder gewerblichen Betriebs. Aufwendungen zur Erfüllung einer gesetzlichen Unterhaltspflicht gegen Angehörige sind auch dann nicht abzugs- fähig, wenn sie diesen durch Privatrechtstitel zugesichert sind.

§ 10. 1. Massgebend für die Steuerveranlagung ist der Bestand der einzelnen

Einkommensquellen bei Beginn des Steuerjahres (§ 56), für welches die Ver- anlagung erfolgt, wenn aber die Veranlagung von einem späteren Zeitpunkt ab stattfindet, der Bestand der Quellen in diesem Zeitpunkte.

Aenderungen, welche in dem bei der Veranlagung vorausgesetzten Bestände bis zum Beginn des Steuerjahres eintreten, können im Rechtsmittelwege geltend gemacht werden.

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344 Einkommensteuergesetz für das Fürstentum Reuss ä. L. vom 21. Dezember 1911.

2. Soweit nicht in Ziff. 3 und 4 etwas anderes bestimmt ist, erfolgt die Veranlagung nach dem Ergebnisse des dem Steuerjahre unmittelbar voran- gegangenen Kalenderjahres und, insoweit für eine Einkommensquelle ein Jahres- ergebnis nicht vorliegt, nach dem mutmasslichen Jahres ertrage.

3. Der Geschäftsgewinn aus Handel , Gewerbe und Bergbau wird bei Steuerpflichtigen, welche Handelsbücher nach Vorschrift der §§ 38 ff. des Handels- gesetzbuches führen, nach dem Durchschnitt der drei dem Steuerjahr unmittel- bar vorangegangenen Wirtschafts- (Betriebs-) Jahre, wenn aber der Betrieb noch nicht so lange oder nicht ohne wesentliche Aenderung so lange besteht oder die Bücher nicht so lange geführt werden, nach dem Durchschnitte der kürzeren Zeit, für welche Jahresabschlüsse vorliegen, und wenn ein Jahresabschluss überhaupt noch nicht vorliegt, nach dem mutmasslichen Jahresertrage veran- schlagt.

Massgebend ist für jeden Steuerpflichtigen das von ihm angenommene Wirtschafts-(Betriebs-)Jahr.

Als der Veranlagung unmittelbar vorangegangen gilt das letzte Betriebs- jahr, dessen Ergebnisse zur Zeit der Veranlagung (Selbsteinschätzung) festgestellt werden können.

Bei der Durchschnittsberechnung ist der etwaige Verlust eines Jahres von dem Gewinne der anderen Jahre in Abzug zu bringen.

4. Die Vorschriften der Ziff. 3 finden sinngemässe Anwendung auf die Veranschlagung des Ertrags aus Land- und Forstwirtschaft auf eigenem oder erpachtetem Grundbesitze, wenn über den Betrieb geordnete, den Reinertrag ziffernmässig nachweisende Bücher geführt werden.

5. Ueber die Frage, ob ausreichende Buchführung im Sinne der Ziff. 3 und 4 vorliegt, entscheidet die Berufungskommission endgültig. Auf Verlangen des Beteiligten ist vorher ein Sachverständiger zu hören.

§ IL Dem Einkommen eines nach § 2 Steuerpflichtigen wird das im Fürstentum

steuerbare Einkommen seiner Ehefrau hinzugerechnet. Jedoch ist das aus Ar- beitsverdienst der Ehefrau stammende Einkommen um die Hälfte, aber höchstens um 300 M., zu kürzen und nur mit dem verbleibenden Rest dem Einkommen des Ehemannes hinzuzurechnen.

Selbständig werden Ehefrauen nur veranlagt, wenn sie dauernd vom Ehe- manne getrennt leben oder ihre Steuerpflicht nur nach § 4 begründet ist.

B. Besondere Vorschriften.

a) Einkommen aus Kapitalvermögen. § 12.

Als Einkommen aus Kapitalvermögen gelten: Zinsen, Dividenden, Renten und geldwerte Vorteile aus Kapitalforderungen jeder Art, soweit solche Bezüge nicht bei Landwirtschaft-, Handel- und Gewerbetreibenden behufs Ausmittlung des steuerbaren Einkommens aus Grundvermögen, Pachtungen, Handel oder Gewerbe (§§ 13, 14) als Teile des Geschäftsertrags in Rechnung zu bringen sind.

Mit dieser Massgabe gelten als Einkommen aus Kapitalvermögen ins- besondere :

a) Zinsen aus Anleihen und sonstigen verzinslichen Kapitalforderungen sowie aus verzinslich gewordenen Zins- und anderen Ausständen ;

b) Zinsen, Gewinnanteile und Ausbeuten von Aktiengesellschaften, Gesell- schaften mit beschränkter Haftung, stillen Gesellschaften (§ 335 des Handels- gesetzbuches), Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften und die Gewinnanteile der Kommanditisten bei den Kommanditgesellschaften auf Aktien;

c) Zinsen, welche in unverzinslichen Kapitalforderungen, bei denen ein höheres als das ursprünglich gewährte Kapital zurückgewährt wird, einbe- griffen sind;

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Einkommensteuergesetz für das Fürstentum Heuss ä. L. vom 21. Dezember 1911. 345

d) vereinnahmte Gewinne aus der zu Spekulationszwecken unternommenen Veräusserung von Wertpapieren, Forderungen, Renten usw., abzüglich etwaiger Verluste bei derartigen Geschäften.

b) Einkommen aus Grundvermögen.

§ 13. Das Einkommen aus Grundvermögen umfasst die Erträge sämtlicher Grund-

stücke, welche dem Steuerpflichtigen eigentümlich gehören oder aus denen ihm infolge von Berechtigungen irgendwelcher Art ein Einkommen zufliesst.

Von Grundstücken, welche verpachtet oder vermietet sind, ist der Pacht- oder Mietzins, einerseits unter Hinzurechnung der dem Pächter bzw. Mieter obliegenden Natural- und sonstigen Nebenleistungen sowie der dem Verpächter bzw. Vermieter vorbehaltenen Nutzungen, anderseits unter Abrechnung der dem letzteren verbliebenen abzugsfähigen Lasten, als Einkommen zu berechnen.

Für nicht vermietete, sondern von dem Eigentümer bzw. Nutzniesser selbst bewohnte oder sonst benützte Gebäude ist das Einkommen nach dem Mietswerte zu bemessen; aussei* Ansatz bleibt der Mietswert solcher von dem Eigentümer bzw. Nutzniesser zu seinem landwirtschaftlichen oder gewerblichen Betriebe benützten Gebäude oder Gebäudeteile, deren Nutzungswert in dem Einkommen aus Landwirtschafts- oder Gewerbetrieb enthalten ist.

Bei Schätzung des Einkommens aus nicht verpachteten Besitzungen ist der durch die eigene Bewirtschaftung erzielte Reinertrag zugrunde zu legen. Die Veranlagung solcher Betriebe, bei welchen die Erträgnisse der Substanz des Bodens entnommen werden, sowie die Veranlagung ländlicher Fabrikations- zweige erfolgen nach den Grundsätzen des § 14, soweit diese Betriebe und Fabrikationszweige nicht bei der Ertragsermittlung des Hauptbetriebs, zu welchem sie gehören, berücksichtigt werden.

Als Einkommen aus Waldbesitz und Forstwirtschaft gelten bei denjenigen Waldungen, welche nicht auf Grund eines Forsteinrichtungswerks nachhaltig betrieben werden,

a) der Jahreszuwachs der Holzungen, d. h. die unter Berücksichtigung des Alters, Standes und der sonstigen Verhältnisse durch Schätzung zu ermittelnde Jahresyergrösserung des Kapitalwerts,

b) die in Ziff. a nicht zu berücksichtigenden jährlichen sog. kleinen Nutzungen (Holzweide, Laub, Sträucher, Durchforstungsholz usw.).

Der Gewinn beim pachtweisen Betriebe der Landwirtschaft ist in gleicher Weise zu veranschlagen, wie beim Betrieb auf eigenen Grundstücken, unter Hinzurechnung des Mietwertes der mitgepachteten Wohnung.

Der Pachtzins einschliesslich des Wertes der etwa dem Pächter obliegen- den Natural- und sonstigen Nebenleistungen ist davon in Abzug zu bringen.

c) Einkommen aus Handel und Gewerbe einschliesslich des Bergbaues.

§ 14- Als Einkommen aus Handel, Gewerbe und Bergbau gilt der Geschäfts-

gewinn. Bei Steuerpflichtigen, welche Handelsbücher nach Vorschrift der §§ 38 ff. des Handelsgesetzbuches führen, ist der Gewinn unter Beachtung der Vorschriften in §§ 8 und 9 nach den Grundsätzen zu berechnen, wie solche für die Inventur und Bilanz durch das Handelsgesetzbuch vorgeschrieben sind und sonst dem Gebrauch eines ordentlichen Kaufmanns entsprechen. Insbesondere gilt dies einerseits von dem Zuwachse des Anlagekapitals und anderseits von den regel- mässigen jährlichen Abschreibungen, welche einer angemessenen Berücksichti- gung der Wertverminderung entsprechen. Im übrigen gilt für die Berechnung und Schätzung des Einkommens aus Handel und Gewerbe folgendes:

1. Die Zinsen des im Handels- und Gewerbebetrieb angelegten eigenen Sin

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Kapitals des Steuerpflichtigen sind als Teile des Geschäftsgewinnes zu be- trachten.

2. Der von einer nicht nach § 3 Ziff. 2 - 4 steuerpflichtigen Erwerbsgesell- schaft erzielte Geschäftsgewinn ist den einzelnen Teilhabern nach Massgabe ihres Anteils anzurechnen.

3. Als Einkommen aus Handel und Gewerbe gelten auch die Tantiemen der persönlich haftenden Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft auf Aktien und die Gewinnanteile dieser Gesellschafter für ihre nicht auf das Grundkapital gemachten Einlagen.

4. Der Gewinn aus den zu Spekulationszwecken abgeschlossenen Geschäften, abzüglich etwaiger Verluste bei derartigen Geschäften, und aus der Beteiligung an derartigen Geschäften ist auch bei solchen Steuerpflichtigen, welche nicht zu den Handel- und Gewerbetreibenden gehören, nach den für das Einkommen aus Handel und Gewerbe massgebenden Grundsätzen zu berechnen.

d) Einkommen aus gewinnbringender Beschäftigung, aus Rechten auf periodische Hebungen usw.

