Sheila Och
Balaban Neumann, der Hund
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Sheila Och wurde 1940 in England ge-
boren und war 1945 mit ihrer Familie
nach Prag zurückgekehrt. Dort studierte sie später an der Filmhoch-
schule, unter anderem bei Milan Kundera. 1971 ging sie in die Bundes-
republik und arbeitete bei der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bonn. Mit
ihren Kinderbüchern wurde sie Anfang der 90er-Jahre bekannt. Für
ihre Bücher erhielt sie zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Deut-
schen Jugendliteraturpreis 1997. Die Autorin ist im August 1999 ver-
storben.
DIE
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Sheila Och
Balaban Neumann,der Hund
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Umwelthinweis:
Alle bedruckten Materialien dieses Taschenbuches
sind chlorfrei und umweltschonend.
1. Auflage
Erstmals als OMNIBUS Taschenbuch Juli 2004
Gesetzt nach den Regeln der Rechtschreibreform
© 1999 Sauerländer Verlag
© 2002 Patmos Verlag GmbH & Co.KG/Sauerländer Verlag,
Düsseldorf
Alle Rechte dieser Ausgabe vorbehalten durch
OMNIBUS Taschenbuch/
C. Bertelsmann Jugendbuch Verlag, München
in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Innenillustrationen: Sabine Wiemers
Umschlagillustration: Carola Holland
Umschlaggestaltung: Basic-Book-Design, Karl Müller-Bussdorf
Jo · Herstellung: Peter Papenbrok
Satz: Uhl + Massopust, Aalen
Druck: Clausen & Bosse, Leck
ISBN 3-570-21396-X
Printed in Germany
Band 21396
Der Taschenbuchverlag für Kinder
Verlagsgruppe Random House
www.omnibus-verlag.de
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Wie der Hund Balaban zu uns kam
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Zu unserem Tisch, an dem wir jeden Abend alle zu-
sammen sitzen, essen und lachen, gehören sechs
Stühle. Auf einem Stuhl sitzt mein Vater, links neben
ihm meine große Schwester Irene, zu ihrer Linken
wiederum meine Mutter und die hütet zu ihrer lin-
ken Seite meine kleine Schwester Bärbel. Neben
Bärbel sitze immer ich, und dann steht da noch ein
Stuhl, der damals, als meine Geschichte anfing, leer
war. Es war der leerste Stuhl, den ich je in meinem
Leben gesehen hatte. Und wegen dieses leeren
Stuhls wurde bei uns in der letzten Zeit beim Essen
nicht mehr so wie früher gelacht. Auf ihm hatte näm-
lich, seit ich mich überhaupt erinnern konnte, unser
allerliebster Opa gesessen. Er war nicht nur unser
allerliebster, sondern auch unser einziger Opa ge-
wesen; nach ihm heiße ich Peter, worauf ich sehr
stolz bin. Und gerade dieser Opa war uns vor vier-
zehn Tagen weggestorben.
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»Frau Neumann!«, sagte unser Vater zu unserer
Mutter, nachdem der Opa-Stuhl zwei Wochen lang
verwaist gestanden hatte. Wir alle hörten aufmerksam
zu, weil es selten vorkommt, dass er sie so anspricht.
»Frau Neumann«, wiederholte er. »Ich kann es
nicht mit ansehen, wie traurig die Kinder sind. Das
hätte dem Opa wahrhaftig nicht gefallen.«
»Ja«, sagte Bärbel. »Der Opa, der hätte uns be-
stimmt einen Hund gekauft, wenn er gesehen hätte,
wie traurig wir sind.«
Das Bärbelchen war gerade fünf Jahre alt ge-
worden, und der Opa hatte ihr noch zu ihrem Ge-
burtstag im Garten eine neue Schaukel gebaut, auf
der sie dann beide zusammen schaukelten.
»Aber Bärbelchen«, sagte unsere Mutter entsetzt,
»ein Tier kann doch keinen Menschen ersetzen.«
»Warum denn nicht?«, spann Bärbel ihren Ge-
danken weiter. »Der Hund kann auf Opas Stuhl sit-
zen, in Opas Zimmer wohnen und mit mir im Gar-
ten schaukeln. Er kann mich in den Kindergarten
bringen und wieder von dort abholen und zuschau-
en, wie ich mir abends die Zähne putze.«
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»Und danach wird er dir ein Märchen vorlesen,
wie?«, mischte sich Vater ein.
»Nein«, entgegnete Bärbel ernsthaft. »Umgekehrt.
Ich kenne schon so viele Märchen auswendig, ich er-
zähle sie dem Hund.«
Es war der größte Unsinn, den meine kleine
Schwester da zusammenfantasierte, aber trotzdem
gefiel es mir irgendwie. Ich schaute meine ältere
Schwester Irene von der Seite an, um ihre Zustim-
mung zu erhaschen, doch sie würdigte mich keines
Blickes.
Seit sie dreizehn geworden war, war ich für sie
Luft. Völlig durchsichtig. Einen großen Bruder oder
einen Babybruder hätte sie schon gerne gehabt, sag-
te sie mir einmal, ein mittlerer Bruder dagegen sei
nur Mist.
»Aber Bärbelchen«, sagte Mutter nochmals. »Tier
ist Tier und Mensch ist Mensch.«
»Aber Karola«, antwortete Vater, »Opa hat sich
eigentlich auch immer einen Hund gewünscht. So
wäre der Hund sozusagen ein Opa-Erinnerungs-
Hund.«
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Das Problem meiner Mutter ist, wie sie selbst sagt,
dass sie in ihrem langen Leben nie NEIN sagen
konnte. Wir schauten sie also mit großen Augen an
und hofften, dass sie es nicht gerade jetzt, in diesem
wichtigen Moment unseres Lebens, doch noch ler-
nen würde.
»Na ja«, überlegte Mutter. »Ein Opa-Erinnerungs-
Hund wäre schon was Besonderes. Da könnte ich
wieder einmal nicht direkt Nein sagen.«
Alle Anwesenden am Tisch jubelten, sogar Irene.
Ich stellte mir sofort vor, wie ein großer, wunder-
schöner Hund, so ungefähr wie Lassie aus der be-
kannten Fernsehserie, auf Opas Stuhl sitzen und uns
mit weisen und verständnisvollen Augen, so wie
unser Opa sie gehabt hatte, anschauen würde.
»Es wird aber einer aus dem Tierheim genommen«,
sagte Mutter, nachdem wir uns wieder beruhigt hat-
ten. »Ein Waisenhund passt sehr gut als Opa-Erinne-
rungs-Hund. Und er ist sicher viel gehorsamer als ein
gekaufter Hund. Er wird uns vor lauter Dankbarkeit
mindestens einmal täglich die Pantoffeln bringen.«
Das mit den Pantoffeln hatte Mutter wahrschein-
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lich in irgendeinem blöden Hundefilm gese-
hen. Oh, oh, wenn sie gewusst hätte, wie sie
sich damit geschnitten hatte!
Aber jetzt ordentlich der Reihe nach:
Am nächsten Freitag fuhren wir in freudi-
ger Stimmung zum nahe gelegenen Tierheim
und jeder von uns malte sich ein ganz klares
Bild von seinem zukünftigen Hund aus.
»Auf keinen Fall nehmen wir einen Spitz«,
sagte Vater vor dem Tor entschieden. Das
leuchtete uns auch völlig ein, weil Vater als
Kleinkind von einem Spitz schmerzhaft ge-
bissen worden war.
»Einen süßen Dackel mit großen Augen«,
schlug Bärbel vor.
»Nein, eine Lassie«, meldete ich mich
schnell. Mit so einem berühmten Hund wäre
ich bestimmt auch schnell ein berühmter
Junge und nicht mehr ein namenloser, mitt-
lerer Bruder.
Zu meiner Überraschung nahm mich mei-
ne große Schwester auf einmal zur Kenntnis.
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»Ja«, sagte sie zustimmend. »So ein Rassehund
würde eigentlich am besten zu mir passen. Der sieht
richtig elegant aus.«
Unsere Eltern schauten sich fragend an, und ich
bekam Angst, dass sie es sich noch anders überlegen
würden. Aber schließlich sind wir doch hineinge-
gangen ins Tierheim.
Es gab alle Hunde, die man sich nur vorstellen
kann, zur Auswahl. Große und kleine, weiße,
schwarze, braune, gefleckte, junge und alte. Einige
fraßen, einige liefen in ihren Zwingern hin und her,
andere schliefen. Als sie uns hörten, öffneten sie ein
Auge, schauten uns ohne Interesse an und schliefen
weiter.
Am Ende eines Ganges, im allerletzten Zwinger,
stand reglos ein mittelgroßer schwarzer Hund und
schaute uns streng an. Nicht traurig, sondern streng.
Sehr streng sogar.
»Na ja«, sagte die Tierheimleiterin verlegen. »Den
würde ich Ihnen nicht direkt empfehlen. Der passt in
keine große Familie, weil er einem allein stehenden
Mann gehört hat. Der alte Herr musste Hals über
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Kopf ins Krankenhaus und da haben die Nachbarn
den verlassenen Hund zu uns gebracht. Ich denke,
dass der Besitzer mittlerweile gestorben ist.«
»Oh«, sagte unsere Mutter, die bekanntlich nie
Nein sagen kann und ein großes Herz hat. »Das
wäre doch etwas für uns. Ein dankbarer, verwaister
Hund.«
»Wie Sie meinen«, sagte die Tierheimleiterin un-
sicher. »Sie können ihn ja auch wieder zurück-
bringen, wenn er doch nicht zu Ihnen passt.«
Wir gingen in ihr Büro und ich drehte mich noch
mal um. Der Hund hob die eine Ecke seines Mauls
und ließ ganz kurz seine Zähne aufblitzen. Wenn ich
es damals gesagt hätte, hätte mir niemand geglaubt:
Der Hund grinste mich an. Zufrieden und dreist zu-
gleich.
Im Büro musste Vater viele Papiere unterschrei-
ben.
»Wir nennen ihn Wum«, erklärte Vater der Frau.
»Nach dem Fernsehhund von Loriot. Das war Opas
Lieblingshund.«
»Nein«, entgegnete die Leiterin. »Der Hund hat
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schon einen Namen. Von Ihnen bekommt er nur
den Nachnamen: Neumann. Er hat genug durchge-
macht. Mit einem neuen Vornamen würden Sie ihn
nur endgültig verwirren.«
»Das wollen wir selbstverständlich nicht«, meinte
Vater erschrocken, auch wenn er sich eine Verwir-
rung bei einem Hund offenbar nicht recht vorstellen
konnte. »Wie heißt er denn?«
»Balaban«, klärte uns die Frau auf.
»Ein komischer Name«, murrte Vater, und ich
hatte das Gefühl, dass seine ursprüngliche Hunde-
begeisterung nachließ. »Also, irgendwie sieht er
auch einem Spitz ähnlich.«
»Balaban ist vermutlich ein tschechischer Name.
Der Besitzer war ein Tscheche.«
»Bellt er auch mit tschechischem Akzent?«, fragte
Vater.
»Nein, nein«, antwortete die Tierheimleiterin hu-
morlos und geduldig.
Dann bekamen wir zu dem Hund noch zwei Ur-
kunden. Die erste besagte, dass der Hund Balaban
Neumann jetzt offiziell zu uns gehörte, und die
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zweite bestätigte, dass der Hund Balaban Neumann
bei der Ersten Allgemeinen Hundeversicherung ge-
genüber der Menschheit voll versichert war.
Im Auto setzte sich meine Mutter nach hinten und
nahm Balaban auf den Schoß. Balaban machte sich
klein und legte seinen Kopf auf Mutters Arm. Mutter
kraulte ihn, und Balaban schaute sie so lange mit den
hundigsten aller Hundeaugen an, so treu und so
schmachtend, bis Mutter geradezu in Liebe zerfloss.
Anscheinend war ich wieder der Einzige, der Bala-
bans klammheimliches Grinsen erspähte.
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Der Hund BalabanNeumann und der Rest
unserer Familie
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Als wir vom Tierheim nach Hause kamen, blieb
Vater mit dem Auto in der Einfahrt stehen und ließ
uns alle aussteigen.
»Ich möchte nicht, dass sich Balaban in der Ga-
rage fürchtet«, meinte er fürsorglich; von dieser
Für-Sorge sind ihm später nur die Sorgen geblieben.
Mutter öffnete die Haustür und sagte mit feierli-
cher Geburtstags- und Weihnachtsstimme: »Na, du
liebes Hündchen, hier ist dein neues Zuhause.«
Sie schaffte es aber nicht einmal, das Wort ZU-
HAUSE vollständig auszusprechen, weil sich das lie-
be Hündchen schlagartig in einen Kugelblitz ver-
wandelte und wie auf einer glühenden Spur durch
unser Haus schoss. Alle Gegenstände, die sich un-
gefähr in Höhe seines Schwanzes befanden, wurden
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weggefegt. Die schwere Schüssel aus Tunesien –
Mutter hatte sie im letzten Sommer trotz Vaters Pro-
test wie ein sperriges Baby quer über den Flugha-
fen geschleppt – lag im Handumdrehen zerbrochen
zwischen den Scherben von einigen Fotorahmen.
Mehrere CDs wirbelten wie Geschosse quer durch
das Wohnzimmer. Nur die hässliche Vase von Tante
Lena blieb heil.
Wir standen wie versteinert. Inzwischen hörten
wir aus der oberen Etage das dumpfe Aufschlagen
von verschiedenen umstürzenden Kleinmöbeln und
anderen Sachen, zum Beispiel meinem mühsam auf-
gebauten Legoturm.
Dann traten ein paar Sekunden Stille ein, in die
das Klappern des Briefkastenschlitzes in unserer
Haustür drang. Der Postbote war da. Dieses Klap-
pern vernahm wohl auch Balaban. Er sprang mit
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einem Satz den ganzen Treppenabsatz hinunter, so
geschickt, dass er die gerade zu Boden fallende Post
noch erwischte. Im Nu waren von den Umschlägen
und Briefen nur Fetzen übrig. Danach legte sich
Balaban erschöpft auf den Boden.
Vater schob die Fetzen der Briefe mit dem Fuß
zusammen und schaute Mutter vorwurfsvoll an.
»Wahrscheinlich«, sagte Mutter entschuldigend,
nachdem sie eine Weile nachgedacht hatte, »wahr-
scheinlich hat der arme Hund öfters böse Briefe be-
kommen.«
Balaban grinste mich – und nur mich – an und
schob sich scheinheilig näher zu Mutter hin. Die ge-
hört jetzt mir, deutete ich seinen Blick, die wird mei-
ne Sklavin. Mit der mache ich, was ich will.
Da war es nur logisch, dass sich Balaban gleich
am ersten Abend nicht in Opas Zimmer einquartie-
ren ließ, sondern das Schlafzimmer meiner Eltern
mitbenutzen wollte.
»Nicht auf das Bett«, wendete Mutter an jenem
Punkt freundlich, aber entschlossen ein. Überra-
schend brachte ihre Stimme ein Fünkchen Ge-
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horsam zum Vorschein. Balaban legte sich also nicht
auf Vaters Bett, sondern auf den Boden vor Vaters
Bett, und da lag er dann wie ein zotteliger Bett-
vorleger. Vater musste deswegen an diesem
Abend vom Fußende her in sein Bett kriechen,
was ziemlich unbequem für ihn war.
