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Die Flamme der Wut – und der Solidarität · Baselland ObZ 13. Juni 2019 3 Morgen ist...

Date post: 17-Sep-2019
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Morgen ist Frauenstreik. Seit Monaten bereiten sich Frauen, quer durch alle Bevölkerungsschichten und Berufs- gruppen, in der Stadt und auf dem Land, auf diesen Tag vor. Rundherum sind Initiativen, Aktionen und Projekte entstanden, beispielsweise von Kirchen- frauen, Bäuerinnen, Pflegefachfrauen, Journalistinnen, Akademikerinnen und Frauen aus der Kulturbranche oder Wirtschaft. Warum dieses Engagement? «Der 14. Juni ist wichtig, weil die gelebte Gleich- stellung – wie sie in der Bundesverfas- sung steht – nicht erreicht ist», erklärt Jana Wachtl, Leiterin der Fachstelle Gleichstellung Baselland. Je mehr Frau- en und Männer sich für Gleichstellung solidarisieren würden, desto besser. Gleichstellung als gesellschaftlicher Veränderungsprozess brauche Frauen, Männer und beispielsweise die Politik und die Wirtschaft als Verbündete. Worum geht es am 14. Juni? Jana Wachtl zählt die zentralen Anliegen auf: für Lohngleichheit, für Anerken- nung der unbezahlten Haus-, Familien- und Pflegearbeit, gegen weibliche Al- tersarmut, für Respekt statt Sexismus und Gewalt, für die Aufwertung von Pflege- und Erziehungsberufen. «Es sind Forderungen, für die sich viele Akteurinnen und Akteure seit Jahren engagieren», hält Jana Wachtl fest. Der aktuelle Impuls sei wichtig, da es gleichstellungspolitische Geschäfte häufig sehr schwer hätten. Der geplante Streik bringe Gleichstellung aufs Tapet und mache die Anliegen sichtbarer. Ein Feuer auf dem Zunzgerberg Ein sichtbares Zeichen setzte vergange- nen Freitag eine Gruppe von Frauen auf dem Zunzgerberg bei Hölstein. Eine Woche vor dem 14. Juni entzündeten sie ein Höhenfeuer, wie es zum gleichen Zeitpunkt auch an fünf anderen Orten in der Schweiz geschah. Die Idee zu die- ser Aktion hatte Michèle Meyer, Mit- glied des regionalen Frauenstreik-Komi- tees, zusammen mit einer Kollegin aus dem Zürcher Oberland. «Mir war wich- tig, dass der Frauenstreik nicht nur in der Stadt stattfindet, sondern auch hier», sagte die Initiantin in ihrer An- sprache. Das Höhenfeuer sei als Warn- feuer zu verstehen: «Achtung, in einer Woche streiken wir!» Die Flamme drü- cke die Wut der Frauen aus, aber sei aber auch eine Flamme der Solidarität. Streik der Bäuerinnen Auf dem Zunzgerberg waren auch Bäu- erinnen dabei, die Michèle Meyer mit- hilfe von zwei Oberbaselbieter Land- frauen für die Aktion begeistern konnte. Viele Bäuerinnen bekämen keinen Lohn für ihre Arbeit, stellt Michèle Meyer fest, ähnlich wie bei der unbezahlten Hausarbeit. Bäuerinnen würden von morgens bis abends ohne Lohn arbei- ten, ohne Rente, und wenn die Bezie- hung bachab gehe, stünden sie mit nichts da. Ähnlich sei es für viele Hausfrauen in der typischen Kleinfamilie, fährt Mi- chèle Meyer fort. Es gelte immer noch, gerade auf dem Land, dass Frauen für «daheim» zuständig seien, für die Kin- der, für die Pflege der älteren Genera- tion. Mit ihrem Engagement wolle sie den Frauen auf dem Land eine Stimme geben: «Der Frauenstreik muss auch da- heim ausgetragen werden – Wir sind