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Die Französische Revolution 2. Der Adel tritt ab

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Schulfernsehen Die Französische Revolution 2. Der Adel tritt ab Ein Film von Wolf Schneider Beitrag: Edeltraud Glaser & Volker Eklkofer Inhalt Freiheit für alle und Gleichheit vor dem Gesetz! Mit dem Sturm auf die Bastille am 14. Juli 1789 hat die Revolution begonnen. Der Widerstand gegen das Alte Regime hat aber nicht nur die Hauptstadt erfasst. Auch auf dem Land rebellieren die Bauern gegen ihre Grundherren. Sie plündern die Archive, um die Verzeichnisse ihrer Abgaben und Dienste zu vernichten, einige Schlösser gehen in Flammen auf. Die Nationalversammlung reagiert schnell. In der berühmten Nachtsitzung vom 4. August entlassen die adeligen Grundbesitzer ihre abhängigen Bauern in die Freiheit, sie schaffen Leibeigenschaft und Frondienste ab und eröffnen die Möglichkeit, die Ei- gentumsrechte des Grundherrn abzulösen. Adel und Geistlichkeit verzichten auf ihre Vorrechte und stimmen für eine steuerliche Gleichbehandlung. Die alte Gesellschaftsordnung Frankreichs, das Feudal- system, ist mit einem Schlag beseitigt. Ludwig XVI. treibt ein doppeltes Spiel Diesem spontanen Akt folgt in der “Erklärung der Menschenrechte” die Darlegung der Prinzipien, auf denen die neue Ordnung ruht: Alle Menschen sind von Geburt an frei und gleichberechtigt. Sie haben ein Recht auf Eigentum, auf Sicherheit und auf Wi- derstand gegen Unterdrückung. Aber mehr als für die Formulierung dieser wichtigen Grundsätze interessieren sich die Pariser im September 1789 für den Brotpreis. Dazu wird bekannt, dass der König die neuen Dekrete der Ver- sammlung nicht unterschrieben hat; offenbar versucht er, das Volk zu hintergehen. Zuerst werden nur Bäckerläden geplündert, aber die Angst vor dem Hunger und das Misstrauen ge- gen den König wachsen, und eine große Volks- menge marschiert nach Versailles, um den Kö- nig in die Hauptstadt zu holen. Der König und seine Familie in Paris, das bedeutet Sicherheit, aber auch eine bessere Überwachung. Die Nationalversammlung folgt dem König und arbeitet an neuen Lösungen für die Finanzkri- se. Die goldenen und silbernen Kultgegenstän- de der Kirchen werden gesammelt und einge- schmolzen. Dann wird der große Landbesitz der Kirche zum Nationaleigentum erklärt und zum Verkauf angeboten. Der Fluchtversuch des Königs misslingt Die Grundlagen des Staates müssen neu durchdacht und durch eine Verfassung gere- gelt werden. Souverän ist jetzt das Volk. Lud- wig bleibt zwar “König der Franzosen von Got- tes Gnaden”, aber in der neuen Formel, die seine Stellung definiert, heißt es weiter “und © Bayerischer Rundfunk 1
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Die Französische Revolution2. Der Adel tritt ab

Ein Film von Wolf SchneiderBeitrag: Edeltraud Glaser & Volker Eklkofer

Inhalt

Freiheit für alle und Gleichheit vor dem Gesetz!

Mit dem Sturm auf die Bastille am 14. Juli 1789 hat die Revolution begonnen. Der Widerstand gegen das Alte Regime hat aber nicht nur die Hauptstadt erfasst. Auch auf dem Land rebellieren die Bauern gegen ihre Grundherren. Sie plündern die Archive, um die Verzeichnisse ihrer Abgaben und Dienste zu vernichten, einige Schlösser gehen in Flammen auf. Die Nationalversammlung reagiert schnell. In der berühmten Nachtsitzung vom 4. August entlassen die adeligen Grundbesitzer ihre abhängigen Bauern in die Freiheit, sie schaffen Leibeigenschaft und Frondienste ab und eröffnen die Möglichkeit, die Ei-gentumsrechte des Grundherrn abzulösen. Adel und Geistlichkeit verzichten auf ihre Vorrechte und stimmen für eine steuerliche Gleichbehandlung. Die alte Gesellschaftsordnung Frankreichs, das Feudal-system, ist mit einem Schlag beseitigt.

Ludwig XVI. treibt ein doppeltes Spiel

Diesem spontanen Akt folgt in der “Erklärung der Menschenrechte” die Darlegung der Prinzipien, auf denen die neue Ordnung ruht: Alle Menschen sind von Geburt an frei und gleichberechtigt. Sie haben ein Recht auf Eigentum, auf Sicherheit und auf Wi-derstand gegen Unterdrückung. Aber mehr als für

die Formulierung dieser wichtigen Grundsätze interessieren sich die Pariser im September 1789 für den Brotpreis. Dazu wird bekannt, dass der König die neuen Dekrete der Ver-sammlung nicht unterschrieben hat; offenbar versucht er, das Volk zu hintergehen. Zuerst werden nur Bäckerläden geplündert, aber die Angst vor dem Hunger und das Misstrauen ge-gen den König wachsen, und eine große Volks-menge marschiert nach Versailles, um den Kö-nig in die Hauptstadt zu holen. Der König und seine Familie in Paris, das bedeutet Sicherheit, aber auch eine bessere Überwachung.

Die Nationalversammlung folgt dem König und arbeitet an neuen Lösungen für die Finanzkri-se. Die goldenen und silbernen Kultgegenstän-de der Kirchen werden gesammelt und einge-schmolzen. Dann wird der große Landbesitz der Kirche zum Nationaleigentum erklärt und zum Verkauf angeboten.

Der Fluchtversuch des Königs misslingt

Die Grundlagen des Staates müssen neu durchdacht und durch eine Verfassung gere-gelt werden. Souverän ist jetzt das Volk. Lud-wig bleibt zwar “König der Franzosen von Got-tes Gnaden”, aber in der neuen Formel, die seine Stellung definiert, heißt es weiter “und

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auf Grund des Verfassungsgesetzes des Staates”. Die Staatsgewalt, so die Theorie, soll zwischen ihm und der Volksvertretung geteilt werden. Aber in Wirklichkeit liegt das Schwergewicht auf Seiten der Volksvertreter. Sie schlagen die Gesetze vor und beschließen sie, und sie entscheiden über Krieg und Frieden. Der König spielt zum Schein mit, aber er ist entschlossen, seine alte Machtstellung zurückzuer-obern, und zwar mit Hilfe des Auslands. Er flieht, wird kurz vor der Grenze erkannt und zurückge-bracht.

