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Drei tödliche Kugeln

Date post: 03-Aug-2016
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Kriminalroman von Sibyl Quinke
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Drei tödliche KugelnSibyl Quinke

edition oberkassel 2016

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Alle Rechte vorbehalten. Verlag: edition oberkassel Verlag Detlef Knut, Lütticher Str. 15, 40547 DüsseldorfHerstellung: Prime Rate Kft., BudapestUmschlaggestaltung: unter Verwendung einer Grafik von © Zara Zoë GaykLektorat: Klaus Söhnelgesetzt mit Adobe InDesign

© Sibyl Quinke© edition oberkassel, 2016

[email protected]

Das Werk inklusive aller Abbildungen ist urheberrechtlich ge-schützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheber-rechtgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages und der Auto-ren unzulässig und strafbar.

1. Auflage 2016Printed in Europe

ISBN(Print): 978-3-95813-0586ISBN(Ebook): 978-3-95813-0593

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek:Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Da-ten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

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Kapitel 1

Die Milonga triste durchdringt Bresniak. Sie umhüllt ihn, während er mit Lilli über den Tanzboden schwebt. Was für ein Gefühl! Ihr zierlicher Körper schmiegt sich an ihn, um mit ihm in der Melodie aufzugehen; der Duft von Mille Fleurs, Jas-min und Tuberose, kitzelt in seiner Nase, er möchte ihn kon-servieren. Er verbindet dieses Bouquet mit dem Tango, der ihn mit ihr durch den Salon trägt. Das Parkett im ehemaligen Schlachthof, heute ein Tangozentrum, ist von Couch-Elemen-ten umrahmt. Tangueras und Tangueros lassen sich dort in den Pausen nieder, trinken einen Rotwein, die Augen dabei auf die im Halbdunkel liegende Tanzfläche gerichtet. Das Par-kett, die Musik und die Paare sind eins, und Bresniak hat das Gefühl, mit der Atmosphäre zu verschmelzen, als auf einmal Alarm schrillt. Ist Feuer ausgebrochen? Nein, er will weiter-tanzen und schweben. Die Glocke ertönt wieder. Nein, er gibt seine Lilli nicht auf! Sie bleibt ganz ruhig, als wenn sie die Glocke nicht gehört hätte. Dann kann auch er diesen schrillen Klang ignorieren. Wieder klingelt sein Telefon und holt Bres-niak in die Wirklichkeit. Es gibt keine Ruhe, und er muss sich von dem wohligen Traum verabschieden.

Seine Hand knallt auf den Nachttisch. Er tastet nach dem Hörer, greift ständig ins Leere. Die Tangoatmosphäre umne-belt immer noch sein Gehirn. Wo ist er eigentlich? Welcher Tag ist heute? Gestern war es spät geworden, daran erinnert ihn jedenfalls sein schwerer Kopf.

»Ja«, brummelt er, als er endlich den Hörer gefunden hat.»Einsatz!«, hört er. Doch er versteht nicht. Was für ein Ein-

satz? Erneut Tango tanzen?»Einen Moment. Ich bin noch nicht bei mir.« Er legt den Hö-

rer zur Seite, wischt sich die Augen und massiert seine Schlä-fen. Es hilft nur wenig. Doch er begreift, dass dieses schwarze Ding im Augenblick wichtig ist. Er fasst danach, als sein Handy brummt.

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»Hallo, was ist?«, meldet er sich.»Hey, Sie können mich am Festnetz nicht einfach zur Seite

legen, nur weil Sie gestern gefeiert haben. EINSATZ!«»Was ist denn los?«»Ein Toter in der Südstadt.«»Rufen Sie Dick an, ich habe erst ab Mittag Dienst.«»Der ist schon unterwegs. Ihre Anwesenheit ist vonnöten.«Bresniak kritzelt die Adresse auf einen Block und schält sich

aus dem Bett. Duschen verschiebt er auf später. War er nicht bis eben noch im Café Tango? Die Musik umgibt ihn immer noch. Er spritzt sich Wasser ins Gesicht, putzt sich die Zähne – das bringt ihn halbwegs in die Welt der Lebenden.

»Na, es wird Zeit, dass du kommst! Ist wohl spät geworden gestern, oder war es heute früh?«, wird er von seinem Kolle-gen Dick empfangen.

»Ich bin nicht davon ausgegangen, dass ich nach dem langen Pfingstwochenende derartig brutal aus dem Bett geprügelt werde.«

»Ja, leider halten sich unsere Kunden nicht an vernünftige Arbeitszeiten.«

Wohl wahr, denkt sich Bresniak und fragt: »Was haben wir?«»Einen toten Apotheker – der Inhaber der Remigius-Apo-

theke. Seine Mitarbeiterin hat ihn heute früh gefunden.«Dick führt seinen Kollegen zu der Leiche vor dem Hinter-

eingang. Ein Mittvierziger von breiter Statur liegt auf dem Rü-cken, die Augen starr, der Schädel merkwürdig vierkantig. Der Mund ist geöffnet. Die Haut hat eine grünliche Blässe ange-nommen. Der Tote trägt einen blauen Kaschmirpullover. Auf Brusthöhe findet sich ein kleines rundes Loch, das Gewebe ist braun-rot verklebt. Wenn der Mann nicht sofort tot war, dann ist er rasch verblutet. Das inzwischen geronnene Blut hat auch seine Designerjeans durchtränkt. Die Füße stecken in blank polierten Lederboots. Seine Hände, die erstaunlich zart erscheinen, sind klein wie die einer Frau.

Bresniak schaut sich um. Es gibt keine Hinweise auf einen Kampf. Lediglich das Bücherbrett im Hintergrund ist unge-ordnet, fast chaotisch im Gegensatz zu den übrigen aufge-

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räumten Borden und dem Bild, das der Tote selbst liefert. Trotz der Enge scheint alles ordentlich sortiert. Am Kopfende der freien Arbeitsfläche sind Notiz- und Klebezettel, Stiftabla-ge, Tacker und Büroklammern deponiert. Auf einer weiteren, etwas höher angebrachten, Ablage liegen noch mehr Klipse und Metallklammern, Briefmarken und Merkzettel mit der Aufschrift: Donnerstag, Teambesprechung, Pizza bestellen und ein weiterer: Botenauto – Inspektion. Nichts Ungewöhnliches. Alles passt in einen Apothekenalltag. Darüber Hängeschränke und daneben Bretter, auf denen Bücher und Ordner postiert sind.

»Ist es sicher, dass es der Apotheker ist?«»Die Mitarbeiterin identifiziert ihn als Herrn Abresius, ih-

ren Chef.«»Wann hat sie ihn gefunden?«»Heute Morgen gegen 7 Uhr, als sie in die Apotheke kam.«

Ein Polizeibeamter in Uniform bringt Bresniak auf den Stand der ersten Ermittlungen: »Das ist Frau Zwiesel«, damit deu-tet er auf eine in der Ecke kauernde, schmale Person. Sie hat die Hände vor das Gesicht geschlagen. Ihr Make-up ist von Tränen verschmiert. Sie gibt ein Bild des Jammers ab. Die schwarzen Mascara-Streifen unter den Augen korrespondie-ren irrigerweise mit ihrem schwarzen Haar, das akkurat mit einem modernen Kurzhaarschnitt in Form gebracht ist. Durch das dünne T-Shirt zeichnen sich ihre Knochen ab, gleichwohl nicht ohne Muskeln. Die blaue Jeans, die sie trägt, und die Turnschuhe zeigen, dass sie hier auch körperlich arbeitet. Die Genannte ist zu verstört, um mitzubekommen, dass gerade von ihr die Rede ist. »Frau Zwiesel kommt immer montags, dienstags, donnerstags und freitags morgens um sieben Uhr.«

»Um sieben Uhr?«, will Dick wissen. »Öffnet die Apotheke so früh?«

»Nein, sie bereitet alles vor, damit die Mannschaft um acht starten kann. Sie wirft die EDV an, die über Nacht gelieferte Ware wird eingepflegt, der Anrufbeantworter abgehört und E-Mails abgerufen. – Heute natürlich nicht. Sie hat sich ge-wundert, dass die Tür nur angelehnt war. Beim Eintreten ist sie quasi über ihren Chef gestolpert. Sie ist zart besaitet, was

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ihr Nervenkostüm angeht. Der Telefonanruf in unserer Zent-rale war kaum zu verstehen, so gestammelt und gestottert hat sie. Auch jetzt ist kaum mit ihr zu reden.«

»Na, wer ist schon so abgebrüht, um in einer solchen Situa-tion nicht verstört zu reagieren!«

»Jedenfalls ist im Moment aus ihr nicht viel herauszuholen«, kommentiert der Uniformierte ihr Verhalten.

Mittlerweile ist die Spurensicherung eingetroffen, die den Fundort absperrt und mit ihrer Arbeit beginnt. Der Fotograf und der Rechtsmediziner Dr. Krebs kommen sich ins Gehe-ge. Ersterer braucht ein freies Feld, um gute Aufnahmen zu machen, und der Arzt beugt sich über den Toten, um ihn zu untersuchen und Befunde zu erheben. Der Fotograf flucht und schimpft, auch über die frühe Morgenstunde. Dr. Krebs versucht ihn zu beruhigen: »Sie sind neu dabei? Am besten gewöhnen Sie sich an mich und an die ungewöhnlichen Ar-beitszeiten. Das ist bei uns leider so. Die Leichen schaue ich mir gerne vor Ort an. Das bringt mir mehr Informationen, als wenn ich sie nur auf dem Seziertisch, einem Foto oder in einer nachgestellten Situation sehe.«

Der Fotograf verzieht unwirsch die Stirn. Dr. Krebs hat kein Interesse an Auseinandersetzungen und ergänzt: »Ich weiß Ihre Arbeit sehr zu schätzen. Ohne Ihre Bilder wären wir am-putiert, wir müssen nur miteinander auskommen.« An Bres-niak gerichtet: »Schauen Sie mal: Der liegt auf dem Rücken, keine verwischten Blutspuren. Der hat nach dem Schuss nicht mehr lange gelebt.«

»Hm …«, brummt sein Kollege, »lebt man als Giftmischer so gefährlich? Ist etwas gestohlen worden?« Mit dieser Frage richtet er sich an Frau Zwiesel, die immer noch zitternd vor ihm steht.

»Nein, der Tresor ist unbeschädigt, und der Rowa ist noch nicht angestellt …«

»Rowa? Was ist das?«, fordert Dick sie auf zu erklären.»Das ist unser Kommissionierapparat. Wir geben die Medi-

kamente ein, der Computer findet den optimalen Platz für das Paket im Regal, und nur mit genauen Koordinaten können wir gezielt etwas herausholen. Wenn der Apparat einmal stocken

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sollte – davor möge uns der Himmel bewahren –, dann geht nichts mehr. Da ist es schwer, ohne den Rechner etwas zu fin-den und herauszuholen.«

»Können Sie bitte dennoch schauen? Sie erkennen sicher gleich, ob sich dort jemand zu schaffen gemacht hat. Und Sie sind sicher, dass keine Betäubungsmittel fehlen? Vielleicht sind nicht alle im Tresor?«

»Die sind immer alle im Tresor! Darauf achten wir. Alles wird dokumentiert. Der Stahlschrank sieht völlig intakt aus.«

Ein BTM-Delikt, einen Junkie, der bei einem Bruch über-rascht wurde, schließen die beiden Kommissare Bresniak und Dick direkt aus.

»Frau … äh …«, wendet sich Dick an die verstörte Mitarbei-terin.

»Zwiesel«, stottert sie.»Also, Frau Zwiesel, als Sie kamen, da haben Sie ihn so ge-

funden?«»Ja, aber es war so merkwürdig …«, flüstert sie, dass sie

kaum zu verstehen ist.»Was war merkwürdig?«»Die Tür war offen.«»Die Tür war offen – meinen Sie: nicht abgeschlossen, oder

stand sie offen?«»Sie war angelehnt.«»Wer hat alles einen Schlüssel zur Apotheke?«»Ich, weil ich meist schon vor sieben Uhr komme.«»Wann öffnen Sie?«»Es ist fünf nach acht, wir haben seit fünf Minuten geöffnet.«In diesem Moment nimmt Dick wahr, dass sich inzwischen

weitere Menschen vor dem Hintereingang der Apotheke ver-sammelt haben, die heute am Pfingstdienstag ihre Arbeit be-ginnen wollen und stattdessen mit dieser Schreckensmeldung empfangen werden.

»Sagen Sie, auf den ersten Blick fehlt tatsächlich nichts?«»Nein, nichts. Auch der Tresor, in dem wir das Geld deponie-

ren, scheint unberührt.«»Wie war das: Wer hat alles einen Schlüssel?«, fragt Dick

noch einmal in die Runde.

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»Ich, Frau Probas, die Approbierte, fast alle, weil wir nicht nur eine haben, die jeden Tag als Erste da ist. Da ist es zu kom-pliziert, immer die Schlüssel zu übergeben. Dann sicher Frau Abresius, denke ich. Die komplette Liste wird im Büro sein.«

»Fast alle?«»Der Bote und die Putzfrau, die haben keinen, die brauchen

den auch nicht; ach ja, unsere Schulpraktikantin und unser Lehrling natürlich auch nicht. Die dürfen hier sowieso nicht alleine sein.«

»Machen Sie mir bitte eine Liste.«»Ja, ja.« Dick ist sich nicht sicher, ob er von Frau Zwiesel das

Gewünschte erhalten wird – so verstört, wie sie noch wirkt.»Danke fürs Erste!« Mit diesen Worten entlässt er sie. Sie

wird von ihren Kolleginnen in den Arm genommen, wo sie nun vollends in Tränen ausbricht.

Dick und Bresniak haben genug gesehen. Sie überlassen das Feld der Spurensicherung. Sie bestellen die Apotheken-Mitarbeiter ins Polizeipräsidium, um die Aussagen zu proto-kollieren. Zum Tatgeschehen erwarten sie keine großen Er-kenntnisse. Lediglich Hintergrundinformationen können sie erfragen. Dazu brauchen sie nicht am Ort des Geschehens zu bleiben.

