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Die Entwicklung der E-Lok von 1879 bis 1987 - kochleo.at · Die Entwicklung der E-Lok von 1879 bis...

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Die Entwicklung der E-Lok von 1879 bis 1987 Aus der Arbeit der Lichtbildner Im Zusammenspiel zwischen Bild und Wort hat die Aussagekraft des (kommentierten) Fotos in diesem Bilderbogen die informatorisch interessanteren Akzente gesetzt. Die großen Zeiten der Schwarzweiß-Lokomotivfotografie, gehen als lehrsame Ansichten aus der Geschichte eines weltweiten Dampflokomotiv-Geschehens ziemlich nahtlos über zu den »Insignien« jüngeren Datums - zur Historie elektrischer Lokomotiven. Und wie bereits bei den »Dampflokomotiv-Embryonen« ist es auch in dieser Kette schienenfahrzeugtechnischer Ereignisse nicht machbar gewesen, den »Urknall« der Entwicklung auszumachen. Es gab ihn nicht. Die Lokomotive hatte zu viele Väter und zu wenig Technik- Fotografen. Trotzdem bleibt unsere hier ganz spezifische Fotografie ein sehr wichtiges, in seiner Vielfalt fast verwirrendes Ausdrucksmittel des Eisenbahnwesens, das nun der Manifestation mehr oder weniger individueller Lokomotiv - Baumuster dient. Und deshalb sind wohl alle ausgewählten Bilder, die verschiedentlich auch Szenen zeitgenössischer Umgebung widerspiegeln, von willkommener dokumentarischer Art. Die Mehrzahl der vorgestellten Fotos kannte weder die Zeit- noch die Blenden-Automatik. Meist wurde manuell eingestellt und belichtet. Die Erfahrungen der Fotografen, nicht jedoch die an einen Mikroprozessor gekuppelte Belichtungssteuerung einer Programm-Automatik, waren gefordert. Und manches heutige »Zuviel« an Belichtungs- und Kopier-Automatik ist geeignet, die Qualität einer Eisenbahn- oder einer speziellen Lokomotiv-Aufnahme einzuschränken. Und wenn nach Fertigungs- und Marktreife der Komponenten für die digitale Fotografie, also für die elektronische Standbildkamera mit Festkörpersensor, schließlich die gegenwärtige Silberfilmtechnik eines Tages abgelöst wird, dann mag das zunächst ein Fortschritt für den Freizeit-Markt der Hobby-Fotografen sein. Umso mehr sind aber andererseits die Arbeiten der Lokomotiv-Lichtbildner einzuschätzen, die noch aus der gebräuchlichen älteren Technik mit Kamera, Linse und Platten oder Rollfilm ihre großartigen Aufnahme-Objekte »sprechen« ließen. Von Museen, Archiven und Pressestellen Eine Dokumentation wie die vorliegende beruht auf der beharrlichen Suche nach verschwundenen Technikschätzen und nach Entdeckungen historischer Marksteine. Zu welchen Vergleichen unsere im vorigen und in diesem Jahrhundert entstandenen Fotografien auch einladen, sie bleiben die souveränen Beispiele vom Ausdruck technischer Leistungen, die mit Höhen und Tiefpunkten als abgelegte Papierbild-Zeugen in den oft liebevoll gehegten Ordnern, Kästen, Schränken oder Hängekarteien aufbewahrt und katalogisiert werden. Und so sind Museen, Bibliotheken, private und staatliche Archive und Sammlungen die unumgänglichen Wegbereiter des Recherchierens. Das ungewöhnlich komplizierte Spannungsfeld im empfindsamen Museums- und Archivbesucher selbst, dem eine vorgedachte Chronologie und ganz bestimmte Herkunftszusammenhänge als Leitgedanken dienen, kennt nur der mit Akribie Suchende selbst. Interessen und Emotionen stehen in harten und subtilen Folgen oft gegeneinander. Ein subjektives Vorgehen und Bewerten ist somit fast zwangsläufig. In der Geschichte hat das »Ereignis« den Vorrang. Aber ist eine großartige Lokomotiv-Entwicklung, eine stolze von Ingenieuren erdachte Maschine, nicht auch ein »Ereignis«? Weltweit beachtete Museen stellen sie als Zeitzeugnis in ihre Ausstellungshallen, weil sie in den atemberaubenden globalen Zusammenhang menschlicher Verkehrstechnik gehören und Teil einer Geschichte des Ganzen sind. Wem schlägt da beim Wiederauffinden vergessener Dokumente das Herz nicht höher? Das Deutsche Museum in München, das Verkehrsmuseum in Nürnberg, das Museum für Verkehr und Technik in Berlin, das Museum 'Auto + Technik' in Sinsheim, das Science Museum in London, das Eisenbahn-Museum in York, das Museum 'Leonardo da Vinci' in Mailand, das Museo Ferroviario Campo Marzio in Triest, das Eisenbahn-Museum in Wien - sie und ungezählte andere messen dem Lokomotivbau die nötige historische Beachtung zu. Ihren Archiven gebührt ebenso Dank wie den »Schatzkammern« der bedeutenden Industrie-Unternehmen, hier in erster Linie dem Archiv der Daimler-Benz AG, den Werkarchiven von der AEG, von BBC, Siemens, TIBB, Krauss-Maffei und Alfa Romeo, aber auch den Bildstellen und Dokumentationszentren des früheren Reichsverkehrsministeriums, der DB, SBB, FS, ÖBB und SNCF.
