+ All Categories
Home > Documents > Dr. Oliver Mörsdorf WS 2013/2014 Handelsrecht I. · PDF fileDr. Oliver Mörsdorf WS...

Dr. Oliver Mörsdorf WS 2013/2014 Handelsrecht I. · PDF fileDr. Oliver Mörsdorf WS...

Date post: 05-Feb-2018
Category:
Upload: vuongdang
View: 216 times
Download: 0 times
Share this document with a friend
52
Dr. Oliver Mörsdorf WS 2013/2014 Handelsrecht § 1. Einführung I. Schrifttum 1. Kommentare Baumbach/Hopt, Handelsgesetzbuch, 35. Aufl. 2012; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, Bd. 1, 2. Aufl. 2008; Bd. 2, 2. Aufl. 2009; Gemeinschaftskommentar zum HGB (hrsg. von Ernsthaler), 7. Aufl. 2007; Heidelberger Kommentar zum HGB, 7. Aufl. 2007; Heidel/Schall, HGB, 2011; Heymann, HGB, 2. Aufl. 1995 ff.; Koller/W.-H. Roth/Morck (K/R/M), Handelsgesetzbuch, 7. Aufl. 2011; Oetker, HGB, 2. Aufl. 2011; Münchener Kommentar zum HGB, 3. Aufl. 2010 ff. (Bd. 6, 7: 2. Aufl. 2005 ff.); Röhricht/von Westphalen, HGB, 3. Aufl. 2008; Staub, Großkommentar zum HGB, 5. Aufl. 2008 ff. 2. Große Lehrbücher Canaris, Handelsrecht, 24. Aufl. 2006; Schmidt, Handelsrecht, 5. Aufl. 1999 3. Kurzlehr- und Lernbücher Bitter/Schumacher, Handelsrecht, 2011; Brox/Henssler, Handelsrecht mit Grundzügen des Wertpapierrechts, 21. Aufl. 2011; Bülow, Handelsrecht, 6. Aufl. 2009; Jung, Handelsrecht, 9. Aufl. 2012; Kindler, Grundkurs Handels- und Gesellschaftsrecht, 6. Aufl. 2012; Lettl, Handelsrecht, 2. Aufl. 2011; Oetker, Handelsrecht, 6. Aufl. 2010; G.H. Roth/Weller, Handels- und Gesellschaftsrecht, 8. Aufl. 2013; Steinbeck, Handelsrecht, 2. Aufl. 2011. 4. Klausurensammlungen, Examinatorien etc. Bitter/Schumacher, Handelsrecht, 2011 (Teil 2, S. 143 ff.), Fezer, Klausurenkurs im Handelsrecht, 5. Aufl. 2009; Lettl, Fälle zum Handelsrecht, 2. Aufl. 2013; Timm/Schöne, Fälle zum Handels- und Gesellschaftsrecht, Bd. I, 8. Aufl. 2010 (9. Aufl. erscheint im November 2013!); Wiedemann/Fleischer, Handelsrecht, Prüfe dein Wissen 7/1, 8. Aufl. 2004. II. Gegenstand des „Handelsrechts“ i.e.S. Lit.: Brox/Henssler § 1; Canaris § 1; Hübner § 1; Kindler § 1. „Einstieg“ in die Klausur: Fall: Software-Ingenieur I bestellt für seinen Betrieb bei der „Computer-Service GmbH“ einen Computer, der am 1.3.2011 geliefert und von dem Angestellten A entgegengenommen wird. I befindet sich zu dieser Zeit im Ski-Urlaub. Nach seiner Rückkehr zwei Wochen später wird das Gerät installiert. Dabei stellt sich heraus, dass die Festplatte einen Materialschaden hat; I rügt dies gegenüber dem Geschäftsführer G der GmbH und verlangt Nachlieferung einer fehlerfreien Festplatte und Einbau; G meint, die Rüge sei verspätet und verlangt Zahlung des Kaufpreises. 1. Bestehen die geltend gemachten Ansprüche? 2. Ändert sich etwas am Ergebnis, wenn die Bestellung des Computers a. vom Architekten A b. von der Partnerschaft „Architekt A & Partner“ c. von der „Architekt A & Co. GmbH“ ausgegangen ist? Zur Klausurlösungsmethode vgl. Timm/Schöne S. 12 ff.; Fallsammlungen oben unter § 1. I. 4. sowie das Bonner Examensrepetitorium im Handelsrecht.
Transcript

Dr. Oliver Mörsdorf WS 2013/2014

Handelsrecht § 1. Einführung

I. Schrifttum

1. Kommentare Baumbach/Hopt, Handelsgesetzbuch, 35. Aufl. 2012; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, Bd. 1, 2. Aufl. 2008; Bd. 2, 2. Aufl. 2009; Gemeinschaftskommentar zum HGB (hrsg. von Ernsthaler), 7. Aufl. 2007; Heidelberger Kommentar zum HGB, 7. Aufl. 2007; Heidel/Schall, HGB, 2011; Heymann, HGB, 2. Aufl. 1995 ff.; Koller/W.-H. Roth/Morck (K/R/M), Handelsgesetzbuch, 7. Aufl. 2011; Oetker, HGB, 2. Aufl. 2011; Münchener Kommentar zum HGB, 3. Aufl. 2010 ff. (Bd. 6, 7: 2. Aufl. 2005 ff.); Röhricht/von Westphalen, HGB, 3. Aufl. 2008; Staub, Großkommentar zum HGB, 5. Aufl. 2008 ff.

2. Große Lehrbücher Canaris, Handelsrecht, 24. Aufl. 2006; Schmidt, Handelsrecht, 5. Aufl. 1999

3. Kurzlehr- und Lernbücher Bitter/Schumacher, Handelsrecht, 2011; Brox/Henssler, Handelsrecht mit Grundzügen des Wertpapierrechts, 21. Aufl. 2011; Bülow, Handelsrecht, 6. Aufl. 2009; Jung, Handelsrecht, 9. Aufl. 2012; Kindler, Grundkurs Handels- und Gesellschaftsrecht, 6. Aufl. 2012; Lettl, Handelsrecht, 2. Aufl. 2011; Oetker, Handelsrecht, 6. Aufl. 2010; G.H. Roth/Weller, Handels- und Gesellschaftsrecht, 8. Aufl. 2013; Steinbeck, Handelsrecht, 2. Aufl. 2011.

4. Klausurensammlungen, Examinatorien etc. Bitter/Schumacher, Handelsrecht, 2011 (Teil 2, S. 143 ff.), Fezer, Klausurenkurs im Handelsrecht, 5. Aufl. 2009; Lettl, Fälle zum Handelsrecht, 2. Aufl. 2013; Timm/Schöne, Fälle zum Handels- und Gesellschaftsrecht, Bd. I, 8. Aufl. 2010 (9. Aufl. erscheint im November 2013!); Wiedemann/Fleischer, Handelsrecht, Prüfe dein Wissen 7/1, 8. Aufl. 2004.

II. Gegenstand des „Handelsrechts“ i.e.S. Lit.: Brox/Henssler § 1; Canaris § 1; Hübner § 1; Kindler § 1.

„Einstieg“ in die Klausur: Fall: Software-Ingenieur I bestellt für seinen Betrieb bei der „Computer-Service GmbH“ einen Computer, der

am 1.3.2011 geliefert und von dem Angestellten A entgegengenommen wird. I befindet sich zu dieser Zeit im Ski-Urlaub. Nach seiner Rückkehr zwei Wochen später wird das Gerät installiert. Dabei stellt sich heraus, dass die Festplatte einen Materialschaden hat; I rügt dies gegenüber dem Geschäftsführer G der GmbH und verlangt Nachlieferung einer fehlerfreien Festplatte und Einbau; G meint, die Rüge sei verspätet und verlangt Zahlung des Kaufpreises.

1. Bestehen die geltend gemachten Ansprüche? 2. Ändert sich etwas am Ergebnis, wenn die Bestellung des Computers

a. vom Architekten A b. von der Partnerschaft „Architekt A & Partner“ c. von der „Architekt A & Co. GmbH“ ausgegangen ist?

Zur Klausurlösungsmethode vgl. Timm/Schöne S. 12 ff.; Fallsammlungen oben unter § 1. I. 4. sowie das Bonner Examensrepetitorium im Handelsrecht.

1. Begriff des Handelsrechts: Sonder(privat-)recht für Kaufleute a) Rechtgebiet: Teil des Privatrechts; aber: HGB-Registerrecht enthält öff.-rechtl. Normen; ebenso § 14 HGB: Zwangsgeld; § 104a HGB: Bußgeld b) Spezialregelungen für Rechtsbeziehungen unter Beteiligung von Kaufleuten (§§ 1 ff.; § 6 HGB); aber: einzelne §§ des HGB auch anwendbar für wirtschaftlich tätige Unternehmen, die Gewerbetreibende, aber nicht Kaufleute sind (z.B. §§ 84 IV, 93 III, 383 II HGB). 2. Abgrenzungen

a. Gesellschaftsrecht (§§ 105 ff. HGB; AktG, GmbHG, GenG etc.) b. Recht der Rechnungslegung, Bilanzrecht (§§ 262 ff. HGB) c. Wechsel- und Scheckrecht: Wechsel- und ScheckG e. Bank-, Kapitalmarktrecht (BörsG; WpHG, InvestG u.a.) f. Arbeitsrecht: §§ 59 ff. HGB - Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge)

III. Rechtsquellen

1. Im Einzelnen: a. HGB, EGHGB b. Europäisches Unionsrecht: § 15 III, §§ 84 ff. beruhen auf EU-Richtlinien; insoweit Gebot richtlinienkonformer Auslegung c. Gewohnheitsrecht (Grundsätze über kaufmänn. Bestätigungsschreiben) d. §§ 29 II, 38 I ZPO e. § 14 BGB, § 310 I Satz 2, 2. HS. f. Nationaler und internationaler Handelsbrauch, § 346 HGB g. Handelsklauseln („cif“, „fob“) h. UN-Kaufrecht (eigene Vorlesung) i. Internationales Privatrecht (eigene Vorlesungen: IPR; Recht des internationalen Handelsverkehrs) 2. Verhältnis HGB/BGB:

a. allgemein:

aa. HGB hat als lex specialis Vorrang, Art. 2 EGHGB bb. enge Verzahnung, weil vielfach Rückgriff auf BGB notwendig. cc. Vielfache Sonderregeln ggü BGB:

(1) Firmenrecht, §§ 17 ff. (ggü Namensrecht) (2) Vollmacht, §§ 48 ff. (ggü. 167 BGB) (3) Registerpublizität, § 15 (4) Handelsgeschäfte, §§ 343 ff. (vgl. Schaubild 1)

b. Verbraucherrecht, insbes. 13 BGB aa. zT gegenseitiger Ausschluss: B2B versus B2C-Konstellation bb. zT Zusammentreffen: einseitige Handelsgeschäfte, Vertretung, § 15 etc. cc. Verbraucherschutz im HGB: §§ 414 III, 449 I etc. dd. Verbraucherschutzrecht bedingt Korrekturen im Anwendungsbereich des Handelsrechts: § 344 als Beispiel

3. Anwendungsbereich a. Sog. subjektives System: Kaufmann als Zentralbegriff in Abgrenzung zum objektiven System i.S.d. Regelung bestimmter Vertragstypen (vgl. Wechsel-, Scheck-recht; frz. code de commerce)

aa. Historisch bedingt; „Handelsstand“, „Kaufmannsstand“; daher auch „Handels“recht bb. keine Anwendung auf freie Berufe (und früher: Landwirtschaft; § 3 I ist heute noch irreführend formuliert!)

b. Aber starke Relativierung dieses Ansatzes:

aa. Erstreckung bestimmter im HGB geregelter Vertragstypen auch auf nichtkaufmännische Gewerbetreibende: §§ 84 IV, 93 III etc.; hier Tendenz zum objektiven System (Handelsvertretervertrag etc.) bb. Auch unter Beibehaltung der subjektiven Anknüpfung im Bereich des „klassischen“ Sonderprivatrechts zT Erweiterung des Adressatenkreises: (1) HGB regelt auch einseitige Handelsgeschäfte, § 345: damit Anwendung handelsrechtlicher Vorschriften auch auf Nichtkaufleute! (2) Analoge Anwendung einzelner §§ auf Nichtkaufleute, z. B. § 56 HGB (vom Gesetzgeber selbst nahegelegt) (3)Neuere Gesetzgebung ersetzt Begriff des Kaufmanns zunehmend durch den des Unternehmers; § 1031 ZPO, § 310 I BGB; ebenso im HGB: § 84 IV etc.; s. auch § 14 BGB („Unternehmer“); europäischer Gesetzgeber arbeitet nicht mit dem Begriff des Kaufmanns, sondern des Unternehmers.

IV. Charakteristika des Handelsrechts (zT einander bedingend) 1. Selbstverantwortlichkeit des Kaufmanns (geringeres Schutzbedürfnis): §§ 348, 350 2. Schnelligkeit, Einfachheit: §§ 377, 350, 362; kaufmänn. Bestätigungsschreiben 3. Gesteigerter Verkehrsschutz: Handelsregister: § 15; Sachenrecht: § 366; Typisierung der Vertretungsmacht (§§ 48 f., 54) 4. Entgeltlichkeit der Tätigkeit: §§ 352, 353, 354 5. HGB realisiert auch Schutzanliegen zugunsten von Kaufleuten ggü. anderen Kaufleuten(!): Recht der Handelsvertreter; Transportrecht

V. Reformen 1. Zuletzt: Reform des Kaufmannsbegriffs, des Firmenrechts (1998) und des Registerrechts (2007). 2. Seit langem in der Diskussion: Fortentwicklung zu einem Unternehmens(außen)recht (Ablösung des Kaufmannsbegriffs, wie zuletzt in Österreich, befürwortend zT schon de lege lata: K. Schmidt, § 3); Ansätze dazu in Verwendung des Unternehmensbegriffs im HGB

(wird dort allerdings schon seit langem gebraucht) und im BGB („Unternehmer“); zum Ganzen Canaris § 1 III.

VI. Gegenstand der Vorlesung 1. Adressatenkreis: Kaufmann 2. Registerrecht - Handelsregister 3. Firmenrecht 4. Kaufmännische Vertretung 5. Übergang des kaufmännischen Unternehmens 6. Kaufmännische Rechtsgeschäfte a. Allgemeine Regeln und Institutionen b. Handelskauf (7. evtl. Vertriebsrecht; gehört nicht zu den „Grundzügen“) § 2. Der Kaufmann Lit.: Canaris §§ 2-3; Hübner § 1; Kindler § 2; Lettl § 2; Oetker § 2; K. Schmidt §§ 9-10

I. Bedeutung der Kaufmannseigenschaft 1. Entscheidet insbes. über Anwendung des Firmenrechts (§§ 17 ff.), Publizität des Handelsregisters (§ 15); Sonderregeln über Vertretung des Kaufmanns (§§ 48 ff.); Vorliegen eines „Handelsgeschäfts“ (§§ 343 ff.). 2. aber: Erstreckung handelsrechtlicher Normen per Gesetz (§ 84 IV etc.) oder Analogie auf nichtkaufmännische Gewerbetreibende

II. Materieller und formeller Kaufmannsbegriff (Überblick) 1. Materieller Kaufmannsbegriff

a. Einstieg: § 1 I – Betreiben eines „Handelsgewerbes“ b. Wer ein „Handelsgewerbe“ betreibt, sagen die §§ 1 II, 2, 3, 5 HGB! c. z.T. mittelbare Bedeutung für 2.

2. Kaufmann kraft Rechtsform (§ 6 HGB)

III. Kaufmann kraft „Handelsgewerbes“, § 1 I

1. Bezugnahme auf „Handel“ hat nur mehr historische Bedeutung (wie in „Handels“recht, „Handels“-gesetzbuch). Keine Beschränkung auf Weiterveräußerung, auch Produktion, Dienstleistung etc.

2. Natürliche und (!) juristische Personen (z.B. Körperschaften des öff. Rechts); nicht aber „Handelsgesellschaften“ und „Vereine“ iSv § 6 HGB!! 3. Wer ein „Handelsgewerbe“ betreibt, sagen § 1 II, 2, 3, 5 (§ 1 I, II passen systematisch nicht zusammen! Warum?)

a. Grundvoraussetzung: Betreiben eines Gewerbes b. Zusätzliche Voraussetzung aa. „Materielles“ Kriterium: § 1 II (sog. „Ist-Kaufmann“). bb. „Formelles“ Kriterium: (1) Kaufmann durch (beantragte) Eintragung gem. §§ 2, 3 II, III (sog. Kann-Kaufmann“) (2) § 5: Kaufmann (nur) kraft Eintragung: Fiktivkaufmann

4. Wirkung der Eintragung in das Handelsregister:

a. § 1 II: zwar Eintragungspflicht gem. § 29; aber: Kaufmannseigenschaft gegeben auch ohne Eintragung (Wortlaut des § 29); Eintragung hier nur deklaratorisch ! b. § 2, 3 II, III, 5: Eintragung konstitutiv

5. Grundvoraussetzung: Betreiben eines Gewerbes:

a. Definition „Gewerbe“:

aa. verdeckter Grundtatbestand des HGB: aaa. Für Kaufmannseigenschaft nach § 1 I HGB bbb. Ebenso bei den nicht eingetragenen Kleingewerbetreibenden, auf die einzelne §§ des HGB anwendbar: § 84 IV, 93 III etc.

bb. Begriff des Gewerbes im HGB nicht definiert; wird als bekannt vorausgeserzt; steuer- oder gewerberechtl. Begriffe unterschiedlich! cc. Jede Tätigkeit, die vier positive (1-4) und zwei negative (5-6) Charakteristika aufweist

(1) Selbständigkeit (§ 84 I 2), (2) Außengerichtetheit (i.S.v. nach außen erkennbare = marktförmige), (3) Planmäßigkeit (auf Vielzahl von Geschäften ausgerichtete; nicht bei bloßen Gelegenheitsgeschäften), (4) Marktgerichtetheit bzw. Entgeltlichkeit Schrifttum; neuere Rspr.; frühere Rspr.: Gewinnerzielungsabsicht, s.u. b.bb). (5) nicht: bloße Verwaltung eigenen Vermögens:

(a) kraft Tradition kein Gewerbe; arg. heute § 105 II 1 HGB e contrario; (b) Ausgangspunkt: Erhaltung und Mehrung eigenen Vermögens gehört zum Privatbereich (idR nicht außengerichtet und nicht entgeltlich), (c) Bedeutung vor Handelsrechtsreform von 1998 vor allem für Eintragungsfähigkeit vermögensverwaltender KG (beschränkte Haftung für Kommanditisten!), nach Einführung des § 105 II 1 HGB nur noch für Einzelpersonen; (d) Abgrenzung probl.: BGH stellt in älteren Urteilen auf Kriterien wie Umfang, Komplexität und Anzahl der Vorgänge ab (BGH NJW 1979, 1650 zur Vermietung von Eigentums-wohnungen); heute noch überzeugend im Hinblick auf § 1 II?

Anderer Abgrenzungsversuch: spezifische Risikostruktur der gewerblichen Tätigkeit, etwa durch Umschichtung von Vermögenswerten (Schön, DB 1998, 1169); (e) Beispiele aus der Rspr.:Wohnungsvermietung (BGHZ 63, 33, 74, 273); Unternehmensverpachtung (BGH NJW 2006, 3487) und Halten von Gesellschaftsanteilen (BGH, st. Rspr., vgl zuletzt NJW 2006, 431)

(6) nicht: freiberufliche, wissenschaftliche oder künstlerische Tätigkeit; erfüllt zwar Kriterien oben b.cc. (1)-(4), ist aber kraft Tradition kein Gewerbe; fehlende Gewinnerzielungsabsicht ist heute nicht mehr als alternative Begründung geeignet (s.u. bb.(2)); Abgrenzung zu gewerblicher Tätigkeit äußerst unscharf:

(a) z.T. ausdr. gesetzliche Regelungen in Berufsordnungen: § 2 II BRAO, § 2 3 BNotO, § 1 II 2 WirtschaftsprüferO, § 32 II 2 SteuerberG, § 1 II BundesärzteO, § 1 IV ZahnheilkundeG) (b) Keine Orientierung an § 1 II PartGG mögl. (vgl. dazu BayObLG NZG 2002, 718; Canaris § 2 Rdnr. 10; sehr str.); Gründe:

(i) § 1 II PartGG lehnt sich an § 18 II EStG an (ii) § 1 II PartGG will beruflichen (auch gewerblichen)

Tätigkeiten, die freien Berufen nahe stehen, den Weg in die Partnerschaft öffnen

(iii) § 1 II Satz 2 PartGG definiert die Freien Berufe im Sinne dieses Gesetzes

(c) I.Ü. Verkehrsanschauung (anschaulich BayObLG NZG 2002, 718 zum Softwareentwicklungsingenieur); Kriterien: Höchstpersönliche Leistungserbringung (Kreativität, nicht Massen“-produktion“); Orientierung am typischen Berufsbild, nicht am Einzelfall. (d) Beispiele: selbstständ. Opernsänger, Konzertsolisten; Rock- und Popsänger; Kunstmaler (nicht, bei Übergang zur Serien-produktion, dann Kunst“gewerbe“, vgl. BGHZ 33, 335); nicht: Apotheker (BGHZ 8, 168! überzeugend?); Chemiker, Ingenieure, Unternehmensberater, Journalisten (trotz Krea-tivität); Sportler (str.). (e) Bei Zusammentreffen freiberuflicher und gewerblicher Tätigkeiten in einer größeren organisatorischen Einheit, ent-scheidet bei fehlender (klarer) Trennbarkeit Schwerpunkt (Gesamtbild). Beispiele aus der Rspr. Arzt betreibt Sanatorium (RGZ 109, 75 f.: Gewerbe!, anders für Arztpraxis, auch bei aufwendiger apparativer Ausstattung, vgl. OLG Düsseldorf, NJW 1988, 1519).

bb. Ohne Relevanz:

(1) Erlaubtheit, für öffentl.-rechtl. Erlaubtheit vgl. schon § 7 HGB, zivilrechtl. Wirksamkeit und Klagbarkeit der Verträge (§§ 134, 138 BGB!) ist ebenfalls irrelevant (h.L., aber str., vgl. BT-Drucks. 13/8444, S. 24).

