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dpa, ZDF (2) Demokratie der Deppen V - Otto Brenner Stiftung · 2018. 2. 5. · Sie knnen solche...

Date post: 23-Jan-2021
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V on Markus Söder lernen heißt siegen lernen. Das gilt zumin- dest für Politiker im Umgang mit Reportern der „heute- show“. Sie können solche Be- gegnungen in der Regel gar nicht unbe- schadet überstehen. Dazu finden sich un- gezählte Beispiele in der Mediathek des Zweiten Deutschen Fernsehens. Bayerns Finanzminister Söder hat unlängst jedoch vorgeführt, wie man dem Risiko entgeht, sich vorführen zu lassen. Wer an Horst See- hofers Thron sägt, dem darf auch nicht ban- ge sein vor einem Witzbold mit Sturmfri- sur, der bei der „heute-show“ nicht Donald Trump, sondern Lutz van der Horst heißt. Bevor der Reporterclown auch nur die ers- te dumme Frage stellen kann, eine Frage der Art, die an den Interviewten kleben bleibt, als seien sie in einen Hundehaufen getreten, greift Söder nach dem Mikrofon, entreißt es dem Komödianten und nimmt es mit. So entwaffnet man die Spaßguerilla. Mangelt es Söder an Humor? Oder nur an dem Mindestmaß an Masochismus, der unfreiwilligen Gästen aus der Welt der Politik von der „heute-show“ abverlangt wird? Diese Sendung ist für viele inzwi- schen der einzige Kanal, auf dem sie Leute wie Söder überhaupt noch wahrnehmen. Freitags hat die „heute-show“ regelmäßig mehr Zuschauer als das „heute-journal“, das Politik weitgehend humorlos, wenn auch nicht durchweg sachlich präsentiert. Beim satirischen Pendant zur wichtigsten Nachrichtensendung des ZDF hin- gegen geht es durchweg unsachlich zu. Da werden Menschen der Gat- tung Homo politicus wahlweise als „geile Sau“ tituliert oder als „wirbel- lose Kriechtiere“, die an „endemi- scher Altersräude“ leiden – wie jüngst in einer Parodie über die Grü- nen. Volksvertreter erscheinen freitag- abends nach 22.30 Uhr unausweichlich als Deppen der TV-Nation. Das hat System in der halben Stunde, die der Moderator Oli- ver Welke und seine komödiantischen Hel- fershelfer zu bespaßen haben. Es ist oft lus- tig, gelegentlich zum Brüllen, schürt aber konsequent die Politikverachtung. „Alle Politiker sind doof, reden Unsinn und machen den Leuten ein X für ein U vor.“ So fasst Hugo Müller-Vogg, Kolum- nist für das Boulevardblatt „Bild“, die „heu- te-show“ zusammen. „Viele Witze kommen nicht über Klotüren-Niveau hinaus, sie ge- fallen Menschen, die Humor nicht von Hohn unterscheiden können“, befindet die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“. Nach ihrem Urteil betreiben Welke & Co eine „Infantilisierung der politischen Debatte“. „Der konservativen Medienkritik waren und sind Satiresendungen schon immer ein Dorn im Auge“, sagt Jupp Legrand, Ge- schäftsführer der gewerkschaftsnahen Ot- to-Brenner-Stiftung. Kritik kommt aber nicht nur von rechts. In der „heute-show“ erscheine „die parlamentarische Demokra- tie als quälendes Kasperletheater, als lä- cherliches Ringelpiez unfähiger Marionet- ten“, bemängelt der Autor Reinhard Mohr, der für das linksalternative Stadtmagazin „Pflasterstrand“ und die ebenso verortete „taz“ geschrieben hat. Für ihn vermittelt Oliver Welke „das Bild einer peinlichen Pappnasen-Republik“. Der politisch ähn- lich positionierte Publizist Albrecht von Lucke hält Welkes Show für eine „glänzend gemachte Ulksendung“, wertet die gegen Politiker gewandte Häme jedoch als „ziem- lich anti-aufklärerisch“. Zu ganz anderen Schlüssen kommt der Medienwissenschaftler Bernd Gäbler in einer von der Otto-Brenner-Stiftung finan- zierten Studie über „Witz und Politik in heute-show und Co“. Das 107 Seiten umfas- sende Werk, über das Albrecht von Lucke sagt, er habe „selten was Dümmeres ge- lesen“, ist eine Art Persilschein für das ZDF. „Der gelegentlich geäußerte Verdacht, hier werde rundweg alle Politik für blöd und nutzlos erklärt, lässt sich nicht erhärten“, heißt es da. Gäbler urteilt: „Der ,heute- show‘ wohnt großes aufklärerisches Poten- zial inne.