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Die Macht der Sirianer+rtf

Date post: 04-Jan-2017
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Die Macht der Sirianer

Zukunftroman von

CH. Spencer

Scan by Kantiran 05/2010 für Morebookz, K-Leser Thora

n einem trüben Novembertag gingen zwei in warme Mäntel gehüllte Männer über die Park Avenue der Hauptstadt

Washington der Vereinigten Staaten von Terra. Ein kalter Wind pfiff an den Plastikfronten der mächtigen Büro- und Geschäftshäuser vor-bei, deren hell erleuchtete Fenster mit den prachtvollen Auslagen aller Herren Länder dem unangenehmen Wetter nur wenig von seiner Bis-sigkeit zu nehmen vermochten. — Niemand achtete auf die beiden Gestalten, die mit hochgeschlagenem Mantelkragen durch die Straßen schritten und den raffinierten Werbemethoden eines psychologisch geschulten 23. Jahrhunderts nach Chr. keine Beachtung schenkten.

Jetzt wandte sich einer der zwei Männer an seinen Begleiter. »Haben Sie irgendeinen Fehler in meinem Plan gefunden? Sie

wissen ja sehr genau, welche Gefahr für unser ganzes Reich diese geheimnisvolle Sekte bedeutet. Leider habe ich im Augenblick noch keine gesetzliche Möglichkeit, gegen die Bande einzuschreiten. Un-sere ruhmreiche Demokratie hat doch beachtliche Schattenseiten.«

Sein Begleiter überlegte einen Moment und meinte dann mur-melnd, so daß die wenigen Passanten überhaupt nichts von dem Ge-spräch bemerkten.

»Ich habe Ihre Vorschläge nach allen Richtungen hin überprüft. Meine Ansicht ist, daß diese Sekte außerirdischen Ursprungs viel-leicht gar nicht aus unserem Kolonialsystem stammt. Zweifellos werden die Männer von den Geschworenen verurteilt werden. Der Offizialverteidiger hat zwar sein Bestes getan, aber es dürfte ihm kaum gelungen sein, das enge Netz der Anklage zu durchbrechen.« Der andere grinste boshaft.

A

»Meinen Sie etwa, Grant, ich hätte das vorliegende Material mo-natelang von meinen besten Agenten umsonst frisieren lassen? Der Geschworene, der nicht sein ,schuldig’ spricht, bringt sich selbst um Kopf und Kragen.

Staatsanwalt Mclntire ist Ihnen ja bekannt. Haben Sie übrigens den Verteidiger schon einmal gesehen?«

»Bestimmt nicht, obwohl mir irgend etwas in dem Gebaren des Mannes geläufig ist.«

»Gut, gut, Grant! Wenn Sie den Burschen nicht erkannt haben, wird ihn auch kein anderer durchschauen. Es ist Hastings!«

»Aber Sir! Hastings ist doch vor einem Vierteljahr bei einem Verkehrsunglück ums Leben gekommen. Ich habe doch jahrelang mit ihm zusammen gearbeitet.«

»Nehmen Sie sich’s nicht zu Herzen, lieber Grant. Der Mann hat eine so gründliche Veränderung seines äußeren und inneren Menschen hinter sich bringen müssen, daß ihn seine eigene Mutter nicht mehr erkennen würde. Niemand darf das Lügennetz auch nur im entfernte-sten anzweifeln, sonst kommen wir nie an die Führer der Sekte heran. Aber still jetzt, wir sind gleich da! Geben Sie sich ganz als nur an der Sensation Interessierter. Ich hoffe, daß mir keiner der Männer schlapp macht, denn für die Durchführung meines Planes benötige ich ganze Kerle.«

Die beiden steuerten auf das weit ausladende Portal zu, über dessen Deckenbegrenzung in gelben Leuchtbuchstaben das Wort »Reichs-gerichtshof« prangte.

Die uniformierten Wachtposten beachteten sie überhaupt nicht. »Mein Gehirncode ist der Maschine doch sicher bekannt, Sir?« fragte Oberstleutnant Grant ein wenig nervös.

»Selbstverständlich! Ich habe das Band schon vorige Woche ein-setzen lassen. Doch kommen Sie, Grant!«

Mit lässiger Gewohnheit trat er an den automatischen Kontaktpor-tier heran. Oberstleutnant Grant folgte ihm, ohne eine Miene zu ver-ziehen.

Der Robotautomat führte zwei blinkende Stäbe an die Schläfen der beiden Herren und summte leise. Sekunden später rollte er geräusch-

los zur Seite. Kalt schnarrte seine mechanische Stimme. »Danke, meine Herren! Sie dürfen passieren. Erster Stock links,

Saal 1. Ihre Plätze haben die Nummern 65 und 66.« Nachdem die Männer eingetreten waren, sperrte er das Portal

wieder. Sie eilten die Treppe hinauf und gelangten in einen Saal, der bereits

dicht mit Menschen gefüllt war. Wortlos nahmen sie ihre Plätze ein. Dank der eng ansitzenden Gesichtsmasken erkannte sie niemand. Gleich darauf ertönte ein Gong. Es wurde totenstill.

Die Angeklagten wurden hereingeführt. Es waren vier Personen. Sie machten ausnahmslos einen müden und gehetzten Eindruck und nahmen nervös umherblickend auf der Armesünderbank Platz.

Dann kamen die Geschworenen, die Richter sowie Staatsanwalt Mclntire und der Offizialverteidiger Hastings in ihren würdevollen Roben in den Saal.

Der oberste Reichsrichter schlug mit einem silbernen Klöppel dreimal auf den Tisch und erhob sich dann.

»Meine Damen und Herren! Ich eröffne die Schlußsitzung der Hauptverhandlung gegen die Angeklagten Miller, Cartright, Brown und Lester. Das Verfahren gegen die übrigen Angeklagten ist abge-trennt. Die Beweisführung wurde geschlossen.

Der Herr Anklagevertreter des Reiches hat das Wort.« Staatsanwalt Mclntire erhob sich wie ein gereiztes Tier. Es war

schon jetzt klar, daß er die Köpfe der Angeklagten fordern würde. »Meine Damen und Herren! Die Beweisführung war so eindeutig,

daß ich mein Plädoyer auf wenige Sätze beschränken kann. Sie hat ergeben, daß sich die Angeklagten auf äußerst raffinierte Weise mit außerirdischen Mächten in Verbindung setzten, um die Reichsregie-rung in ihre Gewalt zu bekommen. Das ganze Theater mit den so rührend unheimlichen sogenannten Bohnenkeimlingen ist ein abge-feimtes Verbrechen gegen die Demokratie unseres Reiches. Es wird niemals Wesen geben, die beliebig ihre Struktur wechseln können. Eine solche Behauptung ist einfach lächerlich.

Die Sekte ist seit mehreren Monaten unter uns tätig. Hat jemand von den Herren Geschworenen schon den Eindruck gehabt, daß es

sich hier nicht um Menschen handelt?« Er machte eine Kunstpause, um den Zuhörern Gelegenheit zum

Gelächter zu geben, das dann auch prompt eintrat. Der Vorsitzende Richter gebot Ruhe.

Der General und Oberstleutnant Grant verfolgten gespannt jedes Wort der Verhandlung. Die Rede des Reichsanwaltes war voller Hohn und Haß. Man merkte deutlich, daß er nicht gut auf die Angeklagten zu sprechen war.

»Natürlich handelt es sich um Menschen, wahrscheinlich irgend-welche größenwahnsinnigen Auswanderer eines unserer Kolonial-planeten. Sie bedienten sich der Angeklagten, um in deren Masken ungehindert die Erde betreten Zu können. Jetzt haben sie eine Sekte gegründet, um die Staatsmoral zu untergraben.«

Der oberste Reichsrichter schaltete sich ein: »Ich muß den Herrn Anklagevertreter bitten, jede persönliche Be-

leidigung Außenstehender zu unterlassen. Wir haben die freie Reli-gionsausübung in unserem Staat zugelassen. Es ist nicht nachzuwei-sen, daß eine Verbindung der spurlos untergetauchten Aufrührer mit der neuen Sekte besteht.«

»Ich bitte um Vergebung, Euer Lordschaft!« entschuldigte sich Mclntire allglatt und fuhr fort: »Meine sehr verehrten Geschworenen!

Ich bin sicher, daß Sie dieses Spiel durchschaut haben. Ein angeb-lich interstellarer gelber Stab war groß genug, um eng aneinander gepreßt soviel Menschen in seinem Inneren zu bergen, wie etwa die Besatzung des Kosmos Mitglieder besaß. Die Beweisführung ergibt, daß sich die bisher leider unentdeckten Aufrührer in den Stab ver-bargen. Es ist bezeichnend, daß sich ein so verkommener Säufer wie der ehemalige Sergeant Lester zu der Komödie mit den angeblichen Bohnenkeimlingen hergab.«

Dick Lester wollte mit geballten Fäusten auf Mclntire losstürzen, doch schmerzlich erinnerten ihn die Fußfesseln an seine hilflose Lage. Der Staatsanwalt blickte ihn giftig an.

»Da, sehen Sie, was für ein durchtriebener Mensch er ist! Der Stab mit den Empörern wurde also an Bord gebracht. Die Schiffe starteten. Unterwegs befreite die Besatzung dann ihre Kumpane und warf den

lästigen gelben Stab aus dem Schiff. Die Bande setzte sich die Masken auf, um sich als echte Besatzung auszugehen. Dann versetzte sich der Angeklagte Miller mit seinen Leuten in Bewußtlosigkeit — Das Schiff landete.

Die falsche Besatzung beschlagnahmte das Schiff der Untersu-chungskommission, um ungehindert mit dem registrierten Raumer die Erde erreichen zu können. Jeder hat sie für Miller und dessen Leute gehalten. Als das Großraumschiff in sicherer Entfernung war, kam dann der nackte Verräter Miller zum Vorschein und faselte etwas von dem unheimlichen Ding das ihn mitsamt der Besatzung ohnmächtig gemacht habe. Ihre Doppelgänger konnten sie nicht anders erklären, als daß sich der Inhalt des sogenannten Dings in Menschen verwan-delte und ihre Gestalt annahm. Wie, das wissen sie nicht, denn da waren sie ja bewußtlos.

Wahrhaftig, so ein erbärmliches Lügennetz habe ich noch nicht gehört.«

Er ließ kein gutes Haar an den stumm dasitzenden Angeklagten und verdammte ihr verräterisches Verhalten in Grund und Boden.

»Diese Verräter müssen ausgemerzt werden. Die Demokratie kann nicht dulden, daß verbrecherische Elemente an ihren Grundfesten rütteln. Ich bitte deshalb die Herren Geschworenen, angesichts der Schwere des Verbrechens mit der Antwort nicht zu zögern und auf schuldig zu erkennen!«

Triumphierend schaute er in die Runde, aus der verhalten Beifall aufklang, und setzte sich dann mit dem Siegesbewußtsein eines mit-telalterlichen Potentaten. Der General stieß Grant vorsichtig an.

»Tadellos! Der Mann ist ein Genie. Hastings hat keine Chancen mehr. Unsere Sache läuft, Grant!«

Er verstummte. Jetzt wurde dem Offizialverteidiger Hastings das Wort erteilt. Dessen Position war äußerst schwach. Er tat zwar, was er konnte, doch es war offensichtlich, daß er selbst nicht völlig von der Unschuld seiner Klienten überzeugt war.

Im Saal wurde es unruhig, als Hastings sich zu dem Schluß ver-stieg, in dem gelben Stab könnten sich möglicherweise doch gänzlich andere Lebewesen befunden haben.

»Meine Herren Geschworenen! Die Tatsache, daß wir in den uns bekannten Räumen niemals auf höhere Lebensformen gestoßen sind, die von den unseren vollständig abweichen, beweist noch nicht, daß solche Organismen nicht existieren. Wenn sie nun doch vorhanden sind und unser ganzes Leben bedrohen, so geschähe den Angeklagten bitteres Unrecht.

Es scheint ausgeschlossen, daß ein so bewährter und vertrauens-würdiger Soldat wie Oberst Miller, dem die Kontrolle über ein ganzes Sonnensystem übertragen wurde, plötzlich diese seine geliebte Erde verraten wollte. Sie haben die Zeugenaussagen gehört. Niemand von der Besatzung der Station glaubt ernstlich an einen Verrat, wenngleich auch die Situation, unter der Oberst Miller und seine Doppelgänger aufgetreten sind, etwas merkwürdig ist.

Ich behaupte, die Besatzung ist durch vorläufig unerklärbare Vorgänge in unmittelbarem Zusammenhang mit dem gelben Stab tatsächlich bewußtlos geworden. Nur so ist es zu verstehen, daß sich niemand der Betroffenen entsinnen und vor allem seine völlige Nacktheit nicht begründen kann.

In Anbetracht der sonst tadellosen Führung der Angeklagten und des unglaubwürdigen Beweismaterials der Anklagevertretung bitte ich daher die Herren Geschworenen, auf ,nicht schuldig’ zu erken-nen!«

Hastings räusperte sich nervös und setzte sich dann. Dumpfes Gemurmel erklang im Saal. Grant stieß den General an.

»Tatsächlich, Herr General! Beide haben ihre Sache ausgezeichnet vertreten. Der Prozeß wirkt echt, und bis auf Ankläger und Verteidiger ist er auch echt. Es kann nur einen Spruch geben.«

Der General grinste. In dem Augenblick erhob sich der oberste Reichsrichter und wandte sich an die Geschworenen.

»Meine Herren Geschworenen! Sie haben die Beweisführung und die Plädoyers der Anklage und

Verteidigung gehört. Lassen Sie sich durch keine Scheineindrücke beeinflussen, und fällen Sie ihren Wahlspruch nach Recht und Ge-wissen! Bis zur Urteilsverkündung wird die Verhandlung unterbro-chen.« Die Richter und Geschworenen verließen den Saal. Die An-

geklagten wurden hinausgeführt. Ein Getuschel entflammte. Reporter machten Aufnahmen.

»Prachtvolle Jungens!« murmelte der General leise zu seinem Be-gleiter. »Wenn sie das Urteil genauso tapfer durchstehen, habe ich keine Befürchtungen mehr für unseren Plan.«

Die Geschworenen brauchten jedoch nicht länger als 20 Minuten zur Urteilsfindung.

Aufrecht stehend vernahmen die Angeklagten ihr Urteil. Der oberste Reichsrichter nahm das Wort.

»Nach Recht und Gewissen sind die Angeklagten Miller, Cartright, Brown und Lester des vorsätzlichen Verbrechens gegen die demo-kratische Staatsgewalt unseres Reiches für schuldig befunden wor-den.«

Er machte eine kurze Pause, die durch das entsetzte Stöhnen von Ingenieur Brown unterbrochen wurde.

»Die Angeklagten werden zum Tode durch den Strang verurteilt.« Dr. Cartright brach ohnmächtig zusammen. Zwei Wachtposten

rissen ihn wieder hoch und stützten ihn. »In Anbetracht der Verdienste der Angeklagten wird das Urteil

jedoch in lebenslänglich verschärfte Zwangsarbeit in den Bleiberg-werken des Merkur umgewandelt. Die Überführung hat bis heute in einer Woche zu erfolgen. Gegen das Urteil ist keine Berufung mög-lich.

Die Angeklagten haben das letzte Wort.« »Wir können gleich gehen, Grant!« zischte der General verhalten.

»Unsere Mission ist hier fast beendet. Wir haben noch eine Menge vorzubereiten.«

Sergeant Lester stieß nur einen Fluch aus und schlug mit gefes-selten Armen um sich. Dr. Cartright war unfähig, ein Wort von sich zu geben.

Als die Reihe an Ingenieur Brown kam, spuckte er dem Staatsan-walt Mclntire vor die Füße. Nur Oberst Miller hatte sich offenbar entschlossen, einige Worte zu einer letzten Rechtfertigung zu spre-chen.

»Ich protestiere mit aller Schärfe gegen diesen Spruch der Ge-

schworenen. Nie hat es ein ungerechteres Urteil gegeben. Man hat mir vor kurzem berichtet, daß diese merkwürdige Sekte, die wir zur Be-gründung ihrer Existenz verhelfen haben sollen, die Sünde von den Menschen nehmen wolle. Mir scheint, der Herr Anklagevertreter sollte dieser Sekte beitreten. Ich erkläre hiermit, daß wir in jedem Punkte der Anklage völlig unschuldig sind. Und nun machen Sie mit uns, was Sie wollen. Die Macht dazu haben Sie ja.«

Mclntire war vor Wut dunkelrot geworden, beherrschte sich je-doch, als der Vorsitzende die Verhandlung für geschlossen erklärte.

Die Angeklagten wurden abgeführt. Der Saal leerte sich rasch. Unbeobachtet verschwanden Oberstleutnant Grant und der geheim-nisvolle General im Dunkel der Nacht.

Fünf Tage später ging mit gebeugtem Rücken ein älterer Mann durch den langen Hauptgang des Reichszuchthauses in Lincoln, Nebraska. Der Mann trug die Kutte der Mönche des Benedikti-ner-Ordens und sah müde und abgespannt aus. Langsam schritt er die wenigen Stufen der Treppe hinab und gelangte nach Passieren des automatischen Portiers in Block A, wo die zum Tode Verurteilten in ihren Zellen auf die letzte Stunde warten mußten. Hier unten erfüllte zusätzlich ein menschlicher Wachtposten seine schwere und gefähr-liche Aufgabe.

Als er den Kuttenträger herannahen sah, verließ er seine gepanzerte Kabine, um ihn freundlich zu begrüßen.

»’nen Abend, Pater Lesseps! Wollen Sie noch mal nach Ihren Schäfchen sehen? Die haben es sicher nötig. Wahrscheinlich werden sie morgen zum Merkur transportiert. Auf dem Teufelsplaneten wird ’ne schöne Hitze herrschen. Da hört der geistliche Beistand auf. Aber lange halten die das ja dort sowieso nicht aus. Bisher ist noch niemand zurückgekommen, den sie erst einmal dorthin verfrachtet haben.«

Über das Gesicht des Paters stahl sich ein müdes Lächeln. »Spotte nicht, mein Sohn! Gott wird alles lenken. Zuerst möchte

ich den Häftling Miller sprechen, dann die anderen drei.« Der Gefängniswärter nickte. »Kommen Sie, Pater Lesseps! Aber seien Sie vorsichtig! Manch

einer von denen dreht noch kurz vorher durch. Soll ich nicht lieber an

der Tür bleiben?« »Schon gut, Mannings! Das ist nicht mein erster und wahrschein-

lich auch nicht mein letzter Besuch in einer Armesünderzelle. Welche Tür ist es?«

»Die dritte rechts!« Der Pater nickte dankend und schritt mit dem Wächter zur Zelle

drei, in der sich der nun degradierte Oberst Miller befand. Mannings betätigte den automatischen Türöffner und wartete mit angeschlage-ner Maschinenpistole, bis der Pater die Zelle betreten hatte. Dann verriegelte er die Zelle wieder und begab sich zurück in seine Kabine.

Pater Lesseps nahm auf einem Schemel Platz. »Gott sei mit dir, mein Sohn! Fasse dich!« Robinson Miller machte einen niedergeschlagenen Eindruck und

schritt wie ein gefangenes Raubtier ruhelos durch die enge Zelle. »Lassen Sie den Quatsch, Pater! Das zieht bei mir nicht. Ich sitze

unschuldig hier, das wissen Sie doch!« »Aber mein Sohn«, beschwichtigte der Mönch milde. »Spricht man

so angesichts der letzten Stunden auf Erden mit seinem Vorgesetz-ten?«

Miller fuhr überrascht herum und starrte sprachlos den Pater an, der für eine Sekunde die Gesichtsmaske lüftete und sie dann rasch wieder herabfallen ließ.

»Mein Gott! General Revan! Sind Sie es wirklich? Wie haben Sie das geschafft?«

General Revans Stimme nahm wieder ihren müden Klang an. »Setzen Sie sich, Miller! Sie müssen zwar noch eine Menge da-

zulernen, ehe ich Sie in meinen Stab aufnehmen kann, aber im Grunde sind Sie schon richtig. Sie haben Ihre Rolle tadellos gespielt. Vor allem der Hinweis auf die Existenzberechtigung dieser Sekte hat sich großartig gemacht. Ich habe ja mit Oberstleutnant Grant die ganze Verhandlung miterlebt. Wenn Ihre Sprüche der Bande nicht wie Öl eingegangen sind, heiße ich nicht mehr Revan. Die haben bestimmt ihren Beobachter im Verhandlungssaal gehabt!«

Robinson Miller setzte sich und senkte den Kopf. »Gut so, Miller. Wenn der Wärter durch den Spion sieht, muß er

einen echten Eindruck haben. Abhörgeräte haben die Buden ja zum Glück nicht. Segen der Demokratie.«

Dann wurde die Stimme des Generals wieder eindringlicher. »Nun passen Sie auf, Miller, Prägen Sie sich jedes Wort ein. Das

Schicksal der Menschheit hängt von dem Gelingen unseres Planes ab. Der echte Pater Lesseps wird uns dieses schlechte Spiel verzeihen. Er ist eingeweiht und steht auf unserer Seite. Was meinen Sie, Miller, wie ich den Geheimdienst in den letzten Monaten auf die Beine gebracht habe? Wir haben Sie und die ganze Besatzung in der Tiefenhypnose über die Vorfälle an Bord Ihres Schiffes ausgefragt. Mir sind nie ernstliche Zweifel an Ihrer Geschichte gekommen. Die Sache war viel zu unglaublich, um als plumper Trick verstanden zu werden. Schließlich kenne ich ja meine Leute.«

Erregt fiel ihm Oberst Miller ins Wort: »Und? Haben Sie etwas rausbekommen? Wir können uns doch alle

an nichts mehr erinnern.« »Für was halten Sie eigentlich meine Truppe, Miller? Natürlich

habe ich die Berichte frisiert, damit Mclntire entsprechendes Ankla-gematerial zur Verfügung hatte. Übrigens hatte ich Ihnen bei meinem letzten Besuch in meiner richtigen Gestalt noch nicht für Ihre Be-reitwilligkeit gedankt, an der Ausführung des Planes mitzuwirken. Ihre drei Kollegen sind ebenfalls Feuer und Flamme.«

»Ist doch selbstverständlich, General. Ich weiß, worum es geht. Aber eines können Sie mir glauben: Diese Wochen möchte ich nicht noch einmal erleben.«

»Begreife ich vollständig, Miller. Doch wir müssen uns beeilen, ehe der Wärter mißtrauisch wird. Nach dem, was wir aus Ihrem Un-terbewußtsein herausholen konnten, muß es sich tatsächlich um eine uns unbekannte Lebensform handeln, die in der Lage ist, durch bloße körperliche Kontaktaufnahme mit einem anderen Wesen dessen äu-ßere Gestalt, ja sogar viele charakterliche Eigenschaften anzunehmen. Es müssen Zellformen sein, die sich durch beliebige Teilung in un-geheuren Mengen vermehren können. Ganz offensichtlich gibt es auch im Augenblick kein Mittel, um diese hochintelligenten Zell-tierchen abzutöten, da sie zu Millionen im Verband einen angenom-

menen Körper bevölkern und nur als Gesamtheit vernichtet werden können. Verstehen Sie, selbst wenn wir unzählige Zellen absterben lassen, so regenerieren sich die übrigen sofort neu. Selbst wenn wir sie atomisieren könnten, würde ein winziger Rest genügen, um die ganze Erde binnen kurzem wieder zu infizieren. Diese neue Sekte ist ihr Werk, und sie beabsichtigen die Weltherrschaft zu erringen. Aber sie töten nicht; vielleicht im letzten Notfall, aber sonst nicht. Sie reden den Menschen ein, daß sie für ihre Sünden fürchterlich bestraft wür-den. Da sie anscheinend über hypnotische Kräfte verfügen, gelingt ihnen das auch. Aber niemand weiß Genaues über ihre wirkliche Gestalt.

Tatsächlich haben sie es fertiggebracht, daß nach unseren Erkun-dungen in den betroffenen Gebieten in den letzten Monaten nur ganz wenige Frauen schwanger geworden sind. Was dies bedeutet, können Sie sich unschwer an den Fingern abzählen.«

»Aber das ist doch eigentlich unmöglich, General!« »Es ist so. Die Menschheit stirbt aus, und sie haben auf kaltem

Wege den Sieg in der Tasche. Die Anhänger dieser Sekte sind von einem Fanatismus, der kaum vorstellbar ist. Die meiste Zeit des Tages liegen sie im Gebet auf den Knien. Arbeiten tun diese Menschen kaum noch. Ohne Arbeit keine Produktion, ohne Produktion keine Exi-stenzmöglichkeit. Solange wir keine gesetzliche Möglichkeit haben, gegen diese Volksführer einzuschreiten, müssen wir den Weg über die Hintertreppe gehen, Miller! Sie mit Ihren Kameraden sind unsere größte Hoffnung.«

»Wieso ich?« wandte Robinson Miller verwundert ein. »Ich kann mich an nichts erinnern.«

»Das macht nichts. Sie werden auch weder unter Zwang noch freiwillig etwas von dem aussagen können, was wir besprochen ha-ben. Dafür werde ich schon sorgen. Die medizinischen und chirurgi-schen Möglichkeiten haben wir ja gottlob dazu.«

»Nein, Oberst. Es ist etwas anderes, das wir selbst in der Tiefen-befragung nicht aus Ihnen hervorlocken konnten. Die ,Dinger’ haben eine uns unbekannte Schwäche. Und Sie kennen diese Schwäche. Wir setzen alle Hoffnungen darauf, daß sie Ihnen im Kontakt mit diesen

fürchterlichen Wesen wieder einfällt.« Oberst Miller zuckte resignierend mit den Schultern. »Machen Sie sich nicht zuviel Hoffnung, General! Ich habe mir

tausendmal umsonst den Schädel zermartert.« General Revans Halsschlagader schwoll dunkel an. »Sie werden sich erinnern, Miller! Unser aller Schicksal hängt

davon ab. Deshalb bringen wir Sie ja in Kontakt mit diesen Monstern. Meinen Sie, wir hätten umsonst diese Gerichtskomödie aufgezogen? Wir konnten nie eines dieser Wesen fassen, also auch niemals ir-gendein Mittel an ihnen ausprobieren. Aber wir wissen eins, Miller: In der Tiefenbefragung schrien Sie mehrmals ,sie weichen!’ Also muß es etwas geben, wovor diese Wesen tödliche Furcht haben.

Wir müssen erfahren, was diese Gefahr bannt. Sie allein können uns helfen, denn Ihnen werden die Wesen möglicherweise vertrauen, weil sie wissen, welchen Haß Sie wegen des ungerechten Urteils gegen die Menschen verspüren müssen. Wer aber haßt, ist auch zum Verrat bereit. Ich halte die Sektierer für so intelligent, daß sie ent-sprechend reagieren. Daß Sie und Ihre Leute dem Einfluß der Mon-stren nicht erliegen, dafür wird gesorgt. Das können wir aber nicht bei jedem Menschen machen, denn es wäre Freiheitsberaubung und ein unerlaubter Eingriff, dem sich viele widersetzen würden. Zum ande-ren würde eine solche Aktion Milliarden verschlingen, die wir an-derweitig besser verwenden können.«

Oberst Miller schwieg eine Weile. »Woran erkennen wir diese Wesen?« fragte er dann interessiert. »Ach so, ja. Ich vergesse manchmal, daß Sie sich an nichts erinnern

können. Achten Sie auf die Augen, Oberst! Alles Äußere bilden die Dinger anscheinend täuschend ähnlich nach. Aber sie schaffen es nicht, den Ausdruck der bewußten Intelligenz in ihre Pupillen zu legen. Jeder Mensch, von dem Sie den Eindruck haben, daß er hyp-notisiert wäre, kann ein Fremder sein. Seien Sie also äußerst vorsich-tig. Möglicherweise verstehen sich diese Organismen aufs Gedan-kenlesen.

Aus den Berichten Ihres Unterbewußtseins schlossen wir, daß der Ursprung dieser unheimlichen Rasse auf dem Sirius sein mag.«

»Ja, warum haben Sie denn dann noch nichts dagegen unternom-men, Sir? Der Sirius liegt doch so gut wie in unserem Kolonialbe-reich.«

»Erstens ist eine derartige Lebensform bisher dort nicht nachge-wiesen. Zum anderen halte ich es für sehr gefährlich, diese Keimlinge durch etwaige Nachforschungen im System des Sirius zu warnen. Sie dürfen nicht den geringsten Verdacht schöpfen. Sonst setzen die Bie-ster garantiert zum entscheidenden Schlag an. Wie hilflos wir im Augenblick sind, liegt auf der Hand. Das weiß auch der echte Pater Lesseps, sonst hätte er wohl nie eingewilligt, daß ich in der Maske seiner Person zu Ihnen kam.«

In Robinson Millers Augen trat jetzt ein gefährlicher Glanz. Er war entschlossen, seine ganze Kraft für die Beseitigung dieser Gefahr einzusetzen. Natürlich wußte er, daß es ihm das Leben kosten konnte. Aber das kümmerte ihn nur am Rande.

»Vorsichtig, Miller! Halten Sie den Kopf weiter gesenkt. Wenn der Wärter zufällig durch den Spion schaut, muß er glauben, einen reuigen Sünder vor sich zu haben. Ich werde anschließend noch mit den drei anderen sprechen. Im Laufe der Nacht werden Sie von meinen Spe-zialisten unter schärfster Bewachung mit der noch notwendigen Be-handlung versehen. Einzelheiten meines Planes teile ich Ihnen erst in letzter Minute mit. Haben Sie noch Ihre Weisheitszähne, Oberst?«

Robinson Miller mußte nun aber doch grinsen. »Gewiß! Wollen Sie einen als Andenken haben?« »Reden Sie nicht so n Blech, Miller! Ihre Zähne interessieren mich

im Prinzip einen Dreck. Wir müssen aber eine Möglichkeit der Nachrichtenübermittlung haben, die nicht ausfindig zu machen ist.« »Ah, ich kapiere. Sie meinen...«

»Ja, ich meine? daß wir Ihnen einen Weisheitszahn rausziehen und ihn durch einen täuschend ähnlich nachgeformten Miniatursender ersetzen werden. Kapiert?« Robinson Miller ächzte nur noch.

»Haben Sie noch weitere dieser netten Späße auf Lager, Sir?« »Nein, das ist vorläufig alles. Den Geheimcode beherrschen Sie

doch noch?« »Im Schlaf, General.«

»Gut! Habe ich auch nicht anders erwartet. Sie werden mit dem Gerät nur senden, aber nicht empfangen können. Die Welle ist absolut geheim und nach unseren Erfahrungen auch nicht entdeckbar. Das Gerät funktioniert, indem Sie mit der Zunge kräftige Zeichen dagegen drücken. Gespeist wird es von einem Akku, der sich an Ihrer Kör-perwärme auflädt. Teilen Sie uns sofort alles mit, was Sie in Erfahrung bringen können. Sie werden jede Hilfe erhalten.

Wenn Sie es für notwendig erachten, lasse ich jeden einzelnen Menschen des betroffenen Gebietes töten. Das klingt grausam, wird aber notfalls unsere letzte Rettung sein.« In General Revans Stimme lag großer Ernst. »Ich lege eine ungeheure Verantwortung in Ihre Hände, Oberst. Haben Sie noch Fragen?«

»Danke, General! Ich weiß, was ich der Menschheit schuldig bin.« General Revan drückte auf den Klingelknopf, um den Wärter

herbeizurufen. »Noch eins, Oberst. Zeigen Sie Ihren Haß bis zum Abtransport

unverblümt. Ich rechne mit einem Späher der Fremden. Und nun leben Sie wohl!«

Die Männer verstanden sich mit dem gleichen stahlblauen Aus-druck ihrer Augen. Soeben entriegelte der automatische Türöffner die Zelle. Wärter Mannings stand mit entsicherter Maschinenpistole im Gang.

Oberst Miller mimte sofort den zerknirschten Häftling, und Gene-ral Revan legte sich wieder seine pastorale Würde an.

»Es ist gut; Mannings. Ich komme sofort.« Dann wandte er sich mit gesenktem Kopf an Miller. »Leb wohl, mein Sohn, und bezweifle nicht! Dir wird verziehen

werden.« Die Zellentür rasselte ins Schloß. Robinson Miller war allein mit

seinen Gedanken. »Nun, Pater Lesseps!« grinste der Wärter. »War wohl alles ver-

geblich bei dem Burschen, was? Einen Haß hat der auf alle Menschen, kann ich Ihnen sagen. Na, morgen sind wir die vier los. Da wird’s wieder ein bißchen ruhiger im Bau.«

»Nichts ist vergebens, mein Sohn!« entgegnete der falsche Pater

Lesseps mit zweischneidigem Sinn. Aber das merkte Mannings nicht. »Man muß es nur richtig anfangen.

Und nun möchte ich noch die anderen Häftlinge besuchen. Zuerst bitte den ehemaligen Doktor Gartright.«

Eine unabsehbare Gefahr für die ganze Menschheit brodelte im Westen der ehemaligen Vereinigten Staaten von Nordamerika. Diese Gefahr mußte beseitigt werden, koste es, was es wolle.

Am nächsten Tag wurden vier Gefangene über das Flugfeld des Reichszuchthauses Lincoln getrieben. Sie beeilten sich absolut nicht.

»Kerls, seid doch vernünftig!« mahnte einer der Wachtposten mühsam beherrscht. »Wenn ihr nicht gutwillig in die Maschine steigt, ziehe ich euch eins mit dem Gummiknüppel über.«

In einem plötzlichen Wutanfall versuchte Dick Lester nach dem Mann zu treten. Die Fesseln rissen ihn jedoch sofort zu Boden, wo er stöhnend liegenblieb. Brutal wurde er hochgerissen.

»Verdammte Halunken!« ächzte der Gefangene mit blutenden Knien. »Ihr bekommt eure Strafe.«

Lester bekam einen Schlag ins Kreuz, der seinen Wutausbruch sofort in ein Wimmern dämpfte. Doktor Cartright schien halb ohn-mächtig zu sein, und Spencer Brown heulte pausenlos: »Nein, ich bin unschuldig. Laßt mich doch, um Gottes willen!«

Nur Robinson Millers Gesicht war versteinert. Er schritt zwischen seinen Wärtern wie ein Traumwandler dahin. Die Posten hatten es eilig, ihre Gefangenen an die Besatzung des Ato-Kreuzers zu über-geben.

Robinson Miller kam unter einem Tritt ins Stolpern, raffte sich wieder auf und spuckte seinem Quälgeist mitten ins Gesicht. Der Posten wurde knallrot. Schon schwang er seinen Knüppel, als eine scharfe Stimme ihn aus seiner Tätigkeit riß.

»Lassen Sie das, Posten! Anscheinend werden Sie mit Ihren Häft-lingen nicht anders fertig. Los, machen Sie schon! Wir müssen starten, sonst verpassen wir die Transmissionsfelder.«

Der in der Hauptschleuse des Schiffes stehende Sprecher wandte sich nach hinten und grinste breit.

»Unsere Jungens tragen so dick auf, daß ich eingreifen mußte,

Grant, sonst hätten wir sie nur als halbe Leichen an Bord bekommen.« Dann hatten die Wächter ihre Aufgabe erfüllt. Die Gefangenen

lagen mit starken Kunststoffesseln in ihren Liegen angekettet. Sie sprachen nicht mehr.

»Posten!« brüllte der Kommandant des Kreuzers. »Zu Befehl, Herr Major!« »Hier haben Sie den Übergabeschein. Die Gefangenen Miller,

Cartright, Brown und Lester unterstehen ob sofort meiner Gewalt. Räumen Sie bitte das Startfeld!«

Er unterzeichnete den Schein hastig. Dann schlug die Luke des Schiffes zu.

»Starten, Grant! Wir müssen noch bei Dunkelheit über San Fran-zisko sein.«

Ein leises Grollen rumorte durch den mächtigen Leib des inter-stellaren Raumkreuzers mit der menschlichen Fracht für die Blei-bergwerke des Merkur. Aber er würde sein Ziel nie erreichen. Jäh hob das Schiff vom Boden ab, um sich in den Bahnbogen einzutrudeln, der entgegengesetzt zur Erdrotation die Transmissionspunkte bestimmte. Automatisch glichen die in den Raumer eingebauten Schwerkraftfel-der den ungeheuren Andruck aus. So war im Inneren des Schiffes nichts von der Geschwindigkeit zu spüren, mit der das technische Produkt eines 23. Jahrhunderts nach Chr. soeben sein Startfeld ver-lassen hatte.

»Schnallen Sie uns langsam ab, General!« meuterte Robinson Miller, dem seine Lage nicht zu behagen schien.

Der Mann in der Uniform und mit dem Gesicht eines bekannten Majors der Raumüberwachung, den man in der Zwischenzeit sozu-sagen aus dem Verkehr gezogen hatte, grinste breit.

»Sie haben mich doch nicht etwa erkannt, Miller?« »Nein, Sir. Ihre Maske wirkt verblüffend echt. Sollte mich aber

gewundert haben, wenn Sie hier nicht den Boß gespielt hätten.« Mit raschen Griffen befreite General Revan die Männer von ihrer

Fesselung. Er sah kurz auf die Uhr. »Höchste Zeit. Wir müssen uns mit der Schlußbesprechung beei-

len, wenn wir Sie noch rechtzeitig absetzen wollen, sonst schießen wir über den Punkt hinaus. In zwanzig Minuten müssen wir fertig sein. Oberstleutnant Grant läßt den Kreuzer dann abstürzen. Wir haben zwei Rotoren, mit denen wir das Schiff verlassen. Fallschirme können wir erst verwenden, wenn tiefere Luftschichten erreicht sind. Am Zielpunkt werden wir eine Höhe von 40 000 m haben. Der Flug muß ja echt wirken. Die Rotoren werden uns geräuschlos bis in eine an-nehmbare Höhe tragen. Dann springen Sie, Miller, mit Brown und Lester ab. Bis wir die richtige Höhe haben, werden je zwei von Ihnen an Oberstleutnant Grant und mir festgeschnallt. Ihre Fallschirme werden Sie sicher zur Erde hinab tragen.«

»Wie wollen Sie denn unser Verschwinden erklären?« wandte Robinson Miller ein.

»Wenn die Fremden das Wrack untersuchen, werden sie doch zweifellos merken, daß keine Leichen an Bord sind.«

General Revan grinste höhnisch. »Sie halten mich wohl für einen Anfänger, Miller? Grant macht die

Leichen eben noch etwas zurecht. Sie haben Gestalt und Kleidung von Grant, Doktor Cartright und mir. Nach dem Absturz wird davon nicht mehr viel übrig sein. Kämen die Leichen unbeschädigt in die Hände der Sektierer, so wäre es nicht weiter schwierig festzustellen, daß die Überreste schon wesentlich länger aus dem Leben geschieden sind.« Doktor Cartright biß sich auf die Lippen.

»Mich wollen Sie also für tot verkaufen, Sir?« »Sowie Grant und ich unsere drei Leute abgeworfen haben, fliegen

wir mit Ihnen, Doktor, in sichere Gebiete. Grant wird die Automatik des Kreuzers so einstellen, daß die Maschine unweit des Landesplat-zes unserer Kameraden so aufsetzen wird, daß noch eine Möglichkeit des Überlebens besteht. Falls die drei schnell geschnappt werden, ist damit ihr Aufenthalt in der Nähe des Raumers erklärt.

Einige Minuten nach dem Aufsetzen wird das Wrack explodieren. Sie geben vor, in letzter Sekunde aus dem Wrack entwichen zu sein. Sie kennen Ihre Aufgabe. Die Maschine kommt im Gebiet der Sekte nieder, so daß Ihr Anmarschweg gering sein wird. Die Fremden haben schon jetzt ein gewaltiges Gebiet verseucht, das im Norden bis in die

Gegend von Reno und im Süden fast bis Los Angeles reicht. Im Osten ist der Boulder-Damm ungefähr die Grenze. Konzentrieren Sie sich auf die Gegend von San Franzisko, meine Herren. Dort muß sich das Zentrum der Bewegung befinden. Noch Fragen?«

»Wir sind bereit, Herr General!« entgegnete Oberst Miller mit fe-ster Stimme.

Jetzt begann ein fieberhaftes Treiben. Oberst Miller, Dick Lester und der Ingenieur wurden mit brandgeschwärzter und zerrissener Häftlingskleidung versehen, ihre Körper geschwärzt, die Haare an-gesengt. Selbst einige Schnittwunden geringerer Größe mußten die Männer über sich ergehen lassen. Da es nicht üblich war, die Gefan-genen bei ähnlichen Transporten nach dem Start in ihren Zellen noch gefesselt zu lassen, fiel die Notwendigkeit fort, das Verschwinden der Fesseln zu erklären.

General Revan betrachtete sein Werk mit zufriedener Miene. Alles sah echt aus. Die Männer schnallten ihre Fallschirme über. Dann warf sich jedes Besatzungsmitglied in eine drucksichere Raumkombinati-on.

Noch einmal sah General Revan prüfend umher. Nein, er hatte nichts vergessen.

»Grant! Haben Sie das von mir besprochene Tonband mit den Hilferufen noch einmal überprüft?«

»Jawohl, Sir! Hört sich alles so an, als ob wir nur noch senden, nicht aber mehr empfangen könnten. Die Bande muß unbedingt glauben, daß ein plötzlich ausgebrochener Brand uns zur Landung zwingt. Dann haben sie wenigstens einen glaubhaften Grund für das unvermutete Auftauchen unserer Kameraden.«

Es war soweit. Oberstleutnant Grant stellte die Automatik auf den Absturz ein und

richtete das Bandgerät zur Ausstrahlung des bereits präparierten Hil-fespruches. Schweigend schnallten sich die Männer an den Rotoren fest, die von Grant und General Revan gesteuert werden würden. Es handelte sich dabei um eine Art Einmann-Fluggerät, das auf den Rücken des Piloten geschnallt wurde und ihn völlig geräuschlos und ohne Ausstoß von sichtbaren Verbrennungspartikeln in der ge-

wünschten Geschwindigkeit Richtung und Höhe dorthin trug, wo der Betreffende zu landen beabsichtigte.

Die Maschinen der Rotoren sprangen an. Als die Schleuse geöffnet war, drang sofort eisige Kälte in das Schiff. Aber das spürten die Männer in ihren schützenden Kombinationen nicht.

Gleich darauf glitten zwei groteske Gebilde aus dem Kreuzer und sanken rasch in die Tiefe. Wie ein Schemen verschwand der mächtige Raumer in der Nacht und schob sich mit langsamer werdender Ge-schwindigkeit auf die Stelle herab, an der er nach dem Willen General Revans zerschellen sollte. Drei zum Letzten entschlossene Männer hingen wie Kletten an jedem Roboter — ein gespenstisches Bild.

Dann hatten sie die für den Fallschirmabsprung günstige Höhe von zirka 3000 m erreicht. Der General gab entschlossen das Zeichen.

»Miller, Brown, Lester! Machen Sie sich fertig. Es ist zwar auch hier noch kalt genug, aber ich denke, Sie werden das aushalten. Sau-erstoff ist ja bereits genügend vorhanden. Legen Sie die Druckkom-binationen ab. Fallschirme überprüfen! Viel Glück, Männer!«

»Danke, Herr General!« erscholl es aus drei Kehlen. Während die Rotoren lautlos auf der Stelle schwebten, entledigten

sich die drei Männer ihrer angenehm sicheren Kombinationen. Eiskalt drang der Wind durch die zerrissene Häftlingskleidung. Es würde kein, angenehmer Sturz werden. Noch hingen sie geborgen an den Rotoren ihrer Kameraden. Ein letzter Griff noch an die Reißleinen der Schirme.

General Revan hob die Hand. Da, eben war ein polterndes Schaben aus der Tiefe zu hören, dem ein harter Knall folgte. Der Kreuzer war zu Bruch gegangen. Oberst Miller sah kurz auf seine Kameraden, mit denen er jetzt auf Leben und Tod verbunden war. Sie nickten.

Oberstleutnant Grant und General Revan lösten hastig die Ver-bindungsplastik mit den drei Absturzkadidaten. Im gleichen Augen-blick stürzten drei Körper, ihres Haltes beraubt, in die nachtdunkle Tiefe.

Robinson Miller wurde durch einen harten Ruck aus seiner Kon-zentration gerissen. Der Schirm hatte sich geöffnet, und sofort ging der jähe Fall in ein ruhiges Schweben über. Der Oberst suchte sich zu

orientieren: Von seinen Kameraden konnte er nichts erkennen. Direkt unter sich sah er nichts als Nacht.

Hoffentlich lande ich nicht in einem Baum oder Tümpel! dachte er. Plötzlich ging in geringer Entfernung mit ohrenbetäubendem Lärm das Wrack des Ato-Kreuzers in die Luft. Der Oberst mußte grinsen, obwohl er, vor Kälte zitterte. Dann griff er in die Gurte seines Schirmes, um nicht zu weit von der Bruchstelle abgetrieben zu wer-den. Die Kameraden würden wohl genauso machen. Jetzt ging alles rasend schnell. Unter ihm waren die schattenhaften Umrisse einiger großer Kakteen zu erkennen. Mit einem Fluch riß Miller an den Gur-ten und trieb haarscharf an einer der Stachelpflanzen vorbei. ..

Das hätte schlecht ausgehen können. Rasch krümmte er sich zu-sammen und machte eine Rolle, wie er es tausendmal geübt hatte. Hier unten war es windstill. Ein Glück, sonst hatte er Mühe mit seinem Schirm gehabt.

Schnell hatte er sich gefangen und faltete die Seide mit sicheren Griffen. So, das hatte geklagpt. Nun die anderen!

Der Oberst versuchte erst einmal, sich zu orientieren. Dort, der Widerschein am Himmel, das mußte die Stadt sein. Leider war es so dunkel, daß er nur wenig erkennen konnte. Von Menschen., die eventuell auf das Wrack aufmerksam geworden waren, war nichts zu hören. Er tastete nach dem kleinen Schirmgerät, das, in die Aufhän-gevorrichtung der Gurte eingebaut, eine winzige, aber nichtsdesto-weniger komplette Sende- und Empfangsvorrichtung darstellte. Der Radius betrug knapp zwei Kilometer.

»A soeben angekommen!«, flüsterte er mit verdecktem Mund in die Muschel.

»Ich rufe B und C. Kommen!« Dann hatte er einen Kameraden am anderen Ende der Sprechver-

bindung. »Hier C. Habe von B noch nichts gehört. Wird sich hoffentlich

nicht verletzt haben.« »Stellen Sie Ihr Gerät auf Peilton, C, damit ich Sie finden kann.

Wir suchen B dann gemeinsam.« Oberst Miller klemmte sich seinen Schirm unter den Arm und

preßte den kleinen Lautsprecher ans Ohr. Es bereitete ihm keine Mühe, den Kameraden zu finden, denn das Gerät arbeitete einwand-frei. Je weiter er ging, desto lauter wurde der Peilton. Gleich darauf tauchte ein Schatten vor ihm auf — Lester.

»Sind Sie’s, Chef?« »Okay, Lester! Noch nichts von Brown gehört?« »Keine Ahnung. Er kann aber nicht weit von mir herunterge-

kommen sein. Ich hörte deutlich einen Fall.« »Hoffentlich finden wir ihn bald! Lange dauert es nämlich nicht

mehr, bis es hier nur so von Neugierigen wimmelt. Bis dahin müssen wir den Platz geräumt haben.«

»Da!« Dick Lester wies auf das Gerät. »Er sendet den Notruf. Da muß was passiert sein.« »Hat uns gerade noch gefehlt«, schimpfte Robinson Miller unter-

drückt. »Kommen Sie, Lester!« Trotz der schützenden Dunkelheit schlichen sie dem Ursprung des

Peiltons nur in geduckter Haltung entgegen. Ein leises Stöhnen zeigte ihnen gleich darauf die Lage des Verletzten. Spencer Brown lag in einer kleinen Mulde und rieb sich mit schmerzverzerrtem Gesicht einen Knöchel.

»Was ist los, Brown? Können Sie laufen?« Der Ingenieur verzog sein Gesicht zu einer Grimasse. »Muß mir einen Knöchel geprellt haben, Sir! Aber es wird gehen,

wenn Sie mich nicht im Stich lassen.« »Quatsch, Brown! Natürlich kommen Sie mit«, entgegnete der

Alte. »Wir sind zwar ein wenig gehandicapt, doch dafür sieht es um so

echter aus.« Plötzlich fuhr er herum und lauschte angestrengt in die Nacht. Von

fern klangen verworren menschliche Laute auf. Oberst Miller verlor keine Zeit. »Packen Sie an, Lester! Wir müssen schleunigst hier verschwin-

den. Hoffentlich hat die Bande keine Spürhunde bei sich, sonst erwi-schen sie uns zu früh. Die Schirme vergraben wir später, wenn wir erst einmal in vorläufiger Sicherheit sind. Sollte man uns mit den Dingern

hier aufgreifen, dann war alles umsonst.« Hastig rafften die Männer ihre Fallschirme zusammen. Dann faßten

sie den verletzten Ingenieur an Schultern und Beinen und suchten das Weite. Brown war schwer.

»Lassen Sie mich doch hier liegen, Chef!« ächzte der Verletzte. »In einigen Tagen ist die Schwellung zurückgegangen, so daß ich mich aus dem Staub machen kann.«

»Kommt gar nicht in Frage, Mann! Reißen Sie sich zusammen. Ich wollte, ich würde auch getragen«, gab der Oberst grob zurück.

Spencer Brown biß sich auf die Lippen und sagte nichts mehr. Hin und wieder mußten sie doch eine Ruhepause einlegen. Die Distanz vom Wrack war inzwischen auf gut zwei Kilometer angewachsen.

Der Wind wehte, von Osten. Deutlich trug er vereinzelte Wortfet-zen und sonstige Laute herüber.

»Jetzt untersuchen sie bestimmt das Wrack«, meinte Robinson Miller mit boshafter Genugtuung. »Wir machen jedenfalls das Ge-schäft dabei.«

»Hoffen wir das Reste!« murmelte Sergeant Lester mit verkniffe-nen Zügen.

»Das ist doch gar keine Frage, Sergeant. Wenn die Halunken her-ausgebracht haben, daß nur drei Leichen an Bord sind, müssen sie doch vermuten, daß wir uns erfolgreich abgesetzt haben. Da sie zweifellos wissen werden, was für eine wertvolle Fracht der Kreuzer zum Merkur bringen sollte, können sie sich unschwer ausrechnen, daß wir froh sind, den Staub der uns übel gesinnten Welt von den Füßen geschüttelt zu haben!«

»Und wenn sie nicht merken, daß jemand fehlt?« warf Spencer Brown mit schwacher Stimme ein.

»Dann ist es auch gut, denn dann haben wir Muße, erst einmal Erkundigungen einzuziehen, nicht wahr, Brown? Und nun denken Sie an alles mögliche, bloß; nicht an Ihre Verletzung!«

Schließlich hörte der Sandboden auf. Das Gelände stieg an und wurde felsig.

»Ich denke, wir graben jetzt unsere Schirme ein«, schlug Oberst Miller vor. »Ich habe nämlich keine Lust, später die Steine mit den

Händen wegzuscharren. Solange wir noch über Sandboden verfügen, wollen wir ihn auch benutzen. Außerdem können wir unsere Spuren besser verwischen, wenn wir den Sand fein verteilen und dann unsere Fußspuren wieder darübersetzen, damit niemand ahnen kann, daß wir die Schirme hier verborgen haben.«

»Wir erhalten einen Bundesgenossen, Chef!« grunzte Dick Lester mit rauher Stimme. »Es fängt nämlich gerade an zu regnen.«

Spencer Brown wurde auf die Erde gelegt. Bald waren die letzten Spuren ihrer geheimen Absichten verwischt. Den Rest würde der Regen besorgen, der jetzt immer stärker vom Himmel herabprasselte und die Männer in Sekunden völlig durchnäßte. Etwa von den Fremden eingesetzte Spürhunde konnten sich die Nasen ruinieren und würden doch nichts finden.

Dann ging es weiter. Der Weg wurde jetzt mühsamer und führte die frierenden Männer, ziemlich steil bergan. Sie hatten kein Licht und stießen sich häufig an den scharfen Kanten umherliegender Steine. Dazu kam die Last des verletzten Kameraden. Immer häufiger mußten Pausen eingelegt werden..

»So geht es nicht weiter, Chef!« stöhnte Dick Lester schwach. »Wir müssen sehen, irgendwo unterzukommen. In spätestens zwei Stunden geht die Sonne auf.«

»Still, Lester!« winkte Robinson Miller ungehalten ab. »Hören Sie doch!«

Lester sah ihn verwundert an. »Was haben Sie denn, Sir? Ich kann nichts feststellen.«

»Kein Wunder, wenn Sie jetzt schon schlapp machen wollen. Nehmen Sie sich an mir ein Beispiel. Ich habe etliche Jährchen mehr auf dem Buckel als Sie Grünspecht.«

Dick Lester wurde rot vor Ärger, gab sich dann jedoch mehr Mühe, herauszufinden wonach der Oberst lauschte.

Tatsächlich, da war etwas, was das Rauschen der vom Himmel strömenden Wassermassen noch übertönte.

»Ein Fluß!« murmelte er dann mit einem leisen Hoffnungs-schimmer in der Stimme.

Oberst Miller gab ihm einen Stoß.

»Natürlich ein Fluß, Sie Dummkopf. Es wird der Rio Sacramento sein. Wenn wir bis dorthin kommen, haben wir schon ein gutes Stück geschafft.«

Kurze Zeit später fiel das Gelände zum Fluß hin sacht ab, so daß sie jetzt schneller vorankamen. Der Regen ging in ein sanftes Plätschern über, das jedoch von dem gleichmäßigen Geräusch der Fluten des Rio Sacramento übertönt wurde. Wenig später standen sie am Ufer. In nicht weiter Entfernung mußten die Städte Oakland und San Franzisko liegen, die schon lange in jeder Hinsicht zu einer Einheit zusam-mengewachsen waren. Jetzt war guter Rat teuer.

»Werden Sie schwimmen können, Brown?« fragte Oberst Miller den Ingenieur. »Ich werd’s versuchen, Chef! Wasser kühlt ja, und ich brauche die Beine nicht zu bewegen, um über Wasser zu bleiben. Zu Hause war ich immer ein guter Schwimmer.«

»Und Sie, Lester? Wie ist das mit Ihnen?« »Es wird schon gehen«, entgegnete dieser. »Also kommt!« befahl der Oberst mit fester Stimme, um seinen

Leuten Mut zu machen. »Wir wollen für alle Fälle unsere Jacken aneinander knöpfen. Brown nehmen wir in die Mitte.«

Vorsichtig stiegen sie in das Wasser. Es war kalt. Zu kalt für ihre ohnehin schon recht steifen Glieder. Nach einem Boot zu suchen, wäre wahrscheinlich ein furchtloses Bemühen gewesen. Der Rio Sacramento riß ihnen rasch die Füße, vom Grund.

Gleich darauf trieben sie schon flußabwärts und kämpften sich langsam zur anderen Seite.

»Verdammt! Ich schaff’s nicht, Kameraden. Laßt mich absaufen. Ich kann nicht mehr!« ächzte Spencer Brown nach einer Weile stok-kend und spuckte hustend an einer Welle, die ihm in den Hals gefah-ren war. Die anderen sagten nichts, sondern gaben ihr Letztes, um mit dem Verletzten heil das andere Ufer zu erreichen.

»Schneller, Leute!« schnaufte er. »Wenn mich nicht alles täuscht, war da eine dieser altmodischen Holzscheunen, von denen manche Farmer auch heute noch nicht lassen wollen.«

Sie erreichten das jenseitige Ufer, aber sie waren so fertig, daß sie nochmals beinahe eine Stunde brauchten, um die wenigen hundert

Meter stromaufwärts zu gelangen. Dann sahen sie eine Scheune. Was darin war, duftete verlockend nach frischem Heu. Bald mußte die Sonne aufgehen.

Oberst Miller fand schließlich einige Latten, die sich zur Seite schieben ließen.

