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A cta hi st ochem. Bd. 56, S. 18-23 (19 76)
Aus dem Anatomisch en Institut (Direk tor : Prof. Dr. G. GEYER)
und del' HNO-Klinik (Direktor: Prof. Dr. R. ALBRECHT)de r Friedrich·Schilier-Univer sit at Jena
Die Verwendbarkeit emer Niederdruckperfusionsmethodefur enzymhistochemische Untersuchungen der Cochlea,
dargestellt am Beispiel der NADH-Diaphorase 1) 2)
A low pressure perfusion method suitable for enzyme histochemical studies on thecochlea exemplified with the demonstration of NADH-diaphorase activity
Von REINHARD QUADE
)l it 2 Ab bildungen
(E ingegangen am 10. Juni 1975)
Zusammenfassung
Am Beisp iel des Nachweises der NADH.Diaphorase wird d ie Verwendbarkei t eine r N iederdruckperfusionsmethode fiir en zymh is t och em is cho R eaktionen an der Cochlea d es M eerschweinchens e r
probt , Durch Messung des Mikrophonpotentials wahrend del' P erfusion laOt sich nachweisen, dall esauch bei E inleitung von Inkubationsmedien unter den neu en Versuehsbedingungen nicht zu e inerwes entl ichen che m ischen od er mechanischen Sch ad igung der Haarzell en kornmt . Di e Ak tivita tendel' NADH.Diaphorase la ssen sich hauptsac hlich an den Haa rzellen und den Nervenfasern im Berei ch des Cortischen Or gans nachweisen. Bemerkenswert s in d auch di e erheblichen Ak t ivit liten an
den Boet tcherzell en.
Summary
The use of a low pressure perfusion method for en zyme hi stochemical reactions in the coch lea.
of guinea p ig is proved in the case of the demonstration of the NADH-diaphorase. It wa s shown by
measuring of the microphoni c potentials during the perfusion, that the perfusion medias caus ed
practically n o chemical or mechanical defect ion s of the hair cells under the ne w condit ions of working.
The activities of the NADH.diaphorase were demonstrated mainly in the hair cells and in the nervous
fibres of the organ of Corti . A remarkable NADH-diaphorase activ ity wa s detected in the Boettcher
ce lls too.
Friihere Untersuchungen zum histochemischen Nachweis von Dehydrogenasen inder Cochle a des Meerschweinchens wurden mit einer Perfusionsmethode unter Anwendung eines Druckes von etwa 70 cm H 20.SauIe ausgefiihrt (QUADE und GEYER
1973) . Bei dieser relativ hohen Druckbelastung lieB sich eine Schadigung zellularer
1) Forschungsauftrag des Ministeriums fur Gesundheitswesen.2) Meiner verehrten Lehrerin Frau Professor Dr. R. Albrecht gewidmet.
Die Vorwondba.rkeit einer Niederdruckperfusionsmethode 19
Bestandteile nicht ausschlieBen. Somit blieb die Frage offen, ob die gefundene enzymatische Verteilung tatsachlich mit der in vivo vorliegenden Enzymaktdvitat iibereinstimmt, bzw. welche artefiziellen Veranderungen durch Schadigung del' Zellen oderihrer Bestandteile hervorgerufen wurden.
Zur Uberprufung diesel' Frage haben wir eine von BERND']' et al. (1973, 1974) entwickelte Perfusionsmethode auf ihre Eignung fur enzymhistochemische Nachweisreaktionen an del' Cochlea des Meerschweinchens untersucht.
Fur diese Studien wurde wegen ihrer zentralen Bedeutung bei del' Energiegewinnung del' Zelle die NADH-Diaphorase als Modell del' Wasserstoffubertragung in del'Atmungskette als Hauptort del' oxydativen Phosphorylierung gewahlt.
Zum Vergleich del' Ergebnisse werden die mit del' bisher verwendeten, von unsgeringfUgig abgewandelten Perfusion nach GEHRHARDT (1961) erzielten Aktivitatsmuster des gleichen Enzyms herangezogen. Hierbei erfolgte die Perfusion tiber einenin das runde Fenster eingekitteten Polyathylenschlauch bei ge6ffnetem ovalem Fenster und einer apikal angelegten Bohrung unter einem Druck von 70 em H 20-Saule
(QUADE und GEYER 1973; GUTTMACHER et al. 1973).
Material und Methode
Nach geringer Veriinderung der Versuchsbedingungen fur unsere Belange wurde die Methode
naeh BERNDT et al. (1973, 1974) im wesentlichen reproduziert.