“ Im Unterschied zur Sendung selbst ist das nicht ironisch gemeint. Welke selbst fühlt sich völlig überinterpretiert. Er sagt: „Wir sehen uns nicht als Aufklärer.“ Falls ein anderer Eindruck entstehe, dann allenfalls „aus Versehen“. Der Vorwurf, es sei ein „großer Mangel deutscher Köpfe, dass sie für Ironie, Zynis- mus, Groteskes, Verachtung und Spott kei- nen Sinn haben“, ist schon hundert Jahre alt. Der Schriftsteller Otto Flake formulier- te diese Klage noch vor dem Ersten Welt- krieg. Die politische Destruktionskraft der „heute-show“ zu hinterfragen heißt aber nicht, das cholerische Talent eines Gernot Hassknecht gering zu schätzen, das lächer- liche Potenzial des quasselnden Pullunders Olaf Schubert oder den vernichtenden Wortwitz von Dietmar Wischmeyer. Wenn Birte Schneider als Oberlehrerin an der Schultafel die Scheinheiligkeit der im Bun- destag beschlossenen Armenien-Resolu- tion erklärt, ist eine aufklärerische Absicht unverkennbar. Auch solche Simplifizierun- gen sind jedoch apolitisch, wenn nicht gar antipolitisch. Sie gaukeln dem Publikum vor, Demokratie könne ein schlichtes und schnell zu erledigendes Geschäft sein, wä- ren da nicht die Schnarchnasen in der Re- gierung, die Quatschköpfe im Parlament. Demokratie ist aber ein langwieriges und schwieriges Unterfangen. Das wäre selbst dann nicht anders, wenn Oliver Wel- ke persönlich ein Abgeordnetenmandat er- hielte. Kleine Nebenbemerkung: Wenn das Honorar stimmt, würde er es vielleicht so- gar übernehmen. Welke sei „ein Söldner, kein Kabarettist“, sagt dessen Freiburger Kollege Matthias Deutschmann. Und der Blogger Leonard Novy schreibt auf der Plattform „Carta“, der Politverulker erwe- cke „den Eindruck, genauso gut ,Upps, die Pannenshow‘ oder ein Event für den Bun- desverband der Sparkassen moderieren zu können, solange die Gage stimmt“. Der Multimoderator liefert einen Beleg dafür ausgerechnet auf einer Veranstaltung der Otto-Brenner-Stiftung, welche die These untermauern sollte, hinter seiner Spötter- visage verberge sich ein Aufklärer. Wenn am gleichen Abend die Champions League gespielt hätte, die Oliver Welke für das ZDF kommentiert, wäre er nicht zur Verteidi- gung seiner Satirikerehre erschienen, wird dem Publikum mitgeteilt. Die „heute-show“ betreibe „Aufklärung nur für die Armen im Geiste“, meint der Kabarettist Matthias Deutschmann, dem das ZDF 1993 den Stuhl vor die Tür gestellt hat. Umgekehrt wird ein Schuh draus. Wer von Politik keine Ahnung hat, der missver- steht sie dank Welkes Nachhilfe erst recht. Wer ohnehin schon Bescheid weiß, kann über seine Scherze lachen, ohne gleich alle Politiker für Trottel halten zu müssen. So werden sie aber vorgeführt. Die grüne Ur- wahl eines Spitzenkandidaten für die Bun- destagswahl wird dann zum „blöden Cas- ting“, die Bewerber werden unter der Rub- rik „Drei taube Nüsse für Aschenbrödel“ veräppelt. Umweltministerin Barbara Hendricks lässt sich zu ihrem Klimaplan interviewen, muss sich von Welkes Nach- wuchskraft Hazel Brugger aber fragen las- sen: „Braucht es wirklich jedes Tier?“ Sie will ernsthaft erklären, warum das so sei – und wird prompt durch die nächste Frage unterbrochen: „Auch Wespen?“ Oder Vö- gel, „die dann wieder aufs Auto kacken“? Selbstverständlich muss Satire respekt- los sein. Sie darf die Mächtigen nicht scho- nen. Sie setzt da an, wo es wehtut. Tabus sind ihre Zielscheiben. Die Regeln des An- stands darf sie getrost auch mal als Fußab- treter benutzen. Der „Einsatz von Kreativi- tät und Scherz stellt ein wichtiges Vehikel zur kritischen Auseinandersetzung mit aktuellen politischen Problemen dar“, schreibt der Medienwissenschaftler Bene- dikt Porzelt. Neuerdings versuchten viele Politiker gar „vom Objekt zum Subjekt der Komik zu werden, um die Möglichkeit einer positiven Selbstpräsentation