»Heu! Tatsächlich Heu, Leute! Und so etwas liegt auf unserem Weg. Der Farmer sei gesegnet. Hier sind wir erst einmal sicher«, brummte er zufrieden.

Als sie erwachten, glaubten sie Wochen geschlafen zu haben. Sie fühlten sich nun wieder relativ frisch und ausgeruht. Browns Fuß-schwellung war zurückgegangen, so daß der Marsch wohl fortgesetzt werden konnte.

»Kommt, erhebt euch!« mahnte Oberst Miller zum Aufbruch. »Anscheinend haben wir den ganzen Tag geschlafen. Wenn wir bei Licht noch etwas für unsere Bäuche tun wollen müssen wir uns beei-len.«

Er wickelte sich aus seiner dicken Wärmeschicht und sprang auf den ebenfalls mit Heu bedeckten Boden der Scheune hinunter. Es gab einen lauten Krach, und der Oberst schaute verblüfft in die Höhe, als Spencer Brown vorsichtig rutschend einen Meter neben ihm nieder-kam und merkwürdigerweise ohne ein Anzeichen des auffallenden Geräusches weich in die Unterlage sank.

»Zum Teufel!« murmelte er. »Warum hat das bei mir so hohl ge-klungen? Ich dachte ich breche mir alle Knochen.« Dann fuhr er wie der Blitz auf.

»Lester, Brown! Merkt ihr, was das ist? Ich habe anscheinend noch gar nicht auf dem Scheunenboden gesessen. Der muß tiefer sein. Ich wette fünf Dollar, daß hier ein Raum drunter ist. Und das kommt mir komisch vor.«

»Vielleicht hat der Farmer seine Gerätschaften dort aufbewahrt«, meinte Lester.

»Und ihr Dummköpfe meint, daß er so einen Raum mitten in der Scheune aufbaut, ringsum Heu und obendrauf auch noch, damit er jedesmal alles wegkratzen kann, wenn er in die Bude will! Nein, Leute. So dumm ist der Mann bestimmt nicht. An der Sache ist was

faul. Los, laßt uns nachsehen, solange es noch etwas hell ist!« Mit Feuereifer gingen sie daran, die Heuschichten wegzuräumen.

Dann kam ein Verschlag zum Vorschein, der eben eine Falltür hatte. Eine Holztreppe führte nach unten.

»Brown, Sie bleiben hier oben und passen auf, während ich mit Lester nachsehe, was die hier vergraben haben!« befahl der Oberst entschlossen. — Dann stieg er die schmale Treppe hinab, die dabei einen knirschenden Krach entwickelte. Es war stockdunkel hier unten. Jetzt stieß er an einen Tisch.

»Lester!« »Bin hier, Sir!« Oberst Miller räusperte sich. »Auf dem Tisch steht eine

Lunit-Lampe. Erschrecken Sie nicht. Ich mache Licht.« Vorsichtig tastete er nach der Zündautomatik, und sofort wurde der

Raum von der modernen Kreisstrahllampe hell erleuchtet. »Alle Wetter!« knurrte der Alte verblüfft und starrte mit großen

Augen umher. Dick Lesters Antwort war zuerst ein leiser Pfiff. Dann grunzte er: »Das haut mich aus dem Sattel.«

Er sprang im Licht der Lampe wie ein Verrückter durch den Ver-schlag. »Schuhe, Strümpfe, Hemden, Anzüge, Mäntel! Hier Lebens-mittel und Schnaps in rauhen Mengen.« Er lachte laut auf, bis ihn Oberst Miller heftig anfuhr: »Seien Sie still, Lester! Möglicherweise sind wir hier nicht allein in der Gegend.«

Das war ein Witz aus dem Tollhaus. Sie kamen hier völlig zer-lumpt, hungrig und abgerissen an, und da lag wie ein Tisch-lein-deck-dich ein voll ausgerüstetes Magazin unter Heu versteckt in einer altmodischen Scheune, als ob es nur auf die Männer gewartet hätte.

Sogar Kohlesäure-Wasser war in großen Flaschen vorrätig. »Ob hier einer ein Schmuggellager aufgebaut hat?« kommentierte

der Ingenieur von der Falltür her. »Bleiben Sie oben, Brown, damit uns niemand erwischt!« konterte

der Oberst. »Was ist in der Kiste, Lester?« »Keine Ahnung!« »Dann brechen Sie das Ding auf! Der ganze Laden macht mir mehr

den Eindruck eines Diebeslagers. Aber die Sachen kommen uns wie gerufen.«

Dick Lester riß die lose aufgenagelten-Latten von der Kiste und ließ sie auf die Erde fallen.

»Donnerwetter!« brummte Miller. »Waffen! Thermojetpistolen, Maschinenpistolen und Ato-Schnellfeuerrevolver. Munition in jeder Menge. Hat hier jemand ’ne Revolution en miniature vor?«

Sergeant Lester griff nach einer Whisky-Flasche, die ihn verlok-kend ansah.

»Die Flasche können Sie mitnehmen, Sie altes Saufgerne!« fuhr ihn der Kommandant an. »Wenn Sie das Zeug jetzt auf nüchternen Magen trinken, sind Sie nämlich in zehn Minuten voll wie eine Strandhaubitze.«

Er hatte einen Entschluß gefaßt. Die Gelegenheit war günstig, und der Besitzer dieses Ramschladens konnte immer noch später ent-schädigt werden, wenn das Gebiet von der Sekte befreit war.

»Brown, kommen Sie rasch runter! Wir kleiden uns erst einmal ein und versorgen uns mit den notwendigen Revolvern plus Munition. Die Maschinenpistolen sind zu unhandlich. Damit würden wir sofort auffallen. Trinkt soviel Wasser, wie ihr könnt, stopft euch die Taschen voll mit Eßwaren und säubert euch ein wenig. Aber fix, bevor uns der Eigentümer dieses merkwürdigen Warenhauses erwischt. Sonst geht es uns an den Kragen.«

Die Männer sahen in ihren zerfetzten Anzügen aus wie schwarze Teufel. Sie hausten dementsprechend unter den aufgestapelten Vor-räten. Schließlich winkte Oberst Miller ab.

»Genug! Ich glaube, einigermaßen manierlich sehen wir jetzt wieder aus. Die Kleidung ist ja gottlob auch nicht mehr ganz neu, so daß wir wohl kaum auffallen werden.«

Mit zufriedenen Gesichtern verstauten sie die Revolver und machten sich auf den Rückweg. Wenn sie wegen der Waffen in eine schwierige Lage kommen sollten, so war der geplünderte Verschlag der Beweis für die Herkunft der Verteidigungsgeräte.

Niemand würde in diesen gemütlichen Bürgern die gefährlichsten Gegner der unheimlichen Organismen vom Sirus erkannt haben.

Die Falltür schlug zu. — Als die Heuschicht den Raum wieder einen Meter hoch bedeckte, wies nichts mehr auf das hin, was sich vor kurzem hier abgespielt hatte.

Inzwischen war die Tracht hereingebrochen. In der Ferne heulte ein Hund.

»Wird ein Gehöft in der Gegend sein«, flüsterte Spencer Brown besorgt.

»Ruhig, Brown!« fuhr ihn Oberst Miller leise an. »War da nicht gerade ein Motorengeräusch?«

Er lauschte noch einmal. »Das ist doch Geräusch eines Überland-trucks. — Bewegt euch! Wir müssen schleunigst verschwinden. Vielleicht gehört dem Fahrer die Bude hier.«

Hastig suchten sie die eingangs aufgebrochene Lücke und sprangen dann in die schützende Dunkelheit. Hinter einer Hecke duckten sie sich an den Boden, um der Dinge zu harren, die da mit dem schweren Lastwagen näherkamen. Das Fahrzeug rumpelte mühselig über einen ungepflegten Pfad und stoppte dann mit laufendem Motor direkt vor der Scheune, knapp zehn Meter von den Männern entfernt. Die Scheinwerfer wiesen auf ein Tor des Gebäudes, das die drei aber vorher gar nicht bemerkt hatten.

»Nach der Nummer kommt er aus Oakland!« flüsterte Robinson Miller erregt seinen Kameraden zu. »Mal sehen, was die vorhaben.«

Zwei Gestalten sprangen aus dem Führerhaus, die beide kuttenar-tige, fast bis auf die Knöchel reichende Gewänder trugen. Die eine mußte ein junges Mädchen sein, denn lange, blonde Haare fielen ihr in den Nacken. Das Gesicht war nicht zu erkennen.

»Seltsamer Verein!« knurrte Dick Lester verhalten. »Scheinen welche von dieser Sekte zu sein, sonst hätte das Girl wohl nicht die reizenden Schenkel verhüllt.«

Das Mädchen flüsterte mit ihrem männlichen Begleiter. Dann verschwanden sie beide in der Scheune.

»Die werden Augen machen, wenn sie ihre Bestände kontrollie-ren«, kicherte der Ingenieur.

Die Männer warteten gespannt, wie die beiden die Entdeckung aufnehmen würden. Es waren noch nicht fünf Minuten vergangen, als

der junge Mann wie ein Pfeil aus der Scheune geschossen kam und zu dem Truck rannte.

»Jemand muß das Versteck entdeckt haben, Vater!« brüllte er wütend. In dem Lastwagen befand sich anscheinend noch eine Person, die jetzt leise zu schimpfen begann.

»Verdammt, Jim! Was wird die Organisation sagen? Ist noch was da?«

»Genug! Aber es fehlt eine ganze Menge, unter anderem auch et-liche Waffen.«

»Hm«, schnaufte der Vater des jungen Mannes und stieg aus dem Wagen. »Ob die Infektoren Verdacht geschöpft haben? Das wäre nämlich sehr schlimm für uns, mein Sohn, vor allem, wo sie jetzt den Energieschirm gelegt haben. Am besten laden wir den Rest auf und machen, daß wir Land gewinnen. Ich habe ein unruhiges Gefühl.«

Darauf eilten sie beide in die Scheune. Die Männer hinter der Hecke waren bleich geworden. Wieso hatte der ältere Mann so besorgt von einem Energieschirm gesprochen? Was war da im Gange?

»Das kann übel für uns werden!« zischte Oberst Miller seinen Kameraden zu. »Anscheinend haben die merkwürdigen Fremden das ganze Gebiet seit kurzem durch einen Energieschirm abgesichert. Wahrscheinlich vermuten sie, daß die Menschheit den Braten zu rie-chen beginnt. Stellt euch das nur mal vor! Möglicherweise bereiten sie jetzt ihren Großangriff auf die Erde vor. Wird höchste Zeit, daß wir den Laden ausräuchern, sonst ist es vorbei mit dem ruhmreichen Kolonialgebilde des Planeten Terra.«

Er brach ab, denn gerade kamen die drei wieder aus der Scheune heraus, die Arme vollgepackt mit allen möglichen Dingen, die sie auf den Lastwagen warfen. Langsam drang die Kälte des Bodens durch die warme Kleidung der Männer, und sie begannen wieder zu frieren. Sie mußten aber noch geduldig eine gute Stunde warten, bis die Be-sitzer des Lastwagens das Versteck ausgeräumt und alles aufgeladen hatten. Zuletzt schleppten sie die Kiste mit den Waffen an und zogen die Plastikplane der Ladefläche zu.

»Rasch auf den Truck, ehe sie abfahren!« befahl Oberst Miller. »Die fahren wahrscheinlich direkt nach Oakland. So eine billige

Reisegelegenheit muß genutzt werden.« Das Fahrzeug rollte schon langsam an, als die Männer sich lautlos

hinten aufschwangen. Niemand konnte etwas bemerkt haben. Vor-sichtig schoben sie die Plane auseinander und verbargen sich unter den umherliegenden Kleidungsstücken direkt hinter dem Führerhaus. Kurz darauf schien der Truck eine der ausgebauten Vollhaftstraßen erreicht zu haben, denn er erhöhte sehr schnell seine Geschwindigkeit.

»Lester! Setzen Sie einen Spruch an General Revan ab und be-richten Sie, wie es um uns steht Wir werden uns bestimmt bald wieder melden. Inzwischen werde ich mit Brown versuchen, etwas von dem Gespräch mitzubekommen, das die Herrschaften da vorn gerade füh-ren. Haben Sie Ihren Code klar im Gedächtnis?«

Sergeant Lester schnalzte mit der Zunge. »Okay, Sir!« Dann begann er, die Sendung mit der Zunge gegen den Minia-

tursender in Gestalt eines Weisheitszahnes zu drücken, während Oberst Miller und Ingenieur Brown ihre Ohren gegen die dünne Wand preßten, die sie von den ahnungslosen Wagenbesitzern trennte.

»Ich sage dir, Jim«, hörten sie den älteren Mann sprechen, »über kurz oder lang haben diese Sektierer die ganze Erde in ihrer Gewalt. Seit sie heute früh den Energieschirm aufgestellt haben, sind sie überhaupt nicht mehr angreifbar. Hast du gemerkt, daß der Schirm sich langsam ausdehnt? Es ist entsetzlich! Sie scheinen alle Menschen durch Hypnose in ihre Gewalt zu bekommen. Von außen läßt sich keine Hilfe mehr heranbringen. Wenn sie durch die Ausdehnung des Schirmes wieder einige zigtausend Menschen in ihrem Bereich haben, sind die so gut wie hilflos. Ich frage mich nur, wie lange es wohl dauern wird, bis die außerhalb dieses schon jetzt recht großen Ein-flußbezirkes befindliche Bevölkerung gemerkt hat, was eigentlich hier gespielt wird. Dann wird eine allgemeine Massenflucht einsetzen.«

»Leider hast du recht, Vater«, gab der junge Mann seufzend zu-rück. »Die Kerls haben es geschickt verstanden, jede Nachricht über die wahren Zustände nach außen zu verhindern, indem sie die Schlüsselpositionen mit ihren Anhängern besetzt haben und aufpaß-ten, daß nur infizierte Menschen vorübergehend ihren Herrschafts-bereich verlassen durften. Schöne Demokratie, die es nicht einmal

fertigbringt, sich gegen diese Wahnsinnigen zu schützen!« »Interessant!« murmelte Oberst Miller erbittert. »Sagen Sie,

Brown, einer von den dreien hat doch mal das Wort Infektion für diese fremdartigen Organismen gebraucht. Mir ist, als ob ich das Wort schon einmal gehört hätte. Leider kann ich mich nicht genau entsin-nen.«

Spencer Brown zuckte die Schultern. »Keine Ahnung, Chef!« Dick Lester hatte inzwischen seinen Spruch abgesetzt und rückte

ebenfalls an die Wand, um dem jetzt wieder beginnenden Gespräch der Wagenbesitzer zu lauschen.

»Wir müßten etwas tun, Vater!« schaltete sich das junge Mädchen ein. »Ich möchte nur wissen, wieso ausgerechnet wir und die wenigen Leute unserer Widerstandsgruppe nicht beeinflußbar sind. Irgendwie müssen wir uns doch von den anderen unterscheiden.«

Der Alte überlegte sich seine Antwort, und Oberst Miller, der ebenfalls gern gewußt hätte, wieso diese Leute nicht beeinflußt wer-den konnten, stellte zu seiner Verwunderung fest, daß ihm die Stimme des Mädchens angenehm war. Wie mochte sie wohl aussehen, wenn sie nicht diese blödsinnige Kutte trug? Der Gedanke erregte ihn. Dann begann der Vater der beiden wieder zu sprechen.

»Ja, Peg, wenn wir das herausbekommen könnten, wäre das ganze Problem gelöst, das die Übermenschen der Erdbevölkerung stellen. Zuerst aber wollen wir unsere Vorräte in Sicherheit bringen. Dann müssen wir diese Sache mit den anderen besprechen. Notfalls ziehen wir uns ins Bergwerk zurück. Doch still jetzt! Die Straße wird beleb-ter, und es darf niemand merken, daß wir noch frei sind, sonst setzen sie uns fest. Töten ist ja für diese Idioten gottlob auch eine Sünde. Wir setzen am besten unsere Hypnosegesichter auf, dann kommen wir anstandslos durch die Kontrolle.«

Es wurde still im Führerhaus. Die Männer auf der Ladefläche wa-ren bleich geworden. Kontrolle – das konnte gefährlich werden.

»Verschwinden wir, ehe die Lage brenzlig wird?« flüsterte der Ingenieur vorsichtig.

»Nein, Brown! Wir bleiben hier und riskieren die Entdeckung.

Wenn die Sekte uns wirklich erwischt, macht das auch nichts, da wir in diesem Fall schneller an die Burschen herankommen.«

Der Truck fuhr jetzt langsam durch die ersten bewohnten Vorbe-zirke der Doppelstadt Oakland-San Franzisko. In der Plane war ein feiner Riß, so daß Oberst Miller die Gegend einigermaßen beobachten konnte. Plötzlich stoppte der Truck.

Sofort waren die Männer unter den Umherliegenden Kleidungs-stücken verschwunden. Sie konnten aber Geräusche deutlich genug verstehen. Ein Mann schien jetzt an den Wagen heranzutreten. Die widerliche salbungsvolle Stimme brachte Oberst Miller zum Kochen. Das mußte ein seltsamer Heiliger sein. . .

»Willkommen, Brüder, in der Stadt der Erweckung! — Ihr kommt von auswärts?«

Gleich darauf antwortete der ältere Mann aus dem Führerhaus: »So ist es, Retter der Menschheit. Wir möchten der Gemeinschaft der Reinen unsere Ergebenheit beweisen, indem wir uns wie die anderen vor einem Sündenrückfall durch den Salvator schützen lassen.«

»Das ist gut, Brüder! Der Salvator befindet sich in der 569. Straße, Block 4. Fahrt in Frieden!«

Der Truck ruckte an. »Lieber Gott!« ächzte Dick Lester. »Ob das einer von diesen

Keimlingen war? Hier herrschen ja unglaubliche Zustände. Was mag er nur mit dem Salvator gemeint haben? Ist das vielleicht der Oberbonze der Bande?«

»Wenn ich das wüßte!« seufzte Oberst Miller düster. »Die Gestalt war durchaus menschlich, soweit ich das bei meiner

vorsichtigen Betrachtungsweise feststellen konnte. Ich bin aber den-noch sicher, daß das einer von den gefährlichen Fremden war. Alle Leute draußen tragen diese Kutten, mit denen auch unsere augen-blicklichen Gastgeber versehen sind. Wenn wir später nicht auffallen wollen, müssen wir es genauso machen und einige Kutten überwerfen. Macht schon! Hier sind genügend von den Dingern vorhanden. Dann wild es allmählich Zeit, daß wir uns aus dem Staube machen.«

»Der Alte hat den Burschen aber nicht schlecht getäuscht, Sir«, grinste Dick Lester.

Der Lastwagen bog jetzt in eine nur sehr schwach belebte und auch weniger beleuchtete Nebenstraße ein, in der die früher gebräuchlichen Wohnhäuser noch nicht den modernen Wohnmaschinen gewichen waren. Dann hielt der Truck, und die drei Kuttenträger sprangen aus dem Führerhaus, um in einer Toreinfahrt zu verschwinden. Ein ro-stiges Schild gab Auskunft, daß hier die Spedition Hobson & Co. ihre Niederlassung hatte.

»Los, raus!« befahl der Oberst hastig. — »Die Gelegenheit ist günstig, und sie dürfen uns hier nicht finden, wenn sie zurückkom-men.«

Sie verließen den Wagen rasch und folgten dem Lauf der Straße. In den merkwürdigen Kutten fühlten die Männer sich ziemlich sicher vor mißtrauischen Augen.

»Die Spedition werden wir uns merken müssen«, meinte Robinson Miller. »Vielleicht rettet uns das einmal das Leben. Gegebenenfalls treten wir auch mit der Widerstandsgruppe in Verbindung.«

Er schwieg und machte sich Gedanken über das mögliche Ziel dieser Menschen, die alle in eine Richtung strebten. Obwohl es noch lange nicht Nacht war, machte die Stadt doch einen geradezu ge-spenstischen Eindruck. Die Stadt schien wirtschaftlich und gesell-schaftlich völlig tot zu sein. Die Menschen, die sie trafen, sahen starr vor sich hin. Alle trugen diese Kutten, um sich als getreue Anhänger der Sekte zu kennzeichnen, die die Menschheit endgültig von allen Sünden befreien wollte. Anscheinend ahnten diese Unglücklichen nicht im geringsten etwas von den schrecklichen Plänen der seltsamen Organismen vom Sirius.

Die Männer hatten keinen Anhaltspunkt Die Stimmung war ziem-lich niedergedrückt, und sie fragten sich, wie sie unter diesen Um-ständen ihr Ziel erreichen sollten.

Dann kam Oberst Miller plötzlich ein Gedanke, der ihn augen-blicklich aufmunterte. »Hört mal her! Der alte Hobson sagte doch etwas von so einem Salvator, was Retter oder Heilbringer usw. be-deuten könnte. — Diesen Burschen, der die Menschheit angeblich vor einem Rückfall in das Sündenleben schützen soll, möchte ich doch einmal kennenlernen. Wahrscheinlich ist das einer der Führer der

Fremden.« »Okay, Chef!« feixte Dick Lester. »Wenn das zutrifft, und ich bin

sogar ziemlich sicher, dann haben wir eventuell eine Möglichkeit, diesen Gaunern unsere Dienste anzubieten. Hoffen wir, daß es uns auf diesem Wege gelingt, der Bande das Handwerk zu legen!«

Sie berieten sich kurz und machten sich dann auf den Weg zur 569. Straße, wo der Salvator sich angeblich befinden sollte. Je mehr sie sich der Gegend näherten, in der die Straße gelegen war, desto dichter wurde die Zahl von Menschen, denen sie begegneten. Offensichtlich wollten die Leute so schnell wie möglich in den Genuß des merk-würdigen Salvators kommen, denn keiner kümmerte sich um den anderen. Sie alle schienen geradezu besessen von ihrem Ziel.

Oberst Miller wollte eine Stichprobe machen und ergriff einen an ihm vorbeieilenden Mann am Ärmel. Der Mann blieb unwillig stehen und sah ihn stur an.

»Verzeih mir, Bruder!« heuchelte Miller mit dem salbungsvollsten Tonfall, der ihm möglich war. »Könntest du uns mitteilen, ob es lange beim Salvator dauern wird? Wir können seine Segnungen kaum noch erwarten.«

Das Gesicht des Menschen verklärte sich. Er geriet in Verzückung. »Gewiß wird wieder großer Andrang sein. Das ist leider nicht zu

vermeiden. Ich bin beglückt zu hören, wie sehr ihr euch freut, vor einem erneuten Sündenfall bewahrt zu werden. Der Salvator ist ein Segen für die Menschheit. Bald wird unser Glaube die Welt beherr-schen. Bedauerlich ist jedoch in der Tat, daß wir nicht sofort gereinigt werden können. Darum verzeiht mir, Glaubensbrüder, wenn ich in Eile bin! Aber auch ich habe großes Verlangen.«

Er neigte, tief seinen Kopf, und die Männer folgten starren Blickes seinem Tun. — Schnell eilte der Mann weiter.

Die Fremden mußten über eine geradezu ungeheuerliche Beein-flussungskraft verfügen, die den Willen der Betroffenen weitgehend lähmte und sie in menschliche Roboter verwandelte. Das sah man schon an ihren Augen, in denen kein Schimmer bewußter Eigenper-sönlichkeit zu entdecken war. Und doch gab es Menschen, die nicht die geringste Paralysation ihres Geistes verspürten, aber natürlich für

die Außenwelt heucheln mußten, um nicht der Verfolgung durch die Sektierer ausgesetzt zu sein. Ein Beispiel dafür waren die drei Last-wagenbesitzer.

Robinson Miller erkannte, hier lag einer der Angelpunkte, an denen die Sirianer verwundbar waren. Nur mußte man herausbekommen, worauf diese Phänomen zurückzuführen war. Er erkannte an dem Straßenschild, daß die 569. soeben begann. Hoffentlich war sie nicht zu lang.

Die Männer gelangten zu einem weiten Platz, der schon mit einer riesigen Menge wartender Menschen angefüllt war. Tiefe Stille herrschte hier, die nur ab und zu von einem kurzen Räuspern unter-brochen wurde. Alle blickten unverwandt zu einer Art Empore, auf der ein kastenähnliches Gestell mit einem schneeweißen Tuch ver-kleidet war.

Vorsichtig gab Oberst Miller seine Beobachtungen mit dem Mi-niatursender durch. General Revan würde Augen machen.

Plötzlich ging ein Aufstöhnen durch die Menge, als ein Mann mit eckigen Bewegungen auf die Empore stieg und die Arme ausbreitete, als ob er die Hypnotisierten segnen wollte.

»Brüder meines Glaubens«, begann er seine verheißungsvolle Rede, daß es den drei Männern eiskalt über den Rücken lief.

»Wenn das nicht einer von den Burschen ist«, kam es dem Oberst in den Sinn, »dann ist der ganze Rummel hier überhaupt nicht zu begreifen.« Plötzlich schrie die Menge im Chor:

»Oh, Bruder!« Der Redner schien den blödsinnigen Vorgang zu genießen und fuhr

nach einer Pause mit näselnder Stimme fort. »Ihr alle sollt heute das Glück genießen, das der Salvator euch

verheißt. Unser Glaube wird die ganze Welt erobern, und der Allgeist wird die Sünde von der Erde nehmen, indem er, den letzten Menschen zu sich ruft. Bald schon wird das sein, Brüder, denn der Salvator wird die Begierden des Fleisches zerstören. Nie wieder soll es in Sünden geborene Kinder der Menschen geben. Kein Kind wird mehr von dem gezeugt oder geboren werden können, den der Salvator beglückt hat. Welch wundervolle Segnung, auf diese Weise die ganze Menschheit

dem Allgeist zuzuführen!« Die Menge raste vor Begeisterung, während den drei Männern für

einen Herzschlag lang der Atem zu stocken schien, bis sie die unge-heuerlichen Worte des Redners in ihrer ganzen Tragweite begriffen hatten. Sie sahen sich stumm an.

Auf diese Weise hatten die Sirianer also vor, die Menschheit aus-zulöschen und den Planeten für sich in Besitz zu nehmen.

Anscheinend verbot ihnen irgendein moralisches Gesetz das Töten. So versuchten sie, diese Notwendigkeit zu umgehen, indem sie eine Maschine konstruierten, die Wahrscheinlich durch Strahlung die ge-samte Bevölkerung nach und nach sterilisierte. Ein satanischer Einfall.

Monoton plätzscherten die weiteren Sätze des heimtückischen Redners über die nun wieder hingegeben lauschenden Menschen.

Dick Lester beugte sich vorsichtig zu seinem Chef. Der Oberst sah ihn unwillig an. Hoffentlich bemerkte niemand etwas!

Doch die Menge war viel zu sehr in ihrer Ekstase befangen, um auf ihre Mitmenschen zu achten.

»Worauf warten wir noch, Chef? Lassen Sie uns das Feld räumen! Ich habe nämlich nicht die geringste Lust, mich dieser irrsinnigen Bestrahlung zu unterziehen. Das geht bestimmt bald los.«

»Sind Sie verrückt, Lester?« zischte der Oberst. »Meinen Sie etwa, ich habe Sehnsucht, zum Eunuchen gestempelt

zu werden? Im Augenblick müssen wir leider mit den Wölfen heulen. Sehen Sie sich diesen fanatischen Haufen doch mal an! Wenn wir versuchen, auszubrechen, nehmen, die uns bis auf das letzte Atom auseinander.«

»Nein, Lester! Jetzt heißt es Nerven bewahren und durchhalten. — Ruhig jetzt! Die Maschine beginnt mit der Arbeit.«

Der Fremde mit dem starren Blick hatte seine Rede beendet und gab das Zeichen für die begeistert tobende Menge, sich den Segnun-gen der fürchterlichen Maschine hinzugeben.

Es ging los. Von hinten drängten die Menschen vor. Jetzt wäre ein Absetzversuch völlig unmöglich gewesen. Die Leiber der Zehntau-sende wogten gegen die Maschine, die jeweils zehn Menschen be-strahlte, während diese rasch durch eine Art Tod durch den Salvator

keuchten. Hinter der Absperrung erhielt jeder ein mit rätselhaften Zeichen versehenes Armband, das ihn besonders kennzeichnen sollte.