nicht allein, auch wenn wir es daheim sind.» In der Landwirtschaft sei man als Frau sehr nahe an der Care-Arbeit, sagt Nadja Graber, Bäuerin aus Liestal. Oft lebten mehrere Generationen auf einem Hof, da rutsche man schnell in die Ver- antwortung, wenn man sich um Eltern, Schwiegereltern, kranke Geschwis- ter, Kinder oder Angestellte kümmern müsse. Ein grosses Thema für die Bäuerinnen sei neben Lohngleichheit die ganze So- zialversicherung, fügt Nadja Graber hinzu. Landfrauen würden 100 Prozent oder – eher gegen 200 Prozent – auf dem Hof arbeiten, bekämen aber keine Entschädigung, was grossen Einfluss auf das spätere Leben habe. Trennun- gen habe es früher nicht gegeben: «Man ist zusammengeblieben, die Frau hat sich drein geschickt», beschreibt Nadja Graber. Jetzt sei das nicht mehr so, die Frauen hätten eine Ausbildung, seien nicht mehr so abhängig und würden sich mehr getrauen. Aber es gebe schon noch viele, die an der Tradition festhielten, ist sich Nadja Graber bewusst. Das habe sie gemerkt, als sie Bäuerinnen per Telefon ange- fragt habe, ob sie bereit wären, an einer Protestaktion teilzunehmen. Oft habe sie Antworten gehört wie: «Wir hatten das auch nicht, warum sollt ihr das ha- ben?» oder: «Man darf nicht gleich beim ersten Widerstand davonlaufen» oder: «Die Männer schauen dann schon.» «Müssen zusammenarbeiten» Solidarität unter den Bäuerinnen sei wichtig, meint eine der anwesenden Landfrauen. Den Frauenstreik findet sie genial: «Ohne ihn hätten wir uns gar nicht kennen gelernt.» Eine weitere Bäuerin ergänzt: «Wenn sich jemand getraut, etwas zu sagen, sehen andere, dass sie nicht allein sind, und getrauen sich auch.» Auch die anderen Frauen, die letzten Freitag auf den Zunzgerberg gewandert sind, betonen immer wieder die Solida- rität. «Für die Zukunft ist wichtig, dass wir verbunden sind und zusammen- arbeiten», sagt etwa Madleina, eine Jugendliche aus Basel. Die sechs Höhenfeuer als Zeichen der Solidarität finde sie eine gute Idee. Es gebe viel zu tun für die Frauen auf der ganzen Welt, deshalb sei es gut, sich zusammenzutun, sagt eine etwas ältere Teilnehmerin. Neben Lohngleichheit, Bildung, Familie und Beruf spricht sie die Betreuung von Seniorinnen an: «Die Generation, die jetzt ins hohe Alter kommt, war noch nicht berufstätig, das ist eine andere Situation als bei meiner Generation.» Gleicher Lohn ohne verhandeln «Seit fast 40 Jahren haben wir in der Verfassung den Gleichstellungsartikel, der die gleiche Behandlung von Män- nern und Frauen vorschreibt», betont Eleonora Heim aus Basel. In anderen Worten: «Frauen müssen sich nicht erst wie Männer verhalten, bevor sie gleich behandelt werden.» Das Mitglied des Basler Frauenstreik-Komitees fordert deshalb Lohngleichheit, Lohntranspa- renz und wirksame Sanktionen bei Ver- stössen: «Ich will, dass wir nicht erst um den gleichen Lohn verhandeln müssen, sondern dass wir ihn einfach bekom- men, weil er uns zusteht!» Ein Thema, das immer wieder zur Sprache kommt, ist die Kindererzie- hung. «Der Vater ist nicht Babysitter, wenn er auf seine Kinder schaut», fin- det Eleonora Heim, «sondern einfach Vater.» Bei der Elternzeit hinke die Schweiz peinlich hinterher, fügt Komi- tee-Mitglied Laura Pregger