§ 15. Das Einkommen aus gewinnbringender Beschäftigung sowie aus Rechten

auf periodische Hebungen und Vorteile irgendwelcher Art umfasst insbesondere den Verdienst der Arbeiter, Dienstboten und Gewerbegehilfen, die Gehalts- und sonstigen Bezüge der Beamten jeder Art und der Militärpersonen, ferner den Gewinn aus schriftstellerischer, künstlerischer, wissenschaftlicher, unterrichtender und erzieherischer Tätigkeit, sowie Wartegelder, Pensionen und sonstige fort- laufende Einnahmen, welche nicht als Jahresrenten eines beweglichen oder un- beweglichen Vermögens anzusehen sind, endlich solche Rentenbezüge, welche an die Person des Empfangsberechtigten geknüpft sind.

Das Einkommen aus Dienstwohnungen ist nach dem ortsüblichen Miets- werte, jedoch nicht höher als mit Fünfzehn vom Hundert des baren Gehalts des Berechtigten, in Ansatz zu bringen. Soweit Dienstwohnungen vermietet sind, ist der Mietzins nach Massgabe der Bestimmungen im § 13 Abs. 2 anzu- rechnen.

Mitzurechnen sind alle auf besonderer Zulage beruhenden Einkünfte, alle ständigen Remunerationen, alle Tantiemen, Akzidenzien und andere wieder- kehrende, wenn auch bloss zufallige Bezüge; sie sind nach dem dekretmässigen Anschlag, fehlt es aber an einem solchen, nach einem dreijährigen Durchschnitt anzunehmen.

Bei in einem öffentlichen Dienst stehenden Personen bleiben die für Be- streitung des Dienstaufwands bestimmungsgemäss gewährten Bezüge ausser Berechnung. Ebenso sind ausser Ansatz zu lassen die aus öffentlichen Kassen gewährten Tagegelder und Reisekosten, welche als Entschädigungen für die mit Erfüllung staatsbürgerlicher Pflichten verbundenen Aufwendungen gewährt werden.

Bei den in privaten Dienstverhältnissen stehenden Personen bleiben die Entschädigungen, welche nach ausdrücklicher Vereinbarung zur Bestreitung des beruflichen Aufwands gewährt werden, insoweit ausser Ansatz, als ihr Betrag den regelmässigen wirklichen Aufwand nicht übersteigt.

Denjenigen Steuerpflichtigen, auf welche bis zum Inkrafttreten dieses Ge- setzes der § 11 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes vom 4. Januar 1893 An- wendung findet, werden von den Besoldungen und Pensionen aus öffentlichen Kassen bei der Veranlagung 15 Proz. abgezogen. Der Abzug kommt mit dem Zeitpunkt in Wegfall, in dem sie in eine um mindestens 5 Proz. höher besoldete Stelle übergehen oder in dem eine Erhöhung ihres Diensteinkommens durch Erhöhung des bei Inkrafttreten dieses Gesetzes für die Stelle bestimmten Ge- halts oder der Pension um mindestens 5 Proz. eintritt.

Im übrigen findet ein Abzug für Besoldungen und Pensionen aus öffent- lichen Kassen nicht mehr statt.

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Einkommensteuergesetz für das Fürstentum Reuss ä. L. vom 21. Dezember 1911. 347

e) Einkommen der nichtphysischen Personen.

§ 16. 1. Als steuerbares Einkommen der Gemeinden gilt der von ihnen aus

kommunalen Anstalten und Unternehmungen der in § 3 Ziff. 1 bezeichneten Art erzielte, unter sinngemässer Anwendung des § 14 zu berechnende Geschäfts- gewinn nach Abzug von 4 Proz. des in den betreffenden Anstalten und Unter- nehmungen angelegten Kapitals. Soweit das Kapital nicht von der betreffenden Gemeinde vorgeschossen, sondern von dritten Personen erborgt ist, sind die an diese zu zahlenden Zinsen in Abzug zu bringen.

2. Für die Besteuerung der Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien, Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, Berggewerkschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung sowie der Konsumvereine, sind die Ueber8chüsse massgebend, welche als Aktienzinsen oder Dividenden, gleichviel unter welcher Benennung, unter die Mitglieder verteilt oder zur Tilgung der Schulden oder des Grundkapitals zur Verbesserung oder Geschäftserweiterung sowie zur Bildung von Reservefonds verwendet werden.

Bei Kommanditgesellschaften auf Aktien gilt derjenige Teil der Ueber- schü8se, welcher an persönlich haftende Gesellschafter für ihre nicht auf das Grundkapital gemachten Einlagen oder als Tantieme verteilt wird, nicht als Einkommen der Gesellschaft.

Im Falle des § 4 gilt als steuerbares Einkommen derjenige Teil der vor- bezeichneten Ueberschüsse, welcher auf den Geschäftsbetrieb im Fürstentum bzw. auf das Einkommen aus im Fürstentum gelegenem Grundbesitz entfallt.

3. Die übrigen nach § 3 Steuerpflichtigen unterliegen der Besteuerung hinsichtlich des Reinertrags ihres in Grundbesitz, in einem gewerblichen Be- triebe oder sonst werbend angelegten Vermögens.

4. Bei Eisenbahnbetrieben, welche sich nicht auf das Gebiet des Fürsten- tums beschränken, sondern sich zugleich auf das Gebiet eines oder mehrerer anderer Bundesstaaten erstrecken, wird, soweit nicht die Besteuerung durch Staatsverträge geregelt ist, das steuerbare Einkommen nach dem Verhältnis der Länge der in das Staatsgebiet des Fürstentums fallenden Bahnstrecke zur Länge der ganzen Bahn berechnet.

f) Berechnung des Einkommens nach dem Aufwand des Steuerpflichtigen.

§ 17. Ist das Einkommen einer Person, welche innerhalb des Fürstentums eine

eigene Haushaltung hat, geringer als die Summe, welche sie zur Bestreitung des Unterhalts für sicli und die von ihr unterhaltenen Personen oder zu frei- willig an andere gewährten Unterstützungen aufwendet, so ist diese Summe als zu versteuerndes Einkommen anzunehmen, soweit nicht nachweislich nach diesem Gesetz steuerfreie Einkünfte bezogen werden oder besondere wirtschaft- liche Verhältnisse vorliegen, wie aussergewöhnliche Belastung durch Unterhalt und Erziehung der Kinder, andauernde Krankheit und besondere Unglücksfälle.

III. Steuertarif, Steuerermässigungen und -erhöhungen.

§ 18. Die Berechnung der Einkommensteuer erfolgt in Stufen nach Massgabe des diesem Gesetze als Anlage beigegebenen Tarifs.

§ 19. Gewährt ein Steuerpflichtiger, dessen Einkommen den Betrag von 4000 M.

nicht übersteigt, Kindern oder anderen Familienangehörigen auf Grund gesetz- 817

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licher Verpflichtung (§§ 1601 ff. B.G.B.) Unterhalt, so wird ihm von dem steuer- baren Einkommen für jede9 derartige Familienmitglied der Betrag von 75 M. in Abzug gebracht mit der Massgabe, dass bei dem Vorhandensein von fünf oder mehr derartigen Familienmitgliedern eine Ermässigung um mindestens zwei der in dem Tarife vorgeschriebenen Steuerstufen stattfindet. Ist Ermässi- gung unter den Steuersatz der dritten Stufe begründet, so tritt Befreiung von der Staatssteuer ein.

Bei der Feststellung der für die Ermässigung massgebenden Personenzahl (Abs. 1) werden nicht mitgerechnet die Ehefrau des Steuerpflichtigen und die- jenigen Kinder und Angehörigen, welche das 14. Lebensjahr überschritten haben und entweder im landwirtschaftlichen oder gewerblichen Betriebe des Steuer- pflichtigen dauernd tätig sind oder ein eigenes Einkommen von mehr als der Hälfte des ortsüblichen Tagelohnes nach ihrer Altersklasse und nach ihrem Geschlechte haben.

Liegen besondere die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen wesentlich beeinträchtigende wirtschaftliche Verhältnisse vor, welche eine weitergehende Steuerermässigung rechtfertigen, so hat Fürstliche Landesregierung eine weitere angemessene Ermässigung des zu versteuernden Einkommens vorzunehmen. Erachtet die Veranlagungsbehörde diese Verhältnisse als vorliegend, so hat sie die Ermässigung zu beantragen, auch wenn ein darauf gerichtetes Gesuch des Steuerpflichtigen nicht vorliegt. Als Verhältnisse, welche die Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen, kommen lediglich in Betracht: aussergewöhnliche Belastungen durch Unterhalt und Erziehung der Kinder, Verpflichtung zum Unterhalt mittelloser Angehöriger, andauernde Krankheit, Verschuldung und besondere Unglücksfälle. Gegen die Entscheidung Fürstlicher Landesregierung findet ein Rechtsmittel nicht statt.

Von unverheirateten Steuerpflichtigen über 30 Jahre wird ein Steuer- zuschlag erhoben, welcher beträgt

in den Einkommensteuerstufen von mehr als 3000 M. bis 6000 M. 5 Proz., , „ „ „ über 6000 M. 10 Proz.

der zu entrichtenden Steuer. Diese Bestimmung findet keine Anwendung auf Personen, welche verheiratet gewesen sind oder unterstützungsbedürftigen An- gehörigen Unterstützungen gewähren, die insgesamt mehr als V6 des Gesamt- einkommens betragen. Darüber, ob die Voraussetzungen des Steuerzuschlags vorliegen, ist bei der Veranlagung zu befinden. Gegen die Entscheidung finden die ordentlichen Rechtsmittel statt.

Vorstehende Bestimmungen finden auf die in § 4 bezeichneten Steuer- pflichtigen keine Anwendung.

IV. Veranlagung. 1. Allgemeines.

§ 20. Die Veranlagung des Steuerpflichtigen erfolgt, von den Fällen der §§ 46

und 61 abgesehen, durch Einschätzungskommissionen. 2. Oberaufsicht und Leitung.

§ 21. Die Oberleitung des gesamten Einschätzungsgeschäfts und Oberaufsicht

erfolgt durch Fürstliche Landesregierung. Gewinnt sie die Ueberzeugung, dass die Nichtbeobachtung oder unrichtige

Anwendung von gesetzlichen Vorschriften in erheblichem Umfang zu unrichtigen Veranlagungen geführt hat oder dass die Steuerveranlagung in einem Ein- schätzungsbezirke ungleichmässig mit der in anderen Bezirken ausgeführt worden ist, so ist sie befugt, die zu beanstandenden Veranlagungen allgemein zu kassieren und neue Veranlagungen anzuordnen.

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Einkommensteuergesetz für das Fürstentum Reuss ä. L. vom 21. Dezember 1911. 349

Fürstliche Landesregierung kann von der Geschäftsbehandlung bei den einzelnen Einschätzungskommissionen durch besonders dazu abgeordnete Beamte, welche den Sitzungen der Kommissionen mit beratender Stimme beiwohnen. Kenntnis nehmen und die richtige und gleichmässige Ausführung der gesetz- lichen Vorschriften überwachen.

Die unmittelbare Leitung und Beaufsichtigung des Einschätzungsgeschäfts liegt dem Vorstand des Steueramts ob. Demselben können zu diesem Behufe je nach Bedarf Stellvertreter von Fürstlicher Landesregierung bestellt werden. Was im folgenden vom Vorstand des Steueramts gesagt ist, gilt auch von dessen Stellvertretern.

3. Einschätzungskommissionen.

§ 22. Das Fürstentum wird für den Zweck der Einschätzung in Bezirke geteilt.

In jedem Bezirk wird eine Einschätzungskommission gebildet. In der Regel bildet jede Gemeinde mit den in deren Flur gelegenen selb-

ständigen Gutsbezirken einen Einschätzungsbezirk; es können jedoch Gemeinden mit weniger als 2000 Einwohnern mit benachbarten Gemeinden zu einem Ein- schätzungsbezirke vereinigt werden ; grössere Gemeinden können in mehrere Bezirke zerlegt werden.

Das Nähere über die Einteilung bestimmt Fürstliche Landesregierung.

§ 28. Die Einschätzungskommissionen werden aus dem Vorstand des Steueramts

als Vorsitzenden, ferner aus den Vorständen der im Einschätzungsbezirk be- legenen Gemeinden oder bestellten Vertretern derselben und 3-8 Mitgliedern zusammengesetzt, welche nach den Vorschriften des § 25 zu wählen sind. Für diese Mitglieder ist für Fälle zeitweiliger Behinderung sowie für den Fall des Ausscheidens im Laufe der Wahlperiode die erforderliche Zahl von Stellvertretern zu wählen.

Die Zahl der Mitglieder und Stellvertreter bestimmt Fürstliche Landes- regierung; in Bezirken, welche aus mehreren Gemeinden zusammengesetzt sind, wird die Zahl der von den Organen der Gemeindeverwaltung zu wählenden Mitglieder der Einschätzungskommissionen auf die einzelnen Gemeinden nach der Einwohnerzahl mit der Massgabe verteilt, dass jeder Gemeinde mindestens ein Mitglied zugeteilt wird.

§ 24. Befindet sich in einem Einschätzungsbezirke ein selbständiges Gut, so hat

der Besitzer desselben der Einschätzungskommission als Mitglied hinzuzutreten und einen Stellvertreter zu bezeichnen.

Befinden sich in einem Einschätzungsbezirke mehrere selbständige Güter, so wählen die Besitzer aus ihrer Mitte ein Mitglied der Einschätzungskommission und einen Stellvertreter. Für das Verfahren bei der Wahl gelten die Vor- schriften in § 25 Abs. 2.

Die Vertreter der Fürstlichen Kammergüter in den Einschätzungskommis- sionen bestimmt Fürstliche Kammer. Die Besitzer selbständiger Güter können die aus der Zugehörigkeit zur

Einschätzungskommission sich ergebenden Rechte und Pflichten durch Vertreter ausüben lassen.

Auf die Zugehörigkeit der in diesem Paragraphen bezeichneten Kommis- sionsmitglieder und ihrer Vertreter zur Einschätzungskommission findet § 26 sinngemässe Anwendung.

Diejenigen bewohnten Fürstlichen Besitzungen, welche von Gemeinde- bezirken ausgeschlossen sind, werden nach näherer Bestimmung Fürstlicher Landesregierung an bestehende Einschätzungsbezirke angeschlossen.

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350 Einkommensteuergesetz für das Fürstentum Reuss ä. L. vom 21. Dezember 1911.

§ 25. Die Kommissionsmitglieder werden, abgesehen von den Gemeindevorständen

und den Vertretern der selbständigen Güter, vom Gemeinderat oder, wo ein solcher nicht besteht, von der Gemeindeversammlung aus den im Bezirk Steuer- pflichtigen gewählt. Die Wahlen erfolgen auf die Dauer von drei Jahren der- gestalt, das8 alljährlich ein Drittel der Mitglieder ausscheiden und an deren Stelle neue zugewählt werden. Die Reihenfolge des Austritts wird das erste und das zweite Mal durch Los bestimmt.

Gewählt ist derjenige, welcher die absolute Stimmenmehrheit für sich hat. Ergibt sich keine absolute Stimmenmehrheit, so kommen diejenigen zwei Per- sonen, welche die meisten Stimmen für sich haben, in die engere Wahl. Haben mehr als zwei Personen die meisten und gleichviel Stimmen erhalten, so ent- scheidet das Los darüber, wer auf die engere Wahl zu bringen ist. In gleicher Weise erfolgt die Entscheidung, wenn auch die engere Wahl keine Stimmen- mehrheit erzielt.

§ 26. Die allgemeinen Bedingungen der Wählbarkeit für die Einschätzungs-

kommissionen sind dieselben wie für die Gemeindeämter (Art. 63 der Gemeinde- ordnung vom 25. Januar 1871). Der Verlust der Wählbarkeit hat das Erlöschen der Mitgliedschaft zur Folge.

§ 27. Jeder, welcher die Wählbarkeit besitzt, ist verpflichtet, die auf ihn ge-

fallene Wahl zum Mitgliede oder stellvertretenden Mitgliede einer Einschätzungs- kommission anzunehmen, sofern ihm nicht ein gesetzlicher Ablehnungsgrund zur Seite steht.

Wer drei Jahre hintereinander Mitglied einer Einschätzungskommission gewesen ist, kann die Wiederwahl für die nächsten drei Jahre ablehnen.

Im übrigen gelten wegen des Rechts zur Ablehnung oder Niederlegung dieses Amtes dieselben Grundsätze, welche durch die Gemeindeordnung für die Ablehnung oder Niederlegung eines Gemeindeamtes vorgeschrieben sind.

Ueber das Vorhandensein von Ablehnungsgründen entscheidet in den Städten der Stadtgemein de vorstand, auf dem platten Land das Fürstliche Land- ratsamt und auf Berufung, die binnen zwei Wochen einzuwenden ist, Fürst- liche Landesregierung.

Weigert sich der Gewählte nach endgültiger Abweisung seiner Ablehnung fortdauernd, das ihm übertragene Amt zu übernehmen, so ist derselbe von Fürstlicher Landesregierung in eine Geldstrafe von 20- 200 M. zu nehmen, und es erfolgt die Wahl eines anderen Mitgliedes.

§ 28.

Für die Beschlussfähigkeit der Einschätzungskommission ist die Anwesen- heit des Vorsitzenden und mindestens der Hälfte der Mitglieder erforderlich.

Die Kommission fasst ihre Beschlüsse nach Stimmenmehrheit. Im Falle der Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag. Kein Mitglied der Kommission darf sich ohne triftige Gründe der Abstimmung ent- halten.

Ueber Mitglieder, welche unentschuldigt oder ohne genügende Entschuldi- gung ausgeblieben sind oder verspätet erscheinen, kann die Kommission, auch wenn sie sonst nicht beschlussfähig ist, eine Geldstrafe bis zur Höhe von 50 M. verhängen. Ueber Beschwerden gegen die Straffestsetzung, welche binnen zehn- tägiger Frist einzulegen sind, entscheidet Fürstliche Landesregierung.

Ein Kommissionsmitglied ist von der Ausübung seines Amtes kraft Ge- setzes ausgeschlossen:

1. bei Einschätzung des eigenen Einkommens, sowie desjenigen seiner Ehefrau, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht;

2. bei Einschätzung des Einkommens einer Person, mit welcher das Kom- 820

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Einkommensteuergesetz für das Fürstentum Reuss ä. L. vom 21. Dezember 1911. 35 J

missionsmitgliedj in gerader Linie verwandt oder verschwägert oder durch An- nahme an Kindesstatt verbunden, in der Seitenlinie bis zum dritten Grade ver- wandt oder bis zum zweiten Grade verschwägert ist, auch wenn die Ehe, durch welche die Schwägerschaft begründet ist, nicht mehr besteht;

3. bei Einschätzung des Einkommens einer Person, für welche das Kom- missionsmitglied als gesetzlicher Vertreter oder als Bevollmächtigter aufzutreten berechtigt ist oder berechtigt gewesen ist;

4. bei Einschätzung des Einkommens einer Person, in deren Dienst da» Kommissionsmitglied steht.

Bei der Beratung und Abstimmung über Fälle, in welchen ein Kommis- sionsmitglied ausgeschlossen ist, hat das betreffende Kommissionsmitglied ab- zutreten. Ist der Vorsitzende ausgeschlossen oder während der Kommissions- sitzung vorübergehend an der Führung des Vorsitzes verhindert, so hat derselbe die Führung des Vorsitzes einem anderen Kommissionsmitglied zu übertragen.

§ 29. Die Einschätzungskommission hat die Befugnis, über Verhältnisse, welche

auf das Einkommen der Steuerpflichtigen von Einfluss sind, von Gerichts- und Gemeindebehörden auf bestimmte Fragen Auskunft zu erfordern und Hypotheken- und Flurbücher, Vormundschafts- und Nachlassakten, sowie die Grundsteuer- und die Kommunal anlagekataster durch ein beauftragtes Mitglied einzusehen.

Diese Befugnis steht auch dem Steueramt zu. Je nach Bedarf hat die Einschätzungskommission Sachverständige aus den

einzelnen Berufszweigen und geeignete Auskunftspersonen zu ihren Beratungen zuzuziehen; dieselben dürfen jedoch der Beschlussfassung nicht beiwohnen. Innerhalb seines Bezirkes ist jedermann verpflichtet, auf Erfordern der Ein- schätzungskommission als Sachverständiger oder Auskunftsperson vor derselben zu erscheinen und deren Fragen, soweit sie im Bereiche seiner Kenntnis liegen, zu beantworten. Diese Verpflichtung tritt nicht ein, soweit nach den Vor- schriften der Zivilprozessordnung ein Zeugnis oder Gutachten verweigert werden kann. Ausserdem können Personen, die bei dem Steuerpflichtigen in einem Arbeits- ' oder Dienstverhältnisse stehen, das Gutachten oder die Auskunft ab- lehnen.

§ 30. Die beim Einschätzungsgeschäft mitwirkenden .Beamten sind vermöge ihres

Diensteides verpflichtet, dabei ohne Ansehen der Person und nach bestem Wissen und Gewissen zu verfahren und die aus Anlass ihrer Mitwirkung zu ihrer Kenntnis gelangenden Verhältnisse der Steuerpflichtigen streng geheim zu halten.

Die Mitglieder der Einschätzungskommission haben dem Vorstand des Steueramts mittels Handschlags an Eidesstatt das gleiche zu geloben.

§ 31. Die nach § 25 zu wählenden Mitglieder der Einschätzungskommissionen

erhalten 3 M. Tagegeld für eine von Fürstlicher Landesregierung zu bestimmende tägliche Arbeitszeit.

4. Ort der Einschätzjung.

§ 32. Die Einschätzung erfolgt in der Regel an dem Orte, wo der Steuerpflichtige seinen Wohnsitz oder in Ermangelung eines solchen seinen Aufenthalt hat. Angehörige des Fürstentums, welche im Inlande weder Wohnsitz noch

Aufenthalt haben, sind an dem letzten Orte ihres Wohnsitzes oder Aufenthalts im Fürstentume einzuschätzen.

Die Einschätzung der im § 3 bezeichneten juristischen Personen, Gesell- 821

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352 Einkommensteuergesetz für das Fürstentum Reuss ä. L. vom 21. Dezember 1911.

schaften, Vereine, Genossenschaften usw. erfolgt an dem Orte, wo dieselben im Fürstentum ihren Sitz haben.

Die Einschätzung der nur nach § 4 Abs. 1 und 2 Steuerpflichtigen ge- schieht an dem Orte, wo der Grundbesitz bzw. die gewerbliche oder Handels- anlage oder die Betriebsstätte liegt oder der bei der Steuerverwaltung etwa bestellte Vertreter seinen Wohnsitz hat.

Im Falle eines mehrfachen Wohnsitzes des Steuerpflichtigen bestimmt Fürstliche Landesregierung den Ort der Einschätzung, ingleichen, wenn über den letzteren aus anderen Gründen Zweifel bestehen.

5. Vorbereitung der Einschätzung. § 33.

Die Gemeindevorstände sind verpflichtet, alljährlich vor Beginn des Ein- schätzungsgeschäfts die für die Einschätzung erforderlichen Grundlagen nach Massgabe der nachstehenden und sonst noch im Verwaltungswege ergehenden Vorschriften zu beschaffen.

§ 34.

Sie sind verpflichtet, über die Besitz-, Vermögens- und sonstigen Ein- kommensverhältnisse der Steuerpflichtigen, sowie über besondere, die Steuer- fähigkeit bedingende wirtschaftliche Verhältnisse möglichst vollständige Nach- richten einzuziehen, überhaupt alle Merkmale, die ein Urteil über das in Ansatz zu bringende Einkommen zu begründen vermögen, dem Steueramte mitzuteilen.

Auch haben sie alle Mitteilungen, die ihnen die Steuerpflichtigen nach diesen Richtungen mündlich oder schriftlich zugehen lassen, entgegenzunehmen und dem Steueramt vorzulegen. Der Gemeindevorstand trägt Schulden und Lasten in das Kataster nur insoweit ein, als sie von dem Steuerpflichtigen an- gegeben werden.

§ 35. Jeder Besitzer eines bewohnten Grundstücks oder dessen Vertreter ist ver-

pflichtet, dem Gemeindevorstand auf einem ihm zu behändigenden Formular (Hausliste) in der darauf bezeichneten, mindestens achttägigen Frist die Inhaber der in dem Grundstücke vorhandenen einzelnen Wohnungen, Geschäftslokale und zu gewerblichen oder wirtschaftlichen Zwecken benützten Räume anzugeben.

Jeder Haushaltungsvorstand hat dem Gemeindevorstand über Namen, Berufs- oder Erwerbsart, Geburtsort und Geburtstag und die etwaigen Arbeit- geber der sämtlichen zu seinem Hausstande gehörigen Personen einschliesslich der Unter- und Schlafstellenmieter, sowie über die Höhe des baren Dienst- und Arbeitslohnes und die Art der Naturalbezüge seiner Dienstboten und der bei ihm wohnenden eigenen Gewerbegehilfen, nicht minder auch über die Höhe des von ihm bezahlten Mietzinses und, wenn er selbst Besitzer des von ihm bewohnten Hauses ist, über den Mietswert der eigenen Wohnung Auskunft zu erteilen.

Geschäftsinhaber und andere Arbeitgeber, bei nichtphysischen Personen (§ 3) deren gesetzliche Vertreter haben alljährlich bis zu einem von Fürstlicher Landesregierung allgemein zu bestimmenden Termin über die Gehalts-, Lohn-, Pensions-, Unterstützungs- und sonstigen Bezüge ihrer sämtlichen Angestellten, Gewerbegehilfen und Arbeiter und der Hinterbliebenen von solchen unter Be- nützung von bei den Gemeindebehörden unentgeltlich erhältlichen Formularen Auskunft zu erteilen. Die näheren Bestimmungen über den Inhalt der Nach- weisungen werden im Verordnungswege erlassen. Die Nachweisungen sind nach dem Wohnort der beschäftigten Personen getrennt zu halten und an das Steuer- amt einzusenden.

Dieselbe Verpflichtung liegt den Anstellungsbehörden im Bereiche des Reichs-, Staats-, Gemeinde-, Kirchen-, Schul- und Hofdienstes sowie des Dienstes

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Einkommensteuergesetz für das Fürstentum Eeuss ä. L. vom 21. Dezember 1911. 353

der Fürstlichen Kammer hinsichtlich der Besoldungen und Dienstbezüge der zu ihrem Dienstbereiche gehörigen Beamten und Angestellten ob.

Die nach Abs. 1 - 4 Verpflichteten sind gehalten, den Gemeindevorständen, dem Steueramt, sowie dem Vorsitzenden der Berufungskommission auch in Einzelfällen sowie auch für die Vergangenheit jede erforderliche Auskunft über die daselbst bezeichneten Personal- und Sachverhältnisse zu erteilen.

§ 36. Für jeden Ort sowie für jeden Bezirk eines in mehrere Bezirke zerlegten

Ortes ist auf Grund der in §§ 34 und 35 gedachten Unterlagen ein Kataster anzulegen.

Die Anlegung der Kataster erfolgt durch die Gemeindevorstände ; sie haben zu dem im Verordnungswege zu bestimmenden Zeitpunkt die Kataster samt Unterlagen an das Steueramt einzusenden. Fürstliche Landesregierung ist jedoch befugt, für einzelne Gemeinden das Steueramt mit Anlegung des Ka- tasters zu beauftragen.

§ 37. Der Gemeinde vorstand hat bei Anlegung des Katasters oder, falls ihm

dieselbe nicht obliegt, vor Einsendung der Unterlagen zur Anlegung des Katasters (§§ 34 und 35) an das Steueramt diejenigen Steuerpflichtigen, die bereits mit einem Einkommen von 1500 M. und darüber zur Einkommensteuer veranlagt gewesen sind oder deren Einkommen nicht zweifellos unter dem Betrage von 1500 M. bleibt, zur schriftlichen Erklärung ihres Einkommens (Selbsteinschätzung) unter Zufertigung eines Formulars aufzufordern.

Jeder, welchem eine solche Aufforderung zugeht, hat die Erklärung seines Einkommens bis zu einem durch Fürstliche Landesregierung zu bestimmenden allgemeinen Endtermin an die Gemeindebehörde einzureichen.

Eine Steuererklärung kann auch einreichen, wer nach vorstehenden Be- stimmungen dazu nicht verpflichtet ist.

§ 38. Die Steuererklärung (Selbsteinschätzung) hat nach Angabe des Formulars

zu enthalten: 1. den Gesamtbetrag des steuerpflichtigen Jahreseinkommens gesondert

nach den in § 7 unter Ziff. 1 - 4 bezeichneten Quellen; 2. die Nachweisung der Schuldenzinsen und sonstigen Lasten, deren Abzug

nach § 9 unter II beansprucht wird, sowie die Bezeichnung der nach dem § 15 Abs. 6, § 19 etwa vorliegenden besonderen Ermässigungsgründe;

3. die Versicherung des Steuerpflichtigen, dass er seine Angaben nach bestem Wissen und Gewissen gemacht habe.

Die in § 3 aufgeführten Steuerpflichtigen haben ihren Selbsteinschätzungen die in Betracht kommenden Geschäftsberichte und Jahresabschlüsse sowie ge- gebenenfalls die darauf bezüglichen Beschlüsse der Generalversammlung bei- zufügen.

§ 39. Jeder Steuerpflichtige, welcher Einkommen aus Kapitalvermögen (§ 12) in

Höhe von 40 M. jährlich und mehr bezieht, ist verbunden, innerhalb einer vom Steueramt alljährlich öffentlich bekannt zu machenden Frist eine schriftliche Steueranmeldung bei dem Gemeindevorstand seines Veranlagungsortes einzu- reichen.

Dieselbe hat zu enthalten: 1. den Gesamtbetrag des zu versteuernden Jahreseinkommens aus Kapital-

vermögen ; 2. die Schuldzinsen und sonstigen zulässigen Abzüge, welche der Steuer-

pflichtige bei Berechnung dieses Einkommens etwa in Ansatz bringt; Finanzarchiv. XXIX. Jahrg. 323 23

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354 Einkommensteuergesetz für das Fürstentum Reuss ä. L. vom 21. Dezember 1911.

3. die Versicherung des Steuerpflichtigen, dass er seine Angaben nach bestem Wissen und Gewissen gemacht habe.

Die Steueranmeldungen haben nach einem von Fürstlicher Landesregierung vorzuschreibenden Formular zu erfolgen.

Diese Anmeldungen können mit den in den vorstehenden Paragraphen vorgesehenen Steuererklärungen verbunden werden.

Hinsichtlich eines jeden, der wegen eines Einkommens aus Kapitalver- mögen zur Besteuerung gezogen worden ist und auf ergangene öffentliche Auf- forderung eine Anmeldung nicht abgibt, wird die stillschweigende Anmeldung des im letzten Steuerjahr veranlagten Betrages angenommen.

§40. Wer die nach den §§ 37 ff. ihm obliegende Steuererklärung oder Steuer-

anmeldung nicht in der vorgeschriebenen Weise und Frist abgibt, verliert 1. im Fall des § 37 hinsichtlich seines abgeschätzten Jahreseinkommens, 2. im Fall des § 39 in Ansehung der Höhe seines von der Einschätzungs-

kommission als vorhanden angenommenen Kapitaleinkommens das Recht der Berufung für das betreffende Veranlagungsjahr.