Je näher die drei Kameraden dem Satansgebilde kamen, desto nervöser wurde ihre Spannung. Sie glaubten die Erregung nicht mehr ertragen zu können, mußten sie doch ständig darauf bedacht sein, mit ausdruckslosen Gesichtern voraus zu schauen. Ausdruckslos, soweit es ihr Verständnis betraf, aber doch gleichzeitig begeistert wegen der unverhofften Gnade, die ihnen der Salvator gewähren würde.

Stunden waren vergangen, bis sie allmählich in die Randbezirke der gespenstischen Versammlung gelangt waren, ohne Verdacht zu erregen. Jetzt wurde es Zeit, denn nur noch wenige Tausende nicht behandelter Menschen drängten noch vor ihnen zu der Maschine.

Plötzlich krampfte sich alles in Robinson Miller zusammen. Was dort auf ihn zukam, war doch unmöglich. Wahnsinnig, es zu glauben, ja, es sehen zu müssen. Auch Dick Lester und der Ingenieur ächzten vor Überraschung, als sich ein zweiter Oberst Miller langsam durch die Leute schob und direkt auf die drei Männer zusteuerte. Bereitwil-lig und demütig machten die Menschen dem unheimlichen Fremden Platz. Wie rasend wirbelten die Gedanken Oberst Millers durchein-ander. Er war ein harter Kämpfer, aber sein eigenes Ebenbild nur in anderer Kleidung auf sich zukommen zu sehen und zu wissen, daß dieser ekelhafte Organismus sich ihm nachgebildet hatte, das war selbst für ihn die Grenze des Erträglichen.

Mit äußerster Beherrschung gelang es ihm, seine klaren Sinne zu bewahren.

»Lester, Brown!« keuchte er schnell. — »Reißt euch um Gottes willen zusammen und gebt euch allmählich immer hypnotisierter! Wenn wir versagen, ist alles verloren. Achtet auf mich!«

Dann schloß sich sein Mund, denn dem Sirianer war es inzwischen geglückt, bis zu ihnen vorzudringen. Die Menschen zogen sich ach-tungsvoll einige Meter zurück und sahen dann weiter zu, die Maschine zu erreichen. Der Fremde blickte die drei Männer eine Zeitlang starr an, mit einem Blick, daß ihnen abwechselnd heiße und kalte Schauer durch die Glieder rasten. Sie waren von den Sirianern entdeckt wor-den. Die Männer zwangen sich mit aller Kraft, an nichts zu denken.

Ebenso starr blickten sie auf das ekelhafte Wesen, das endlich seinen blutleeren Mund öffnete. Seine Sprache war kalt und blechern wie die Stimme eines Roboters.

»Ich bin Or San, euer Freund! Wir wußten, daß ihr nach dem Ab-sturz eures Raumers geflohen waret, und hofften auf eure Ankunft. Habt keine Furcht vor mir, wenn ich auch die Gestalt eures Obersten besitze. Hier seid ihr in Sicherheit. Ich und meine Glaubensbrüder werden alles tun, um euch für den Verlust eurer Ehre zu entschädigen. Die Menschheit ist voller Sünde. Wir wollen sie erretten, und wir glauben, daß ihr uns helfen werdet. Deshalb versuche ich auch nicht, mein wahres Ich vor euch zu verbergen. Wir sind nicht von dieser Welt, daß wißt ihr.«

»Wir wissen es!« bekräftigten die Männer mit schwacher Stimme, denn sie waren auch nur Menschen, die Freude und Furcht wie jeder andere kannten, wenn sie sich auch zu beherrschen wußten.

»Kommt mit mir!« näselte er monoton. »Der Pal Tar, unser ober-ster Glaubensbruder, wird beglückt über euer Erscheinen sein.«

Dann bahnte er sich einen Weg durch die drängenden Leiber und führte die ihm stumm folgenden Männer in eine unbelebte Neben-straße. Den dreien sanken Berge von Steinen vom Herzen. Der Aus-weg, die Rettung vor der widerlichen Sterilisationsmaschine, war von anderer Seite aus erfolgt, als sie erwartet hatten.

Die Fremden verstanden es, sich die Vorteile der angeblich so sündhaften Welt nutzbar zu machen. Das mußte der Neid ihnen lassen, denn der Sirianer verfügte über einen der modernsten atomgetriebenen Kraftwagen, in dessen weicher Polsterung er sich offensichtlich recht wohl fühlte. Ohne ein Wort zu sprechen, stiegen die Männer ein. Sofort setzte sich das Fahrzeug fast geräuschlos in Bewegung. Die Straßen waren menschenleer. Unwillkürlich glaubte sich Oberst Mil-ler in eine fremde Welt versetzt, als sie in rascher Fahrt über die breiten Plätze und Boulevards dem Regierungsgebäude entgegen jagten.

Über dem monumentalen Bauwerk, dem steinernen Zeugen ver-gangener Epochen, wehten nicht mehr die Reichsflagge und die kleinere Fahne der Reichsprovinz Kalifornien, sondern ein merkwür-

dig geformter weißer Fetzen, auf dem eine Kugel und ein auf sie zu-stoßender gelber Fächer abgebildet waren.

Die kalte Stimme Or Sans riß die Männer aus ihren Gedanken. »Ein herrliches Symbol, Freunde!« sagte er. »Es zeigt die Ausweglosigkeit der sündhaften Erde, deshalb die

schwarze Farbe der Kugel, und den Hoffnungsstrahl des Lichtes, das Pal Tar, unser Prophet, der der Menschheit überbringen will.«

»Ein glückliches Motiv«, murmelte Robinson Miller mit aus-drucksloser Stimme. Das Fahrzeug stoppte, und die Männer wußten, daß es jetzt auf ihre ganze Entschlossenheit und Intelligenz ankom-men würde, wenn nicht das Schicksal der Menschheit verspielt sein sollte. Sie hofften inbrünstig, daß die Tiefenpsychologen gute Arbeit an ihnen geleistet hatten.

Den Robotportier hatten die Sirianer beiseitegeschafft. Seinen Platz nahm einer ihrer Kumpane ein, der seinem Glaubensbruder mit ge-kreuzten Armen den Weg ins Innere des Parlamentsgebäudes freigab. Wie Rekruten folgten die Männer ihrem Führer, demütig und mit abwesenden Gesichtern. Nach etlichen Kontrollen schienen sie das Ziel des falschen Oberst Miller erreicht zu haben, denn er wandte sich mit eckigen Bewegungen zu ihnen.

»Hier herein, Freunde! Der hohe Pal Tar erwartet, uns.« Dann standen die Männer in einem der kleinen Sitzungssäle, an

dessen hinterer Front auf einem kunstvoll geschnitzten, mittelalterli-chen Thronsessel ein in kostbare Gewänder gekleideter Sirianer saß, dessen Kopf von einem hutähnlichen Gebilde geschmückt wurde. Die schwarze Erdkugel und der gelbe Strahlenfächer, den die Männer bereits an der Flagge bemerkt hatten, bildeten die Embleme der selt-samen Kopfbedeckung.

Kleidung und Thronsaal des merkwürdigen Pal Tars hatten die Fremden anscheinend aus irgendeinem der zahlreichen Museen ent-wendet. Aber nicht das war es, was die Aufmerksamkeit der Männer auf sich zog.

Der Oberpriester der Sirianer war das getreue Ebenbild des Inge-nieurs Brown. . .

Starr sah der kopierte Ingenieur auf die Ankömmlinge, die gottlob

auf einiges gefaßt gewesen waren, als sie den Saal betraten. Verdammt! dachte Robinson Miller. Nun fangt doch endlich mit

eurer Komödie an, oder ich ertrage es nicht länger. Doch die Fremden schwiegen.

Plötzlich zuckte der Oberst zusammen. — Was war das? Er glaubte, sich getäuscht zu haben und versuchte, sich erneut zu kon-zentrieren. In seinem Hirn bildeten sich Gedanken. Und die Gedanken wuchsen zu Worten, dann zu Sätzen. Auf einmal begriff er es und verstand, daß er auf vorläufig unerklärliche Weise die Verständigung der fremden Organismen verfolgen konnte. Die Sirianer unterhielten sich, aber sie sprachen nicht dabei. Das war das Merkwürdige. Der Oberst hätte nie geglaubt, daß so etwas möglich sein konnte. Hier war es Realität. Wahrscheinlich tauschten sie ihre Sätze nur gedanklich aus, ohne zu ahnen, daß er, Miller, und möglicherweise auch seine Kameraden jeden Gedanken verstanden.

»Ich bringe dir die Gesuchten, hoher Pal Tar! Sie haben es tat-sächlich fertiggebracht, in unser Gebiet zu flüchten, ehe wir den Schirm um das Land legten.«

»Du hast gut gearbeitet, Or San!« dachte die Nachbildung Spencer Browns.

»Diese Leute können nie zu den Ihrigen zurückkehren. Ein Glück für uns, daß ihr Raumkreuzer zu Bruch ging. Wir benötigen sie er-ringend zur Durchführung unseres großen Planes, wie du weißt In wenigen Wochen wird der Planet uns gehören. Diese werden uns dazu verhelfen.«

Den Plan werde ich euch versalzen’ dachte Oberst Miller grimmig und lauschte weiter auf die Unterhaltung seiner Gegner.

»Was meinst du, Or San? Verfügen diese minderwertigen Tiere noch über einen freien Willen?«

»Nein, hoher Pal Tar!« »Sehr gut, Or San! Aber wir werden sie dennoch einer Überprüfung

unterziehen, ehe wir sie für unsere Pläne einsetzen.« Oberst Miller zitterte vor Wut, als der Sirianer lautlos lachte. »Wenn diese Kreaturen wüßten, daß alle diejenigen vor uns ge-

schützt sind, die bereits einmal durch die von ihnen Polio oder Kin-

derlähmung genannte Krankheit infiziert wurden, so könnten wir diesen Planeten niemals erobern. Um der Gefahr zu begegnen, müssen wir die Widerstandsgruppe durch ihresgleichen umbringen lassen und dann schleunigst ein Gegenmittel entwickeln.« Oberst Miller mußte innerlich grinsen.

Jetzt hatten, sie durch die Ahnungslosigkeit der Fremden einen Trumpf in den Händen, den es nur noch durch ein Mittel zu erweitern galt, das dem Feind die Lebenssubstanz zerstörte.

Oberst Miller beschloß, bei der ersten günstigen Gelegenheit einen Spruch an General Revan abzusetzen.

Die Sirianer würden ihr blaues Wunder erleben, wenn sie den Strahlenkreis ausdehnten, um weitere Menschen willenlos zu machen. — Die beiden Fremden schienen ihre gedankliche Unterredung be-endet zu haben, denn der Pal Tar begrüßte die Männer durch Kreuzen seiner Arme.

Miller folgte seinem Beispiel, und seine Kameraden zögerten nicht, das gleiche zu tun.

»Ich grüße euch, Freunde!« begann der Pal Tar mit trockener Stimme zu rasseln. »Wir sind sehr offen zu euch, woraus ihr erkennen sollt, daß wir euch vertrauen. Daß wir nicht von diesem Planeten stammen, ist euch bekannt, denn ihr wart ja die ersten Menschen, die uns begegneten. Unsere Rasse hat ihren Ursprung jenseits des Milch-straßensystems.

Unser heiliges Ziel ist es, die Menschheit von ihrer schweren Sündenlast zu befreien. Wollt ihr nun Brüder unseres Glaubens wer-den?«

Oberst Miller raffte sich zu einer Antwort auf, das starre Gesicht dem Sirianer zugewandt.

»Wir sind sehr froh, hoher Pal Tar«, näselte er langsam, »daß du uns für würdig befindest. Wir wollen euch mit ganzer Kraft helfen.« Diese Lüge ging dem Kommandanten wie Butter von der Zunge.

Etwas wie Triumph trat in die maskenhaften Züge des Sirianers. Dann nickte er befriedigt.

»Das ist sehr gut. Ich hatte es nicht anders erwartet.« Er erhob sich aus seinem Thronsessel und wandte sich einer Sei-

tentür zu. Seine Bewegungen waren dabei ein wenig ungelenk, so daß er wie ein Roboter in Menschengestalt wirkte. Robinson Miller gab seinen Kameraden ein Zeichen, ihm zu folgen. Den Schluß bildete der Sirianer Or San.

Der Pal Tar öffnete die Tür und trat dann zur Seite, um die Männer vorbeizulassen.

Im gleichen Augenblick, als Oberst Miller den Türbogen durch-schritt, fühlte er plötzlich eine eigentümliche Lähmung durch seine Glieder dringen.

Noch hatte er Kraft, sich aus der Reichweite der Lähmstrahlen, oder was sonst die merkwürdige Parasysationsquelle sein mochte, zu entfernen. Aber er tat es nicht.

Sein Geist arbeitete klar, während die Muskeln schon taub waren. Er erinnerte sich auf einmal, daß er diesen seltsamen Vorgang schon erlebt haben mußte. Deshalb empfand er keine Furcht davor.

Während Robinson Millers Bewußtsein allmählich einer immer stärker werdenden Leere wich, registrierte er noch mit Genugtuung, daß das Vertrauen der unheimlichen Fremden der Anfang ihres Un-terganges sein würde.

Dann wurde es Nacht um ihn.

*

»Laß den Korb nicht so rasch sinken, Jim!« brummte der alte Hobson ärgerlich, als das helle Kreischen der Rollen selbst bis hundert Meter in die Tiefe drang.

»Man hört doch hier unten noch genau, was der Fördermechanis-mus für einen Lärm entwickelt. An der Oberfläche werden Tote davon munter. Wir können uns das in unserer Situation nicht leisten.«

»Verzeih bitte, Vater! Ich konnte das nicht voraussehen, denn ge-stern habe ich alle Rollen der Förderanlage eigenhändig geölt!«

»Schon gut, Jim. Hoffen wir, daß niemand etwas gemerkt hat. Der Wachtposten, den die Sekte oben aufgestellt hat, ist bisher ja gottlob ahnungslos.«

»Ist Peg schon unten, Vater?«

»Ich nehme es an«, gab der ältere Mann zurück, während der Korb jotzt ein wenig langsamer, dafür aber auch fast völlig geräuschlos in die Tiefe glitt. »Wenigstens habe ich sie schon vor zwei Stunden mit dem Truck losgeschickt, damit sie unsere Leute in den richtigen Stollen führen konnte.«

Dann schwiegen die beiden Insassen des Korbes, bis sie die Höhe der vierten Sohle erreicht hatten. Jim Hobson stoppte die Fahrt ohne das sonst übliche Klingeln, das dem Maschinisten über Tage die Ankunft des Korbes mitteilte. Heute war diese Maßnahme unnötig, denn nur ein Wachtposten der Sirianer zog Tag und Nacht auf dem Gelände seine Runde.

»Good evening, Mr. Hobson! Hallo Jim!« grüßte ein schlacksiger junger Mann in dunkelblauen Cordhosen die beiden Neuankömm-linge., die soeben den Förderkorb verlassen hatten.

»Was Neues, Dickson?« fragte der Speditionsunternehmer den Wachtposten der Widerstandsgruppe.

»Bisher nicht, Mr. Hobson!« Er deutete mit einer Hand in einen dunkel gähnenden Gang. »Ihre Tochter und die anderen sind schon unten. Wir können fah-

ren.« »Okay, Dickson. Dann los! Wir haben noch ne Menge zu bespre-

chen.« Dickson beleuchtete den Gang. Dann bestiegen die Männer einen

der hier zahlreich vorhandenen Transporthunde, der, von einem kleinen Atomakku gespeist, rasch über eine matt schimmernde Einspurschiene tiefer in den Berg glitt. Nach etwa zehn Minuten Fahrt bremste Dickson die Geschwindigkeit und ließ einen Schalter für die elektrische Durchgangssperre einrasten, die von der Widerstands-gruppe als Sicherungsmaßnahme eingebaut war und jeden bekannten Organismus in Sekundenschnelle verkohlen lassen würde, sofern er nicht über das Vorhandensein dieser gefährlichen Anlage informiert war.

Der alte Hobson grinste. »Woher wissen Sie, Dickson, daß diese Variation eines elektri-

schen Hinrichtungsstuhles auch exakt funktioniert? Auf ein Versagen

dürfen wir es nämlich nicht ankommen lassen.« Dicksons Gesicht verzog sich zu einem Grinsen. »Wir haben ein Karnickel hindurchgejagt, Sir! Die Reste konnten

wir kaum noch mit einem Handbesen zusammenkratzen.« Die beiden Hobsons lachten, wurden dann jedoch wieder ernst.

»Ich glaube Ihnen, Dickson!« meinte Jims Vater zufrieden. — Dann hatten sie bald das letzte Stück des Weges mit dem Transporthund zurückgelegt. Ihr Ziel war das ausgebaute Ende eines toten Querstol-lens, der außer durch den Normalausgang nur noch durch einen drei-ßig Meter starken Deckendurchbruch verlassen werden konnte und in einen weiteren Gang mündete.

Die Männer wurden von dem zufriedenen Gemurmel der bereits Anwesenden empfangen.

»He, Robert!« dröhnte der Baß eines älteren, wohlbeleibten Man-nes durch den schmalen Raum.

»Wird verdammt Zeit, daß ihr kommt Gemütlich ist’s hier nicht gerade.«

»Hast recht, Braddock!« antwortete Mr. Hobson senior. »Wir mußten äußerst vorsichtig sein, denn seit einigen Stunden sind die Halunken besonders rege geworden. Sie scheinen jetzt Lunte gero-chen zu haben. Der Bursche, der hier ständig auf dem Werksgelände herumlungert, wollte doch absolut nicht seinen gemütlichen Platz im Schachtgebäude räumen. Wir mußten ihn erst fortlocken. Sind wir vollzählig?«

Er rechnete kurz nach. »Stimmt! 31 Mann und 4 Frauen. Ein bißchen wenig für das, was

wir vorhaben. Werden wohl noch einige rumlaufen, die frei sind wie wir. Doch

ich schätze, mit denen können wir kaum rechnen, solange sie nicht wissen, wo wir zu finden sind. Schließlich können wir das ja nicht in der Tageszeitung veröffentlichen lassen. Wahrscheinlich sehen die auf den Straßen genauso stupide aus der Wäsche wie wir.«

»Wozu hast du uns zusammengerufen, Robert?« schaltete sich Carter Braddock ein. »Doch bestimmt nicht, um hier Volksreden zu halten.«

»Nein, gewiß nicht!« Der Fuhrunternehmer gab seinem Sohn einen leichten Stoß und setzte sich. Erwartungsvoll sahen die Menschen zu ihrem Anführer.

»Sprich du, Jim!« räusperte sich Hobson senior. »Schließlich habe ich dich nicht zum Spaß auf die Universität geschickt.«

Jim wurde ein wenig rot, fing sich dann aber rasch. »Hört her, Leute! Mein Vater hat euch ja schon angedeutet, wie

wenig rosig unsere Lage ist. Im übrigen wißt ihr das ja selbst. Wir sind zu gering an der Zahl, um einen, allgemeinen Aufstand in die Wege zu leiten. Mit viel Verstärkung können wir auch nicht rechnen. Jeden Tag vergrößert die Sekte ihr Einzugsgebiet. Wir sind völlig machtlos da-gegen. Es ist schon jetzt abzusehen, wann sie die ganze Erde unter-jocht haben werden. Aber ehe sie mich bekommen, jage ich mir eine Kugel durch den Kopf, denn ich habe keine Lust, meine restlichen Tage als Maschinenmensch zu verbringen.«

Er machte eine kurze Pause. Die Menschen waren bleich gewor-den. Endlich faßte sich Carter Braddock.

»Weiter, Jim! Du bist ein gelehrtes Haus. Wir jedoch sind Arbeiter und Handwerker.«

»Das hat gar nichts damit zu tun, Carter?« wandte Jim hastig ein. »Nach meiner Kenntnis ist das Intelligenzvolumen ziemlich gleich-mäßig auf alle Volksschichten verteilt. In den meisten Fällen handelt es sich nur um die Ausbildung. Hier kommt es auf die Findigkeit eines jeden einzelnen von uns an, egal, was er ist.

Aber zur Sache. Ich habe mir ein vorläufiges Programm zurecht-gelegt, das wir nun schleunigst durchdenken und ausführen sollten, wenn wir überhaupt noch etwas bestellen wollen.«

Die Anwesenden nickten beifällig, und Jim Hobson fuhr fort: »Der erste Punkt ist folgender: Wieso werden ausgerechnet wir verschont? Diese Tatsache kann

kaum rein zufällig eingetreten sein. Es muß irgendeinen triftigen Grund geben. Ich meine etwas Gemeinsames, das für jeden einzelnen von uns zutrifft. Macht euch mal Gedanken darüber!

Der zweite Punkt ergibt sich aus dem ersten. Können wir unter uns dieses Problem lösen, so müssen wir sofort

den noch nicht infizierten Gebietsteilen Nachricht geben, damit sie sich schützen können. Allerdings habe ich keine Ahnung, wie wir noch eine Nachricht durchbringen können, denn die Maßnahmen der Sekte haben uns im Augenblick alle Möglichkeiten verschlossen. — Sind wir jedoch aus uns heraus nicht in der Lage, das Geheimnis zu ergründen, so muß es einen Weg geben, einen dieser verbrecherischen Sektier zu fangen. Wenn ich den Burschen eine halbe Stunde allein habe, singt er Arien. Darauf könnt ihr euch verlassen.«

»Du meinst einen der ursprünglichen angeblichen Glaubensbrüder, nicht wahr, Jim?« warf Peg Hobson, seine reizende Schwester, inter-essiert ein und strich sich eine Locke aus der Stirn.

»Ganz recht, Peg! Die gewonnenen Mitglieder dieser blödsinnigen Sekte sind für uns nutzlos.«

Ein stämmiger Bursche sprang plötzlich auf und reckte seinen muskulösen Körper über den Tisch.

»Laß mich einen greifen, Jim!« röhrte er. »Den möchte ich sehen, der meinen Fäusten entgeht!«

Jim Hobson grinste überlegen. »Setz dich, Harold! Du bist ein gutmütiger Hammel und mir zu

wertvoll, um so nebenbei geopfert zu werden.« Seine Stimme wurde jetzt erbarmungslos, und jeder erkannte,

welche Energie in dem jungen Mann steckte. »Seid euch darüber klar, daß diese Bande mit normalen Waffen

nicht zu schlagen ist. Warum hat sich denn bisher keiner gewehrt? Warum sind die Leute vollständig im Tran und nicht mehr fähig zu begreifen, welch gemeines Spiel mit ihnen getrieben wird, he? — Würdet ihr euch vielleicht freiwillig in diese satanische Sterilisati-onsmaschine begeben, solange ihr noch einen Funken Widerstands-geist in euch habt? Was sind das für Leute, diese Sektierer meine ich, und vor allem ihr oberster Prophet? Dämmert’s allmählich?«

Die Menschen sahen sich betroffen an. Keiner verstand, was der junge Hobson ihnen verdeutlichen wollte.

»Red dich aus, Jim!« brummte Carter Braddock schließlich. »Kreuzworträtsel haben mir nie gelegen.« Jim Hobson beugte sich vor. In seinen Augen glimmte ein gefähr-

liches Feuer. »Nun paßt mal gut auf und erklärt mich nicht für verrückt! Aber ich

lasse mich hängen, wenn diese Leute etwas wirklich noch Menschli-ches an sich haben. . .

Gewiß, sie sehen wie Menschen aus, doch stimmt mit den Brüdern etwas nicht. Ihre Bewegungen sind eckig, ihre Augen ausdruckslos, und wenn ich diese blutleeren Gesichter sehe, könnte ich mit einem Vorschlaghammer hineinschlagen.«

Jim Hobson konnte für einen Augenblick nicht weitersprechen, denn die Leute redeten wirr durcheinander und sahen sich vielsagend an.

»Laßt ihn doch zu Ende sprechen!« meuterte Harold unwillig. »Du hast recht, Harold«, antwortete Jim gelassen. »Diese Verbrecher können keine Menschen sein. Weiß der Teufel,

wo sie herkommen, jedenfalls nicht von der Erde! Sollte es uns ge-lingen, ein echtes Mitglied der Bande zu fassen, so klären wir diese Frage sehr bald. Und wenn ich den Kerl persönlich sezieren müßte! Ich werde…«

Er brach jäh ab und fuhr wie der Blitz herum, als ein schrilles Klingeln der Warnglocke durch den Raum raste. Die Leute sprangen schreckensbleich auf.

»Rasch, die Strahlpistolen!« befahl Hobson senior mit schneiden-der Stimme und riß sofort die Führung an sich.

»Verdammt!« ächzte Carter Braddock wütend. »Da muß jemand im Gang sein.«

»Wahrscheihnlich hat die Anlage schon nichts mehr von ihm übrig gelassen«, beruhigte Jim Hobson die aufgeregten Menschen. »Viel-leicht war’s nur eine Ratte«, murmelte Peg Hobson mit schwacher Stimme.

»Sei still und behalte deine Meinung für dich, Tochter!« fuhr ihr Vater hart dazwischen.

»Dickson, Jim! Los, seht nach! Wir geben euch Rückendeckung. Aber seid vorsichtig! Möglicherweise war es der Wächter.«

Jim und sein Kamerad schlichen los. — Sie fanden niemand. An-scheinend hatte die Anlage ihre Aufgabe erwartungsgemäß erfüllt.

Plötzlich riß Jim den Freund entsetzt zurück, als sie gerade um eine Kurve des Ganges gebogen waren und in ein glutsprühendes Funkenmeer sahen.

»Allmächtiger!« ächzte Dickson verwirrt. »Was ist denn das?« Jim faßte sich zuerst, wenn ihn auch das Grauen schüttelte. Also

hatte er recht gehabt mit seiner Vermutung. Die Fremden waren keine Menschen, konnten in ihrer Struktur nicht die geringste Ähnlichkeit mit ihren Ebenbildern haben. Das, was er sah, war der Beweis, ein grauenvoller Beweis, wie ihn Jim nie für möglich gehalten hätte. Ein gespenstisches Schauspiel bot sich seinen Augen.

Zwischen den Polen der tödlichen Anlage wand sich ein Wesen, das aussah wie ein Mensch, ja wie der Wächter, den die Sekte auf dem Gelände der Bergwerksgesellschaft postiert hatte. Gottlob führten diese sonderbaren Heiligen keine Waffen bei sich.

Das Wesen sah grauenhaft aus. Sämtliche Kleidungsstücke waren unter der Wirkung der rasenden Ströme verkohlt und hatten sich als schwarze Fetzen in das Fleisch gefressen. Der Wächter war nackt und tobte wie ein Irrsinniger zwischen den sprühenden Funken hin und her, ohne aus dem Bereich des Aggregats zu kommen. — Aber Schaden tat ihm die fürchterliche Energiekonzentration offensichtlich nicht. Wahrscheinlich störte sie ihn nur.

Jim hatte nicht den geringsten Zweifel mehr. Kein auf der Erde geborenes organisches Wesen hätte diese Tortur so lange durchstehen, geschweige sie überhaupt überleben können.

Die Sektierer waren außerirdischen Ursprunges und planten die Vernichtung der Menschheit.

Eine rasende Wut auf das tobende Ungeheuer überkam Jim. »Schieß das Ding ab, Burt!« brüllte er Dickson zu, der mit ent-

setzten Augen auf das funkensprühende Monstrum starrte. — Dann riß er seine Automatik hoch.

Bruchteile von Sekunden danach rasten aus zwei modernen Thermikstrahlern hochkomprimierte Energien durch den Gang, fraßen sich spielend durch das fremdartige Wesen und verloren sich dann in der Ferne des Ganges. Die Männer feuerten wie Besessene. Aber das Wesen reagierte kaum. Es wand sich ein wenig heftiger und verlor

mächtige Fleischpakete aus seinem Körper. Doch das war alles. Gleich darauf hatten sich die Wunden wieder schadlos geschlossen.