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Die Entwicklung der E-Lok von 1879 bis 1987

Aus der Arbeit der Lichtbildner Im Zusammenspiel zwischen Bild und Wort hat die Aussagekraft des (kommentierten) Fotos in diesem Bilderbogen die informatorisch interessanteren Akzente gesetzt. Die großen Zeiten der Schwarzweiß-Lokomotivfotografie, gehen als lehrsame Ansichten aus der Geschichte eines weltweiten Dampflokomotiv-Geschehens ziemlich nahtlos über zu den »Insignien« jüngeren Datums - zur Historie elektrischer Lokomotiven. Und wie bereits bei den »Dampflokomotiv-Embryonen« ist es auch in dieser Kette schienenfahrzeugtechnischer Ereignisse nicht machbar gewesen, den »Urknall« der Entwicklung auszumachen. Es gab ihn nicht. Die Lokomotive hatte zu viele Väter und zu wenig Technik-Fotografen. Trotzdem bleibt unsere hier ganz spezifische Fotografie ein sehr wichtiges, in seiner Vielfalt fast verwirrendes Ausdrucksmittel des Eisenbahnwesens, das nun der Manifestation mehr oder weniger individueller Lokomotiv - Baumuster dient. Und deshalb sind wohl alle ausgewählten Bilder, die verschiedentlich auch Szenen zeitgenössischer Umgebung widerspiegeln, von willkommener dokumentarischer Art. Die Mehrzahl der vorgestellten Fotos kannte weder die Zeit- noch die Blenden-Automatik. Meist wurde manuell eingestellt und belichtet. Die Erfahrungen der Fotografen, nicht jedoch die an einen Mikroprozessor gekuppelte Belichtungssteuerung einer Programm-Automatik, waren gefordert. Und manches heutige »Zuviel« an Belichtungs- und Kopier-Automatik ist geeignet, die Qualität einer Eisenbahn- oder einer speziellen Lokomotiv-Aufnahme einzuschränken. Und wenn nach Fertigungs- und Marktreife der Komponenten für die digitale Fotografie, also für die elektronische Standbildkamera mit Festkörpersensor, schließlich die gegenwärtige Silberfilmtechnik eines Tages abgelöst wird, dann mag das zunächst ein Fortschritt für den Freizeit-Markt der Hobby-Fotografen sein. Umso mehr sind aber andererseits die Arbeiten der Lokomotiv-Lichtbildner einzuschätzen, die noch aus der gebräuchlichen älteren Technik mit Kamera, Linse und Platten oder Rollfilm ihre großartigen Aufnahme-Objekte »sprechen« ließen. Von Museen, Archiven und Pressestellen Eine Dokumentation wie die vorliegende beruht auf der beharrlichen Suche nach verschwundenen Technikschätzen und nach Entdeckungen historischer Marksteine. Zu welchen Vergleichen unsere im vorigen und in diesem Jahrhundert entstandenen Fotografien auch einladen, sie bleiben die souveränen Beispiele vom Ausdruck technischer Leistungen, die mit Höhen und Tiefpunkten als abgelegte Papierbild-Zeugen in den oft liebevoll gehegten Ordnern, Kästen, Schränken oder Hängekarteien aufbewahrt und katalogisiert werden. Und so sind Museen, Bibliotheken, private und staatliche Archive und Sammlungen die unumgänglichen Wegbereiter des Recherchierens. Das ungewöhnlich komplizierte Spannungsfeld im empfindsamen Museums- und Archivbesucher selbst, dem eine vorgedachte Chronologie und ganz bestimmte Herkunftszusammenhänge als Leitgedanken dienen, kennt nur der mit Akribie Suchende selbst. Interessen und Emotionen stehen in harten und subtilen Folgen oft gegeneinander. Ein subjektives Vorgehen und Bewerten ist somit fast zwangsläufig. In der Geschichte hat das »Ereignis« den Vorrang. Aber ist eine großartige Lokomotiv-Entwicklung, eine stolze von Ingenieuren erdachte Maschine, nicht auch ein »Ereignis«? Weltweit beachtete Museen stellen sie als Zeitzeugnis in ihre Ausstellungshallen, weil sie in den atemberaubenden globalen Zusammenhang menschlicher Verkehrstechnik gehören und Teil einer Geschichte des Ganzen sind. Wem schlägt da beim Wiederauffinden vergessener Dokumente das Herz nicht höher? Das Deutsche Museum in München, das Verkehrsmuseum in Nürnberg, das Museum für Verkehr und Technik in Berlin, das Museum 'Auto + Technik' in Sinsheim, das Science Museum in London, das Eisenbahn-Museum in York, das Museum 'Leonardo da Vinci' in Mailand, das Museo Ferroviario Campo Marzio in Triest, das Eisenbahn-Museum in Wien - sie und ungezählte andere messen dem Lokomotivbau die nötige historische Beachtung zu. Ihren Archiven gebührt ebenso Dank wie den »Schatzkammern« der bedeutenden Industrie-Unternehmen, hier in erster Linie dem Archiv der Daimler-Benz AG, den Werkarchiven von der AEG, von BBC, Siemens, TIBB, Krauss-Maffei und Alfa Romeo, aber auch den Bildstellen und Dokumentationszentren des früheren Reichsverkehrsministeriums, der DB, SBB, FS, ÖBB und SNCF.

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1879: Die Erste: Gleichstrom-Lokomotive für die große Gewerbe-Ausstellung in Berlin-Moabit. Mit der Erfindung der Dynamomaschine leitete Werner Siemens, 1880 in den erblichen Adelsstand erhoben, die Starkstromtechnik ein und führte zum ersten Mal diese kleine elektrische Gleichstromlokomotive am 31.05.1879 (bis zum 30. September) auf der Berliner Gewerbe-Ausstellung am Lehrter Bahnhof vor. Alle früheren, meist missglückten Versuche mit elektrischen Batterie-Lokomotiven konnten nun vergessen werden. Siemens brachte die technische Wende. Er hatte bereits 1878 Konstruktionszeichnungen für elektrische Grubenlokomotiven, darunter für den Senftenberger Braunkohlen-Tagebau, entworfen, wofür eine Trommelanker-Gleichstrommaschine vorgesehen war und eine Spurweite von 520mm in Frage kommen sollte. Die auf dem Siemens-Werkbild zu sehende Ausstellungslokomotive gilt als erste brauchbare elektrische Lokomotive der Welt. Sie unterschied sich vom Entwurf des Jahres 1878 wesentlich: Statt des ursprünglich vorgesehenen Reibradgetriebes wurden nun die beiden Radsätze über Vorgelege vom Motor angetrieben. Eine zwischen dem Gleis liegende Flacheisen-Mittelschiene diente der Stromzuführung für den Gleichstrom-Reihenschlussmotor mit Hefner-Alteneck-Trommelanker. Die Lokomotive arbeitete mit 150 Volt Gleichstrom auf 490 (520)mm Spurweite. Zum Wirkungsgrad-Nachweis schrieb man: Der »Kraftverlust« machte etwa 50% aus, so dass der dynamo-electrische Inductor mit ungefähr 7PS betrieben werden musste, um an der electro-dynamischen Locomotive 3,5PS zu erzeugen. Die Fachliteratur gab für die 1,5m lange »Kleinlokomotive« eine Nennleistung von 2,2kW (3PS) an. Eine Fahrtrichtungsänderung durch Umpolen der Motorwicklung war noch unbekannt. Deshalb war der rittlings auf der Lokomotive sitzende Lokführer gezwungen abzusteigen, um ein aus Kegelrädern bestehendes Wendegetriebe umzuschalten. Trotzdem war der Erfolg dieses 1030kg schweren Elektrofahrzeugs, das mit einem Ausstellungszug für 20 Pfennige pro Person die interessierten Besucher über einen Rundkurs beförderte, beachtlich. Spätere Ausstellungsfahrten in Brüssel (1880), London (1880), