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Ein Hund und eine Seele

Date post: 18-Mar-2016
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Holger Weinert, der beliebte Moderator des Hessischen Rundfunks, bekannt aus Sendungen wie der "vipshow" oder der "hessenschau", schreibt in seinem neuen Buch auf gewohnt amüsante und unterhaltsame Weise wie seine selbstbewusste Golden-Retriever-Hündin "Paula" an seiner Seite die Herzen der Fans eroberte. Paula ist mittlerweile über die "Regenbogenbrücke" gegangen und der Autor geht der Frage nach was der Tod so enger Weggefährten in uns auslöst.
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Ein Hund und eine Seele Warum wir unsere Haustiere so vermissen Holger Weinert Laudatio Verg
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Ein Hund und eine Seele

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Warum wir unsere Haustiere so vermissen

Holger Weinert

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Wei

nert

LaudatioVerlag

Den Fernsehzuschauern ist der beliebte Moderator des Hessischen Rundfunks von Sen-

dungen wie der vipshow“ oder der hessenschau“ schon seit langem bekannt. Doch nur wenige kennen

auch den Menschen Holger Weiner t. In seinem neuen Buch gewähr t er den Lesern einen sehr

persönlichen Einblick in einen wichtigen Abschnit t seines Lebens, der durch seine Golden-Retriever-Hündin Paula“ bestimmt war. Auf gewohnt amüsante und unter-

haltsame Weise erinner t sich der Journalist daran, wie die selbstbewusste Hundedame an seiner Seite die

Herzen der Fans erober te und bei Begegnungen mit Prominenten wie Steffi Graf oder Sir Peter Ustinov für

Erheiterung und Aufregung sorgte. Auch wenn Paula mit tlerweile über die Regenbogen-

brücke“ gegangen ist, bleibt die Frage aktuell, warum der Verlust eines geliebten Tieres eine so große Lücke zu-

rücklässt. Tator t-Kommissar Ulrich Tukur, Schrif tstellerin Eva Demski, der Psychoanalytiker Prof. Dr. Adrian

Gaer tner und andere erklären, was der Tod so enger Weggefähr ten in uns auslöst.

LaudatioVerlagIhr privater Buchverlag

Laud

atio

Verlag

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Ein Hund und eine Seele

Warum wir unsere Haustiere so vermissen

Holger Weinert

Ihr privater Buchverlag

LaudatioVerlag

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Alle Rechte vorbehalten© 2011 Laudatio Verlag, Frankfurt am MainGestaltung: Andreas GrunauUmschlagfotos: Walter Breitinger (Titelseite) Urban Kirchberg (Rückseite)Innenfotos von Holger Weinert und Paula sowie alle Stills aus den hr-Sendungen: vipshow und Rheinpartie“ © Hessischer Rundfunk Der Abdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Hessischen Rundfunks Anstalt des öffentlichen Rechts, Frankfurt am MainAlle anderen Fotos: Holger Weinert, privatLektorat: Nathalie Klepper, Frankfurt am MainISBN 978-3-941275-30-0www.laudatio-verlag.de

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Inhalt

Zu allererst 5

“Hoppla, hier komm ich!“ 7

Die Entdeckung der Welt 10

Menschenkenntnis à la Paula 12

Wasser – oder Paulas Element 17

Eine prominente Hundedame 20

Neue Wände – ein gefundenes Fressen 22

Ein Paradies für Schneehunde 25

TV-Schaffen einer V.I.P-Hundedame 28

Dicke Jungs und dumme Unfälle 32

Ein Hund versteht mehr als nur Worte 35

„Daisy, ich fress Dich!“ 38

Die böse Nachbarin 43

Klappe zu – Hund fort! 46

Lauscher auf beim Autokauf! 48

Ein Schiff namens Paula 50

Der Schatten der Wirklichkeit 55

Drei, die sich (was) trauen 57

Paula sieht fern 62

Eine tierisch gute Bescherung 64

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Neues Schiff, neues Glück 67