(2) Gewinnerzielungsabsicht war jedenfalls nach früher h.M. Voraussetzung für Gewerbe (st. Rspr. vgl. noch BGH NJW 1985, 3063). Nach heute h.L. aber als reines internum kein taugliches Kriterium mehr; zu ersetzen durch „entgeltliche marktorientierte Tätigkeit“ (vgl. nur Canaris, § 2 Rn. 14 m.w.N.; so nun explizit auch OLG Dresden DB 2003, 713; noch offengelassen dagegen in BGH NJW 2003, 2742, 2743; Folge: auch öffentliche Versorgungsunter- nehmen, karitative Unternehmen und „Abschreibungsgesellschaften“ ohne Gewinnerzielungsabsicht (etwa im Konzern oder als ARGE, vgl. OLG Dresden, s.o.) vom Gewerbebegriff erfasst. Merke: Für Unter- nehmerbegriff des § 14 BGB scheint BGH NJW 2006, 2250, 2251 auf Gewinnerzielungsabsicht als Kriterium zu verzichten.

b. „Betreiben“ des Gewerbes:

aa. Derjenige, in dessen Namen das Gewerbe betrieben wird, nicht: derjenige,

der in fremdem Namen auftritt (Angestellte, Organmitglieder etc.) bb. Status von Gesellschaftern einer ein Gewerbe betreibenden Gesellschaft?

Kaufmannseigenschaft der Gesellschaft selbst richtet sich nach § 6 HGB. Für Gesellschafter unterscheidet Rspr.: Gesellschafter von Kapitalgesellschaften (AG, GmBH) sind keine Gewerbetreibenden und damit keine Kaufleute

(BGH NJW 96, 2158), persönl. haftende und geschäftsführende Gesellschafter von Personengesellschaften (oHG-Gesellschafter, Komplementäre, nicht: Kommanditisten!) betreiben das Gewerbe der Gesellschaft (BGHZ 45, 282, 284, NJW 2006, 918, arg. akzessorische Haftung gem. § 128 HGB str.); überzeugend im Hinblick auf heute anerkannte Verselbständigung der Gesellschaft ggü. den Gesellschaftern), vgl. für GbR BGHZ 145, 341 = NJW 2001, 1056 „Weißes Ross“).

cc. Beginn: Rspr. bezieht für § 1 II HGB auch Vorbereitungsgeschäfte ein, sofern von Anfang an ein den Anforderungen des § 1 II entsprechender Betrieb geplant war; überzeugend im Hinblick auf Vorverlegung der Eintragungs-pflicht (§ 29 HGB)?

dd. Ende: Betriebseinstellung (wichtig etwa bei § 5) ee. Vorliegen eines Gewerbes ist bei unterschiedlichen Tätigkeiten, soweit auch organisatorisch getrennt, gesondert (für jeden Betrieb einzeln: Bauunternehmen; Getränkehandel etc.) zu prüfen; nach unterschiedlichen Tätigkeiten gesonderte Prüfung dann auch bei § 1 II ff HGB.

6. „Ist-Kaufmann“, § 1 II HGB a. Allgemeines:

aa. Überschrift in § 1 bezieht sich auf § 1 II, nicht auf § 1 I! bb. Kaufmannseigenschaft kraft Gesetzes ("Ist-Kaufmann"), wenn Voraussetzungen erfüllt; Generalklausel; cc. § 1 II statuiert (untechnisch.) widerlegbare Vermutung (zutr.: Beweislastregel):

(1) Zweck? (2) Beweislastregel greift nur bei Vorliegen eines Gewerbes (i.S.v. III.4.b.); Vorliegen eines Gewerbes wird nicht vermutet!! (3) „Vermutet“ wird, dass die Kriterien des § 1 II erfüllt sind und damit (auch ohne Eintragung) Kaufmannseigenschaft gegeben ist. (4) Beweislastregel gilt auch im Gesellschaftsrecht: § 105 II: OHG statt GbR!

dd. Merke: Auf Kriterien des § 1 II kommt es in der Praxis nicht an, wenn Eintragung gegeben (im Hinblick auf § 2, 5).

b. Erforderlichkeit „kaufmännischer Einrichtungen“:

aa. Was sind „kaufmännische Einrichtungen“ (kaufmänn. Organisation)?

(1) kaufmänn. Buchführung (Bilanzierung) (2) kaufmänn. ausgebildetes Personal (3) kaufmänn. Ordnung der Vertretung (Prokura) (4) Aufbewahrung der Korrespondenz (5) Führung eines Inventars (6) Fremdfinanzierung (?)

bb. Art und Umfang des geführten Geschäftsbetriebs muss „kaufmännische Organisation“ iSv aa) erforderlich machen:

(1) Art des Geschäftsbetriebs: Abläufe und Struktur, Größe des Betriebs; Zahl der Betriebsstätten (Niederlassungen); Produktpalette; Zahl der Beschäftigten; lokale, nationale oder internationale Aus- richtung? Notwendigkeit der Kreditaufnahme; Höhe des Anlage- vermögens; Lager; Werbung; Merke: Reisebüro, Bauunternehmen etc. können als 1-Mann-Unternehmen und als Großunternehmen geführt werden. (2) Umfang: Unternehmensgröße; Umsatz (Daumenregel: aus früherer Rspr. 250.000 €; heute eher höher; aber: passt nicht bei bestimmten Unternehmen, z.B. Galerie etc.). (3) Wichtig: Rspr. stellt auf „Gesamtbild“ des gewöhnlichen Geschäftsablaufs ab (also Zusammenschau von (1) und (2)).

cc. „erfordern“: Art und Umfang des geführten Betriebs erfordern kaufmännische Einrichtungen für einen geordneten Geschäftsablauf; Vorhandensein kaufmännischer Einrichtungen bedeutet nicht, dass sie erforderlich sind (wohl aber Indizwirkung); Nichtvorhandensein irrelevant.

(1) Merke: Wenn „Erforderlichkeit“ fehlt, liegt Kleingewerbe vor, d.h. Gewerbetreibender ist nicht bereits gem. § 1 II HGB ex lege Kaufmann (2) Kleingewerbetreibender kann über §§ 2, 5 Kaufmann werden (s.u.).

(3) evtl. analoge Anwendung einzelner §§ auf Kleingewerbetreibende (vgl. § 84 IV)

dd. Gesetz verwendet (in § 1 II) für den Geschäftsverkehr schwer erkennbare Kriterien, die mit einem hohen Maß an Rechtsunsicherheit verbunden sind. Abmilderung durch Beweislastverteilung (s.o.):

(1) Bei Vorliegen eines Gewerbes ist von Handelsgewerbe iSv § 1 II auszugehen (d.h. Kriterien sind erfüllt); bedeutsam für Versäumnis- urteil (2) Darlegungs- und Beweislast zulasten desjenigen, der sich auf fehlende Kaufmannseigenschaft beruft. Bleiben Zweifel im Tat- sächlichen greift „Vermutung“. (3) „Vermutung“ des § 1 II wirkt:

(a) Zugunsten des Rechtsverkehrs (eindeutig: primärer Zweck der Norm!) (b) Wortlaut des § 1 II: auch zugunsten des Kleingewerbe- treibenden (und damit zulasten des Rechtsverkehrs); str. (a.A.: nur zugunsten des Rechtsverkehrs)

Fall: Käufer K (ist Kaufmann) einer mangelhaften Ware hat nicht rechtzeitig nach§ 377 I gerügt; er bestreitet die Kaufmannseigenschaft des gewerblich tätigen Verkäufers V (um der Rügeobliegenheit zu entgehen). Wer trägt die Darlegungs- und Beweislast für die Kaufmannseigenschaft des V? Nehmen Sie an, K kann die „Vermutung“ des § 1 II nicht widerlegen. Er hat aber die rechtzeitige Rüge unter-lassen, weil er davon ausgegangen ist, dass V kein Kaufmann sei. Gesetzes-begründung verweist auf Schutz des Rechtsverkehrs gem. § 15 I (weil sich Kaufmann gem. § 1 II nach § 29 ins Handelsregister eintragen lassen müsse).

c. Eintragungspflicht gem. § 29 (evtl. Zwangsgeld gem. § 14); Eintragung wirkt nur deklaratorisch; d.h. auch bei Verstoß gegen Eintragungspflicht (= Nichteintragung) ist Gewerbetreibender ex lege Kaufmann! 7. „Kann-Kaufmann mit Rückfahrkarte“, § 2 HGB (Kleingewerbetreibende) a. § 2 hat Bedeutung für Kleingewerbetreibende (Satz 1!), die nicht schon ex lege Kaufmann gem. § 1 II sind (Subsidiarität; in Klausur deshalb § 1 II zuerst zu prüfen). Merke: Gewerbe ist unabdingbare Voraussetzung. b. Keine Eintragungspflicht (daher: „Kann-Kaufmann“); Eintragung nur auf Antrag:

aa. ob Antrag geschäftsähnliche Erklärung (§§ 104 ff. BGB anw.) oder nur Verfahrenshandlung, sehr str. H.M.: Doppelnatur: Antrag nicht nur Verfahrenshandlung, sondern auch Ausübung eines Wahlrechts zur Herbeiführung des Kaufmannsstatus; ausführlich Canaris § 3 Rz. 19-22; K/R/M-Roth § 2 Rz. 3: Akt privatautonomer Gestaltung. bb. Erfolgt Eintragung ohne wirksamen Antrag: Fall des § 5 (§ 5-Kaufmann unterliegt nicht §§ 238 ff., 283 ff. StGB); a.A.: § 2. cc. Problem: Abgrenzung des Antrags gem. § 29 (kein Wahlrecht; Anmeldepflicht) und gem. § 2 (Wahlrecht)? Merke: Die elektronische Anmeldung unterscheidet nicht zwischen Anmeldungen gem. § 29 und § 2.

Fall: X ist Kaufmann gem. § 1 II und kommt seiner Anmeldepflicht nach § 29 nach. Er wird in das Handelsregister eingetragen. Später entfallen die Voraussetzungen des § 1 II. Bleibt X Kaufmann über § 2 oder § 5? (Unterschied nicht relevant für Rechtsverkehr, wohl aber für §§ 238 ff.).

Fall: X glaubt, nach §§ 29, 1 II anmeldepflichtig zu sein (die Voraussetzungen liegen aber

nicht vor) und meldet deshalb Firma zur Eintragung an. Das Registergericht trägt ein, ohne die Voraussetzungen des § 1 II zu prüfen. Kaufmann gem. § 2 oder § 5? Schutz des Rechts-verkehrs ist gewährleistet (über § 5); unterliegt X den §§ 238 ff. (und §§ 283 ff. StGB!)? Liegt in Antrag gem. §§ 1 II, 29 zugleich Antrag nach § 2?

c. Eintragung wirkt konstitutiv (nicht: deklaratorisch) d. Rechtsfolge: Wortlaut: „gilt“; keine Fiktion; vielmehr betreibt Gewerbetreibender ab Eintragung ein „Handelsgewerbe“ i.S.v. § 1 I und ist damit vollwertiger Kaufmann. Parallele in § 105 II: OHG kraft Eintragung. e. Für Entstehen der Kaufmannseigenschaft bedarf es nach Wortlaut nur der Eintragung in das Handelsregister, nicht der Bekanntmachung im Bekannt- machungsmedium. Daraus resultieren Probleme für den Rechtsverkehr; dazu bei § 15 I f. Beendigung des Kaufmannsstatus: Satz 3 („Kann-Kaufmann mit Rückfahrkarte“!) g. Zweck: § 2 soll Entlastung für die Registergerichte bringen: Sie brauchen nicht mehr – wie bisher nach § 2 a.F. – die Voraussetzungen (u.a. die Kriterien des § 1 II!) für die Eintragung zu prüfen. Aber dies gilt unter der Voraussetzung, dass Antrag (hilfsweise) auch nach § 2 gestellt wird! Fall: X stellt den Eintragungsantrag zum Handelsregister unter Bezugnahme auf §§ 1 II, 29; freiwillig will er nicht in das Handelsregister. Was müsste das Registergericht tun? h. Bedeutung des § 2 (warum will ein Kleingewerbetreibender Kaufmann werden)??

aa. Parallelvorschriften in § 105 II, 161 I, II öffnen den Weg nicht nur in die OHG, sondern vor allem auch in die KG (beschränkte Haftung der Kommanditisten!!) bb. Gibt es Vorteile der Kaufmannseigenschaft? (1) § 354; § 377 als Verkäufer; (2) §§ 352, 369. (3)Eintragung ins Handelsregister als „Seriositätsindiz“? (4)Information über das Unternehmen im Internet (elektronisches Handelsregister- und Bekanntmachungsmedium). cc. Nachteile: § 377 zulasten des kaufmänn. Käufers; Verlust des Schutzes der §§ 766, 780, 781 (durch § 350) und des § 771 BGB (durch § 349); §§ 15 I, III zulasten des Kaufmanns; Buchführungsführungs- und Inventarisierungs- pflichten: §§ 238 ff., 242 ff. (Rechnungslegung/ Bilanzierung).

i. Kleingewerbetreibender ohne bzw. vor Eintragung: betreibt kein Handelsgewerbe iSv § 1 I; Anwendung des BGB; dort Behandlung als Unternehmer gem. § 14; evtl. Anwendung einzelner §§ des HGB (§ 84 IV, 93 III; analoge Anwendung; dazu später).

8. „Kann-Kaufmann ohne Rückfahrkarte“, § 3 II, III (Land- und Forstwirte) a. § 3 I ist schlecht formuliert; müsste heißen: § 1 II findet keine Anwendung; § 1 I ist anw. (arg. § 3 II, III)! b. Frühere Funktion: Land- und Forstwirte betrieben kein „Handels“gewerbe (insoweit: § 3 I!) (und nach Ansicht mancher nicht einmal ein „Gewerbe“). c. Heutige Funktion: aa. Land- und Forstwirte betreiben ein „Gewerbe“ iSd HGB (str.).

bb. einerseits: ihnen soll (erst seit 1976!!) der Weg in das Handelsrecht (insbesondere in die KG!) eröffnet werden. cc. Andererseits: § 3 I: Privilegierung der „großen“ land- und forstwirtschaftl. Betriebe: Träger sind trotz Vorliegen der Voraussetzungen des § 1 II nie ex lege Kaufmann; nur durch Wahl („Kann-Kaufmann“); daher Verweis auf § 2 in § 3 II: Antrag erforderlich (ist geschäftsähnliche Erklärung, s.o.)

d. Eintragung ist konstitutiv. e. Land- und Forstwirtschaft: Gewinnung tierischer und pflanzlicher Rohstoffe durch Bodennutzung (nicht: Fischerei; Handel mit landwirtschaftl. Produkten; Tiermast ohne selbst angebautes Futter). f. Voraussetzung für Eintragung: kaufmännische Einrichtungen (s.o.) erforderlich, d.h. Kriterien des § 1 II sind zu prüfen. g. Keine „Rückfahrkarte“: § 2 Satz 3 unanwendbar, weil es sich um „große“ Betriebe handelt. h. Str., ob daneben noch der Weg über § 2 offen steht; dafür h.M. (Canaris § 3 Rz. 36; Baumbach/Hopt-Hopt, § 3, Rz. 2) unter Berufung auf Wortlaut (Ausschluss nur des § 1, nicht auch des § 2) bzw. Sinn der Vorschrift (Privilegierung, nicht Schlechter- stellung des Landwirts ggü anderen Gewerbetreibenden); a.A. K/R/M-Roth, § 3 Rz. 3: Gesetzgeber wollte es beim bisherigen Rechtszustand belassen). i. § 3 III: das in § 3 I liegende Privileg (nicht Kaufmann ex lege, sondern kraft Wahl, wenn die Voraussetzungen des § 1 II erfüllt sind) wird auf Nebenbetriebe ("Neben- gewerbe": gesonderte Betriebsstätte in Abhängigkeit zur Land- bzw. Forstwirtschaft als Hauptgewerbe) erstreckt: d.h. auch für sie ist § 1 II unanwendbar. 9. Kaufmann kraft Eintragung: Fiktivkaufmann, § 5 a. Teilweiser Bedeutungsverlust durch Handelsrechtsreform von 1998; früher: eingetragener Minderkaufmann war Vollkaufmann über § 5; heute: Eintragungsoption des Kleingewerbetreibenden über § 2.

b. Wie weit heutiger Anwendungsbereich reicht (insbes. in Abgrenzung zu § 2!), ist sehr str.: für weiten Anwendungsbereich die h.M., z.B. Canaris § 3 Rz. 49 ff.; K/R/M- Roth, § 5 Rz. 1: § 2 nur bei bewusster Ausübung des Wahlrechts durch Gewerbe- treibenden, i.Ü. § 5, s.o. 7.b.; a.A. K. Schmidt, ZHR 1999, 87: § 5 sei nach seinem Wortlaut überflüssig, weil § 2 heute vollumfänglich dessen Funktion übernehme, vor diesem Hintergrund: analoge Anwendung des § 5 auf Nichtgewerbetreibende (insbes. Freiberufler), s.u. d.; Nach h.L. ist § 5 anwendbar:

aa. bei Eintragung eines Kleingewerbetreibenden, aber ohne Antrag bzw. ohne wirksamen Antrag; etwa bei Antrag, bei dem Antragst. von §§ 1 II, 29 ausgeht, die Voraussetzungen aber nicht vorliegen; bb. bei Herabsinken eines Handelsgewerbes gem. § 1 II zu einem Klein- gewerbe, wenn Eintragung (noch) gegeben (Begründung: es fehlt an einem Antrag gem. § 2); cc. § 3 II, III: Eintragung ohne (wirksamen) Antrag bzw. wenn die materiellen Voraussetzungen des § 3 II, III nicht gegeben sind.

c. Wortlaut des § 5 irreführend: Anwendung (im Prozess v.A.w., str.); auch zu- gunsten des Eingetragenen. Keine Rechtsscheinnorm; es kommt nicht darauf an, ob anderer Teil die wahre Sachlage kennt! d. § 5 setzt voraus, dass

aa. ein Gewerbe betrieben wird (daher unanwendbar auf Freie Berufe; analoge Anwendbarkeit str. (s.o. b.); dgg.: Gesetzgeber hat es abgelehnt, zum Unternehmensbegriff (wie in § 14) zu wechseln), bb. das Gewerbe (noch) betrieben wird, cc. Eintragung der Firma in das Handelsregister (nicht: Bekanntmachung); wer Eintragung verursacht hat, ist unerheblich. dd. Gutgläubigkeit des Dritten irrelevant ee. Da keine Rechtsscheinnorm (und Veranlassung nicht notwendig), geht § 5 auch zu Lasten von Geschäftsunfähigen und Minderjährigen; absoluter Verkehrsschutz – auch zugunsten des Eingetragenen!

e. § 5 gilt nur im Privatrechts- und Prozessverkehr, nicht im öffentlichen Recht und Strafrecht:

aa. Fiktivkaufleute sind nicht buchführungspflichtig gem. §§ 238 ff. (Folge:

keine Strafbarkeit gem. §§ 283 StGB ff.) bb. § 5 gilt für Delikts- und Bereicherungsansprüche nur insoweit, wie diese mit dem Rechtsgeschäftsverkehr zusammenhängen. f. § 5 gilt (insoweit beschränkt) auch im Gesellschaftsrecht („Fiktiv-OHG/KG“).

g. Zugunsten Dritter hat § 5 Vorrang vor §§ 15 I, III und den allgemeinen Rechtsscheingrundsätzen.