für ein öffentliches Imagebuilding zu nutzen“. Doch was hat es mit Imagebuilding zu tun, wenn ein kompletter Berufsstand noto- risch für doof erklärt wird? Dieser Frage geht der Politologe And- reas Dörner in einem Aufsatz über „Die hu- morvolle Rahmung politischer Kommuni- kation“ nach. Die Amerikaner haben dafür einen griffigeren Ausdruck gefun- den. Sie nennen es „turn democra- cy into a joke“, was so viel bedeu- tet, wie die Demokratie zum schlichten Spaß verkommen zu lassen. Daran arbeitet die „heute- show“ mit Inbrunst. Was Beiträge wie das Interview der Umweltmi- nisterin Hendricks betrifft, so warnt der Experte Dörner: Wer sich zum Gespött des Publikums machen lasse, fördere die Poli- tikverdrossenheit. Das untergräbt die Legi- timation des demokratischen Personals. Die individuelle Blamage färbt auf die poli- tische Klasse als Ganzes ab. Satire darf alles, wissen wir von Kurt Tu- cholsky. Sie sei „ihrem tiefen Wesen nach ungerecht“. Für ihn waren Satiriker ge- kränkte Idealisten, die sich die Welt gut wünschen und deshalb gegen das Schlechte anrennen. Welche Ideale Welke und seine Kollegen antreiben, ist nicht erkennbar. Sie finden wohl eher Spaß daran, dass die Welt so schlecht ist. Sie blicken auf die Gesell- schaft wie die Besucher eines Zoos, in dem sich Politiker statt Affen tummeln. Einem wie dem Kabarettveteranen Die- ter Hildebrandt war es noch ernst mit den Themen, über die er sich echauffierte. Sein Spott zielte mehr auf Wirkung, auf eine Art Lerneffekt. Mit schlichtem Gelächter woll- te er sich nicht zufriedengeben. Hilde- brandt verstand sich als intellektueller Wutbürger, aber eben auch als Bürger. Er war der Ansicht, es sei „nicht sehr ergie- big“, Politiker ununterbrochen zu beleidi- gen. „Ich habe Respekt vor Menschen“, sag- te er in einem legendären Rundfunkinter- view mit Günter Gaus. Er wolle hingegen „mit einer Pointe Menschen nicht in einen Zusammenhang reißen, in dem sie würde- los sind“. In der „heute-show“ erscheinen Politiker unablässig solcherart. Sie fabri- zieren durchweg Nonsens – wie Clowns in einem endlosen Schmierenstück. Hildebrandt befand mit Blick auf das eigene Metier im fortgeschrittenen Alter: Vieles sei besser geworden, „leider auch die Blödheit“. Die Blödheit kommt heutzutage zynisch daher. Wenn drei Millionen Fern- sehzuschauer – nicht die dümmsten Köpfe unter all denen, die das Grundgesetz zum Souverän erklärt hat – freitagabends das Führungspersonal als komplett debiles En- semble vorgeführt bekommen und sich da- rüber schlapp lachen, kommen Zweifel auf, ob es sich dabei wirklich nur um „Span- nungsabbau durch Humor“ handelt. Viel- leicht erleben wir auch live den Triumph einer zynischen Unvernunft. Demokratie der Deppen Satire Witzbolde und Reporterclowns führen in der „heute-show“ allwöchentlich die Volksvertreter vor. Das ist oft lustig, bisweilen zum Brüllen, schürt aber unweigerlich die Politikverachtung – ein fataler Spaß. Von Armin Käfer Die Brücke zur Welt Routinierte Bloßstellung: Beim Bundesparteitag der Grünen veräppelt der Spaßvogel Lutz van der Horst (Mitte) den Fraktionschef Anton Hofreiter. Bei solchen „Interviews“ können Politiker nur schlecht aussehen. Fotos: dpa, ZDF (2) Diese Sendung ist für viele inzwischen der einzige Kanal, auf dem sie Politik überhaupt noch wahrnehmen. Was hat es mit Image zu tun, wenn ein kompletter Berufsstand notorisch für doof erklärt wird? Hans-Joachim Heist gibt als Gernot Hassknecht (oben) den Choleriker; für Oliver Welke sei jeder Moderationsjob gut genug, behaupten Kritiker, Hauptsache die Gage stimme. 9 Samstag/Sonntag, 26./27. November 2016 | Nr. 275 STUTTGARTER ZEITUNG DIE BRÜCKE zur Welt
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Page 1: dpa, ZDF (2) Demokratie der Deppen V - Otto Brenner Stiftung · 2018. 2. 5. · Sie knnen solche Be-gegnungen in der Regel gar nicht unbe-schadet berstehen. Dazu finden sich un- ...