Müritz pur 71

Schiffbruch light 78

Unterwegs und „on air“ mit Paula 80

Paula verweigert sich 88

Ein V.I.P.-Hund a. D.? 89

Holland ist schön 92

Comeback einer TV-Hündin 94

Die Rheinpartie 97

„Eine Insel mit zwei Bergen ...“ 103

Der Hund, das unbekannte Wesen 107

Panik im Schneideraum 114

„Venedig sehen und …“ 117

Im Nachhinein 123

Warum wir unsere Haustiere so vermissen 127

Warum kommen sich Mensch und Tier so nah, Frau Demski, Herr Drieseberg? 128

Warum vermissen wir unseren Hund so sehr, Frau Herth, Herr Herth? 146

Warum löst der Hund so starke Gefühle in uns aus,Herr Tukur? 154

Was macht die Beziehung „Mensch/Hund“so einzigartig, Herr Gaertner? 162

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Zu allererst

Jedes Jahr ereignen sich unter uns hunderttausende von Trauerfällen, welche nur von wenigen aus dem nächsten Umfeld zur Kenntnis genommen werden. Da verlieren Menschen Lebewesen, die ständig um sie herum waren, ihre treuesten Begleiter, die – ebenso wie engste Angehörige – längst zu einem Teil des täglichen Lebens geworden waren. Ihr Ableben löst eine Trauer aus, die für andere manchmal kaum nachvollziehbar ist. Und doch, als mein erster Hund, die Paula, über die „Regenbogenbrücke“ gegangen war und ich mich mit einem Mal im gefühlt schwersten Trauerfall bislang befand, sagte mir Gräfin Dorothea Razumovky aus Lich: „Sie glauben es vielleicht nicht, aber es ist bei jedem Hund wieder dasselbe.“

Dies ist die kurze Lebensgeschichte meiner Golden-Retriever-Hündin Paula. Kurz, weil sie nur knapp elf Jahre alt wurde. Kurz auch deshalb, weil die Zeit mit ihr so schnell vergangen ist, so schnell wie das Leben ja sowieso im Sauseschritt rast. Paula war zeit ihres

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Hundelebens auch im Fernsehprogramm des Hessischen Rundfunks zu sehen. Unter anderem war sie ein fester Bestandteil der „vipshow“, die zehn Jahre lang lief, von „maintower“, der „hessenschau“ und zuletzt der Reihe: „Rheinpartie“. Die bereits aufgezeichneten Folgen lie-fen noch Wochen nach ihrem Tod im Fernsehen. Als im Abspann der letzten Folge eine Tafel zu ihrem Gedenken mit ausgestrahlt wurde, rechnete ich mit Reaktionen, die ins Sentimentale oder sogar Gefühlskitschige gehen könnten. Aber das war zu meiner Überraschung kaum der Fall. Nie habe ich dermaßen viel Post bekom-men: Vor allem hunderte von E-Mails, und selten gab es darin soviel Echtheit der Gefühle, so sympathische Reaktionen. Eine Frau schrieb: „Ich sitze hier und mir fließen die Tränen, während ich das schreibe, weil ich gerade von Paulas Tod erfahren habe.“

Was löst der Hund in uns aus? Er scheint unsere tiefen Lebensgefühle anzusprechen, zu verkörpern; zum Beispiel die Trauer um unser eigenes endliches Dasein, das ein Hund mit seiner vergleichsweise kurzen Lebensspanne so dramatisch beschreibt. Katzen wer-den in der Regel älter – und sind sie plötzlich fort, feh-len sie umso mehr an allen Ecken und Enden. Ich will hier die Lebensgeschichte meines Hundes erzählen, denn er war zu einem beträchtlichen Abschnitt (genau genommen rund 20 Prozent davon) die Geschichte mei-nes Lebens. Es kommt viel Schönes in dieser Geschichte

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vor, viel Lustiges auch. Denn schön ist es ja, das Leben. Und vielleicht wird auch deutlich, warum der Verlust eines geliebten Haustieres viele Menschen so schmerzt. Einem Außenstehenden erscheint ein Tier zunächst austauschbar. Wer diese Geschichte liest, wird feststel-len, warum dem nicht so ist.

“Hoppla, hier komm ich!“

Schon immer wollte ich einen Hund haben. Nun hatte ich mir gegen alle Vernunft den Wunsch endlich erfüllt: Da saß es nun auf dem Esszimmer-Fußboden, das ver-unsicherte kleine Wesen, den Hintern auf dem Parkett, das Köpfchen gereckt, ein neun Wochen alter Golden-Retriever-Welpe. Sie war von dem großen Wurf auf dem Bauernhof an der Bergstraße am gierigsten nach Streicheleinheiten gewesen. Paula, die noch aussah wie ein Stofftier, bewegte sich tapsig, aber mit großem Entdeckerdrang. An dem niedlichen winzigen Körper klebten riesige Pfoten. Und sie gab mit einem noch

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etwas heiseren „Wuff“ gleich erstmal ihre Ansprüche an das Leben und diese unglaublich neue Situation zu verstehen. Ihre Stimme war sehr hell, sie sollte sich noch vielen einprägen. Und so blieb sie ihr Leben lang: ein Alphatier, immer die Schnauze vorn, fast bis zum Schluss.

Schon am ersten Tag war sie mit im Sender und setzte gleich einen Haufen ins Moderatorenzimmer und mitten auf die Auslegeware. Ich saß nebenan am Tisch der Mittagskonferenz, rauchende Köpfe, da raste mein junger Redakteur Volker mit Zeitungspapier und dem stinkenden Inhalt an der Mittagskonferenz nebenan vorbei. Jemand am Tisch rümpfte die Nase, ich tat, als wüsste ich von nichts. „Das macht doch nichts“, sagte die damalige Hessenschau-Chefin eine halbe Stunde später, „mein Kind macht auch dreimal am Tag in die Hose.“ Ich war erleichtert, wie locker man hier mit der Situation umging.

Im Studio, wo einige Moderationen mit mir aufge-zeichnet wurden, spielte sich darauf dasselbe Theater ab. Später aber griff ein Kamerakollege sich das win-zige Ding, setzte es auf einen Moderationstisch – und ließ die Kamera laufen. Klar, dieser Welpenblick konnte jedem Zuschauer das Herz brechen. Unser Redakteur Volker raste einer fabelhaften Eingebung folgend in die Redaktion und holte die Wollmütze mit dem „V.I.P.“-Schriftzug, wie wir sie von ihm alle zu Weihnachten

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geschenkt bekommen hatten. Mit der Mütze auf Paulas Kopf entstand ein grandioses Bild für alle Hundefreunde. Und der niedliche Blick der Kleinen sprach Bände von der Neugierde und Vorfreude auf das vor ihr liegende noch unbekannte Leben. Das war der Anfang unserer gemeinsamen Biografie. Viele Hunde- und Katzenbesitzer werden verstehen, was ich damit meine. Sie wissen, einiges von dem gemeinsa-men Erleben brennt sich – wie bei eigenen Kindern – ein für alle Mal in die Erinnerung ein. Wie z. B. mein nächtlicher Gang ins Bad. Total verschlafen wollte ich zur Toilette und übersah den Haufen, den Paula im Flur hinterlassen hatte, rutschte darauf aus und knallte der Länge nach auf den Boden. Ein unvergessliches Erlebnis! Nur fast elf Jahre später sollte sich Paula auf die gleiche Art und Weise wieder von mir verabschie-den, so, wie sie sich eingeführt hatte.

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Die Entdeckung der Welt

Auch wir haben alle mal klein angefangen. Alles war neu für uns, fühlte sich ganz eigenartig an, roch noch so unbekannt. Wieviel stärker müssen diese Eindrücke erst für einen Welpen sein, der so viel besser riecht und hört als wir Menschen? Ich selbst habe bis heute nie verges-sen, wie unterschiedlich mir damals die Gerüche mei-ner Tanten und Onkel vorkamen, oder welche verschie-denartigen Aromen von jedem Essen ausgingen, das bei uns zuhause auf den Tisch kam. Oder auch der Duft von frisch gewaschener Bettwäsche! Für den kleinen Hund, der plötzlich durch die Wohnung geisterte, war dies alles ebenfalls völlig neu. Besonders galt dies auch für Menschen. Wie groß war allein ihre Begeisterung, wenn es darum ging, Kollegen oder Freunde, die her-einkamen, hingebungsvoll zu begrüßen. Um diese Freude bei Paula auszulösen, genügte bald schon nur das Klingeln an der Tür. Leider bekommt das Schöne an einer menschlichen Begegnung für uns im Laufe unse-res Lebens etwas Selbstverständliches, und es nutzt sich sogar ab. Ganz anders der Hund: Er empfängt

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einen noch beim hundertsten Mal mit der gleichen Leidenschaft wie beim ersten Mal. Dies war viel-leicht auch der Grund dafür, warum ich meiner win-zigen Paula nicht aberziehen wollte, – allen meinen Ermahnungen zum Trotz – an allen hochzuspringen. Auch wenn ich immer wieder aufgefordert wurde, mit ihr doch zur Hundeschule zu gehen – sie sollte immer die Paula bleiben, die sie war.

Es war gar nicht mal so, dass ich den ganzen Tag nur noch mit dem neuen Tier beschäftigt war. Allerdings: Einkaufen dauerte jetzt länger, weil vor allem Frauen in Verzückung gerieten und ständig wie hypnotisiert ste-hen blieben, um den Hund zu streicheln. Weil Paula an jeder Mauer endlos schnüffelte, ereigneten sich manchmal absurde Szenen: Bei einem winterlichen Spaziergang mit ihr lachte uns eine junge Frau faszi-niert entgegen, um im selben Moment vor ihrer Haustür auszurutschen.

Nachts lag Paula im Schlafzimmer, in einer kleinen dunkelblauen Wäscheschale, in die sie, so winzig wie sie noch war, genau hineinpasste. Es sollte noch eine Weile dauern, bis sie in der Lage war, das Bett zu entern. Eine echte Show war es, mit Welpe Paula ein Café zu betreten. Sie hatte diesen typisch tollpatschigen Welpengang, den sie auch später nie völlig ablegte. Vielleicht wegen des grandiosen Erfolges, den sie damit bei den Zuschauern erreichte: Das ganze Lokal drehte

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sich schlagartig um, als ich mit ihr das Café betrat. Klar, dass dieser Hund irgendwann gemerkt haben muss: „Die Aufmerksamkeit der Menschen gehört mir!“ Eine Diva war geboren. Und diese hatte ein naturgegebenes Gespür für die Kamera, das einzigartig zu sein schien. Hunde und andere Tiere sollen die Linse einer Kamera ja für ein Auge halten. Wenn dies bei ihr auch der Fall war, dann sah sie sich nur zu gern durch das Auge des Betrachters.

Menschenkenntnis à la Paula

Noch interessanter war, welche Menschenkenntnis Paula in kürzester Zeit entwickelte. Bestes Beispiel dafür waren Männer, die sie scheinbar grundlos anknurrte. Doch schon bald fiel mir auf, dass tatsächlich einige Typen darunter waren, die entweder wirklich bedroh-lich wirkten, oder auch einfach nur Angst vor Hunden hatten. Das merkte sie dann sofort. Ließ sich z. B. ein ganz bestimmter Installateur bei uns zuhause blicken,

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brach sie im Bruchteil einer Sekunde in ohrenbetäuben-des Gebell aus. Der Mann stand dann angstschweißge-badet im Flur und rührte sich nicht mehr von der Stelle. Auch meine Menschenkenntnis machte Fortschritte: Mir fiel auf, wie viele Männer doch eine ganz eigene, tiefe innere Verbundenheit mit den Vierbeinern ver-spürten, und zumeist auch einen besseren Zugang zu ihrer Gefühlswelt hatten, als man dem viel gescholte-nen Durchschnittsmann zumeist zutraut. Es stellte sich heraus, dass gerade diese Männer als Kind selbst einen Hund gehabt oder ihn sich zumindest gewünscht hat-ten. Auf der anderen Seite lernte ich durch Paula auch viele Frauen kennen, die beim Anblick meines nied-lichen Welpen hysterisch reagierten und in ihm eine gefährliche Bestie zu erkennen glaubten. Zugegeben wurde dieser Hund auch später nicht ganz einfach, aber gefährlich wurde sie selten für andere. Angriffslustig reagierte sie allenfalls einmal, wenn sie angeleint war und sich von anderen Hunden provoziert fühlte.

Mein eigenes Leben hatte sich durch den Hund ver-ändert. Ich nahm mehr von meiner Umwelt wahr, und natürlich auch von den Menschen um mich herum. Und es entstanden spontan immer wieder Gespräche mit Wildfremden, über das blonde Ding natürlich. Und bald schon wurde mir klar, dass Paula zu einem voll-wertigen Familienmitglied wurde.

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Dies demonstrierte sie auch schon bald, als meine Schwester Heide ihren 60. Geburtstag feierte (wie sehr ich sie da bemitleidete!). Mir kam diese Zahl und das Datum jedoch völlig unwirklich vor. Ein ähnlich feier-licher Anlass – ihre Hochzeit – war mir nämlich noch in Erinnerung, als wäre es erst gestern gewesen. Als Blumenkind hatte ich mit elf Jahren Blümchen für das Paar gestreut, da war sie gerade mal vierundzwanzig. Nun ja, es kam ja nicht gerade einem Todesurteil gleich, so ein runder Geburtstag – und irgendwann droht er uns – bei einem glücklichen und gesunden Verlauf des Lebens – ja allen. Jedoch bleibt mir dieser Tag, mehr noch die Nacht darauf, unvergessen. Paula war zu der Zeit ja sozusagen noch ein Baby, nicht mal vier Monate alt. Dennoch enterte sie den festlichen Raum im Hotel am Rand der Schwäbischen Alb mit einem triumphalen Auftritt: Sie riss sich von mir los und sprang erst einmal an sämtlichen bereits sitzenden Gästen hoch. Meine Kasseler Verwandtschaft kannte das unerzogene, aber fürs Fernsehen ausgesprochen effektive Verhalten ja schon vom Bildschirm.

Die Feier wurde noch viel lustiger, weil ich den Teufel tat, den kleinen Hund in die Schranken zu weisen. Im Gegenteil, ich war froh, dass es nicht ganz so gemessen feierlich zu ging, wie das sonst bei den Anverwandten üblich war. Einzig meinem Onkel Karl gefiel das unge-bührende Verhalten meiner stürmischen Hündin. Galt er

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ja auch als Außenseiter innerhalb unserer Familie und – was noch wichtiger war – als ein echter Hundefreund. Schließlich war er es auch, dem es gelang, Paula wieder mit ins Freie zu lotsen. Seine Rauchpause sollte ihr ganz gelegen kommen, hatte sie den dortigen Forellenbach, die Echaz, doch schon längst gewittert. Zufrieden und patschnass kam sie wieder herein. Und als es drinnen zu den obligatorischen Festreden und Gedichtvorträgen kam, schüttelte sie sich mal eben unerschrocken vor der gesamten fein gekleideten Gesellschaft. Mehrere Entsetzensschreie unterbrachen die andächtige Stille; und doch hatte ich das sichere Gefühl, dass sich im Grunde alle über Paulas lustige Einlage und die will-kommene Abwechslung freuten. So ging es mir oft mit ihr.

Die Nacht darauf gelang es ihr dann das erste Mal meine Ebene zu erobern – mit einem kecken Sprung aufs flache Hotelbett. Das klappte beim ersten Anlauf, und dementsprechend überrascht und gleichzeitig tri-umphierend war auch ihr Gesichtsausdruck. Doch ich konterte: „Nein, wieder runter!“ Als ich nachts wach wurde, spürte ich eine feuchte Hundeschnauze an mei-ner Nase. Später als sie sich ihren Platz im Bett an mei-ner Seite ganz offensichtlich doch endgültig erstrit-ten hatte, schlief sie oft in der Löffelchenstellung, ihren Rücken gegen meinen Bauch gedrückt. Viele Tierbesitzer werden bestätigen können, wie schnell

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ein enger körperlicher Kontakt miteinander entsteht, wenn sich Mensch und Hund auf einander einlassen. Zur Beruhigung: Später schlief sie in der Regel im Wohnzimmer und kam erst morgens um sieben Uhr zu mir hoch, mit einer Pünktlichkeit, als habe sie sich für mich den inneren Wecker gestellt.

Nicht weniger turbulent ging es bei den Feierlichkei-ten rund um Goethes 250. Geburtstag am 28. August 1999 zu: Meine Kollegin Monika Kullmann sagte: „Du trittst als „Goethe in der Campania“ auf, ich hab das Kostüm nach dem Tischbein-Bild schon bestellt.“ Mir wurde ganz anders zumute. Da stand ich dann am nächsten Tag, links von mir Bundespräsident Rau, rechts von mir Oberbürgermeisterin Petra Roth. Zu allem Überfluss trudelte just in diesem Moment die Königin von Spanien, leibhaftig (kein Witz!) mit den „weißen Mäusen“ (hessische Polizeieskorte für Staatsbesuche) ein. Und ich in diesem Aufzug! Dennoch waren alle froh, dass mal wieder etwas los war, und es weniger langweilig ablief, als man es von sonstigen öffentlichen Terminen gewohnt war. Nur Paula hatte an dem Tag keinen Co-Auftritt, das wäre mir dann doch zuviel geworden. Aber eigentlich übernahm ich ihren Part doch vollkommen. Die dpa-Fotos von dem Auftritt wurden mir selbst aus arabischen Ländern zugeschickt. Leider zeigten sie einen Goethe ohne Hund. Und als ich abends nach Hause kam, guckte mich jemand auch

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dementsprechend sehr vorwurfsvoll an. Da roch und spürte sie offenbar, was sie verpasst hatte. Und dann war´s auch noch die Königin von Spanien!