§ 41. Für Steuerpflichtige, welche unter elterlicher Gewalt oder Vormundschaft

stehen, sowie für die in § 3 bezeichneten Steuerpflichtigen haben deren gesetz- liche Vertreter die Steuererklärung und Steueranmeldung zu bewirken.

Für Personen, welche durch Abwesenheit oder andere Umstände verhindert sind, die Steuererklärung oder Steueranmeldung abzugeben, i können solche durch einen Bevollmächtigten erfolgen.

§42. Der Gemeindevorstand hat die eingegangenen Steuererklärungen und

Steueranmeldungen gewissenhaft zu prüfen, bei etwaigen Bedenken gegen deren Richtigkeit über die in Frage kommenden Verhältnisse Nachrichten einzuziehen, deren Ergebnis aktenkundig zu machen und hierauf das gesamte Material unter Hervorhebung der etwa beanstandeten Erklärungen bzw. Anmeldungen an das Steueramt einzusenden.

Das Steueramt hat die eingereichten Schätzungs unterlagen einer vor- läufigen Prüfung zu unterwerfen und über die Besitz-, Vermögens-, Erwerbs- und sonstigen Einkommensverhältnisse der Steuerpflichtigen, soweit dieses ohne tieferes Eindringen in diese Verhältnisse geschehen kann, möglichst vollständige Nachrichten einzuziehen, überhaupt alle Merkmale, welche ein Urteil über das in Ansatz zu bringende Einkommen näher zu begründen vermögen, zu sammeln, sodann aber den Zusammentritt der Kommissionen zu veranlassen.

6. Einschätzungsverfahren.

§ 43.

Das Steueramt ist berechtigt, von jedermann über dessen Erwerbs- und Vermögensverhältnisse auf bestimmte Fragen schriftliche oder mündliche Aus- kunft zu verlangen, sowie eine Steuererklärung im Sinne des § 38 unter Zu- fertigung eines Formulars und unter Einräumung einer mindestens zweiwöchigen Frist zu erfordern.

Dieselbe Befugnis steht auch der Einschätzungskommission zu, welche das Recht hat, die zu befragenden Personen zum Erscheinen behufs mündlicher Verhandlung vorzuladen.

Die Verweigerung der vom Steueramt oder von der Einschätzungskom- mission verlangten Auskunft, die nicht rechtzeitige Abgabe der Steuererklärung, ingleichen das Nichterscheinen der Steuerpflichtigen vor der Einschätzungs- kommission auf ergangene Vorladung, sofern nicht nachgewiesen wird, dass

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Einkommensteuergesetz für das Fürstentum Reuss ä. L. vom 21. Dezember 1911. ggg

der Vorgeladene durch unabwendbare Ursachen am Erscheinen behindert war, hat den Verlust der Berufung gegen die von der Kommission bewirkte Schätzung für das laufende Steuerjahr zur Folge.

§ 44.

Die Einschätzungskommissionen haben mit Benützung aller zu Gebote stehenden Unterlagen bei jedem Steuerpflichtigen den Betrag des steuerbaren Einkommens desselben nach Massgabe der Bestimmungen dieses Gesetzes ein- zuschätzen.

Sofern eine formell genügende Steuererklärung bzw. Steueranmeldung vorliegt, ist dieselbe durch Vergleichung mit den sonstigen Unterlagen zu prüfen.

Gehen der Kommission hierbei Bedenken gegen die Richtigkeit der eigenen Angaben des Steuerpflichtigen über die Höhe seines Einkommens nicht bei, so sind diese der Schätzung zugrunde zu legen.

Liegt dagegen eine formell genügende Erklärung (Anmeldung) nicht vor, oder erachtet die Kommission die vorliegende Erklärung für unrichtig, und haben sich die gegen dieselbe obwaltenden Bedenken auch durch die Ergeb- nisse der etwa vorläufig angestellten Erörterungen nicht erledigt, so kann die Kommission nach ihrem Ermessen entweder von dem ihr nach § 43 zustehenden Rechte Gebrauch machen, oder auf Grund ihrer eigenen Kenntnis der Verhält- nisse und nach dem Ergebnisse der sonst etwa anzustellenden Erörterungen die Schätzung vornehmen. Sie ist nicht verpflichtet, das Vorhandensein von Schuldzinsen und sonstigen an sich zulässigen Abzügen, über welche eine Nachweisung von Seiten des Steuerpflichtigen nicht vorliegt, selbständig zu erörtern.

Das Ergebnis der Einschätzung ist bei dem Namen des Steuerpflichtigen im Kataster zu verzeichnen.

§ 45.

Jedem Steuerpflichtigen ist die Höhe des steuerbaren Einkommens mit dem Betrag der davon zu entrichtenden Steuer mittels verschlossener Zettel, deren Behändigung den Gemeindebehörden obliegt, bekannt zu machen, und zwar mit der Belehrung, dass ihm dagegen das Rechtsmittel der Berufung binnen vierwöchiger ausschliessender Frist zustehe.

Denjenigen Steuerpflichtigen, welchen der Steuerzettel nicht behändigt werden kann, bleibt überlassen, sich wegen Mitteilung des Einschätzungsergeb- nisses bei der zuständigen Steuereinnahme zu melden.

Zu diesem Zwecke ist jedesmal eine allgemeine öffentliche Aufforderung zu erlassen.

§ 46.

Die Veranlagung des steuerbaren Einkommens des Landesherrn und der Mitglieder des Fürstlichen Hauses sowie der staatlichen Eisenbahnbetriebe er- folgt durch Fürstliche Landesregierung.

V. Rechtsmittel.

1. Berufung.

§ 47.

Gegen das Ergebnis der Einschätzung steht sowohl dem Steuerpflichtigen als auch dem Steueramt das Rechtsmittel der Berufung zu. Die Berufung ist seitens des Steuerpflichtigen bei dem Steueramt, seitens des Steueramtes bei dem Vorsitzenden der Berufungskommission einzureichen.

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356 Einkommensteuergesetz für das Fürstentum Reuss ä. L. vom 21. Dezember 1911.

§ 48. Die Berufung des Steueramtes ist innerhalb einer Ausschlussfrist von

8 Wochen nach erfolgter Einschätzung in Urschrift und Abschrift, diejenige des Steuerpflichtigen innerhalb einer Ausschlussfrist von 4 Wochen nach er- folgter Zustellung des Steuerzettels einzulegen.

Das Steueramt ist befugt, eine weitere Frist zur Begründung der Berufung auf Antrag zu gewähren.

§49. Geht die Berufung von dem Steueramt aus, so hat der Vorsitzende der

Berufungskommission dem Steuerpflichtigen die Abschrift der Berufungsschrift zur schriftlichen Gegenerklärung binnen mindestens vierwöchiger Frist unter der Verwarnung zuzufertigen, dass, wenn die Abgabe der Gegenerklärung nicht fristgemäss erfolgt, die tatsächlichen Ausführungen der Berufungsfrist als zu- gestanden gelten.

Geht die Gegenerklärung nicht rechtzeitig ein, so tritt die letztbezeichnete Rechtsfolge mit Wirkung für das weitere Rechtsmittelverfahren ein.

§ 50. Berufungen des Steuerpflichtigen, die nicht rechtzeitig erhoben sind, sind

unbeschadet der Berichtigung von Schreib- oder Rechenfehlern vom Steueramt als formell unzulässig zurückzuweisen. Gegen diesen Bescheid findet binnen zehntägiger Ausschlussfrist das Rechtsmittel der Beschwerde statt.

§ 51. Soweit Berufungen des Steuerpflichtigen nicht nach § 50 ihre Erledigung

finden, hat das Steueramt die zur Vorbereitung einer Entscheidung erforderlich erscheinenden Erörterungen anzustellen. Zu diesem Behufe stehen ihm die in den §§ 29 und 43 bezeichneten Befugnisse gleichfalls zu.

Gelangt das Steueramt zu der Ueberzeugung, dass die Entscheidung von einer Bekräftigung tatsächlicher Angaben durch Versicherung an Eidesstatt abhängig gemacht, oder dass ein Steuerpflichtiger, welcher sich nicht freiwillig dazu erboten hat, zur Vorlegung der auf seine Erwerbs- oder Vermögensver- hältnisse bezüglichen Urkunden und Geschäftsbücher aufgefordert werden muss, so ist das weitere Verfahren und die Entscheidung auf das Rechtsmittel der Berufungskommission zu überlassen und den Beteiligten hiervon kurze Nach- richt zu geben.

Ueber das Ergebnis der Erörterungen ergeht, vom Falle des vorstehenden Absatzes abgesehen, ein Vorbescheid nach Massgabe der folgenden Bestim- mungen :

Sofern das Steueramt die Berufung für unbegründet erachtet, hat es die- selbe unter Abgabe der Gründe abzuweisen.

Erachtet das Steueramt die Berufung für begründet, so hat es die Sache der Einschätzungskommission zu unterbreiten und ist letztere befugt, im Rahmen des vom Fürstlichen Steueramt gestellten Antrags ihre frühere Schätzung abzuändern.

Der Vorbescheid ist vom Steueramt mit dem Eröffnen zuzufertigen, dass, falls binnen einer Frist von zwei Wochen eine gegenteilige Erklärung nicht eingehe, die Berufung durch den Vorbescheid als erledigt betrachtet werde. Geht innerhalb der Frist eine Gegenerklärung nicht ein, so erlangt der Vor- bescheid die Rechtskraft. Beruhigt sich der Steuerpflichtige nicht, so sind die Akten dem Vorsitzenden der Berufungskommission vorzulegen.

'§ 52. Die Berufungskommission, welche ihren Sitz in Greiz hat, besteht aus

einem von Fürstlicher Landesregierung zu ernennenden Vorsitzenden oder dessen Stellvertreter und sechs Mitgliedern und ebensoviel Stellvertretern.

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Einkommensteuergesetz für das Fürstentum Reuss ä. L. vom 21. Dezember 1911. 357

Die Wahl der Mitglieder und Stellvertreter erfolgt auf die Dauer von drei Jahren, und zwar dergestalt, dass je vier vom Landesausschuss und je zwei von Fürstlicher Landesregierung aus der Mitte der nach Art. 63 der Gemeinde- ordnung zu Gemeindeämtern wählbaren Steuerzahler gewählt werden. Von den vom Landesausschuss zu wählenden Mitgliedern haben je zwei den Städten und dem platten Lande anzugehören. Eine Wiederwahl der ausscheidenden Mit- glieder und Stellvertreter ist zulässig.