Von Markus Söder lernen heißtsiegen lernen. Das gilt zumin­dest für Politiker im Umgangmit Reportern der „heute­show“. Sie können solche Be­

gegnungen in der Regel gar nicht unbe­schadet überstehen. Dazu finden sich un­gezählte Beispiele in der Mediathek des Zweiten Deutschen Fernsehens. BayernsFinanzminister Söder hat unlängst jedochvorgeführt, wie man dem Risiko entgeht, sich vorführen zu lassen. Wer an Horst See­hofers Thron sägt, dem darf auch nicht ban­ge sein vor einem Witzbold mit Sturmfri­sur, der bei der „heute­show“ nicht Donald Trump, sondern Lutz van der Horst heißt. Bevor der Reporterclown auch nur die ers­te dumme Frage stellen kann, eine Frageder Art, die an den Interviewten kleben bleibt, als seien sie in einen Hundehaufengetreten, greift Söder nach dem Mikrofon,entreißt es dem Komödianten und nimmtes mit. So entwaffnet man die Spaßguerilla.

Mangelt es Söder an Humor? Oder nuran dem Mindestmaß an Masochismus, derunfreiwilligen Gästen aus der Welt der Politik von der „heute­show“ abverlangtwird? Diese Sendung ist für viele inzwi­schen der einzige Kanal, auf dem sie Leutewie Söder überhaupt noch wahrnehmen.Freitags hat die „heute­show“ regelmäßig mehr Zuschauer als das „heute­journal“,das Politik weitgehend humorlos, wennauch nicht durchweg sachlich präsentiert.Beim satirischen Pendant zur wichtigsten

Nachrichtensendung des ZDF hin­gegen geht es durchweg unsachlichzu. Da werden Menschen der Gat­tung Homo politicus wahlweise als„geile Sau“ tituliert oder als „wirbel­lose Kriechtiere“, die an „endemi­scher Altersräude“ leiden – wiejüngst in einer Parodie über die Grü­

nen. Volksvertreter erscheinen freitag­abends nach 22.30 Uhr unausweichlich alsDeppen der TV­Nation. Das hat System in der halben Stunde, die der Moderator Oli­ver Welke und seine komödiantischen Hel­fershelfer zu bespaßen haben. Es ist oft lus­tig, gelegentlich zum Brüllen, schürt aberkonsequent die Politikverachtung.

„Alle Politiker sind doof, reden Unsinnund machen den Leuten ein X für ein Uvor.“ So fasst Hugo Müller­Vogg, Kolum­nist für das Boulevardblatt „Bild“, die „heu­te­show“ zusammen. „Viele Witze kommennicht über Klotüren­Niveau hinaus, sie ge­fallen Menschen, die Humor nicht vonHohn unterscheiden können“, befindet die„Frankfurter Allgemeine Zeitung“. Nachihrem Urteil betreiben Welke & Co eine„Infantilisierung der politischen Debatte“.

„Der konservativen Medienkritik warenund sind Satiresendungen schon immer einDorn im Auge“, sagt Jupp Legrand, Ge­schäftsführer der gewerkschaftsnahen Ot­to­Brenner­Stiftung. Kritik kommt abernicht nur von rechts. In der „heute­show“erscheine „die parlamentarische Demokra­tie als quälendes Kasperletheater, als lä­cherliches Ringelpiez unfähiger Marionet­ten“, bemängelt der Autor Reinhard Mohr,der für das linksalternative Stadtmagazin„Pflasterstrand“ und die ebenso verortete„taz“ geschrieben hat. Für ihn vermitteltOliver Welke „das Bild einer peinlichenPappnasen­Republik“. Der politisch ähn­lich positionierte Publizist Albrecht von Lucke hält Welkes Show für eine „glänzendgemachte Ulksendung“, wertet die gegenPolitiker gewandte Häme jedoch als „ziem­lich anti­aufklärerisch“.

Zu ganz anderen Schlüssen kommt derMedienwissenschaftler Bernd Gäbler ineiner von der Otto­Brenner­Stiftung finan­zierten Studie über „Witz und Politik in

heute­show und Co“. Das 107 Seiten umfas­sende Werk, über das Albrecht von Luckesagt, er habe „selten was Dümmeres ge­lesen“, ist eine Art Persilschein für das ZDF.„Der gelegentlich geäußerte Verdacht, hierwerde rundweg alle Politik für blöd undnutzlos erklärt, lässt sich nicht erhärten“,heißt es da. Gäbler urteilt: „Der ,heute­show‘ wohnt großes aufklärerisches Poten­zial inne.“ Im Unterschied zur Sendungselbst ist das nicht ironisch gemeint. Welkeselbst fühlt sich völlig überinterpretiert. Ersagt: „Wir sehen uns nicht als Aufklärer.“Falls ein anderer Eindruck entstehe, dannallenfalls „aus Versehen“.

Der Vorwurf, es sei ein „großer Mangeldeutscher Köpfe, dass sie für Ironie, Zynis­mus, Groteskes, Verachtung und Spott kei­nen Sinn haben“, ist schon hundert Jahrealt. Der Schriftsteller Otto Flake formulier­te diese Klage noch vor dem Ersten Welt­krieg. Die politische Destruktionskraft der„heute­show“ zu hinterfragen heißt abernicht, das cholerische Talent eines GernotHassknecht gering zu schätzen, das lächer­liche Potenzial des quasselnden PullundersOlaf Schubert oder den vernichtendenWortwitz von Dietmar Wischmeyer. WennBirte Schneider als Oberlehrerin an derSchultafel die Scheinheiligkeit der im Bun­destag beschlossenen Armenien­Resolu­tion erklärt, ist eine aufklärerische Absichtunverkennbar. Auch solche Simplifizierun­gen sind jedoch apolitisch, wenn nicht garantipolitisch. Sie gaukeln dem Publikumvor, Demokratie könne ein schlichtes undschnell zu erledigendes Geschäft sein, wä­ren da nicht die Schnarchnasen in der Re­gierung, die Quatschköpfe im Parlament.