Wasser – oder Paulas Element

Es war ein regnerisches Frühjahr und der Tag an einem Baggersee in der Pfalz, an dem Paula schwimmen ler-nen sollte. Die Bilder sehe ich noch vor mir, als habe es sich erst vorgestern so zugetragen. Sie tapste ans Ufer und erreichte die seichte Wasseroberfläche; sie wollte wohl ihre Schwimmhäute ausprobieren, die Golden Retriever und Labrador-Hunde zwischen den Klauen haben. (Beide Rassen sind ausgesprochene Wasserhunde.) Dann noch kurz ein Blick zurück und, platsch, ein Sprung nach vorn, hinein ins das große unbekannte Nass. Was darauf folgte, war ein begeis-tertes wie atemloses Fiepen. Sie schwamm im Kreis und war sofort im wahrsten Sinne des Wortes in ihrem

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Element, so wie es auch zeit ihres Lebens bleiben sollte. Urplötzlich kam mir der Gedanke: was ist, wenn sie einmal sterben wird? Doch schienen diese Dinge noch so unendlich weit weg. Es war das Jahr 1999, und die Jahrtausendwende, auch so etwas, das bis-her eigentlich immer so unheimlich weit weg schien, stand unmittelbar bevor. Mein Lieblingsreiseziel waren damals die Cinqueterre, die fünf Orte an der ligurischen Felsenküste. Aber vermutlich hatte ich zwischenzeit-lich zu vielen Leuten davon erzählt, denn irgendwann wurde es dort nur noch unerträglich voll. Diese extrem steile Küste zwischen Genua und La Spezia (inzwischen Teil der Unesco-Weltkulturerbe-Liste) besteht aus winzi-gen Dörfern, die per Zug oder vom Wasser aus einfacher zu erreichen sind als über Land mit dem Auto.

Auf der Hinreise passierte der erste große Zwischenfall mit meiner ansonsten eher reisefreudigen Hündin: Stau im Gotthard-Tunnel! Ich hätte es ahnen können, fahre ich doch sonst in der Regel sowieso lieber über die alte Passstraße. Die Luft im Tunnel wurde durch die Autoabgase irgendwann unerträglich, und das im-mer noch kleine Tier fing wohl aufgrund der hohen Monoxid-Konzentration im Tunnel an zu japsen und zu zucken. Kein Wunder, denn das Stoffdach meines Cabrios war im Prinzip nie völlig luftdicht. Zum Glück schafften wir es gerade noch rechtzeitig raus.

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Fortan ließ sich meine Blonde aber nur noch mit offe-nem Dach weiter transportieren, ohne in Panikattacken und Zittern am ganzen Körper zu verfallen, zu sab-bern und sich in den Armstützen zu verkriechen. Diese Erfahrung sollte die erste echte Lebensbedrohung für meine Hündin gewesen sein. Noch Monate später litt sie unter Angstanfällen. Aber nie vergesse ich die ungläu-bige Begeisterung, die Paula zeigte, als sie zum ersten Mal das Mittelmeer erblickte. Spätestens jetzt werden sich Eltern sagen: „Das ist wie mit unseren Kindern, der erste Urlaub!“ Ich habe mich immer dagegen verwehrt, dass so ein Welpe für mich als Ersatz für ein eigenes Kind gelten sollte. Dazu habe ich selbst zu viele schöne Erfahrungen mit Neffen und Nichten gemacht, die mit mir aufgewachsen sind. Außerdem macht mir in Sachen Säuglingspflege niemand anderes so schnell etwas vor: Mein Umgang mit Babys ist auch heute immer noch sehr gekonnt. Ein Hund ist kein Kind, aber die Rolle, die er für seine Herrchen einnehmen wird, erobert er sich genauso.

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Eine prominente Hundedame

Wie ein Hund das bisherige Leben verändern kann! Ich war ja schön öfters an dem felsigen Strand der Cinqueterre gewesen. Dennoch war es dieses Mal kei-neswegs einfach, in Italien mit Hund ein Quartier zu nehmen. Dafür ging das italienische Temperament am Strand mit vielen durch, die den kleinen cane (ita-lienisch für Hund) zum ersten Mal sahen. Vor allem, weil dieses schlanke Hundemädchen permanent fiep-send im Wasser ihre Kreise zog, mit den Schwimmern spielte und – das wurde zur lebenslangen Plage – an Land so lange mit hoher Stimme bellte, bis end-lich ein Stöckchen ins Wasser flog. „La Paola“, wie die Italiener mein Mädchen mittlerweile nannten, war in ganz Corniglia ruckzuck bekannt, schon weil sie jeden Morgen vor dem Alimentari (Einkaufsladen) saß, wenn ich das Frühstück besorgte. In den Jahren zuvor wurde ich noch immer namentlich begrüßt dort, jetzt war es Paula.