hinzu. El- ternzeit sei etwas, das auch sehr vielen jungen Vätern am Herzen liege. Frauen, auf der anderen Seite, würden eine enorme Summe von «unsichtbarer» Gratisarbeit leisten. «Unser kapitalisti- sches System funktioniert nur, weil Gra- tisarbeit geleistet wird, diese bildet sich in der Rente nicht ab», sagt Laura Preg- ger. Viele Frauen, die Teilzeit gearbeitet hätten, müssten von furchtbaren Ren- ten leben und seien von Altersarmut betroffen. Im Gespräch mit den Frauen auf dem Zunzgerberg wird klar: Es gibt viele Themen, viele Anliegen, viele Gründe, um am 14. Juni auf die Strasse zu ge- hen. Auch Themen, die nicht direkt mit Lohngleichheit oder unbezahlter Pfle- gearbeit zusammenhängen, fliessen mit ein. Häusliche Gewalt, sexualisierte Ge- walt, Migration, LGBTQ-Themen. Der Frauenstreik verstehe sich als queerfe- ministischer Streik, betont Laura Preg- ger: «Wir wollen, dass verschiedene Le- bensrealitäten gelebt werden können.» Ihre Forderung: In der Schweiz muss 2019 eine Ehe für alle möglich sein und Kinder adoptieren oder In-vitro-Fertili- sation können nicht länger Heteropaa- ren vorenthalten bleiben. Speziell mit der Gewalt-Thematik be- schäftigt sich Carol Ulmann von der «Aktionsgruppe gegen Gewalt an Frau- en und gegen häusliche Gewalt». Die Zahlen sind erschreckend: Sexualisierte Gewalt führte in der Schweiz in den letzten zehn Jahren zu mehr als 25 Fe- miziden pro Jahr. Das heisst, alle zwei Wochen wird ein Femizid verübt, Tö- tungsversuche sind darin nicht enthal- ten. Gemäss der Istanbul-Konvention des Europarats, die die Schweiz ratifi- ziert hat, müssten die Kantone Basel- land und Basel-Stadt 49 Frauenhaus- plätze anbieten, weiss Carol Ulmann. Vorhanden seien aber nur 17. Das Frau- enhaus beider Basel müsse immer wie- der Frauen abweisen. Eine Forderung des Frauenstreiks seien auch Schutz- plätze für Transfrauen und Transmän- ner, fügt Carol Ulmann hinzu: «Es gibt keine expliziten Schutzplätze für Men- schen, die nicht in das binäre System passen.» Die Flamme der Wut – und der Solidarität Frauenstreik Vor einer Woche kündigte ein Höhenfeuer bei Hölstein den Frauenstreik an: Am 14. Juni streiken die Frauen auch im Oberbaselbiet MARC SCHAFFNER In der Rathausstrasse in Liestal finden morgen verschiedene Aktionen zum Frau- enstreik statt. Um 11 Uhr gibt es eine Per- formance mit Irene Maag als Warm-up, von 12 bis 14.30 Uhr werden kleinere Reden gehalten, Schilder gemalt und ein Streikessen serviert. Auch eine Kinderbe- treuung ist vorhanden. Erwartet werden rund ein Dutzend Bäuerinnen in Tracht oder Stallbekleidung, die es sich für ein- mal auf dem Liegestuhl bequem machen. Am Nachmittag geht es weiter in Basel: ab 15 Uhr versammeln sich die Basel- bieterinnen mit Pfannendeckeln, Besen und Heugabeln beim Treffpunkt SBB, um 15.30 Uhr marschieren sie zum Theater- platz. Weitere Infos: www.14juni.ch Das Programm in Liestal Letzten Freitag brannten an sechs Orten in der Schweiz Höhenfeuer, wie hier auf dem Zunzgerberg bei Hölstein. Michèle Meyer, Organisatorin des Höhenfeuers, sieht Parallelen zwischen den Lebensläufen von Bäuerinnen und Hausfrauen. FOTOS: M. SCHAFFNER
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ObZ 13. Juni 2019 3Baselland

Morgen ist Frauenstreik. Seit Monatenbereiten sich Frauen, quer durch alleBevölkerungsschichten und Berufs-gruppen, in der Stadt und auf demLand, auf diesen Tag vor. Rundherumsind Initiativen, Aktionen und Projekteentstanden, beispielsweise von Kirchen-frauen, Bäuerinnen, Pflegefachfrauen,Journalistinnen, Akademikerinnen undFrauen aus der Kulturbranche oderWirtschaft.

Warum dieses Engagement? «Der 14.Juni ist wichtig, weil die gelebte Gleich-stellung – wie sie in der Bundesverfas-sung steht – nicht erreicht ist», erklärtJana Wachtl, Leiterin der FachstelleGleichstellung Baselland. Je mehr Frau-en und Männer sich für Gleichstellungsolidarisieren würden, desto besser.Gleichstellung als gesellschaftlicherVeränderungsprozess brauche Frauen,Männer und beispielsweise die Politikund die Wirtschaft als Verbündete.

Worum geht es am 14. Juni? JanaWachtl zählt die zentralen Anliegenauf: für Lohngleichheit, für Anerken-nung der unbezahlten Haus-, Familien-und Pflegearbeit, gegen weibliche Al-tersarmut, für Respekt statt Sexismusund Gewalt, für die Aufwertung vonPflege- und Erziehungsberufen. «Essind Forderungen, für die sich vieleAkteurinnen und Akteure seit Jahrenengagieren», hält Jana Wachtl fest. Deraktuelle Impuls sei wichtig, da esgleichstellungspolitische Geschäftehäufig sehr schwer hätten. Der geplanteStreik bringe Gleichstellung aufs Tapetund mache die Anliegen sichtbarer.

Ein Feuer auf dem ZunzgerbergEin sichtbares Zeichen setzte vergange-nen Freitag eine Gruppe von Frauen aufdem Zunzgerberg bei Hölstein. EineWoche vor dem 14. Juni entzündetensie ein Höhenfeuer, wie es zum gleichenZeitpunkt auch an fünf anderen Ortenin der Schweiz geschah. Die Idee zu die-ser Aktion hatte Michèle Meyer, Mit-glied des regionalen Frauenstreik-Komi-tees, zusammen mit einer Kollegin ausdem Zürcher Oberland. «Mir war wich-tig, dass der Frauenstreik nicht nur in

der Stadt stattfindet, sondern auchhier», sagte die Initiantin in ihrer An-sprache. Das Höhenfeuer sei als Warn-feuer zu verstehen: «Achtung, in einerWoche streiken wir!» Die Flamme drü-cke die Wut der Frauen aus, aber seiaber auch eine Flamme der Solidarität.

Streik der BäuerinnenAuf dem Zunzgerberg waren auch Bäu-erinnen dabei, die Michèle Meyer mit-hilfe von zwei Oberbaselbieter Land-frauen für die Aktion begeistern konnte.Viele Bäuerinnen bekämen keinen Lohnfür ihre Arbeit, stellt Michèle Meyerfest, ähnlich wie bei der unbezahltenHausarbeit. Bäuerinnen würden vonmorgens bis abends ohne Lohn arbei-ten, ohne Rente, und wenn die Bezie-hung bachab gehe, stünden sie mitnichts da.

Ähnlich sei es für viele Hausfrauen inder typischen Kleinfamilie, fährt Mi-chèle Meyer fort. Es gelte immer noch,gerade auf dem Land, dass Frauen für

«daheim» zuständig seien, für die Kin-der, für die Pflege der älteren Genera-tion. Mit ihrem Engagement wolle sieden Frauen auf dem Land eine Stimmegeben: «Der Frauenstreik muss auch da-heim ausgetragen werden – Wir sindnicht allein, auch wenn wir es daheimsind.»

In der Landwirtschaft sei man alsFrau sehr nahe an der Care-Arbeit, sagtNadja Graber, Bäuerin aus Liestal. Oftlebten mehrere Generationen auf einemHof, da rutsche man schnell in die Ver-antwortung, wenn man sich um Eltern,Schwiegereltern, kranke Geschwis-ter, Kinder oder Angestellte kümmernmüsse.

Ein grosses Thema für die Bäuerinnensei neben Lohngleichheit die ganze So-zialversicherung, fügt Nadja Graberhinzu. Landfrauen würden 100 Prozentoder – eher gegen 200 Prozent – aufdem Hof arbeiten, bekämen aber keineEntschädigung, was grossen Einflussauf das spätere Leben habe. Trennun-gen habe es früher nicht gegeben: «Manist zusammengeblieben, die Frau hatsich drein geschickt», beschreibt NadjaGraber. Jetzt sei das nicht mehr so, dieFrauen hätten eine Ausbildung, seiennicht mehr so abhängig und würdensich mehr getrauen.

Aber es gebe schon noch viele, die ander Tradition festhielten, ist sich NadjaGraber bewusst. Das habe sie gemerkt,als sie Bäuerinnen per Telefon ange-fragt habe, ob sie bereit wären, an einerProtestaktion teilzunehmen. Oft habesie Antworten gehört wie: «Wir hattendas auch nicht, warum sollt ihr das ha-ben?» oder: «Man darf nicht gleichbeim ersten Widerstand davonlaufen»oder: «Die Männer schauen dannschon.»

«Müssen zusammenarbeiten»Solidarität unter den Bäuerinnen seiwichtig, meint eine der anwesendenLandfrauen. Den Frauenstreik findet sie

genial: «Ohne ihn hätten wir uns garnicht kennen gelernt.» Eine weitereBäuerin ergänzt: «Wenn sich jemandgetraut, etwas zu sagen, sehen andere,dass sie nicht allein sind, und getrauensich auch.»

Auch die anderen Frauen, die letztenFreitag auf den Zunzgerberg gewandertsind, betonen immer wieder die Solida-rität. «Für die Zukunft ist wichtig, dasswir verbunden sind und zusammen-arbeiten», sagt etwa Madleina, eineJugendliche aus Basel. Die sechsHöhenfeuer als Zeichen der Solidaritätfinde sie eine gute Idee.

Es gebe viel zu tun für die Frauen aufder ganzen Welt, deshalb sei es gut, sichzusammenzutun, sagt eine etwas ältereTeilnehmerin. Neben Lohngleichheit,Bildung, Familie und Beruf spricht siedie Betreuung von Seniorinnen an: «DieGeneration, die jetzt ins hohe Alterkommt, war noch nicht berufstätig, dasist eine andere Situation als bei meinerGeneration.»

Gleicher Lohn ohne verhandeln«Seit fast 40 Jahren haben wir in derVerfassung den Gleichstellungsartikel,der die gleiche Behandlung von Män-nern und Frauen vorschreibt», betontEleonora Heim aus Basel. In anderenWorten: «Frauen müssen sich nicht erstwie Männer verhalten, bevor sie gleichbehandelt werden.» Das Mitglied desBasler Frauenstreik-Komitees fordertdeshalb Lohngleichheit, Lohntranspa-renz und wirksame Sanktionen bei Ver-stössen: «Ich will, dass wir nicht erst umden gleichen Lohn verhandeln müssen,sondern dass wir ihn einfach bekom-men, weil er uns zusteht!»

Ein Thema, das immer wieder zurSprache kommt, ist die Kindererzie-hung. «Der Vater ist nicht Babysitter,wenn er auf seine Kinder schaut», fin-det Eleonora Heim, «sondern einfachVater.» Bei der Elternzeit hinke dieSchweiz peinlich hinterher, fügt Komi-

tee-Mitglied Laura Pregger hinzu. El-ternzeit sei etwas, das auch sehr vielenjungen Vätern am Herzen liege. Frauen,auf der anderen Seite, würden eineenorme Summe von «unsichtbarer»Gratisarbeit leisten. «Unser kapitalisti-sches System funktioniert nur, weil Gra-tisarbeit geleistet wird, diese bildet sichin der Rente nicht ab», sagt Laura Preg-ger. Viele Frauen, die Teilzeit gearbeitethätten, müssten von furchtbaren Ren-ten leben und seien von Altersarmutbetroffen.

Im Gespräch mit den Frauen auf demZunzgerberg wird klar: Es gibt vieleThemen, viele Anliegen, viele Gründe,um am 14. Juni auf die Strasse zu ge-hen. Auch Themen, die nicht direkt mitLohngleichheit oder unbezahlter Pfle-gearbeit zusammenhängen, fliessen mitein. Häusliche Gewalt, sexualisierte Ge-walt, Migration, LGBTQ-Themen. DerFrauenstreik verstehe sich als queerfe-ministischer Streik, betont Laura Preg-ger: «Wir wollen, dass verschiedene Le-bensrealitäten gelebt werden können.»Ihre Forderung: In der Schweiz muss2019 eine Ehe für alle möglich sein undKinder adoptieren oder In-vitro-Fertili-sation können nicht länger Heteropaa-ren vorenthalten bleiben.

Speziell mit der Gewalt-Thematik be-schäftigt sich Carol Ulmann von der«Aktionsgruppe gegen Gewalt an Frau-en und gegen häusliche Gewalt». DieZahlen sind erschreckend: SexualisierteGewalt führte in der Schweiz in denletzten zehn Jahren zu mehr als 25 Fe-miziden pro Jahr. Das heisst, alle zweiWochen wird ein Femizid verübt, Tö-tungsversuche sind darin nicht enthal-ten. Gemäss der Istanbul-Konventiondes Europarats, die die Schweiz ratifi-ziert hat, müssten die Kantone Basel-land und Basel-Stadt 49 Frauenhaus-plätze anbieten, weiss Carol Ulmann.Vorhanden seien aber nur 17. Das Frau-enhaus beider Basel müsse immer wie-der Frauen abweisen. Eine Forderungdes Frauenstreiks seien auch Schutz-plätze für Transfrauen und Transmän-ner, fügt Carol Ulmann hinzu: «Es gibtkeine expliziten Schutzplätze für Men-schen, die nicht in das binäre Systempassen.»

Die Flamme der Wut – und der SolidaritätFrauenstreik Vor einer Woche kündigte ein Höhenfeuer bei Hölstein den Frauenstreik an: Am 14. Juni streiken die Frauen auch im OberbaselbietMARC SCHAFFNER

In der Rathausstrasse in Liestal findenmorgen verschiedene Aktionen zum Frau-enstreik statt. Um 11 Uhr gibt es eine Per-formance mit Irene Maag als Warm-up,von 12 bis 14.30 Uhr werden kleinereReden gehalten, Schilder gemalt und einStreikessen serviert. Auch eine Kinderbe-treuung ist vorhanden. Erwartet werdenrund ein Dutzend Bäuerinnen in Trachtoder Stallbekleidung, die es sich für ein-mal auf dem Liegestuhl bequem machen.Am Nachmittag geht es weiter in Basel:ab 15 Uhr versammeln sich die Basel-bieterinnen mit Pfannendeckeln, Besenund Heugabeln beim Treffpunkt SBB, um15.30 Uhr marschieren sie zum Theater-platz. Weitere Infos: www.14juni.ch

Das Programmin Liestal

Letzten Freitag brannten an sechs Orten in der Schweiz Höhenfeuer, wie hier auf dem Zunzgerberg bei Hölstein.

Michèle Meyer, Organisatorin des Höhenfeuers, sieht Parallelen zwischen denLebensläufen von Bäuerinnen und Hausfrauen. FOTOS: M. SCHAFFNER

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ObZ, 13. Juni 2019, S. 3
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