Verwandte und Verschwägerte bis zum zweiten Grade einschliesslich dürfen nicht gleichzeitig Mitglieder der Kommission sein.

Die Bestimmungen der §§ 27, 28 und 30 finden auf die Berufungskom- mission sinngemässe Anwendung.

Kein Mitglied der Berufungskommission darf an der Beratung und Be- schlussfassung über Berufungen und Beschwerden gegen Beschlüsse teilnehmen, bei denen es mitgewirkt hat.

Die Mitglieder der Berufungskoramission erhalten nach näherer Bestim- mung Fürstlicher Landesregierung aus der Landeskasse Tagegelder und die Reisekosten vergütet.

§ 53.

Die Berufungskommission entscheidet über die Berufungen, welche nach den vorstehenden Paragraphen nicht ihre Erledigung gefunden haben, und die gemäss § 50 erhobenen Beschwerden.

Zur weiteren Vorbereitung der Entscheidung kann sie sich der Mitwirkung des Steueramtes bedienen.

Die Durchführung einer beantragten Beweisaufnahme darf die Berufungs- kommission nur dann ablehnen, wenn sie das angebotene Beweisverfahren zur Begründung der behaupteten Tatsachen für unerheblich erachtet oder der Beweiserhebung unverhältnismässige Schwierigkeiten entgegenstehen.

Dem Steueramt sowie dem von dem Rechtsmittel der Berufung Gebrauch machenden Steuerpflichtigen soll auf Antrag und kann von Amts wegen Ge- legenheit zur müudlichen Darlegung gegeben werden.

§ 54.

Der Berufungskommission steht die Befugnis zu, auch andere als die be- nannten Zeugen oder Sachverständigen vernehmen zu lassen und zu beschliessen, dass die Vernehmung der Zeugen und Sachverständigen eidlich zu erfolgen hat. Die Vorschriften des § 393 der Zivilprozessordnung finden entsprechende An- wendung. Ebenso sind die Vorschriften der Zivilprozessordnung über das Recht der Verweigerung des Zeugnisses oder des Gutachtens sowie der Eidesleistung der Zeugen und Sachverständigen entsprechend anzuwenden. Die Beeidigung erfolgt durch den Vorsitzenden gemäss §§ 392 und 410 der Zivilprozessordnung.

Auch kann die Kommission dem Steuerpflichtigen bestimmte Fragen über seine Vermögens- und Einkommensverhältnisse vorlegen bzw. ihn zur Vorlegung der in seinem Besitze befindlichen Urkunden (Pachtkontrakte, Schuldverschrei- bungen, Handelsbücher usw.) auffordern. Wenn binnen der zu bestimmenden Frist die erforderte Auskunft nicht erteilt wird oder die betreffenden Urkunden nicht vorgelegt werden, so wird - was dem Steuerpflichtigen jedesmal bei der Aufforderung zu eröffnen ist - angenommen, dass er die Berufung zu begründen ausserstande sei, und die letztere zurückgewiesen. Nicht minder ist die Kom- mission berechtigt, wenn es an anderen Mitteln zur Ergründung der Wahrheit fehlt, den Steuerpflichtigen zur Erklärung an Eidesstatt über die von ihm selbst gemachten tatsächlichen Angaben aufzufordern. Die Kommission hat für einen solchen Fall in einer darüber zu erlassenden Entscheidung die eidesstattliche Versicherung wörtlich vorzuschreiben, auch die Frist zu bestimmen, binnen welcher sie bei dem Vorsitzenden abzugeben ist, widrigenfalls die erhobene Berufung als unbegründet zurückzuweisen sein würde.

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358 Einkommensteuergesetz für das Fürstentum Reuss ä. L. vom 21. Dezember 1911.

2. Beschwerde.

§ 55.

Gegen den mit Gründen zu versehenden Bescheid der Berufungskommission steht sowohl dem Steuerpflichtigen als auch dejn Steueramte die Beschwerde an Fürstliche Landesregierung zu.

Die Beschwerde ist innerhalb einer vom Tage der Zustellung des Bescheids ab laufenden Ausschlussfrist von vier Wochen von dem Steuerpflichtigen bei dem Steueramte, von dem Steueramte aber bei Fürstlicher Landesregierung schriftlich einzureichen; sie kann nur darauf gestützt werden:

1. dass der angefochtene Bescheid auf der Nichtanwendung oder auf der unrichtigen Anwendung des bestehenden Rechts oder auf einem VTerstoss wider den klaren Inhalt der Akten beruhe;

2. dass das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leide. In der Beschwerdeschrift ist anzugeben, worin die behauptete Nicht-

anwendung oder unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts oder worin der behauptete Mangel des Verfahrens gefunden wird. Beschwerden ohne solche Angaben sind als unzulässig abzuweisen.

Das Steueramt überreicht die bei ihm eingegangene Beschwerde des Steuer- pflichtigen mit seiner Gegenerklärung, soweit es eine solche für erforderlich erachtet, Fürstlicher Landesregierung. Die Beschwerde des Steueramts wird dem Steuerpflichtigen zur schriftlichen Gegenerklärung innerhalb bestimmter, nicht unter einer Woche zu bemessender Frist zugefertigt.

Erachtet Fürstliche Landesregierung die Beschwerde für begründet, so kann sie die Angelegenheit zur anderweiten Entscheidung an die Berufungskommission zurückgeben oder selbst die nach ihrem Ermessen zutreffende Steuer festsetzen.

Ein weiteres Rechtsmittel findet weder im Rechts- noch im Verwaltungs- wege statt.

Die Berichtigung von Rechnungsfehlern kann bis zum Schlüsse des Ver- anlagungsjahres jederzeit gefordert werden.

Nach dem Anschluss des Fürstentums an ein Oberverwaltungsgericht gehen die nach diesem Paragraphen Fürstlicher Landesregierung obliegenden Funk- tionen mit den aus diesem Anschluss sich ergebenden Aenderungen auf das Oberverwaltungsgericht über.

VI. Veranlagungsperioden und Veränderung der veranlagten Steuer innerhalb derselben.

§ 56. Die Veranlagung der Einkommensteuer findet je für ein Steuerjahr statt;

das Steuerjahr umfasst die Zeit vom 1. April bis 31. März und führt dieselbe Zahl wie das Kalenderjahr, in dem es beginnt.

§ 57. Die Vermehrung des Einkommens während des laufenden Steuerjahres

begründet keine Veränderung in der schon erfolgten Veranlagung. Nur wenn durch Erbschaft, Vermächtnis, Ueberlassungsvertrag zwischen Eltern und Kindern, Verheiratung, Lotteriegewinn oder Schenkung eine Erhöhung des Einkommens eintritt, sind die Erwerber entsprechend der Vermehrung ihres Einkommens anderweit zu veranlagen und zur Entrichtung der Steuer von dem Beginne des auf den Anfall folgenden Monats ab verpflichtet. Die anderweite Veranlagung hat zu unterbleiben, dafern für das aus dem Anfalle herrührende Einkommen im Fürstentum e die Einkommensteuer des laufenden Steuerjahres anderweitig fortentrichtet wird.

§ 58. Wird nachgewiesen, dass während des laufenden Steuerjahres infolge des

Wegfalles einer Einnahmequelle oder infolge aussergewöhnlicher Unglücksfalle 828

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Einkommensteuergesetz für das Fürstentum Reuss ä. L. vom 21. Dezember 1911. g^g

das veranlagte Gesamteinkommen eines Steuerpflichtigen um mindestens den vierten Teil vermindert worden ist oder das wegfallende Einkommen anderweit zur Einkommensteuer herangezogen wird, so kann vom Beginne des auf den Eintritt der Einkommensverminderung folgenden Monats ab eine dem ver- bliebenen Einkommen entsptechende Ermässigung der Einkommensteuer bzw. gänzliche Befreiung beansprucht werden. Dieser Anspruch erlischt, wenn er nicht binnen einem Vierteljahre nach Ablauf des Steuerjahres bei dem Steuer- amt angemeldet wird.

§ 59, Im übrigen tritt innerhalb des Steuerjahres eine Veränderung in der

Steueranlage nur ein 1. infolge von Zugängen, indem Personen durch Zuzug aus anderen Bundes-

staaten und aus dem Auslande, durch Erlangen steuerlicher Selbständigkeit oder nichtphysische Personen nach Massgabe dieses Gesetzes steuerpflichtig werden ;

2. infolge von Abgängen, indem bei Steuerpflichtigen die Voraussetzungen, an welche die Steuerpflicht geknüpft ist, erlöschen.

Die Zu- und Abgangsstellung erfolgt von dem Beginne des auf den Ein- tritt bzw. das Erlöschen der Steuerpflicht folgenden Monats ab. Ist jedoch die Aenderung der Steuerpflicht auf eine zum ersten Tage eines Monats bestimmte Aenderung in betreff des dienstlichen Wohnsitzes zurückzuführen, so hat die Zu- und Abgangsstellung vom Beginne dieses Monats ab zu erfolgen.

§ 60. Ueber Anträge auf Steuer ermässigung (§ 58) und Inabgangstellung (§59

Ziff. 2) befindet das Steueramt. Gegen dessen Verfügung findet binnen einer Ausschlussfrist von zwei

Wochen Berufung an Fürstliche Landesregierung statt.

§ 61. Die Veranlagung nach § 57 und § 59 Ziff. 1 erfolgt an Stelle der Ein-

schätzungskommission durch das Steueramt nach vorgängigem Benehmen mit den beteiligten Gemeindevorständen. Treten die eine solche Veranlagung be- gründenden Umstände in den letzten vier Monaten des Steuerjahres ein, so erfolgt die Veranlagung für den Rest des Steuerjahres gleichzeitig mit der Veranlagung für das folgende Steuerjahr durch die Einschätzungskommission.

Im übrigen finden wegen des Verfahrens bei der Veranlagung sowie wegen der Rechtsmittel die Vorschriften der §§ 20-55 entsprechende Anwendung. An Stelle der Frist des § 37 Abs. 2 tritt eine vom Steueramt zu setzende Frist von mindestens zwei Wochen.

Die Rechtsmittel können auch von den beteiligten Gemeindevorständen eingewendet werden. Die für die Steuerpflichtigen dieserhalb geltenden Be- stimmungen finden sinngemässe Anwendung.

§ 62.

Steuerpflichtige, welche im Laufe des Steuerjahres ihren Wohnsitz im Fürstentum verändern, haben sich binnen einer Woche nach ihrem Anzug beim Gemeindevorstand des Anzugsortes über ihre erfolgte Veranlagung zur Ein- kommensteuer auszuweisen.

§ 63. Die Vorschriften des § 61 finden Anwendung auch auf die Veranlagung

derjenigen Steuerpflichtigen, welche vor Beginn des Steuerjahres und nachdem das ordentliche Veranlagungsgeschäft im Anzugsorte abgeschlossen ist, hinzu- kommen.

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3 gO Einkommensteuergesetz für das Fürstentum Reuss ä. L. vom 21. Dezember 1911.

VII. Steuererhebung. § 64.

Die veranlagte Steuer ist in vierteljährlichen Beträgen in der ersten Hälfte des zweiten Monats eines jeden Vierteljahres zu entrichten. Es steht den Steuer- pflichtigen frei, die Steuer auf mehrere Vierteljahre bis zum ganzen Jahres- betrage im voraus zu zahlen.

Dienstherrschaften und Arbeitgeber haften selbstschuldnerisch für die Steuer ihrer Dienstboten sowie aller derjenigen von ihnen gegen Lohn oder Gehalt beschäftigten Gehilfen und Angestellten, welche zu ihrem Haushalte gehören.

Für die Erfüllung der Steuerpflicht haften ausser dem eigenen Vermögen des Steuerpflichtigen und zwar in entsprechendem Verhältnis die Vermögen aller derjenigen Personen, deren Einkommen bei der Veranlagung des Steuer- pflichtigen dem Einkommen desselben hinzugerechnet sind.

§ 65. Die Zahlung der veranlagten Steuer wird durch die Einlegung von Rechts-

mitteln nicht aufgehalten, muss vielmehr, mit Vorbehalt späterer Ausgleichung, in den vorgeschriebenen Fristen erfolgen.

§ 66.

Zum Erlass veranlagter Einkommensteuerbeträge ist nur Fürstliche Landes- regierung, zur Gestundung Fürstliche Landesregierung und die von ihr hierzu etwa ermächtigte Behörde befugt.

Die Einkommensteuer kann in einzelnen Fällen von Fürstlicher Landes- regierung und der von ihr hierzu etwa ermächtigten Behörde ganz oder teil- weise niedergeschlagen werden, wenn ihre zwangsweise Beitreibung den Steuer- pflichtigen in seinem wirtschaftlichen Fortkommen gefährden, wenn das Bei- treibungsverfahren voraussichtlich ohne Erfolg sein würde oder wenn die Kosten der Beitreibung ausser Verhältnis zu dem beizutreibenden Steuerbetrage stehen würden.

VIII. Nachträgliche Veranlagung. § 67.

Ein Steuerpflichtiger, welcher entgegen den Vorschriften dieses Gesetzes bei der Veranlagung übergangen ist, ist zur Entrichtung des der Staatskasse entgangenen Steuerbetrags verpflichtet. Die gleiche Verpflichtung tritt ein, wenn mit Bezug auf einen veranlagten Steuerpflichtigen, ohne dass eine straf- bare Hinterziehung von Steuer stattgefunden hätte, nachttäglich neue Tatsachen oder Beweise ermittelt werden, welche eine höhere Veranlagung des Steuer- pflichtigen begründen.

Die Veranlagung zur Nachsteuer erfolgt bei dem nächsten Zusammentritt der Einschätzungskommission einheitlich für den ganzen Zeitraum, auf welchen sich die Verpflichtung erstreckt, nach den Vorschriften dieses Gesetzes.

Dem Steueramt liegt es ob, solche Fälle, sobald sie zur amtlichen Kenntnis gelangen, zur Nachschätzung vorzumerken und dem Steuerpflichtigen hiervon Eröffnung zu machen, wodurch die Verjährung unterbrochen wird.

Die Verpflichtung zur Zahlung der Nachsteuer verjährt in fünf Jahren; sie geht auf die Erben, jedoch nur bis zur Höhe ihres Erbteils über.

IX. Strafbestimmungen. § 68.

Wer wissentlich in der Steuererklärung, den sonstigen auf die Einkommen- steuer bezüglichen Anmeldungen oder Erklärungen, bei Beantwortung der von

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Einkommensteuergesetz für das Fürstentum Reuss ä. L. vom 21. Dezember 1911. 3ßl

zuständiger Seite an ihn gerichteten Fragen, in den von ihm vorgelegten Büchern und sonstigen Urkunden oder bei Begründung eines Rechtsmittels

1. über sein steuerbares Einkommen unrichtige oder unvollständige An- gaben macht, welche zur Verkürzung des Steuerinteresses zu führen geeignet sind, •

2. steuerbare Erträge, welche er nach den Vorschriften dieses Gesetzes anzugeben verpflichtet ist, verschweigt,

wird, wenn eine Verkürzung des Staates stattgefunden hat, mit dem vier- bis zehnfachen Jahresbetrage der Verkürzung, andernfalls mit dem vier- bis zehn- fachen Jahresbetrage der Steuer, um welche der Staat verkürzt werden sollte, bestraft. Ist ein solcher Betrag nicht zu ermitteln, so ist auf eine Geldstrafe von 5 - 300 M. zu erkennen.

An die Stelle dieser Strafe tritt eine Geldstrafe bis 200 M., wenn aus den Umständen zu entnehmen ist, dass die unrichtige oder unvollständige Angabe oder die Verschweigung steuerbaren Einkommens zwar wissentlich, aber nicht in der Absicht der Steuerhinterziehung erfolgt ist.

Ist die Falschmeldung zwar nicht wissentlich erfolgt, aber auf grobe Fahr- lässigkeit zurückzuführen, so tritt eine Geldstrafe bis zu 100 M. ein.

Erstreckt sich die Zuwiderhandlung über mehr als ein Steuerjahr, so ist die Strafe für jedes einzelne Steuerjahr verwirkt.

Derjenige Steuerpflichtige, welcher, bevor eine Anzeige erfolgt oder eine Untersuchung eingeleitet ist, seine Angabe an zuständiger Stelle berichtigt oder ergänzt bzw. die verschwiegenen Erträge angibt und die vorenthaltene Steuer in der ihm gesetzten Frist berichtigt, bleibt straffrei.

Die vorstehenden Bestimmungen finden auch auf den gesetzlichen Vertreter eines Steuerpflichtigen Anwendung.

§ 69. Die Einziehung der hinterzogenen Steuer erfolgt neben und unabhängig

von der Strafe. Von dem Erlasse eines förmlichen Strafbescheids ist Abstand zu nehmen,

wenn der Schuldige freiwillig zur Bezahlung der verkürzten Steuer, des vier- fachen Jahresbetrags derselben und der durch das Verfahren gegen ihn ent- standenen Kosten sich bereit erklärt. Aus einer solchen in verbindlicher Form vor dem Steueramte abgegebenen Erklärung findet im Nichtzahlungsfalle die Zwangsvollstreckung im Verwaltungswege nach Massgabe des Gesetzes vom 3. November 1899 statt. Zuständig zur Verfügung der Zwangsvollstreckung ist Fürstliches Steueramt.

Die Verbindlichkeit zur Entrichtung der hinterzogenen Steuer sowie der zuerkannten Geldstrafen samt Kosten geht auf die Erben des Schuldigen, jedoch nur bis zum Betrage ihres Erbteils, über.

Die Strafverfolgung verjährt in fünf Jahren, von Begehung der Hinter- ziehung an gerechnet. Das Recht des Staates auf Nachzahlung der hinter- zogenen Steuerbeträge unterliegt einer zehnjährigen Verjährung ; bezüglich des Beginns und der Unterbrechung der letzteren gelten die Vorschriften der §§19 und 20 des Ausführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche vom 26. Oktober 1899 (Ges.-S. S. 25) mit der Massgabe, dass an Stelle des Kalenderjahres das Steuerjahr (Rechnungsjahr) tritt.

§ 70. Wenn eine strafbare Handlung im Sinne des § 68 vorliegt und der

Schuldige sich zu der nach § 68 Abs. 5 nachgelassenen freiwilligen Bezahlung nicht bewogen findet, so hat das Steueramt einerseits den Betrag der hinter- zogenen Steuer durch Beschluss, anderseits den Betrag der zu erlegenden Geld- strafe durch einen den Vorschriften in § 459 Abs. 2 der Strafprozessordnung vom 1. Februar 1877 entsprechenden Strafbescheid festzusetzen, falls es nicht vorzieht, die Strafverfolgung der Staatsanwaltschaft zu überlassen.

Gegen den Steuerfestsetzungsbeschluss findet nur Beschwerde binnen einer 831

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362 Einkommensteuergesetz für das Fürstentum Reuss ä. L. vom 21. Dezember 1911.

Ausschlussfrist von vier Wochen, vom Tage der Zustellung ab gerechnet, an Fürstliche Landesregierung statt, welche endgültig entscheidet.

Eine Anfechtung des Strafbescheids im Verwaltungswege findet nicht statt. Wird gegen denselben auf gerichtliche Entscheidung angetragen, so hat das Steueramt, sofern nicht etwa die Zurücknahme» des erlassenen Bescheides an- gezeigt erscheint, die Akten an die zuständige Staatsanwaltschaft abzugeben.

§71. Wer die nach § 35 ihm obliegende Auskunft verweigert oder ohne ge-

nügenden Entschuldigungsgrund in der gestellten Frist gar nicht oder unrichtig oder unvollständig erteilt, wird mit einer Geldstrafe bis zu 100 M. bestraft; ingleichen wer der Aufforderung, als Sachverständiger oder Auskunftsperson vor der Einschätzungskommission seines Bezirks zu erscheinen, ohne genügende Entschuldigung nicht Folge leistet. Die Strafe muss in der Aufforderung aus- drücklich angedroht sein.

Wer der im § 62 vorgeschriebenen Verpflichtung nicht rechtzeitig nach- kommt, wird mit Geldstrafe bis zu 20 M. bestraft.

Die Untersuchung und Entscheidung gebührt dem Gericht, sofern nicht der Schuldige auf vorherige Anforderung die Strafe nebst den entstandenen Kosten binnen einer ihm gesetzten Frist freiwillig zahlt. Die auf erfolgte Strafanforderung gezahlten Strafen fliessen im Falle des § 35, soweit ein Ge- meindevorstand beteiligt ist, sowie im Falle des § 62 in die Gemeindekasse, im übrigen in die Staatskasse.

Die Strafanforderung wird erlassen: a) im Falle des § 29 Abs. 3 vom Steueramt; b) im Falle des § 35 von der Behörde, der gegenüber die Zuwiderhand-

lung begangen ist; c) im Falle des § 62 vom Gemeindevorstand. In den Fällen unter b und c tritt das Steueramt an die Stelle des Ge-

meindevorstandes, sofern letzterem die Anlegung der Kataster nicht obliegt.