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Das sollte mir im Laufe ihrer späteren Bildschirmprä-senz noch öfter so gehen. Zuschauern, denen ich begeg-nete, riefen beim Entgegenkommen hocherfreut: „Oh, da ist ja die Paula!“ Manchmal dann eine kurze peinliche Pause beim Aufblicken. „Und wie heißen Sie noch mal?“ – Ja, vielen Dank auch für die freundliche Begrüßung! Na ja, damit muss man sich als Besitzer einer ebenso kühlen wie fotogenen Bildschirm-Hündin eben gewöh-nen. Besonders absurd fand ich es aber, als eine mei-ner Kolleginnen einmal für mich auf Paula aufpassen sollte und in Frankfurt mit ihr mit der U-Bahn unter-wegs war. Es soll ja jede Menge Golden Retriever in Frankfurt geben, ist diese Rasse ja längst zu einer Art „Modehund“ geworden. Aber was glauben Sie wohl? Sie wurde sogar auch ohne meine Begleitung eindeu-tig wiedererkannt. Ich hatte dann und wann sogar das Gefühl, ihre Bekanntheit steige ihr allmählich zu Kopfe. „Der einzige Hund“, so meinte dann schließlich auch die Kollegin Birgit Sommer, „der sich für einen Menschen hält!“

Claudia Ludwig, die Kollegin aus der Tier-Redaktion, fand es wiederum nicht so passend, dass ich einen Hund aus einer Aufzucht von der Bergstraße hatte. „Paula von der Bergstraße“, wie das fast schon etwas zu protzig in ihren Papieren prangte. Wobei ich mir nicht mal sicher war, ob sie einer echten Zucht-Linie ent-stammte, oder am Ende doch gar aus Tschechien kam.

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Und wenn es nur die kleine Tätowierung in ihrem lin-ken Ohr war, welche auf diese mysteriöse Herkunft hin-wies. Das nächste Mal, so nahm ich mir vor, würde ich ohnehin gleich einen Hund aus dem Tierheim zu mir nehmen. Dem sollte es dadurch einmal ganz unvermu-tet gut gehen. Ich ahnte noch nicht, wie schnell das spä-ter eintreffen sollte.

Neue Wände – ein gefundenes Fressen

Ich wohnte ja so praktisch: Zwei Minuten waren es zu Fuß zum Sender, mit Hund allerdings zehn. In der klei-nen Nebenstraße eines traditionellen Wohngebietes waren 1972 die Terroristen Baader, Meins und Raspe verhaftet worden. Die Einschusslöcher am Haus schräg gegenüber waren noch sichtbar. Und unten zogen zwei lesbische Frauen ein, die ausnahmsweise nicht gerade große Hundefreundinnen waren. „Wenigstens

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ist es ein Weibchen“, meinte eine von ihnen einmal im Treppenhaus, „sonst wären ja nur noch Männer im Haus.“ Zwar besaß die Tatsache, in einem Haus von exakt meinem eigenen „Baujahr“ zu wohnen, einen gewissen Witz. Ein Hund in einer Dreizimmerwohnung schien mir aber unpraktisch. Daher begann ich mich bald nach etwas anderem umzugucken und zog dann, meine Blonde bei offenem Dach mit wehenden Ohren auf dem Rücksitz, von Frankfurt nach: Offenbach! „Vorne Oh und hinne Ach“, jammerte eine befreundete Kollegin von der „BILD-Frankfurt“. Entgeistert schnup-perte auch Paula an den Umzugskisten, als wir in unse-rem neuen Domizil einzogen. Ich hatte das kleine Haus genommen, trotz ständig einschwebender Flugzeuge, weil es an einem Feldrand und nahe dem Wald lag. So musste ich nun nie mehr morgens mit dem Hund raus. Sie ging bald ganz alleine Gassi.

