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Digitale Kompetenzen auf dem EU-Arbeitsmarkt · digitale Kompetenzen verfügen müssen, um in der...

Date post: 17-Jun-2020
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Digitale Kompetenzen auf dem EU-Arbeitsmarkt
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Digitale Kompetenzen

auf dem EU-Arbeitsmarkt

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Diese Veröffentlichung soll einen allgemeinen Überblick über digitale (IT-bezogene) Kompetenzen, ihre Untergruppen und über die digitalen Kenntnisse der Menschen in der EU vermitteln. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf den digitalen Kompetenzen schutzbedürftiger sozialer Bevölkerungsgruppen sowie auf dem Stand der dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehenden digitalen Kompetenzen. Diesen Ausführungen folgt eine Zusammenfassung der auf EU-Ebene in diesem Bereich ergriffenen Maßnah-men. Schließlich werden mögliche Lösungen und bewährte Verfahren vorgestellt, die auf Ebene der Mitgliedstaaten zur Verbesserung der gegenwärtigen Situation eingesetzt werden.

PE 595.889 ISBN 978-92-846-0366-4 doi:10.2861/827205 QA-05-16-037-DE-N

Das Originalmanuskript in englischer Sprache wurde im Januar 2017 fertiggestellt. Übersetzung im März 2017 abgeschlossen

HAFTUNGSAUSSCHLUSS UND URHEBERRECHT

Die Verantwortung für den Inhalt liegt ausschließlich beim Verfasser dieses Dokuments; eventuelle Meinungsäußerungen entsprechen nicht unbedingt dem Standpunkt des Europäischen Parlaments. Das Dokument richtet sich an die Mitglieder und Mitarbeiter des Europäischen Parlaments und ist für deren parlamentarische Arbeit bestimmt. Nachdruck und Übersetzung zu nicht kommerziellen Zwecken mit Quellenangabe gestattet, sofern der Herausgeber vorab unterrichtet und ihm ein Exemplar übermittelt wird.

© Europäische Union, 2017

Fotonachweise: © kantver/Fotolia

[email protected] http://www.eprs.ep.parl.union.eu (Intranet) http://www.europarl.europa.eu/thinktank (Internet) http://epthinktank.eu (Blog)

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ZUSAMMENFASSUNG

Die Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) spielen in unserem Berufs- und Privatleben eine immer größere Rolle, sodass die Computerkompetenz für den Einzelnen zunehmend an Bedeutung gewinnt. Zukünftig werden digitale Kompetenzen an nahezu jedem Arbeitsplatz erforderlich sein.

Zahlen der Kommission zufolge besitzen jedoch zwei Fünftel der Beschäftigten in der EU nur geringe oder gar keine digitalen Kompetenzen. Zudem könnten trotz einer weiterhin hohen Arbeitslosigkeit bis 2020 bis zu 756 000 Stellen im europäischen IKT-Sektor unbesetzt sein.

Besonders problematisch ist diese Situation in bestimmten geografischen Gebieten (zum Beispiel in Südosteuropa), in sozial benachteiligten Gruppen (insbesondere bei Arbeits-losen und Menschen mit Behinderungen) sowie bei älteren Menschen. Trotz einer positiven Entwicklung der digitalen Kenntnisse der Bürgerinnen und Bürger muss die digitale Lücke weiter geschlossen werden.

Die Digitalisierung hat verschiedene Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. Auf der einen Seite entstehen neue Geschäftsmodelle, Produkte und Maschinen und damit auch neue Arbeitsplätze; auf der anderen Seite trägt die Automatisierung zur Beseitigung oder Verlagerung von Arbeitsplätzen in Länder mit niedrigeren Arbeitskosten bei. Um dieser Situation entgegenzuwirken, ist die Weiterentwicklung der digitalen Kompetenzen der Beschäftigten in der EU unerlässlich.

Die Verringerung der Diskrepanz zwischen vorhandenen und für die digitale Transformation der Wirtschaft benötigten Kompetenzen war auf EU-Ebene eines der zentralen Anliegen des vergangenen Jahrzehnts. So wurde 2008 in einer Mitteilung mit dem Titel „Neue Kompetenzen für neue Beschäftigungen“ betont, dass der Bedarf an digitalen Kompetenzen im Zuge des Übergangs zu einer CO2-armen Wirtschaft immer größer wird. Im Rahmen der Digitalen Agenda 2010 wurde außerdem festgestellt, dass Indikatoren zur Messung der Computerkompetenz in der EU benötigt wurden. Daraufhin wurde der sogenannte „DigComp“-Referenzrahmen (Digital Competence Framework) entwickelt, anhand dessen die Bürgerinnen und Bürger ihre digitalen Kompetenzen beur-teilen können. Ferner wurde der Index für die digitale Wirtschaft und Gesellschaft (Digital Economy and Society Index, DESI) eingeführt, der relevante Indikatoren für die digitale Leistungsfähigkeit Europas zusammenfasst und dazu dient, die Entwicklung der digitalen Wettbewerbsfähigkeit der EU-Mitgliedstaaten zu verfolgen.

Die Große Koalition für Digitale Arbeitsplätze, eine 2013 geschaffene Partnerschaft diverser Interessengruppen, zielt darauf ab, die Zusammenarbeit zwischen Unterneh-men und Bildungsträgern sowie zwischen öffentlichen und privaten Akteuren zu erleichtern, und hat bereits 60 verbindliche Zusicherungen in 13 Ländern eingeholt.

Ziel der Neuen Agenda für Kompetenzen von 2016 ist es, die Qualität der Kompetenz-schulung zu optimieren, die erworbenen Kompetenzen sichtbarer zu machen und die länderübergreifende Vergleichbarkeit von Kompetenzen zu verbessern. Außerdem sollte das Datenmaterial über IKT-Kompetenzen verbessert werden, um Entwicklungen besser antizipieren zu können und die berufliche Entscheidungsfindung des Einzelnen zu unter-stützen. Auch auf nicht formalem Wege erworbene Kompetenzen sollten bewertet und validiert werden.

Zu den in den EU-Mitgliedstaaten entwickelten Lösungsalternativen gehören die Förderung und Befähigung der Menschen zum Erwerb der benötigten Kompetenzen, die

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Verbesserung der Arbeitskräftemobilität von Menschen mit digitalen Kompetenzen sowie die Förderung grenzüberschreitender kompetenzpolitischer Maßnahmen. Das Kompetenzangebot lässt sich verbessern, indem Menschen dazu ermutigt werden, ihre Kompetenzen auf dem Arbeitsmarkt anzubieten, und indem Menschen mit entsprechen-den Kenntnissen auf dem Arbeitsmarkt gehalten werden. Eine weitere Möglichkeit zur Verbesserung der Situation ist die effiziente Nutzung von Kompetenzen durch eine optimierte Abstimmung zwischen Kompetenzangebot und -nachfrage sowie durch die Steigerung der Nachfrage nach herausragender Kompetenz.

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INHALT

1. Digitale Kompetenzen ................................................................................................. 4

1.1. Einleitung ............................................................................................................... 4

1.2. Begriffsbestimmungen ......................................................................................... 5

1.3. Die Messung digitaler Kompetenzen..................................................................... 6

2. Verteilung der digitalen Kompetenzen ........................................................................ 8

2.1. Geografische Unterschiede .................................................................................. 8

2.2. Soziale Unterschiede .......................................................................................... 10

3. Digitale Kompetenzen auf dem Arbeitsmarkt ........................................................... 11

3.1. Digitalisierung und der Arbeitsmarkt ................................................................. 11

3.2. Digitale Kompetenzen von IKT-Fachkräften ....................................................... 14

4. Maßnahmen auf EU-Ebene ........................................................................................ 15

4.1. Die Mitteilung „Neue Kompetenzen für neue Beschäftigungen“ von 2008 ....... 15

4.2. Die Digitale Agenda 2010 ................................................................................... 16

4.3. Die Große Koalition für digitale Arbeitsplätze ..................................................... 16

4.4. Die Strategie für einen digitalen Binnenmarkt .................................................... 17

4.5. Die neue Agenda für Kompetenzen 2016 ........................................................... 17

5. Mögliche Verbesserungen .......................................................................................... 18

5.1. Strategische Methoden zur Förderung digitaler Kompetenzen und Arbeitsplätze .............................................................................................................. 18