Jetzt lachte die Bestie, daß sich den beiden Männern die Haare sträubten. Sie begriffen nichts mehr, weil sie vor einer ähnlichen Si-tuation niemals zuvor in ihrem Leben gestanden hatten. Jim Hobson war ratlos. Dann gaben sie den sinnlosen Beschuß auf. Welten schienen für sie einzustürzen, denn das Wesen war auch kugelfest. Und es lachte wie ein Wahnsinniger.

»Weg von hier!« stöhnte Jim. »Oder wir verlieren den Verstand.« Burt Dickson verstand kein Wort, dazu war der Abschußlärm zu

stark gewesen. — Aber er begriff den Freund, dessen Gesten eindeutig waren. Es wurde auch höchste Zeit, denn gerade begann der Sektierer, die ganze Anlage aus den Wänden zu reißen. Und das mit bloßen Händen. . .

Einige rasche Griffe faßten nach den Freunden, die durch den dunklen Gang zurückstolperten.

»Hierher, Jungens!« brüllte der alte Hobson. »Schnell fort! Wir haben alles gesehen, konnten jedoch nicht ein-

greifen, um euch nicht zu gefährden.« Keiner sprach während des blinden Laufens mehr ein Wort. Schließlich hatten sie den toten Quer-Stollen wieder erreicht. Die

restlichen Leute waren schon informiert und ahnten, was ihnen be-vorstand, wenn es dem »Ding« gelang, einen Menschen lebend in die Gewalt zu bringen. Sie waren die ersten, welche die wahre Gestalt der ursprünglichen Sektierer erkannt hatten. Das Ungeheuer würde zweifellos alles versuchen, um zu verhindern, daß diese Kenntnisse verbreitet wurde. Die fremden Organismen wußten genau, daß das ganze Kolonialreich Terra gegen sie aufstehen würde, wenn die Menschheit erst den wirklichen Ernst der Lage erfaßt hatte.

Nervös zuckten die schweren Waffen in den Händen der verzwei-felten Gruppe.

»Carter! Wir müssen hier verschwinden, ehe es uns aufspürt«, zischte der alte Hobson mit bebender Stimme.

»Schafft die Leute durch den Vertikalschacht nach oben! Los, be-eilt euch! Wir haben keine Zeit zu verlieren.«

»Vater! Wir müssen das Biest aufhalten, bis die anderen ver-schwunden sind«, keuchte Jim.

»Gut, mein Junge! Du, Burt und Harold Roy, ihr beschäftigt den Posten. Ich mache inzwischen eine Sprengladung fertig. Wenn wir diesen Teufel schon nicht verwunden können, so wollen wir ihn doch wenigstens lebendig begraben.

Das übersteht er bestimmt nicht. Jetzt fort mit euch!« Während die drei jungen Männer wieder in die Richtung der

Hochspannungsanlage vorstießen, bereitete der Speditionsunterneh-mer mit raschen Griffen eine Dynamitpatrone zur Sprengung vor. Da er selbst in seiner Jugendzeit gelegentlich als Bergmann gearbeitet hatte, machte ihm diese Tätigkeit keine Sorge. Eine halbmeterlange Zündschnur vervollständigte die Sprengladung. — Dann eilte er dem Kampfplatz entgegen.

Es wurde höchste Zeit, denn lange können sich die Jungen nicht mehr halten. — Dann sahen sie ihn kommen.

Die Szene war grauenhaft. Der feindliche Posten torkelte wie ein Betrunkener mit ruckhaften Bewegungen langsam auf die Verteidiger zu, die ihn unter konstantem Strahlbeschuß hielten. Eine mächtige Hitze mochte um das Wesen toben, aber es kümmerte sich nicht darum. Wenn es überhaupt so etwas wie einen Schmelzpunkt besaß, dann befand sich dieser doch außerhalb der Wirkungsintensität der vorhandenen Waffen. Das Monstrum wurde pausenlos getroffen, erhielt faustgroße Wunden, aber ehe die Männer es vollständig ver-nichten konnten, regenerierten sich die getroffenen Körperteile mit unglaublicher Geschwindigkeit.

»Lange halten wir das bestimmt nicht mehr aus!« ächzte Jim Hobson mühselig, denn er litt wie seine Kameraden schwer unter der immer stärker werdenden Hitzestrahlung.

»Zum Teufel! Mein letztes Magazin ist gleich leer!« brüllte Harold Roy dazwischen. »Gleich werden wir nur noch mit Steinen werfen können.«

Jetzt hatte Mr. Hobson die Zündschnur in Brand gesetzt. Der Sek-tierer würde sich wundern, wenn plötzlich etliche Tonnen Gestein auf ihn herabprasselten. Die Stimme des alten Hobson klang brüchig von

dem unfaßbaren Erlebnis dieser Stunde. »Aufhören, Jungens! Los, in den Schacht, sonst wird die Zeit zu

knapp.« Die Männer waren froh, dem unheimlichen Wesen entrinnen zu

können. In langen Sätzen spurteten sie zurück. Dann warf Jims Vater die Sprengladung dem nähertaumelnden,

nun fast gänzlich schwarzen Posten wenige Meter vor die Füße. Rasch brachte er sich in Sicherheit, während sich die Glut unerbittlich auf den tödlichen Inhalt der Packung zufraß. Der Sirianer schien das Verhängnis nicht bemerkt zu haben. Er stolperte über die Patrone, riß die Zündschnur jedoch nicht heraus, obwohl er Zeit genug dazu ge-habt hätte. Unerfindlich blieb, wie er sich orientierte, denn die Nach-bildungen menschlicher Augen an seinem Schädel waren total ver-krustet.

Die Männer hatten gerade noch Zeit, sich in den toten Seitengang zu verkriechen, wo sie sich, schwer unter der Anstrengung keuchend, zu Boden warfen. Dann raste ein trockener Knall durch den Gang, daß sie glaubten, der ganze Berg käme herunter. Noch als der Lärm pol-ternder Gesteinsmassen längst verklungen war, lagen sie wie gelähmt da. Ihre Nerven waren am Rande des Erträglichen. Aber niemand war verletzt. Die Wucht der Explosion hatte sich in dem schmalen Querstollen nicht mehr austoben können. Keine Lampe brannte je-doch mehr. Die Stromversorgung war wenigstens für diesen Teil des Bergwerks ausgefallen.

Mühsam raffte sich Jim Hobson auf. Ein wenig erleichtert regi-strierte er, daß sein Vater und die zwei Kameraden wohlauf waren.

Die Männer tasteten nach ihren Handlampen, von denen sie zur Vorsicht einige mitgenommen hatten.

Eine Stimme, die aus der Decke zu kommen schien, ließ sie zu-sammenzucken.

»Robert! Jim!« brüllte Carter Braddock dreißig Meter höher durch den rettenden Vertikalschacht herab. »Wir hörten die Explosion. Ist das Ding erledigt?«

»Hoffentlich!« knurrte Hobson senior. »Habt ihr noch Licht? Bei uns ist nämlich alles zum Teufel gegangen.«

»Alles okay!« kam sofort die Antwort. »Einige Risse sind zwar in den Wänden. Das ist aber auch alles. Kommt herauf! Die Leute wollen weg.«

Robert Hobson überlegte einen Augenblick. »Nein, Carter. Wir bleiben noch. Haben ja die starken Stablampen.

Ehe wir uns nicht persönlich überzeugt haben, daß das Biest nicht mehr lebt, setzen wir uns noch nicht ab.

Wir müssen reinen Tisch machen. Sammle die Leute, Carter! Und dann verschwindet! Der Truck wird euch in mein Haus bringen. Peg weiß Bescheid.«

»Right, Robert!« rief Braddock erleichtert. »Wir verschwinden. Viel Glück! Und seid vorsichtig.«

Dann wurde es still. Die vier Männer waren allein. Noch saß ihnen das Entsetzen in den Gliedern, aber sie hofften, das Ungeheuer erle-digt zu haben.

»Kommt, Jungens!« murmelte der Fuhrunternehmer leise. »Wollen sehen, wie es an der Sprengstelle aussieht. Wenn der Posten nämlich entkommen ist, alarmiert er garantiert die ganze Bande.«

Vorsichtig tasteten sie sich im Lichte der starken Lampenkegel an die Stelle heran. Der Gang war nicht vollständig verschüttet, aber etliche Tonnen bleihaltiges Gestein mochten dennoch herabgestürzt sein. Von ihrem Gegner bemerkten sie nichts. Entweder war er ge-flüchtet, oder er lag unter den schweren Brocken begraben. Sie hofften das letztere.

»Saubere Arbeit, Dad!« grinste Jim Hobson. »Du hättest Spreng-meister werden sollen, statt für andere Leute Waren zu transportieren. Das hat der Bursche nicht überlebt.«

Jetzt machten sich die überstandenen Anstrengungen Luft. Die Männer schlugen sich gegenseitig auf die Schultern und konnten es noch nicht fassen, daß sie ihren fürchterlichen Gegner erledigt hatten, einen Feind, dem weder gleißende Hitze noch hochkomprimierte Explosionsgeschosse etwas hatten anhaben können. Plötzlich stutzte Burt Dickson. Der Lichtkegel seiner Lampe huschte nervös über die aufgetürmten Gesteinsmassen.

»Was ist los, Burt?« lachte Harold Roy. »Suchst du die Überreste

dieses seltsamen Heiligen?« »Schnauze, Harold! Da hat sich doch eben etwas bewegt!« »Nein, Kamerad!« grinste Roy zurück. »Du siehst Gespenster. War

alles ein wenig zuviel für einen Tag. Kommt, laßt uns verschwinden! Mir reicht’s. Bin froh, wenn ich die Sonne wiedersehe.«

Jim Hobson wurde plötzlich aschfahl. Verwirrt wischte er sich über die Augen. Jetzt hatte er die Stelle deutlich im Kegel seiner Lampe.

»Um Gottes willen!« stöhnte er mit matter Stimme. »Da, seht doch die Felsbrocken! Sie bewegen sich. Das ist ja nicht zu fassen.«

»Das Monstrum!« ächzte Burt Dickson tonlos. »Ich habe es doch gleich, bemerkt. Lieber Himmel! Es lebt, es lebt wahrhaftig!« Ratlos sahen die Männer sich an.

Gleich darauf schoben sich die Steine zur Seite, und mehrere schleimige Klumpen bewegten sich wie brodelnder Schlamm und formten sich mit unfaßbarer Geschwindigkeit wieder zu einem ein-heitlichen Körper.

Die Männer waren vollständig gelähmt. So grauenhaft das Erlebnis war, es faszinierte sie doch. Vor ihren Augen bildete sich nackt, aber offensichtlich unverletzt der unheimliche Fremde neu. Nicht einmal mehrere Tonnen Bleigestein hatten dem rätselhaften Organismus schaden können.

Als das Wesen sich aufreckte und langsam auf sie zukam, war es mit dem letzten Widerstandswillen der Männer vorbei. Mehr konnten sie nicht ertragen. Flucht, nichts anderes als Flucht wußten sie mehr. Sie achteten nicht auf die Befehle Robert Hobsons. Sie waren wie von Sinnen. Mit letzter Kraft schüttelten sie den lähmenden Bann von sich und flohen vor dem fürchterlichen Wesen, dem nichts, was sie ver-sucht hatten, den Tod bringen konnte. Dann nahm sie der schmale Querstollen auf. Hinter sich hörten sie das stumpfe Gepolter ihres Verfolgers, der sich blind vorwärts tastete, um seine Peiniger zu ver-nichten.

Das Verbot des Tötens hatte er vergessen. Es war ihm, als ob ein solches Verbot überhaupt nicht bestanden hätte. Er war angegriffen worden. Er, ein Untergebener des großen Pal Tar. Diese niederen Tiere hatten es gewagt, einen echten Glaubensbruder zu bedrohen.

Wenn es irgend etwas gab, das der Sirianer mit dem Wort Rachege-fühl beschrieben hätte, so war es jetzt in ihm mit nie gekannter Wucht losgebrochen, hatte alle Dämme seiner strengen Erziehung durch-stoßen, die der Rasse der Sirianer die Weltherrschaft verhieß, ihnen aber das persönliche Töten eines anderen Lebewesens verbot. Er heulte vor Zorn, daß den Flüchtenden das Blut in den Adern gefror.

Harold Roy war als erster in dem verlassenen Aufenthaltsraum angelangt. Von ihrer Angst getrieben, hastete er die Stufen der Leiter hinauf, die in dem Vertikalschacht angebracht war.

Plötzlich schrie er verstört: »Der Schacht! Wir sind verloren. Bei der Explosion muß sich ein dickes Felsstück in ihm verklemmt haben. Ich bekomme es nicht los, und mehr als ein Mann kann gar nicht so weit vordringen, um den Stein zu beseitigen.«

Über Robert Hobson kam auf einmal eine große Ruhe. Er wußte jetzt, daß sie verloren waren. Die letzte Hoffnung war dahin. Ihnen blieb nichts, als mit Anstand zu sterben.

»Komm herunter, Harold!« rief er mit schneidender Stimme. »Benimm dich wie ein Mann! Wir werden unsere ganze Kraft

benötigen, um als Menschen zu sterben. Willst du diesem Untier etwa noch ein Schauspiel bieten?«

Harold Roy schluckte vor Entsetzen, riß sich dann aber zusammen. Eng drängten sich die dem Tode geweihten Männer aneinander.

»Leb´ wohl, mein Junge!« murmelte Robert Hobson stockend. »Es sollte wohl nicht anders sein. Peg ist auch hier. Sie liegt be-

wußtlos unter dem Tisch und wird nichts merken. Braddock, der Idiot, muß sie vergessen haben.«

Fest drückte Jim die alten Hände seines Vaters. Gerade taumelte der tobende Posten in den Querstollen. Das Licht

der Stablampen war erloschen. Dann schloß Jim die Augen.

*

Als Oberst Millers Bewußtsein zurückkehrte, fand er sich gefesselt auf einem Tisch wieder. Wo seine Kameraden sich befanden, wußte er nicht Er versuchte, sich zu bewegen, denn sein Geist arbeitete voll-

ständig klar. Aber er mußte feststellen, daß er auch nicht einen Muskel rühren konnte. Er war noch immer gelähmt, und dennoch fühlte er alles. Furcht empfand er nicht, denn er hatte ja aus der Unterhaltung der beiden Sirianer erfahren, was man mit ihm und seinen Leuten beabsichtigte. Am liebsten hätte er gegrinst, weil er sicher war, daß General Revans Spezialisten hinsichtlich verräterischer Aussagever-hinderung ganze Arbeit geleistet hatten.

Robinson Miller sah nicht den geringsten Lichtschimmer. Das störte ihn, doch er empfand, daß irgendwelche Kontakte seine Kopf-haut berührten, anscheinend eine Art Lügendetektor. Na, er würde prompt antworten und den Burschen einen Knochen hinwerfen, der ihnen als Geschenk des Himmels erscheinen mußte. Dann hatte er keine Zeit mehr, weitere Überlegungen anzustellen, den der Pal Tar begann mit der Befragung, auf die sich der Oberst mit aller Kraft konzentrieren mußte, um auch nicht den leisesten Verdacht einer falschen Antwort zu erwecken.

Die Stimme des Sirianers war monoton. Und wenn er sich mit Or San in der lautlosen Sprache seines Heimatplaneten unterhielt, so begriff der Oberst auch davon jedes Wort. Wenn er nur gewußt hätte, wieso das möglich war!

»Wie heißt du, Erdentier?« »Miller! Robinson Miller, ehemaliger Oberst der Luft- und

Raumüberwachung für den Bezirk Beteigeuze«, antwortete der Ge-fragte sofort. Schon kam die nächste Frage, und Robinson Miller stellte zu seiner großen Beruhigung fest, daß die Beantwortung aus-schließlich in seinem freien Willen lag. Dann die dritte Frage:

»Was hältst du von deinen Artgenossen und von der erhabenen Glaubensrichtung, die der hohe Pal Tar repräsentiert?«

Dem Oberst bereitete es diebische Freude, die fremdartigen Orga-nismen bewußt täuschen zu können.

»Die Menschheit ist böse von Grund auf. Ich danke dem Schicksal, daß es den hohen Pal Tar und dessen Gefolgschaft zu uns gesandt hat Nur so werden wir die Reinheit wiedererlangen können.«

»Spricht er die Wahrheit, Or San?« näselte der Oberpriester der Sirianer.

»Er drückt seine innersten Empfindungen aus, hoher Pal Tar!« beeilte sich Or San zu antworten. »Die Reflektoren zeigen es deut-lich.«

Die beiden Sirianer schienen von dem Erfolg ihres Testes tief be-friedigt. Das wurde dem Oberpriester aus ihren Gedanken klar. Die Befragung ging weiter, und exakt antwortete der selbstsichere Patient, in dessen Hirn erfahrene Spezialisten für solche Fälle eine zuverläs-sige Sperren eingebaut hatten. Allmählich kamen die Fremden jedoch zum Schluß.

»Hast du noch weitere Wünsche, hoher Pal Tar?« »Es genügt schon, Or San. Die Antworten dieses Erdentieres und

seiner Mitmenschen entsprechen sich doch sehr, so daß wir infolge dieser Tatsache und der absolut genauen Funktionen unseres Inquisi-tionsgerätes sicher sein können, in den drei männlichen Bewohnern dieses herrlichen Planeten überzeugte Anhänger unserer großen Rasse gewonnen zu haben. Bald wird der letzte Mensch vergangen sein. Dann wird uns die Erde gehören. Es wundert mich nur, daß die Flüchtlinge so rein zufällig in den Besitz ihrer Kleidung und der Waffen gelangt sind. Aber ihre Wunden sind echt. Möglicherweise haben sie doch ein Lager derjenigen gefunden, die wir bisher noch nicht beeinflussen konnten. Die Scheune und der Verschlag, von denen sie sprachen, deuten darauf hin. Wir werden diese Aussage nachprüfen lassen. Unsere Geräte zeigten an, daß die Befragten die reine Wahrheit sagen. Mehr können wir nicht aus ihnen herausholen. Wir können ihnen nun trauen.

Schafft diesen Mann zu den anderen und weck sie auf, Or San! Wir dürfen es nicht riskieren, daß die außerhalb unseres Bereiches leben-den Tiere wider Erwarten Gegenmaßnahmen ergreifen, denen wir vielleicht doch nicht gewachsen sind.«

Oberst Miller atmete erleichtert auf. Bei der letzten Frage war der heimtückische Sirianer an einen wunden Punkt gekommen. Das hätte schiefgehen können. Zum Glück hatten Lester und Brown etwa in ähnlicher Weise berichtet, wie sie an Kleidung und Waffen gelangt waren. Damit war die zweite Schlacht gewonnen. Robinson Miller sehnte den Augenblick herbei, in dem das Ende der Eindringlinge

nahte. Es gab also eine Möglichkeit, diese ekelhaften Keimlinge zu entmachten. Er mußte diese Chance finden! Das schwor er sich.

Dann merkte er, daß die Kopfkontakte entfernt und er mitsamt seiner Rolltrage hinausgeschoben wurde. Die Zeit des Handelns nahte.

Endlich hörte die rollende Bewegung auf. Jemand hob ihn von seiner Unterlage und lehnte ihn gegen eine Wand. Dann zuckte ein eigentümliches Kribbeln durch Robinson Millers Glieder, als ob Tausende kleinster Nadeln ihn peinigten. Das Kribbeln verteilte sich über den ganzen Körper, und gleich darauf bemerkte der Oberst mit Erleichterung, daß der erste Lichtschimmer seine Sehnerven traf.

Schattenhaft nur konnte er zunächst die Umrisse des Raumes er-kennen. Vorsichtig versuchte er, sich zu bewegen. Die Muskeln waren noch ein wenig steif von der ungewohnten Lähmung, aber mit dem wachsenden Sehvermögen kehrte allmählich auch die volle Bewe-gungsfreiheit der Glieder zurück. Jetzt mußte er aufpassen, daß er sich nicht durch den klaren Blick seiner Augen verriet. Sein Gesichtsaus-druck blieb stumpf. Er konzentrierte sich auf den merkwürdig fanati-sierten Blick, den alle Menschen an sich hatten, die von der hypnoti-schen Gewalt der Sirianer beeinflußt waren. Diese Mimik, ein Ge-misch von stupider Ausdruckslosigkeit und loderndem Fanatismus, bereitete ihm nun, da er sie kannte, keine allzu großen Schwierigkei-ten mehr. Der Oberst und seine Kameraden fanden sich in demselben Raum wieder, in dem sie den Pal Tar schon bei ihrer Ankunft erblickt hatten. Der hatte seinen Thronsessel wieder eingenommen. Aber jetzt schienen die maskenhaften Züge des Sirianers ein wenig gelockert zu sein. Die drei verneigten sich tief, worauf der auf seinem Thron hok-kende komische Heilige sofort das Wort an sie richtete.

»Ihr seid nun in unserer Gemeinschaft aufgenommen, da wir überzeugt sind, in euch Menschen vor uns zu haben, die von der Lauterkeit unserer Sendung begeistert sind. Wir haben euch prüfen müssen. Aus euren zustimmenden Antworten wissen wir, daß ihr bereit seid, eure ganzen Kräfte für das hohe Ziel einzusetzen, das unsere Glaubensgemeinschaft zu verwirklichen sucht. Bald schon werdet ihr eine Aufgabe erhalten. Vorerst jedoch könnt ihr für einige Stunden tun und lassen, was ihr wollt, denn ihr sollt sehen, daß wir der

Menschheit auch die Freiheit des Körpers bringen, soweit eine sün-dige Beschäftigung davon ausgeschlossen bleibt.«

Er brach ab und wandte sich in amerikanischer Sprache an Or San, der erwartungsvoll auf seinen Befehlshaber blickte.

»Unsere Brüder erhalten jeden Wunsch erfüllt. Du haftest mir da-für, daß sie überall respektiert werden. Gib sofort die entsprechende Nachricht an alle Sendboten.«

Durch die drei Männer tobte eine wilde Begeisterung, die der Pal Tar natürlich zu seinen Gunsten auslegte. Mit diesen Anhängern einer Sekte glaubte er das Rad in Bewegung gesetzt zu haben, das ihm die endgültige Weltherrschaft sichern würde. Aber er sollte sich getäuscht haben.

»Tretet näher!« befahl er und erhob sich aus seinem prunkvollen Thron, der für das beraubte Museum wahrscheinlich einen unersetz-baren Wert darstellte.

»In zehn Stunden erwarte ich euch hier in diesem Saal zum Be-fehlsempfang. Ihr werdet eine hohe Aufgabe zu erfüllen haben, wie sie niemals zuvor einem Menschen zuteil wurde. Erweist euch ihrer würdig!

Geht nun in die Stadt und erfreut euch an den schon gewaltigen Erfolgen unserer Sendung.«

Dann griff er in eine Falte seines golddurchwirkten Gewandes und zog drei weiße Armbinden hervor, die mit dem nun schon bekannten Flaggensymbol der Sirianer versehen waren.

»Diese Binden befestigt an eure Kleidung. Sie sind ein Zeichen meines besonderen Vertrauens. Wer dieses Symbol an euch erkennt, wird alles in seiner Macht Stehende tun, um euch jeden Wunsch zu erfüllen. Und nun geht! Ich erwarte euch in zehn Stunden.« Er winkte mit der Hand, worauf sich die schwere Flügeltür öffnete. Die Männer waren entlassen.

»Uff!« schnaufte Oberst Miller, als sie das Gebäude schon ein Stück hinter sich gelassen hatten. »Ich hätte kaum gedacht, daß diese aalglatten Burschen sich so leicht täuschen ließen.«

»Kein Wunder, Chef«, grinste Dick Lester boshaft. »Unsere Spe-zialisten haben ganze Arbeit geleistet.«

»Halten Sie Ihr Gesicht unbewegt, Lester!« knurrte Robinson Miller unwillig. »Möglicherweise beobachtet die Bande über Fern-kameras jeden Schritt, den wir tun, obgleich ich beinahe sicher bin, daß diese Fremdlinge von unserer Arbeitswilligkeit überzeugt sind.«

Gemütlich schlenderten die Männer durch die fast menschenleeren Straßen. Die Sonne mußte schon vor einigen Stunden untergegangen sein. Wenn nicht die erleuchteten Geschäftsfronten eine gleißende Lichterflut über die Straßen geworfen hätte, wäre es stockdunkel gewesen, denn der Mond hatte sich hinter schweren Wolken verkro-chen, als ob er seinen milden Schein dieser trostlosen Welt nicht gönnte. Allmählich gelangten die Männer in die Außenbezirke der Stadt, wobei sie hin und wieder die heute merkwürdigerweise in Be-trieb befindlichen Rollbänder und vollautomatischen Stadtbahnen benutzen konnten.

»Wäre ja ein Ding aus der Witzkiste, wenn die Sirianer nur uns zuliebe ausnahmsweise mal die öffentlichen Verkehrsmittel wieder in Schwung gebracht hätten«, lächelte der Ingenieur.

Vorsichtig vergewisserten sich die Männer, ob ihnen auch kein geheimer Späher folgte. Aber niemand war zu sehen. Offensichtlich hielten die Sirianer eine solche Maßnahme für überflüssig. »Sagen Sie, Brown«, wandte sich Oberst hier endlich an seinen Kameraden, denn er hielt es für unwahrscheinlich, daß hier doch jemand ihr Ge-spräch belauschen konnte. »ist Ihnen eigentlich auch aufgefallen, daß wir diese sogenannten Bohnenkeimlinge verstehen konnten, ohne daß sie ein Wort aussprachen?«

»Klar, Chef! Lester und ich haben die gleiche Entdeckung ge-macht. Mir ist es unbegreiflich, daß uns das möglich war. Haben Sie eine Erklärung dafür?«

»Eine Erklärung schon«, antwortete Robinson Miller zögernd, »nur keinen Beweis, wie General Revan uns mitteilte, haben wir doch in der Tiefenbefragung ausgesagt, daß sich diese widerlichen Keimlinge an uns festsaugten. Ich halte es für möglich, daß sie sich so über die von ihnen anzuehmende Gestalt informierten und uns gleichzeitig etwas von sich selbst übermittelten, das uns die Fähigkeit gibt, sie ohne sprachliche Verständigung zu begreifen. Ich weiß, das klingt

reichlich phantastisch, aber eine andere Möglichkeit sehe ich nicht. Seht euch jetzt mal nach einer Zeitungsagentur um! Dort hängen in der Regel Stadtpläne aus. Ich werde inzwischen dem General unsere Er-lebnisse berichten. Nur schade, daß wir noch nicht wissen, was die Sirianer mit uns vorhaben. Dann könnten bereits Gegenmaßnahmen ergriffen werden.« Rasch drückte der Oberst seine Mitteilung gegen das winzige Sendegerät.

Der Zufall führte die Männer in den Randbezirken der Stadt tat-sächlich zu dem Büro einer großen Tageszeitung, das zu dieser Stunde natürlich längst geschlossen war. Aber der Oberst hatte richtig ver-mutet. Ein Stadtplan hing in einem Schaukasten aus.

»Wozu brauchen Sie eigentlich so ein Ding, Herr Oberst? Ich sehe den Zweck nicht ein.«

»Überlegen Sie doch mal, Brown!« näselte Miller hämisch. »Der alte Hobson und seine Nachkommen sprachen doch von einem Bergwerk, in das sie sich zurückziehen wollten. Vielleicht finden wir die Widerstandsbewegung dort, denn Sie glauben doch wohl nicht im Ernst, daß wir hier, allein auf uns gestellt, die ganze Front aufrollen können.«

Dick Lester und Spencer Brown nickten. Dann klopfte Dick auf seine rechte Kuttenseite.