»Meine Güte, was hatte der Apotheker an sich, dass man ihn einfach erschießt oder zurichtet«, murmelt Dick mehr zu sich, als dass er diese Worte an seinen Kollegen richtet.

»Du sagst richtig: zugerichtet – oder gerichtet. Vielleicht eine Hinrichtung. Das Schloss unversehrt, der Tote an der Tür, so als habe er seinem Mörder geöffnet, dann braucht dieser natürlich keinen Schlüssel, und ‚Peng‘! Ohne Vorwarnung auf ihn geschossen! Aus kurzer Distanz, keine Diskussion! Sonst würde er nicht direkt hinter der Tür liegen.«

»Warum hat der Mörder die Tür nicht geschlossen?«»Vergessen? Oder er wollte die Tür ins Schloss fallen lassen,

oder er war in Eile …?«»Aber irgendetwas muss der Täter gesucht haben. Die Bü-

cherreihe im Hintergrund, nur das eine Brett ist durcheinan-der, alles andere steht ordentlich in Reih’ und Glied. Wir soll-ten fragen, ob da etwas fehlt.«

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Inzwischen ist Bresniak nicht nur körperlich anwesend, sondern auch sein Geist hat sich aus den Armen Morpheus’ befreit. Wieder ein neuer Fall, der ihn einfängt. Andere lö-sen Kreuzworträtsel oder befassen sich mit den Logeleien aus der ZEIT, er hingegen liebt es, Verbrechern auf die Spur zu kommen. Gerne mit Intuition, natürlich auch mit Detailar-beit, ohne die die Polizei beim besten Willen nicht auskommt. Doch die überlässt er gerne Dick. Sein Kollege gräbt gerne jeden Fitzel aus, den er wahrnehmen kann. Bresniak hinge-gen versucht, sich in die betroffenen Personen und ihr Umfeld hineinzuversetzen und ihre Sichtweise zu übernehmen, um den Fall von dieser Seite zu betrachten. Heute, an einem frü-hen Frühsommertag, beginnt wieder eine neue Aufgabe. Ein toter Apotheker, erschossen. Hat er seinen Mörder gekannt? Wahrscheinlich. Offensichtlich hat dieser geklingelt oder sich anderweitig bemerkbar gemacht, dass er ihm die Tür geöff-net hat. Das schränkt den Täterkreis ein. Ein solches Schema haben Bresniak und Dick schon häufiger aufzuklären gehabt. Der Fall wird sie nicht lange aufhalten. Sie werden das Projek-til untersuchen lassen. Wenn sie die Waffe identifiziert haben, wird es nicht mehr lange dauern, den Mörder zu überführen.

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Kapitel 2

Lange Stunden liegt der Tote unentdeckt in seinem Blut. Kein Mensch scheint ihn zu vermissen. Kaum ist die Polizei vor Ort, hängen Trauben von Schaulustigen um den Fundort. Endlich einmal dabei sein, wie im Fernsehkrimi. Dabei tut sich für die Außenstehenden nichts. Der Blick auf die Leiche ist verdeckt, Leute der Spurensicherung in ihren weißen Mars-anzügen sind zu sehen, wie sie gewissenhaft – und deshalb für die Zuschauer unspektakulär – ihre Arbeit verrichten. Da sind die Angestellten der Remigius-Apotheke – gut, die müs-sen dableiben, wenn die Apotheke noch geöffnet werden soll, oder es ist eine gute Ausrede, vor Ort zu bleiben, um nichts zu versäumen. An Umsatz wird heute kaum zu denken sein. Da wird geredet, geschwätzt, gelabert, Neugierde bedient, die aber nicht wirklich zufriedenzustellen ist. Am liebsten wäre es den Kommissaren, die Angestellten würden nach Hause geschickt, aber in arbeitsrechtlich relevante Maßnahmen mi-schen sie sich nicht ein. Alle sind sie da: Nachbarn, potenzielle Kunden, die begierig eine Abwechslung ihres Alltages aufsau-gen, zufällige Passanten, doch keine Ehefrau. Wurde sie nicht benachrichtigt? Dick ruft bei der Vermisstenstelle an, ob eine entsprechende Meldung vorliegt, die auf den toten Apotheker zutreffen könnte: Fehlanzeige. Da gibt es keine Angetraute, die sich sorgenvoll an die Polizei gewendet hätte, und offen-sichtlich hat auch keine der Angestellten sie benachrichtigt. Jedenfalls ist bisher keine Ehefrau aufgetaucht.

Dick lässt sich die Privatadresse des Mordopfers geben und fährt mit Bresniak los. Es ist nicht weit. Nicht nur die Apo-theke befindet sich in der Südstadt, auch das Haus des Mord-opfers ist nicht weit entfernt. Es liegt in der Gelpe. Über die Jägerhofstraße gelangen sie auf die Schnellstraße, von der sie in den Dorner Weg einbiegen. Noch bevor sie zum dort liegen-den Wuppertaler Reit- und Fahrverein kommen, haben sie die Villa des Apothekers erreicht. Ein flaches Haus, das hinter viel

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Grün versteckt liegt. Die Kommissare parken und gehen auf den Eingang zu. Wieder so eine Mitteilung, die sie machen müssen, ein Teil ihrer Arbeit, die sie am liebsten wegrationali-sieren würden – doch das wird nie gelingen.

Sie klingeln und bald öffnet ihnen eine kleine, untersetzte Frau, die Haare hinten zusammengefasst und ordentlich zu ei-nem Knoten zusammengesteckt. Sie trägt einen dünnen Pull-over, der über dem Rock hängt. Die Füße stecken in Ballerinas.

»Frau Abresius?«»Nein, ich bin die Hausdame. Um was geht es?«Dick und Bresniak stellen sich vor.»Wie? Von der Polizei? Und was wollen Sie?«»Mit Frau Abresius sprechen – ist sie zu Hause?«»Schon, aber sie hat Gäste.«»Wir müssen dennoch mit ihr reden.«»Kann ich Ihnen nicht weiterhelfen? Frau Abresius lässt sich

ungern stören.«»Glauben Sie mir, es ist wichtig.«Die Kommissare werden hereingelassen, aber nur bis in den

Windfang.»Bitte, warten Sie hier.«Die kleine Untersetzte verschwindet. Kurz darauf begrüßt

die Beamten eine sehr gepflegte Erscheinung. Ovales Gesicht, das von platinblondem Haar umrahmt wird. Schwarzkopf lässt grüßen, geht es Bresniak durch den Kopf. Leuchtend blaue Au-gen blicken ihn an. Der Teint ist ebenmäßig. Die Lippen sind mit einem zartrosa scheinenden Lippenstift geschminkt. Sie trägt ein perlenbesticktes Twinset aus Kaschmir-Wolle, einer Qualität, der man den Preis ansieht. Der enge Rock umhüllt ihre schlanke Gestalt, die Füße stecken in Pumps von Tod’s, was ihren teuren Geschmack abrundet.