5.2. Die Rolle der digitalen Technologien ................................................................... 20

6. Wichtigste bibliografische Angaben ........................................................................... 21

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Liste der wichtigsten Abkürzungen

DESI: Index für die digitale Wirtschaft und Gesellschaft (Digital Economy and Society Index)

DigComp: Referenzrahmen für Computerkompetenz der Bürgerinnen und Bürger

DSM: Digitaler Binnenmarkt (Digital Single Market)

EURES: Europäisches Netz/Portal zur beruflichen Mobilität (European Employment Services)

IKT: Informations- und Kommunikationstechnologien

JRC: Gemeinsame Forschungsstelle (der Europäischen Kommission) (Joint Research Centre (of the European Commission))

MOOC: Offener Online-Kurs (massive open online course)

NEET: Jugendlicher, der sich weder in Ausbildung noch in Beschäftigung befindet (not in education, employment or training)

OECD: Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Organisation for Economic Co-operation and Development)

TIG: Technologien für die Informationsgesellschaft

1. Digitale Kompetenzen

1.1. Einleitung

Die digitalen Technologien durchdringen nahezu alle Bereiche des öffentlichen, privaten und beruflichen Lebens und haben eine starke transformative Wirkung. Die technolo-gische Innovation zwingt die Menschen als Individuen, Arbeitnehmer, Lernende und Bürger, neue Arten von Kompetenzen anzustreben und zu entwickeln.

Ferner werden nahezu alle existierenden beruflichen Aufgaben durch digitale Technologien ergänzt, sodass für fast jede Art von Beschäftigung digitale Kompetenzen vorausgesetzt werden. In naher Zukunft werden 90 % der Arbeitsplätze (vor allem im Ingenieurwesen, in der Medizin, in der Kunst und der Architektur) einen gewissen Grad an digitaler Kompetenz erfordern.1 Daher wird jeder zumindest über grundlegende digitale Kompetenzen verfügen müssen, um in der Gesellschaft zu leben, zu arbeiten, zu lernen und an ihr teilzuhaben. Dem Arbeitsmarkt werden IKT-Fachkräfte zur Verfügung stehen müssen, damit Kompetenzlücken und Diskrepanzen zwischen Kompetenz-angebot und -nachfrage vermieden werden. Aus Daten über den Informations- und Kommunikationstechnologiesektor (IKT-Sektor) geht hervor, dass es in Europa bis 2020 trotz einer nach wie vor hohen Arbeitslosigkeit zu einem Mangel an 756 000 IKT-Fachkräften kommen könnte.2

Digitale Kompetenzen sind auch mit Blick auf die Wettbewerbsfähigkeit ein zentrales politisches Anliegen der EU. Die Kluft zwischen der Nachfrage nach digitalem Wandel in der Wirtschaft einerseits und den digitalen Kenntnissen, Fähigkeiten und Kompetenzen der Arbeitskräfte andererseits ist ausführlich beschrieben und von wissenschaftlicher wie von öffentlicher Seite bestätigt worden; allerdings ist nicht bekannt, wie groß diese

1 Digital Skills and Jobs Coalition (Koalition für digitale Kompetenzen und Arbeitsplätze). Europäische

Kommission, 2013. 2 Ebd.

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Kluft tatsächlich ist.3 In der aktuellen wirtschaftlichen Lage könnte eine erfolgreiche Politik zur Förderung der für den digitalen Wandel erforderlichen Kompetenzen einen technologischen Vorteil für Europa schaffen und die Widerstandsfähigkeit Europas im globalen Wettbewerb stärken.

1.2. Begriffsbestimmungen

Es gibt verschiedene Definitionen für digitale Kompetenzen oder Kenntnisse. Außerdem werden oft mehrere Begriffe – zum Beispiel „digitale Kenntnisse“ (digital literacy)4, „Computerkompetenz“ (digital competence), „IKT-Kompetenzen“ (ICT-related skills) oder „eSkills“5 – synonym verwendet, um digitale Kompetenzen zu beschreiben.

1.2.1. Digitale Kompetenzen Im Allgemeinen umfassen digitale Kompetenzen eine Reihe von grundlegenden bis hoch entwickelten Kompetenzen, die einerseits zur Nutzung der digitalen Technologien befähigen (digitales Wissen) und sich andererseits auf die grundlegenden kognitiven, emotionalen oder sozialen Fähigkeiten beziehen, die für die Nutzung der digitalen Technologien benötigt werden.

In ihrem Hintergrundbericht über Kompetenzen für eine digitale Welt unterscheidet die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD)6 vier verschiedene Arten von beruflich relevanten IKT-Kompetenzen, nämlich:

Allgemeine IKT-Kompetenzen („ICT generic skills“ – im Zusammenhang mit der Nutzung digitaler Technologien für berufliche Zwecke, zum Beispiel der Online-Zugriff auf Informationen oder die Verwendung von Software);

spezialisierte IKT-Kompetenzen („ICT specialist skills“ – Kompetenzen, die für die Herstellung von Produkten und Dienstleistungen der Informationstechnologie (IT) benötigt werden, wie Programmierung, Anwendungsentwicklung, Netzwerk-management);

ergänzende IKT-Kompetenzen („ICT complementary skills“ – Kompetenzen im Hinblick auf die Ausführung von Aufgaben im Zusammenhang mit der Nutzung von IKT, wie Informationsverarbeitung, Selbststeuerung, Problemlösung und Kommuni-kation);

grundlegende IKT-Kompetenzen („foundation skills“ – digitale Grundbildung, emo-tionale und soziale Kompetenzen, die für den Umgang mit den digitalen Technologien erforderlich sind).

1.2.2. Computerkompetenz Die Computerkompetenz umfasst nicht nur digitale Kompetenzen, sondern eine Reihe von Fähigkeiten, Kenntnissen und Einstellungen, die sich auf die Eigenschaften und die Rolle der Informationstechnologien und die von ihnen im Alltag gebotenen Chancen sowie auf die damit verbundenen rechtlichen und ethischen Grundsätze beziehen. Zur

3 E-Skills in Europe. Trends and Forecasts for the European ICT Professional and Digital Leadership Labour

Markets (2015-2020). Empirica-Arbeitspapier, 2015. 4 Die Cornell University definiert den Begriff „digital literacy“ (digitale Kenntnisse) als die Fähigkeit,

mithilfe von Informationstechnologien und des Internets Inhalte zu finden, zu bewerten, zu verwenden, zu teilen und zu schaffen.

5 Die Kommission versteht unter „eSkills“ eher Kenntnisse, die von IKT-Fachkräften gefordert werden. 6 Skills for a Digital World. Hintergrundbericht zum Ministertreffen über die digitale Wirtschaft. OECD,

2016.

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Computerkompetenz gehören auch die kritische und gedankliche Auseinandersetzung mit den verfügbaren Informationen und ihre verantwortungsvolle Verwendung.

2006 wurde die Computerkompetenz in einer Empfehlung des Europäischen Parlaments und des Rates zu Schlüsselkompetenzen für lebensbegleitendes Lernen7 wie folgt definiert:8

„Computerkompetenz umfasst die sichere und kritische Anwendung der Technologien der Informationsgesellschaft (TIG) für Arbeit, Freizeit und Kommunikation. Sie wird unter-stützt durch Grundkenntnisse der IKT: Benutzung von Computern, um Informationen abzufragen, zu bewerten, zu speichern, zu produzieren, zu präsentieren und auszu-tauschen, über Internet zu kommunizieren und an Kooperationsnetzen teilzunehmen.“

In dem von der Kommission geschaffenen Referenzrahmen für digitale Kompetenzen der Bürgerinnen und Bürger (DigComp)9 wird Computerkompetenz folgendermaßen definiert:

„Zu den Fähigkeiten zählt die Fähigkeit, Informationen zu recherchieren, zu sammeln und zu verarbeiten und diese kritisch und systematisch zu verwenden, ihre Relevanz zu beurteilen und beim Erkennen der Links Reales von Virtuellem zu unterscheiden. Der Einzelne sollte in der Lage sein, Hilfsmittel zu benutzen, um komplexe Informationen zu produzieren, zu präsentieren und zu verstehen, und internetgestützte Dienste aufzu-rufen, zu durchsuchen und zu nutzen. Der Einzelne sollte ferner fähig sein, TIG zu nutzen, um kritisches Denken, Kreativität und Innovation zu fördern.“