»Die Kanonen haben die Brüder uns ja gottlob gelassen. Wer weiß, wie nötig wir die noch mal brauchen?«

»Rindvieh!« warf der Ingenieur trocken ein. »Die wissen doch genau, daß wir ihnen damit nichts anhaben können.«

Unterdessen hatte der Oberst den Stadtplan studiert. »Kommt mal näher, Leute! Anscheinend haben wir Glück. Hier

gibt es tatsächlich in der Nähe ein Bleibergwerk. Muß schon ziemlich alt sein, wenn es so dicht im Bereich des Stadtbezirkes liegt, denn ein erst kürzlich ausgebautes Bergwerk würde niemand wegen der hohen Grundstückskosten niederbringen. Da wären die Leute bald pleite, Los, beeilen wir uns, damit wir Kontakt mit der Gruppe bekommen!«

Für alle Fälle sahen sich die merkwürdigen Vertrauensleute des Sirianers Pal Tar noch einmal um, aber es war tatsächlich niemand zu bemerken, der den Männern in einer bestimmten Absicht folgte. In

diesem Fach kannte sich der Oberst aus. Einen etwaigen Spion hätte er mitleidlos zur Strecke gebracht oder Ihn abgeschüttelt, falls er ihn wegen seiner sirianischen Herkunft nicht hätte ins Reich der Schatten schicken können.

Die Zeit drängte, denn mit jedem Tage dehnten die fremden Er-oberer ihren Energieschirm weiter aus, der sich von außen her nicht durchdringen ließ und die Menschen der betroffenen Gebiete blitzartig lähmte, so daß sie anschließend die hypnotische Behandlung ihrer heimtückischen Feinde genießen konnten. Wenn die Sirianer auch nicht beabsichtigten, Menschenleben dabei zu vernichten, so war es den Männern doch klar, daß der strahlende Kranz an seinen Berüh-rungspunkten mit der Oberfläche vielen Unschuldigen das Leben kosten konnte, die in ihren Fahrzeugen gegen Bäume und ähnliche Hindernisse rasen würden.

Schaudernd tauchten entsetzliche Visionen in den drei Einsamen inmitten einer feindlichen Welt auf. Zerstörte Kraftwagen, flüchtende Menschen, die alles zurückließen, nur um ihre nackte Haut zu retten, und dazwischen die versteinerten Gesichter der sirianischen Unmen-schen.

Das Schicksal der Menschheit stand auf Messers Schneide. Das war den Männern klar bewußt, während sie nun im Schutze der Dunkelheit durch die Nacht hetzen, um den wahrscheinlichen Unter-schlupf der tapferen Widerstandsgruppe zu finden.

»Au! Mein Kopf!« schimpfte Dick Lester plötzlich wütend. »Was haben Sie denn, Lester? Sie brüllen mit Ihrem Geschrei noch

die ganze Bande zusammen!« schnauzte der Oberst mit unterdrückter Stimme.

»Äh. . . verzeihen Sie, Chef! Bin gegen eine Mauer gerannt Man sieht ja auch kaum die Hand vor Augen. Hoffentlich sind wir auf dem richtigen Wege!«

Angestrengt versuchte Robinson Miller das Dunkel zu durchdrin-gen. Als ob er ihm Hilfe schenken wollte, lugte in dem Augenblick auch der Mond zwischen zwei Wolken hervor und warf einen gei-sterhaften Schein auf die in dieser Gegend verhältnismäßig stille Welt, in die nur der Lärm der nahen Weltstadt hereindrang.

»Okay, Leute!« flüsterte der Alte. »Grüßen Sie Ihren Gehirnkasten, Lester! Wir sind richtig. Hier ist eine Toreinfahrt, gegen deren Be-grenzungspfosten Sie gerannt sind. Sehen Sie doch! Dort der Schatten eines Förderturmes. Vielleicht haben wir Glück.«

Die Männer sprachen vorläufig kein Wort mehr, bis sie den ver-lassenen Gebäudekomplex erreicht und festgestellt hatten, daß sie außer einigen Mäusen die einzigen Besucher waren.

»Kein Aas hier«, knurrte Oberst Miller. »Die Bande legt unser ganzes Wirtschaftsleben lahm.«

»Wenn die Leute hier irgendwo stecken, dann wahrscheinlich unter Tage«, meinte Spencer Brown. »Hier oben können sie viel schneller aufgespürt werden als in einem Stollen, der möglicherweise sogar noch mehrere Ausgänge besitzt.«

»Sie könnten recht haben, Brown!« konstatierte der Oberst nach-denklich.

»Um hier was zu sehen, müßte die Gruppe die elektrische Be-leuchtung einschalten. Das würde aber weithin auffallen, zumal je-dermann weiß, daß hier nicht gearbeitet wird, noch dazu in der Nacht. Ein Glück, daß wir diese idiotischen Armbinden bekommen haben. Wenn der Halunke wüßte, wem er sie in Wirklichkeit gegeben hat!« Oberst Miller grinste noch einmal niederträchtig und befahl dann seinen Leuten, zu folgen.

»Kommt, wir müssen die Maschinenstation finden! Wenn der Korb unten ist, läßt ich schon denken, warum.«

Hastig eilten sie durch die unteren Räume des hohen und weitge-zogenen Bauwerkes. Ein Glück, daß die Beleuchtung funktionierte, sonst hätten sie den Weg wohl nicht finden können. Es blieb zu hof-fen, daß kein Außenstehender durch die plötzliche Helligkeit Ver-dacht schöpfen würde. Die Zeit flog dahin, und in wenig mehr als sechs Stunden mußten sie zum Befehlsempfang vor dem Oberpriester der Sirianer erscheinen, um eine Aufgabe zu erhalten, von deren entsprechender Durchführung es abhängen konnte, ob General Revan noch Zeit fand, erfolgversprechende Maßnahmen gegen die augen-blicklich noch unangreifbaren Organismen zu treffen.

»Wo befindet sich denn dieser Förderturm?« nörgelte Dick Lester

erbost, als sie schon mehrere Kauen durchquert hatten, in denen je-doch heute nicht die Kleidung fleißiger Bergleute an langen Schnüren zur Decke hochgezogen hing.

»Nerven bewahren, Lester!« beruhigte Robinson Miller den Ka-meraden. »Wenn wir jetzt schon durchdrehen wollten, wie können wir dann nervlich das überstehen, was zweifellos noch auf uns wartet? Ich glaube, bisher haben wir nur einen schwachen Abglanz von dem wirklichen Wesen dieser teuflischen Gangsterbande erhalten.«

Plötzlich stutzte er und wies dann auf. einen schmalen Rich-tungsweiser.

»Zu den Sohlen Theodor Roosevelt 1 bis 8!« las der Ingenieur schnell.

»Okay, Männer! Ich denke, wir haben’s geschafft. Rasch in den Maschinenraum!« befahl Miller. »Die Station ist ringsum mit Wänden umgeben und hat bestimmt nur zur Decke Fenster, so daß kaum je-mand etwas merken kann, wenn wir dort Licht machen.«

Die Förderanlage war nun unschwer zu finden. Gleich darauf er-losch das nach außenhin weit strahlende Licht der Beleuchtungskör-per, das einen eventuellen Verfolger auf die Spur der Eindringlinge hätte locken können.

»Donnerwetter!« entfuhr es den Lippen Dick Lesters. »War noch nie in einem Bergwerk. Ist ja ’ne tolle Anlage. Das hätte ich nicht gedacht!«

»Hoffentlich ist sie nicht so großartig, daß wir uns mit den För-dermechanismen nicht zurechtfinden!« brummte der Alte unwirsch. »Da stehen Schachtlaternen. Hängt euch jeder so ein Ding um.«

Er griff sich selbst eine der praktischen Leuchten, die von einem kleinen Akku gespeist wurde und somit den früher gebräuchlichen öl- oder Karbidbrennstoff ersetzte.

Oberst Miller steuerte plötzlich mit aufmerksamen Augen auf eine leuchtende Schalttafel in Bildschirmform zu. In der Mitte waren die Fördermechanismen dargestellt. Ein heller Pfeil zeigte auf Sohle 4. Also befand sich der Korb nicht an der Oberfläche. Jemand mußte in das Bergwerk eingefahren sein. Wer anders als die Widerstands-gruppe hätte sich diese Mühe zu so später Stunde machen können?

Die Männer waren jetzt aufs äußerste konzentriert. Sie entsicherten ihre Waffen, um sich gegen einen möglichen Angriff verteidigen zu können, falls die eingefahrenen Menschen in Unkenntnis der Sachlage sich gegen sie wenden sollten. Dann studierten sie sorgfältig die Be-dienungsanweisung des Fördermechanismus.

»Ich glaube, wir kommen nicht damit zurecht, Chef!« meinte Dick Lester gelassen.

»Gott sei Dank ist die Technik unseres hochautomatisierten Jahr-hunderts ja nahezu narrensicher. Soll ich den Korb raufholen?«

»Versuchen Sie es!« befahl Oberst Miller entschlossen. »Hoffentlich steht die Maschinenstation unter Strom! Wenn nicht,

dann haben wir eben Pech gehabt.« Sie machten sich vereint an die Arbeit. Ein tiefes Brummen ru-

morte durch die geräumige Halle, und die Zeiger verschiedener Meßskalen setzten sich in Bewegung.

»Genug, Lester!« unterbrach der Kommandant den Kameraden hastig, als der Fahrtanzeiger für den Förderkorb sich in Mittelstellung befand. Besorgt schaute er auf das Kontrollbild der Schaltanlage.

»Uff!« ächzte der Ingenieur und wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Er kommt tatsächlich. Gleich können wir nach unten fahren.«

Der Pfeil auf dem Schirm wanderte langsam in die Höhe, bis er das Zeichen B erreicht hatte, das wahrscheinlich bottom (Erdboden) be-deutete. Schon rasselte der Korb mit metallischem Klirren in die Maschinenhalle. Die ungewisse Fahrt in die Tiefe konnte beginnen. Rasch bestiegen die Männer den Korb.

Spencer Brown übernahm den Hebel für die Fahrtregelung, nach-dem Oberst Miller zuvor als Endstation Sohle 4 eingestellt hatte, die Sohle, in der sich der Korb befunden hatte.

»Fahren Sie bitte recht langsam, Brown, damit nicht jemand von dem Transportgeräusch aufmerksam gemacht wird, falls sich wider Erwarten doch eine Person hier auf dem Werksgelände aufhält.«

»In Ordnung, Chef!« Ohne Zwischenfall gelangten die Männer in die gewünschte Tiefe

wo Robinson Miller sofort die elektrische Beleuchtung einschalten ließ, denn noch ließ sich nicht vorhersagen, wie nötig man auf die

Energien der Gürtellampen angewiesen sein würde. »Los Kameraden! Wir nehmen einen von den automatischen

Hunden und folgen zunächst dem Hauptstollen. Ob wir die Gruppe finden, läßt sich im Augenblick noch schwer sagen. Ich schätze aber, die Leute werden einen Wachtposten aufgestellt haben, der uns rechtzeitig abfängt. Außerdem dürften sie durch das plötzliche Licht gewarnt sein.«

Das vollautomatische Fahrzeug kam rasch in Schwung und zog auf der glänzenden Einspurschiene verhältnismäßig ruhig seine Bahn.

Plötzlich fuhren die Männer erschrocken zusammen, als ein harter Knall, begleitet von einem heftigen Windstoß, durch den Stollen donnerte. Die Erde schien zu beben, und in den Wänden entstanden feine Risse, die sich unter drohendem Knistern wie Spinnennetze ausbreiteten. Gesteinssplitter und rieselnder Bleierzstaub fielen von der Decke des ächzenden Stollens.

Mit schleifenden Bremsen brachte Spencer Brown den Hund zum Stehen, aber das Donnern der Explosion hatte sich bereits verflüchtigt. Nur der dünne Staub lastete wie ein Schleier in der Luft und reizte die Atmungsorgane.

Blitzschnell sprangen die Männer von ihrem Fahrzeug in Deckung. »Was mag das gewesen sein, Chef?« fragte Dick Lester mit ner-

vöser Stimme. Oberst Miller suchte mit den Augen vorsichtig das vor ihm liegende Gangstück ab, konnte aber nichts Verdächtiges bemer-ken.

»Muß ’ne Sprengung gewesen sein, Leer! Aber wieso ausgerechnet jetzt zu dieser Zeit, wo doch offensichtlich niemand der Belegschaft an der Arbeit ist? Ich wette, daß da etwas faul ist.« Fragend sahen Dick Lester und der Ingenieur auf ihren Vorgesetzten, bis Spencer Brown schließlich murmelte:

»Schätze auch, daß das eine Sprengung war. Muß aber ein ganzes Stück weg gewesen sein, denn auf die Beleuchtung hat die Explosion ja keine Wirkung gezeigt.«

»Ich denke, wir sehen da mal nach!« befahl Robinson Miller mit kalter Miene. »Die ganze Sache kommt mir nicht geheuer vor. Mög-licherweise ist die Widerstandsgruppe von der Sekte überrascht

worden und setzt sich zur Wehr. Kommt, Männer!« Die drei verließen ihren sicheren Standort und pirschten sich vor-

sichtig weiter durch den Gang. Eine Weile ging alles gut, aber dann waren die Beleuchtungskörper

tot. Die Explosionsstelle mußte also in der Nähe sein und hatte das

Stromnetz in Mitleidenschaft gezogen. Unschlüssig blieben die Männer stehen.

Robinson Miller hob plötzlich die Hand und lauschte konzentriert in den stockdunklen Gang hinein. Undeutlich waren verworrene Ge-räusche zu vernehmen, als ob Menschen sich stritten. Dazwischen klang das Poltern von Steinen und weiteren undefinierbaren Tönen.

»Okay, Leute! Schätze, da vorn ist was los. Macht eure Lampen klar und entsichert die Waffen! Lester! Sie sichern nach hinten. Ich gehe voran. Vorwärts!«

Die Männer fragten nicht viel. Sie waren aufeinander eingespielt, und jetzt, im Augenblick höchster Gefahr, bildeten sie ein unzer-trennliches Team, das wußte, worauf es ankam. Wie Irrlichter huschte der Schein der starken Lampen durch den Gang und wies den Män-nern den Weg. Je weiter sie kamen, desto verständlicher wurden die Laute, die auf einmal zu einem entsetzlichen Gebrüll anschwollen und sich dann eilig entfernten.

»Da muß ein Kampf im Gange sein«, murmelte Robinson Miller mit angespannten Sinnen. »Vorsichtig, Kameraden! Wir sind an der Explosionsstelle.«

Zum Glück hatte die Sprengung nicht den ganzen Stollen ver-schüttet. Auf dem Bauch liegend, krochen die Männer durch die Einbruchstelle und jagten dann, so rasch es bei der Notbeleuchtung ging, auf die Quelle des entsetzlichen Geschreies zu.

Dann glaubten sie in ein Tollhaus zu geraten, denn vor sich sahen sie deutlich ein nacktes Wesen mit tierhaften Lauten in einen schma-len Querstollen wanken, in dessen totem Ende sich eine Schar zit-ternder Menschen zusammendrängte. Die Leute hatten anscheinend keine Fluchtmöglichkeit mehr und schienen von dem Anblick des auf sie zutaumelnden Ungetüms buchstäblich gelähmt zu sein. Und das

nackte Wesen schien das genau zu wissen, denn es breitete seine unmenschlichen Arme aus und schritt ohne Zögern auf das schwache Häuflein Menschen zu, als ob es sie erdrücken wollte.

»Das muß einer dieser widerlichen Sektierer sein!« fuhr es den Männern augenblicklich durch den Sinne. In einem rasenden Stakkato auf ihn einstürmender Gedanken erwog Robinson Miller seine Chancen, denn er hatte sofort kombiniert, in welche Lage er und seine Kameraden geraten waren. Die Widerstandsgruppe mußte sich tat-sächlich hier unten zusammengefunden haben und war dann durch die Laune des Schicksals von dem fremdartigen Wesen entdeckt worden. Was diese Situation für die betroffenen Menschen bedeuten würde, das war den Männern klar bewußt, denn der Sirianer schien vollstän-dig von Sinnen zu sein.

Der Oberst erkannte mit überwältigender Deutlichkeit, daß das Wesen Mord plante. Hier glaubte er sich sicher. Also war es doch nicht so weit her mit der sündenfreien Gesinnung dieser größen-wahnsinnigen Rasse, die sich zum Beherrscher des Milchstraßensy-stems aufspielen wollte.

Waffen waren hier wertlos. Der Fremde hatte die Strahlschüsse und die hochbrisanten Explosionsgeschosse hohnlachend verkraftet. Also konnte nur noch Frechheit helfen. Robinson Miller setzte alles auf eine Karte und betete zu Gott, daß das Wesen die Armbinden respek-tieren würde, diesen stärksten Trumpf, den er und seine Männer ein-zusetzen hatten. Kreuzbube oder Pique-Sieben, das war die Frage …

Gleich darauf knallte seine Stimme eiskalt durch den Gang: »Zurück, Bruder, oder du stirbst, wie nie einer deines Volkes ver-

endet ist! Hast du deinen erhabenen Verstand restlos verloren? Wie kannst du es wagen, das Verbot des Tötens durchbrechen zu wollen?«

Die eingeschüchterten Menschen am Ende des Stollens starrten mit ungläubigen Gesichtern auf die Eindringlinge, und der Sektierer taumelte mit einem unartikulierten Schrei herum, um sich auf seine neuen Gegner zu stürzen.

Den dreien gefror das Blut in den Adern. Wenn der Alte jetzt die Nerven verlor, würde die Bestie sie allesamt zu Frikassee verarbeiten. Oberst Miller war der Mann an der richtigen Stelle. Er bewahrte seine

Nerven, obwohl ihm die Beine zitterten. Aber dieser menschlichen Schwäche schämte er sich nicht. Noch einmal knallte seine Stimme dem Wesen entgegen:

»Noch einen Schritt, und ich zerlege dich rücksichtslos in deine Einzelteile, Unwürdiger unserer Glaubensgemeinschaft! Sieh unsere Binden und frage dein umnebeltes Hirn, was sie zu bedeuten haben!«

Jetzt erst schien der Wachtposten zu begreifen, daß er höchste Vertraute des Pal Tar vor sich hatte. Durch seinen ganzen Zellverband raste ein Kampf zwischen Mordgier und Unterwürfigkeit.

Die Entscheidung stand auf Messers Schneide. Dann siegte die Erziehung, und er warf sich mit einem ächzenden Laut zu Boden.

»Nicht töten!« heulte er blechern vor sich hin. »Nicht, töten! Ich habe gefrevelt, aber diese niederen Tiere wollten mich, einen erha-benen Glaubensbruder, durch ihre sündhaften Taten vernichten.«

Der Sirianer war jetzt restlos depremiert. Die Männer hatten ge-wonnenes Spiel. Also mußte es doch etwas geben, wovor sich diese Okkupanten tödlich fürchteten. Wenn die Männer dieses Mittel ge-kannt und besessen hätten, wäre ihnen erheblich wohler gewesen. Die Situation war so grotesk, daß Oberst Miller trotz seiner Waffenlo-sigkeit grinsen mußte.

»Du hast eine schwere Sünde begangen, Bruder! Preise dich glücklich, daß du noch in letzter Sekunde deinen Verstand zurück erlangt hast. Der erhabene Pal Tar wird deine Sühne bestimmen. Du stehst ab sofort unter Arrest. Unsere Armbinden verleihen uns die nötige Befehlsgewalt. Zur Strafe wirst du vorerst sämtliche heraus-gesprengten Steine in die Karren laden und dann zum Förderturm schaffen. Aber daß mir kein einziger Stein zurückbleibt, verstanden? Diese beiden Glaubensbrüder« — dabei wies er auf Dick Lester und Spencer Brown, die mit mühsam beherrschten Gesichtern auf die Szene glotzten — »und ich werden diese Tiere der Bestrafung durch unsere Gemeinschaft überantworten. Diese Wesen, die sich zu Un-recht Menschen nennen, haben gefrevelt. Aber die Strafe bestimmen nicht wir, sondern der hohe Pal Tar als oberster Hirte unserer Gesin-nung, und nun packe dich, ehe ich mich anders besinne!«

Der Wachtposten ließ sich nicht zweimal bitten. Er raffte sich auf

und verschwand eilends den Blicken der angeblichen Vertrauten – seines höchsten Vorgesetzten auf Terra. Gleich darauf hörten die Männer, wie er mit wütender Eile an die Durchführung seines Auf-trages ging.

Jetzt erlebten die tollkühnen Männer die Reaktion ihres Hand-streiches. Ihre Nerven vibrierten wie Hochspannungsdrähte, auf denen jemand mit einer Stahlsäge Geige zu spielen versucht. Das ging um Haaresbreite. Sie brauchten einige Zeit, um sich zu sammeln.

Im ganzen gesehen hatte der Oberst richtig spekuliert. Die Leute schienen ein Teil der besagten Widerstandsgruppe zu sein, denn in zweien von ihnen erkannte er deutlich den Fuhrunternehmer und dessen Sohn.

Dann weiteten sich seine Augen und er spürte, daß eine feine Röte sich über sein Gesicht ergoß. Sein Herz begann unruhig zu schlagen.

Mein Gott, dachte er, das Mädchen! — Welch ein wundervolles

Geschöpf ist sie!. Ein Gefühl ergriff ihn, das er nie in seiner langen, kampfgewohnten

Laufbahn am Rände belebten Welten gekannt hatte. Wie kam das Mädchen hierher?

Anscheinend war sie unter dem Tisch versteckt gewesen, denn sie richtete sich nun langsam auf und starrte mit so verwunderten Augen auf Robinson Miller und seine Kameraden, daß der Oberst sich selbst verwünschte, weil er auch ihr noch eine Weile eine Komödie vor-spielen mußte. Der Wachtposten durfte nicht den geringsten Verdacht schöpfen, deshalb konnte Miller seine wahre Identität erst dann lüften, wenn er mit den Leuten in sicherer Entfernung war.

» Lester! Nehmen Sie den Leuten die Waffen ab!« Pick Lester sah überrascht auf den Oberst. »Wieso, Chef? Ich...« »Halten Sie die Klappe, Sie Hornochse! Tun Sie, was ich Ihnen

sage!« grinste Robinson Miller hämisch. »Sie schalten immer eine Sekunde zu spät.«

»Na, schön, Chef. Aber mich laust der Affe, wenn das richtig ist!« resignierte Sergeant Lester und machte sich kopfschüttelnd an seine Arbeit.

»Komm, Puppe!« grinste Dick Lester das Mädchen an, das mit zornig funkelnden Augen auf den Mann starrte, der auch bei ihr eine Waffe vermutete.

»Nimm die Pfoten weg, du Dreckskerl, und scher dich zu deinem Boß!« fauchte sie ihn haßerfüllt an. »Meine Rob 8 muß unter dem Tisch liegen.«

Dick sah fragend auf den Oberst, der das tapfere Mädchen wegen seiner Kaltblütigkeit bewunderte.

»Ab mit euch!« befahl dieser dann, denn er hatte inzwischen einen Weg gefunden, um den Wachtposten mindestens für einige Wochen außer Gefecht zu setzen.

»Wissen Sie über Tage auch so gut Bescheid wie in den Stollen, Mr. Hobson?« wandte sich der Oberst an den mit verkniffenem Ge-sicht dastehenden Fuhrunternehmer, der seinen angeblichen Wächter plötzlich interessiert ansah.

»Das geht Sie nen Dreck an, Sie elender Denunziant!« knurrte Robert Hobson verächtlich, und Peg griff ihren Vater warnend an den Arm. »Beachte diese Männer gar nicht, Dad! Schade, daß ich meine Rob für diese Halunken nicht greifbar hatte.«

»Nun halten Sie mal die Luft an, Peggie!« erwiderte Oberst Miller gemütlich. — Das Mädchen fuhr ihm beinahe mit den Fingern in die Augen.

»Für Sie bin ich immer noch Miß Hobson, Sie kümmerlicher Gartenzwerg!«

Robinson Miller wurde rot vor Lachen. »Wetten, daß Sie in fünf Minuten froh sind, wenn ich Ihnen den

netten Namen Peggie gebe!« lächelte er und wünschte sich mit dem prachtvoll gewachsenen Mädchen auf eine einsame, palmenrau-schende Insel mit schneeweißem Badestrand.

Peg Hobson sah ihn trotzig an, aber in ihren Augen glomm ein Schimmer, der dem Oberst einen Kloß in den Hals trieb. Mit rauher Stimme schnauzte er seinen Kameraden an.

»Rasch, gebt den Leuten ihre Waffen zurück! Wird Zeit, daß wir dem vermaledeiten Keimling vom Sirius die Bude ein wenig einhei-zen.«

Ehe Robert Hobson und seine Gefährten Zeit hatten, verdutzt zu sein über die reichlich plötzliche Morgendämmerung ihrer Gefan-genschaft, sahen sie schon in freudig lachende Gesichter, deren Be-sitzer ihnen kräftig die Hände schüttelten und ihnen auf die Schultern klopften.

Robinson Miller war froh, endlich die Bürde seines Geheimnisses loszuwerden. In den notwendigsten Worten klärte er die Leute über den Grund seiner und seiner Kameraden Mission auf und berichtete in Schlagzeilen die bisherigen Erlebnisse. Er war sicher, diesen Leuten vertrauen zu können, und sah keine Ursache, in diesem Moment mit der Wirklichkeit hinter dem Berge zu halten, zumal niemand sagen konnte, wie notwendig sie noch auf die Hilfe dieser Leute angewiesen sein konnten, die sich natürlich in den Verhältnissen ihrer Heimatstadt genauestens auskannten.

Kein Wunder, daß die in buchstäblich letzter Sekunde geretteten Menschen erst einige Augenblicke brauchten, um die überraschende Wende zu verdauen. Sie hatten alle in den letzten Wochen ein wenig zuviel durchmachen müssen. Um so größer war ihre Freude und das Bewußtsein, daß die Außenwelt endlich aufgewacht war und sie in ihrem Existenzkampf mit den Eroberern nicht mehr allein standen, sondern die Abwehrspitzen einer aufs äußerste gereizten Welt hinter sich wußten.

»Das mit der Kinderlähmung ist ja ein tolles Stück, Oberst!« or-gelte Robert Hobsons Baß. »Haben Sie das Ihrem Oberbonzen mit Ihrem komischen Radio-Zahnstocher schon übermittelt?«

Robinson Miller konnte den alten Hobson beruhigen. Der not-wendige Spruch war längst abgesetzt worden.

»Na, Miß Hobson«, lästerte der Kommandant niederträchtig. »Ziehen Sie mal fünf Minuten ab. Was halten Sie davon, wenn ich Sie Peggie nenne?«

Das Mädchen wurde blutrot und ergriff dann impulsiv die darge-botene Hand. Sie wollte etwas sagen, brachte aber keinen Ton hervor, nickte nur und hielt rasch den Kopf gesenkt.

»Wohl in Höchstform heute, Oberst? He?« schaltete sich Robert Hobson ein. »Schätze, wir machen die Sprengladung fertig, wie Sie

vorgeschlagen haben. Meine Leute kennen die Lage der zwei anderen Verbindungsschächte genau, so daß dieser federbare Supermann auf Sohle 4 etliche Wochen zu wühlen haben wird, bis er den auf ihm lastenden Berg aufgelöst hat.« Oberst Miller schaltete sofort um. Der Sirianer durfte keine Gelegenheit zur Flucht bekommen. Das wäre das Ende der bisher erfolgreich begonnenen Aktion »Befreiung« gewesen. Klar kamen jetzt seine Befehle.

Schnell wurden drei überschwere Dynamit-Packungen vorbereitet, die durch die Wucht ihrer Zerreißkraft zweifellos alle drei Förder-schächte vollständig zertrümmern würden.

Dann jagten Jim Hobson und Harold Roy los. Jim nahm Schacht George Washington in Arbeit und Harold Roy Schacht Harry Truman. Die Eigentümer der Grube schienen eine spürbare Vorliebe für ehe-malige Präsidenten der USA gehabt zu haben. Na, den Männern war es egal.

Robert Hobson schien Spezialist in diesem Metier zu sein. Er ar-beitete mit wohltuender Routine und ließ dann den Korb mit seiner hochexplosiven Last auf Sohle 2 abfallen.

Oberst Miller rief die Leute zusammen, denn sie hatten noch etli-ches für den Fall zu besprechen, daß der Oberst und seine zwei Ka-meraden den Sirianern in eine Falle gingen. Wenn das eintrat, hatte Hobson senior den Befehl über die gesamte Widerstandsgruppe und vor allem die wichtige Aufgabe, die gewaltige Atommaschine zu zerstören, die den Kraftstrom für den die Sirianer schützenden Ener-gieschirm lieferte.