Die Monarchie hat ihre Chance vertan

Jetzt fordern die demokratischen Klubs und die Leu-te auf der Straße offen seine Absetzung und Bestra-fung. Aber die Nationalversammlung will den König halten. Wenn er fällt, ist die Verfassung wertlos, und die neuen, revolutionären Veränderungen sind nicht abzusehen. Am 1. Juli 1791 versammelt sich das Volk auf dem Marsfeld; die Versammlung lässt auf die protestierende Menge schießen.

Fakten

1. Der Aufruhr weitet sich aus: Die bäuerliche Revolution

Von den 26 Millionen Franzosen lebten um 1780 rund drei Viertel auf dem Lande. Mit Ausnahme ei-

ner kleinen bäuer-lichen Ober-schicht und des Adels fristeten die meisten Bauern eine kümmerliche Existenz. Die Missernten von 1787 und 1788 verschärften die

Lage. Zahlreiche Bauern weigerten sich, ihren Grundherren die geforderten Abgaben zu leisten. Verschiedentlich kam es zu Unruhen und Hungerre-volten.

Abgabenlast: Bericht eines französischen Bau-ern vom Januar des Jahres 1789

Die ganze Gegend ist mit Abgaben verpestet. Der größte Teil der Ländereien schuldet jährlich den siebten Teil des Weizens [...], andere den Wein; der schuldet den vierten Teil der [...] Früchte, jener den fünften, wobei immer der Zehnt vorher erhoben wird [...]. Was soll man von diesen ganzen Abgaben [...] halten; von Körnerfrüchten, Gemüse, Geld, Geflü-gel, Fronden, Obst, Kerzen? [...] Was soll man fer-ner von der Tyrannei der bei Kauf und Verkauf fälli-gen Gebühren halten? Ein Käufer gibt sein letztes

her, um ein Stück Land zu kaufen, und oben-drein muss er den Vertrag noch seinem Grund-herrn vorweisen, der ihn [zusätzlich] zahlen lässt [...]. Es gibt Gefälle in allen Preislagen, und ich kenne sogar welche, die sich den drit-ten Teil vom Kapital zahlen lassen.Zit. nach Markov, Walter (Hg.): Revolution im Zeu-genstand. Frankreich 1789-1799. 2 Bde. Leipzig 1982, S. 27f.

Die „große Furcht“ geht um

Gerüchte gingen um: Einmal erzählte man von Angriffen großer Räuberbanden, dann wieder befürchtete man eine Verschwörung des Adels. Eine schwer erklärbare Panik ergriff die Menschen. Ein Phänomen, das in der For-schung als “die große Furcht” (La Grande Peur) bezeichnet wird. Die Bauern bewaffneten sich mit Sensen, Heugabeln, Spießen und Jagdgewehren. Sie stürmten und plünderten Schlösser und Klöster, um den befürchteten Angriffen ihrer adligen und geistlichen Grund-herren zuvorzukommen, und vernichteten alle Urkunden, in denen Abgaben und Dienstleis-tungen festgeschrieben waren. Viele Adlige flüchteten ins Ausland (ab Juli/August 1789), vor allem nach Deutschland (Zentrum: Ko-blenz). Das weckte bei den Bauern die Sorge, dass die Grundherren dort Soldaten sammel-ten, um Rache zu nehmen. Angst und Wut steigerten sich und lösten neue Übergriffe aus.

Die Nationalversammlung muss handeln

Die Nationalversammlung in Paris wurde von den Ereignissen überrascht. Man sah in der bäuerlichen Revolte vor allem einen Angriff auf die Eigentumsordnung, deren Erhalt alle Abge-ordneten, die zum großen Teil aus dem Bür-gertum kamen, verteidigten. Immerhin befan-den sich rund 30 Prozent von Grund und Bo-den in bürgerlichem Besitz. Sie versuchten dar-um, die Unruhen auf dem Lande schnellstmög-lich unter Kontrolle zu bringen. Obgleich einige Regionen kleine Feldzüge unter bürgerlicher Führung gegen die Bauern durchführten, blie-ben die Versuche, den bäuerliche Aufruhr ge-waltsam zu unterdrücken, erfolglos. Nun muss-te die Nationalversammlung handeln.

2. Die Reformen der Nationalversammlung

In der Nachtsitzung vom 4. auf den 5. August 1789 erklärte die Nationalversammlung die Ab-schaffung der Leibeigenschaft, das Ende der grundherrlichen Gerichtsbarkeit und das Ende der Steuerbefreiung für die ersten beiden Stän-

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de. Mit diesem Privilegienverzicht war ein wesentli-cher Schritt hin zur Freiheit und Gleichheit getan.

Aber die alten Eigentumsrechte an Grund und Bo-den, die Abgaben und Frondienste, mussten durch Kauf abgelöst werden. Kaufen konnte allerdings nur der, der Geld hatte, ein armer Kleinbauer nicht.

Das Ende der Adelsprivilegien

Marquis de Ferrières über das Ende der Sitzung vom 4. Aug. 1789, in der die herrschenden Stände auf ihre Privilegien verzichteten: „Nach wenigen Stunden bietet sich die ehrwürdige Verfassung des französischen Reiches, die mit Getöse unter den Schlägen einer unermüdlichen Gruppe von Wildge-wordenen zusammenbricht, ... nur noch als ein un-förmiger Haufen von Ruinen und Trümmern dar ...“

Ludwig XVI. an Erzbischof Dulan (5. Aug. 1789): „Ich werde nie meine Zustimmung zu der Berau-bung meiner Geistlichkeit und meines Adels geben.

Ende August proklamierte die Nationalversammlung die Menschen- und Bürgerrechte. Deren wichtigste Bestimmungen waren: Gleichheit vor dem Gesetz, Schutz vor Verhaftung ohne richterlichen Befehl, Recht eines jeden, sich an der Gestaltung des “all-gemeinen Willens” zu beteiligen, Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, Freiheit der Religionsausübung und Recht auf Eigentum. Das “souveräne Volk” hatte einen “Gesellschaftsvertrag” mit dem Ziel der Siche-rung der Menschenrechte abgeschlossen und musste sich nun eine Verfassung geben.

Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte am 26. August 1789 (Auszüge)

1. Die Menschen werden frei und gleich an Rechten geboren und bleiben es. Die gesellschaftlichen Un-terschiede können nur auf dem allgemeinen Nutzen begründet werden.

2. Der Zweck jeder staatlichen Vereinigung ist die Erhaltung der natürlichen und unverjährbaren Men-

schenrechte. Diese Rechte sind Freiheit, Ei-gentum, Sicherheit und Widerstand gegen Un-terdrückung.

3. Der Ursprung jeder Herrschaft liegt wesens-mäßig beim Volke; keine Körperschaft, kein Einzelner kann Herrschaft ausüben, die nicht ausdrücklich von ihm ausgeht.

4. Die Freiheit besteht darin, alles tun zu kön-nen, was einem anderen nicht schadet (Die Grenzen der Freiheit bestimmt allein das Ge-setz).

6. ... Da alle Bürger vor dem Gesetz gleich sind, so sind sie auch alle in der gleichen Wei-se zu allen Ehrenämtern, öffentlichen Stellun-gen und Beschäftigungen gemäß ihren Fähig-keiten zugelassen, ohne einen anderen Unter-schied als den ihrer Kräfte und Geistesgaben.

10. Niemand darf wegen seiner Ansichten, selbst nicht der religiösen, bedrängt werden, vorausgesetzt, dass ihre Äußerung nicht die durch das Gesetz festgelegte öffentliche Ord-nung stört.

11. Die freie Mitteilung der Gedanken und An-sichten ist eines der kostbarsten Menschen-rechte; daher kann jeder Bürger frei sprechen, schreiben, drucken, mit dem Vorbehalt, dass er verantwortlich ist für den Missbrauch dieser Freiheit in den von dem Gesetz festgelegten Fällen.

16. Eine Gesellschaft, in der die Garantie der Rechte nicht gesichert und die Teilung der Ge-walten nicht festgelegt ist, hat keine Verfas-sung.Zit. nach Hartig, Irmgard u. Peter: Die Französische Revolution. Stuttgart 1985, S. 52ff.

Der Zug der Frauen nach Versailles

Am 5. Oktober 1789 erscholl überall auf den Straßen der Ruf „Versailles schlemmt, Pa-ris hungert!“ Etwa 6.000 mit Kanonen und Spießen be-waffnete Frauen, vor allem aus dem Arbeiter-quartier Saint-Antoine und dem Marktviertel, sammelten sich vor dem Rathaus. Dazu stie-ßen im Laufe des verregneten Tages ca. 15.000 Nationalgardisten unter dem Komman-danten La Fayette. Das Ziel der Frauen hieß Versailles, das königliche Schloss vor Paris. Sie trafen gegen 18.00 Uhr dort ein und “be-suchten” umgehend die Nationalversammlung,

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die unter ihrer lebhaften Anteilnahme bis 3.00 Uhr morgens tagte. Die Frauen verbuchten einen ersten Erfolg: Gegen 20 Uhr bestätigte Ludwig XVI. die Au-gust-Dekrete und die Menschenrechtserklärung und leitete Maßnahmen zu einer besseren Lebensmittel-versorgung ein.

Die Königsfamilie wird nach Paris eskortiert

Frühmorgens, am 6. Oktober, kam es zu gewalttäti-gen Auseinandersetzungen. Der Widerstand der kö-

niglichen Leibgarde wurde gebrochen, der Mob gelangte bis vor die Privat-gemächer der Kö-nigin Marie Antoi-nette. Der König, so wurde gefordert, solle nicht mehr in Versailles, sondern

“unter seinem Volk” in Paris leben. Im Triumphzug wurde die königliche Familie nach Paris ins Tuileri-en-Schloss geführt. Als für alle sichtbares Zeichen des Triumphs fuhr ein mit Mehlsäcken beladenes Fuhrwerk dem Wagen des Königs voraus. Auch die Nationalgardisten steckten Brote auf ihre Bajonette, die Frauen schwenk-ten Piken, Sensen oder Palmenzwei-ge und es folgten die entwaffneten Leibgardisten. Der Schlachtruf des Zuges war: “Wir bringen den Bäcker, die Bäckers-frau und den kleinen Bäckerjungen!”, das heißt das Königspaar und den Dauphin. Diese wurden als Ga-ranten und Pfand zumindest einer gesicherten Brot-versorgung betrachtet. Auch die Nationalversamm-lung zog nach Paris um.

Die Revolution verstaatlicht den Kirchenbesitz

Um die Finanznot zu beheben, verstaatlichte die Nationalversammlung jetzt den Grundbesitz der Kir-che und versuchte, diese Güter zu verkaufen, indem sie eine Art Papiergeld, Assignaten genannt, aus-gab, das im Tausch gegen Kirchengüter zurückge-geben werden sollte. Jedoch kam der Verkauf der Kirchengüter nur zögernd in Gang. Die Assignaten verloren an Wert. Von jetzt an wurde die Revolution von Geldentwertung begleitet.

Noch ein anderes Problem entstand aus der Ver-staatlichung der Kirchengüter. Die Gehälter für die Priester zahlte nun der Staat, umgekehrt sollten die Priester auf die künftige Verfassung schwören. Dazu aber gab der Papst keine Zustimmung. Die

Priester gerieten in einen Gewissenskonflikt, viele entschieden sich für den Papst. Häufig blieben ihnen dann ihre Gemeinden treu. In an-deren Gemeinden jedoch entlud sich die an-ti-kirchliche Stimmung im Verbrennen von Papst-Strohpuppen. Mehrere, den Eid verwei-gernde Priester suchten Verbin-dung zu adligen Flüchtlingen. Deren Zahl wuchs, sie sam-melten sich im grenznahen Ausland und planten Militäraktionen gegen die Revolution.

Die Ereignisse am 5./6. Oktober 1789

Schilderung von Frau Cheret: ... gegen vier Uhr - schlugen unsere Bürgerinnen ... den Weg zur Nationalversammlung ein, wo sie nur unter Mühe Einlass erhielten ... Trotz der Furcht, die unsere guten Freundinnen unter den Hosenmätzen gesät hatten - mehrere von ihnen verließen gar die Versammlung -, glaub-ten die ehrenhaften Mitglieder der Nationalver-sammlung zu erkennen, dass sie (die Bürgerin-nen) absolut entschlossen seien so lange nicht auseinander zu gehen wie noch etwas endgül-tig festgelegt werden müsse. Sie gestanden unseren 12 Abgeordneten zu: 1. ein neuerli-ches Getreideausfuhrverbot; 2. ...dass der Ge-treidepreis auf 24 Livres festgesetzt werden müsse; ein ... Preis, bei dem das Brot selbst für die Armen erschwinglich sei; 3. dass das Fleisch nur 8 Sous das Pfund kosten solle.... das Gerücht besagt, dass der König den 5. Oktober unterstützt habe und mehr denn je je-nes Attribut verdiente, das man ihm am 17. Juli 1789 zubilligte, “Erneuerer der Französischen Revolution” zu sein. Wir Bürgerinnen wurden, geschmückt mit Ruhm, auf Kosten Seiner Ma-jestät im Wagen zum Pariser Rathaus zurück-gebracht ...Zit. aus: Petersen, S.: Marktweiber und Amazonen. Köln 1987, S. 70ff.

Herr Dumont aus Genf, ein Freund Mirabe-aus, berichtet aus der Nationalversamm-lung in Versailles: Wir aßen bei Monsieur de Servan zu Mittag, in dem Palais, das die Peti-tes-Ecuries heißt und wo er als Hofmeister der Pagen eine Wohnung hat. Von den Fenstern, die den ganzen großen Platz beherrschen, sa-hen wir die Menge aus Paris ankommen, die Fischweiber, die Lastträger der Markthalle; und alle verlangten Brot. Das Regiment Flandern und die Bürgerwehr von Versailles waren au-

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ßerhalb der äußeren Einfriedung des Schlosses auf-gestellt; die Königliche Garde zu Fuß und zu Pferde stand innerhalb der Einzäunung des großen und kleinen Hofes. Es gab einige tumultarische Auftritte, die wir aber nicht genau erkennen konnten. Mira-beau blieb nicht lange bei uns; ich glaube sogar, mich zu erinnern, dass er nicht bei Servan dinierte. Obgleich die Menge groß war und niemand wusste, was noch geschehen konnte, spazierten wir überall umher, sahen in abgelegenen Straßen königliche Wagen fahren und meinten, es handele sich darum, die königliche Familie fortzubringen. Müde vom Um-herstreifen kam ich gegen acht Uhr abends in die Nationalversammlung. Sie bot ein merkwürdiges Schauspiel. Das Pariser Volk war dort eingedrun-gen, sogar die Umhänge waren besetzt. Die Galeri-en waren besetzt mit Weibern und Männern, die mit Hellebarden, Stöcken und Piken bewaffnet waren. Die Sitzung war unterbrochen worden; der Präsident wurde jedoch im Namen des Königs gebeten, eine Deputation ins Schloss zu schicken und die Ver-sammlung unbegrenzt tagen zu lassen. Ich suchte Mirabeau auf, der, obgleich es noch nicht elf Uhr war, schon zu Bett gegangen war. Als wir dann schließlich in die Versammlung kamen, wo der Prä-sident sich vergeblich abmühte, Ruhe zu schaffen, erhob Mirabeau seine alles übertönende Stimme und forderte den Präsidenten auf, der Versammlung Respekt zu verschaffen und alle Fremden aufzufor-dern, sich zu entfernen. Bei seiner Volkstümlichkeit hatte er Erfolg mit seinen Worten. Nach und nach zog sich die Menge zurück, und die Deputierten be-rieten ruhig über einige Punkte des Strafgesetzbu-ches. Ich stand auf einer Galerie wo ein Fischweib sich mit einer überlegenen Autorität betätigte und ungefähr hundert Weiber, vor allem junge Perso-nen, dirigierte, die ihre Befehle erwarteten, um zu schreien oder zu schweigen. Sie rief ungeniert die Deputierten an und fragte: “Wer redet denn da hin-ten? Lasst den Schwätzer den Mund halten! Darum handelt es sich gar nicht, es handelt sich darum, Brot zu bekommen. Man soll unser Mütterchen Mi-rabeau sprechen lassen, wir wollen ihn hören...” Ihre ganze Gesellschaft schrie: “Unser Mütterchen Mira-beau!” Aber Mirabeau war nicht der Mann, der bei solchen Gelegenheiten seine Kräfte verschwendete, und seine Beliebtheit beim Volk war, wie er sagte, nicht Beliebtheit beim Pöbel.

Gegen Mitternacht kündigte ein Adjutant von La Fa-yette dessen Ankunft an der Spitze der Pariser Na-tionalgarde an, seine Soldaten hatten erneut den Treueid auf Gesetz und König abgelegt, und die Menge begann sich zu beruhigen auf die Versiche-rungen hin, die der König gegeben hatte und die für-sorglich verbreitet worden waren. Gegen zwei Uhr morgens gingen wir nach Hause, während die Sit-zungen immer noch andauerten. Ich erhielt bei mei-nem Erwachen einen verworrenen Bericht über das,

was geschehen war: über das Eindringen ins Schloss und die Entwaffnung der Garden; man schrieb die Vorkommnisse Missverständnissen zu, Unbesonnenheiten und durch Zufall ent-standenen Streitigkeiten.Zit. aus: Pernoud, Georges/Flaissier, Sabine (Hg.): Die Französische Revolution in Augenzeugenbe-richten, München: dtv 1976. S. 65f.

3. Der König flieht nach Varennes

Die gesamte erste Phase der Revolution hatte unter der Überschrift gestanden: Zusammenar-beit des gemäßigten Bürgertums mit dem Kö-nig. Ludwig XVI. hätte die Monarchie und sein

Leben wahrscheinlich retten können, wenn er sich ernstlich auf diese Zusammenarbeit ein-gelassen hätte. Statt dessen akzeptierte er die revolutionären Errungenschaften nur zum Schein und wollte mit Hilfe des emigrierten Adels und des Auslands die vorrevolutionären Zustände wiederherstellen. Diese gegenrevolu-tionären Machenschaften des Königs wurden Schritt für Schritt aufgedeckt und kompromit-tierten auch die gemäßigten Revolutionäre.

Am 21. Juni 1791 scheiter-te die Flucht des Königs und seiner Fa-milie ins Aus-land. Sie wur-den in Varen-nes, einer Stadt in Loth-ringen, nahe der französischen Grenze von ei-nem Postmeister aufgehalten und durch Natio-nalgardisten nach Paris zurückgeführt. Diese Ereignisse gingen als "Flucht nach Varennes" in die Geschichte ein. Die Absichten des Kö-nigs waren offensichtlich: Er wollte zur österrei-chischen Armee in den Niederlanden gelan-gen, mit dieser nach Paris zurückkehren, das

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Parlament auflösen und die absolute Königsherr-schaft wiederherstellen.

Die Nationalgarde wendet sich gegen das Volk

Nach der gescheiterten Flucht der Königsfamilie er-hoben sich erstmals Stimmen, die eine Republik for-derten. Am 17. Juli 1791 löste die Nationalgarde un-ter La Fayette eine Versammlung auf dem Marsfeld (Champs du Mars), die eine Eingabe für die Einfüh-rung der Republik unterzeichnen wollte, gewaltsam auf. Es war das erste Mal, dass revolutionäre Trup-pen auf Revolutionsanhänger schossen.

4. Die Verfassung von 1791

Im September 1791 verab-schiedete die N a t i o n a l v e r -sammlung end-lich die Verfas-sung, mit deren Ausa rbe i tung sie 1789 begon-nen hatte. In

den Grundzügen entsprach sie dem politischen Pro-gramm der Aufklärer. Sie machte aber auch die Spaltung der Revolutionäre offensichtlich. Nur etwa ein Fünftel von 25 Millionen Franzosen war wahlbe-rechtigt, da das Wahlrecht an Steuerleistungen ge-bunden war (Zensuswahlrecht). Der Verfassung wurde die Erklärung der Menschen- und Bürger-rechte vom 26. August 1789 vorangestellt.

Eine Verfassung ohne Frauenrechte

Allerdings war die Rechteerklärung nur für Männer verfasst worden. Aus Enttäuschung veröffentlichte die Revolutionärin Olympe de Gouges im Septem-ber 1791 eine an Königin Marie Antoinette gerichte-te “Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin”. Sie machte darin deutlich, dass die Frauen weiterhin von den Bürgerrechten ausgeschlossen blieben.

Die Revolutionärin Olympe de Gouges (1748 – 1793)

Die französische Revolutionärin Olympe de Gouges wurde am 7. Mai 1748 in Montauban geboren und war die uneheliche Tochter eines Adligen. Im Alter von 16 Jahren wurde sie mit einem reichen, wesent-lich älteren Heereslieferanten verheiratet. Als dieser bereits nach einjähriger Ehe verstarb, zog Olympe de Gouges nach Paris um. Hier beschäftigte sie sich mit Theater und Literatur und stellte fest, wie mangelhaft die Bildung war, die Frauen damals er-hielten. Sie schrieb in wenigen Jahren mehrere Theaterstücke, zwei Romane, Streitschriften, offene Briefe und Plakate, in denen sie ihre Überzeugun-

gen zum Ausdruck brachte. Sie verfasste Tex-te über die Abschaffung der Sklaverei, das Scheidungsrecht, die Versorgung Schwangerer und die rechtliche Gleichstellung der Frau. His-torisch bedeutsam ist vor allem ihre “Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin”, die sie 1791 als Protest gegen die Menschenrechtser-klärung der französischen Revolutionäre ver-fasste und darin deutlich machte, dass die bis-lang geforderten Menschenrechte ausschließ-lich Männerrechte sind. Zunächst Royalistin, wandte sie sich den Girondisten zu, weil einige ihrer Abgeordneten die Forderungen der Frau-en nach Emanzipation unterstützten. Als die Girondisten schließlich ausgeschaltet wurden und die Jakobiner eine antifeministische Kam-pagne starteten, griff sie Robespierre an, wur-de verhaftet und nach monatelangen Verhören wegen “staatsfeindlicher Umtriebe” am 3. No-vember hingerichtet.

Die Menschenrechtserklärung von Olympe de Gouges wurde erst im Jahre 1972 von einer Wissenschaftlerin entdeckt. 181 Jahre hatte dieses Dokument der Emanzipation unbemerkt in der Nationalbibliothek in Paris gelegen.

Im Vorwort zu ihrer “Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin” heißt es: „... Wunderlich, blind, aufgebläht und entstellt von seiner Wis-senschaft fällt er (der Mann) in diesem Jahr-hundert der Aufklärung und Vernunft in gröbste Unwissenheit zurück und glaubt despotisch über sein Geschlecht verfügen zu können, das alle intellektuellen Fähigkeiten besitzt. Er ist es, der Nutzen aus der Revolution ziehen und sei-ne Anspruch auf Gleichheit geltend machen will, um nicht noch mehr zu sagen.“

Olympe de Gouges: Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin (1791)

„In der Folge ... erklärt das an Schönheit wie an Mut, die Beschwernisse der Mutterschaft be-treffend, überlegene Geschlecht in Gegenwart und mit dem Beistand des Höchsten Wesens die folgenden Rechte der Frau und Bürgerin:Art. I: Die Frau wird frei geboren und bleibt dem Manne ebenbürtig in allen Rechten. Un-terschiede im Bereich der Gesellschaft können nur im Gemeinwohl begründet sein.Art. II: Ziel und Zweck jedes politischen Zu-sammenschlusses ist die Wahrung der natürli-chen und unverjährbaren Rechte von Frau und Mann, als da sind: Freiheit, Eigentum, Sicher-heit und insbesondere das Recht auf Wider-stand gegen Unterdrückung ...Art. IV.: Freiheit und Gerechtigkeit beruhen darauf, dass dem anderen abgegolten wird, was ihm zusteht. So stößt die Frau bei der

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Wahrnehmung ihrer natürlichen Rechte nur an die ihr von der Tyrannei des Mannes gesetzten Gren-zen; diese müssen durch die von Natur und Ver-nunft diktierten Gesetze neu gezogen werden ...Art. X: ... Die Frau hat das Recht das Schafott zu besteigen, gleichermaßen muss ihr das Recht zuge-standen werden eine Rednertribüne zu besteigen, sofern sie nicht in Wort und Tat die vom Gesetz ga-rantierte öffentliche Ordnung stört.Art. XIII: Zum Unterhalt der öffentlichen Kräfte und Einrichtungen tragen Frau und Mann im gleichen Umfange bei. Zu Fron und lästigen Pflichten wird die Frau ohne Unterschied bei gezogen und muss des-halb bei der Zuteilung von Stellungen und Würden, in niederen wie in höheren Ämtern sowie im Gewer-be, ebenso berücksichtigt werden.Art XVI: Eine Gesellschaft, die weder Rechtsschutz noch Gewaltenteilung kennt, ist ohne Verfassung. Eine Verfassung aber, an deren Ausarbeitung nicht die Mehrheit der Bevölkerung mitgewirkt hat, die die Nation darstellt, wird null und nichtig.

Im Nachwort heißt es: „Frau erwache! ... Erkenne deine Rechte! ... Der versklavte Mann (vermochte) nicht ohne deine Hilfe seine Ketten zu sprengen. Kaum in Freiheit zeigt er sich ungerecht gegen sei-ne Gefährtin ... Oh Frauen! ... wann wird eure Ver-blendung ein Ende haben? Sagt an, welche Vorteile sind euch aus der Revolution erwachsen?Zit. nach Dillier, Monika (Hg.): Olympe de Gouges. Schriften. Frankfurt/M. 1980.

Der neue Souverän jubelt

Trotz aller Schwächen war die Freude über die Er-rungenschaft der Revolution im Land allenthal-ben spürbar. Vie-lerorts wurden Freiheitsbäume gepflanzt, um die Überwindung des Alten Regimes zu feiern.

Die Verfassung vom 3. September 1791

Da die Nationalversammlung die Verfassung auf den Grundsätzen aufbauen will, die sie soeben an-erkannt und verkündet hat, beseitigt sie unwiderruf-lich die Einrichtungen, die die Freiheit und Rechts-gleichheit verletzten.

Es gibt keinen Adel mehr, keinen Hochadel, keine erblichen Auszeichnungen, keine Standesunter-schiede, keine Lehnsherrschaft, keine Patrimonial-gerichtsbarkeit, keinen Ritterorden, keine Körper-schaften oder Auszeichnungen, die Adelsproben er-forderten oder die Auszeichnung der Geburt voraus-

setzten, und keine andere Obergewalt als die des Staatsbeamten in Ausübung seines Diens-tes.

Es gibt nicht Käuflichkeit oder Erbrecht irgend-eines Amtes. Es gibt nicht mehr für irgendei-nen Teil der Nation oder für irgendein Individu-um irgendein Privileg oder eine Ausnahme von dem allen Franzosen gemeinsamen Recht.

Das Gesetz anerkennt nicht mehr religiöse Ge-lübde oder irgendwelche anderen Verpflichtun-gen, die im Widerspruch zu den Naturrechten oder zu der Verfassung stünden.

Von der Verfassung verbürgte Grundein-richtungen(Grundrechte)

Die Verfassung verbürgt als natürliche und öf-fentliche Rechte:

1. dass alle Staatsbürger zu allen Stellungen und Beamtungen zugelassen sind, ohne einen anderen Unterschied als den ihrer Tugenden und ihrer Talente;

2. dass alle Abgaben auf alle Bürger gleichmä-ßig unter Berücksichtigung ihrer Vermögens-verhältnisse verteilt werden;

3. dass dieselben Verbrechen mit denselben Strafen belegt werden, ohne irgendeinen Un-terschied der Person.

Die Verfassung verbürgt gleichfalls als natürli-che und bürgerliche Rechte:

– die Freiheit jedes Menschen zu gehen, zu bleiben, zu reisen, ohne verhaftet oder ge-fangengehalten zu werden als in den durch die Verfassung festgelegten Formen;

– die Freiheit jedes Menschen zu reden, zu schreiben, zu drucken und seine Gedanken zu veröffentlichen, ohne dass seine Schriften irgendeiner Zensur oder Aufsicht vor ihrer Veröffentlichung unterworfen sein dürfen, und den religiösen Kult auszuüben, dem er anhängt;

– die Freiheit der Bürger, sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln in Übereinstim-mung mit den Polizeigesetzen;

– die Freiheit, an die errichteten Behörden per-sönlich unterzeichnete Bittschriften zu rich-ten.

Die gesetzgebende Gewalt kann keine Geset-ze erlassen, welche die Ausübung der natürli-chen und bürgerlichen Rechte, die in diesem Abschnitt bezeichnet und durch die Verfassung verbürgt sind, beeinträchtigen oder hindern. Und da die Freiheit nur darin besteht, alles das tun zu können, was weder den Rechten eines anderen noch der öffentlichen Sicherheit scha-

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det, kann das Gesetz Strafen gegen die Handlun-gen festsetzen, welche die öffentliche Sicherheit oder die Rechte eines anderen angreifen und da-durch der Gesellschaft schaden würden.

Die Verfassung verbürgt die Unverletzlichkeit des Eigentums oder die gerechte und vorherige Ent-schädigung von dem, was die gesetzlich festgeleg-te, öffentliche Notwendigkeit als Opfer erfordert. [...]

Von den öffentlichen Gewalten

Art. 1: Die Souveränität ist einheitlich, unteilbar, un-veräußerlich und unverjährbar. Sie gehört der Nati-on. Kein Teil des Volkes und keine einzelne Person kann sich ihre Ausübung aneignen.

Art. 2: Die Nation, von der allein alle Gewalten ihren Ursprung haben, kann sie nur durch Übertragung ausüben. Die französische Verfassung ist eine Re-präsentativverfassung. Ihre Repräsentanten sind die gesetzgebende Körperschaft und der König.

Art. 3: Die gesetzgebende Gewalt ist einer National-versammlung übertragen, die aus Abgeordneten be-steht, die durch das Volk frei und auf Zeit gewählt werden, um sie mit Billigung des Königs auf die Art auszuüben, die nachstehend bestimmt wird.

Art. 4: Die Regierung ist monarchisch. Die ausfüh-rende Gewalt ist dem König übertragen, um unter seiner Autorität durch die Minister und andere ver-antwortliche Beamte auf die Art ausgeübt zu wer-den, die nachstehend bestimmt wird.

Art. 5: Die richterliche Gewalt ist den durch das Volk auf Zeit gewählten Richtern übertragen.

Von der gesetzgebenden Nationalversammlung

Art. 1: Die Nationalversammlung, welche die gesetz-gebende Körperschaft bildet, ist immerwährend und ist nur aus einer Kammer zusammengesetzt.

Art. 2: Sie wird alle zwei Jahre durch Neuwahlen ge-bildet.

Art. 5: Die gesetzgebende Körperschaft kann durch den König nicht aufgelöst werden.

Urversammlungen. Bestellung der Wahlmänner

Art. 1: Um die gesetzgebende Nationalversammlung zu wählen, treten die aktiven Bürger alle zwei Jahre in den Städten und den Kantonen zu Urversamm-lungen zusammen. Die Urversammlungen treten rechtmäßig am zweiten Märzsonntag zusammen, wenn sie nicht schon früher durch die vom Gesetz bestimmten öffentlichen Beamten einberufen wor-den sind.

Art. 2: Um aktiver Bürger zu sein, ist es notwendig: als Franzose geboren oder Franzose geworden zu

sein, das 25. Lebensjahr vollendet zu haben, seinen Wohnsitz in der Stadt oder dem Kanton seit der durch das Gesetz festgelegten Zeit zu haben, in irgendeinem Orte des Königreichs eine direkte Steuer zu zahlen, die wenigstens dem Wert von drei Arbeitstagen gleichkommt, [...] nicht dem Bedientenstand anzugehören, d. h. Lohndiener zu sein. […]

Art. 6: Die Urversammlungen wählen die Wahl-männer im Verhältnis zur Zahl der aktiven, in der Stadt oder im Kanton wohnenden Bürger. Es wird auf 100 Aktivbürger, ob in der Ver-sammlung anwesend oder nicht, ein Wahl-mann zur Versammlung gewählt. [...]

Wahlversammlung. Wahl der Abgeordneten

Art. 1: Die in jedem Departement gewählten Wahlmänner treten zusammen, um die Anzahl der Abgeordneten, die ihrem Departement zu-geteilt ist, und eine Anzahl von Stellvertretern [...] zu wählen. [...]

Art. 2: Die Abgeordneten und ihre Stellvertreter werden mit absoluter Stimmenmehrheit ge-wählt. Sie können nur unter den aktiven Bür-gern des Departements gewählt werden. [...]

Von der königlichen Bestätigung

Art. 1: Die Beschlüsse der gesetzgebenden Körperschaft werden dem König vorgelegt, der ihnen seine Zustimmung verweigern kann.

Art. 2: Im Falle, dass der König seine Zustim-mung verweigert, ist diese Verweigerung nur von aufschiebender Wirkung. Wenn die Legis-laturperioden, die derjenigen folgen, die den Beschluss vorgelegt hat, nacheinander den gleichen Beschluss in der gleichen Fassung wieder vorlegen, so wird angenommen, dass der König seine Bestätigung erteilt hat. [...]Zit. nach G. Franz. Staatsverfassungen. München, 1975, S. 291ff.