1.3. Die Messung digitaler Kompetenzen

1.3.1. Der DigComp-Referenzrahmen Der im Jahr 2011 von der Kommission eingeführte Referenzrahmen für digitale Kompe-tenzen (DigComp)10 soll Deskriptoren für digitale Kompetenzen aller Niveaustufen bieten. Der Referenzrahmen wurde vom Joint Research Centre (JRS) und der General-direktion für Bildung, Jugend, Sport und Kultur (GD EAC) der Kommission entwickelt und hatte die Einrichtung einer Plattform auf der Europass-Website11 zur Folge, auf der die Nutzer ihre vorhandenen Kenntnisse mit den Anforderungen vergleichen können, die für eine bestimmte digitale Kompetenz vorausgesetzt werden. Etwa 21 solcher Kompe-tenzen werden in fünf Kompetenzbereiche unterteilt – Informationsbeschaffung, Erstellung von Inhalten, Kommunikation, Sicherheit und Problemlösung – und nach drei Kenntnisstufen gegliedert: Keine Kenntnisse, grundlegende Kenntnisse (eine Kompe-tenz), höhere als grundlegende Kenntnisse (mehr als eine Kompetenz).

7 Die anderen Schlüsselkompetenzen waren muttersprachliche Kompetenz, fremdsprachliche Kompe-

tenz, mathematische Kompetenz und grundlegende naturwissenschaftlich-technische Kompetenz, Lernkompetenz, soziale Kompetenz und Bürgerkompetenz, Eigeninitiative und unternehmerische Kompetenz, Kulturbewusstsein und kulturelle Ausdrucksfähigkeit.

8 Empfehlung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 zu Schlüsselkompetenzen für lebensbegleitendes Lernen, 2006/962/EG, ABl. L 394.

9 Der Referenzrahmen für digitale Kompetenzen – oder DigComp – wurde von der Generaldirektion der Kommission für Bildung, Jugend, Sport und Kultur (GD EAC) und der Gemeinsamen Forschungsstelle der Kommission mit folgender Zielsetzung geschaffen: Unterstützung der Bürgerinnen und Bürger bei der Selbstbeurteilung und der Festlegung ihrer Lernziele; Ermittlung von Schulungsmöglichkeiten für die Bürgerinnen und Bürger und Erleichterung der Arbeitsplatzsuche; Hilfe bei der Überwachung ihrer digitalen Kompetenzen und Unterstützung der Lehrplanentwicklung.

10 DigComp: A Framework for Developing and Understanding Digital Competence in Europe. JRC, 2013. 11 Siehe Europass Selbstbeurteilungsraster.

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Tabelle 1 – Verfügbare Indikatoren für die Messung der digitalen Kompetenz

Kompetenzbereich Indikator

1. Informations-beschaffung

Informationen über Waren und Dienstleistungen suchen

Auskünfte auf Behördenwebsites einholen

Online-Nachrichten/-Zeitungen/-Zeitschriften lesen oder herunterladen

Dateien oder Ordner kopieren oder verschieben

Nach gesundheitsbezogenen Informationen suchen

2. Kommunikation E-Mails versenden/empfangen

Über das Internet telefonieren/Videoanrufe (per Webcam) über das Internet tätigen

An sozialen Netzwerken teilnehmen

Nachrichten auf Chat-Websites einstellen

Selbstgestaltete Inhalte auf eine beliebige Website hochladen und teilen

3. Erstellung von Inhalten

Websites oder Blogs erstellen

Ein Computerprogramm in einer speziellen Programmiersprache schreiben

Kopier- und Einfügewerkzeuge zur Vervielfältigung oder zum Verschieben von Informationen in einem Dokument nutzen

Elektronische Präsentationen (z. B. Folienpräsentationen) mit Präsentations-software erstellen, die Fotos, Ton- und Videodateien oder Diagramme enthalten

Grundlegende arithmetische Formeln zum Addieren, Subtrahieren, Multiplizieren oder Dividieren in einer Tabellenkalkulation nutzen

4. Sicherheit Sicherheitssoftware oder -programme (wie Antivirenprogramme, Anti-Spam-Software oder eine Firewall) nutzen, um private Computer und Daten zu schützen

Eines oder mehrere solcher Produkte zumindest gelegentlich aktualisieren

5. Problemlösung Neue Geräte anschließen und installieren

Ein neues Betriebssystem installieren oder ein altes ersetzen

Konfigurationsparameter von Softwareanwendungen ändern oder überprüfen

Einen Online-Kurs absolvieren

Waren oder Dienstleistungen für den privaten Gebrauch über das Internet kaufen oder bestellen (letzte 12 Monate)

Online verkaufen

Einen Arbeitsplatz suchen oder eine Bewerbung verschicken

Onlinebanking

Einen Arzttermin über eine Website vereinbaren

Quelle: DigComp-Referenzrahmen, 2013.12

12 Siehe Measuring Digital Skills across the EU: EU-wide indicators of Digital Competence. Europäische

Kommission, 2014, sowie DigComp: A Framework for Developing and Understanding Digital Competence in Europe. Wissenschafts- und Politikberichte des JRC, 2013.

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1.3.2. Der Indikator für digitale Kompetenzen Aufgrund eines Berichts13 vom Mai 2014 kamen die Generaldirektion Kommunikations-netze, Inhalte und Technologien (GD CONNECT) und die Eurostat-Arbeitsgruppe über Statistiken zur Informationsgesellschaft überein, einen „Indikator für digitale Kompetenzen“ zu schaffen und zu veröffentlichen, der auf dem DigComp-Referenz-rahmen aufbauen sollte.

Um den Rahmen mit den Indikatoren zu füllen, wurde auf bestehende einschlägige Datenerhebungen zurückgegriffen. Eine der wichtigsten Datenquellen ist die Eurostat-Umfrage zur Internetnutzung14 durch private Haushalte und Privatpersonen, die vielfältige Fragen zu IKT-Kompetenzen und IKT-Nutzung/-Aktivitäten enthält und damit zahlreiche im Rahmen von DigComp ermittelte Kompetenzbereiche und Kompetenzen abdeckt.

Die Kommission verwendet diese Zahlen in einem Teil des Index für die digitale Wirtschaft und Gesellschaft (Digital Economy and Society Index, DESI)15 und stellt sie im Visualisierungstool des Anzeigers zur Digitalen Agenda16 vor.

2. Verteilung der digitalen Kompetenzen

2.1. Geografische Unterschiede

Dem Indikator für digitale Kompetenzen 2015 zufolge ist davon auszugehen, dass 21 % der Europäer über keine digitalen Kompetenzen verfügen. Grundlage hierfür ist das Kriterium, dass sie das Internet nicht nutzen. Dieser Wert schwankt zwischen 3 % in Luxemburg in 44 % in Bulgarien und Rumänien. In acht Ländern (Portugal, Polen, Kroa-tien, Zypern, Italien, Griechenland, Bulgarien und Rumänien) besitzen mindestens 30 % der Bevölkerung keine digitalen Kompetenzen.17

13 Measuring Digital Skills across the EU: EU-wide indicators of Digital Competence, 2014. 14 Siehe Statistik der Informationsgesellschaft – Haushalte und Privatpersonen, 2015. 15 Der Index für die digitale Wirtschaft und Gesellschaft (Digital Economy and Society Index, DESI) ist ein

zusammengesetzter Index zur digitalen Leistungsfähigkeit in Europa, mit dem die Entwicklung der digitalen Wettbewerbsfähigkeit der EU-Mitgliedstaaten gemessen wird. Er ist nach fünf Haupt-dimensionen untergliedert: Konnektivität, Humankapital, Internetnutzung, Integration der Digitaltech-nik und digitale öffentliche Dienste. Die Daten werden jährlich zu jedem Mitgliedstaat erhoben.

16 Der Anzeiger zur Digitalen Agenda stützt sich auf über 100 Indikatoren der Kommissionsdienststellen, die thematisch gruppiert werden und so einige wichtige Dimensionen der europäischen Informations-gesellschaft dokumentieren (Telekommunikationssektor, Breitband, Mobilfunk, Internetnutzung, Internetdienste, elektronische Behördendienste, elektronischer Handel, elektronischer Geschäfts-verkehr, IKT-Kompetenzen sowie Forschung und Entwicklung). Anhand dieser Indikatoren können die Fortschritte sowohl zwischen den Mitgliedstaaten als auch im Zeitverlauf verglichen werden.

17 Aufgrund der unterschiedlichen Bevölkerungsgrößen entspricht dies in Italien etwa 18 Millionen Menschen und in Polen rund 12 Millionen Menschen, die über keine digitalen Kompetenzen verfügen.

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Abbildung 1 – Niveau der digitalen Kompetenzen von Einzelpersonen in der EU

Quelle: Anzeiger der Kommission zur Digitalen Agenda, 2015.

Verglichen mit ähnlichen Statistiken aus dem Jahr 201218 entspricht dies einem Gesamt-anstieg der digital kompetenten Personen in der EU um 2 %; in den weniger fortschritt-lichen Mitgliedstaaten liegt der Wert noch höher (z. B. bei 6 % in Rumänien). Die Europäer erwerben also zunehmend digitale Kompetenzen, wenngleich sich die Entwicklung eher langsam vollzieht.

In Anbetracht der Tatsache, dass eine Einzelperson über mehr als nur geringe Kompetenzen19 (z. B. die Fähigkeit, E-Mails zu verschicken) verfügen muss, um an einer digitalen Gesellschaft wirksam teilzuhaben, ist davon auszugehen, dass 45 % der Euro-päer entweder geringe oder gar keine digitalen Kompetenzen besitzen, wobei der Anteil in 17 Mitgliedstaaten darüber liegt. Etwa 74 % der Rumänen verfügen nicht über die nötigen Kompetenzen, um wirksam an der digitalen Welt teilhaben zu können. Gegenüber 2012 ist jedoch die Zahl der Menschen mit ausreichenden digitalen Kompetenzen insgesamt in der EU als Ganzes um 2 % und in Rumänien um 11 % gestiegen.

Beim Vergleich der einzelnen Unterkategorien der digitalen Kompetenzen20 wird deutlich, dass der Anteil der Personen mit IKT-Kompetenzen höher ist als der Anteil derjenigen mit Kompetenzen in den Bereichen „Erstellung von Inhalten“ und „Problemlösung“. Dementsprechend haben nur 25 % der EU-Bürger keine Kompetenzen im Bereich „Informationsbeschaffung“ und 30 % keine Kompetenzen im Bereich

18 Measuring Digital Skills across the EU: EU-wide indicators of Digital Competence, 2014. 19 Eine Einzelperson hat eine „geringe Kompetenz“, wenn sie in nur einem der vier im Index aufgeführten

digitalen Kompetenzbereiche aktiv tätig war (Informationsbeschaffung, Kommunikation, Erstellung von Inhalten, Problemlösung). Um als Einzelperson mit „Kompetenzen auf Grundniveau“ eingestuft zu werden, muss sie in mindestens einem Bereich der Tabelle der digitalen Kompetenzen Grund-kompetenzen aufweisen und darf in keinem Bereich „keine Nutzung“ eingetragen haben. Für die Einstufung „über Grundniveau“ muss eine Einzelperson in allen vier Bereichen über dem Grundniveau liegen.

20 Siehe Fußnote 18.

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„Kommunikation“; 36 % hingegen besitzen keine Kompetenzen in den Bereichen „Erstellung von Inhalten“ und „Problemlösung“. Bei Personen mit Kompetenzen liegen die Werte in den Bereichen „Informationsbeschaffung“, „Kommunikation“ und „Erstellung von Inhalten“ in der Regel über dem Durchschnitt. Dies gilt jedoch nicht für den Bereich „Problemlösung“.

Abbildung 2 – Unterkategorien digitaler Kompetenzen in der EU

Quelle: Daten der Europäischen Kommission, 2015.

2.2. Soziale Unterschiede

2.2.1. Geschlechts- und altersspezifische Unterschiede Aus einer 2016 durchgeführten OECD-Umfrage zu den Kompetenzen von Erwachsenen geht hervor, dass der Bevölkerungsanteil mit digitalen Kompetenzen in der überwiegenden Mehrheit der OECD-Länder gestiegen ist. Allerdings liegt die Nutzung von IKT-Kompetenzen im Beruf bei Frauen tendenziell etwas niedriger als bei Männern.21

Abbildung 3 – Digitale Kompetenzen von Frauen und Männern in verschiedenen Altersgruppen

Quelle: Eurostat, 2014.22

Aus der Eurostat-Untersuchung 2014 (siehe Abbildung 3) gehen leichte Unterschiede zwischen den Altersgruppen der 16- bis 24-Jährigen und den 25- bis 55-Jährigen hervor. Innerhalb der Gruppe der 55- bis 74-Jährigen verfügen Frauen tendenziell über relativ geringe oder nur grundlegende Kenntnisse, während Männer eher fortgeschrittene Kenntnisse haben. Die altersspezifischen Unterschiede sind wesentlich ausgeprägter. Im Allgemeinen verfügen Studenten über ein hohes Niveau digitaler Kompetenzen; in der zurzeit erwerbstätigen Generation ist der Anteil der Menschen mit geringen,

21 Skills for a Digital World. Hintergrundbericht zum Ministertreffen über die digitale Wirtschaft. OECD,

2016. 22 Siehe Eurostat-Daten.

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grundlegenden und höher als grundlegenden digitalen Kompetenzen sehr ähnlich. In der Altersgruppe der 55- bis 74-Jährigen sind geringe oder grundlegende digitale Kompeten-zen am stärksten vertreten.

2.2.2. Digitale Kompetenzen benachteiligter Personen Generell besitzen benachteiligte Personen23 geringere digitale Kompetenzen als die Durchschnittsbevölkerung. Statistiken der GD CONNECT zufolge haben 38 % der benach-teiligten Personen in den EU-28-Ländern keine digitalen Kompetenzen. In Schweden (11 %), den Niederladen (12 %) und Dänemark (13 %) liegt die Quote der benachteiligten Personen ohne Kompetenzen am niedrigsten, in Rumänien (70 %), Bulgarien (67 %) und Griechenland (63 %) am höchsten. Gemessen an den Beschreibungen, mit denen die zum Leben und Arbeiten benötigten „grundlegenden“ Kenntnisse definiert werden, befinden sich 64 % der benachteiligten Menschen in der EU unterhalb dieser Schwelle.24

Abbildung 4 – Digitale Kompetenzen benachteiligter Personen

Quelle: Europäische Kommission, GD CONNECT, 2014.25

3. Digitale Kompetenzen auf dem Arbeitsmarkt

3.1. Digitalisierung und der Arbeitsmarkt

Die Digitalisierung26 hat erhebliche Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt, da sie die Arbeitsplatzdynamik, die Arbeitsbedingungen und die Qualifikationsanforderungen verändert. Das Niveau der digitalen Kompetenzen ist in der Erwerbsbevölkerung durchschnittlich höher als in der EU-Bevölkerung als Ganzes. Eurostat zufolge verfügen EU-weit nur 13 % der Erwerbsbevölkerung nicht über digitale Kompetenzen, wobei die individuellen Anteile in manchen Mitgliedstaaten relativ hoch liegen. In sieben

23 Dem Merriam-Webster Dictionary zufolge wird eine benachteiligte Person als Person definiert, die

nicht über die grundlegenden Ressourcen oder Bedingungen (z. B. dem Standard entsprechendes Wohnen, medizinische Versorgung und Bildung sowie Bürgerrechte) verfügt, die für eine gleich-berechtigte Stellung in der Gesellschaft als notwendig erachtet werden.

24 Measuring Digital Skills Across the EU: EU-wide Indicators of Digital Competence. Europäische Kommission, 2014.

25 Daten aus 16 Ländern: Belgien, Kroatien, Dänemark, Deutschland, Griechenland, Irland, Island, Italien, Luxemburg, Slowakei, Spanien, Lettland, Malta, Rumänien, Slowenien und Schweden.

26 Nach dem Oxford English Dictionary ist unter Digitalisierung die Übernahme oder der Anstieg der Nutzung von Digital- oder Computertechnologien durch eine Organisation, eine Industrie, ein Land usw. zu verstehen.