Peg Hobson war jetzt Feuer und Flamme und öfter richteten sich ihre Augen träumerisch auf den Oberst, der von immer heißerem Sehnen nach dem schlanken Mädchen ergriffen wurde.

»Gut, Mr. Hobson!« konstatierte Robinson Miller zufrieden. »Sie sind also informiert, wo die ehemalige Militärbasis für diesen Bezirk liegt. Organisieren Sie alles mit Ihren Leuten. Es wird ein Hasardspiel aber es muß gelingen.«

»Ah, da kommen ja schon Jim und Harold. Hoffentlich hat alles geklappt!« sagte der alte Hobson.

Die beiden atmeten heftig. Anscheinend hatten sie ein ganzes Stück

Weges schnellen Laufes zurückgelegt, denn es war wenig wahr-scheinlich, daß sich die zwei anderen Schächte in unmittelbarer Nähe des ersten befanden.

»Seid ihr fertig, Vater?« keuchte Jim Hobson aufgeregt »In zwan-zig Minuten geht hier nämlich alles hoch.«

»Alles klar«, sagte Robert Hobson. »Sonst noch ’ne Frage?« warf Oberst Miller rasch dazwischen. Die

Männer schüttelten ihre Köpfe. »Okay! Dann verschwinden wir, ehe wir die Bruchstücke des

Werkes ins Kreuz bekommen.« »Viel Glück, Oberst!« murmelte der Fuhrunternehmer heiser. »Wir

warten auf Ihre Nachricht.« Ein Blick auf die Uhr mahnte Robinson Miller zur Eile. In wenigen

Stunden erwartete der Oberboß der Sirianer ihn und seine Kameraden zum Befehlsempfang.

Vom Dunkel waren Oberst Miller, Dick Lester und der Ingenieur verschluckt. Und niemand außer den Eingeweihten ahnte, was dem noch immer verdrossen tief im Inneren der Erde arbeitenden Sirianer in Kürze bevorstand.

Devot beugte Robinson Miller den Rücken, und seine Kameraden gehorchten mit den Amtsmienen polynesischer Papageien.

Verdammte Tat! dachte der Oberst wütend. Die Komödie werde ich

dem Burschen noch persönlich heimzahlen!. Seine Majestät Pal Tar war ganz zufriedener Würde. Seine Pläne

schienen wie am Schnürchen zu laufen. »Es bleibt also, wie wir es beschlossen haben, Brüder. Ihr seid eine

ausgebildete Schiffsbesatzung und wißt, worauf es mir ankommt. In zwei Stunden ist eure Gravitationsrakete startbereit. Ihr kennt ja dieses Modell. Der Schutzschirm für die Maschine wird soeben eingebaut, so daß ihr unangreifbar seid. Ihr habt nichts weiter zu tun, als etwa alle 200 km einen Infektoren abzuwerfen. Der Planet wird so lange um-flogen, bis die Maschine keine Ladung mehr besitzt. Ich werde euch den Glaubensbruder Or San zur Unterstützung mitgeben.«

Robinson Miller hatte es satt, das Gegeifer der schizophrenen Kreatur weiter anzuhören. Der Augenblick war günstig, dem Ge-

spräch eine Wendung zu geben. »Wie dankbar sind wir, hoher Pal Tar, daß wir helfen dürfen, der

Menschheit den Weg zu einem sündenfreien Leben zu bahnen! Überall werden die Infektoren sich nach dem Abwurf aus der Ma-schine verteilen. Unser Glaube wird den Sieg erringen! — Doch wie kommen wir wieder zurück, um neue Einsätze fliegen zu können?«

Der Sirianer klappte das Maul zu. Daran hatte er anscheinend noch nicht gedacht. Jetzt hatte der Oberst das Monstrum da, wo er es haben wollte.

»Hm...«, näselte der Pal Tar. »Du hast recht, Bruder. Die Lösung dieses Problems ist jedoch sehr einfach. Im Keller dieses meines Re-gierungsgebäudes befindet sich die Kraftstation für den starken Schutzschirm, den wir täglich zur Erweckung neuer Gebiete vergrö-ßert haben. Auf die Dauer verfügen wir allerdings nicht über die er-forderlichen Energievorräte, um das Schutznetz erdumspannend auszudehnen. Nur deshalb habe ich mich entschlossen, neue Infekto-ren durch Wurfstreuung auf der Erde auszubreiten. Sobald euch meine Spezialisten im Radarschirm haben, wird eine Schleuse im Energie-feld euch den Einflug in unser Gebiet ermöglichen. — Und nun geht! Meine innersten Wünsche begleiten euch!«

Er winkte gnädig, und die Männer waren entlassen. Sie verbeugten sich noch einmal zum Beweis ihrer Ergebenheit und verließen das Parlamentsgebäude der Provinz Kalifornien mit gemischten Gefühlen.

Der Sirianer Or San ging ihnen mit verschlossenen Gesichtszügen voran. Was hinter seiner täuschend menschlich nachgebildeten Stirn vorging, wußte keiner mit Bestimmtheit. Aber die Männer ahnten, daß der Fremde sich bereits im Gefühl kommender Macht sonnte.

Oberst Miller war so mit seinen Plänen beschäftigt, daß er sich kaum bewußt wurde, wie rasch die Zeit dahineilte. Wie konnte er nur den Abwurf der gefährlichen Infektionskeimlinge verhindern, welche die Erde binnen kurzem mit einer unübersehbaren Menge neuer Sirianer übersäen mußten? Sollte in letzter Minute noch alles mit einem Fehlschlag enden?

Dick Lester ging in die Raumhafenkantine um noch etwas zu trinken.

Or San beaufsichtigte unterdessen die Verladung der wertvollen Fracht. Dann war es soweit.

Der Non-Stop-Raumer war beladen. Mit äußerster Konzentration nahmen die Männer ihre Bedienungsplätze ein.

Gleich darauf erhob sich das schlanke Stahlgebilde mit fauchenden Düsen von der piste des verlassen daliegenden Raumhafens. Drei wagemutige Männer, in harten Raumeinsätzen für den Ernstfall ge-drillt, trugen das Schicksal der Menschheit in ihrer Verantwortung. Und noch immer wußten sie nicht die gefährliche Last zu zerstören.

Das einzige, was Robinson Miller wenigstens eine schwache Be-ruhigung gab, war die Gewißheit, daß General Revan seine letzte Funksendung inzwischen empfangen haben mußte.

Hoffentlich würde es den fieberhaft auf der Erde beobachtenden Menschen gelingen, die gelandeten Infektoren zu bergen, bevor sie noch schlimmeres Unheil anrichten konnten.

Dann mußten die Männer in den sauren Apfel beißen. Der erste mit einer wimmelnden Masse von Keimlingen gefüllte Behälter stürzte aus dem Schiff und fiel mitten ins Stadtzentrum von Carson City im ehemaligen US-Staat Nevada.

Robinson Miller knirschte vor Wut mit den Zähnen. Or San be-aufsichtigte den Abwurf und steckte auf der Karte jedesmal den Punkt fest, an dem wieder ein Behälter das langsam in 20 000 Meter Höhe dahinfliegende Schiff verlassen sollte. Die zweite Ladung krachte am Stadtrand von Salt Lake City, der alten Mormonenstadt nieder.

Der dritte Behälter hatte die Stadt Denver zu beglücken. Doch dazu sollte es nicht mehr kommen. Während Robinson Miller nervös den automatischen Piloten kontrollierte, der die rasiermesserscharfe Nase des schlanken Schiffes soeben in Richtung Denver einpeilte, hörte er aus dem Laderaum, in dem Dick Lester zusammen mit Or San den Abwurf der teuflischen Ladung vorbereitete, plötzlich einen erstickten Schrei, der ihn wie ein Hornissenstich hochfahren ließ.

»Die Instrumente, Brown!« fuhr er den aufmerksam gewordenen Ingenieur hastig an, der mit fahrigen Augen nach hinten sah. »Achten Sie auf die Instrumente! Da muß etwas passiert sein. Ich sehe nach!«

Mit langen Sätzen raste er aus der Pilotenzentrale, um in den La-

deraum zu gelangen. Das Schott aufreißen und in die eiförmig gebaute Schiffszelle stürzen, war eins.

Etwas Hartes knallte ihm mit Wucht vor den Schädel, daß er glaubte, mitten durchgespalten zu werden. Für einen Augenblick kreisten rote Ringe vor seinen Augen. — Mühsam riß er sich auf und versuchte, sich auf das verschwommene Bild zu konzentrieren, das sich seinen überraschten Augen bot.

Im Laderaum schienen zwei Verrückte aufeinander loszugehen. Dick Lester brüllte wie am Spieß, um sich den rasenden Sirianer vom Leibe zu halten, der plötzlich den Verstand verloren zu haben schien. Ein abgerissenes Metallbein des umgestürzten Tisches drohte wie ein Totschläger in der Hand des Sergeanten, der mit seiner improvisierten Waffe pausenlos auf Or San eindrosch. Der Sirianer kreischte ein schauerliches Lachen und ließ die wuchtigen Schläge einfach durch den Zellverband seines unmenschlichen Körpers hindurchfahren. Dem Oberst grauste es, als er die fürchterliche Prozedur miterleben mußte.

Dem Sirianer hingen die Kleidungsstücke in Fetzen vom Leibe. Doch das schien ihn absolut nicht zu stören. Er wirkte im Gegenteil wie ein mordgieriges Raubtier, dem der Verzweiflungskampf seines todgeweihten Gegners Vergnügen bereitete.

Den beiden Kämpfern war das plötzliche Auftauchen Oberst Mil-lers noch gar nicht aufgegangen. Hätte Or San diese Tatsache regi-striert, so hatten seine Gegenmaßnahmen wahrscheinlich das Ende der Schiffsbesatzung bedeutet.

Zweifellos war das Wasserglas, aus dem Dick Lester kurz zuvor sein Stärkungströpfchen getrunken hatte, auch gar nicht für den ei-senharten Schädel des Kommandanten bestimmt gewesen.

Robinson Miller war eine bullige Natur und hätte es notfalls mit einem Freistilringer aufgenommen. Aber das unvermutet gegen seine Schläfe gedonnerte Glas hatte doch einige Hirnrelais aus dem ge-wohnten Gleis springen lassen, so daß der Alte für die nächsten Se-kunden außer Gefecht gesetzt war, bevor er überhaupt Gelegenheit hatte, in den Kampf einzugreifen.

Sein Schädel dröhnte wie der erste Dieselmotor. Aber schließlich

sah er doch wieder einigermaßen klar. Ohne auf das pfeifende Me-tallbein zu achten, umschlang er den Sergeanten mit fürchterlicher Kraft und preßte dessen Arme gegen den Rumpf, was Dick ein er-sticktes Ächzen entlockte. Der andere Arm des stumpfsinnig glot-zenden Sirianers fuhr dem Wehrlosen mitten ins Gesicht, um ihm die Kiefer aufzureißen.

»Lieber Himmel!« stöhnte der Oberst, als ihm endlich aufging, um was der ganze Kampf sich drehte.

Anscheinend hatte Dick Lester eine Sendung an General Revan absetzen wollen, als der nächste Behälter für Denver fällig war, damit die gefährliche Fracht sofort sichergestellt werden konnte. Irgendwie mußte der Sirianer mitbekommen haben, um was es ging. Der Rest lag klar auf der Hand.

Jetzt kam Leben in den Oberst. Der erste Schock war überwunden, und er fühlte, daß sein gepeinigtes Gehirn wieder klare Befehle an die Glieder übertragen konnte.

Ein Schlaginstrument! fuhr es ihm durch den Kopf. Wenn ich doch

wenigstens etwas Handfestes zur Verfügung hätte, um den Burschen

eine Zeitlang zu beschäftigen!. Seine Pupillen bohrten sich förmlich durch den Raum. Das erste,

das ihm in die Augen stach, war die auf den Boden gefallene Flasche seines Kameraden.

Die Flasche … Whisky ... Alkohol... ! Natürlich Alkohol! Da war sie, die Rettung, die einzige wirksame

Waffe gegen den bisher unverwundbaren Organismus der Sirianer. Wochenlang hatte er sich den Schädel zermartert, hatte jede Zelle seines Hirns durchwühlt, um sich zu erinnern. Nicht einmal die Spe-zialisten General Revans hatten in der Tiefenbefragung herausge-funden, wovor die ersten Keimlinge damals an Bord seines Schiffes geflohen waren. Und er hatte die ganze Zeit gewußt, daß es irgend etwas gab, vor dem diese Teufel entsetzliche Angst verspürten.

Robinson Miller schrie vor wilder Begeisterung und stürzte sich dann wie toll auf die unscheinbare Flasche.

Gerade trug der Sirianer den bewußtlsen Kameraden in die Nähe des Bodenschachtes, um ihn erbarmungslos in, die Tiefe zu stoßen.

Oberst Millers Finger hantierten fast mit der Geschwindigkeit elek-tronischer Reaktionsimpulse. In fliegender Eile schraubte er den blinkenden Metallverschluß ab und rammte dem Sirianer den Schädel ins Kreuz, daß Or San mitsamt seinem Opfer gegen die Wand krachte und um sich schlagend zu Boden fiel. Robinson Miller kannte jetzt keine Gnade mehr. Ein nie gekannter Triumph tobte in ihm, als er sich über den taumelnden Fremden warf und ihm den Inhalt der noch halb gefüllten Flasche über die Glieder rieseln ließ.

Dann sprang er blitzschnell zurück und riß Dick Lester mit sich, um nicht von seinem im Todeskampf heulenden Opfer erdrückt zu wer-den. Im gleichen Augenblick, als der durchsichtige Inhalt der Flasche den Körper des Sirianers berührte, war es schon mit der Unver-wundbarkeit des unmenschlichen Wesens vorbei. Or San zuckte, als ob etliche tausend Watt elektrischer Energie von seinem Innenleben verbraucht würden. Seine Haut verfärbte sich schwefelgelb und platzte dann unter starker Rauchbildung. Sein ganzer Zellverband begann zu verschmoren und löste sich immer rascher in nichts auf.

Robinson Miller konnte sich von dem schrecklichen Anblick nicht losreißen. Nicht einmal zwei Minuten dauerte die innere Verbrennung des vorher so stolzen und siegesgewissen Wesens. Nichts blieb von dem Sirianer übrig, nicht einmal ein Häufchen verbrannter Asche. Der Oberst schickte ein Stoßgebet zum Himmel und wischte sich dann den Schweiß von der Stirn. Seine Beine schwankten. Alles war so schnell gegangen, daß er Mühe hatte, die einzelnen Phasen des Kampfes zu rekonstruieren.

Die Gefahr war vorbei, das wirksame Mittel gegen die Bedroher der Menschheit gefunden!

Jetzt kam es darauf an, General Revan sofort zu informieren, damit geeignete Gegenmaßnahmen getroffen werden konnten.

Endlich gelang es dem Obersten, die Flut seiner Gedanken zu bändigen. Gewaltsam schüttelte er den deprimierenden Bann ab, derzeit Monaten über ihm und seinen Kameraden wie ein Alpdruck gelastet hatte.

Spencer Brown blieb der Mund offen, als der Alte ihm grinsend sein Erlebnis berichtete. Der Ingenieur hatte, wie befohlen, auf die

Instrumente geachtet und sich um nichts weiter gekümmert. »Mensch, Brown! Ich könnte die ganze Welt umarmen. Wir ha-

ben’s geschafft! Wir drei! Begreifen Sie das doch!« »Zu Befehl, Herr Oberst!« stotterte Brown leicht durcheinander.

»Zu Befehl! — Herr Oberst sind ein Genie. Ich hab’s schon immer gesagt.«

»Die Bande wird was erleben! Bringen wir erst mal Lester wieder zum Bewußtsein. Ich habe schon den richtigen Plan. Hauptsache der General hat die Fäden noch in der Hand.«

Dann setzte er die entsprechende Sendung ab, welche die Menschheit in einen unglaublichen Begeisterungstaumel versetzen mußte. .

Zwei Sekunden später landete die Gravitationsrakete mit heulen-den Düsen auf dem weitgezogenen Flugfeld von Kap Kennedy in Florida.

Die gewaltigen Motoren der Gravitationsrakete waren kaum zur Ruhe gekommen, als schon ein Einsatzwagen in rasender Fahrt über den Platz jagte. Mit schleifenden Bremsen brachte Oberstleutnant Grant das Fahrzeug zum Stehen.

Oberst Miller baute mit seinen Männern eine zackige Meldung hin. Lachend winkte der General ab und fiel in einen so vertrauten Ton, daß Spencer Brown vor Überraschung einen erstickten Pfiff ausstieß.

»Jungens, ich bin einfach erschlagen!« dröhnte die Stimme des Generals. »Ihr habt meine kühnsten Erwartungen übertroffen. Wenn ihr wüßtet, was hier in der Zwischenzeit los gewesen ist.«

Dann wurde er schlagartig wieder eiskalte Konzentriertheit. »Entsteigen! Wir fahren erst einmal zur Auffrischung Ihres gei-

stigen und körperlichen Menschen ins Offizierskasino. Danach wird einige Stunden geschlafen. Sie werden es gewiß nötig haben!«

»Verzeihen, Herr General!« wandte Dick Lester ganz entgegen seiner üblichen Art schüchtern ein. »Wieso Offizierskasino?«

General Revan grinste diabolisch. »Weil es unstatthaft ist, wenn sich ein Generalmajor Miller mit den

Leutnants Brown und Lester in der Mannschaftskantine herumtreibt.« Dick Lester blieb vor Schreck die Luft weg. Er mußte erst einmal

verdauen, daß er inzwischen befördert worden war. »Habt wohl allerhand ausgestanden, Männer?« forschte General

Revan. »Kann mir schon vorstellen, wie es in etwa zugegangen ist.« »Danke, es reicht, Chef!« kommentierte Robinson Miller trocken.

»Der Hauptspaß kommt aber erst noch. Weiß der Teufel, wie lange ich mich noch des neuen Sternes und der Generalstreifen erfreuen kann.«

»Sie halten durch, Miller, oder ich heuere auf einem Bananen-frachter als Heizer an«, lächelte General Revan und zwinkerte mit den Augen.

Dann hielt das Fahrzeug vor dem Offizierskasino, das fast völlig menschenleer vor den Männern lag. Ein Separatraum war eigens für ein opulentes Mahl hergerichtet worden, und eilfertige Kellner über-boten sich gegenseitig, um den erschöpften Männern jeden Wunsch von den Augen abzulesen.

General Revan ergriff das Wort: »Ihre Meldungen, meine Herren, sind außerordentlich wertvoll und

aufschlußreich für uns gewesen.« »Wie steht’s mit der Erfüllung der kleinen Sonderwünsche, um die

ich Sie gebeten hatte?« ging Robinson Miller sofort zum Angriff über. »Keine Sorge!« beruhigte ihn General Revan. »Das geht alles in

Ordnung. — Doch zur Sache! Die von Ihnen, Miller angeforderte Gravitationsrakete wird gerade mit dem nötigen Zubehör versehen. Sie bekommen das gleiche Modell, mit dem Sie gelandet sind. Kein Mensch, auch nicht die Sirianer, wird etwas merken. Ihre alte Ma-schine benötigen wir zur Untersuchung, vor allem wegen der nicht mehr vorhandenen Reste des getöteten Sirianers. Ein beachtlicher Teil der Erdindustrie produziert zur Zeit Weitstrahl-Feuerlöscher und Alkohol, womit wir die Dinger füllen werden, um gegen diese un-menschliche Bande erfolgreich anzugehen.«

»Sehr gut!« murmelte der frischgebackene Generalmajor zufrie-den. »Dann haben Sie also den gleichen Plan im Auge wie ich, Chef?«

»Stimmt, Miller!« entgegnete General Revan und zündete sich eine Zigarette an.

»Sie gehen folgendermaßen vor! Sobald Ihnen dieser seltsame Heilige … Wie nannten Sie ihn, Miller?«

»Pal Tar heißt der Satan«, grinste der Gefragte zurück. »Ah, ja. Also sobald Ihnen dieser Pal Tar den Einflug durch den für

uns bisher unangreifbaren Energieschirm freigibt, stoßen Sie durch und stellen die automatische Steuerung auf das Parlamentsgebäude ein, ja dem sich nach Ihren Angaben die Kraftstation befindet. Leider werden sich Opfer nicht vermeiden lassen. Im Umkreis von 500 Meter wird kein Mensch mehr am Leben bleiben. Wir haben leider keine andere Wahl. Im Interesse der Gesamtbevölkerung muß dieses Opfer gebracht werden, zumal die dort lebende Bevölkerung bei einem Siege der Fremden bedauerlicherweise überhaupt nicht mehr als Menschen angesehen werden könnte. Den Rest erledigen einige tausend Spezi-almaschinen, die über dem ganzen Gebiet einen Alkoholregen nie-dergehen lassen. Die bereitstehenden Fallschirmjäger und Rotoren-springer werden alle über Alkohol-Sprüher verfügen, so daß die fremden Organismen nicht die leiseste Chance haben.

Es darf keiner entkommen, sonst flammt die Pest wieder auf. Springen Sie rechtzeitig mit Ihren Männern ab. Ich gebe Ihnen einen gekoppelten Schirm mit, damit Sie nicht auseinandergetrieben wer-den. Stiften Sie soviel Verwirrung, wie Sie können. Aber lassen Sie sich um Himmels willen nicht erwischen, sonst können Sie Ihr Denkmal nicht mehr bei Lebzeiten bewundern. Noch eine Frage?«

»Danke, Herr General!« antworteten drei begeisterte Stimmen, und Robinson Miller fügte hinzu: »Schätze, das genügt. Außerdem kommt unser Essen!«

Der sonst so gefürchtete Abwehrchef lachte mit. »Ich bin froh, Männer, daß ihr über so eiserne Nerven verfügt.

Sonst wäre es sehr schlimm um uns gestellt gewesen. Also dann rann, und zeigt, daß ihr noch essen könnt!«

Die Männer blieben ihm die, Antwort nicht schuldig. Mit großem Genuß gaben sie sich der Mahlzeit hin. Schließlich hob General Revan entschlossen das Mahl auf. »Kommt, Männer! Es wird Zeit. Ich muß euch jetzt an meine Va-

sallen übergeben. Beim Start sehen wir uns noch. Haltet den Nacken steif, und viel Glück!«

Wenige Stunden später raste die vertauschte Gravitationsrakete mit

dem vollen Schub ihrer kraftvoll dröhnenden Maschinen nach Osten, denn sie mußte ja von See her das Gebiet von Frisko anfliegen. Es wäre den Sirianern möglicherweise aufgefallen, wenn die Maschine aus der gleichen Richtung zurückkam, in der sie von San Franzisko aus gestartet war. Noch wußten die siegesgewissen Sirjaner nicht, daß der Lebenswille einer milliardenköpfigen Menschenmenge zum ent-scheidenden Schlag gegen sie ausholte. Aber sie würden es bald er-fahren.

Generalmajor Miller warf noch einen prüfenden Blick auf die erstklassige Kampfausrüstung, die ihm die Bodenmannschaft in Kap Kennedy übergeben hatte. Schwer lasteten die unförmigen Sprühbe-hälter auf den Rücken der Männer. Hoffentlich gelang es ihm, seine Gruppe auf schnellstem Wege mit Robert Hobson und dessen Leuten in Kontakt zu bringen.

Sein Herz schlug schneller, als er sich die schlanke Gestalt Peggies ins Gedächtnis rief. Ihr wohlgeformter Körper, ihre wundervollen Haare und der tiefe Glanz ihrer dunklen Augen riefen Sehnsüchte in ihm wach, die ihn die körperliche Nähe des Mädchens kaum erwarten ließen. Ob sie wohl in der Zwischenzeit auch ein wenig an ihn gedacht hatte? — Dann schüttelte er mit Gewalt die Gedanken ab.

Der Fallschirm verschwand lautlos im Wasser. Vorsichtig pirschten sich die drei durch die schmalen Wege des

Gartens, turnten über eine steinerne Mauer und standen dann in einer engen Nebenstraße, die völlig unbelebt war.

»Wie heißt die Straße, Brown?« Während der Ingenieur zu einem nahen Straßenschild eilte, zog der

Generalmajor eine Stadtkarte aus der Brusttasche seines Gewandes und faltete sie rasch auseinander.

In der Ferne knatterte Maschinengewehrfeuer. Doch die Männer registrierten es nur am Rande. Erst später sollte ihnen die Bedeutung dieses Kampfes aufgehen.

»Hier, ich habe sie!« murmelte Miller unterdrückt. »Wird eine gute Stunde bis zu Hobsons Speditionsfirma sein. Hoffentlich kommen wir ungeschoren durch, sonst sehe ich schwarz.« Eilig machten sie sich auf den Weg.

Robinson Miller ging dreißig Meter voraus und ließ seine Kame-raden wie orientalische Leibwächter hinter sich hertrotten.

Die Trennung war notwendig geworden, um den Sirianern, die gewiß nur auf eine Gruppe von drei Männern achteten, keinen Grund zur Aufmerksamkeit zu geben. Die rechte Hand am Kolben seiner Schnellfeuerpistole und die linke an der Spreizdüse seines Alko-hol-Sprühers, bog der Kommandant wie ein nächtlicher Spaziergänger in die breite Washington-Avenue ein und mischte sich mit seinen Leuten rasch unter die aufgeregt hin und her wogenden Volksmassen, die von der unvermuteten Explosion stark mitgenommen schienen.

Zum Glück für die Männer hatten die Sirianer mit ihren Untertanen so viel zu tun, daß sie sich um einzelne Exemplare der Gattung homo sapiens überhaupt nicht kümmern konnten.

»Ein feiner Verein!« murmelte Dick Lester haßerfüllt und drängte sich mit dem Ingenieur durch die wütenden Menschen, um mit dem Alten Schritt zu halten.

»In der Stadt muß es wüst aussehen!« meinte Dick. »Selbst hier, so weit vom Zentrum entfernt, sind viele Fenster zerstört. Die Armen Menschen, die sich in der Nähe des Explosionsherdes aufgehalten haben, werden…«

Er brach plötzlich ab und drängte den Kameraden gegen das of-fenstehende Tor eines großen Parkes, in dem der Alte gerade ver-schwunden war. Die städtische Stromversorgung war gottlob hier nicht unterbrochen worden, denn ganz Frisko-Oakland erstrahlte in diesem Teil noch immer im Glanze ungezählter Lichter. Anscheinend hatte die Bombe auftragsgemäß nur die Kraftstation für den Energie-schirm und die unmittelbare Umgebung zerstört, und diese Gegend, in der jetzt wahrscheinlich kein Stein mehr auf dem anderen stand, lag immerhin noch gut 25 km zum Stadtzentrum.

Generalmajor Miller erwartete seine Kameraden schon. »Ich glaube Leute«, meinte er vorsichtig, »hier können wir es

wagen zusammenzubleiben. Der Park ist ja nur matt erhellt, so richtig was für Liebesleute. Aber so etwas gibt’s ja zur Zeit hier nicht, von wegen Sünde.«

»Schneidet der Park nicht überhaupt ein ganzes Stück ab, Chef?«

fügte Dick Lester fragend hinzu. »Ich meine, auf der Karte so etwas gesehen zu haben.«

»Tut er, Lester! Ein Glück, daß Hobsons Bande auch am Stadtrand liegt. Bis zum Zentrum würden wir uns wahrscheinlich nicht durch-schlagen können, ganz abgesehen von der dortigen Zerstörung. Kommt! Wir müssen in ein sicheres Versteck, sonst dreht die Bande uns die Hälse um.«

So schnell es die auf dem Rücken festgeschnallten Sprühkanister erlaubten, eilten die Männer durch die gewundenen Wege des weit-gezogenen Parkes. Aber für die romantisch wispernde nächtliche Schönheit dieser atmenden Lunge für Millionen Menschen hatten sie heute keinen Blick. Noch immer war nichts von näherkommenden Luftgeschwadern zu bemerken.

Unwillkürlich fürchteten sie, es könnte etwas schiefgegangen sein. Schon leuchteten ganz in der Nähe die Begrenzungslampen des Parkausganges, als der Lauf der Männer jäh von zwei aus dem Dunkel auftauchenden Kuttenträgern gehemmt wurde.