Demokratie ist aber ein langwierigesund schwieriges Unterfangen. Das wäre selbst dann nicht anders, wenn Oliver Wel­

ke persönlich ein Abgeordnetenmandat er­hielte. Kleine Nebenbemerkung: Wenn dasHonorar stimmt, würde er es vielleicht so­gar übernehmen. Welke sei „ein Söldner,kein Kabarettist“, sagt dessen FreiburgerKollege Matthias Deutschmann. Und derBlogger Leonard Novy schreibt auf der Plattform „Carta“, der Politverulker erwe­cke „den Eindruck, genauso gut ,Upps, die Pannenshow‘ oder ein Event für den Bun­desverband der Sparkassen moderieren zukönnen, solange die Gage stimmt“. DerMultimoderator liefert einen Beleg dafürausgerechnet auf einer Veranstaltung derOtto­Brenner­Stiftung, welche die Theseuntermauern sollte, hinter seiner Spötter­visage verberge sich ein Aufklärer. Wennam gleichen Abend die Champions Leaguegespielt hätte, die Oliver Welke für das ZDFkommentiert, wäre er nicht zur Verteidi­gung seiner Satirikerehre erschienen, wird dem Publikum mitgeteilt.

Die „heute­show“ betreibe „Aufklärungnur für die Armen im Geiste“, meint derKabarettist Matthias Deutschmann, demdas ZDF 1993 den Stuhl vor die Tür gestellthat. Umgekehrt wird ein Schuh draus. Wervon Politik keine Ahnung hat, der missver­steht sie dank Welkes Nachhilfe erst recht.Wer ohnehin schon Bescheid weiß, kann über seine Scherze lachen, ohne gleich allePolitiker für Trottel halten zu müssen. So werden sie aber vorgeführt. Die grüne Ur­wahl eines Spitzenkandidaten für die Bun­destagswahl wird dann zum „blöden Cas­ting“, die Bewerber werden unter der Rub­rik „Drei taube Nüsse für Aschenbrödel“veräppelt. Umweltministerin BarbaraHendricks lässt sich zu ihrem Klimaplaninterviewen, muss sich von Welkes Nach­wuchskraft Hazel Brugger aber fragen las­sen: „Braucht es wirklich jedes Tier?“ Sie

will ernsthaft erklären, warum das so sei –und wird prompt durch die nächste Frageunterbrochen: „Auch Wespen?“ Oder Vö­gel, „die dann wieder aufs Auto kacken“?

Selbstverständlich muss Satire respekt­los sein. Sie darf die Mächtigen nicht scho­nen. Sie setzt da an, wo es wehtut. Tabussind ihre Zielscheiben. Die Regeln des An­stands darf sie getrost auch mal als Fußab­treter benutzen. Der „Einsatz von Kreativi­tät und Scherz stellt ein wichtiges Vehikel zur kritischen Auseinandersetzung mit aktuellen politischen Problemen dar“,schreibt der Medienwissenschaftler Bene­dikt Porzelt. Neuerdings versuchten viele Politiker gar „vom Objekt zum Subjekt der Komik zu werden, um die Möglichkeiteiner positiven Selbstpräsentation für einöffentliches Imagebuilding zu nutzen“. Doch was hat es mit Imagebuilding zu tun,wenn ein kompletter Berufsstand noto­risch für doof erklärt wird?