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Mitgliedstaaten beträgt der Anteil 20 % oder mehr, nämlich in Griechenland, Zypern, Polen, Portugal, Italien, Bulgarien und Rumänien. In Bulgarien und Rumänien hat mehr als ein Drittel der Erwerbsbevölkerung keine digitalen Kompetenzen. Bei etwa 37 % der EU-Erwerbsbevölkerung ist von unzureichenden (d. h. geringen oder nicht vorhandenen) digitalen Kompetenzen auszugehen. In 15 Mitgliedstaaten (Frankreich, Slowenien, Spa-nien, Kroatien, Ungarn, Lettland, Litauen, Griechenland, Portugal, Italien, Irland, Polen, Zypern, Bulgarien und Rumänien) liegt dieser Prozentsatz höher. In Bulgarien (64 %) und Rumänien (70 %) hat der Großteil der Erwerbsbevölkerung geringe oder keine digitalen Kompetenzen. Im Vergleich zu den Ergebnissen aus dem Jahr 2012 ist die Zahl der digital kompetenten Menschen auf dem Arbeitsmarkt bezogen auf die EU insgesamt um 1 % gestiegen. Wird die Zahl der Personen mit „grundlegenden“ Kenntnissen hinzuaddiert, ergibt sich ein Anstieg um 2 %. Rumänien und Bulgarien konnten beide einen Anstieg von 13 % verzeichnen. Die EU-weite Kluft in Bezug auf die Digitalisierung (d. h. dass die skandinavischen Mitgliedstaaten und die Niederlande im Hinblick auf die Digitalisierung deutlich besser abschneiden als neue und südeuropäische Mitgliedstaaten) ist auch bei den digitalen Kompetenzen zu beobachten.27

Abbildung 5 – Digitale Kompetenzen auf dem Arbeitsmarkt, EU-28

Quelle: Dienststellen der Kommission, gestützt auf Eurostat-Daten, 2015.28

Die Digitalisierung wirkt sich in unterschiedlicher und gegenläufiger Weise auf den Arbeitsmarkt aus. Einerseits werden Arbeitsplätze geschaffen, da neue Geschäfts-modelle, Produkte und Maschinen entstehen und Produktionskosten sinken.29 Anderer-seits kann die Digitalisierung auch Arbeitsplätze oder Aufgabenbereiche vernichten, indem diese abgeschafft oder in Länder mit geringen Arbeitskosten verlagert werden. Am stärksten sind Arbeitsplätze mit mittleren Qualifikationsanforderungen betroffen,

27 Employment and Skills Aspects of the Digital Single Market Strategy. Von der Fachabteilung A,

Generaldirektion Interne Politikbereiche der Union des Europäischen Parlaments in Auftrag gegebene Studie, 2015.

28 Europe's Digital Progress Report 2016. Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen, SWD(2016) 187 final.

29 Siehe auch: Les effets de la mondialisation: Gagnants et perdants en Europe et aux États-Unis. EPRS, 2016.

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Keine Nutzung Gering Grundniveau Über Grundniveau

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etwa im Bereich der Verwaltungsunterstützung, in der Fertigung oder bei Transport-leistungen. Die Gesamtbilanz scheint jedoch positiv auszufallen.30 Die Digitalisierung verursacht auch eine Verlagerung des Qualifikationsbedarfs; Arbeitnehmer brauchen zunehmend allgemeine und spezialisierte digitale Kompetenzen, um in ihrer neuen Arbeitsumgebung zu funktionieren.

Abbildung 6 – Digitale Kompetenzen nach Beschäftigungsstatus, EU-28

Quelle: Europäische Kommission, Anzeiger zur Digitalen Agenda, 2015.

Digitale Kompetenzen kommen in allen Arbeitsbereichen zum Tragen und sind in Berufsfeldern wie Medizin, Unterhaltung, Kommunikation und Handel unverzichtbar geworden. Sie werden jedoch nicht nur immer relevanter, weil sie bestehende Arbeits-plätze verändern, sondern auch weil sie zur Entstehung ganz neuer Arbeitsplätze beitragen. Große Sorge bereitet eine Qualifikationslücke, die durch den Aufschwung in der digitalen Wirtschaft einerseits und den gleichzeitigen Mangel an entsprechend ausgebildeten Menschen andererseits entsteht. Arbeitslose sind in besonderem Maße gefährdet, da ihre Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt stark von ihren digitalen Kompetenzen und ihrer Fähigkeit, diese zu erwerben, abhängt.

In einer Studie der Universität Oxford31 werden zwei wesentliche Auswirkungen der digitalen Entwicklung auf den Arbeitsmarkt herausgestellt: Erstens hat die Lohnungleich-heit zwischen qualifizierten und nicht qualifizierten Arbeitnehmern seit Beginn der Computerisierung in den 1980er Jahren zugenommen. Dieser Umstand ist darauf zurückzuführen, dass Computernutzung und IKT-Kompetenzen bei Arbeitnehmern in qualifizierten Berufen – insbesondere in analytischen oder interaktiven Aufgaben-bereichen – viel weiter verbreitet sind. Das Gehalt eines Mitarbeiters steigt, wenn er bei der Arbeit einen Computer verwendet, da er in größerem Maße zur Produktivität des Unternehmens beiträgt.

30 Employment and Skills Aspects of the Digital Single Market Strategy. Von der Fachabteilung A,

Generaldirektion Interne Politikbereiche der Union des Europäischen Parlaments in Auftrag gegebene Studie, 2015.

31 Digitalisation, jobs, and convergence in Europe: strategies for closing the skills gap. Oxford Martin School, Universität Oxford. Erstellt im Auftrag der GD Binnenmarkt, Industrie, Unternehmertum und KMU, Europäische Kommission, 2016.

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Zweitens sind fast alle europäischen Arbeitsmärkte von einer Polarisierung der Arbeitsplätze gekennzeichnet, die auf das Verschwinden von Aufgaben mit mittleren Qualifikationsanforderungen zurückzuführen ist. Mit dem Aufkommen neuer Computer-technologien wurden routinemäßige Aufgaben, die zum Beispiel von Montagearbeitern, Verwaltungsangestellten oder Maschinenführern ausgeübt wurden, nach und nach „wegautomatisiert“. Am unteren Ende der Einkommensskala stützt sich das Beschäfti-gungswachstum überwiegend auf Arbeitsplätze mit niedrigen und mittleren Qualifika-tionsanforderungen, für die physische Flexibilität oder soziale Interaktion erforderlich sind, wie im Falle zahlreicher Vertriebs- und Dienstleistungsberufe.

3.2. Digitale Kompetenzen von IKT-Fachkräften

Abbildung 7 – Schätzung zum Fachkräftemangel im Bereich digitale Kompetenzen, Prognoseszenario: Verteilung unbesetzter Stellen nach Mitgliedstaat

Quelle: Empirica, 2015.32

Von besonderer Bedeutung sind digitale Kompetenzen im Arbeitsmarktsegment der IKT-Fachkräfte. Zwischen 2004 und 2014 stieg die Zahl der in den EU-28-Ländern beschäf-tigten IKT-Fachkräfte um 2,9 Millionen (von 5,1 Millionen im Jahr 2004 auf 8 Millionen im Jahr 2014).33 Damit stieg der Anteil der IKT-Fachkräfte an der Erwerbsbevölkerung insgesamt um 1,2 % (d. h. von 2,5 % auf 3,7 %). Im selben Zeitraum stieg die Beschäf-tigung im IKT-Sektor durchschnittlich um mehr als 4 % pro Jahr (Verlangsamung in den Jahren 2010 und 2011). Demgegenüber verzeichnete die Gesamtbeschäftigung ein Wachstum um durchschnittlich 0,4 % pro Jahr und sank während der Wirtschafts- und Finanzkrise 2008 bis 2014 kontinuierlich. Dieser starke Anstieg der Beschäftigung von IKT-Fachkräften wurde in allen Mitgliedstaaten beobachtet. Daten der Kommission

32 E-skills in Europe. Trends and Forecasts for the European ICT Professional and Digital Leadership Labour

Markets (2015-2020). Empirica-Arbeitspapier, 2015. 33 Europe's Digital Progress Report 2016. Europäische Kommission.

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zufolge ist die Zahl der beschäftigten IKT-Fachkräfte in den größeren Mitgliedstaaten besonders hoch, nämlich in Deutschland (765 000), Frankreich (417 000), Spanien (269 000), Polen (182 000) und im Vereinigten Königreich (162 000).