»Meine Herren, was kann ich für Sie tun? Wenn Sie meinen Mann sprechen wollen, müssen Sie sich schon in die Apotheke bemühen. Sie hätten sich anmelden sollen.«

»Mit dem Anmelden ist das so eine Sache, das ist nicht im-mer möglich. Können wir vielleicht eintreten?«

»Sie sind ja schon drin. Ich habe Gäste, wir spielen Bridge. Da mag ich meine Freundinnen nicht unnötig warten lassen.«

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Dick und Bresniak treten ein, ohne eine weitere Aufforde-rung abzuwarten. Das, was sie mitzuteilen haben, wollen sie nicht zwischen Tür und Angel erledigen.

»Wir müssen mit Ihnen sprechen.«»Mit mir? Sie sind ziemlich penetrant.«Was für eine blöde Kuh, denkt sich Bresniak, schluckt eine

Bemerkung gerade noch hinunter.»Kommen Sie. Es wird sicher nicht lange dauern.«Frau Abresius führt die beiden in ein kleines Seitenzimmer,

fordert sie jedoch nicht auf, Platz zu nehmen, geschweige denn, dass sie etwas zu trinken anbietet.

»Nun, was ist es, was nicht warten kann?«»Frau Abresius, Ihr Mann …«»Ich sagte schon, wenn Sie ihn sprechen wollen, müssen Sie

in die Remigius-Apotheke gehen. Dort werden Sie ihn antref-fen.«

»Wir haben Ihren Mann angetroffen …«»Was wollen Sie dann noch?«»Frau Abresius, wann haben Sie Ihren Mann das letzte Mal

gesehen?«»Was soll die Frage?«»Beantworten Sie sie uns einfach.«»Wieso ist das wichtig?«Dick stöhnt innerlich auf. Frau Abresius als Zeugin, und als

solche werden sie sie brauchen, wird schwierige Vernehmun-gen bedeuten.

»Bitte, Frau Abresius …«»Also, im Moment stören Sie wirklich, wenn ich so direkt

sein darf.«»Was wir mit Ihnen zu bereden haben, möchten wir nicht

auf dem Polizeipräsidium machen.«»Aber wie, was …?«Endlich! Frau Abresius’ abweisende Art ist kurz unterbro-

chen.»Was haben Sie vorzubringen? Ich habe immer noch nicht

den Grund Ihres Besuches erfahren.«»Noch einmal, wann haben Sie Ihren Mann das letzte Mal

gesehen?«

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»Also, wenn es Ihren Wissensdurst befriedigt: beim Früh-stück.«

»Heute?«»Ist das nicht egal?«»Nein, das ist nicht egal. Wir besuchen Sie nicht zum Spaß,

und mit etwas Kooperationsbereitschaft wären Sie uns schon wieder los.«

»Freya, brauchst du noch länger?«, ruft eine Stimme.»Sie sehen, Sie sind zu einem unpassenden Zeitpunkt er-

schienen.«»Vielleicht wollen Sie Ihre Freundinnen nach Hause schi-

cken?«Statt mit einer Rückfrage wie »So ernst?« zu reagieren, kon-

tert sie:»Wie stellen Sie sich das eigentlich vor? Wollen Sie bestim-

men, wann und wie ich meine Gastfreundschaft lebe?«Langsam kriecht bei den Kommissaren Unmut, gepaart mit

Wut, den Rücken herauf, bis sich ihre Nackenhaare zu sträu-ben scheinen. Mit Delinquenten können sie Tacheles reden, aber wenn sie eine Todesnachricht zu überbringen haben, fällt das einfach nicht unter die Rubrik Routine. Es macht sie immer hilflos. Dennoch: Was sie in den ersten Augenblicken erfahren, ist für ihre Ermittlungen meist Gold wert.

»Frau Abresius, noch einmal: Wann haben Sie Ihren Mann zum letzten Mal gesehen? Uhrzeit, Datum?«

»Ja, den Wievielten haben wir heute? Frühstücken tun wir immer gegen sieben Uhr.«

»Auch heute?«»Auch heute war der Frühstückstisch um sieben Uhr ge-

deckt.«Verdammt, diese Frau antwortet indirekt, dass man schnell

einen falschen Eindruck erhalten kann. Natürlich war der Frühstückstisch heute Morgen gedeckt, aber ihr Mann saß nicht daran. Was will sie verbergen, fragt sich Dick.

»Frau Abresius, dann direkt: Ihr Mann hat heute Morgen nicht mit Ihnen gefrühstückt!«

»Das ist eine Unverschämtheit, sich derartig in mein Privat-leben einzumischen. Was geht Sie das alles an?«

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Ganz offensichtlich ist sie routiniert, Wahrheiten zu vertu-schen – zumindest zu beschönigen, damit der Schein nicht gestört wird.

»Frau Abresius, wir haben Ihren Mann gefunden …«»Und was wollen Sie dann hier? Sie stehlen mir meine Zeit!«»Wir haben Ihren Mann in der Apotheke gefunden …«»Sag ich doch, er ist in der Apotheke.«»Tot, Ihr Mann lag tot in der Apotheke, und das nicht erst

seit wenigen Stunden, wahrscheinlich schon seit ein oder zwei Tagen.«

Die Kommissare legen eine Pause ein, damit sich die frische Witwe der Tragweite der Mitteilung bewusst werden kann.

»Freya, was ist? Kommst du heute noch einmal?«, flötet eine der Bridge-Damen, während sie ihren Kopf durch die Tür streckt.

»Jetzt nicht!«, fährt sie Bresniak unwirsch an.»Hach, was hast du für unhöfliche Gäste!«»Jetzt nicht«, wiederholt sich Bresniak, »wenn Sie uns bitte

allein lassen!«Mit dieser Abfuhr gibt sich die Bridge-Freundin nicht ge-

schlagen, sondern blickt fragend zu Frau Abresius, doch sie erhält eine Antwort, mit der sie nicht gerechnet hat:

»Milli, später. Vielleicht hören wir heute früher mit unserem Kartenspiel auf.«

»Aber warum denn?«Ein neugieriger Blick richtet sich auf die Kommissare. So

leicht kommen sie Milli nicht davon – zu langweilig ist ihr Leben, als dass sie nicht gerne solche Abwechslungen wahr-nimmt.

»Jetzt nicht, verdammt noch mal!«, schreit Frau Abresius auf einmal los, »bitte geht einfach. Alle! Sofort!«

»Hach, was ist denn in dich gefahren? War dein Apotheker mal wieder aushäusig, oder was? Sei doch froh, dass er dich in Ruhe lässt!«

»Halt einfach die Klappe!«Die Kommissare folgen dem Schauspiel wach und interes-

siert. Die Fassade bröckelt. Der Schein ist nicht mehr zu wah-ren, und damit bricht auch Frau Abresius’ Contenance zusam-

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men. Sie dreht sich um, verschwindet ins Innere des Hauses, und Dick und Bresniak bekommen mit, wie sie ihre Freundin-nen zu einem hektischen Aufbruch antreibt.

»Freya, wenn du etwas brauchst, du weißt: Ich bin immer für dich da.«

»Freya, du weißt: Du kannst mich jederzeit anrufen, auch nachts!«, und die den Kommissaren schon bekannte Stimme ergänzt: »Lass dich doch von zwei Männern nicht so fertig ma-chen! Wer bist du denn! Bist du sicher, dass ich nicht bleiben soll?«

»Bitte, geht einfach!«, fordert sie ihre Gäste unmissver-ständlich auf. Es folgt noch ein wenig Palaver, doch dann kehrt sie in das kleine Zimmer zurück.