Am nächsten Morgen zog Balaban unerwartet in
den Flur vor der Küche um. Mutter behauptete, sie
habe ihn hinausschmeißen müssen, weil er unvor-
stellbar laut geschnarcht habe. Sie habe die ganze
Nacht nicht schlafen können und das könne sich
eine Mutter von drei Kindern überhaupt nicht leis-
ten. Vater dagegen betonte, dass Balaban höchst frei-
willig gegangen sei, als der Wecker schon um halb
sechs klingelte. Schadenfroh erzählte Vater weiter,
wie er sich schlafend gestellt hatte; dabei hatte er
beobachtet, wie Balaban mit seinen Pfoten verzwei-
felt den Wecker abzustellen versuchte, dieses aber
nicht schaffte. Dann hatte er, Vater, ihm, dem
Hund, verklickert, dass der Wecker jeden Tag so
früh klingelte, weil er, Vater, kein Rentner und
kein Hund war.
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Was unser Vater nicht erzählte: Balaban, ziemlich
sauer, hatte ihm das Kopfkissen geklaut, um im Flur
nicht so hart liegen zu müssen.
Der Schlafplatz vor der Küche brachte Balaban übri-
gens auf die Dauer sogar mehrere Vorteile. Erstens
hatte er dort unsere Mutter, seine Sklavin, restlos
unter Kontrolle. Er beobachtete genauestens ihr
Werkeln rund um den Herd. Dadurch konnte er je-
weils blitzschnell entscheiden, welche Kochzutaten
ihm so gut schmeckten, dass er sie mit seinem un-
widerstehlichen Hundeblick von Mutter erbetteln
würde.
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Balaban fraß eigentlich alles gerne, was unsere
Mutter für uns kochte. Er verachtete aber auch keine
halb fertigen Sachen. Nachdem er etliche gefrorene
Hähnchen, Fischstäbchen und Eispackungen ge-
klaut, irgendwo aufgetaut und vertilgt hatte, brachte
Vater am Kühlschrank einen großen und für Hunde-
tatzen zu raffinierten Riegel an.
Daraufhin fing Balaban eine entgegengesetzte Tä-
tigkeit an – er schleppte uns das Essen anderer Leu-
te ins Haus. Er brach unauffällig durch offene Terras-
sentüren bei unseren Nachbarn ein und brachte ihre
Braten oder sonstige Speisen samt den schönen Töp-
fen mit. Unsere Mutter trug die Töpfe jedes Mal wie
eine kleinlaute Sünderin zurück und schlug vor,
durch einen neuen Braten den Schaden wieder gut-
zumachen.
Von diesem Spielchen ließ Balaban erst ab, als er
dahinter kam, dass einzelne Nachbarn ihm gezielt
ihre missratenen Eintöpfe vor die Tür stellten und
sich dabei schon auf die wunderbaren Speisen un-
serer Mutter freuten.
Der zweite Vorteil des Flurplatzes war, dass Bala-
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UNVERKÄUFLICHE LESEPROBE
Sheila Och
Balaban Neumann, der Hund
Taschenbuch, Broschur, 80 Seiten, 12,5 x 18,3 cmISBN: 978-3-570-21396-4
cbj
Erscheinungstermin: Juli 2004
Seit Opas Stuhl leer bleibt, geht es bei Neumanns leise zu. Ein netter Vierbeiner soll das ändern.Doch Balaban ist kein Schoßhund. Der Schalk sitzt ihm im Nacken, er zerfetzt Briefe, okkupiertdas elterliche Schlafzimmer und doch schenkt er seiner Familie das Schönste: Wärme, Freude –und einen Ersatz-Opa!