Trotz des deutlichen Anstiegs der Beschäftigung von IKT-Fachkräften in der EU in den vergangenen zehn Jahren wird die Lücke zwischen dem Angebot an IKT-Fachkräften und der Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt immer größer. Prognosen zufolge könnte sich diese Lücke in den nächsten fünf Jahren verdoppeln, und zwar von 373 000 im Jahr 2015 auf 756 000 bis zum Jahr 2020.34 Derzeit bestehen die größten IKT-Qualifikationslücken in Deutschland, im Vereinigten Königreich und in Frankreich. Es wird erwartet, dass sie sich gerade auch in diesen Ländern bis 2020 noch deutlich verschärfen, vor allem weil die Zahl der Hochschulabsolventen in den IKT-Fächern nicht ausreicht, um die exponentiell steigende Nachfrage nach IKT-Fachkräften zu decken. Eine mögliche Lösung für den IKT-Fachkräftemangel bietet die Arbeitskräftemobilität. Eine auf LinkedIn-Daten gestützte Analyse hat ergeben, dass jährlich 70 000 IKT-Fachkräfte von einem Land in ein anderes ziehen, und zwar vor allem aus den ost- und südeuropäischen Ländern in die westeuropäischen Mitgliedstaaten.35

4. Maßnahmen auf EU-Ebene

Kompetenzen, Arbeitskräftemobilität und die Informationstechnologie gehören zu den vorrangigen politischen Anliegen der EU. Die Verringerung der Diskrepanz zwischen vorhandenen Kompetenzen und den Kompetenzen, die für die digitale Transformation der Wirtschaft benötigt werden, gehörte auf der EU-Ebene zu den zentralen Prioritäten des vergangenen Jahrzehnts.

4.1. Die Mitteilung „Neue Kompetenzen für neue Beschäftigungen“ von 2008

In ihrer 2008 vorgelegten Mitteilung mit dem Titel „Neue Kompetenzen für neue Beschäftigungen“36 stellte die Kommission den steigenden Bedarf an digitalen Kompe-tenzen heraus. Verschiedene miteinander verbundene Faktoren, wie die Globalisierung, der Übergang zu einer CO2-armen Wirtschaft, die Anwendung von Technologien – vor allem IKT – und Veränderungen der Arbeitsorganisation werden die Nachfrage nach besseren und angepassten Qualifikationen anregen. Im Dienstleistungssektor besteht ein eindeutiger Bedarf an einer Erweiterung des Kenntnishorizonts und an einer Aneig-nung bereichsübergreifender Kompetenzen. Zum Beispiel müssen der Mitteilung zufolge IKT-Fachkräfte auch Marketing- oder Managementkompetenzen entwickeln, während Dienstleister kundenorientiert arbeiten und über digitale Kompetenz verfügen müssen. Zudem bieten die Veränderung hin zu einer CO2-armen Wirtschaft und die steigende Bedeutung der Wissenswirtschaft, insbesondere die Verbreitung von IKT und Nano-technologien, in ganz Europa großes Potenzial für die Schaffung nachhaltiger Arbeits-plätze, für die wiederum weitere digitale Kompetenzen benötigt werden. Die Steigerung des Kompetenzniveaus ist, so wird in der Mitteilung betont, kein bloßer Luxus für die

34 E-skills in Europe. Trends and Forecasts for the European ICT Professional and Digital Leadership Labour

Markets (2015-2020). Empirica-Arbeitspapier, 2015. 35 Mobility of IT professionals: Evidence from LinkedIn. CEPS, 2015. 36 Neue Kompetenzen für neue Beschäftigungen, COM(2008) 868.

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hoch qualifizierten Arbeitnehmer im Hochtechnologiebereich, sondern eine Notwen-digkeit für alle.

4.2. Die Digitale Agenda 2010

Ziel der Mitteilung der Kommission „Eine Digitale Agenda für Europa“ aus dem Jahr 201037 – eine der Leitinitiativen der Strategie Europa 2020 für intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum – war es, bis zum Jahr 2020 eine funktionierende digitale Wirtschaft zu verwirklichen. Die Agenda beinhaltet Strategien und Maßnahmen, die dafür sorgen sollen, dass die Vorteile des digitalen Zeitalters allen Bereichen von Wirtschaft und Gesellschaft zugutekommen. Im Mittelpunkt der Agenda stehen sieben vorrangige Maßnahmenbereiche: Verwirklichung eines digitalen Binnenmarkts; verstärkte Interoperabilität; Förderung von Vertrauen in das Internet und Sicherheit im Internet; ein schnellerer Internetzugang; mehr Investitionen in Forschung und Entwicklung; Verbesserung der digitalen Kompetenzen und Qualifikationen sowie der digitalen Integration; und Nutzung der IKT zur Lösung gesamtgesellschaftlicher Heraus-forderungen wie Klimawandel und Bevölkerungsalterung.

Ferner wurde die Einführung von Indikatoren für die Messung der digitalen Kompetenz in Europa als notwendig erachtet. Dementsprechend sah eine der Maßnahmen im Rahmen der Digitalen Agenda vor, bis 2013 EU-weite Indikatoren für digitale Kompetenz und Medienkompetenz vorzuschlagen.38 Nach einer Überprüfung der im Dezember 2012 durchgeführten Initiative wurden sieben neue Schlüsselmaßnahmen formuliert. Diese betreffen vor allem die Förderung digitaler Infrastrukturen, die Verbesserung der gesetz-lichen Rahmenbedingungen, die Förderung digitaler Kompetenzen und Arbeitsplätze sowie die Umsetzung zielgerichteter Strategien in den Bereichen Cybersicherheit, Cloud-Computing und Mikroelektronik. Im Januar 2014 waren über 90 % der in der Leitinitiative vorgesehenen Maßnahmen abgeschlossen oder planmäßig eingeleitet.39

4.3. Die Große Koalition für digitale Arbeitsplätze

Im März 2013 brachte die Kommission die Große Koalition für digitale Arbeitsplätze40 auf den Weg, eine Partnerschaft diverser Interessengruppen, deren Ziel es ist, die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Bildungseinrichtungen sowie zwischen öffentlichen und privaten Akteuren zu erleichtern. Mit der Initiative werden zwei Ziele verfolgt: i) Bekämpfung des Mangels an digitalen Kompetenzen in Europa und ii) Besetzung der zahlreichen freien Stellen in IKT-relevanten Bereichen (je nach Szenario wird geschätzt, dass die Zahl der unbesetzten Stellen in allen Wirtschaftszweigen bis 202041 steigen und sich auf 700 000 bis 900 000 Stellen belaufen wird).

Die Große Koalition für digitale Arbeitsplätze ist das bisher umfassendste Gemeinschaftsprojekt in Europa, das ins Leben gerufen wurde, um gemeinsam mit der Industrie mehr Schulungs- und Weiterbildungsangebote im IKT-Bereich zu schaffen, Arbeitsvermittlungsprogramme umzusetzen, digitale Abschlüsse und Lehrpläne aller Ebenen und für jede Form der Aus- und Weiterbildung anzugleichen und junge

37 Eine Digitale Agenda für Europa, KOM(2010) 245. 38 Maßnahme 62. 39 Bestandsaufnahme der Strategie Europa 2020 für intelligentes, nachhaltiges und integratives

Wachstum, COM(2014) 130, Anhänge 1 bis 3. 40 Siehe die Große Koalition für digitale Arbeitsplätze, Europäische Kommission. 41 E-skills for jobs in Europe: Measuring progress and moving ahead, 2014.

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Menschen zum Studium der IKT-Fächer und einer entsprechenden Berufswahl zu motivieren.

Bis heute hat die Große Koalition etwa 60 Zusicherungen von mehr als 100 Beteiligten eingeholt. In 13 Ländern wurden nationale Koalitionen eingeführt und weitere sind zu erwarten. Seit ihrem Start wurden im Rahmen der Großen Koalition einschließlich der 13 nationalen Koalitionen42 mehr als zwei Millionen Menschen geschult. Sie hat geholfen, Strukturen im Bereich der Entwicklung digitaler Kompetenzen zu flexibilisieren und hat die Zusammenarbeit zwischen Regierungen, dem Bildungssektor und der Wirtschaft gefördert.

4.4. Die Strategie für einen digitalen Binnenmarkt

In seiner Antrittsrede vor dem Europäischen Parlament am 15. Juli 2014 erklärte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, dass durch die Verwirklichung eines vernetzten digitalen Binnenmarktes hunderttausende neue Arbeitsplätze – vor allem für junge Arbeitssuchende – geschaffen werden könnten. Der digitale Binnenmarkt kann eine enorme Wirkung auf den Arbeitsmarkt und die Gesellschaft insgesamt haben. In ihrer Mitteilung mit dem Titel „Strategie für einen digitalen Binnenmarkt für Europa“43 erklärte die Kommission ihre Absicht, eine europäische digitale Wirtschaft und Gesellschaft mit Wachstumspotenzial aufzubauen. Eine inklusive digitale Gesellschaft, in der die Bürgerinnen und Bürger die nötigen Kompetenzen besitzen, um die Möglichkei-ten des Internets zu nutzen und ihre Beschäftigungschancen zu erhöhen, ist dabei ein wichtiger Aspekt.

4.5. Die neue Agenda für Kompetenzen 2016

Im Juni 2016 verabschiedete die Kommission eine neue und umfassende europäische Agenda für Kompetenzen44. Sie zielt darauf ab, die Qualität und Relevanz der Vermittlung von Kompetenzen von der Primarstufe bis zum lebenslangen Lernen zu verbessern und soll verhindern, dass Menschen den Anschluss verlieren. Dies wird letztendlich zur Ver-besserung der Beschäftigungsfähigkeit und der Wettbewerbsfähigkeit sowie zum Wachstum in Europa beitragen. Außerdem sollen die Darstellung der erworbenen Kompetenzen und die Vergleichbarkeit von Land zu Land verbessert werden; die Erfassung von Daten über Kompetenzen soll ebenfalls verbessert werden, damit Entwick-lungen leichter antizipiert werden können und Menschen die Entscheidung bei der Berufswahl erleichtert wird. Dieser Schwerpunkt schlägt sich in der Einführung der in der neuen Agenda für Kompetenzen vorgestellten Kompetenzgarantie45 und der Über-prüfung des europäischen Qualifikationsrahmens46 nieder.

42 Nationale Koalitionen wurden in Belgien, Bulgarien, Zypern, Griechenland, Italien, Lettland, Litauen,

Malta, den Niederlanden, Polen, Portugal, Rumänien und im Vereinigten Königreich eingerichtet. 43 Strategie für einen digitalen Binnenmarkt für Europa, COM(2015) 192. 44 Neue europäische Agenda für Kompetenzen, COM(2016) 381. 45 Die Kompetenzgarantie wurde eingeführt, um Erwachsenen mit geringen Kompetenzen beim Erwerb

rudimentärer Lese-, Schreib- und Rechenfertigkeiten sowie digitaler Kompetenzen und/oder eines Abschlusses auf Niveau der Sekundarstufe II zu helfen.

46 Der Europäische Qualifikationsrahmen (EQR) ist ein Übersetzungsinstrument, das die Kommunikation und den Vergleich zwischen Qualifikationssystemen in Europa erleichtert. Seine acht gemeinsamen Referenzniveaus werden im Hinblick auf Lernergebnisse beschrieben: Kenntnisse, Fertigkeiten und Kompetenzen. So lassen sich alle nationalen Qualifikationssysteme, nationalen Qualifikationsrahmen (NQR) und Qualifikationen in Europa mit den EQR-Niveaus vergleichen.

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Wie oben erläutert wurde die Kompetenzgarantie eingeführt, um Erwachsenen mit geringen Kompetenzen beim Erwerb rudimentärer Lese-, Schreib- und Rechenfertig-keiten sowie digitaler Kompetenzen und eines Abschlusses auf Niveau der Sekundar-stufe II zu helfen. Mit der neuen Agenda für Kompetenzen war auch eine Überprüfung des Europäischen Qualifikationsrahmens verbunden, um ein besseres Verständnis der EU-weit vorhandenen Qualifikationen sicherzustellen. Außerdem wurde zur Verbesse-rung kompetenzrelevanter Informationen und zur Optimierung von Prognosen in spezifischen Wirtschaftszweigen vorgesehen, einen Plan für die sektorspezifische Zusammenarbeit im Bereich Kompetenzen zu entwerfen. Zu den weiteren Maßnahmen gehörten die Schaffung eines Instruments für die Ermittlung der Kompetenzen und Qualifikationen von Migranten, auch Asylbewerbern und Flüchtlingen; die Bildung einer Koalition für digitale Kompetenzen und Arbeitsplätze, die auf der Großen Koalition für digitale Arbeitsplätze aufbauen sollte; die Überarbeitung des Europass-Rahmens, der Menschen dabei hilft, ihre Kompetenzen zu präsentieren und Echtzeit-Informationen über Bedarf und Entwicklungen EU-weit zu erhalten; eine Initiative, um die berufliche Aus- und Weiterbildung zur ersten Wahl zu machen; eine Überprüfung der Empfehlung von 2006 zu Schlüsselkompetenzen mit dem Ziel, zum einen ein gemeinsames Verständ-nis der aktuellen Lebens- und Arbeitserfordernisse zu entwickeln und zum anderen die Entwicklung, Bewertung und Validierung von Kompetenzen zu erleichtern, die auf nicht formale und informelle Weise (zum Beispiel durch Freiwilligenarbeit, in betrieblichen Schulungen oder über das Internet) erworben wurden; die Einleitung einer Initiative zur Verbesserung der Informationen über die Fortschritte von Absolventen auf dem Arbeitsmarkt.

5. Mögliche Verbesserungen

5.1. Strategische Methoden zur Förderung digitaler Kompetenzen und Arbeitsplätze

Die Entwicklung hin zu einer digitalen Wirtschaft und Gesellschaft wird durch mehrere Initiativen auf europäischer und einzelstaatlicher Ebene unterstützt, etwa durch die Förderung des digitalen Unternehmertums. In allen EU-28-Ländern werden – wenngleich in sehr unterschiedlichem Maße – zudem mehr als 100 nationale Strategien umgesetzt, die im weitesten Sinne auf die Entwicklung und wirksame Nutzung digitaler Kompeten-zen ausgerichtet sind.47

Dem „Skills Strategy Framework“48 der OECD zufolge (ein Rahmen, in dem eine strategische Methode zur Ankurbelung von Beschäftigung und Wachstum bei gleich-zeitiger Förderung von Integration und Teilhabe vorgestellt wird) lassen sich wirtschaftlicher Wohlstand und sozialer Zusammenhalt verbessern, wenn Kompetenz-systeme in dreierlei Hinsicht gestärkt werden:

Entwicklung relevanter Kompetenzen, indem 1. die Menschen dazu ermutigt und befähigt werden, lebenslang die richtigen Kompetenzen zu erwerben, 2. die internationale Mobilität von Menschen mit Kompetenzen gefördert wird, damit

47 Employment and Skills Aspects of the Digital Single Market Strategy. Von der Fachabteilung A,

Generaldirektion Interne Politikbereiche der Union des Europäischen Parlaments in Auftrag gegebene Studie, 2015.

48 Skills for a Digital World. Hintergrundbericht zum Ministertreffen über die digitale Wirtschaft. OECD, 2016, S. 14.

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Qualifikationslücken gefüllt werden und 3. grenzüberschreitende kompetenz-politische Maßnahmen gefördert werden;

Aktivierung des Kompetenzangebots, indem 1. die Menschen ermutigt werden, ihre Kompetenzen auf dem Arbeitsmarkt anzubieten und 2. Menschen mit Kompetenzen auf dem Arbeitsmarkt gehalten werden;

wirksame Nutzung von Kompetenzen, indem 1. die Kompetenzen von Menschen und die Anforderungen an ihrem Arbeitsplatz besser aufeinander abgestimmt werden und 2. die Nachfrage nach hoch entwickelten Kompetenzen gesteigert wird.