»Bitte, nehmen Sie Platz! Darf ich Ihnen etwas anbieten?« Vor den Kommissaren steht eine völlig ausgewechselte Freya Abresius. Dick und Bresniak nehmen dankend an. In einer we-niger aggressiven Atmosphäre können sie ihre Fragen besser stellen. Direkt nach einer Todesmitteilung erhalten sie oft In-formationen, die die Zeugen nach einer Weile des Überlegens nicht mehr preisgeben würden – bewusst oder unbewusst. Die Kaffeebestellung hat sie der kleinen drallen Person wei-tergegeben und nun richtet sie ihre Aufmerksamkeit voll auf die Polizisten.

»Frau Abresius, wir haben Ihren Mann heute Morgen tot aufgefunden. Noch einmal unsere Frage, und dabei geht es nicht um Moral oder Unmoral oder was Sie Ihren Freundin-nen erzählen – wir benötigen Auskünfte, die uns helfen, den Todesfall aufzuklären.«

Merkwürdig, sie fragt gar nicht, wie er gestorben ist, da ist vom Herzinfarkt über Schlaganfall, Unfall oder eben Mord al-les möglich. Wusste sie, dass sie mit dem Besuch der Mord-kommission rechnen musste?

»Wann haben Sie ihn zum letzten Mal gesehen?«»Samstag, beim Frühstück um sieben Uhr.«Aha, Frau Apotheker kann es auch präzise, konstatiert Dick

für sich.»Das war das Letzte, was Sie von ihm gehört haben?«»Nicht ganz; gegen zwölf Uhr hat er noch einmal angerufen,

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dass er unseren Fahrer vorbeischickt, er sollte seine Tasche holen, die er am Morgen vergessen hatte. Das war’s.«

»Dann ist er nicht mehr nach Hause gekommen?«»Nein.«»Das hat Sie nicht gewundert? Oder hatte ihr Gatte Nacht-

dienst?«»Nachtdienst kann man es auch nennen.« Dabei verzieht sie

ihr Gesicht, das ihr ganzes Missfallen ausdrückt.»Wie dürfen wir das verstehen?«»Nun, er hält sich gerne aushäusig auf, wenn Sie verstehen,

was ich meine.«Es klopft an der Tür. Die Hausdame hält ein Tablett mit Tas-

sen, Kanne und Keksen in der Hand.»Danke, Mathilda, ich mache das schon«, und die Mathilda

Genannte zieht sich zurück und schließt die Tür. Frau Ab-resius schenkt Kaffee ein, bietet Milch, Zucker und Gebäck an.

»Wo waren wir stehen geblieben?«, fragt sie.Welch ein Wandel hat in dieser Person stattgefunden! Es ist,

als ob die Kommissare einem völlig anderen Mensch gegen-übersitzen als dem, der sie empfangen hat.

»Wir wollen die letzten Lebensstunden Ihres Mannes re-konstruieren. Sie sagten, Ihr letzter Kontakt war Samstag ge-gen zwölf Uhr?«

»Genau.«»Haben Sie ihn nicht vermisst, als er nicht nach Hause kam?«»Jein, ich sagte schon: Er hielt sich gerne aushäusig auf.«»Aber im Laufe des Sonntags erschien er immer noch nicht,

auch am Pfingstmontag haben Sie nichts von ihm gehört. Ist Ihnen nicht der Gedanke gekommen, ihn zu suchen oder als vermisst zu melden?«

»Damit ganz Wuppertal über mich lacht?«»Also, unsere Polizeidienststelle ist keine Pressestelle«,

stellt Dick klar, und Bresniak fährt fort:»Haben Sie eine Idee, wo er sich aufgehalten haben könn-

te?«»Er hält große Stücke auf Frau Probas, seine Approbierte.

Sie haben mehr Gemeinsamkeiten als nur die Pharmazie … Aber ich habe mich nicht im Schrank versteckt, um alles im

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Detail mitzubekommen.«»Sie machen einen gefassten Eindruck …«»Ja, ich weiß auch nicht, ob ich lachen oder weinen soll …

Wenn Sie mich jetzt allein lassen wollen …«»Gerne, wir werden Sie noch einmal kontaktieren müssen.

Dann melden wir uns vorher an, versprochen. – Sie müssen Ihren Mann noch identifizieren.«

Frau Abresius scheint auf einmal fast ruhig und in sich ge-kehrt, als sich die beiden Kommissare verabschieden.

»Sollen wir jemanden für Sie informieren?«»Danke, das mache ich schon selbst. Mein Sohn schreibt

heute eine Klausur, da reicht es, wenn er erst heute Abend vom Tod seines Vaters erfährt.«

Dick und Bresniak verlassen das Haus, und Bresniak hat das Gefühl, ihnen folge ein langer, verlassen erscheinender Blick, der weit in die Ferne gerichtet ist.

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Kapitel 3

Leichtfüssig und beschwingt trabt Praktikantin Louisa die Treppen hinunter und erreicht die Räumlichkeiten der Rechtsmedizin. Ihr Ziel ist Dr. Krebs, der Pathologe, der die Obduktionsberichte für die Mordkommission erstellt. Der Mediziner empfängt sie gerne. Sie ist eine Augenweide. Ihre schlanke Figur hat sie wieder in eine hautenge Jeans gesteckt, dazu trägt sie ein pflaumenfarbiges T-Shirt, das ihre Formen attraktiv zur Geltung bringt, ohne anzüglich zu wirken. Um den Hals schimmert eine zarte Perlenkette. Der für junge Leu-te eher unübliche Schmuck ist ein Erbstück von ihrer Groß-mutter. Das hatte Dr. Krebs bei einem ihrer früheren Besuche erfahren, als er die Kette an ihr bewundert hatte. Die mittel-langen, braunen Haare hat sie heute zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Ihre blauen Augen strahlen Dr. Krebs an, der ihr bei diesem Blick kaum etwas verwehren kann. Bei seinem Dasein in diesen sterilen Räumen freut er sich über jede Abwechslung, besonders wenn es sich um so eine aufge-weckte, clevere Person handelt.

»Oh, welch Glanz in meiner Hütte! Was verschafft mir die Ehre?«, begrüßt er Louisa. »Darf es ein Milchkaffee sein mit Extramilch?«, bietet er ihr an. Wenn sie erst einmal einen Kaf-fee in der Hand hält, setzt sie sich sicher, und er kann ein we-nig mit ihr plauschen.

»Gerne.« Die Kaffeemaschine zischt, und Dr. Krebs über-reicht ihr kurz darauf die große Tasse mit viel Schaum – dar-auf ein aus Kakao gepudertes Herz.

»Was führt Sie zu mir? Sie kommen wohl kaum wegen mei-ner Schönheit, und mein Milchkaffee alleine wird auch nicht eine so große Anziehungskraft haben«, beginnt der Arzt das Gespräch.