§ 72. Die bei der Steuerveranlagung beteiligten Beamten und sonstigen Per-

sonen, insbesondere auch die Mitglieder der Kommissionen, ferner alle Beamte, die dienstlich von der Veranlagung Kenntnis erhalten, werden, wenn sie die amtlich zu ihrer Kenntnis gelangten Erwerbs-, Vermögens- oder Einkommens- verhältnisse eines Steuerpflichtigen, insbesondere auch den Inhalt einer Steuer- erklärung, Schuldenanmeldung oder der darüber gepflogenen Verhandlungen unbefugt offenbaren, mit Geldstrafe bis zu 1500 M. oder mit Gefängnis bis zu drei Monaten bestraft.

Die Verfolgung findet nur auf Antrag Fürstlicher Landesregierung oder des Verletzten statt.

Zuständig ist das Gericht.

X. Veranlagung für die Erhebung von Umlagen zu Gemeindeumlagen. § 73.

Soweit auch das Einkommen der nach Massgabe dieses Gesetzes von der Staatseinkommensteuer befreiten Personen seitens der kommunalen und anderen öffentlichen (Schul-, Kirchen- usw.) Verbände zur kommunalen usw. Besteuerung herangezogen wird, erfolgt deren Veranlagung gleichfalls unter Anwendung der Bestimmungen dieses Gesetzes.

XL Kosten. § 74.

Die Kosten der Steuerveranlagung und Erhebung fallen der Staatskasse zur Last.

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Einkommensteuergesetz für das Fürstentum Reuss ä. L. vom 21. Dezember 1911. ggß

Für die Tätigkeit der Gemeindevorstände, ferner für das von den Ge- meinden, innerhalb welcher die Kommissionen tagen, zur Verfügung zu stellende Sitzungslokal (mit Einschluss der Heizung, Beleuchtung, Reinigung und Be- dienung) sowie für Schreibmaterial wird eine Vergütung nicht gewährt.

Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, welcher es eingelegt hat.

Die Kosten der nach § 10 Ziff. 5 angeordneten Anhörung eines Sachver- ständigen trägt der Steuerpflichtige auch abgesehen vom Falle des vorhergehen- den Absatzes, es sei denn, dass die Anhörung zur zweckentsprechenden Rechts- verfolgung erforderlich gewesen ist.

Zeugen und Sachverständige erhalten nach dem Gesetze vom 29. Dezember 1888 (Ges.-S. S. 50) Entschädigung.

Xu. Schiusa- und Uebergangsbestimmungen.

§ 75. Wer durch Naturereignisse oder andere unabwendbare Zufälle an der Ein-

haltung einer Frist gehindert worden ist, deren Versäumung nach dem Gesetze den Verlust oder die Zurückweisung eines Rechtsmittels zur Folge hat, kann die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragen. Einem unabwendbaren Zufalle wird es gleich geachtet, wenn der Nachsuchende von einer Eröffnung, die ihm nicht persönlich behändigt worden ist, ohne sein Verschulden keine Kenntnis erhalten hat.

Die versäumte Handlung muss binnen zwei Wochen nachgeholt und der Antrag auf Wiedereinsetzung innerhalb derselben Frist gestellt werden. Die Frist beginnt, wenn die Einlegung eines Rechtsmittels versäumt worden ist, mit dem Tage, an welchem das Hindernis behoben ist. In anderen Fällen be- ginnt die Frist mit der Zustellung der Entscheidung oder des Beschlusses, wo- durch das Rechtsmittel wegen der Versäumnis zurückgewiesen wird.

Die Wiedereinsetzung wegen Versäumnis der Frist zur Einlegung eines Rechtsmittels kann nicht mehr beantragt werden, wenn seit dem Ende der ver- säumten Frist sechs Monate verstrichen sind.

Die Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Frist zur Steuererklärung oder Steueranmeldung ist nur statthaft, wenn der Nachsuchende binnen zehn Tagen von erlangter Kenntnis der Aufforderung oder von Beseitigung der Be- hinderung ab die versäumte Handlung nachgeholt hat.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist in allen Fällen bei dem Steueramt anzubringen und unter genauer Anführung der Umstände, durch welche die Versäumnis veranlasst worden ist, näher zu begründen und zu bescheinigen. Ueber den Antrag entscheidet endgültig die Kommission oder Behörde, welcher die Entscheidung über das durch Fristversäumnis verwirkte Rechtsmittel zusteht oder zugestanden hat.

§ 76. Die unrichtige Bezeichnung eines Rechtsmittels und die irrtümliche An-

bringung desselben bei einer unzuständigen Behörde sind für die Frage der Zulässigkeit und Rechtzeitigkeit belanglos. Wird ein Rechtsmittel bei einer zu dessen Entgegennahme nicht zuständigen Behörde angebracht, so hat diese es der zuständigen Behörde zu überweisen.

§ 77. Fürstliche Landesregierung ist ermächtigt, zur Vermeidung einer Doppel-

besteuerung der dem Steuerrechte mehrerer Staaten unterliegenden Personen Vereinbarungen zu treffen, durch die ihre Heranziehung zur Einkommensteuer unter Wahrung des Grundsatzes der Gegenseitigkeit auch abweichend von den in diesem Gesetze enthaltenen Vorschriften geregelt wird.

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364 Einkommensteuergesetz für das Fürstentum Reuss ä. L. vom 21. Dezember 1911.

§ 78.

Der Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes wird durch Regierungs- verordnung bestimmt. Mit Rücksicht auf § 56 dieses Gesetzes ist er auf den 1. April zu legen.

Für das unmittelbar vorhergehende Vierteljahr behält die Veranlagung für das vorige Kalenderjahr Gültigkeit mit den durch Zugänge und durch §§ 45, 48 des Einkommensteuergesetzes vom 4. Januar 1893 bedingten Aenderungen. Die Steuer beträgt für jeden vollen Monat dieses Vierteljahres drei Vierteile der in § 5 des Gesetzes vom 4. Januar 1893 bezeichneten Sätze.

Alle diesem Gesetze entgegenstehenden Bestimmungen, insbesondere das Gesetz vom 4. Januar 1893 und die Vollzugsvorschriften der Regierungsverord- nungen vom 11. Januar 1893, vom 19. Februar 1883 und 25. August 1906, ferner der § 5 des Gesetzes vom 13. Januar 1887 (Ges.-S. S. 43) treten vorbehaltlich der Anwendung auf frühere Fälle mit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes ausser Wirksamkeit.

Insoweit in anderen Gesetzen das dermalen gültige Einkommensteuergesetz angezogen wird, tritt gegenwärtiges Gesetz an dessen Stelle.

§ 79. Mit der Ausführung des gegenwärtigen Gesetzes ist Fürstliche Landes-

regierung betraut.

Tarif (zu vgl. § 18).

Die Einkommensteuer beträgt jährlich bei einem Einkommen 1. Stufe von mehr als 50 M. bis einschliesslich 200 M. . . IM. 2. „ „ „ „ 200 „ „ „ 400 „ . . 2 „ 3. „ „ „ „ 400 „ „ „ 500 „ . . 3 „ 4. „ „ „ 500 „ „ „ 600 „ . . 4 „ 5. , „ ,,600», „ 750 „ . . 6 , 6. , „ „ „ 750 „ „ „ 900 „ . . 8 „ 7. „ „ „ „ 900 „ , , 1050 „ . . 10 „ 8. , „ „ „ 1050 „ , „ 1200 , . . 13 , 9. „ , „ „ 1200 „ „ , 1350 „ . . 16 „

10. , „ , , 1350 , „ , 1500 „ . . 19 , 11. » r, « » 1500 „ „ „ 1650 „ . . 22 „ 12. „ , , „ 1650 , „ , 1800 „ . . 26 , 13. , „ „ 1800 , , „ 1950 „ . . 30 „ 14. , » 1950 , , „ 2100 „ . . 85 „ 15. , , „ „ 2100 , „ , 2250 „ . . 40 „ 16. , , , „ 2250 „ , „ 2400 , . . 46 , 17. , » , , 2400 „ „ „ 2550 „ . . 52 , 18. „ , , „ 2550 „ „ „ 2700 „ . . 58 „ 19. „ „ „ „ 2700 , „ , 2850 , . . 64 , 20. , , „ , 2850 „ „ , 3000 , . . 70 „ 21. , „ „ „ 3000 , „ „ 3300 „ . . 80 „ 22. „ „ , 3300 „ „ „ 3600 „ . . 90 „ 23. „ , , 3600 „ , „ 3900 „ . . 100 , 24. „ „ , „ 3900 „ „ » 4200 , . . 111 „ 25. , „ „ , 4200 „ , , 4500 , . . 122 , 26. , „ „ „ 4500 , , , 4800 , . . 133 „ 27. „ „ , 4800 „ „ » 5100 „ . . 144 „ 28. „ „ , , 5100 , „ , 5400 „ . . 156 „ 29. „ , „ , 5400 , , , 5700 „ . . 168 „ 30. „ , „ 5700 „ „ » 6000 „ . . 180 ,

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Einkommensteuergesetz für das Fürstentum Reuss ä. L. vom 21. Dezember 1911. gßg

31. Stufe von mehr als 6000 M. bis einschliesslich 6500 M. . . 198 M. 32. „ „ „ , 6500 „ , „ 7000 , . . 216 „ 33. „ „ , „ 7000 , „ , 7500 „ . . 234 „ 34. „ „ , „ 7500 „ , , 8000 , . . 254 „ 35. » „ „ , 8000 , , „ 8500 „ . . 274 „ 36. „ „ , „ 8500 „ , , 9000 „ . . 296 „ 37. „ „ , , 9000 „ „ „ 9500 „ . . 318 „ 38. „ „ „ „ 9500 , , , 10,000 , . . 340 „ 39. „ „10,000 , „ „ 11,000 , . . 375 „

Die Steuer steigt weiter bei Einkommen von

mehr als 11,000 M. bis einschl. 15,000 M. in Stufen von 1000 M. um je 40 M., „ „ 15,000 , , , 24,000 , , 1000 , , , 45 , , „ 24,000 , „ , 40,000 „ „ 1000 „ , „ 50 „ „ , 40,000 , „ „ 58,000 „ , 1000 „ , „ 55 „ „ r, 58,000 „ „ , 70,000 , , „ 1000 „ , , 60 „

Bei Einkommen über 70,000 M. beträgt die Steuer 50 M. für je volle 1000 M. des Einkommens.

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