10. Zeitliche und gegenständliche Dimension der Kaufmannseigenschaft kraft Handelsgewerbes

a. Zeitliche Dimension: je nach Art des betriebenen Handelsgewerbes unterschiedlich: aa. Beginn:

(1) Bei § 2, § 3 II, 5: mit Eintragung (2) Bei § 1 II: mit Geschäftsaufnahme (auch: Vorbereitungsgeschäfte), wobei geplanter Zuschnitt des Betriebs entscheiden soll! Abzugrenzen von geplantem Kleingewerbe!

bb. Ende:

(1) bei § 1 II:

(a) wenn nicht eingetragen: mit Entfallen der Kriterien des § 1 II bzw. Betriebsteinstellung

(b) wenn eingetragen: mit Löschung bzw. Betriebseinstellung. Sinkt dgg Betrieb lediglich zu einem Kleingewerbe herab: § 5.

(2) bei §§ 2, 5: mit Löschung bzw. Betriebseinstellung (3) bei § 3: mit Betriebseinstellung

b. Gegenständliche Dimension aa. Kaufmannseigenschaft hat Bedeutung nur in Bezug auf das jeweils betriebene Gewerbe. Bei organisatorisch getrennt geführten Unternehmen/ Betrieben ist Gewerbe- und Kaufmannseigenschaft gesondert festzustellen. Bedeutsam auch im Hinblick auf getrennte Firmenführung (Kaufmann kann mehrere Firmen haben!). bb. § 1 II ist auf Unternehmen als organisatorische Einheit zu beziehen. Insoweit gilt Organisationsfreiheit. cc. Werden innerhalb einer organisatorischen Einheit gewerbliche und freiberufliche Tätigkeiten betrieben, entscheidet Schwerpunkt (Gesamtbild), s.o. 5.a.cc.(6); ebenso bei Zusammentreffen von Land- und Forstwirtschaft mit anderer gewerblicher Tätigkeit (wegen § 3 I).

IV. Kaufmann kraft Rechtsform, § 6 HGB

1. Überblick § 6: Anwendung der in Betreff auf Kaufleute gegebenen Vorschriften (§§ 8 ff. HGB) auf „Handelsgesellschaften“ (Abs. 1) und „Vereine“ (Abs. 2); d.h.: Kaufmannseigenschaft der genannten Gesellschaften richtet sich ausschließlich nach § 6, nicht (unmittelbar) nach §§ 1 ff.

2. im Einzelnen

a. „Vereine“ i.S.v. § 6 II (AG, GmbH, Genossenschaft, KGaA); Norm hat nur klarstellende Funktion: Verweisung auf gesetzliche Regelungen ( z.B. § 13 III GmbHG), welche genannten Rechtsformen Kaufmannseigenschaft unabhängig vom Betreiben eines Handelsgewerbes zuerkennen; Merke: Sonstige juristische Personen (BGB-Verein; Anstalten und Körperschaften des öffentl. R.; Kommunen) fallen nicht unter § 6 II, sondern evtl. unter §§ 1 ff.; ebenso die Vor-GmbH, Vor-AG b. (Personen-)“Handelsgesellschaften“ (oHG, KG) sind nach § 6 I HGB Kaufleute kraft Rechtsform; aber: Für Qualifikation einer Personengesellschaft als OHG/KG verweisen § 105 I, II HGB (§ 161 II) im Wesentlichen auf materiellen Kaufmanns- begriff der § 1 ff. (mittelbare Bedeutung, s.o.); Ausnahme: Vermögensverwaltungs- OHG/KG (vgl. § 105 II 1 2. Alt. HGB; ebenso die deutsche EWIV (§ 1 EWIV- AusführungsG)

V. Kaufmann kraft Rechtsscheins („Scheinkaufmann“)

1. Wird oft verwechselt (oder in eins gesetzt) mit Fiktiv-Kaufmann gem. § 5; streng davon zu unterscheiden! 2. Anwendung von Handelsrecht auf Nichtkaufleute kraft zurechenbaren Rechtsscheins: Nichtkaufmann muss sich zum Schutze Dritter (und nicht zu deren Lasten!) als Kaufmann behandeln lassen; insoweit Anwendung der allgemeinen Rechtsscheingrundsätze (ähnl. bei: Rechtsscheinunternehmer, § 14 BGB, Rechtsscheingesellschaft, etwa: Scheinsozietät, Rechtsscheingesellschafter). 3. Voraussetzungen:

a. Ein Nichtkaufmann (etwa Kleingewerbetreibender; Freiberufler) tritt im Rechtsverkehr „als“ Kaufmann auf; „Auftreten“ als Rechtsscheintatbestand:

aa. Erklärung, Kaufmann im Rechtssinne zu sein: Firmierung mit „e.K.“ (etwa auf Geschäftsbriefen, e-mails etc.); nicht: „Dipl.-Kaufm.“ bb. Erteilung einer „Prokura“ durch Erklärung ggü einem Dritten oder an die Öffentlichkeit; Bevollmächtigter kann mit „ppa“ zeichnen. cc. Eintragung in das Handelsregister (Freiberufler; § 5 unanwendbar!). dd. Verwendung einer Firma, die auf § 1 II schließen lässt („Deutsche“, „Europäische“; „Internationale …“; nicht bloß: Verwendung einer § 18 I, II entsprechenden Firma (weil von Geschäftsbezeichnung nicht zu unterscheiden)

b. Zurechenbarkeit (Veranlassung) des Rechtsscheintatbestands: aa. durch aktives Tun bb. durch pflichtwidriges Unterlassen c. Nicht zu Lasten Geschäftsunfähiger oder Minderjähriger d. Schutzwürdigkeit des Dritten muss gegeben sein:

aa. Dritter muss Rechtsscheintatbestand kennen bb. Dritter kennt die wahre Rechtslage nicht und er verkennt sie auch nicht in grob fahrlässiger Weise

e. („Dispositionszusammenhang“), d.h. das vom Dritten vorgenommene Rechts-geschäft beruht auf dem Rechtsscheintatbestand (Kausalität; Vermutung dafür)

4. Rechtsfolge:

a. Dritter kann sich auf die wahre Rechtslage (der andere Teil ist nicht Kaufmann) oder auf den Rechtsschein (Kaufmann) berufen: „Wahlrecht“ des Dritten. b. Interessantes Problem: Wirken die Rechtsscheingrundsätze auch dann zu Lasten des den Rechtsschein Setzenden, wenn die einschlägigen Normen ihn/sie schützen wollen? Beispiel: § 766 BGB; findet § 350 HGB zugunsten eines Dritten Anwendung?

5. Gegenstück: „Schein-Nichtkaufmann“: Kaufmann tritt als Nicht-Kaufmann auf, z.B. auf Geschäftsbriefen ohne „e.K.“ (str.). VI. Anwendung einzelner Bestimmungen des Handelsrechts auf Nichtkaufleute ? 1. Gesetzgebung:

a. Handelsrechtsreform von 1998 hat den sog. Minderkaufmann abgeschafft mit der Konsequenz, dass die (nicht eingetragenen) Kleingewerbetreibenden ex lege keine Kaufleute mehr sind, daher: b. Erstreckung der §§ 84 ff, 93 ff, 383 ff., 407 III i.V.m. §§ 343 ff. auf klein-gewerbliche Handelsvertreter, Handelsmakler, Kommissionäre und Frachtführer. c. Erstreckung der §§ 343 ff. (mit Ausnahme der §§ 348-350) auf kleingewerbliche Kommissionäre und Frachtführer (vgl. 383 II 2, 407 III 2)

2. Analoge Anwendung einzelner Vorschriften bzw. Institute:

a. Generell analoge Anwendung der §§ 343 ff. (mit Ausnahme der §§ 348-350) auf kleingewerbliche Handelsvertreter und Handelsmakler? Befürwortend: Canaris, § 21 I, K/R/M-Roth, vor § 1, Rz. 13; überzeugend im Hinblick auf §§ 383 II 2, 407 III 2? b. Handelsbräuche (§ 346) und Grundsätze über kaufm. Bestätigungsschreiben auf Freiberufler, die „kaufmannsähnlich am Geschäftsverkehr teilnehmen“ (so die Formel in der Rspr., vgl. BGH NJW 1952, 257); wann nimmt man entsprechend teil?)? Übertragbarkeit auf § 362? c. Gesetzgeber deutet analoge Anwendung des § 56 auf Kleingewerbetreibende an (BR-Drucks. 340/97, S. 30), für § 54 kann nichts anderes gelten! d. Analoge Anwendung des § 5 auf Freiberufler, der §§ 25, 28 auf Kleingewerbe-treibende wird diskutiert (s.o. III.9.d., h.L. aber ablehnend).

VII. Übungsfälle zu § 2 Ü 1: A betreibt in Oberammergau in Bayern ein Geschäft, von wo aus er in großem Maßstab aufwendig geschnitzte Holzskulpturen innerhalb von ganz Deutschland verkauft. Die Skulpturen werden von A künstlerisch entworfen und sodann von 10 Angestellten in Serienproduktion hergestellt. Je ein weiterer Angestellter ist für den Verkauf und für die Buchhaltung zuständig. Der Umsatz des A beläuft sich auf 2,5 Mio Euro im Jahr. Am 1.10.2013 erhält A eine Lieferung Buchenholz von der Holzland GmbH (H), welche der zuständige Angestellte zunächst unkontrolliert ins Lager schaffen lässt. Erst drei Wochen später zeigt sich im Rahmen des Verarbeitungsprozesses, dass das Holz vom Holzwurm befallen ist und daher zu jeder weiteren Verarbeitung ungeeignet ist. A fordert von H Lieferung mangelfreien Holzes: Zu Recht? Ü2: Wie Ü 1, mit dem Unterschied, dass A Herstellung und Verkauf der nur lokal vertriebenen Skulpturen alleine bewältigt, die „Buchhaltung“ in Form einer einfachen Einnahmen-/Ausgaben-rechnung abends nach Feierabend erledigt und sich der jährliche Umsatz auf lediglich 80.000 Euro beläuft. Ü3: Wie Ü 2, mit dem Unterschied, dass sich A in der Annahme, hierzu verpflichtet zu sein, mit seiner Firma in das Handelsregister hat eintragen lassen. Ü4: Der wohlhabende M betreibt im Allgäu einen größeren landwirtschaftlichen Milchbetrieb. Er hält zu diesem Zwecke ca. 250 Kühe in Freilandhaltung. Die Milch verkauft er an die örtliche Molkerei. M beschäftigt 4 Mitarbeiter, von denen einer u.a. für die Buchhaltung zuständig ist. Der Jahresumsatz beläuft sich auf 3,2 Mio Euro. Eine Eintragung im Handelsregister ist erfolgt. Eines Tages sucht ihn sein verzweifelter Freund F gemeinsam mit dem Prokuristen P der Bank B in seinem Betrieb auf und bittet M, gegenüber der B für die Rückzahlung seines Hauskredits in Höhe von noch ausstehenden 120.000 Euro zu bürgen. Andernfalls werde B ihn wegen rückständiger Kreditraten mitsamt seiner Frau und drei Kindern „an die Luft setzen“. B, der F noch einen Gefallen schuldet, erklärt gegenüber P, er werde für F einstehen. Zwei Wochen später fordert B von M Zahlung von 120.000 Euro. Zu Recht? Ü5: Wie Ü 4, mit dem Unterschied, dass M nur einen kleinen Bio-Bauernhof mit 8 dem M namentlich ans Herz gewachsenen Ziegen betreibt, deren Milch er allein (ohne Angestellte) zu schmackhaftem Käse verarbeitet und über den eigenen Hofladen absetzt (Jahresumsatz: 80.000 Euro). Ü6: Der zur Großspurigkeit neigende A ist Inhaber eines kleinen Lebensmittelgeschäfts in der Bonner Altstadt. Er beschäftigt keine Mitarbeiter und sein Umsatz beträgt 40.000 Euro im Jahr. Die Buchhaltung erledigt er abends zu Hause. Eine Eintragung im Handelsregister ist nicht erfolgt. Um sich interessant zu machen, verwendet A im Rahmen seiner Geschäftskorrespondenz einen Briefkopf, in welchem er sein Geschäft mit dem wohlklingenden Namen „Euro Food – Internationale Lebens-mittelspezialitäten“ tituliert. Als A eine Lieferung Joghurt von der G-GmbH (G) erhält, unterlässt er zunächst aus Zeitgründen eine Kontrolle und sortiert den Joghurt in seine Verkaufsregale ein. Erst nachdem es einige Wochen später zu Kundenreklamationen gekommen ist, stellt A fest, dass das Mindesthaltbarkeitsdatum der gesamten Lieferung bereits seit 4 Monaten abgelaufen ist. A verlangt von G Lieferung einwandfreier Ware. Zu Recht?

§ 3. Das Handelsregister Lit.: Canaris § 4-5; Kindler § 3; Lettl § 3; Oetker § 3

I. Allgemeines 1. Eintragung in das Handelsregister

a. Öffentliches Register, das über die im Handelsverkehr wesentlichen Tatsachen und Rechtsverhältnisse Auskunft gibt

b. Regelung in §§ 8 ff. HGB (Reform 2007) c. Handelsregister wird von den Amtsgerichten geführt, §§ 374 Nr. 1, 387 FamFG; Privatisierung wird seit einiger Zeit diskutiert, bisher aber nicht durchgeführt. d. Funktionelle Zuständigkeit beim Rechtspfleger, §§ 3 Nr. 2d, 17 RPflG e. Verfahren: Handelsregisterverordnung v. 1937 (abgedr. bei Baumbach/Hopt, 2. Teil (4) f. Führung mittels EDV: § 8 I (seit 2007 zwingend): www.handelsregister.de g. Unternehmerbezogene Eintragung (Abtg. A: Einzelkaufleute, OHG, KG, juristische Personen des öff. Rechts: Abtg. B: Kapitalgesellschaften, VVaG)

2. Bekanntmachungen des Eintragungsinhalts gem. § 10.

a. Ort: früher in (auch elektr.) Bundesanzeiger und Tageszeitung; seit 1.1.2009 elektronisch: www.handelsregisterbekanntmachungen.de b. Veranlassung durch das Registergericht

c. betrifft nicht alle Eintragungen (z.B. § 162 II) d. Bekanntmachung ist inhaltlich mit Eintragung identisch, § 10 2; nicht unternehmensbezogene, sondern chronologische Veröffentlichung e. Bedeutung: Konstitutive Wirkungen (z.B. § 2) hängen von Eintragung in das Handelsregister, nicht von deren Bekanntmachung ab; anders: Publizität gem. § 15! f. Warum noch eine Bekanntmachung neben der Eintragung? Funktionsverlust durch elektronische Registerführung?

3. Daneben neu: Unternehmensregister, § 8b: www.unternehmensregister.de

a. Einheitliches Informationsportal, in dem alles Wissenswerte über das Unternehmen einzustellen ist: § 8b II mit vielen Einzelheiten b. Führung durch das BMJ, § 8b I

II. Funktionen des Handelsregisters 1. Informationsfunktion

a. Eintragungsfähige und eintragungspflichtige Tatsachen (dazu s.u.); Publizierung für den Geschäftsverkehr wichtiger Tatsachen; § 15 II b. Anmeldepflicht: § 29, §§ 53 I, III, 143 etc. c. Einsichtsrecht, § 9; auch für kommerzielle Nutzung d. Mit Informationsfunktion korrespondiert Verkehrsschutz durch Publizität des HR gem. § 15.

2. Kontrollfunktion

a. Prüfung der formellen und materiellen Eintragungsvoraussetzungen durch das Registergericht dient der inhaltlichen Richtigkeit des Registers b. besondere Bedeutung bei Eintragung von Kapitalgesellschaften (Kontrolle des Gründungsvorgangs und der Gründungsvoraussetzungen)

3. Beweisfunktion

a. keine gesetzl. Vermutung für Richtigkeit der Eintragung (wie bei § 891 BGB); aber b. Beweis des ersten Anscheins

III. Verfahren

1. Eintragungsanlass

a. i.d.R. auf Anmeldung; Form: § 12 I: elektronisch, öffentlich beglaubigt; Anmeldung (Antrag) ist Verfahrenshandlung; ob evtl. auch geschäftsähnliche Handlung (Doppelnatur), ist str. (etwa bei § 2; s. oben. III.7.b). b. ausnahmsweise: v.A.w.: §§ 31 II 2 (Erlöschen der Firma), 32 I (Eröffnung des Insolvenzverfahrens)

2. Prüfung durch das Registergericht a. Formell: Zuständigkeit (sachlich/örtlich); Berechtigung des Antragstellers; Form; Eintragungsfähigkeit der Tatsache b. Materiell: Prüfungsrecht und –pflicht reichen gleich weit; beziehen sich auf Rechtmäßigkeit und materielle Richtigkeit der angemeldeten Tatsachen. Prüfungsintensität ist str.; Prüfung wohl nur bei begründeten Zweifeln; zu den Einzelheiten K/R/M-Roth, § 8 Rz. 23. c. Schadensersatz gem. Art. 34 GG, § 839 BGB bei fehlerhafter Eintragung: ggü Anmeldendem und ggü Personen, deren Rechte und Interessen beeinträchtigt werden, als geschützten Personen; kein Spruchrichterprivileg (vgl. § 839 II BGB)!

3. Wirksamwerden der Eintragung: § 8a I: mit Abrufbarkeit; nicht: Eingabe oder Speicherung

IV. Registerinhalt

1. Eintragungspflichtige Tatsachen

a. Pflicht ergibt sich aus dem Gesetz („ist“): § 29 i.V.m. § 1 II, §§ 53 I, III, 106, 107, 143 etc.; GmbHG; AktG; Durchsetzung der Pflicht ggf. mittels Zwangsgeld, § 14; ggf. wiederholte Anordnung b. Ob Kreis der eintragungspflichtigen Tatsachen (etwa für Generalvollmacht) im Wege der Analogie erweitert werden kann (analog § 53 I), ist str. Jedenfalls große Zurückhaltung geboten.

2. Eintragungsfähige, aber nicht eintragungspflichtige Tatsachen:

a. §§ 2 Satz 2, 3 II; §§ 25 II, 28 II. b. Analogie möglich (etwa bei Ermächtigung des Prokuristen zur Veräußerung von Grundstücken)

3. Nicht eintragungsfähige Tatsachen: was nicht unter 1. oder 2. fällt 4. Wirkungen der Eintragung in das Handelsregister (nicht: Bekanntmachung):

a. Deklaratorisch: §§ 1 II, 53 I, III etc. b. Konstitutiv: §§ 2, 3 II, 5, 123 I i.V.m. § 105 II, 25 II, 28 II

V. Publizitätswirkungen des § 15

1. Allgemeines

a.§ 15 regelt die zivilrechtlichen Konsequenzen richtiger, unrichtiger bzw. fehlender Eintragungen und Bekanntmachungen b. § 15 bezieht sich auf den (Rechts-) Geschäftsverkehr (und Prozessverhältnisse), nicht auf Deliktsansprüche (sog. „Unrechtsverkehr“) c. Auf § 15 wird verwiesen in § 5 II PartGG; parallele Regelung in § 29 GenG für das Genossenschaftsregister; vgl. für das Vereinsrecht §§ 68, 70 BGB. d. Wirkungen des Handelsregisters bzw. der Bekanntmachung (Übersicht):

aa. Zerstörung des Vertrauens in eine vormalig bestehende Rechtslage: § 15 II Satz 1 bb. Schutz des Vertrauens

(1) in das (Ver-) Schweigen des Handelsregisters/des Bekanntmachungsorgans bezüglich einer eintragungspflichtigen Tatsache (sog. negative Publizität): § 15 I; auch § 15 II Satz 2. (2) in das „Reden“ der Bekanntmachung (nicht: des Handelsregisters) (sog. positive Publizität der Bekanntmachung): § 15 III

2. § 15 I: negative Publizität: a. Eine nicht (mehr) bestehende Rechtslage wird zugunsten gutgläubiger Dritter als bestehend behandelt. Funktion: Vertrauensschutz hinsichtlich des Schweigens des Handelsregisters/ fehlender Bekanntmachung (wenn Bek. vorgesehen). b. § 15 I betrifft Fälle der Divergenz von gegebener Rechtslage und Registerinhalt (bzw. unterlassener oder fehlerhafter Bekanntmachung), aus dem (bzw. der) sich die Rechtslage nicht ergibt; betrifft nur Fälle eintragungspflichtiger Tatsachen:

aa. Schutz des Vertrauens in den Fortbestand der bisherigen Rechtslage bei Änderung der Rechtslage durch actus contrarius:

Fall: Kaufmann K widerruft die dem P wirksam erteilte Prokura; der Widerruf ist im HR nicht eingetragen und nicht bekannt gemacht. P schließt Vertrag im Namen des K mit V. Ansprüche des V gg. K? bb. Schutz des Vertrauens auf das Bestehen der gesetzlichen (Regel-)Lage: bei Änderung der sich aus dem Gesetz ergebenden Rechtslage; z.B. bei Vereinbarung einer Gesamtvertretungsmacht (§ 125 II, III, § 107). cc. Problem: Anwendbarkeit des § 15 I auch bei fehlender Eintragung/ Bekanntmachung so genannter Primärtatsachen (Kaufmannseigenschaft gem. § 1 II ist entgegen § 29 nicht im HR eingetragen bzw. nicht bekannt gemacht)?