4. Augenzeugenberichte, Zitate, Quellen

Flucht und Rückkehr des Königs

Ludwig XVI., Tagebuch von 1791: (21. Juni) „Abreise um Mitternacht von Paris, angekom-men und angehalten in Varennes in den Argon-nen um elf Uhr abends …“ (25. Juni) „Abfahrt von Meaux um halb 7 Uhr, angekommen in Pans ...“ (26. Juni:) Gar nichts, Messe in der Galerie. Besprechung mit Vertretern der Natio-nalversammlung .(28. Juni:) Ich habe Butter-milch getrunken.

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Duchesse de Tourzel, die Erzieherin der Kinder Ludwigs, in ihren Memoiren über die Flucht von Pa-ris: „Unter dem Namen einer Baronin Korff wurde ich für die Herrin angesehen, der König war mein

Kammerdiener, die Königin meine Kammerfrau und Madame Elisabeth (Schwester des Königs) das Kin-dermädchen...“Seid überzeugt, wenn ich erst wieder die Zügel in der Hand habe, werde ich ganz anders sein, als ihr mich jetzt seht”, sagte der gute König.“

Jean Paul Marat, Proklamation (21. Juni 1791): „Volk, jetzt sieh die Redlichkeit, die Ehre, die Religi-on der Könige! ... Hütet euch vor Fürsteneiden! ... Am Morgen des 19. lachte Ludwig XVI. über seine Schwüre und weidete sich im voraus an dem Schre-cken, den seine Flucht euch einjagen würde. Die Österreicherin hat in der letzten Nacht Lafayette ver-führt... Ludwig... hat sich davongemacht ...jetzt lacht er über die Dummheit der Pariser, und bald wird er in ihrem Blut schwimmen.“ (Vor der Verhaftung der königlichen Familie auf ihrer Flucht in Varennes.)

Denis Belot, Augenzeuge der Verhaftung des Kö-nigs, Brief an seinen Vater (15. März 1792): „Als dieser Wagen vor der Post hielt, näherte sich einer der Offiziere ... und sagte der Person, die durchaus als Frau gelten wollte, etwas ins Ohr. Drouet, der dabeistand ... glaubte den König zu erkennen ... Um sicherer zu gehen, ... nimmt er eine 50-Franken-As-signate und erkennt Zug um Zug den König der Franzosen. (Dies führte zur Verhaftung der königli-chen Familie in Varennes. Drouet, ein ehemaliger Dragoner, erhielt als Lohn einen Sitz im Konvent und stimmte für den Tod des Königs.)

Pétion, Deputierter, Reisebericht über die Rückfüh-rung des Königs nach Paris: „Alle meinten: “Dieses dicke Schwein wird sehr unbequem.” “Ob man ihn einsperrt?” fragte einer, ein anderer: “Ob er wieder

regieren wird?” ... “Nein, ihr Herren", sagte der König glattzüngig, “ich wollte nicht ins Ausland, ich habe das bereits erklärt, es ist die Wahr-heit”.

Plakat in der Reitschule, dem Sitz des Kon-vents, nach der Rückkehr des Königs von Va-rennes: „Der König kommt: Wer ihm Beifall zu-ruft, bekommt Stockprügel; wer ihn beschimpft, kommt an den Laternenpfahl.“

Die Sitzungen der Nationalversammlung

Marquis de Ferrières über das Ende der Sit-zung vom 4. Aug. 1789, in der die herrschen-den Stände auf ihre Privilegien verzichteten: „Nach wenigen Stunden bietet sich die ehrwür-dige Verfassung des französischen Reiches, die mit Getöse unter den Schlägen einer uner-müdlichen Gruppe von Wildgewordenen zu-sammenbricht, ... nur noch als ein unförmiger Haufen von Ruinen und Trümmern dar ...

Arthur Young über eine Sitzung der National-versammlung im Sommer 1789: „Heute waren mehr als einmal über hundert Delegierte gleichzeitig auf ihren Füßen, und M. Bailly hatte keinerlei Macht, die Ordnung aufrechtzuerhal-ten.“

Der Marsch nach Versailles

Jean Paul Marat, Aufforderung zum Marsch nach Versailles (Okt. 1789): „Steckt diese Ös-terreicherin ... ins Gefängnis ... Der Thronfolger hat kein Recht auf ein Abendessen, solange ihr kein Brot habt ...“

Thiebault, Offizier der Palastwache, in seinen Memoiren über den Zug der Weiber nach Ver-sailles (5. Okt. 1789): „Die Köpfe von zwei un-glücklichen Palast-Gardisten waren ihre Stan-darten, und der Pöbel schleppte diese Trophä-en des Mordes unter scheußlichen Gesängen mit sich herum.“

Marquis de Ferrières über den Sturm des Pö-bels auf Versailles (6. Okt. 1789): „Die Aufstän-dischen gehen auf die Zimmer der Königin los und rufen: Wir wollen ihr den Kopf abschlagen, ihr das Herz ausreißen ...“(zit. nach Kirchberger, Joe H. Zeugen Ihrer Zeit. München-Zürich: R. Piper & Co. Verlag, 1993, S. 331ff.)

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Didaktische Hinweise

Der Film eignet sich für Geschichtsunterricht ab der 7. Jahrgangsstufe

Lernziele

Die Schülerinnen und Schüler sollen• erkennen, dass durch die Erklärung der Menschenrechte die alte Ständeordnung der Monarchie be-

seitigt wurde;• wissen, dass die Nationalversammlung die Grundlage des modernen Staates schuf;• verstehen, dass das absolute Königtum in Frankreich sich mit dem Grundsatz der Volkssouveränität

nicht abfinden konnte;• feststellen, dass der liberale Verfassungsstaat der Nationalversammlung die Forderungen des ,,Drit-

ten Standes" von 1789 erfüllte.

Anregungen

Die im Film vorkommenden Szenen (zumeist Spielszenen) können einzeln für sich bzw. in Zweiergrup-pen erschlossen werden. Den im folgenden Text gemachten Vorschlägen für die Bearbeitung der Sen-dung im Unterricht wird jeweils eine Inhaltsangabe der einzelnen Szenen bzw. Szenengruppen voran-gestellt. Diese kurzen Sätze können als Tafelanschrieb eingesetzt werden.

1. Szene: Adel und Geistlichkeit verzichten auf ihre Vorrechte

Die wichtigsten adeligen Vorrechte lassen sich aus der Szene erschließen. Zähle sie auf! War der Verzicht der adeligen Abgeordneten ganz und gar freiwillig?