»Sie vermuten richtig. Ich komme zwar gerne zu Ihnen, aber Ihre Arbeitsräume liegen ziemlich abseits. Ich möchte wissen, was Ihr jüngster Gast macht.«

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»Sie können es nicht abwarten?«Louisa antwortet mit einem verschmitzten Grinsen: »Ich

bin halt neugierig.«»Die Leiche ist gerade erst angekommen – und die Anwei-

sung, eine Obduktion durchzuführen, ist noch nicht da.«»Sie können doch bestimmt schon etwas sagen? – Bitte! Sie

haben sie doch schon am Tatort gesehen.« Das i von ‚Bitte‘ zieht Louisa wie ein quengelndes Kind in die Länge.

»Na, dann kommen Sie. Wollen Sie sich den Toten anschau-en? Dieses Mal ist es nicht knifflig. Den Bericht könnten Sie wahrscheinlich selbst verfassen.«

Nun erntet Dr. Krebs ein irritiert fragendes Gesicht.»Die Rechtsmedizin ist so einfach?«, gibt die Praktikantin

spitzbübisch zurück.»Nun gut, nicht alle Fälle erscheinen so klar, zumindest auf

den ersten Blick. Manchmal stellen sich jedoch ganz andere Befunde heraus. Also kommen Sie.«

Dr. Krebs führt Louisa zu einem Seziertisch und nimmt das Tuch ab, unter dem der tote Apotheker liegt.

»Sie meinen diesen Neuzugang? Den Apotheker aus der Südstadt?«

»Genau den meine ich. Dick und Bresniak sind schon vom Tatort zurück, doch glauben Sie nicht, dass sie schon Erkennt-nisse haben …«

»Wie wahr …«»Ich habe gedacht, vielleicht kann ich schon einmal ein paar

Informationen zusammentragen.«»Fräulein Spürnase, Ihr Eifer in allen Ehren! Aber das ist

im höchsten Grade unprofessionell.« Dabei blickt Dr. Krebs in ein enttäuschtes Gesicht. »So funktioniert das einfach nicht. Das wissen Sie doch. Selbst wenn ich mich zu Vermutungen hinreißen ließe, könntet ihr das da oben gar nicht verwenden, und es würde eure Ermittlungen stören.«

»Was – so gar nichts?« Louisa will nicht aufgeben.»Schauen Sie selbst. Was sehen Sie?«»Ein Loch mitten auf der Brust, der Pullover ziemlich voller

Blut.«»Und? Wollen Sie seine Haut einmal anfassen?«

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Louisa folgt der Aufforderung.»Ziemlich kalt und irgendwie käsig vom Gefühl.«»Was sagt Ihnen das?«»Kalt. Also schon länger tot?«»So sieht es aus. Und starr ist der auch nicht mehr. Sozusa-

gen eine mittelfrische Leiche. Mehr ist noch nicht zu sagen.«»Hm … Wieso sagten Sie ‚auf den ersten Blick‘?«»Damit Sie nicht hochstürmen und sagen, der Tote wurde

erschossen. Alles, klar?«»Aber wenn es doch so ist?«»Nichtsdestoweniger müssen noch andere Aspekte unter-

sucht werden. Zum Beispiel, ob vorher ein Kampf stattgefun-den hat, ob er vielleicht sediert worden ist …«

»Sediert?«»Mit Beruhigungsmitteln vollgepumpt, damit er sich nicht

rührt. Ist er nach seinem Tod bewegt worden, was dafür spre-chen würde, dass Fundort nicht gleich Tatort ist? Ist Gift im Spiel? War er sofort tot oder hat er noch gelebt, und wenn ja, wie lange, und, und, und …«

»Aber tot ist tot?«»Für die Ermittlungen und für das Gerichtsverfahren sind

die anderen Aspekte ebenso wichtig. Um mehr zu erfahren, brauche ich erst die Anweisung zur Obduktion. Ich habe so-wieso schon mehr erzählt, als ich darf. Außerdem muss ich auf meinen neuen Kollegen warten, der kommt heute etwas später. Vorher fangen wir sowieso nicht an.«

Louisa stöhnt auf. Sicher, die Vorschriften sind wichtig und erfüllen ihren Zweck, aber Louisa findet sie ganz schön hin-derlich.

»Na gut, dann trinke ich heute nur meinen Milchkaffee und werde geduldig warten, bis Sie und Ihr Kollege Ihre Arbeit ge-tan haben.«

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Kapitel 4

Frau Probas hat gerade das Portal des Polizeipräsidiums durchschritten, steigt die Treppen hinauf und biegt, oben an-gekommen, in Richtung Dezernat für Tötungsdelikte ab. Trotz seiner Breite wirkt der Gang lang und dunkel. Mit zusammen-gekniffenen Augen versucht sie, die Namensschilder zu ent-ziffern.

Verflixt, ich sollte mich langsam mit dem Gedanken vertraut machen, ständig eine Brille zu tragen, nicht nur im Apothe-kenalltag, schilt sie sich innerlich. Sie klopft und öffnet auf das »Herein!« die Tür. Als sie vor Dick steht, strafft sie mit einem Mal ihre Köperhaltung – die Schultern nach hinten gescho-ben, der Hals gereckt und das Kinn nach vorne gestreckt, so als wenn sie sich einem Angriff stellen wollte. Hierbei kommt ihr ihre Figur zustatten: Hochgewachsen, ihre langen, mittel-blonden Haare hat sie zu einem langen Zopf geflochten, den sie seitlich gebunden vorne über die Schulter gelegt trägt. Ak-kurat geschminkt. Direkt und gerade richtet sie ihren Blick auf Dick und fixiert ihn mit einem Ausdruck, auf den gewöhnlich Anweisungen und Kommandos folgen.

Für den Besuch bei der Kriminalpolizei hat sie ein dunkel-blaues Kostüm mit einer blassrosa Bluse gewählt. Es soll ihre Seriosität unterstreichen. Ihre gepflegten Hände fallen auf, die Fingernägel sind kurz gehalten und perlmuttfarben lackiert.

»Frau Probas, bitte nehmen Sie Platz. Gehen wir direkt in medias res. Wenn wir alles richtig verstanden haben, über-nehmen Sie jetzt die Apotheke?«

»Ja, wer sonst? Die Witwe kann froh sein, wenn sie jeman-den hat, der das Geschäft führt.«

»Also, erben werden die Witwe oder die Kinder?«»Das Apothekenrecht sieht das so vor. Die Apotheke ist bzw.

war früher die Altersversorgung der Familie – inzwischen von der Realität längst überholt« – diese Aussage unterstreicht sie mit einer abschätzigen Handbewegung – »doch die Gesetze

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bestehen noch. Als Pächter kommt jedoch nur ein Apotheker oder eine Apothekerin infrage.«

»Und das sind Sie?«, fragt Dick. »Wie ist Ihr Verhältnis zur Witwe?«

Bresniak, der sich bei dem Gespräch im Hintergrund hält, beobachtet Frau Probas. Körperhaltung und Mimik bei den Antworten erzählen manchmal mehr, als der Zeuge oder der Beschuldigte bereit ist, von sich zu geben. Es sind oft Kleinig-keiten, die den ein oder anderen Hinweis geben. So auch hier: Frau Probas hat fast unmerklich gezuckt und versucht nervös, den Rock bis über die Knie zu schieben.

»Professionell distanziert. Wir hatten keinen privaten Kon-takt, wenn Sie das meinen, außer natürlich zur jährlichen Weihnachtsfeier. Früher waren wir bei Peter, äh … also bei un-serem Chef zu Hause eingeladen, die letzten Jahre haben wir im Schmitz Jägerhaus gegessen. Unser Herr Abresius hat sich nicht lumpen lassen.«

»Sonst gab es keine Kontakte?«»Wenig. Wann und wie hätte das sein sollen? Tagsüber stehe

ich in der Apotheke, und nach Feierabend, wenn der Chef zu Hause war … was hätte ich da sollen? Nein, außerdem spiele ich kein Bridge. Dem hat sich Frau Abresius ganz verschrie-ben.«

»Werden Sie personelle Änderungen im Betrieb vorneh-men?«

»Ja, da bleibt mir nichts anderes übrig.«Dick wundert sich über diese Antwort. Es sollte doch gerade

bei einem gewaltsamen Tod und einem damit verbundenen Leitungswechsel wichtig sein, einen Rest von Konstanz zu be-wahren. »Welche Maßnahmen haben Sie vorgesehen?«

»Darüber möchte ich nicht sprechen. Ich möchte nicht noch mehr Unruhe produzieren, als wir eh schon haben. Im Ge-schäft selbst werden wir ständig von den Kunden darauf an-gesprochen. Sehr lästig.«

»Wir mischen uns nicht in Ihre Personalpolitik, und wir ha-ben keinen Anlass, darüber zu reden. Doch wir wissen aus Er-fahrung: Jedes noch so vermeintlich unscheinbare Detail kann von Bedeutung sein.«

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Frau Probas korrigiert hektisch ihre Körperhaltung, um auch gleich ihre Sitzposition wieder zu ändern. Ganz offen-sichtlich fühlt sie sich nicht wohl. Auch ihre Hände spielen un-ruhig mit der Perlenkette, die sie um den Hals trägt.

»Nun, den Boten habe ich bereits ersetzt. Ich muss mich nicht mit so einem frechen Kerl herumschlagen. Und die eine PTA, die agiert mir zu selbstständig, ohne ausreichend Umsatz zu bringen. Die ist noch in der Probezeit. Ich muss die Frist nutzen, sonst werde ich die Läuse in meinem Pelz nicht mehr los.«

»War das von Herrn Abresius schon geplant?«»Ach was, der war viel zu weichherzig«, antwortet sie

schnippisch.»Und wie war Ihr Verhältnis zu Ihrem Chef?«»Wie soll es gewesen sein?« Die Antwort kam Dick ein we-

nig zu schnell, und die Stimme hatte einen leicht schrillen Un-terton bekommen – oder bildet er sich das nur ein?

»Ja, wie war das Verhältnis zu Ihrem Chef?«, wiederholt er sich.

Die Approbierte hat sich gefangen und antwortet ruhig: »Wie es halt so ist zwischen Chef und Angestellter.«

»Ihre Zusammenarbeit funktionierte gut? Haben Sie auch über Privates gesprochen?«

»Das bleibt nicht aus, wenn man den ganzen Tag zusam-menarbeitet.«

»Haben Sie eine Idee, warum die Witwe nicht die Polizei in-formiert hat, nachdem ihr Mann auch die zweite Nacht nicht nach Hause gekommen ist?«

»Ganz so gut funktionierte die Ehe nicht. Er blieb öfter ein-mal über Nacht weg«, erklärt sie und hebt dabei ihre Stimme.

»Woher wissen Sie das?«Sie zögert. Sie fährt mit ihrer Hand über den Nacken und

massiert anschließend ihre Schläfen, bis sie endlich zur Ant-wort ansetzt: »Es gab Telefonate, deren Gesprächsfetzen ei-nen solchen Rückschluss zuließen.«

»Sie meinen, eine Geliebte?«»Da müssen Sie die Witwe fragen, sie kennt ihren Mann am

besten.«

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»Sie können oder wollen uns dazu nichts sagen?«»Ich habe für ihn in der Apotheke gearbeitet, aber keine

Termine ausgemacht.«»Bitte genau: Wussten Sie etwas von einer außerehelichen

Beziehung?«»Nein!« Dabei wandern ihre Augen durch das Büro, als

wenn sie irgendwo einen Halt finden könnten. »Kann ich jetzt gehen?«, fragt sie unvermittelt, »ich muss mich um die Apo-theke kümmern – ohne mich darf sie nicht geöffnet sein.«

»Danke, Frau Probas, halten Sie sich bitte bereit für den Fall, dass wir noch Fragen haben.«

Frau Probas steht auf und verlässt etwas zu schnell das Büro. Dick bleibt mit dem Gefühl zurück, dass die Probas nicht die ganze Wahrheit gesagt hat, außerdem steht die Aussage der Witwe im Raum, die ein Verhältnis ihres Mannes mit ihr angedeutet hat.

Kaum ist die Tür geschlossen, öffnet sie sich noch einmal:»Sie wissen, dass der Kollege der Columbus-Apotheke in di-

rekter Konkurrenz für die Altenheimbelieferung steht? Da hat es heftige Auseinandersetzungen gegeben.«

»Das sagen Sie uns erst jetzt? Bitte, setzen Sie sich noch ein-mal«, fordert Dick sie auf.

Frau Probas nimmt erneut Platz, ohne Hektik oder Unge-duld zu zeigen. So dringend scheint sie doch nicht in die Apo-theke zu müssen.

»Wie war das mit der Columbus-Apotheke, sagten Sie?«»Ja, der hat die Altenheime der Bonifatius-Stiftungen belie-

fert. Davon lebte der Kollege. Sein Geschäft ist in einer wenig frequentierten Gegend. Er hat eigentlich nur von den Alten-heimen gelebt.«

»Sie sprechen in der Vergangenheit …«»Ja, Herr Abresius hat diesen Großkunden übernommen.«»Und …«»Der andere wird schließen müssen.«»Hätten die beiden sich das nicht teilen können?«»In geschäftlichen Dingen kennt mein Chef nur ganz oder

gar nicht!«»Das ist ein Motiv.«

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»Danke, Frau Probas, dem werden wir nachgehen. Vielen Dank für heute.«

Nun verlässt Frau Probas ruhig und gelassen die Räume. Die Hektik, die sie bei der ersten Verabschiedung gezeigt hat, ist von ihr abgefallen – und sie hat Herrn Abresius erst als weich-herzig, jetzt als knallharten Geschäftsmann beschrieben.

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Kapitel 5

Auf der Talachse geht es nur langsam vorwärts. Der Smart von Frau Draht, einer der PTAs der Remigius-Apotheke, mit ihrer Kollegin Frau Hell auf dem Beifahrersitz, quält sich durch den Stau. Die Sonne sticht, und es ist unerträglich heiß im Auto.

»Diese Baustellen machen mich noch fertig! Gibt es hier nie mehr ein Durchkommen?«

»Wir hätten besser die Schwebebahn genommen, die stört kein Stau, die schwebt einfach! Sightseeing inbegriffen.«

»Scherzkeks, ich habe daran gedacht, aber was siehst du da vorne?«

»Was?«»Na, da vorne?«»Einen Bus.«»Ja, und was für einen Bus?«»Oh, shit, der Schwebebahnexpress!«»Genau, die sind wieder am Reparieren. Ich möchte den Tag

erleben, an dem alles zügig läuft.«Beide Frauen, obwohl sie an die dreißig Jahre zählen, ma-

chen einen viel jüngeren Eindruck. Ihre Hemdchen mit Spa-ghetti-Trägern reichen über die Taille, die Tücher, die sie in passender Farbe um den Hals geschlungen hatten, sind längst hinter die Sitze geflogen. Frau Hell trägt einen kurzen Rock, dazu High Heels, die andere sportlich, mit einer Outdoor-Hose und Turnschuhen gekleidet. Die Fahrerin hat ihre Haare streng nach hinten gefasst, wobei ihr ein Pony frech ins Gesicht fällt. Bei ihrer Kollegin umrahmen blonde Locken das Antlitz und betonen ihre feminine Erscheinung. Die Augen sind stark ge-schminkt. Frau Hell hat ihren vollen Mund mit einem satten Rot betont, die Fahrerin hat ungeschminkte Lippen, was auch besser zu der immer gleichen Kaubewegung passt, mit der sie ihren Kaugummi bearbeitet.

Mit viel Verzögerung kommen sie endlich am Ziel an. Ge-

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genüber dem Polizeipräsidium parken sie auf dem Netto-Parkplatz.

»Ich komme mir vor wie ein Hase, der zwischen den Autos hin und her hüpft. Ist das eigentlich Arbeitszeit, wenn wir hier bei der Polizei vorgeladen werden, oder müssen wir das nach-arbeiten?«, fragt Frau Draht.

»Weiß ich nicht, das wird sich ergeben. Es ist vielmehr die Frage, ob wir unseren Arbeitsplatz überhaupt behalten, wenn wir jetzt eine neue Chefin haben.«

»Warum sollte sie dich rauswerfen?«»Die Probas hätte lieber die Tochter ihrer Freundin unter-

gebracht. Damals gab es mit dem Chef eine heftige Diskussion, so ist mir jedenfalls zugetragen worden. Ich bin noch in der Probezeit, da kann man ohne Angabe von Gründen …«

»Es wird nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird, war-te erst einmal ab.«

Inzwischen sind die beiden Kolleginnen in das Gebäude ge-treten und wenden sich an einen der Uniformierten. Dieser wirft einen kurzen Blick auf ihre Ladung und schickt sie in das Büro von Dick und Bresniak, allerdings nicht ohne eine Bemerkung mit auf den Weg zu geben: »Die Herren von der Mordkommission haben’s gerne pünktlich.«

»Sie fahren mit Blaulicht am Stau vorbei, aber unsereins darf das Gewühl aushalten!«, kommentiert Frau Draht. Sie lässt solche Belehrungen nicht gerne auf sich sitzen.

Die beiden PTAs verlangsamen ihren Schritt. Frau Hell hakt sich bei Frau Draht unter, gleichzeitig zieht sie die Schultern etwas hoch und überlässt ihrer Kollegin fast unmerklich den Vortritt. Sie erreichen das Büro. Ihnen ist etwas mulmig. Sie waren noch nie bei der Polizei, und Mordfälle kennen sie nur aus dem Fernsehen.

»Herein, meine Damen. Eine setzt sich bitte zu mir, ich bin übrigens Hauptkommissar Dick, die andere begleitet meinen Kollegen Bresniak ins Nachbarbüro.«

Frau Draht folgt irritiert Bresniak. Zusammen mit Frau Hell hatte sie sich halbwegs stark gefühlt, aber jetzt ist ihr alles nicht mehr so geheuer.

Dick nimmt die Personalien auf, erkundigt sich, was sie mit-

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bekommen haben, nach den anderen Kollegen, nach Klatsch und Tratsch, wie sie zueinander stehen und welche Verände-rungen zu erwarten sind. Dick empfindet diese Befragungen als dröge, aber schon so manches Mal hat ein Nebensatz, den Zeugen haben fallen lassen, einen Sprung für die Ermittlung bedeutet.

»Wie geht es jetzt bei Ihnen weiter?«»Wenn ich das wüsste. Die Probas wird wahrscheinlich für

ein Jahr die Apotheke pachten. In der Zeit muss die Witwe se-hen, was sie mit dem Geschäft macht.«

»Dann geht das problemlos weiter?«»Hm …«»Hm …, das klingt nicht so überzeugt«, versucht Dick, Nähe-

res herauszukitzeln.»Ich weiß nicht, ob ich dort weiterarbeiten werde.«»Warum? Gefällt es Ihnen dort nicht oder haben die zu viel

Personal?«»Nein, das nicht, aber der Chef hat mich eingestellt, und die

Probas wollte mich nicht so richtig. Ich bin noch in der Pro-bezeit …«

»Hat die Witwe da nicht ein Wörtchen mitzureden?«»Da sprechen Sie etwas an. Der Chef hatte doch ein Tech-

telmechtel mit der Approbierten, oder auch mehr. Die haben gemeint, wir merken das nicht. Für wie dumm halten die uns! So etwas ist in einem Betrieb immer doof, besonders wenn der klein ist. Glauben Sie, dass die auf die Witwe hören wird?«

»Warum übergibt die Witwe dann das Geschäft der Appro-bierten?«

»Weil sie sonst keinen so schnell auftreiben kann. Die Kam-mer ist offensichtlich nicht hilfreich, und das Gesetz verlangt einen Approbierten in der Apotheke, sonst wird der Laden so-fort zugemacht.«

»Raue Sitten. Da hängen doch Existenzen dran.«»Da fragt das Gesetz nicht. Wie das in einem kritischen Fall

gehandhabt wird, weiß ich nicht. Es passiert mir nicht so oft, dass mein Chef erschossen wird.«

»Müssen andere auch noch um ihren Job bangen?«»Ich glaube, den Boten hat es schon erwischt. Der ist weg

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vom Fenster. Da lässt die Probas ihren Cousin fahren, der braucht einen Nebenjob. Blut ist dicker als Wasser. Da hat un-ser Nowak das Nachsehen.«

»Was hat der dazu gesagt, als ihm das eröffnet wurde?«»Kann ich nicht sagen. Ihn hat keiner mehr gesehen. Ich

denke, er hat es schriftlich bekommen.«Das ist erst einmal genug für Dick. Allerdings wird er Frau

Probas noch einmal vorladen müssen. Von der besonderen Beziehung zu ihrem Chef hat sie nichts verlauten lassen.

Bresniak interviewt derweil Frau Draht. Die Aussagen der beiden PTAs stimmen inhaltlich weitgehend überein. So ha-ben Dick und Bresniak die Angestellten schließlich durch. Die Befragungen der Nachbarn sowie der Bewohner in der unmit-telbaren Umgebung haben nichts gebracht.

Ebenso ist der Besuch in der Columbus-Apotheke ergebnis-los verlaufen.

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