»Vorsicht!« zuckte es Robinson Miller durch die Sinne, als er die weißen Armbinden der Gestalten bemerkte. Die Männer wollten sich unbeeindruckt an den Sirianern vorbeischieben, doch die Fremden schienen bereits Verdacht geschöpft zu haben, sei es durch den Lauf der Männer oder durch die unförmigen Rückenpolster der Sprühka-nister.

Einer der beiden trat vor, während der andere einen klobigen Sprengwerfer in Anschlag brachte.

»Wohin des Weges, Brüder?« näselte der Sirianer monoton durch die Zähne. »Alle Brüder unseres Glaubens sind doch zur Mobilma-chung auf den Platz des Friedens befohlen worden.«

Robinson Miller tastete blitzschnell seine Chancen ab. Mit diesen Sirianern war nicht zu spaßen, das war ihm klar. Aber zu seiner Er-leichterung bemerkte er, daß die Kameraden wie er selbst die Hand am Drücker hatten. Devot verbeugte er sich und konzentrierte sich auf den entscheidenden Moment.

»Du sagst es, hoher Bruder. Doch wir kommen in wichtiger Mis-sion, um dem erlauchten Pal Tar die endgültige Waffe gegen die

sündige Menschheit zu bringen.« Die Sirianer waren sichtlich interessiert, blieben aber dennoch

äußerste Vorsicht. »Die Waffe möchten wir sehen. Doch wagt es nicht, uns zu täu-

schen!« Robinson Miller grinste teuflisch und nickte seinen Leuten zu. »Zeigt die Geräte, wie die Brüder befahlen!« Dick Lester und Spencer Brown hatten sofort geschaltet. Neugierig

kamen die Sirianer näher. Im gleichen Augenblick rissen die Männer die Falten ihrer Umhänge auseinander und drückten auf die Auslöser. Sofort spritzte aus den randgefüllten Behältern mit hohem Druck hochprozentiger Alkohol auf die völlig überraschten Organismen, die wild heulend zurücktaumelten und dann mit kochender Zellstruktur im Todeskampf auf den Boden stürzten.

»Rasch weg hier!« keuchte der Kommandant. »Die Kreaturen schreien ja halb Frisko zusammen.«

In fliegender Eile rissen die Männer ihre Umhänge zusammen und stolperten weiter, ohne noch einen Blick auf die sterbenden Sirianer zu werfen.

Schon bogen fluchende Gestalten in den Park ein und liefen direkt auf die flüchtenden Männer zu. In einem Anfall verzweifelten Mutes brüllte Miller ihnen eine Nachricht entgegen.

»Eine Explosion, Brüder! Fort von hier! Dort hinten muß etwas Schreckliches passiert sein.«

Während die Leute sich noch wild gestikulierend berieten, ob sie der Sache auf den Grund gehen oder besser selbst verschwinden sollten, tauchten weitere Sirianer auf, die sofort daran gingen, Ord-nung in den verstörten Haufen zu bringen.

Nach Luft schnappend, waren die Männer wie Dämonen durch die Menge gestürmt. Verwunderte Blicke streiften sie. Doch während weiter hinten bereits Klarheit über den Überfall herrschte, wußten die den dreien am nächsten Stehenden nicht, wie sie sich verhalten soll-ten. Kostbare Zeit war dadurch gewonnen.

Ächzend wollte der Ingenieur den schweren Behälter abwerfen, aber Robinson Miller knallte ihm im vollen Lauf einen scharfen Be-

fehl entgegen. »Reißen Sie sich zusammen, Brown! Wir sind gleich da. Die Wi-

derstandsgruppe wird uns bis aufs Messer verteidigen, und lange kann es nicht mehr dauern, bis unsere eigenen Truppen zur Landung an-setzen.«

Spencer Brown biß die Zähne zusammen und taumelte weiter. Dann bogen sie in die Seitenstraße ein, die zu Robert Hobsons Spe-ditionsfirma führte.

Die Straße war menschenleer, aber von ferne erscholl das Geheul rasender Sektierer, die mit fanatischer Besessenheit nach den Frevlern am einzig wahren Glauben suchten. Kurz darauf war das bewußte Haus gefunden. Die Männer stolperten durch die stockdunkle Tor-einfahrt. Doch der Zugang zum Hof war verschlossen. Rasch leuchtete Generalmajor Miller mit seiner Handlampe die feste Wand ab. Im Lichte des grellen Kegels blitzte ein schweres Schloß. Ein harter Knall aus Dick Lesters Waffe riß es auseinander. Sowie die Männer das nun aufgebrochene Tor passiert hatten, schmolz Robinson Miller es mit einigen Superthermik-Geschossen zusammen. Die Hochdruckge-schosse entwickelten eine so starke Hitze, daß der widerstandsfähige Kunststoff wie Butter an der Sonne ineinander floß. Bevor die Ver-folger dieses Hindernis durchbrochen hatten, würde einige Zeit ver-gehen.

»Wo mögen die Leute stecken, Chef?« keuchte Leutnant Lester erschöpft und suchte nach einem Treppenaufgang.

»Hier! Ich hab’s!« rief Miller erleichtert zurück. Eine dunkle Treppe gähnte vor den Männern. Ein Schild trug die

Aufschrift: Hobson & Co., Speditionsunternehmen. Privat. Zutritt verboten!

Auf den Stufen glänzten dunkle Tropfen. »Mein Gott!« murmelte der Ingenieur verwirrt. »Da muß etwas

schiefgegangen sein. Hoffentlich kommen wir nicht zu spät!« Der Gedanke an Peggie Hobson brachte den Kommandanten in

höchsten Aufruhr. Den Kameraden voran, stürmte er die Treppe empor. Automatisch

klickte der Beleuchtungskontakt ein. Es wurde hell im Haus. Hart

wurde die Tür aufgerissen. Mit Klopfen oder Läuten wurde keine Zeit verloren. Hier ging es um mehr als um Hausfriedensbruch.

Der Flur war leer. Ein leises Schluchzen wies die Männer in den richtigen Raum. Das junge Mädchen riß erstaunt die tränenverschlei-erten Augen auf, als plötzlich drei polternde Gestalten in das Zimmer stürzten.

Dann sprang sie mit einem erstickten Schrei von der stillen Gestalt auf, neben der sie gerade in sich versunken gekauert hatte, und lief mit ausgebreiteten Armen auf Robinson Miller zu, der gar nicht wußte, wie ihm geschah.

»Oh, Robb!« schluchzte sie glücklich und preßte sich eng an den erschauernden Mann.

»Daß ihr doch noch gekommen seid! Ich war so verzweifelt. Was ist nur geschehen? Die ganze Stadt scheint verrückt zu sein. Wenn man uns hier findet, werden wir bestimmt niedergemacht.«

Robinson Miller drückte ihr voll heißer Liebe einen Kuß auf die zitternden Lippen und fühlte das Beben des schlanken Mädchenkör-pers ruhiger werden. Dann zwang er sie sacht in einen Sessel und schaltete sofort wieder auf Alarmstufe eins um.

Eine Tür, die zu einer weiteren Treppe wies, beruhigte ihn hin-sichtlich einer Fluchtmöglichkeit.

Die stille Gestalt auf dem Sofa war Jim Hobson, Peggies Bruder. Er war tot. Das sah Miller mit routiniertem Blick sofort. Eine breite Wunde klaffte in dessen Brust. Anscheinend hatte das Mädchen ihn noch bis hierher schleppen können. Dann war es mit ihm zu Ende gegangen.

Erschüttert erhob sich der kräftige Mann, und auch seinen Kame-raden zuckten die Lippen. In ohnmächtigem Zorn ballten sie ihre Fäuste. Wann endlich kamen General Revans Truppen?

»Wie ist es passiert Peggie?« fragte der Kommandant so behutsam wie möglich und legte seinen Arm um das jetzt wie erstarrt dasitzende Mädchen. »Sind sie alle …?«

»Ja, Robb!« antwortete Peg Hobson mit klarer Stimme, und nun klang der kalte Haß endlicher Gefaßtheit klirrend durch den Raum. »Sie sind alle tot, Jim, mein Vater und die anderen. Wir hatten ein

Empfangsgerät erbeutet und eure Sendungen erhalten. Bei dem Überfall auf ein Kernwaffengeschütz ist es passiert.«

Robinson Miller unterbrach sie und berichtete in groben Zügen die bisherige Entwicklung. Plötzlich wurde Dick Lester unruhig.

»An dem Tor rütteln ne Menge Leute, Chef! Wir müssen ver-schwinden.«

»Haltet das Pack im Zaum!« knurrte der Alte eiskalt. Mit einem liebevollen Blick schaute er dem Mädchen in die Augen.

»Liebst du mich, Peg?« Sie lächelte unter Tränen und gab den Blick innig zurück. »Ja, ich liebe dich, Robinson Miller, seit ich dich kenne«, erwiderte

sie ohne Zögern. »Dann komm, mein Liebes! Du weißt hier Bescheid. In kurzer Zeit

werden wir Hilfe erhalten. Aber bis dahin werden wir uns erbittert verteidigen müssen.

Wie komme wir hier weg?« Während das Mädchen schnell überlegte, krachte unten mit don-

nerndem Getöse das Tor auseinander, und brüllende Menschen, unter ihnen etliche Gestalten mit weißen Binden, stürzten in den Hof. Die beiden Leutnants fackelten nicht lange. Dick Lesters Waffe spuckte Dauerfeuer, und der Ingenieur spritzte den kostbaren Alkohol wie ein Spülmittel die Treppe hinab, so daß die Gestalten sich heulend in Deckung brachten und aus sicherer Entfernung das Feuer eröffneten.

»Der schöne Sprit!« jammerte Dick Lester verdrossen und zog den Schädel ein, als etwas wie eine zornige Hornisse am Sitz seiner Denkfähigkeit vorüberbrummte.

»Der Schacht, Rob!« stammelte das Mädchen plötzlich und riß die Waffe des toten Bruders an sich. »Im Hof des Nebenhauses mündet ein Schacht der Kanalisation. Dort sind wir in Sicherheit, denn die Gänge sind gewiß stark verzweigt, daß uns niemand aufspüren kann.«

»Okay, Peg!« atmete Miller erleichtert auf. »Bis wir Hilfe bekommen, halten wir durch. Mir nach, Jungens!« Peg Hobson riß die Tür zur Dienstbotentreppe auf, und Spencer

Brown schmetterte vorn die Flurtür zu. Der Riegel glitt vor. Dann rasten sie die Treppe hinab. Mit fliegenden Händen betätigte das

Mädchen den Öffnungsmechanismus für die Verbindungstür zum Nebenhaus. Eine Minute später standen sie schon im Hof, während hinter ihnen das wütende Geschrei ihrer Verfolger aufbellte.

Robinson Miller sprengte die Klappe des Schachtes auf. Dann nahm die nur vom Lichte der Handscheinwerfer erhellte, gluckernde Schwärze die vier Flüchtlinge auf. Ehe sich die tobende Menge mit Lampen versorgt hatte, waren ihre Opfer längst im Labyrinth der feuchtdumpfen unterirdischen Gänge verschwunden.

Es war warm hier unten, und die Strahler, warfen gespenstischen Schein gegen die nebelbrodelnden Wände. Die Gegend war nicht gerade paradiesisch zu nennen. Rastlos rauschten die Abwässer der großen Doppelstadt durch die gemauerten Rinnen, flossen an Zentralmündungen zusammen, gabelten sich wieder und erzeugten in allem eine abstoßend würgende Atmosphäre, die sich wie ein schwerer Alpdruck auf die Eindringlinge in diesem unterirdischen Reich der Ungeziefer und Schwemmstoffe legte. Pfeifend huschten empörte Ratten durch die Gänge und starrten mit bösartigen Augen auf die Menschen, als begriffen sie nicht, was diese in den Gossen der Weltstadt verloren hatten.

Das Geschrei der Verfolger war verklungen, die abwehrkonzen-trierte Verteidigungsbereitschaft dem Kampf gegen die Tücken des Kanalisationssystems gewichen.

Zum Glück waren die Gänge wenigstens so hoch, daß die vier nicht gezwungen waren, sich gebückt durch dieses teuflische Labyrinth zu kämpfen. Sie kannten nur die ungefähre Richtung, in der sie sich halten mußten. Im übrigen waren sie fast vollständig auf die Laune des Schicksals angewiesen, das ihnen schon an der nächsten Gabelung fanatisierte Sektierer entgegen schicken konnte.

»Stop, Leute!« murmelte Robinson Miller mit verhaltener Stimme. Trotzdem schlug das Echo dumpf von den tropfenden Wänden.

»Hier ist ein Ausstieg. Seht nach dem Namen der Straße, damit ich mich orientieren kann! Miß Hobson kennt sich schließlich in dem Laden auch nicht aus.«

»Willst du wirklich den Ausgang zum Sacramento River finden, Rob?« fragte das junge Mädchen zweifelnd.

»Ich sehe keine andere Chance, Peggie. Wenn wir hier versuchen, die Oberfläche zu erreichen, knallt uns die Bande garantiert ab, denn daß die jetzt sämtliche Vertikalschächte beaufsichtigt, ist doch selbstverständlich. Außerdem werden die Sirianer auch bereits hier unten fieberhaft nach uns suchen.«

»Okay, Chef!« grinste Dick Lester resignierend. »Glaube auch, wir sind hier unten sicherer als oben, wo unser Typ zur Zeit bestimmt Mangelware ist. Welchen Gang nehmen wir nun?«

Robinson Miller suchte auf der Karte die von dem Ingenieur an-gegebene Straße, die mit weißer Leuchtfarbe am Ansatzpunkt des Ausstieges aufgemalt war.

»Hm?« brummte er dann nachdenklich und wies mit der Hand nach links. — »Ist schwer zu sagen, welchen der vier Abzweigegänge wir wählen sollen. Sie laufen alle etwa in die wahrscheinliche Richtung. Aber der Fluß läuft ja auch nicht wie eine Gerade durch die Stadt.«

»Oh, Rob! Es ist schrecklich. Allein würde ich verrückt hier unten. Meinst du nicht daß wir versuchen sollten, diesen Pfuhl zu verlassen?«

Liebevoll blickte Generalmajor Miller auf die bebende Gestalt des jungen Mädchens, dessen schweißnasse Kleidungsstücke ihr an der Haut klebten. Keuchend ging ihr Atem, und die Auswirkungen der vergangenen Wochen, die feuchte Schwüle der widerlichen Atmo-sphäre hatten dunkle Ringe unter ihre schwarzen Augen gezeichnet.

Geradeaus halten. — Vorsicht, Kurve — ein Aufstieg — brodelnde Wasser — übler Geruch und keuchender Husten — das alles erschien ihnen wie ein dunkler Traum, der doch endlich einmal der natürlichen Umgebung weichen mußte.

Robinson Miller ging voran, das Mädchen an der Hand haltend. Und das qualvolle Vorwärtstasten im Scheine der Handlampen wollte kein Ende nehmen.

Wieder kreuzte sich ein ganzes Bündel von Gängen, deren Wasser schäumend in einer breit gähnenden Öffnung verschwanden, als Peg Hobson einen entsetzten Schrei ausstieß und Robinson Miller einen heftigen Stoß gab, so daß er der Länge nach in die trübe Brühe fiel, die klatschend über ihm zusammenschlug.

Der Kommandant wurde etliche Meter abgetrieben, ehe er festen

Fuß finden und sich auf den schmalen Gehsteig retten konnte. Noch während er sich hochriß fühlte er, wie eine schluchzende Gestalt sich an ihn preßte, und zugleich dröhnte das harte Bellen mehrerer Schnellfeuerpistolen durch die Gänge, daß die Trommelfelle wie unter Artilleriebeschuß zu vibrieren begannen. Mit einem Blick hatte der Generalmajor die Situation überschaut. Hastig drückte er das Mäd-chen gegen die Wand und sprang dann mit weiten Sätzen auf den taumelnden Dick Lester zu, dessen Hand sich schmerzverzerrt in den rechten Oberarm krallte.

»Schon gut, Chef.« stöhnte der Verwundete stockend. »Wir haben sie erledigen können. Es waren zwei Mann. Wenn das Mädchen die beiden nicht bemerkt hätte, wäre das Messer, das der eine Halunke nach Ihnen warf, bestimmt in Ihr Kreuz gefahren. Danken Sie Miß Hobson, nicht uns!«

Miller fluchte unterdrückt. Wo hatte er nur seine Augen gehabt, daß er die plötzlich aus einem Seitengang aufgetauchten Sektierer nicht gesehen hatte?

»Danke, Peggie!« sagte er nur und drückte fest ihre Hand. Dann sah er nach Lesters Wunde, die heftig blutete. Es war zwar

nur ein Streifschuß, aber eine Infektion durch das schmutzige Wasser konnte lebensgefährliche Folgen haben.

Unterdessen hatte der Ingenieur den beiden Toten die Waffen ab-genommen und die stillen Gestalten in die randvolle Wasserrinne gestoßen. Rasch trieben sie davon. »Zwei Menschen waren getötet worden, aber im Zustand der geistigen Versklavung hatten sie kaum als solche angesprochen werden können.«

»Was nun, Chef?« grunzte Dick Lester in grimmigem Galgenhu-mor und preßte den verwundeten Arm gegen den Körper.

Die Antwort ergab sich von selbst. Doch sie kam von einer anderen Seite, als die Verfolgten es erwartet hatten. Anscheinend waren die zwei Erschossenen nur die Vorhut einer größeren Suchtruppe gewe-sen, denn aus dem dunklen Ende eines Querstollens griffen plötzlich Lichtkegel nach den Überraschten, und brüllende Stimmen klangen auf.

»In den Hauptgang!« zischte der Alte hastig und riß das Mädchen

und die Kameraden zur Seite. Keine Sekunde zu früh, denn eine knatternde Garbe fegte durch die brodelnde Unterwelt, um dann als heulende Querschläger von den Wänden zu spritzen.

»Verdammt!« sagte der Ingenieur. »Die Bande knallt uns ab wie Karnickel, wenn der Stollen keinen ausreichenden Ausgang hat.«

»Maul halten!« fluchte der Kommandant. »Hier klingt doch jedes Wort meilenweit.«

Nicht nur das schon lange völlig durchnäßte Mädchen, auch die Männer hatten keinen trockenen Faden mehr am Leibe. In stummer Verzweiflung liefen sie durch die schemenhaft erhellte Schwärze, umgeben von gluckernden Abwässern, hinter sich eine Schar erbar-mungsloser Verfolger, vor sich nichts als die Hoffnung, daß dieser bisher breiteste Gang in die Freiheit des offenen Stromes führte. Die Verfolger waren gottlob fürs erste zurückgeblieben. Wahrscheinlich wußten sie nicht, welcher Abzweigung sie sich zuwenden sollten. Es war jedoch nur eine Frage der Zeit, bis sie auf den richtigen Dreh kommen mußten.

Zehn Minuten stolpernder Flucht mochten vergangen sein, als ein schwacher Lichtschimmer der Dunkelheit ein wenig von ihrer be-drückenden Last nahm.

»Oh, mein Gott!« stammelte Peg mit bebenden Lippen. »Gib, daß wir richtig sind!«

»Hoffentlich ist es nicht nur wieder ein von den Sirianern be-wachter Straßenausstieg!« murmelte der Ingenieur bedrückt, denn er konnte es nicht glauben, daß das Ende der Qual gekommen war. Dann sahen sie es alle. Das Licht wurde immer kraftvoller, und gleich darauf blitzten helle Strahlen gegen das dampfende Mauerwerk. Das Rau-schen großer Wassermassen übertönte das Gluckern der Abwässer.

»Die Sonne!« jubelte das Mädchen begeistert. »Seht doch nur, die Sonne!«

»Wir sind am Fluß!« Robinson Miller wollte den wilden Taumel nicht erdrücken, denn

er wußte, seine Gefährten würden es selbst gleich bemerken, was er schon lange befürchtet hatte.

Der Ausgang war durch ein schweres stählernes Gitter verschlos-

sen, um unwillkommene Elemente am Eindringen zu hindern. Rasend vor Enttäuschung stürzte Spencer Brown gegen die Tücke des Schicksals, das ihnen die Freiheit versagte, obwohl sie greifbar nahe vor den Flüchtlingen lag. Wie verrückt rüttelte er an dem Gitter und wandte sich dann mutlos ab, als er die Nutzlosigkeit seiner Bemü-hungen erkannte.

Wollte das Schicksal noch in letzter Minute alle Anstrengungen zunichte machen?

»Reißt euch zusammen, Leute!« befahl der Generalmajor mit schneidender Stimme. »Das Ding…«

Er brach verwundert ab und starrte in den wolkenlosen Himmel, aus dem plötzlich ein lautes Dröhnen immer machtvoller aufklang. In knapp tausend Meter Höhe zogen unzählige Gravitationsraumer mit ausgeschwenkten Stabilisierungsflächen über die Stadt. Leuchtende Regenbogen bildeten sich durch die unglaublichen Mengen ausge-sprühten Alkohols, der unaufhörlich auf die Stadt herniederrieselte. Dann purzelten schwarze Punkte aus den Maschinen, rasten der Oberfläche entgegen, um gleich darauf an schneeweißen Fallschirmen und schillernden Rotoren zur Erde zu schweben.

Dazwischen bellten Abschüsse auf und rissen einige der Angreifer in Atome auseinander. Aber immer mehr ausgesuchte Soldaten nä-herten sich der umkämpften Stadt, gefolgt von Tausenden von Transportern.

Peg Hobson sah mit leuchtenden Augen auf den geliebten Mann. Die drei Kampfgefährten schwiegen erschüttert. Da kam sie, die Rettung der Menschheit vor unmenschlichen kosmischen Intelligen-zen.

Robinson Miller schreckte plötzlich zusammen. Dumpfe Laute drangen aus dem Gang. Das mußten ihre Verfolger sein, die endlich den richtigen Weg gefunden hatten. Sofort wurde er wieder eiskalte Abwehrbereitschaft.

»Brown, Lester! Zurück an die Biegung! Haltet die Bestien auf! Ich schmelze das Gitter weg. Rasch! So beeilt euch doch!«

Der Ingenieur riß den verwundeten Kameraden mit sich. »Du nimmst die Sirianer, Dick, ich die anderen! Wirst du die Spreizdüse

mit einer Hand bedienen können?« Leutnant Lester nickte nur. Wäh-rend Robinson Miller ungerührt die beiden vor das Gitter getriebenen Leichen wegräumte und die schußbereite Waffe auf Superther-mik-Geschosse umstellte, warteten die beiden Kameraden geduldig auf das Näherkommen der Verfolger. Peg Hobon hatte sich hinter einen Mauervorsprung gestellt, um jeden Angreifer niederzuschießen, der in ihre Reichweite kam. Dann zischte die Hitze der komprimierten Strahlgeschosse gegen die Haftstellen des schweren Gitters. Hinter dem konzentriert arbeitenden Miller brach die Hölle los. Wutbebend jagte Spencer Brown eine volle Garbe mitten in die nachdrängenden Verfolger, die ihre Gegner lediglich hinter der Kurve vermuten konnten. Ein wildes Gebrüll war die Antwort und ein zielloses Ge-genfeuer, das Dick Lester jedoch einen weiteren Treffer in den linken Fuß eintrug. Mühsam verbiß er den rasenden Schmerz. Zwei weitere Leichen wurden angetrieben Und der Alte registrierte grinsend, daß der Ingenieur sich anscheinend blendend eingeschossen hatte, obwohl es nicht gerade das Spezialgebiet seiner Fachausbildung war.

»Wenn die Bande Zeitminen den Bach hinabtreiben läßt, stehen wir auf der Verlustliste!« zischte Dick Lester.

Die Mundwinkel des Ingenieurs zuckten. »Glaube nicht, daß sie an so etwas gedacht haben. Warte, Bursche!« rief er dann und drückte den Knopf. Die Garbe

fällte den Angreifer wie einen Baum. »Nummer fünf, außer denen, die liegengeblieben sind!« grunzte

Dick Lester erfreut und verschwendete keinen Blick auf den träge dahin treibenden Toten. Die Angreifer hielten sich jetzt vorsichtig im Hintergrund. Anscheinend wagten sie nicht, weitere Verluste zu ris-kieren. Die Verteidiger wunderten sich allerdings, daß noch kein Sirianer persönlich in den Kampf eingegriffen hatte. Also schickte das feige Pack erst seine hypnotisierten Vasallen vor, um sich lediglich den Rest vorzubehalten.

Robinson Miller schwitzte wie ein Heizer der früher üblichen Sohlendampfer, die längst atomgetriebenen Eilschiffen gewichen waren.

Dann schmolz das letzte Verbindungsglied mit der Mauer durch.

Ein kräftiger Tritt beförderte das Gitter in den Fluß. Der Weg war endlich frei.

Generalmajor Miller sprang zurück, um seinen Kameraden Feu-erschutz zu geben, als ihm mit hartem Aufprall ein Querschläger in die Schulter fuhr. Aufstöhnend taumelte er weiter und schüttelte das Mädchen ab, das ihn entsetzt zurückreißen wollte.

»Zurück, Peg!« ächzte er. »Mein Platz ist jetzt bei den Kameraden. Rette dich!«

»Oh nein, Rob!« schluchzte Peg Hobson. »Wo du bist, bleibe auch ich!«

Dann wurden Millers Augen starr. Auch Lester und Brown starrten keuchend auf das verschmierte Wesen, das ihnen tobend vor Haß entgegentaumelte.

Der Ingenieur Spencer Brown in zweiter Gestalt torkelte wie ein Wahnsinniger auf den sonnenbeschienenen Ausgang zu. Gottlob trug er keine Waffe. Ob er noch immer von der Unverwundbarkeit seines kosmischen Körpers überzeugt war? Oder suchte er den Tod, weil er das Ende seiner auf diesem Planeten gelandeten Rasse nicht miterle-ben wollte?

»Pal Tar!« stöhnte der Kommandant und riß die Hand des unver-wundeten Armes an die Düse.

»Bringen Sie sich in Deckung, Chef!« bellte Spencer Browns Stimme mit tödlichem Ernst auf. »Der Bursche gehört mir. Er hat versucht, mich nachzuahmen. Das werde ich ihm jetzt austreiben. Will verdammt sein, wenn ich diesen Verbrecher nicht eigenhändig aus-lösche!«

Ohne ein Zeichen der Erregung stellte sich der Ingenieur unge-schützt mitten in den Gang und richtete seine Augen erbarmungslos auf den heimtückischen Oberpriestar der Sirianer.

»Komm, Pal Tar! — Der echte Spencer Brown erwartet dich!« Der Sirianer schien völlig von Sinnen zu sein. — Mit einem unar-

tikulierten Schrei sprang er vor. »Fahr zur Hölle!« zischte der Ingenieur und gab den tödlichen

Alkoholstrahl frei. Wortlos schauten die Geretteten auf das in Auflösung begriffene

Wesen. Dann wandten sie sich ab und stolperten hinaus in die sonnen-

überflutete Freiheit. — Das Spiel war aus. Der Fluß war hier an der Einmündung eines Teiles der städtischen

Abwässer zum Glück nur flach. Völlig erschöpft sanken drei Männer und ein junges Mädchen am nahen Ufer des Sacramento nieder. Eine Schar Soldaten eilte auf die Geretteten zu.

Weinend vor Glück preßte Peg Hobson ihr Gesicht gegen den Kopf des unter großen Schmerzen lächelnden Mannes.

»Oh, Rob! Wir haben es geschafft. Nun wird alles gut. Ich kann es eigentlich noch gar nicht recht glauben.«

Robinson Miller drückte sie schwach an sich. »Ja, Peggie! Der Kampf ist vorbei. Die Menschheit ist gerettet. Und

wir haben unseren Teil dazu beigetragen. Aber ich möchte es nicht noch einmal durchmachen.«

»In einem hatten die Sirianer gar nicht so unrecht, Chef!« feixte Dick Lester den Schmerzen zum Trotz und sah grinsend auf seinen errötenden Vorgesetzten. »Ja, ja, die Sünde!«

»Schnauze, Sie Hammel!« brummte Robinson Miller, und dann versank sein Blick in den Augen seiner Peggie.

ENDE


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