An insgesamt 12 Meerschweinchen wurde in Urethan-Ather-Narkose vom rotroaurioular-sub
mandibularen Schnitt die Cochlea freigelegt und eine Bohrung mit einem Durchmesser von etwa
200 pm dureh die Knochenkapsel in die Scala tympani als Ausf'Iulsoffnung etwa 0,5 mm vom Randodes runden Fensters entfernt angelegt. Die Scala vestibuli wurde mit einer zweiten Bohrung mit
einem Durehmesser von 100 pm direkt gegenliber versehen, eine Glaskapillare eingeklebt und hier
durch das Inkubationsgemisch porfundiert. Es gelangte aus der Scala vestibuli uber das Helikotremain die Scala tympani und trat durch die dort angelegte Bohrung aus. Die Perfusion geschah mit
einer Schlauchpumpe vom VEB Medizin- und Laborteohnik Leipzig unter dem mit diesem Gerat
kleinstmogl ichen Druck von 5 em H 20-Saule.
Der NADH-Diaphorase-Nachweis erfolgte mit dem Inkubationsmedium nach OGAWA und BARR
NETT(1965) mit TNBT als Indikator bei 25 min Inkubationszeit. Zur Spezifitatskontrolle wurde sub
stratfrei inkubiert oder unter Zusatz von 5 mM Monojodessigsaurc zum Inkubationsmedium oder
mit 10-4 M Kupforacetatlosung jeweils 5 min vorbehandelt. Unmittelbar nach Beendigung dor In
kubation erfolgte die Perfusionsf'ixierung mit 4%igem Formol in 0,1 M Phosphatpuffer (pH = 7,4)
5 min lang und nach Praparat.ion der Cochlea aus dem Felsenbein heraus die Immersionsfixierung
16 h lang mit dem gleichen Fixierungsmittel. Die Entkalkung erfoglte 14 Tage lang bei 20°C in
neutral gepufferter EDTA.Losung mit Umwalzung durch Luftblasen. Danach wurde in Polyathylon
glykol 600 nach HALBHUBER und GEYER (1966) eingebettet, am Gefriermikrotom 15 pm geschnitton
und in Glyceringelatine eingedeckt.
Ergebnisse
Nach Anwendung del' neuen Perfusionsmethode zeigt sich im Gewebe del' Cochleaein Verteilungsmuster an NADH-Diaphorase-Aktivitat, das demjenigen in allen Einzelheiten entspricht, das nach del' von uns fruher angewendeten Methode beobachtetwurde (Q.UADE und GEYlm 1973).
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Abb. 1. Cortisches Organ nach NADH-Diaphorase-Reaktion durch Perfusion nach BERNDT et al.Positive Haarzellen, Tunnelspiralbundel, Tunnelfaser und auf3ere Spiralfasern sowie kraftige Farbung
der Boettcherzellen. 530: 1.
Abb. 2. Innere und auf3ere Haarzellen nach NADH-Diaphorase-Reaktion, iiuf3ere Spiralfasern eben
falls poaitiv, 800: 1.
Die Verwendbarkeit einer N iederdruckperfusionsmethode 21
Im Cortischen Organ sind die inneren und iiuBeren Haarzellen stark positiv undaIle Stiitzzellen negativ, wiihrend die Boettcherzellen kriiftige Formazandepots aufweisen. Bei allen Priiparaten fiillt eine deutliche Zunahme der Aktivitiiten in deninneren und iiuBeren Haarzellen von der basalen Windung zum Helicotrema hin auf.
Die iiuBeren Spiralfasern, das Tunnelspiralbiindel und die Tunnelfasern sind auffallend stark angefiirbt, der N. acusticus zeigt eine erhebliche Diaphoraseaktivitiit.Die Nervenendigungen unter den iiuBeren Haarzellen sind negativ, die unter deninnerenHaarzellen positiv. ReiBner-Membran, Interdentalzellen und perilymphnaheAnteile des Ligamentum spirale im Bereich der Scala vestibuli vor allem am Ansatzder ReiBner-Membran sind in teilweise schwankender Intensitiit positiv. Stria vascularis und Ganglienzellen des Ganglion spirale weisen keinerlei Aktivitiit auf.
Bei substratfreier Inkubation trat ein geringer unspezifischer Reaktionsanteil imBereich der inneren Haarzellen bei negativen iiuBeren Haarzellen und angedeutetpositiven Boettcherzellen auf. N. acusticus, ReiBner-Membran und Prominentia spiralis sowie Ligamentum spirale im Bereich der Scala vestibuli zeigten ebenfalls geringeAktivitaten.
Nach den Kontrollreaktionen mit Kupferacetat und Monojodessigsiiure fandensich auch in diesen Anteilen der Cochlea keine Reaktionsprodukte.
Diskussion
Die Verteilung der mit der besprochenen Methode nachgewiesenen Aktivitatcn entspricht im
wesentlichen den Ergebnissen in der Literatur (u. a. VOSTEEN 1957; GEHRHARDT 1962; NOMURA und
BALOGH 1964).
Da es sich hier urn eine intravitale Perfusion handelt, entspricht das Fehlen der mit anderenMethoden nachweisbaren Akt.ivitatr n in Stria vascularis und Ganglion spirale durchaus den Erwartungen (SpoENDLrN und BALOGH 1963a, b, 1964; QUADE und GEYER 1973; GUTTMACHER, QUADEund GEYER 1973) und ist nach neueren Permeabilitatsuntersuchungen mit Tracermolekulen (u. a.
ILBERG 1968; JAHNKE 1973) auch erkltirbar.
Die erheblichen Akt.ivit.aten an NADH-Diaphorase in dr n Bcettcherzellen waren bisher unbekannt.
Uber die Funktion dieser Zellen ist man sich noeh nicht im klaren. Nach ISHrYAMA, CUTTund KEELS
(1970) konnten sie sowohl sekretorisch als aueh resorbierend wirken, was mit einer hohen Akt.ivitabeines Enzyms dor Atmungskette durohaus vereinbar ist.
Der hohe unspezifische Anteil en Formaaanablagorungcn, welcher der intravitalen Perfusion vor
allem durch SCH.~TZLE (1971) angelastet wird, spielt nach unseren Erfahrungen lediglich bei groJ3eren
Uberschreitungen der optimalen Reakticnszeitcn eine Rolle. Diose und andere Moglichkeiten der
unspezifisehen Anfarbung von Geweben sind jedoch auch anderen enzymhistochemischen Reaktionen
eigen und sprechen nicht gegen die Verwendbarkeit der Perfusicn.
So spielen unspezifische Reduktionen der Tetrazoliumsalze im Inkubationsmedium durch protein
gebundene SH-Gruppen und enzymatische Faktoren, die unter dem Begriff, ,nothing dehydrogenase"
Effekt (GEYER 1973) bekannt sind, vor allem bei pH-Werten weit im Alkalischen eine Rolle (pH =
8,0 bis 11,0), was weit vom pH der NADH-Diaphorase-Reaktion (pH = 7,6) und der anderen De
hydrogenase-Nachwoise entfernt liegt.
Die Bedeutung der neuen Methode liegt vor allem darin, daJ3 es BERNDT et al. (1973, 1974) ge
lungen war, wahrend der Perfusion von Eiektrolytlosungen durch Messung der "cochlear micro
phonics" (CM) bei Schallbelastung des narkotisierten Tieres die Funktion der Haarzellen zu kontrol-
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lieren. Da es wahrend des Versu ch s ni cht zu e inem wesentlichen Absinken del' CM kam, konnte mit
del' Erhaltungder H aarzellfunkt ion gerechnet werden. Die R estakt.ivitaten del' CM aus anderen Be
st an dtci len des Ductus coch learis , z . B . des Epithels del' Stria vascularis, wiirden bei Erlosch en del'
H aarzellfunktion jedenfalls ei n erhebliches Absinken del' Cl\l n icht vcrhindem ko nnen,
U ngek la rf war jedoch di e Frage, wi e di e Cl\l di e Perfusion von Inkubationsmedien fiir enzymh isto
chem ische Nachweise toler ieren wii rd en. Nach orientierenden Untersuchungen kam es bei P er
fusion v on Inkubationsmedium (bi s zu 60 min lang) zum Nachwei s v on Suecinatdehydrogenase nach
OGAWA und BARRNETT (1965) ni cht. zu e ine m Abfall del' Cl\l (GElIRlIARDT, BERNDT, l\IEYER und
BER GMANN 1974) . D am it kann a ls wahrsch einlich gelten, dall a uch durch di e Einleitung derartiger
Inkubationsmedien im Rahmen dol' gobrauchlichen R eaktionsze it en eine wesentliche m echanisch e
od or chem ische Schadigung del' Haarzell en ni cht eintritt .
Durch die Ubereinstimmung del' Aktivitlitsmuster nach Anwendung del' Perfusion nach GEHR
HAUDT (196 1) und nach Einsatz dol' Methode 118ch BERNDT et al , (1973,1974) wi I'd zunlichst nach
go wiesen , dall fur di e lichtmikrosk opischen Zwecke beide Verfahren geeignet sind. Wegen del' a us
gosprochen schonen den Bedingungen und del' Mogliohkoit. de s ob jok tive n Nachweises einer Schadi
g Ullg wahrend des Versuches ist di o Methode nach BERNDT et a l, (1973 , 1974) im allgemeinen und
besonders fur elek t r onenmikroskopi sche Untersuch ungen jedoch vorzuziohen.
Fiir die Moglich koit del' Erlernung del' Praparat ionstechni k zur Anwendung de l' neuen P erfusions
m ethod e danke ich H er m Prof. Dr. GERRHARDT und H er m Dr. BERNDT, HNO-Klin ik del' Charite
B erlin, r echt he rzlich. Herm Prof. GEYER wird fu r die Unterstiitzung wahrend del' Untersuchungen
gedank t .
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