Paula war zu dieser Zeit noch im Wachstum. Und deshalb sind die ehemaligen Neubauwände dort noch immer von ihr gezeichnet. Der Grund dafür war folgen-der: Beim gemeinsamen Fernsehen konnte sie norma-lerweise bis zu einer Stunde lang neben mir auf dem Sofa sitzen, íhren Kopf an meinen gelehnt. Aber an einem besagten Abend blieb der Platz neben mir auf-fällig lange leer, gefolgt von einer nichts Gutes verhei-ßenden anhaltenden Stille. Bis ich entdeckte, dass sie neben mir ein Loch in oder aus dem Putz gefressen

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hatte. Sieben faustbreite Löcher fand ich in den nächs-ten Tagen noch im Treppenhaus und auch an anderen Stellen. Immerhin: Meine anhaltenden Proteste und energischen Verbote fanden dann auf Dauer doch ihr Gehör: Weitere Zerstörungsmaßnahmen ihrerseits blie-ben – Gott sei´s gedankt – aus. Später blieb sie sogar vor-bildlich und machte in der Wohnung fast nichts mehr kaputt. Einzig meine Mozart-CDs mit Klavierkonzerten Alfred Brendels und ein 100 Jahre alter Orden der Großherzöge von Darmstadt (den mir die gestrenge Chefredakteurin Luc Jochimsen für die Reihe „Hessische Hoheiten“ sozusagen verliehen hatte und der eigentlich noch wie neu aussah) fielen noch ihren Kauattacken zum Opfer. Das Leben mit Paula war eben ein anderes geworden, etwas unberechenbarer als zuvor.

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Ein Paradies für Schneehunde

Holen Sie sich einen Hund und Sie entdecken in jeder Jahreszeit neue “Freuden“! Ich hatte mir das vorher selbst gar nicht klar gemacht: Der Winter bestand nun daraus, den weißen (klar: wie unpraktisch aber auch von mir) Fußboden von den Schlammlawinen zu rei-nigen, die das tobsüchtige Wesen aus dem Wald mit-brachte. Phänomenal war, dass Paula sich selbst bei Minusgraden in den nahen Weiher stürzte. Und Schnee, das war inzwischen das Größte für sie geworden. Wie ungläubig sie mit den Flocken spielte. Sie lehrte mich, selbst wieder mehr auf und in die Natur zu schauen. Menschen, die keine Aufmerksamkeit für die Natur haben, haben keine Verbindung zu ihren Gefühlen mehr – hat mir der Psychoanalytiker und Freund Adrian Gaertner einmal beigebracht.

Das Leben war insgesamt unbequemer und umständ-licher für mich geworden. Von wegen mal eben über Weihnachten nach Lanzarote fliegen – „Was soll Paula da von uns halten, wenn wir sie einfach so bei den Freunden lassen?“ Also wurden Schneeketten gekauft

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und der Urlaub diesen Winter auf den Gotthard ver-legt, den wir – mein damaliger Freund Michael und ich – bequem auch mit dem Auto erreichen konnten. Eindrucksvoll war für uns die Fahrt durch den badi-schen Rheingraben. Dort war es für diese Jahreszeit selt-sam warm. Nur Stunden nach uns sollte dann ein Orkan mit denkwürdiger Zerstörungskraft ganze Wälder flach legen. Am Vierwaldstätter See waren es nahezu früh-lingshafte 20 Grad, als wir ankamen. Dementsprechend groß war das Vergnügen für unsere Blonde, an dersel-ben Stelle ein Bad zu nehmen, die sie schon von unse-rer Italienreise im vorherigen Sommer kannte.

Auf der Weiterfahrt ereignete sich dann ein Natur-schauspiel, wie ich es an diesem Ort genau so noch viele weitere Male erleben sollte: Auf jeder Serpentine hoch zum alten Gotthardpass fiel das Thermometer um min-destens ein Grad. Paula saß wie gewohnt aufrecht auf dem Rücksitz, wie ein menschlicher Beifahrer, was oft Lachkrämpfe bei anderen Autofahrern auslöste, die uns vorbeifahren sahen: Vor allem wenn ich vorne allein saß, wirkte es sicher so, als sei ich ihr Chauffeur. Kurz vor der Hochebene mussten dann bei schwerem Schneefall die Schneeketten rauf. Ein entsetzliches Gefummel in plötz-lich eisiger Kälte war die Folge. Und als wäre dies noch nicht genug, erwartete uns exakt nach der Ausfahrt aus dem Tunnel ein heftiger Schneesturm. Eine weiße Wand

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Mit Paula unterwegs sein

bedeutete immer jede Menge

Aufregung und gute Laune!

Als geborener Wasserhund

scheute sie kein Abenteuer!

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Bei unserer Heirat traf Bäppi la Belle (alias Angela Merkel) auf Oberbürger-meisterin Petra Roth.

Beim Besuch der spanischen Königin

und Ex-Bundeskanzler Gerhard

Schröder herrschte allerlei Trubel.


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