2. Szene: Die Erklärung der Menschenrechte beseitigt den Ständestaat und begründet die Sou-veränität des Volkes

Die Ständeordnung war der Grundpfeiler der absoluten Monarchie. Welcher Satz aus der Erklärung der Menschenrechte beseitigt sie?Der oberste Gesetzgeber war bisher der König. Seine Gewalt stammte “von Gottes Gnaden”. Die Na-tionalversammlung stellte einen anderen Ursprung der staatlichen Gewalt fest. Beschreibe die Leute auf der Straße! Wo wohnen sie? Was arbeiten sie? Gehören sie zu den reichen Leuten? Was ist ihre Hauptsorge?

3. und 4. Szene: Der Verkauf des Kirchenbesitzes soll die Finanzkrise ablösen

Zunächst bestand kein Gegensatz zwischen Kirche und revolutionärer Bewegung. Viele Geistliche setzten sich für die Reformen ein. Warum enteignete die Versammlung den Kirchenbesitz? Die Enteignung der Kirche hatte zur Folge, dass die Geistlichen vom Staat bezahlt werden mussten. Der Staat hielt es deshalb für sein Recht, die kirchlichen Angelegenheiten neu zu ordnen. Welche Kon-flikte mussten sich aus der Tatsache ergeben, dass die katholische Kirche im Papst in Rom ihre höchste Autorität sieht?

5. Szene: Frankreich erhält eine Verfassung (Konstitution)

Die Verfassung beruhte auf dem Prinzip der Gewaltenteilung. Welche Rechte nahm die Volksvertre-tung für sich in Anspruch? Der König besaß nur dem Namen nach ausführende Gewalt. Welche Rechte wurden ihm verweigert? In der Verfassung, die die Nationalversammlung ausarbeitete, wurde das Wahlrecht von einem be-stimmten Steuersatz abhängig gemacht. Wer sollte an der politischen Aktivität gehindert werden?

6. und 7. Szene: Die konstitutionelle Monarchie hat viele Feinde

Monarchie und Verfassung, das hielt Ludwig XVI. für unvereinbar. Wie wollte er die alten Zustände wieder herstellen?

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Schulfernsehen Schulfernsehen

Graf Cazalès war in Frankreich geblieben, um als Abgeordneter der Nationalversammlung Reformen durchzuführen. Im Sommer 1791 verließ er jedoch Frankreich. Schildere seine Motive!Der Aufwiegler agiert gegen den neuen Staat. Er ruft die Leute auf, noch eine Revolution zu machen. Was möchte er erreichen?

Literaturhinweise

Die Literatur zur Französischen Revolution wächst ständig. Besonders im Jahre 1989, dem 200. Ge-burtstag der Revolution, erschien eine Fülle an Literatur, die jedoch nur in wenigen Fällen neue Ergeb-nisse brachte und deshalb die älteren Gesamtdarstellungen nicht verdrängte. Empfehlenswert ist eine 1999 erschienene Überblicksdarstellung, die auch die wichtigsten Quellen zur Französischen Revoluti-on beinhaltet: Kuhn, Axel: Die Französische Revolution. Stuttgart: Reclam 1999.

Gesamtdarstellungen

Furet, François/Richet, Denis: Die Französische Revolution. Frankfurt a. M.: Fischer 1993.

Grab, Walter: Die Französische Revolution. Aufbruch in die moderne Demokratie. Stuttgart 1989.

Lefebvre, Georges: La Révolution Française. Paris 1968.

Markov, Walter/Soboul, Albert: 1789. Die Große Revolution der Franzosen. Berlin: Akademie 1975.

Mathiez, Abert: Die Französische Revolution. 3 Bde. Hamburg 1950.

Reichardt, Rolf (Hg.): Die Französische Revolution. Mit 39 Abbildungen. Freiburg und Würzburg 1988.

Schmitt, Eberhard: Einführung in die Geschichte der Französischen Revolution. München: C.H. Beck 1980.

Schulin, Ernst: Die Französische Revolution. München 1988.

Schulze, Winfried: Der 14. Juli 1789. Biographie eines Tages. Stuttgart: Klett-Cotta 1989.

Vovelle, Michel: Die Französische Revolution. Soziale Bewegung und Umbruch der Mentalitäten. Mün-chen/Wien 1982.

Voss, Jürgen: Geschichte Frankreichs II: Von der frühneuzeitlichen Monarchie zur Ersten Republik 1500-1800. München: C.H. Beck 1980

Ursachen der Revolution

Schmitt, Eberhard (Hg.): Die Französische Revolution. Anlässe und langfristige Ursachen. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1973.

Lexika

Jeschonnek, Bernd: Revolution in Frankreich 1789–1799. Ein Lexikon. Berlin 1989.

Loth, Winfried: Frankreich-Ploetz: französische Geschichte zum Nachschlagen, Würzburg 1993.

Biographien

Chaussinand-Nogaret, Guy: Madame Roland. Stuttgart: Klett-Cotta 1988.

Bluche, Frédéric: Danton. Stuttgart: Klett-Cotta 1988.

Gallo, Max: Robespierre, Stuttgart: Klett-Cotta 1989.

Marko, Gerda: Das Ende der Sanftmut. Frauen in Frankreich 1789-1795, München: C.H. Beck 1993.

Ausgewählte Quellentexte

Boehncke, Heiner/Zimmermann, Harro (Hg.): Reiseziel Revolution. Berichte deutscher Reisender aus Paris 1789-1805, Reinbek: Rowohlt 1988.

Gouges, Olympe de: Schriften. Hg. v. Monika Dillier, Vera Mostowlansky, Regula Wyss. Frankfurt a. M. 1980.

Grab, Walter (Hg.): Die Französische Revolution. Eine Dokumentation. München 1973.

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Schulfernsehen Schulfernsehen

Hartig, Irmgard/Hartig, Paul: Die Französische Revolution. Stuttgart 1990.

Pernoud, Georges/Flaissier, Sabine (Hg.): Die Französische Revolution in Augenzeugenberichten. München:dtv 1976.

Sieyes, Emmanuel Joseph: Politische Schriften 1788–1790. Hg. u. übers. v. Eberhard Schmitt u. Rolf Reichardt. München: Oldenburg 1981.

Links

Unterrichtsmaterialen” zur Französischen Revolution auf dem Deutschen Bildungsserver

http://www.bildungsserver.de/metasuche/metasuche_gesamt.html?lucene_test=1&mtz=20&feldinhalt1=Franz%F6sische+Revolution&gruppen%5B%5D=Deutscher+Bildungsserver&fisOnline=y&sucheMitBoost=y&fieldLenNorm=n&bool1=AND&DBS=1&art=einfach

Darstellungen, Quelllen, Materialien zur Französischen Revolution

http://www.republique.dehttp://www.glasnost.de/autoren/schoen/franz.htmlhttp://www.emabonn.de/faecher/ffrlex.htm#frhttp://www.geschi.de/artikel/franzrev1.shtml

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