Dieser Frage geht der Politologe And­reas Dörner in einem Aufsatz über „Die hu­morvolle Rahmung politischer Kommuni­kation“ nach. Die Amerikaner haben dafüreinen griffigeren Ausdruck gefun­den. Sie nennen es „turn democra­cy into a joke“, was so viel bedeu­tet, wie die Demokratie zum schlichten Spaß verkommen zulassen. Daran arbeitet die „heute­show“ mit Inbrunst. Was Beiträge wie das Interview der Umweltmi­nisterin Hendricks betrifft, so warnt derExperte Dörner: Wer sich zum Gespött des Publikums machen lasse, fördere die Poli­tikverdrossenheit. Das untergräbt die Legi­timation des demokratischen Personals.Die individuelle Blamage färbt auf die poli­tische Klasse als Ganzes ab.

Satire darf alles, wissen wir von Kurt Tu­cholsky. Sie sei „ihrem tiefen Wesen nachungerecht“. Für ihn waren Satiriker ge­kränkte Idealisten, die sich die Welt gutwünschen und deshalb gegen das Schlechteanrennen. Welche Ideale Welke und seineKollegen antreiben, ist nicht erkennbar. Siefinden wohl eher Spaß daran, dass die Weltso schlecht ist. Sie blicken auf die Gesell­schaft wie die Besucher eines Zoos, in demsich Politiker statt Affen tummeln.

Einem wie dem Kabarettveteranen Die­ter Hildebrandt war es noch ernst mit denThemen, über die er sich echauffierte. SeinSpott zielte mehr auf Wirkung, auf eine ArtLerneffekt. Mit schlichtem Gelächter woll­te er sich nicht zufriedengeben. Hilde­brandt verstand sich als intellektuellerWutbürger, aber eben auch als Bürger. Erwar der Ansicht, es sei „nicht sehr ergie­big“, Politiker ununterbrochen zu beleidi­gen. „Ich habe Respekt vor Menschen“, sag­te er in einem legendären Rundfunkinter­view mit Günter Gaus. Er wolle hingegen„mit einer Pointe Menschen nicht in einen Zusammenhang reißen, in dem sie würde­los sind“. In der „heute­show“ erscheinenPolitiker unablässig solcherart. Sie fabri­zieren durchweg Nonsens – wie Clowns ineinem endlosen Schmierenstück.

Hildebrandt befand mit Blick auf daseigene Metier im fortgeschrittenen Alter: Vieles sei besser geworden, „leider auch dieBlödheit“. Die Blödheit kommt heutzutagezynisch daher. Wenn drei Millionen Fern­sehzuschauer – nicht die dümmsten Köpfe unter all denen, die das Grundgesetz zumSouverän erklärt hat – freitagabends dasFührungspersonal als komplett debiles En­semble vorgeführt bekommen und sich da­rüber schlapp lachen, kommen Zweifel auf,ob es sich dabei wirklich nur um „Span­nungsabbau durch Humor“ handelt. Viel­leicht erleben wir auch live den Triumpheiner zynischen Unvernunft.

Demokratie der Deppen

Satire Witzbolde und Reporterclowns führen in der „heute­show“ allwöchentlich die Volksvertreter vor. Das ist oft

lustig, bisweilen zum Brüllen, schürt aber unweigerlichdie Politikverachtung – ein fataler Spaß. Von Armin Käfer

Die Brücke zur Welt

Routinierte Bloßstellung: Beim Bundesparteitag der Grünen veräppelt der Spaßvogel Lutz van der Horst (Mitte) den Fraktionschef Anton Hofreiter. Bei solchen „Interviews“ können Politiker nur schlecht aussehen. Fotos: dpa, ZDF (2)

Diese Sendung ist für viele inzwischen der einzige Kanal, auf dem sie Politik überhaupt noch wahrnehmen.

Was hat es mit Image zu tun, wenn ein kompletterBerufsstand notorisch für doof erklärt wird?

Hans­Joachim Heist gibt als Gernot Hassknecht (oben) den Choleriker; für Oliver Welke seijeder Moderationsjob gut genug, behaupten Kritiker, Hauptsache die Gage stimme.

9Samstag/Sonntag, 26./27. November 2016 | Nr. 275STUTTGARTER ZEITUNG DIE BRÜCKE zur Welt

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