Um relevante Kompetenzen zu entwickeln, müssen die schulischen Lehrpläne und die IKT-Infrastrukturen an die digitalen Veränderungen angepasst werden; gleichzeitig müssen die IKT-Kompetenzen benachteiligter Bevölkerungsgruppen – zum Beispiel von Jugendlichen, der weder in Arbeit noch in Ausbildung sind, von Frauen oder Arbeits-losen – gefördert werden. Ein gutes Beispiel ist diesbezüglich das in Irland eingeführte „Fast Track for Information Technology“-Programm für Langzeitarbeitslose (FIT)49.

Was ist FIT?

Das FIT-Programm („Fast Track for Information Technology“-Programm für Langzeitarbeitslose) ist eine gemeinnützige Initiative, bei der Branchenvertreter mit Regierungsstellen und nationalen Bildungs- und Schulungseinrichtungen zusammenarbeiten, um Nachwuchskräfte für den techni-schen Sektor zu gewinnen. Dazu werden technologiebasierte Programme und berufliche Entwicklungsmöglichkeiten für Arbeitsuchende in Irland entwickelt und gefördert. Bislang haben mehr als 18 000 Arbeitsuchende FIT-Programme zur Kompetenzentwicklung absolviert; mehr als 13 500 von ihnen haben inzwischen hochwertige Arbeitsplätze gefunden.

Die internationale Mobilität von Arbeitnehmern mit (hohen) IKT-Qualifikationen wird durch internationale Netzwerke wie das EURES-Portal zur beruflichen Mobilität50 unter-stützt. Ziel dieses Kooperationsnetzwerks ist die Verbesserung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer in den EU-28-Ländern sowie in der Schweiz, in Island, Liechtenstein und Norwegen. EURES bietet seine Leistungen über ein Internetportal und ein Netzwerk von rund 1 000 in ganz Europa vertretenen Beratern an, die Kontakte zu Arbeitssuchenden und Arbeitgebern pflegen.

Eine Möglichkeit zur verstärkten Aktivierung des Kompetenzangebots sind innovative Arbeitsplätze: Arbeitsorganisationen können ihren Mitarbeitern mehr Raum für Innovation geben, etwa indem sie kreative Projektteams bilden. Ein Praxisbeispiel ist in diesem Zusammenhang der Technologiepakt 2020 in den Niederlanden, der darauf ausgerichtet ist, technische Arbeitskräfte durch Um- und Weiterqualifizierungs-maßnahmen im IKT-Sektor zu halten.51

49 Siehe Fast Track for Information Technology programme for long-term unemployed (Beschleunigtes

Programm zur Förderung von Langzeitarbeitslosen im Bereich der Informationstechnologie). 50 Siehe EURES, das europäische Portal zur Beruflichen Mobilität. 51 Siehe Niederländischer Technologiepakt 2020.

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Technologiepakt 2020

Der Technologiepakt 2020 wurde ins Leben gerufen, um 30 000 zusätzliche Absolventen techno-logischer Studiengänge pro Jahr zu gewinnen, die zur Deckung der steigenden Nachfrage nach technologischen Fachkräften in den Niederlanden gebraucht werden. Der Technologiepakt beruht auf dem gemeinsamen Engagement von Bildungsträgern, Arbeitgebern, Arbeitnehmern, den wichtigsten Branchen sowie den regionalen und zentralen Regierungsstellen und umfasst im Wesentlichen drei bis zum Jahr 2020 angelegte Maßnahmenbereiche. Zielsetzung ist, mehr Schüler von der Wahl eines technischen Studiengangs zu überzeugen, sicherzustellen, dass mehr Studenten mit technischer Qualifikation einen technologischen Beruf ergreifen und Mitarbeiter im Technologiesektor zu halten, indem beispielsweise alternative Beschäftigungsmöglichkeiten für technologische Fachkräfte gesucht werden, deren Arbeitsplätze bedroht sind.

Lebenslanges Lernen, betriebliche Weiterbildung und eine kontinuierliche berufliche Weiterentwicklung sind wirksame Wege, um Kompetenzen effizient zu nutzen und ihre Abwertung zu verhindern. Ein gutes Beispiel ist in diesem Zusammenhang das COMPETIC-Projekt in der belgisch-französischen Grenzregion.52

COMPETIC

Die COMPETIC-Initiative soll helfen, Aus- und Weiterbildungsprogramme besser auf die Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt auszurichten. Die Partner dieses Programms versuchen zu ermitteln und zu antizipieren, welche Arbeitsplätze und Kompetenzen für die Entwicklung der digitalen Industrie in der belgisch-französischen Grenzregion entscheidend sind. Auf Basis dieser Erkenntnisse bemühen sie sich, Schulungseinrichtungen entsprechend zu unterstützen und deren Angebot kontinuierlich an den Bedarf des Sektors anzupassen. Ferner versuchen sie, durch Sensibilisierungsmaßnahmen und Informationskampagnen das Interesse junger Menschen und Arbeitssuchender an den digitalen Sektoren zu wecken und zu fördern.

5.2. Die Rolle der digitalen Technologien

Die digitalen Technologien eröffnen Einzelpersonen, Arbeitnehmern oder Arbeit-suchenden neue Möglichkeiten, ihre digitalen Kompetenzen, und dementsprechend auch ihre Beschäftigungschancen im digitalen Sektor zu verbessern. Da diese Techno-logien räumliche und zeitliche Beschränkungen aufheben, entstehen zahlreiche neue Chancen für selbständiges Lernen und die kontinuierliche berufliche Weiterent-wicklung.53 So sind offene Online-Kurse („Massive open online courses“, MOOC) zum Beispiel eine gute Möglichkeit zur Weiterentwicklung von Kompetenzen im Sinne des lebenslangen Lernens, um dem langfristigen Kompetenzbedarf Rechnung zu tragen. Offene Online-Kurse können bei wissenschaftlichen Trägern oder Plattformanbietern (z. B. Coursera54 und EdX55), Anbietern von Lernsoftware für Unternehmen (z. B. Udemy56 oder Skillsoft57), Anbietern beruflicher Weiterbildungsprogramme (z. B. Udacity58 und FutureLearn59) oder staatlichen Arbeitsvermittlungsstellen (z. B. Pôle

52 Siehe COMPETIC. 53 OECD: Skills for a Digital World. Hintergrundbericht zum Ministertreffen über die digitale Wirtschaft,

2016. 54 Siehe Coursera, Online-Kurse führender Hochschulen. 55 Siehe EdX, kostenlose Online-Kurse der besten Hochschulen der Welt. 56 Siehe Udemy, Online-Lernplattform. 57 Siehe Skillsoft, weltweit führender E-Learning-Anbieter. 58 Siehe Udacity, kostenlose Online-Kurse und „Nanodegree“-Abschlüsse. 59 Siehe FutureLearn, kostenlose Online-Kurse.

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Emploi in Frankreich60) absolviert werden. Solche Organisationen haben das Potenzial, Defizite auf dem Arbeitsmarkt auszugleichen und Qualifikationslücken zu schließen – gerade auch in Bereichen, die einem raschen Wandel unterliegen, wie digitale Kompetenzen.

6. Wichtigste bibliografische Angaben

E-skills in Europe. Trends and Forecasts for the European ICT Professional and Digital Leadership Labour Markets (2015-2020). Empirica-Arbeitspapier, 2015.

Skills for a Digital World. Hintergrundbericht zum Ministertreffen über die digitale Wirtschaft. OECD, 2016.

Europe's Digital Progress Report 2016. Europäische Kommission.

Measuring Digital Skills Across the EU: EU-wide indicators of Digital Competence. Europäische Kommission, 2014.

Employment and Skills Aspects of the Digital Single Market Strategy. Von der Fachabteilung A, Generaldirektion Interne Politikbereiche der Union des Europäischen Parlaments in Auftrag gegebene Studie, 2015.

Mobility of IT professionals: Evidence from LinkedIn. CEPS, 2015.

DigComp: A Framework for Developing and Understanding Digital Competence in Europe. Joint Research Centre, 2013.

Digitalisation, jobs, and convergence in Europe: strategies for closing the skills gap. Oxford Martin School, Universität Oxford. Erstellt im Auftrag der GD Binnenmarkt, Industrie, Unternehmertum und KMU. Europäische Kommission, 2016.

Eine Digitale Agenda für Europa, KOM(2010) 245.

Bestandsaufnahme der Strategie Europa 2020 für intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum, COM(2014) 130.

Neue europäische Agenda für Kompetenzen, COM(2016) 381.

60 Siehe Pôle emploi.

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