Fall: Wie oben Fall nach § 2 III.6.b.dd.3. Ggü dem Anspruch des K aus § 439 I BGB beruft sich V auf § 377 I, II. K, dem die Kaufmannsstellung des V unbekannt ist, beruft sich auf § 15: Anwendbarkeit der Norm in der gegebenen Konstellation (str.)? H.M. bejaht Anwendbarkeit unter Berufung auf Wortlaut und Telos (Canaris, § 5 Rz. 9; K/R/M-Roth, § 15, Rz. 5; vgl. auch BT-Drucks. 13/8444, S. 48; a.A. MünchKommHGB (2. Aufl.)-Lieb, § 15 Rz. 17 ff. dd. Gewerbetreibender ist gem. § 2 in das HR eingetragen, Eintragung ist nicht bekannt gemacht (= Divergenz von Bekanntmachungsmedium und existieren-der Rechtslage, die sich hier aus dem Handelsregister ergibt); Dritter kann sich (analog § 15 I) auf fehlende Kenntnis der Kaufmannsstellung berufen.

c. § 15 I greift (trotz Wortlauts) auch in Fällen, in denen nur eine Eintragungspflicht ohne Bekanntmachungspflicht existiert; z.B. § 162 II, III d. Tatbestandliche Voraussetzungen des § 15 I im Einzelnen (Merke: zum Teil abweichend von allgemeinen Rechtsscheingrundsätzen!):

aa. Einzutragende Tatsache ist (1) Konkret eintragungspflichtige T. (2) nicht: bloß eintragungsfähige T.: §§ 25 II, 28 II enthalten

Sonderregelungen (3) Analoge Anwendung des § 15 I in den Fällen des § 2, 3 II nach

Eintragung und vor Bekanntmachung

Fall: Kleingewerbetreibender K ist im Handelsregister auf Antrag eingetragen. Bekanntmachung im Bekanntmachungsmedium ist nicht erfolgt. GmbH Y kauft bei K Wein, ohne von Kaufmannseigenschaft zu wissen. Wein ist mangelhaft. § 377 anw.? Grds. ja, wenn Y sich nicht auf § 15 I berufen kann? Ist Eintragung gem. § 2 „einzutragende“ Tatsache i.S.d. § 15 I? Ggf. § 15 I analog wegen fehlender Bekannt-machung?

bb. Nicht eingetragen bzw. nicht bekannt gemacht (letzteres entfällt, wenn Bekanntmachung nicht vorgesehen) cc. Zurechenbarkeit? Veranlassung des Schweigens des HR bzw. der (noch) nicht erfolgten Bekanntmachung durch Kaufmann ist kein Tatbestands-merkmal; sog. reines Rechtsscheinprinzip; d.h. die eintragungspflichtige Person trägt auch Risiko der Verzögerung; evtl. § 839 BGB gg Staat. dd. Auch zu Lasten nicht voll Geschäftsfähiger (da Gesetz auf Veranlassung verzichtet); str. ee. Voreintragung (z.B. der Prokura bei Widerruf der Prokura) nicht erforderlich; str. ff. Gutgläubigkeit des Dritten: nur positive Kenntnis schadet gg. Kausalität für das durch Dritten vorgenommene Rechtsgeschäft?

(1) Einsichtnahme in elektr. HR bzw. Bekanntmachungsmedium durch Dritten nicht erforderlich (2) Kenntnis von früherer Rechtslage nicht erforderlich (3) Nur potentielle Kausalität erforderlich: Möglichkeit, dass Dritter im Vertrauen auf verschwiegene Tatsache gehandelt hat, muss gegeben sein; mehr aber auch nicht; BGH WM 2004, 287, 288.

hh. Anwendung nur im Privatrechts- und Prozessverkehr, nicht im öffentl. Recht; bei Ansprüchen aus Vertrag, Leistungskondiktion, § 311 II BGB; nicht: bei delikt. Ansprüchen (keine potentielle Kausalität), Eingriffskondiktion

e. Rechtsfolgen:

aa. Nur Dritter, nicht der Kaufmann, kann sich auf § 15 I berufen bb. Dritter hat Wahlrecht zwischen Berufung auf wahre Rechtslage und § 15 I; str. aber h.L. und Rspr.

(1) Dritter kann sich bei mehreren Tatsachen teils auf die wahre Rechtslage, teils auf § 15 I berufen.

Fall: Eine OHG besteht aus A, B, C und D. D ist zum 1.4.2013 aus OHG ausgeschieden; dies ist im HR weder eingetragen noch bekannt gemacht (vgl. § 143 I, II HGB). A und B hatten laut Ges.vertrag Gesamtvertretungsmacht (Eintragung und Bekanntmachung ist erfolgt). Die Regelung wird zum 1.4.2013 vertraglich auf-gehoben; eine Eintragung erfolgt nicht. Am 15.4.2013 schließt A einen Kaufvertrag mit V. Ansprüche des V gg die OHG und gegen D auf Zahlung des Kaufpreises?

(2) „Rosinentheorie“ (K/R/M-Roth § 15 Rz. 16)?

Fall: OHG, bestehend aus A, B, C, D; für A und B besteht eine Gesamt-vertretungsregelung (§ 125 II), die eingetragen und bekannt gemacht ist. B ist aus der OHG ausgeschieden (keine Eintragung und Bekanntmachung entgegen § 143). Dann schließt A im Namen der OHG Kaufvertrag mit V. V will Kaufpreis (1.) gg. die OHG und (2.) gg. B geltend machen.

f. Abgrenzung zu § 5:

Fall: Eingetragener Kaufmann K, der Kriterien des § 1 II erfüllt, sinkt zum Kleingewerbetreibenden ab. K kauft mangelhaften Computer von V-GmbH. Ggü dem Anspruch aus § 439 I BGB beruft sich V auf § 377, weil nicht rechtzeitig gerügt wurde. Zu recht ?

(i) Entfallen der Vorauss. des § 1 II ist eintragungspflichtig (§ 31 II 1); aber: (ii) § 15 I greift nicht, weil § 5 (a.A.: § 2) gegeben ist.

Abwandlung: K wechselt zu freiberuflicher Tätigkeit. Was ändert sich?

(i) § 5 (a.A.: § 2) greift nicht ein, weil kein Gewerbe betrieben wird (ii) § 15 I: „einzutragende Tatsache“ ist Erlöschen der Firma.

3. § 15 II: Eingetragene und bekannt gemachte Tatsachen

a. Regelt den „Normalfall“: Eintragungspflichtige Tatsache (i.S.v. oben IV. 1; für eintragungsfähige T. enthalten §§ 25 II, 28 II Sonderregelungen) ist eingetragen und bekannt gemacht (wenn bekannt zu machen). Registerinhalt sowie Bekanntmachung und Rechtslage stimmen überein. b. Rechtsfolgen: § 15 II 1 aa. beendet Rechtsscheinwirkung des § 15 I (insoweit Selbstverständlichkeit) bb. zerstört grds. auch Vertrauen in eine früher existierende Rechtslage (bzw. in die gesetzliche Normallage) oder einen früher außerhalb des HR gesetzten Rechtsschein (eigentliche Bedeutung) Beispiele: Widerruf der Prokura; Ausscheiden eines Gesellschafters bei OHG; Vereinbarung einer Gesamtvertretungsmacht. c. ratio legis: § 15 II 1 geht von Obliegenheit des Geschäftsverkehrs aus, die im HR eingetragenen und im Bekanntmachungsmedium veröffentlichten Tatsachen zur Kenntnis zu nehmen. d. Einschränkung: Schutz des Vertrauens in die alte Rechtslage bzw. gesetzliche Regellage auch nach Eintragung und Bekanntmachung: durch 15 tägige Schonfrist nach Bekanntmachung: 15 II 1

aa. Dritter wird nur geschützt, wenn er Tatsache „weder kannte noch kennen musste“ (beachte ggü. § 15 I umgekehrte Beweislast!); einfache Fahrlässigkeit schadet (h.M.), § 15 II 2. Rechtsverkehr trifft weit reichende Informations-obliegenheit; für Kaufleute gilt § 347, vgl. BGH NJW 1972, 1418, 1419); verschärfte Anforderungen nach Umstellung auf elektr. Registerführung, d.h. Entlastung wohl nur noch nur bei dauerhafter Störung des Internetzugriffs (!);

a.A. Canaris § 5 Rz. 33: Differenzierung im Hinblick auf Personen (geringerer Sorgfaltsstandard für Nichtlaufleute bzw. Träger kleinerer kaufmännischer Unternehmen) oder Tragweite des Geschäfts. bb. Problem: Vereinbarkeit mit Art. 3 VI UA 2 RiLi 2009/101/EG („wenn es ihm unmöglich war, ... zu kennen“); zweifelhaft bereits für Abstellen auf Verschulden als solches, jedenfalls aber für Abstriche vom Sorgfaltsmaßstab; aber: RL erlaubt wohl Abweichungen zugunsten des Rechtsverkehrs (Mindestharmonisierung); a.A. Habersack/Verse, Europ. GesellschaftsR, 3. Aufl., § 5 Rz. 21; Vorlage an den EuGH gem. Art. 267 AEUV?

e. Ausnahmen zu § 15 II 1 (K/R/M-Roth § 15 Rz. 24; ausführlich: Koch, AcP 207 (2007) 768; Canaris § 5 II Rz. 30 ff. Fall: Kaufmann K hat P Prokura erteilt und Urkunde ausgestellt. Wirksamer Widerruf der Prokura; wird im Handelsregister eingetragen und bekannt gemacht. Vier Wochen später (also § 15 II 2 unanwendbar) schließt P im Namen des K Kaufvertrag über € 10.000.- mit V unter Vorlage der Urkunde. Ansprüche des V gg. K? Grds. zerstört Eintragung gem. § 15 II jeden Rechtsschein (auch außerhalb des HR! s. oben b) Aber: In bestimmten Konstellationen kann sich Rechtsschein gegen § 15 II HGB durchsetzen; dogmatische Konstruktion: Missbrauchseinwand gem. § 242 BGB (BGH)? Teleologische Reduktion des § 15 II, wenn ein besonderer VertrauensTB geschaffen wird (Canaris, § 5 Rz. 38)? Fallgruppen: aa. Setzung eines neuen Rechtsscheintatbestands nach Bekanntmachung: z.B. durch Weiterverwendung alter Briefbögen; Führung einer vom Registerinhalt abweichenden Firma (z.B. ohne „e.K.“), zur Rechtsscheinhaftung wegen Firmierung ohne erforderlichen Rechtsformzusatz s. unten § 4 V.2.b.bb (2); bb. Im Rahmen laufender Vertragsverhandlungen oder ständiger Geschäftsbeziehungen wird gebotene Information über Änderung der Rechtslage nicht gegeben (z.B. bei Widerruf einer Prokura);

cc. Verwendung einer vorher ausgestellten und noch nicht für kraftlos erklärten Vollmachtsurkunde durch (ehemals) Bevollmächtigten, §§ 171, 172 BGB; Begr. (Canaris, § 5 Rz. 39: Bei Widerruf der bloßen Handlungsvollmacht greift § 172 II BGB ein; da Handlungsvollmacht nicht eintragbar, sperrt auch § 15 II nicht; bei Prokura sollte es nicht anders sein; überzeugend?

4. § 15 III: positive Publizität:

a. Überblick: aa. Schutz des Vertrauens auf die Richtigkeit der bekannt gemachten Tatsache (das „Reden“ des Rechtsscheinträgers); bb. Bezieht sich – abweichend von § 15 I – nur auf die Bekanntmachung, nicht auf die Eintragung im HR (arg. Wortlaut; Zweck, s. sogleich cc.) cc. § 15 III beruht auf RiLi 2009/101/EG (ex RiLi 68/151/EWG), die (nur)

auf Bekanntmachung abstellt; aber: RiLi gilt nur für Kapitalgesellschaften; insoweit ist § 15 III ein (früher) Beispielsfall sog. „überschießender“ Umsetzung. dd. Früher (vor 1969) galten nur die allgemeinen Rechtsscheinsgrundsätze, s. unten 5.b; diese gelten weiter für die in § 15 III nicht geregelte Eintragung in das HR (sofern nicht § 15 III analog anw.; s. unten 5 a). b. Tatbestandsvoraussetzungen:

aa. Eintragungspflichtige („einzutragende“) Tatsache: (1)Nicht nur eintragungsfähige Tatsache (2) Tatsache ist (anders als bei § 15 I) abstrakt (nicht: konkret)

eintragungspflichtig (d.h. eintragungspflichtig, wenn sie vorläge); Merke: „einzutragende“ Tatsache in § 15 I und III meint, trotz gleicher

Wortwahl, Verschiedenes! bb. Unrichtige Bekanntmachung (im Bekanntmachungsmedium); nicht: Eintragung (im Register)! (1) Maßgeblicher Zeitpunkt ist der der Bekanntmachung (bei späterer Unrichtigkeit: Fall des § 15 I bis zur Berichtigung mit der Rechtfolge des § 15 II. (2) Unrichtigkeit der Bekanntmachung ergibt sich aus Abweichung von wahrer Rechtslage (str.); Problem: Art. 3 VII RiLi 2009/101/EG regelt nur Diskrepanz zw. Register und Bekanntmachung, aber: Gesetzgeber ist bewusst und berechtigt (Mindestharmonisierung!) über Vorgaben der RiLi hinausgegangen (BT-Drucks. V/3862, S. 11); erfasste Konstellationen: (a) Diskrepanz zw. Registereintragung und Bekanntmachung (b) gleichzeitige Unrichtigkeit von Register und Bekanntmachung (Regelfall) (c) isolierte unrichtige Bekanntmachung bei gänzlichem Fehlen einer Eintragung cc. Zurechenbarkeit (Veranlassung) als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal (oder: teleologische Reduktion) (abweichend von § 15 I!!) wegen ansonsten unerträglicher Konsequenzen (etwa bei gefälschter Anmeldung eines Nicht-gesellschafters); str.; (1) wohl aus verfassungsrechtl. Gründen geboten (2) Anknüpfung an „in dessen Angelegenheiten“(?) schließt Unbeteiligte aus (3) aber: Vereinbarkeit mit RiLi 2009/101/EG (Veranlassung nicht erforderlich)? Vorlage an EuGH gem. Art. 267 AEUV? Problem wird im Hinblick auf beschr. Anwendungsbereich der RiLi (Diskrepanz von Register und Bekanntmachung) entschärft, wenn man mit h.L. in (auch richtigem) Eintragungsantrag Veranlassung sieht (Canaris, § 5 Rz. 52) (4) „Zurechenbarkeit“ danach gegeben bei Anmeldung aber auch bei Untätigkeit nach Information betr. Inhalt der Bekanntmachung durch Registergericht.

dd. Zurechenbarkeit setzt Geschäftsfähigkeit voraus; str. ee. Unkenntnis des Dritten von der wahren Rechtslage wird widerlegbar vermutet; arg.: Wortlaut: nur positive Kenntnis schadet ff. Kausalität? Dritter muss Bekanntmachung weder gelesen noch sonst wie von ihr gewusst haben; aber: potentielle Kausalität vonnöten (Handeln muss Bekanntmachung nachfolgen). gg. Gilt nur im Geschäfts- und Prozessverkehr; s.o.

c. Rechtsfolgen:

aa. Nur Dritter (nicht: Betroffener) kann sich auf falsche Bekanntmachung berufen; arg.: Wortlaut; Schutzzweck bb. Dritter hat Wahlrecht: er kann sich auch auf die wahre Rechtslage berufen

5. Isolierte unrichtige Eintragung bei fehlender oder richtiger Bekanntmachung?

a. § 15 III ? nach h.M. (-) Gründe: s. oben 4.a.bb; a.A.: analoge Anwendung, um

willkürliche Verschiedenbehandlung zu vermeiden (K/R/M-Roth, § 15 Rz. 28).

b. Ungeschriebene Ergänzungssätze zu § 15 aus allgemeinen Rechts- scheinerwägungen (Rspr. des RG/BGH), gegenüber § 15 III subsidiär: aa. Die Sätze im Einzelnen

(1) „Wer eine ihn/sie betreffende unrichtige Erklärung zum Handelsregister abgibt. muss sich an seiner Erklärung einem gutgläubigen Dritten gegenüber festhalten lassen.“ (2) „Wer eine nicht veranlasste unrichtige Eintragung in das Handelsregister schuldhaft nicht beseitigen lässt, kann an der Eintragung von gutgläubigen Dritten festgehalten werden.“ bb. Merke: Es handelt sich um echte Rechtsscheintatbestände; erforderlich ist: (1) Scheintatbestand in Form der unrichtigen Eintragung; (2) Zurechenbarkeit des Rechtsscheins: Für 1. Ergänzungstatbestand (positives Tun) gilt Veranlassungsprinzip; aber: erforderlich ist unrichtiger Antrag“ (anders § 15 III: jeder, auch richtiger Antrag, s.o.); jedenfalls: keine Anwendbarkeit ggü. Minderjährigen (!); für 2. Ergänzungstatbestand (unterlassene Beseitigung) gilt Verschuldens- prinzip (Rspr.), a.A. Canaris, § 6, Rz. 69: Risikoprinzip); (3) Dispositionszusammenhang, d.h. Dritter muss Rechtsgeschäft im Vertrauen auf Scheintatbestand getätigt haben; setzt (anders als bei § 15) Einsichtnahme in das HR voraus!

(4) Guter Glaube des Dritten i.S.d. § 923 BGB (anders § 15: nur positive Kenntnis schadet).

6. Zum Nacharbeiten: Körber/Schaub, § 15 HGB in der Fallbearbeitung, JuS 2012, 303

VI. Übungsfälle zu § 3: Ü7: G, der Geschäftsführer der X-GmbH (X), erteilt dem P am 1.3.2013 im Namen der X Prokura und meldet dies noch am selben Tag zur Eintragung im Handelsregister an. Durch ein Versehen des zuständigen Rechtspflegers unterbleiben allerdings sowohl Eintragung als auch Bekanntmachung des Vorgangs. Am 24.4.2013 widerruft G die Prokura, vergisst aber diesmal selbst die Anmeldung zum Handelsregister. Wenige Wochen später kauft P im Namen der X bei der A-AG (A) ein großes Verkehrsflugzeug zum Preis von 2 Mio €. A verlangt von X Bezahlung. Zu Recht? Ü8: E betreibt in der Eifel einen kleinen Biohof, auf welchem er im Saisongemüse erzeugt Am 1.6.2013 wurde er auf eigenen Antrag mit seiner Firma im Handelsregister eingetragen. Eine Bekanntmachung unterblieb durch ein Versehen des Rechtspflegers. Am 15.9.2013 liefert E auf Bestellung an die X- GmbH (X), die sich auf die Herstellung von Bio-Fertiggerichten spezialisiert hat, 100 KG Kartoffeln. Erst im Rahmen der Weiterverarbeitung am 10.10.2013 fällt einem Mitarbeiter der X auf, dass ein Teil der Kartoffeln verdorben ist. Dies wäre durch Stichproben bereits am Tag der Lieferung leicht feststellbar gewesen. X fordert Lieferung einwandfreier Ware. Zu Recht? Ü9: Weinhändler H, der sein Geschäft in Deutschland über 120 Filialen betreibt und damit einen Jahresumsatz von 25 Mio € erzielt, und Winzer W pflegen seit über 10 Jahren eine gedeihliche Geschäftsbeziehung. H nimmt jährlich ca. 30 % der Produktion des W ab und informiert W regelmäßig über neueste (auch personelle!) Entwicklungen im Bereich des Einkaufs. Am 1.4.2013 hat H dem P Prokura erteilt, diese jedoch bereits am 1.5.2013 wegen Meinungsverschiedenheiten widerrufen. Letzterer Vorgang wurde am 8.5.2013 im Handelsregister eingetragen und am 14.5.2013 bekanntgemacht. Am 2.6.2013 kauft P gleichwohl bei W, dem der Widerruf der Prokura verborgen geblieben war, im Namen des H 1.000 Flachen Riesling „2012er Goldenes Himmelströpfchen Spätlese feinherb“ zum Preis von insgesamt 8.000 €. W verlangt Bezahlung von H. Zu Recht? Ü10: A und B, Gesellschafter der „A&B OHG“, überreden den vermögenden C, Gesellschafter der OHG zu werden. Die Anmeldung des C zum Handelsregister erfolgt mit seiner Signatur. Später stellt sich heraus, dass C im Zeitpunkt der Anmeldung stark drogenabhängig gewesen ist. Die Mitteilung von der Eintragung erfolgt an die Adresse der OHG. Die Eintragung wird am 1.3.2013 bekanntgemacht. Wenig später schließt A im Namen der OHG einen Vertrag mit X, der zuvor nicht das Handelsregister eingesehen hat. X macht den Zahlungsanspruch über 100.000 € gegen C geltend. Zu Recht? Ü11: wie Fall Ü 9 mit dem Unterschied, dass zwar eine Eintragung in das elektronische Handelsregister erfolgt, eine Bekanntmachung dieses Vorgangs jedoch unterbleibt.

§ 4. Die Firma Lit.: Canaris §§ 10-11; Kindler § 4; Lettl § 4; Oetker § 4 I. Begriff und Bedeutung: 1. (Handels-) Name des Kaufmanns, § 17 I; d.h.: a. Firma ist nicht selbst Rechtssubjekt, sondern nur der Name eines anderen Rechtssubjekts b. Firma ist nicht der Name des Unternehmens (organisierte Einheit sachlicher und personeller Mittel zur Teilnahme am Wirtschaftsverkehr, ausführlich s. unten § 6), sondern Name des (kaufmännischen) Unternehmensträgers (Einzelkaufmann, Handelsgesellschaft) c) Firma („Handels“-Name) dient Teilnahme des Kaufmanns am Handelsverkehr, Abgrenzung relevant nur bei Einzelkaufleuten, die daneben noch bürgerlichen Namen führen; Firmenführung im Handelsverkehr ist Sollvorschrift; Abweichung hat grds. keine Auswirkungen auf Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts (Ausn.: Eheschließung, Testamentserrichtung) 2. Zu unterscheiden von:

a. Geschäftsbezeichnungen (z.B. bei GbR): „Weißer Hirsch“ b. Marken: MarkenG; MarkenVO: zB. „UHU“, „Jaguar“ c. Kurzbezeichnungen: „BMW“ d. Name der Partnerschaft (§ 2 PartGG)

3. Konsequenzen: a. Kaufmann wird unter seiner Firma im HR eingetragen (Anmeldepflicht: §§ 29, 106) b. Kaufmann nimmt unter seiner Firma am Rechtsverkehr teil c. Kaufmann kann unter seiner Firma klagen und verklagt werden (§ 17 II). II. Funktion 1. Kennzeichnungsfunktion (Name!) 2. Unterscheidungsfunktion 3. Werbefunktion 4. Wertträger: „good will“ (§ 21 nimmt Rücksicht) III. Namensrechtliche Dimension 1. Absolutes Recht 2. Doppelnatur:

a. Persönlichkeits- (Namens-) Recht (wenn Name des Kaufmanns Verwendung

findet) b. Kennzeichnungs- (Immaterialgüter-) recht; zu unterscheiden vom bürgerlich-rechtlichen Namensrecht (zu dessen Schutz: §§ 22 I, 24 II).

3. Firma ist veräußerlich und vererblich IV. Bestandteile der Firma: §§ 18, 19 1. Firmenkern, kennzeichnender Teil, kann bestehen aus:

a. Name des Unternehmensträgers oder seiner (persönlich haftenden) Gesellschafter: Namensfirma; z.B. „Otto Müller e.K.“, „Porsche AG“; Verpoorten GmbH & Co. KG b. Geschäftsgegenstand: Sachfirma; z.B. „Bayerische Motorenwerke AG“; „Bonner Bücherkiste GmbH“ c. Fantasiefirma; Beispiel: „Happy Hour KG“, SAP AG“ d. (Beliebige) Kombination aus aa.-cc: Mischfirma; Beispiel: „Otto Müller Elektroinstallationen e.K.“;

2. Rechtsformzusatz, bezeichnet Art des Kaufmanns (Einzelkaufmann, Gesellschaft mit best. Rechtsform); Zweck insbes. Offenlegung der Haftungsverhältnisse, für Rechtsverkehr sehr relevant (Kreditwürdigkeit!). V. Regeln für die Firmenbildung und -verwendung (Firmengrundsätze) 1. Entwicklung

a. Altes Recht: aa. detaillierte Regeln für Bildung des Firmenkerns: obligatorische

Personenfirma für Einzelkaufmann und OHG, KG (persönl. haftende Gesellschafter); obligatorische Sachfirma für AG

bb. obligatorischer Rechtsformzusatz nur bei AG, GmbH und Personen- gesellschaft ohne persönlich haftende natürliche Person (§ 19 V a.F.)

b. Liberalisierung durch Reform von 1998; für alle Arten von Kaufleuten: aa. freie Wahl zwischen Personen-, Sach-, Phantasie- und Mischfirma: § 18

enthält keine Vorschriften! bb. damit korrespondierend: obligatorischer Rechtsformzusatz (s. unten 2.b.bb)

2.Firmengrundsätze im Einzelnen:

a. Firmenklarheit

aa. § 18 I: Kennzeichnungseignung und (abstrakte) Unterscheidungskraft (1) Individualisierung muss möglich sein: Kennzeichnungseignung (Namensfunktion!); nur Sprachzeichen (nicht: Bildzeichen, weil nicht aussprechbar); auch Zahlen- und Buchstabenkombinationen (soweit aussprechbar (artikulierbar); z.B. „Pro 7“; „SAP“; „17 und 4“); auch (einfache) Zahlen („elf“); nicht: Zahlenreihen ( „A.A.A.A.A.A GmbH“, vgl. OLG Frankfurt, NZG 2002, 508); was ist mit „@“? (2) Unterscheidungskraft: Firma muss abstrakt geeignet sein, den Unternehmensträger von anderen zu unterscheiden; nicht bei Allerweltsnamen, Gattungs- und Branchenbezeichnungen (auch wg. Freihaltebedürfnis); Zusätze bzw. Fantasiebezeichnungen können U.kraft begründen.

bb. § 30: Firmenausschließlichkeit (konkrete Unterscheidungskraft) (1) neue Firma muss sich von allen am selben Ort (i.S.d.Verkehrs- anschauung) oder in derselben Gemeinde (Kommunale Einheit) bestehenden Firmen unterscheiden; es gilt Prioritätsgrundsatz, § 30 I; (2) obligatorischer Zusatz bei Namensidentität, § 30 II.

b. Firmenwahrheit: aa. § 18 II: Irreführungsverbot, eingeschränkt durch §§ 22, 24 und durch die tatbestandlichen Restriktionen in § 18 II selbst:

(1) keine Irreführung (Hervorrufung unrichtiger Vorstellungen) über geschäftliche Verhältnisse (auf den Geschäftsbetrieb bezogene Umstände); irreführende Angaben müssen wesentlich sein (dh.: wettbewerbliche Relevanz haben). (2) für Irreführung kommt es auf die angesprochenen Verkehrskreise an; Eignung zur Irreführung reicht aus; Absicht irrelevant. (3) Für das Eintragungsverfahren gilt § 18 II 2: Ersichtlichkeit für den Registerrichter (abzustellen auf eigene Sachkenntnis und verfügbare Informationen); anders im streitigen Verfahren bei § 37 II. (4) Beispiele: (a) Zusätze, die auf nicht bestehende Beziehungen zum Staat, zu Kommunen etc. hinweisen: „Bundesdruckerei“ (b) ebenso bei wissenschaftlichem Charakter („Akademie“; „Kolleg“; nicht bei „-institut“); (c) geographische Hinweise; „international“, „europäisch“ (5) Insges. bedingt Wandel der Verkehrsanschauung größere Liberalität bb. § 19 I, II: obligatorischer Rechtsformzusatz (1) Vorgaben im Einzelnen: (a) Einzelkaufmann (§ 19 I Nr. 1): „eingetragene(r) Kaufmann/ Kauffrau“ oder Abk. („e.K.“, „e.Kfm.“, „e.Kfr.“) (b) Personengesellschaften (§ 19 I Nr. 2, II) (i) „offene Handelsgesellschaft“ oder Abk. („OHG“) (ii) „Kommanditgesellschaft“ oder Abk. („KG“) (iii) § 19 II: Kennzeichnung der fehlenden Haftung einer natürlichen Person bei Personenhandelsgesellschaft („GmbH/AG & Co.-Personengesellschaft“) (c) GmbH (§ 4 GmbHG): „Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ oder Abk. („GmbH“) (d) AG (§ 4 AktG): „Aktiengesellschaft“ oder Abk. („AG“) (2) Rechtsscheinhaftung bei Firmenführung ohne gebotenen Rechtsformzusatz (ausführl. Canaris § 6 IV): (a) st. Rspr. (vgl. BGHZ NJW 1978, 2594; 1996, 2645; zuletzt: BGH NJW 2007, 1529 Rz. 14) (b) Anknüpfungspunkt: Firmenführung ohne einen die Haftungsbeschränkung anzeigenden Rechtsformzusatz; betr. auch ausl. Firma (bezogen auf Zweigniederlassung im Inland)! zur Vereinbarkeit mit der Niederlassungsfreiheit (Art. 49, 54

AEUV) vgl. BGH a.a.O. Rz. 9 ff.; MüKoBGB(5)-Kindler, IntGesR, Rz. 237. (c) Dogmatisch Fall der Rechtsscheinhaftung: Hervorrufung des berechtigten Vertrauens des anderen Vertragspartners auf Haftung mindestens einer natürlichen Person; wann gegeben? (i) jedenfalls bei falschem Rechtsformzusatz (OHG statt GmbH) (ii) auch bei Fehlen jedes Rechtsformzusatzes (vgl. BGH NJW 2007, 1529 für niederl. BV); Auswirkungen der Reform von 1998 (zwingender Rechtsformzusatz für jeden Kaufmann)? fehlender Rechtsformzusatz lässt nicht mehr auf Einzelkaufmann/PersonenhandelsG schließen; gleichwohl gebietet Schutzzweck der §§ 4 AktG, 4 GmbHG, 19 II Rechtscheinhaftung (h.M. vgl Canaris, § 6 Rz. 45, K/R/M-Roth, § 15 Rz. 50) (d) gesetzl. Anknüpfungspunkt: Rspr.: § 179 BGB analog bzw. Rechtsgedanke; nicht: allgemeine verhaltenspflichtorientierte Rechtsscheinhaftung (vgl. Klarstellung in BGH NJW 2007, 1529 Rz.17, krit. Haas, NJW 1997, 2857); differenzierend: Canaris: § 179 nur bei mangelnder Identität zw. Betroffenem und Handelndem, ansonsten allg, Rechtsscheingrundsätze. (e) Verwirklichung des TB durch: (i) schriftliche Erklärungen, insbes. durch falsche Angaben auf Geschäftskorrespondenz (Briefköpfe, Rechnungen, Auftragsformulare, auch Fax, E-Mail!, zur mittelbaren Firmenpublizität gem. § 37a s. unten g.) (ii) grds. nicht: mündliche Erklärungen (BGH NJW 81, 2569, 2570 ), ggf. Ausnahme bei Verwendung von Visitenkarten ohne (korrekten) Rechtsformzusatz (OLG Naumburg, NJW-RR, 97, 1324) (f) Gutgläubigkeit des Dritten (g) Dispositionszusammenhang (Kausalität): Dritter muss Rechtsgeschäft im Vertrauen auf persönl. Haftung vorgenommen haben, (-), bei Geschäftsabschluss vor Entstehung des Scheintatbestandes

(h) Rechtsfolge: Haftung desjenigen, der für Gesellschaft auftritt („zeichnender Vertreter“, BGH NJW 2007, 1529, Rz. 17), nicht: andere Personen (Organmitglieder/ Haupt-gesellschafter, denen das Verhalten mittelbar zurechenbar ist (str.); arg.: Konsequenz aus Heranziehung des § 179!

Fall zur Vertiefung:

BGH 12. 6. 2012 (NJW 2012, 2871): Geschäftsführer einer GmbH-Unternehmer- gesellschaft handelt für diese, wobei er als Firma nur "GmbH" angibt, nicht aber, wie in § 5a GmbHG zwingend vorgesehen, mit dem Zusatz "UG (haftungsbeschränkt)" zeichnet. (a) Haftung des Geschäftsführers kraft Rechtsscheins gem § 179 BGB analog; arg. Schutzbedürftigkeit Dritter, die auf Mindeststammkapital für „normale“ GmbH (25.000 €) vertrauen; überzeugend? (b) § 15 II HGB steht nicht entgegen, wenn GmbH im Handelsregister als Unternehmergesellschaft eingetragen und so auch bekannt gemacht. Arg.: §§ 4, 5a GmbHG schreiben Rechtsformzusatz zwingend vor; hat Vorrang

vor § 15 II ; BGH aaO Rz. 11; allgemein zu den Grenzen des § 15 II s. oben § 3 V.3.e.aa. (c) Mögl. Haftungsbeschränkung auf Höhe der Differenz zwischen Mindest- stammkapital der GmbH (€ 25.000.-) und tatsächlichem Stammkapital der Unternehmergesellschaft (minimal 1 €) bleibt offen.

c. Firmenbeständigkeit: § 21; §§ 22-24 (Schranke: 19 I, II) aa. Begriff: Firma darf bei Namensänderungen des Kaufmanns oder einem

Wechsel des Unternehmensträgers fortgeführt werden, obwohl sie bei Neu- gründung nach dem Grundsatz der Firmenwahrheit nicht zulässig wäre.

bb. Zweck: Erhalt des der Firma innewohnenden Vermögenswertes; setzt sich grds. gegenüber Belangen des Rechtsverkehrs (Firmenwahrheit) durch.

cc. Gesetzl. geregelte Fälle: (1) bei Namensänderung: § 21 (2) bei Erwerb eines bestehenden Handelsgeschäfts; § 22 I. Grenze: § 18 II (zum Spannungsverhältnis BGH NJW 1970, 704: Firma mit Doktortitel darf nur mit Nachfolgezusatz weitergeführt werden, wenn Erwerber selbst nicht promoviert ist; Einzelkaufmann darf in übernommener Firma Zusatz „& Co.“ nicht beibehalten). (3) § 24 I: es ist zu unterscheiden: (a) 1. Alt.:„Eintritt in bestehendes Handelsgeschäft“ (Wortlaut schief) = Gründung einer OHG/KG unter Einbringung eines bestehenden kaufm. Unternehmens; bereits von § 22 erfasst; § 19 I ist zu beachten! (b) 2./3. Alt.: Eintritt/Ausscheiden von Gesellschaftern in/aus bestehender Gesellschaft; eigener Anwendungsbereich ggü. § 22; probl. ist nur 3. Alt., wenn Name des ausscheidenden Gesellschafters beibehalten werden soll, in diesem Fall ist auch § 24 II (erforderliche Einwilligung des ausscheidenden Gesellschafters) zu beachten!

e. Verbot der "Leerübertragung" der Firma, § 23 f. Firmeneinheit

aa. keine gesetzliche Regel bb. Grundsatz: für ein Unternehmen (als organisatorische Einheit) immer nur eine Firma; für mehrere (organisatorisch getrennte!) Unternehmen eines Einzelkaufmanns sind mehrere Firmen möglich (und ggf. erforderlich; str.); anders aber, wenn Gesellschaft Rechtsträger (str.). cc. Für Zweigniederlassungen: Bei § 30 III, 50 III, 126 III sind Zusätze erforderlich.

g. Firmenpublizität: aa. Pflicht zur Anmeldung der Firma einschl. Änderungen und Erlöschen (§§ 29, 31, 106), bei Verstoß: Zwangsgeld (§ 14); kann als Beugemittel wiederholt verhängt werden (§ 388 ff. FamFG)

bb. Pflicht u.a. zur Angabe der Firma auf „Geschäftsbriefen“ (§§ 37a, 125a, 177a; 35a GmbHG, 80 AktG)

VI. Entstehen, Erlöschen der Firma 1. Entstehen a. Einzelkaufleute aa. „Ist-Kaufleute“ gem. § 1 II: mit Geschäftsbeginn und tats. Gebrauch bb. „Kann-Kaufleute“ gem. §§ 2, 3: mit Eintragung der Firma im HR b. Personenhandelsgesellschaften (OHG/KG): entweder mit Betreiben des Handels- gewerbes unter Gebrauch der Firma („Ist-OHG/KG“, §105 I ggf. i.V.m. § 161 II), i.Ü. mit Eintragung der Firma im HR („Kann-OHG/KG“, § 105 II ggf. i.V.m. § 161 II) c. juristische Personen (AG, GmbH etc.) mit Eintragung im HR. 2. Erlöschen: a. Einzelkaufleute aa. Einstellung des Gewerbebetriebes bb. Einstellung des Gebrauchs der Firma (bei Inhaberwechsel durch alten Inhaber, wenn Erwerber Firma nicht fortführt) b. Gesellschaften haben keinen weiteren Namen, daher Erlöschen der Firma erst mit Ende der Auseinandersetzung (Abwicklung) und dem dadurch bedingten Erlöschen des Rechtsträgers VII. Prüfung durch das Registergericht, Sanktionen

1. Registergericht prüft Anmeldung der Firma (§§ 374 ff. FamFG) auf formelle und materielle Richtigkeit; Zulässigkeit der Firma nach §§ 18 ff.; Vorliegen eines Gewerbe-betriebs bei §§ 1, 2, 3, 5; Erforderlichkeit kaufmännischer Einrichtungen bei §§ 1 II, 3 II. Zeichnung, § 12. 2. Sanktionen (Firmenschutz) a. Missbrauchsverfahren v.A.w., § 37 I; §§ 388 ff. FamFG, Ermessen bzgl. Einleitung; nur „Anregung“ durch Betroffene (Konkurrenten) mögl.; Tenor: Löschung der Firma unter Androhung von Ordnungsgeld bei Zuwiderhandlung b. Private Unterlassungsklage gem. § 37 II; Klagebefugnis: jedes rechtl. Interesse wirtschaftl. Art. nur auf Unterlassung des Firmengebrauchs gerichtet, Ansprüche aus SE aus anderen AGL (§ 823 II BGB i.V.m. §§ 37 II HGB, 12 BGB bzw. § 15 V MarkenG i.V.m. § 5 II MarkenG) bleiben unberührt. VIII. Übungsfälle zu § 4 Ü12: Maria und Rita Born haben sich auf die Herstellung von handgemachten Bonbons mit erlesenen Zutaten spezialisiert. Ihr kleines, im Handelsregister des Amtsgerichts Köln eingetragenes Geschäft mit ausschließlich lokaler Kundschaft betreiben sie unter der Firma „MaRiBo Süßwaren International OHG. Der Justitiar der im nahen Bonn ansässigen HaRiBo GmbH & Co. KG, die – in industrieller Fertigung – ebenfalls Süßwaren herstellt, fragt, ob und wenn ja wie die Gesellschaft gegen den Gebrauch der Firma juristisch vorgehen könnte. Ü13: Herbert Schmitz betreibt in Bonn unter der Firma „H. Schmitz Schlüsseldienst e.K.“ einen im Handels-register eingetragenen Geschäftsbetrieb. Um Haftungsrisiken zu vermeiden, gründet er eine GmbH, deren einziger Gesellschafter und Geschäftsführer er ist. Sein Unternehmen bringt er als Einlage ein. Auf Antrag des A wird im Handelsregister die Firma „H. Schmitz Schlüsseldienst e.K.“ gelöscht und die Firma „H. Schmitz Schüsseldienst GmbH“ eingetragen. Dieser Vorgang wird sodann ordnungsgemäß bekannt gemacht. Im Rahmen seiner Geschäftskorrespondenz verwendet A gleichwohl aus Sparsamkeit auch in der Folgezeit noch das alte Briefpapier mit dem Briefkopf H. Schmitz Schlüsseldienst e.K.“. Als die GmbH einige Monate später in eine finanzielle Schieflage gerät, verlangt ein Lieferant, der von der Änderung der Firma nichts mitbekommen hat, von A persönlich Zahlung einer gegen die GmbH bestehenden Kaufpreisforderung. Zu recht? Ändert sich etwas, wenn A in seiner Korrespondenz einen Briefkopf mit dem Inhalt „H. Schmitz Schlüsseldienst“ verwendet?

§ 5. Regeln im Zusammenhang mit dem Wechsel der Trägerschaft kaufmännischer Unternehmen, §§ 25-28 I. Allgemeines 1. §§ 25-28 betreffen das Außenverhältnis des neuen Unternehmensträgers zu Gläubigern und Schuldnern des Unternehmens 2. Regeln stehen im systematischen Kontext mit dem Firmenrecht; Bezugspunkt? Fortführung der Firma als Voraussetzung des § 25; aber: i.Ü. knüpfen Regelungen ausschließlich an Fortführung des Unternehmens an (vgl. insbes. §§ 27, 28!). 3. Rechtspolitisch umstritten: Vielfache Ansätze (im Schrifttum) zu einer korrigierenden Anwendung der § 25 und § 28 II. Exkurs: Das Unternehmen als Gegenstand des Rechtsverkehrs 1. Begriff a. organisierte Einheit sachlicher und personeller Mittel zur Teilnahme am Wirtschaftsverkehr b. enger als Begriff des Gewerbes; umfasst auch freiberufliche Tätigkeiten! c. kaufmännisches Unternehmen, wenn es sich beim Unternehmensträger um einen Kaufmann i.S.d. §§ 1, 2, 3, 5, 6 handelt. Merke: kaufm. U. muss nicht notwendig ein (Handels-)Gewerbe i.S.d. § 1 I sein (etwa bei Kapitalgesellschaften als U.träger, vgl. § 13 III GmbHG) d. „Unternehmer“ (nicht Kaufmann!) subjektiver Anknüpfungspunkt für Sonder- privatrecht (Verbraucherrecht) innerhalb des BGB (vgl. § 14 BGB); für das Verhältnis zum Handelsrecht s. oben § 1 III.2.b. 2. Rechtsschutz a. Schutz des U-trägers vor Beeinträchtigungen des U. durch Dritte im Rahmen von Spezialgesetzen aa. §§ 3-7, 17-19 UWG bb. §§ 19-21 GWB bzw. Art. 102 AEUV cc. §§ 823 II, 824 BGB b. Lückenschluss durch Anerkennung des Rechts am Unternehmen (trad. „Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb“, zu eng! warum?) als absolutes Recht i.R.d. § 823 I BGB; Voraussetzungen: aa. betriebsbezogener Eingriff. z.B. unberechtigte Schutzrechtsverwarnung (BGH NJW 2005, 3141); Blockade eines Betriebs (BGHZ 59, 30, 35; abträgliche Werturteile (Restaurantkritik); (ausnahmsweise) wahre kreditschädigende Behauptungen (vgl. BGH NJW 2006, 830 – Kirch/Breuer), zu unwahren kreditschädigenden Behauptungen vgl. § 824 BGB! bb. Rechtswidrigkeit; positiv festzustellen; nicht durch Verwirklichung des TB indiziert (Rahmenrecht!), Abwägung mit gegenläufigen Interessen und Rechtsgütern (etwa Art. 5, 12 GG)

3. Wechsel des Unternehmensträgers a. unter Lebenden aa. Übertragung im Rahmen von Kauf (s. sogleich 4.) Tausch oder Schenkung bb. Verpachtung b. im Erbgang gem. § 1922 BGB 4. Insbesondere: Der Unternehmenskauf Lit.: MüKo-HGB (-Thiessen), 3. Aufl. 2010, Bd. 1, § 25 Anhang Rdnr. 52 ff.; MüKo (-Westermann), 5. Aufl. 2008, Bd. 3, § 453 Rdnr. 17 ff.; Oetker (-Vossler), Anh. zu §§ 25-28; Canaris § 8 Rdnr. 15 ff. a. Allgemeines aa. Unterscheidung : asset deal - share deal (1) unmittelbarer Unternehmenskauf (asset deal) (2) mittelbarer Unternehmenskauf (Erwerb von 100% der Anteile bzw. Kontrollmehrheit, share deal) bb. Formbedürftigkeit

(1) des asset deal? (-), außer § 311b I, wenn Grundstück mitbetroffen; (2) beim share deal geht es nur um Gesellschaftsanteile: (-), außer wenn Übertragung der Anteile formbedürftig; § 15 III GmbHG

cc. Hauptpflicht des Verkäufers:

(1) asset deal: (dingliche) Übertragung der einzelnen Gegenstände; Einweisung in das Unternehmen; Informationspflichten; ggf. Pflicht zur Übernahme von Schulden bzw. zu deren Erfüllung

(2) share deal: Übertragung der Anteile; Einweisung etc. .

b. Gewährleistungsansprüche aa. Beispiele für Leistungsstörungen bzw. Mängel: verseuchte Grundstücke; Nachbarklage auf Einstellung der Produktion wegen Lärms; defekte Maschinen; Fehler in den Bilanzen; fehlende behördliche Genehmigungen für Produktion etc.

bb. Anwendbarkeit der §§ 434 ff. auf Unternehmenskauf? (1) Unternehmen ist keine „Sache“ i.S..d. genannten Vorschriften, aber: Vorschriften über Kauf von Sachen finden auf Kauf von „Rechten“ und „sonstigen Gegenständen“ „entsprechende“ Anwendung, § 453 I.

(2) Unternehmen als „sonstiger Gegenstand“? (a) Reg.Begr.(BT-Drucks. 14/6040, S. 242) geht davon aus; (b) auch Rspr., soweit vorhanden (OLG ZIP 2009, 2063: lesen!); (c) h.L. im Schrifttum, wird heute kaum noch problematisiert; (d) a. A.: U. Huber, AcP 202 (2002), 179, 223 ff.: weitgehende Reduktion des Anwendungsbereichs des Sachmängelrechts („bis auf Null“) zugunsten § 311 II; Grund: §§ 434 ff. passen nicht auf Unternehmen: keine („Normal“)Beschaffenheit i.S.d. § 434 BGB; keine Nacherfüllung i.S.d. § 439 mögl. (e) m.E. ist - jedenfalls auf heutiger Rechtsgrundlage (Schuldrechtsreform) - h.L. überzeugend:

(i) neuer Mangelbegriff („Beschaffenheit“) umfasst neben Mängeln, die dem Kaufgegenstand physisch anhaften, auch Beziehungen der Kaufsache zur Umwelt (zuvor str., vgl. noch BT-Drucks. 14/6040, S. 213, nunmehr aber geklärt durch BGH NJW 2011, 1217); damit auch typische Unternehmensmängel erfasst (zB Ertragsfähigkeit) (ii) Es gibt auch andere Kaufgegenstände, bei denen „Normalbeschaffenheit“ schwer oder gar nicht feststellbar ist (zB Antiquitäten); (iii) § 311 II ist verschuldensabhängig und zur Wahrung des Äquivalenzverhältnisses unpassend (Canaris § 8 Rdnr. 23); (iv) Rechtsfolge des § 439 I (Nacherfüllung) passt jedenfalls z.T.: Freistellung des Käufers von (unbekannten) Verbindlichkeiten; Reparatur oder Nachlieferung bei schwerwiegenden Substanzmängeln; i.Ü. § 275 I!

(3) Gesellschaftsanteil als „Recht“ iSv § 453 I (unprobl.); aber: Erwerb von 100 % der Anteile oder Kontrollerwerb (share deal) ist Erwerb eines „sonstigen Gegenstands“

cc. Prüfung der §§ 434 ff. im Einzelnen

(1) Bezugspunkt (str.) (a) z.T.: jeder einzelne mangelhafte Gegenstand begründet Mangelhaftigkeit des Unternehmens (Erman-Grunewald, § 434 Rz. 43; Staudinger-Matusche-Beckmann, § 434 Rz. 145); Begr.: Wer Unternehmen kauft soll nicht schlechter stehen als derjenige, der einzelne, zum U. gehörige Gegenstände kauft; Substanzmängel an einzelnen Gegenständen führen nach neuem SchuldR (Vorschaltung der Nacherfüllung) nicht mehr automatisch zur Rückabwicklung (Wandlung) (b) h.M.: Gegenstand des Kaufvertrages (§ 433 I BGB) ist das „Unternehmen“ als solches, nicht: einz. Gegenstände (beachte unterschiedl. Methode der Preisfindung); dieses muss frei von Mängeln iSv § 434, 435 sein; es geht „Unternehmensmängel“! (OLG Köln, ZIP 2009, 2063, Rz. 50; Canaris, § 8, Rz. 21 ff., (2) Sachmängel iSv § 434 I: „Beschaffenheitsmängel“:

(a) Da es um Mängel des „Unternehmens“ geht, keine Reduktion auf Substanzmängel; vielmehr Erstreckung auch auf Ertragskraft (Angaben über bisherige Umsätze, Gewinne etc. in der Bilanz als (vereinbarte oder vorausgesetzte) „Beschaffenheit“ des U; Angaben über künftige Erträge sind keine Beschaffenheitsangaben: sie können nur Gegenstand eines Garantieversprechens sein. (b) Mängel hinsichtlich einzelner Gegenstände sind nur dann als Mängel des U. anzusehen, wenn sie auf die Beschaffenheit bzw. Wert des Unternehmens „durchschlagen“; wichtig: bei Unternehmenskauf ist davon auszugehen, dass der Fuhrpark

(normal) gebraucht ist, an einzelnen Waren ein EV besteht und Gegenstände auch sicherungsübereignet sind etc! andererseits: Mängel an Produktionsmaschinen bzw. Steuerungssystemen(!) beeinträchtigen Produktionsfähigkeit (und damit „Normal- beschaffenheit“). Konsequenz daraus: zweijährige Verjährung gem. § 438 I Nr. 3 (auch wenn Mangel an Gebäude auftritt; arg.: es geht um einen Mangel am Unternehmen!); OLG Köln aaO. (c) Maßstab (Soll-Beschaffenheit): (aa) primär: Parteivereinbarung (§ 434 I 1 BGB); (bb) sekundär: Eignung für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung (§ 434 II Nr. 1 BGB); (cc) tertiär „Normalbeschaffenheit“ (§ 434 II Nr. 2 BGB); variiert nach Unternehmenstyp; entscheidendes Kriterium: Fortführbarkeit des Unternehmens. Merke: zur Normalbeschaffenheit gehören auch „Ruf“ bzw. „Image“(vgl. BGH NJW 1992, 2564: vorherige Nutzung eines Gastbetriebs als Stundenhotel).

(3) Rechtsmängel iSv § 435: (a) Patent eines Dritten führt zu Produktionseinschränkung; Nachbaransprüche zu einer Betriebseinstellung (b) Belastung des Käufers mit Verbindlichkeiten gem. § 25 I 1 als Rechts- oder Sachmangel?

cc. Rechtsfolgen:

(1) Nacherfüllung (nur) z.T. möglich; z.B. Reparatur einzelner Gegenstände; dann muss Gelegenheit zur Nachbesserung gegeben werden; i.Ü. § 275 I BGB und Verweis auf (2)(3)(4)

(2) Minderung (3) Rücktritt; evtl. auch Teilrücktritt, § 323 V 1 und 2 anw.; Interessante Frage: Was ist zurück zu übertragen, wenn Käufer das Unternehmen umstrukturiert hat? BGH BB 2006, 2094 Rz. 21 (zu § 812): zurückzuübertragen ist Unternehmen in der Gestalt, die es im Zeitpunkt der Geltendmachung des Anspruchs hat; aber: Unternehmen muss noch in seiner ursprünglichen Identität vorhanden sein; ausführlich zum Unternehmen als Gegenstand von Rückgewährschuldverhältnissen Canaris, § 8 IV. (4) Schadensersatz statt der Leistung: § 281 I (statt früher nur negatives Interesse bei c.i.c.; insoweit Verschärfung); str., ob und inwieweit geschuldet.

dd. Ansprüche aus § 311 II BGB? (1) Ansprüche wg. fahrlässiger Nicht-/Fehlinformation werden bei Vorliegen eines Mangels i.S.d. §§ 434 ff. BGB verdrängt; entspr. im Hinblick auf Sachmängel st. Rspr. vgl. BGHZ 60, 319 (zum alten Recht), BGH NJW 2009, 2120 (zum neuen Recht); regelmäßige Heranziehung in der Vergangenheit war ausschl. Defiziten des alten Mängelrechts geschuldet (kurze Verjährungsfrist nach § 477 BGB a.F.!; enger Fehlerbegriff des § 459 BGB a.F.), Gesetzgeber wollte durch SM-Gesetz gerade auch im Hinblick auf Unternehmenskauf für Abhilfe sorgen (vgl. BT-Drucks. 14/6040, S.209); (2) § 311 II aber anwendbar, soweit Mängel an einzelnen Gegenständen nicht auf Unternehmen „durchschlagen“ (Baumbach/Hopt-Hopt, vor § 1

Rz. 46, a.A. OLG Köln, ZIP 2009, 2063 Rz. 53 unter Verweis auf abschl. Regelung; überzeugend im Hinblick auf abw. TB-Vorauss. (Verschulden) und Rechtsfolge (Haftung auf negatives Interesse)? (3) § 311 II greift in jedem Fall bei vors. falschen Informationen, Abbruch von Vertragsverhandlungen etc.

ee. Neben § 453 I kann (weit verbreitet!) Garantievertrag treten.

dd. Kauf von Gesellschaftsanteilen

(1) Erwerb von Gesellschaftsanteilen ist grds. Rechtskauf iSv § 453 I, (a) hier kommt es auf die „Beschaffenheit“ des Anteils, nicht des Unternehmens an. (b) Rechtsmangel liegt vor bei fehlender Verität (wenn Anteil nicht besteht oder einem Dritten zusteht); (c) Sachmangel liegt vor bei abweichendem Inhalt des Anteils (zB im Hinblick auf Stimmrecht, Gewinnbeteiligung, Übertragbarkeit etc.) (d) Mängel des Unternehmens, auf welches sich Anteil bezieht, sind beim reinen Anteilskauf im Hinblick auf abw. Vertrags- gegenstand nicht zugleich Mängel des Gesellschaftsanteils (str. aber überzeugend: Umkehrschluss aus § 453 III BGB; vgl. auch BT-Drucks. 14/6040, S. 242: Gesetzgeber verweist auf Möglichkeit, Beschaffenheit des Unternehmens zum Gegenstand einer Garantie zu machen)

(2) Erwerb von 100% der Anteile oder zumindest Kontrollmehrheit ist Unternehmenskauf (share deal) und damit Kauf eines „sonstigen Gegenstands“ i.S.d. § 453 I (s. oben bb(3)).

III. Erwerb von kaufmännischen Unternehmen unter Firmenfortführung, §§ 25, 26 1. Allgemeines: a. Normen regeln Außenverhältnis zwischen Erwerber und Gläubigern/Schuldnern des bisherigen Unternehmensträgers im Falle des Erwerbs eines kaufmännischen Unternehmens (§ 25 I spricht von „Handelsgeschäft“!, Abgrenzung zu § 343?) unter Lebenden b. Betreffen nur asset deal, nicht share deal! warum? 2. Ausgangslage (unter „Wegdenken“ von §§ 25, 26)

a. unternehmensbezogene Verpflichtungen, die der bisherige Unternehmensträger ggü. den Altgläubigern des Unternehmens begründet hat: aa. Schuldner ist grunds. der bisherige Unternehmensträger bb. Enthaftung des bisherigen Unternehmensträgers nur durch Schuldübernahme (§§ 414 ff. BGB), d.h. alternativ (1) Vertrag zwischen Altgläubiger und Erwerber (§ 414 BGB); (2) Vertrag zwischen Erwerber und bisherigem Unternehmensträger und Genehmigung durch Altgläubiger (§ 415 BGB)

cc. davon zu unterscheiden ist die bloße (oft auch konkludente) Verpflichtung des Erwerbers ggü. dem bisherigen Unternehmensträger zur Übernahme der Erfüllung von Altschulden (Erfüllungsübernahme, § 329 BGB); häufiger Bestandteil des Unternehmenskaufvertrags; wirkt nur im Innenverhältnis; Außenwirkung nur bei Genehmigung durch Altgläubiger (s. oben bb.2) b. unternehmensbezogene Forderungen des bisherigen Unternehmensträgers verbleiben bei ihm, wenn sie nicht ausdrücklich oder konkludent abgetreten werden (hängt ab von vertragl. Gestaltung zwischen Erwerber und bisherigem Unternehmens-träger); § 398 setzt Abtretbarkeit voraus (§ 399 BGB); Schutz des Schuldners bei Abtretung: § 407 I BGB. c. Bei Dauerschuldverhältnissen bleibt der bisherige Unternehmensträger Vertragspartner, wenn nicht Vertragsübernahme unter Einbeziehung des Vertragspartners vereinbart.

3. Regelung im Überblick:

a. Gesamtschuldnerische Haftung des Erwerbers für Altverbindlichkeiten des bisherigen Unternehmensträgers: § 25 I Satz 1 b. Schutz der Schuldner des bisherigen Unternehmensträgers bei Leistung an den Erwerber, § 25 I Satz 2 c. Maßgebliche Anknüpfungspunkte: (1) Erwerb eines Handelsgeschäfts (kaufm. Unternehmens) unter Lebenden (2) Firmenfortführung (ohne bzw. mit Einwilligung)

4. Haftung für Altverbindlichkeiten; § 25 I Satz 1

a. Normzweck äußerst unklar; Rspr. kombiniert verschiedene Ansätze

aa. Erklärungstheorie (frühere Rspr.): Firmenfortführung als Erklärung an die Öffentlichkeit (vgl. § 25 III; Auslobung; Patronatserklärung); ist Fiktion. bb. Gesetzlicher Fall der Rechtsscheinhaftung; dgg: Nachfolgezusatz zerstört Rechtsschein, steht aber Haftung des Erwerbers nicht entgegen; keine Vertrauensdisposition des Altgläubigers vonnöten. cc. Haftungsfondstheorie; Aktiva ziehen Passiva nach sich (Rechtsgedanke hinter § 419 BGB a.F.); dgg: keine Haftung bei Übernahme des Unternehmens ohne Firmenfortführung; keine Erklärung für Haftung des neuen Trägers mit seinem Privatvermögen; mit § 25 II unvereinbar. dd. Haftungskontinuität kraft Unternehmenskontinuität (neueres Schrifttum; insbes. K. Schmidt, § 8 I 3,4; noch weitergehend (mit Anlehnung an Umwandlungsrecht): J. Flume, ZHR 170 (2006), 737, 742 ff.: §§ 25, 28 als rechtsgeschäftliche Verfügungstatbestände zur Überleitung unternehmens-bezogener SV im Ganzen; BGH NJW 1996, 2866, 2867 sympathisiert); aber: kein Hinweis in Wortlaut und Gesetzesmaterialien; daher nur de lege ferenda; de lege lata steht § 25 II entgegen, ebenso fehlende Haftung des neuen U.trägers, wenn Firma nicht fortgeführt wird. ee. Zweckmäßigkeitsentscheidung des Gesetzgebers ohne dogmatische Stringenz und einleuchtenden Gerechtigkeitsgehalt (Canaris, § 7 Rz. 16 ff.; ähnlich K/R/M-Roth, § 25 Rz. 2: Schutz (falscher) Verkehrserwartungen (wenn Dritte von Unternehmensübergang wissen), dass neuer U.träger Unternehmen „mit Aktiven und Passiven“ übernimmt (dies erklärt § 25 II).

b. Voraussetzungen einer Haftung des Erwerbers gem. § 25 I 1:

aa. Bisheriger Unternehmensträger (Wortlaut „Einzelkaufmann“ zu eng; auch

Gesellschaft, vgl. BGH NJW-RR 1990, 1251, 1253) (1) betreibt (2) „Handelsgeschäft“ (Träger ist Kaufmann gem. §§ 1 II, 2, 3 II, III, 6; auch § 5); keine analoge Anwendung auf Kleingewerbe bzw. Freibe-rufler; auch Zweigniederlassung (BGH NJW 1972, 1859); (3) führt „Firma“ (Eintragung im HR nicht erforderlich).

bb. Erwerb des „Handelsgeschäfts“ unter Lebenden (Abgrenzung zu § 27), einschließlich Fortführung (bei Unternehmenspacht):

(1) tatsächlich einverständliche "Übernahme" (durch Einweisung; „Übergabe der Schlüssel“) reicht aus (BGH NJW 2006, 1002); (2) Verpflichtungs- (und ggf. Verfügungs-) Geschäfte müssen nicht (wirksam) geschlossen sein; (st. Rspr., a.A. Canaris, § 7 Rz. 24 mit Blick auf Haftungsrisiken ohne (reale) Möglichkeit, diese durch Vereinbarung gem. § 25 II zu vermeiden) (3) Kern des Unternehmens (wesentlicher Kernbereich; Schwerpunkt; BGH NZG 2010, 112) muss übernommen werden; zu beurteilen nach den gesamten für den Rechtsverkehr in Erscheinung tretenden Umständen; dabei spielt auch Wert eine Rolle; BGH aaO. (4) bei Übernahme einer Zweigniederlassung ist Haftung begrenzt auf Altverbindlichkeiten, die im Betriebe der ZwNL begründet wurden.

cc. Erwerber

(1) muss Unternehmen fortführen (nicht: sofort stilllegen); Eingliede-rung in anderes U. des Erwerbers und Umstrukturierung stören nicht.

(2) unter der bisherigen Firma; zwingendes TB-Merkmal, vgl. BGH NJW 2006, 1002 (str., a.A. K. Schmidt, § 8 II 1 c auf Grundlage der „Kontinuitätstheorie“, aber: Wortlaut!)

(a) in ihrem Kern (dabei abzustellen auf Verkehrsanschauung: prägende Kraft, umfasst nicht Rechtsformzusatz gem. § 19); (b) Nachfolgezusatz stört nicht (Wortlaut!); (c) Firma muss (kurzfristig) tatsächlich geführt werden (Eintragung im HR nicht erforderlich)

(3) Alternativ: § 25 III: einseitige Haftungserklärung an die Öffentlichkeit; Merke: § 311 I BGB sieht Begründung eines nichtgesetzlichen Schuldverhältnisses grds. nur durch Vertrag vor; Ausnahmen bestehen nur soweit durch Gesetz geregelt, § 25 III als Beispiel neben §§ 657, 2147 ff. BGB; in der Praxis ohne Bedeutung. dd. Keine Verlautbarung über Haftungsausschluss gem. 25 II; entweder: (1) „Vereinbarung“ (mit wem?) und Publizität (Eintragung im HR/ Bekanntmachung); einseitige Erklärung reicht aus (str.); Grund? (2) Mitteilung ggü. „Drittem“ (Altgläubiger)

c. Rechtsfolgen:

aa. gesetzlicher Schuldbeitritt des Erwerbers (Gesamtschuld); Rspr., str. (a.A.: Vertragsübergang). bb. unbeschränkte Haftung des Erwerbers (auch mit Privatvermögen!) für cc. betr. unternehmensbezogene (bei Zweigniederlassung: niederlassungsbe-zogene) Altverbindlichkeiten des bisherigen U.trägers dd. Enthaftung des bisherigen U.trägers gem. § 26 I:

(1) nur (!) sofern Erwerber gem. § 25 I 1 haftet (also nicht bei § 25 II) und entweder (2) Forderung erst nach fünf Jahren fällig wird (Ausschlussfrist); Fristbeginn: § 26 I 2 (wichtig bei Dauerschuldverhältnissen!) – Eintragung des neuen Inhabers im HR oder: (3) Forderung zwar vorher fällig aber innerhalb der Frist noch nicht rechtskräftig festgestellt ist; beachte § 26 I 3: Hemmung des Fristlaufs in den Fällen der §§ 204, 206 etc. BGB, insbes. bei Klageerhebung; entspricht i.E. einer Sonderverjährungsregel! (4) § 26 I wohl unanwendbar bei Unternehmenspacht; warum? (vgl. K/R/M-Roth, § 26 Rz. 9)

5. Schuldbefreiende Wirkung, § 25 I Satz 2:

a. Normzweck und dogmatische Konstruktion (str):

aa. Normzweck (1) Legalzession als Ausprägung der Unternehmenskontinuität

(K. Schmidt, s. oben), jedenfalls i.E. BGH NJW-RR 1992, 866; dgg. sprechen klarer Wortlaut und Interessenlage (warum sollen

Gläubiger des Erwerbers (in dessen Insolvenz!) profitieren?) (2) reine Schuldnerschutzvorschrift (h.L.) beruhend auf (a) Rechtsscheinerwägungen, aber: Nachfolgezusatz zerstört

Vertrauen, keine Vertrauensdisposition erforderlich (b) Schutz (falscher) Verkehrserwartungen (s.o.) cc. Dogmatische Konstruktion (1) relative Legalzession („dem Schuldner gegenüber“) bzw.

unwiderlegliche Vermutung/Fiktion einer rechtsgeschäftlichen Abtretung (nur) im Verhältnis zum Schuldner, aber: wg. Wirkung

auch zu Lasten des Schuldners mit Schuldnerschutz nicht vereinbar; (2) widerlegliche Vermutung (wohl h.L.)

b. Bezugspunkt: aa. unternehmensbezogene Altforderungen, die abtretbar sind (keinem

Abtretungsverbot unterliegen) und formfrei übertragbar sind; bb. § 25 I Satz 2 ist unanwendbar, wenn die Forderung an Erwerber

rechtsgeschäftlich abgetreten worden ist; hier evtl. § 407 I BGB, wenn Schuldner an den bisherigen U.träger leistet; Kenntnis von

Unternehmensfortführung ist nicht Kenntnis von der Abtretung; § 15 II (Eintragung/Bekanntmachung des neuen Trägers insoweit irrelevant

c. Tatbestandliche Voraussetzungen:

aa. Wie bei § 25 I 1 bb. Zusätzlich: bisheriger Unternehmensträger muss in Firmenfortführung eingewilligt haben (Firma ist übertragen worden oder aber Zustimmung zur Firmenführung) cc. h.L. verneint § 25 I 2 bei positiver Kenntnis von fehlender Abtretung, dgg. sprechen klarer Wortlaut (abweichend von § 407 BGB!) und ratio legis (kein RechtsscheinTB!) dd. Keine Verlautbarung i.S.d. § 25 II, dass § 25 I Satz 2 unanwendbar sein soll (nicht: dass Forderungen nicht abgetreten werden)

d. Rechtsfolgen (nach der hier zu oben a. vertretenen Auffassung):

aa. Verhältnis Schuldner/Erwerber (1) Schuldner kann (nicht: muss) an Erwerber schuldbefreiend leisten; (2) Erwerber ist (nur!) insoweit empfangszuständig und prozess- führungsbefugt (für Vergleich, Stundung etc.); Schuldner hat §§ 404, 406 BGB ggü Erwerber; a.A.: cessio legis (K. Schmidt/wohl auch BGH: eigener Anspruch des Erwerbers!) (3) Erwerber kann sich nicht ggü. Schuldner auf § 25 I Satz 2 berufen (Schuldnerschutzvorschrift!), sondern muss ggf. rechtsgeschäftliche Abtretung beweisen. bb. Verhältnis Schuldner/bisheriger Unternehmensträger (1) Schuldner kann immer schuldbefreiend an den bisherigen U.träger (Forderungsinhaber) leisten; (2) Bisheriger U.träger kann (als Forderungsinhaber) Forderung ggü. Schuldner geltend machen; (3) nach h.L. streitet für Schuldner auch insoweit § 25 I 2: hierin liegt Abweichung zu § 407 BGB (auschließl. schuldbefreiende Wirkung bei Leistung an Erwerber), aber wohl angesichts des abw. Wortlauts nicht anders vertretbar. cc. Verhältnis Erwerber - bisheriger U.träger: (1) keine Wirkungen; (2) aber: bisheriger U.träger hat evtl. Anspruch aus § 816 II BGB; dd. Im Verhältnis zu Gläubigern des Erwerbers und bisherigen U.trägers (wichtig bei Zwangsvollstreckung und Insolvenz) entfaltet § 25 I 2 keine Wirkungen (str. a.A. BGH/K. Schmidt: cessio legis!); Forderung gehört in der Insolvenz des alten U.trägers zu dessen Vermögen (zutreffende Wertung: wenn Forderung nicht an neuen U.träger abgetreten wurde, dann hat alter U.träger auch kein Entgelt erhalten …).

IV. Rechtsfolgen der Vererbung eines kaufmännischen Unternehmens, § 27 1. Allgemeines a. Andere Regelungsprobleme als bei § 25 I!: Ergänzung der erbrechtlichen Haftung (der Erben) durch eine handelsrechtliche Haftung bei Fortführung der Firma:

aa. Ausganglage (unter Hinwegdenken des § 27): Erbrechtliche Haftung: Erbe haftet für Altverbindlichkeiten (zunächst) unbeschränkt (§§ 1922, 1967 BGB) mit dem Privatvermögen, aber: Möglichkeit der Beschränkung auf den Nachlass (Nachlassinsolvenzverfahren; Nachlassverwaltung; Dürftigkeitseinrede gem. § 1990 I BGB). bb. § 27 HGB statuiert zusätzliche handelsrechtliche Haftung:

(1) § 27 I stellt Erben dem Erwerber unter Lebenden (§ 25 I 1) gleich (2) § 27 II 1 gibt dem Erben Bedenkzeit, um der Anwendung des § 27 I zu entgehen (warum?); bei rechtzeitiger Einstellung des Geschäftsbetriebs nur erbrechtliche Haftung (i.S.v. a.). (3) Altgläubiger können auch auf Privatvermögen des Erben zugreifen! Haftung ist (anders als erbrechtliche Haftung) nicht beschränkbar auf den Nachlass.

b. § 27 betrifft nur die Haftung für Altverbindlichkeiten. Keine Verweisung auf § 25 I 2 (Forderungen gehen nach § 1922 BGB über!). c. ratio legis wie § 25 I: Schutz (falscher) Verkehrserwartungen (s. oben III.4.a) 2. Tatbestandliche Voraussetzungen:

a. Erblasser muss „Handelsgeschäft“ betrieben haben (keine analoge Anwendung auf nichtkaufmännische Betriebe). b. Übergang kraft Erbrechts (Berufungsgrund irrelevant); keine Ausschlagung erfolgt c. Fortführung des Handelsgeschäfts durch Erben (nicht bei Insolvenzverwalter) über drei Monate nach Kenntnis vom Erbfall (s. § 27 II Satz 1). d. Fortführung der Firma über denselben Zeitraum (wie bei § 25 I; str., ob Rechtsgrund- oder bloße Rechtsfolgenverweisung), auch mit Nachfolgezusatz (§ 25 I Satz 1); Oder: § 25 III (hier ohne Bedenkzeit). e. Keine Verlautbarung über Haftungsausschluss gem. § 25 II (über § 27 I: „entsprechende“ Anwendung!); für 1. Alt. (Vereinbarung“) genügt einseitige Erklärung (s. oben III.4.c)

3. Rechtsfolgen: Erbe haftet unbeschränkt (auch mit seinem Privatvermögen) und unbe-schränkbar für Altverbindlichkeiten V. Gründung einer Personenhandelsgesellschaft unter Einbringung eines (einzel)kaufmännischen Unternehmens, § 28 1. Allgemeines:

a. Wortlaut des § 28 I völlig missraten. b. Abgrenzung zu § 25 I: § 28 I betrifft Unternehmenseinbringung als Einlage in eine zu gründende Personenhandelsgesellschaft (OHG; KG; nicht: Kapitalgesellschaft); § 25 I betrifft Übernahme und Fortführung durch existierende Gesellschaft (OHG, GmbH etc.).

c. Haftung der Gesellschaft auch ohne Firmenfortführung (trotz Stellung des § 28 im Firmenrecht).

2. Normzweck: Verkehrsschutz; dogmatische Einordnung str. wie bei § 25 I 1 und 2. 3. Haftung der Gesellschaft, § 28 I Satz 1 HGB, für Altverbindlichkeiten: a. Voraussetzungen:

(1) bei Gründung einer OHG/KG (auch bei mangelhaftem Ges.vertrag) (2) unter Einbringung des „Handelsgeschäfts“ (kaufm. Unternehmen, s.o.); nach (eindeutigem) Wortlaut unanwendbar auf Einbringung eines kleingewerbl. Unternehmen („Kaufmann“; „Firma“); str.

(i) Analoge Anwendung auf Gründung einer GbR nicht möglich (dazu BGH BB 2004, 794), weil § 28 II (Eintragung im HR) nicht eingreifen kann; str. (ii) Analogie wohl möglich, wenn OHG/KG entsteht; str.

(3) „Einzelkaufmann“ kann auch jurist. Person oder PersonenhandelsG sein, die Gesellschafter der neu zu gründenden PersonenhandelsG wird (h.L.), überzeugend im Hinblick auf jurist. Personen, die selbst kein vollkaufmännisches Handelsgewerbe betreiben? (4) Einbringung des Unternehmens muss nicht rechtswirksam sein; nur tatsächliche Übernahme erforderlich. (5) Unternehmen muss (wie bei § 25 I 1) im Kern fortgeführt (nicht: stillgelegt) werden. (6) die andere Person muss nicht Kaufmann sein (7) Einbringung eines Unternehmens in eine Kapitalgesellschaft (GmbH) auch bei Gründung erst aus diesem Anlass vom Wortlaut nicht gedeckt (Eintritt als „persönlich haftender Gesellschafter“) (8) § 28 II (wie § 25 II): Keine Verlautbarung über Haftungsausschluss.

b. Rechtsfolgen:

aa. Gesetzlicher Schuldbeitritt der Gesellschaft (Gesamtschuld) bb. Gesellschafter der gegründeten OHG/KG haften über §§ 128, 171 HGB; BGH BB 2004, 795; str. (a.A. Canaris, § 7 Rz. 92 „unverdientes Geschenk an Altgläubiger“) cc. Bisheriger Träger haftet als Gesellschafter und als Altschuldner; für Haftung als Altschuldner greift Enthaftung gem. § 26 I nur ein, wenn er Kommanditist wird (§ 28 III); Haftung als Gesellschafter bleibt unberührt.

4. Befreiende Wirkung der Leistung des Schuldners an die Gesellschaft, § 28 I Satz 2:

a. § 28 I Satz 2 entspricht § 25 I Satz 2; widerlegbare Vermutung b. Tatbestandliche Voraussetzungen wie bei § 28 I Satz 1; Firmenfortführung auch hier nicht Voraussetzung; i.ü. wie § 25 I Satz 2. c. Rechtsfolge: wie § 25 I Satz 2; § 28 II anw.

VI. Übungsfälle zu § 5

Ü14: B betreibt bereits seit Jahrzehnten in Bonn unter der gut etablierten Firma Tanzinstitut B. e.K. eine Tanzschule. Er beschäftigt 8 Angestellte und erzielt einen jährlichen Umsatz von 2, 5 €. Da er keine eigenen Kinder hat, verkauft er die Tanzschule im fortgeschrittenen Alter an eine GmbH (G), welche fortan mit der Genehmigung des B unter der Firma Tanzinstitut B. GmbH firmiert. 3 Monate später fordert ein Innendekorateur (I), welcher vor 1 Jahr im Auftrag des B Malerarbeiten in den Räumlichkeiten der Tanzschule durchgeführt hat, Bezahlung in Höhe von 5.000 € von G. Zu Recht? Ändert sich etwas an der Beantwortung der Fallfrage, wenn B und G eine Übernahme der Schulden des B durch G vertraglich ausgeschlossen hatten? Ü 15: Wie Ü 14, mit dem Unterschied, dass ein Kunde (K) des B die „Gebühr“ für seinen vor einem halben Jahr absolvierten Tanzkurs auf das Konto der G überweist, obwohl der Übergang ausstehender Kundenforderungen in dem Vertrag zwischen B und G vertraglich nicht vereinbart war. Kann B von K Zahlung verlangen? Welche Ansprüche bestehen zwischen B und G? Ü 16: S betreibt in Köln unter der Firma SofTech e.K. ein im Handelsregister eingetragenes Unternehmen, dass sich auf Entwicklung und Verkauf von maßgeschneiderter Software spezialisiert hat. Angesichts des stark steigenden Geschäftsvolumens möchte S die fachliche und finanzielle Verantwortung mit einem Partner teilen und gründet im Juni 2013 gemeinsam mit P eine Gesellschaft, in welche er sein Unternehmen einbringt. Die neue Gesellschaft wird unter der Firma S & K Software OHG im Handelsregister eingetragen. Kurz darauf meldet sich ein Lieferant (L) des S und verlangt Bezahlung in Höhe von 20.000 €. für einen vor drei Monaten an das Unternehmen des S gelieferten Computer. Von wem kann L Zahlung verlangen?

§ 6. Die Vertretung des Kaufmanns Lit.: Canaris §§ 12-14; Kindler § 6; Lettl § 6; Oetker § 5

I. Ausgangspunkt 1.Kaufmann kann sich wie jede Person im Rechtsverkehr gem. § 164 BGB vertreten lassen 2. erforderlich sind auch hier

a. eigene WE des Vertreters b. Handeln im fremden Namen (Offenkundigkeit);

c. Vertretungsmacht 3.Hinsichtl. a und b ergeben sich für die Vertretung des Kaufmanns kaum Besonderheiten; beachte für b lediglich die Grundsätze des unternehmensbezogenen Handelns (§ 164 I 2 BGB) 4. hinsichtlich c enthalten §§ 48-56 Spezialregelungen zur rechtsgeschäftl. Vertretungsmacht (Vollmacht, § 167 BGB), ratio legis: Schutz des Rechtsverkehrs, im Einzelnen::

a. Prokura, § 48; umfassende Vollmacht mit typisiertem Inhalt (zwingend) b. Handlungsvollmacht, § 54: Vollmacht (BGB) mit typisiertem Inhalt (Vermutung/ R’schein) c. Ladenvollmacht, § 56: (R’schein)Vollmacht (BGB) mit typisiertem Inhalt (Vermutung/R’schein)

II. Prokura 1. Allgemeines

a. Prokura als Sonderform der Vollmacht i.S.v. § 167 BGB b. Inhalt ist weitgehend zwingend: Schutz des Geschäftsverkehrs c. Kaufmann kann sich durch Weisungen nur unzureichend absichern

2. Erteilung der Prokura a. nur durch einen Kaufmann, § 48 I; Erteilung durch Nichtkaufmann rechtfertigt uU Behandlung als Scheinkaufmann (s. oben § 3 V.5.a; i.ü. Umdeutung in „gewöhnliche“ Vollmacht möglich. b. persönlich oder durch gesetzlichen Vertreter (EinzelKfm) bzw. bei Gesellschaften durch vertretungsberechtigtes Organ; nicht: gewillkürter Vertreter (Prokurist). c. nur ausdrücklich (nicht: stillschweigend; zur Duldungsprokura s.u.); auch mündlich; Bez. als Prokura nicht vonnöten; ausreichend: „Ermächtigung zur Zeichnung ppa“. d. Empfangsbedürftige WE; Empfänger kann auch Dritter sein; wohl auch die Allgemeinheit (bei Antrag zur Eintragung in das HR) e. Bevollmächtigter: nur natürliche Personen; h.L. (warum?); auch beschränkt Geschäftsfähige (§ 165 BGB), nicht: Geschäftsunfähige. f. Eintragungspflicht, § 53 I; Eintragung nur deklaratorisch

3. Erlöschen a. Allgemeine Regelung fehlt; Möglichkeit folgt aus § 53 II

b. bei Entfallen der Kaufmannseigenschaft auf Seiten des Vollmachtgebers (dann aber § 140 BGB: einfache (General-)Vollmacht; aber § 5 und § 15 I beachten). c. Widerruf, § 52 I d. § 168 Satz 1 BGB: Beendigung des Grundverhältnisses (Arbeitsvertrag) e. Tod des Prokuristen; warum? f. nicht: Tod des Kaufmanns, § 52 III g. Entfall der Personenverschiedenheit (Kaufmann/Prokurist) h. Einseitige Niederlegung (Verzicht) durch den Prokuristen (nicht geregelt) i. Erlöschen ist eintragungspflichtig, § 53 II; Eintragung des Widerrufs nur deklaratorisch; § 15 I beachten!

Fall: K, der einen Getränkegroßhandel mit einem Jahresumsatz von € 5 Mio und einer Vielzahl von Angestellten betreibt, erteilt dem Angestellten A im Juli 2011 Prokura. Eine Eintragung im Handelsregister unterbleibt. Im Oktober 2011 wird die Prokura widerrufen; eine Eintragung unterbleibt erneut. A soll nur mehr im Büro tätig sein. A nimmt im März 2012 im Namen des K bei der Bank B ein Darlehen in Höhe von € 10.000.- auf, lässt sich die Summe auszahlen und verschwindet. Ansprüche der B-Bank gegen K? 4. Unübertragbarkeit: § 52 II; auch nicht mit Zustimmung des Kaufmanns 5. Umfang der Prokura:

a. § 49: Umfassende Vertretungsmacht, die Betrieb irgendeines (!) Handelsgewerbes mit sich bringt

aa. davon nicht erfasst sind: (1) Geschäfte mit Bezug zur Privatsphäre des Inhabers (arg.: Betrieb eines „Handelsgewerbes“); nur relevant bei Einzelkaufleuten; Abgrenzung erfolgt über § 343; (2) sog. Grundlagengeschäfte (da nicht „Betrieb“): Firmenänderung; Verpachtung, Verkauf des Handelsgeschäfts etc.;

(3) Erteilung einer Prokura, § 48 I (nur Inhaber);

(4) Veräußerung, Belastung (nicht: Erwerb!) eines Grundstücks, § 49 II Ausnahme: ausdrückl. Ermächtigung („Immobiliarklausel“); eintragunspfl. gem. § 53 I.

bb. weitergehende (rechtsgeschäftl.) Beschränkungen der Prokura, § 50 I, II? (1) grunds. nicht möglich (§ 50 I: „Unwirksamkeit ggü. Dritten“), d.h.

(a)Prokurist kann Kaufm. vollumf. im Außenverhältnis vertreten (b) Scheitern der Beschränkung lässt Wirksamkeit der Prokura i.ü. unberührt (h.L. entgegen § 139 BGB; arg. Verkehrsschutz) (c) Innenverhältnis bleibt von § 50 I, II unberührt (d) Ggf. Anwendung der Grundsätze über Missbrauch der Vertretungsmacht (s. unten 9)

(3)Ausnahme: Beschränkung auf Betrieb einer von mehreren Niederlassungen (Filialprokura, § 50 III)

(a) als Beschränkung der Prokura (Außenverhältnis) ausdrückl. gem. § 48 I zu erklären; (b)kann sich auch auf Hauptniederlassung allein oder auf mehrere (Zweig-)Niederlassungen beziehen (c) unterschiedliche Firma erforderlich (Zusatz bezügl. ZwNl reicht aus) (d) Eintragung nur in das Register der Niederlassung, § 13c (ee) § 48 (nicht: § 50 III) einschlägig, wenn Kaufmann mehrere organisatorisch getrennte Betriebe/Unternehmen führt.

6. Handeln im Außenverhältnis: § 51 Ordnungsvorschrift 7. Gesamtprokura, § 48 II (Gegensatz: Einzelprokura) a. Sonderform der Gesamtvertretungsmacht (vgl. § 125)

b. unterscheide: aa. „Echte“ Gesamtprokura zwischen zwei Prokuristen; in § 48 II ausdrückl. vorgesehen; allseitig oder halbseitig (Alleinvertretungsberechtigung eines Gesamtprokuristen) bb. „Unechte“ oder “gemischte“ Gesamtprokura zwischen einem Prokuristen und einer Person, deren Vertretungsmacht auf anderer Rechtsgrundlage beruht

(1) gemeinsam mit organschaftlichem Vertreter; Bindung des oV ist gesetzl. geregelt (§§ 125 III HGB, 78 III AktG, 25 II GenG); ); Bindung auch des Prokuristen ist nach h.M. ebenfalls zulässig (§ 48 II analog, Rechtsgedanke der §§ 125 III etc.); Umfang entspricht organschaftl. Vertretungsmacht; beachte Prinzip der Selbstorganschaft bei Personen-handelsGes (OHG/KG) (2) nicht zulässig: Bindung an Zustimmung des Geschäftsinhabers (Einzelkaufmann/einziges vertretungsberechtigtes Organ(mitglied) bzw. aller vertretungsberechtigte Organmiglieder einer Gesellschaft); arg. Umgehung des § 50 II durch faktische Bindung an Innenverhältnis (Ausübung unter „gewissen Umständen“); (3) ebenfalls unzulässig: „Gesamtprokura“ mit H.bevollmächtigtem oder sonstigem Vertreter (arg. § 48 I: ausdrückliche Erteilung).

c. Eintragungspflichtig, § 53 I Satz 2 d. Rechtsfolgen:

aa. Aktivvertretung: Prokuristen müssen gemeinschaftlich, nicht notwendig gleichzeitig handeln; Zustimmung/Ermächtigung zu einzelnen Rechts-

geschäften möglich (analog §§ 125 II 2 HGB, 78 IV AktG, 25 III GenG); im Rahmen des § 166 I BGB wirken Willensmängel, Kenntnis etc. für und gegen alle; handelt Gesamtprokurist als Einzelprokurist, ist Kaufmann idR durch § 15 II geschützt; Folge: § 177 I BGB: Genehmigung durch Kaufmann oder durch anderen Gesamtprokuristen macht Geschäft wirksam; ansonsten § 179 BGB. bb. Passivvertretung: Entgegennahme einer WE durch einen Prokuristen reicht aus: § 28 II BGB, §§ 125 II Satz 3, III Satz 2 HGB analog.

8. Prokura kraft Rechtsscheins

a. Zu unterscheiden von einer von einem Scheinkaufmann (s. oben § 2 V) erteilten Prokura; Folge: Scheinkaufmann muss sich (bei Vorliegen der übrigen Voraus-setzungen, v.a. in der Person des Dritten) an Prokura festhalten lassen.

b. Fälle:

aa. §§ 171, 172 BGB (Mitteilung; Urkunde über Prokuraerteilung): von einem Kaufmann erteilt bb. Fortwirkung einer erloschenen Prokura gem. § 15 I cc. Unwirksame Erteilung einer Prokura (§§ 142, 119 BGB):

(1) Bei Eintragung in das HR: allgemeine Rechtsscheingrundsätze (oder § 15 III analog, s. oben § 3 V.5.a); (2) Bei Bekanntmachung: § 15 III

dd. “Duldungsprokura“: (1) Deutung des Duldens als konkludente WE (§§ 157 BGB) sperrt § 48 I („ausdrücklich“). (2) aber: Dulden kann bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen (v.a.in der Person des Dritten) Rechtsscheinvollmacht (im Umfang einer Prokura) begründen (str.)

ee. “Anscheinsprokura“ möglich; h.L. 9. Missbrauch der Prokura

a. Unterfall des Missbrauchs der Vertretungsmacht (vgl. Vorlesung BGB AT) b. Problem des Auseinanderfallens des rechtlichen Könnens (§§ 49, 50) und des rechtlichen Dürfens (Innenverhältnis; Weisungen); Prokura ist (wg. feststehenden Inhalts) wichtiger Anwendungsfall! c. Kollusion: Einvernehmliches (vorsätzliches) Zusammenwirken zw. Vertreter (Prokurist) und Drittem zum Nachteil des Vertretenen (Geschäftsinhaber) und zu eigenem Vorteil; Rechtsfolge: Nichtigkeit des Vertrags gem. § 138 I BGB d. Missbrauch der Prokura (in engerem Sinne):

aa. Vertreter handelt (1) entgegen konkreter interner Richtlinien, Weisungen etc. (Nachteiligkeit des Geschäfts hier nicht nötig; vgl. BGH NJW 2006, 2776) oder (2) allg. pflichtwidrig zum Nachteil des Kaufmanns (z.B. risikoreiches Geschäft)

bb. in Kenntnis der Pflichtwidrigkeit iSv aa (BGHZ 50, 112, 114; str., weil über Anforderungen des BGH bei BGB-Vollmacht hinausgehend; arg. pro BGH: Verkehrsschutz bei Prokura im Hinblick auf zwingenden Inhalt (§ 50) stärker ausgeprägt; allgemein für notwendige Kenntnis Canaris, § 12 Rz.

37:Verwirklichung des spezifischen „Vertreterrisikos“ nur bei bewusst nachteiligem Handeln cc. Dritter kennt dies oder hätte dies erkennen müssen (obj. evident; grobe Fahrlässigkeit). dd. Rechtsfolge: §§ 177 BGB analog (anders Rspr.: § 242 gg Dritten, der sich auf Vollmacht beruft), wo liegen die Unterschiede?

II. Handlungsvollmacht 1. Allgemeines

a. Begriff: H’vollmacht ist (1) jede von einem Kaufmann (2) mit Bezug zu seinem Handelsgewerbe erteilte Vollmacht iSv § 167 BGB, (3) die nicht Prokura ist (§ 54 I), (4) wenn eine der in § 54 I angesprochenen drei Typen (unter 3.b.) vorliegt

b. § 54 nur anw., wenn eine § 54 I entspr. Vollmacht erteilt wird; anders bei Generalvollmacht oder Vollmacht für einzelne Handlung; dafür nur § 167 BGB.

c. Dogmatische Einordnung str.:

aa. zT:dispositive Regelung des Umfangs der Vertretungsmacht (MüKoHGB-Krebs, § 54 Rz. 4 f, wohl auch Brox/Henssler, Rz. 213); bb. überzeugender (h.L.): widerlegliche Vermutung hinsichtlich des Umfangs der Vertretungsmacht kombiniert mit R’scheinregelung bei widerlegter Abweichung (Canaris, § 13 Rz. 14; K/R/M-Roth, § 54 Rz. 2;

d. H’vollmacht kann nicht in das HR eingetragen werden.

2. Erteilung

a. richtet sich nach §§ 167 ff. BGB;

b. Bezeichnung als „H’vollmacht“ nicht erforderlich; c. auch konludent (anders Prokura, § 48 I!);

d. formlos

e. Person des Bevollmächtigten: allgem. Regeln des BGB; auch jur. Personen (anders bei Prokura!), weil kein Vertrauensverhältnis vorausgesetzt f. Gesamthandlungsvollmacht (2 Vertreter können nur gemeinsam agieren) möglich; g. Erteilung ggü dem Bevollmächtigten oder ggü Dritten, § 167 BGB;

3. Erlöschen: allgem. Regeln (§ 168 BGB) anw., da § 54 nur den Umfang betrifft

4. Umfang

a. wird vom Gesetz nicht zwingend festgelegt (anders: Prokura, § 50 III!); d.h.; „Beschränkungen“ i.S.d. § 54 III betreffen ggf. nicht (nur) das Innenverhältnis (Grundverhältnis, zB Arbeitsvertrag), sondern auch die Vollmacht als solche (Außenverhältnis)!; Auslegung entscheidet (§ 133, 157 BGB) b. § 54 enthält Regelungen zum Schutz des Rechtsverkehrs; c. Kern der Regelung zur H’vollmacht; in der Klausur nur zu problematisieren, wenn

aa. Vollmacht von einem Kaufmann erteilt wurde, bb. Bezug zu einem Handelsgewerbe gegeben ist,

cc. der Bevollmächtigte organisatorisch in das Unternehmen eingebunden ist (Handeln „von innen heraus“; e contrario § 55),

dd. keine Prokura (§ 54 I), keine Generalvollmacht und keine Vollmacht für nur ein einzelnes Geschäft erteilt wurde und

ee. die Vollmacht einem der drei folgenden Typen zuzuordnen ist: (1) Generalhandlungsvollmacht: alle zum Betrieb des Handelsgewerbes gehörenden branchenüblichen Geschäfte; (von § 54 I nicht erfasste) Generalvollmacht geht darüber hinaus! (2) Arthandlungs- (Gattungs)vollmacht: Vornahme einer bestimmten Art von Geschäften (Größen-, rechtliche Kriterien etc.); konkludent durch Zuweisung bestimmter Funktionen im Organisationsbereich. (3) Spezialhandlungsvollmacht: Vornahme aller Rechtsgeschäfte, die ein „bestimmtes Geschäft“ (Projekt) gewöhnlich mit sich bringt (bei Verkauf: auch Entgegennahme von Geld; auch §§ 929 ff. BGB).

e. § 54 I enthält (widerlegliche) Vermutung

aa. Wortlaut: Vollmacht erstreckt sich auf „alle Geschäfte und Rechts-handlungen, die der Betrieb eines derartigen Handelsgewerbes oder die Vornahme eines derartgigen Geschäfts gewöhnlich mit sich bringt, d.h.

(1) Bezugspunkt ist bestimmter Typ der H’vollmacht (s. oben ee) (2) bei Generalhandlungsvollmacht beachte die Unterschiede zur Prokura (eines derartigen Handelsgewerbes/eines Handelsgewerbes) (3) Ob bestimmte Rechtshandlung „im Rahmen des Gewöhnlichen“ liegt, ist unter Berücksichtigung von Art und Größe des Unternehmens bzw. Eigenart des betr. Geschäfts zu beurteilen;

bb. Ausnahme: Katalog des § 54 I (weiter als § 49 II für Prokura): Veräußerung oder Belastung von Grundstücken, Eingehung von Wechselverbindlichkeiten, Aufnahme von Darlehen und Prozessführung: nur von Vollmacht erfasst bei tatsächlicher Ermächtigung! cc. Beachte: Vermutung des § 54 I erstreckt sich nicht auf

(1) Bestehen einer Vollmacht ( §§ 133, 157 BGB; ggf. §§ 170 ff BGB bzw. Duldungs-, Anscheinsvollmacht mit Inhalt des § 54 I HGB); (2) Erteilung einer bestimmten Art der H'vollmacht (§§ 133, 157 BGB; R’schein, s.o.) (3) „Gewöhnlichkeit“ des Geschäfts

dd. Vermutung kann durch Geschäftsinhaber (im Sinne engeren Umfangs!) widerlegt werden; in diesem Falle sogleich f.

f. § 54 III: Schutz gutgläubiger Dritter

aa. Dritter braucht „sonstige Beschränkungen“ (außerhalb des Katalogs des § 54 II) nicht gegen sich gelten lassen, d.h. im Umfang der Vermutung des § 54 I besteht Rechtsscheinvollmacht bb. betr. nicht: Bestehen und Typus der H‘vollmacht sowie „Gewöhnlichkeit“ des Geschäfts cc. einfache Fahrlässigkeit des Dritten schadet dd. Dritter hat Wahlrecht

e. Abschlussvertreter, § 55 I erweitert Anwendungsbereich des § 54 auf Personen im Außendienst (Handlungsgehilfen; Handelsvertreter; vgl. § 91 I) mit Abschlussvollmacht (nicht: Vermittlungsvertreter).

aa. § 55 I betrifft nur den Umfang der H'vollmacht (wie oben) bb. § 55 II, III beschränken den Umfang cc. § 55 IV erweitert ihn. dd. § 55 wird ergänzt durch §§ 75g, 75h, 91, 91a, 92.

f. Analoge Anwendung auf Vollmacht eines Kleingewerbetreibenden? aa. § 91 verweist auf §§ 45, 55! bb. i.ü. wird Normzeck (Verkehrsschutz) gefördert

III. Ladenvollmacht, § 56 HGB 1. Allgemeine a. Zweck: Schutz des Rechtsverkehrs, der entsprechende Bevollmächtigung erwartet 2. Dogmatische Deutung (str.): a. dispositive gesetzliche Vertretungsmacht (MüKoHGB-Krebs, § 56 Rz. 5); b. konkludent erteilte rechtsgeschäftliche Vollmacht (Flume, BGB AT, 4. Aufl. 1992, § 49, Rz. 3); c. unwiderlegliche Vermutung für Vollmacht entspr. Inhalts (BGH NJW 1975, 2191); d. widerlegliche Vermutung für Vollmacht entspr. Inhalts; e. Rechtsscheinvollmacht; f. vorzugswürdig (wie bei § 54): Kombination von d (widerlegliche Vermutung, weil die „Anstellung“ idR für eine Bevollmächtigung spricht) und e (Rechtsscheinhaftung, soweit Kaufmann Vermutung für Vollmacht widerlegt; § 54 III analog), h.L., Canris, § 14 Rz. 5, 6; Kindler, § 6 Rz. 57; K/R/M-Roth, § 56 Rz. 2. 3. Tatbestand:

a. Ungeschriebenes TBmerkmal: Betrieb eines Kaufmanns, arg. systematischer Kontext zu §§ 48-55; historischer Bezug: Nach altem Recht lag bei Warenverkauf immer Kaufmannseigenschaft vor! b. “angestellt“: tatsächliche Funktionszuweisung durch den Inhaber (Innenverhältnis bzw. dessen Wirksamkeit irrelevant)

c. Laden; offenes Warenlager (für Publikum zugänglich); nicht: Büro (Telefon) d. Tätigkeit im Geschäftslokal

4. Rechtsfolge a. widerlegliche Vermutung bezügl. aa. Bestehen einer Vollmacht (anders § 54!), insoweit geringe Bedeutung, da in der Konstellation des § 56 regelmäßig (Innen-)Vollmacht vorliegen wird; bb. Umfang:

(1) Nur Verkäufe (nicht: Ankäufe! BGH NJW 1988, 2109) und Empfangnahmen (v.a. Inkasso mit der Wirkung des § 362 BGB,

OLG Düsseldorf, NJW-RR 2009, 1043, 1044); (2) im Laden/Lager (wohl nicht: telefonische Abschlüsse); (3) nur gewöhnliche Verkäufe (nicht: Einräumung ungewöhnlicher Konditionen).

b. R’schein zugunsten des gutgl. Dritten bei Widerlegung der Vermutung durch Inhaber: (h.M.:§ 54 III analog, vgl. OLG Düsseldorf, NJW-RR 2009, 1043, 1044; Baumbach/Hopt-Hopt, § 56 Rz. 5; überzeugender: Herleitung aus § 56 selbst!); einfache Fahrlässigkeit des Dritten schadet; Aushänge und Schilder muss Publikum zur Kenntnis nehmen, nicht aber (versteckten) Hinweis i.R. einer Auftragsbestätigung (OLG Düsseldorf, a.a.O.). 5. Analoge Anwendung auf kleingewerbliche Betriebe?

a. Problem geschaffen durch ReformG von 1998; bis dahin war Inhaber u.U. Kaufmann gem. § 1 II Nr. 1 a.F. b. Reg.-Begr.: analoge Anwendung denkbar IV. Übungsfälle zu § 6

Ü17: P ist Prokurist der S-AG (S), die sich auf die Herstellung von Rohrleitungssystemen spezialisiert hat. Eine Eintragung der Prokura des P im Handelsregister ist nicht erfolgt. Sowohl aus dem Anstellungsvertrag des P als auch aus dem Schreiben, mit welchem P Prokura eingeräumt wurde, ergibt sich, dass P ohne Rücksprache mit dem Vorstand keine Grundstücke erwerben darf, sofern der Kaufpreis 500.000 € pro Jahr übertrifft. P geht davon aus, dass sich diese Einschränkung nur auf den tatsächlich gezahlten Kaufpreis in einem Jahr bezieht. Um S ein gutes Geschäft zu sichern, erwirbt P von der X-GmbH (X) ein neues Betriebsgrundstück zum Kaufpreis von 1 Mio €. Es wird vereinbart, dass die eine Hälfte sofort, die andere Hälfte erst in einem Jahr bezahlt werden soll. Zur Sicherheit räumt P der X an dem Grundstück eine Restkaufgrundschuld in Höhe von 500.000 € ein, welche im Grundbuch eingetragen wird. Kurz darauf fordert X Zahlung der ersten Rate von S. Der Vorstand der S weigert sich zu zahlen. Zu Recht? Ü 18: Die „Pierre Weindepot“ GmbH (P) betreibt in Deutschland ein dichtes Netz von Weinläden. In der Filiale Bonn ist H als Filialleiter angestellt. Seine Bevollmächtigung zum Ankauf von Waren umfasst nur den Kauf von jährlich maximal 200 Flaschen pro Artikel im Sortiment der P. H kauft von Winzer W 250 Flaschen der Sorte 2012er Loreley Spätlese lieblich zum Gesamtpreis von 1.500 €. Als W Bezahlung verlangt, weigert sich der Geschäftsführer der P zu zahlen. Zu Recht? Ändert sich etwas an der Beantwortung der Fallfrage, wenn W aus seiner laufenden Geschäftsbeziehung mit P von ähnlichen Beschränkungen im Hinblick auf andere Filialen weiß? Ü19: A betreibt in Siegburg ein Sportartikel-Fachgeschäft. Die Eintragung im Handelsregister ist erfolgt. In den Sommerferien hilft seine 17-jährige Nichte N in dem Laden aus. Ihre Aufgabe besteht in der Beratung der Kunden. Die entsprechenden Verträge soll sie aber nicht abschließen. Als Kunde K den Laden betritt, überredet ihn N zum Kauf eines Ski-Anzugs, welchen die modebewusste N angesichts seines antiquierten Aussehens für

einen „Ladenhüter“ hält. N gewährt K aus diesem Grunde einen Preisnachlass in Höhe von 50 % auf den ausgezeichneten Preis von 150 €. und kassiert auch gleich selbst ab. Als A wenig später dazukommt, ist er bestürzt, da es sich bei dem Skianzug in Wahrheit um das neueste Modell (Retro-Style) handelt. A fordert von dem noch anwesenden K Rückgabe des Skianzugs gegen Rückzahlung des ermäßigten Kaufpreises. K, der die N aufgrund ihres erwachsenen Erscheinungsbildes für eine „normale“ Verkäuferin hielt, weigert sich. Zu Recht?

§ 7. Die Hilfspersonen des Kaufmanns I. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge 1. §§ 59 ff. enthalten arbeitsrechtl. Regelungen 2. Interessante Regelungen:

a. § 60, §§ 74, 74a etc.: Wettbewerbsverbote und ihre Schranken b. § 75h als Erweiterung der §§ 54, 56

II. Selbständige Hilfspersonen 1. Handelsvertreter (HV), §§ 84 ff. a. Definition: § 84 I 1 b Bedeutung: Regelung des HV-Vertrags c. Teilweise: Umsetzung der HV-Richtlinie der EU von 1985 d. In der Praxis von größter Bedeutung: Ausgleichsanspruch gem. § 89b e. Anwendungsbereich: aa. HV als selbständiger Gewerbetreibender; § 84 I 1, 2, II

bb. Vertragspartner des HV muss Unternehmer (§ 14 BGB; nicht notwendig: Kaufmann) sein cc. HV muss nicht Kaufmann, er muss Gewerbetreibender sein, § 84 I, IV

2. Handelsmakler, §§ 93 ff. a. Regelung des Handelsmaklervertrags b. Handelsmakler muss nicht Kaufmann, er muss Gewerbetreibender sein, § 93 I, III c. Sachlicher Anwendungsbereich: § 93 I, II 3. Kommissionäre, §§ 383 ff. a. Regelung des Kommissionsvertrags (Kommissionär-Kommitent)

b. Kommissionär muss gewerbsmäßig tätig, nicht notw. Kaufmann sein: § 383 I, II. c. Für das Kommissionsgeschäft (Einkaufs-, Verkaufskommission) gilt § 383 II 2 iVm §§ 343 ff. (mit Ausnahme der §§ 348-350)


Recommended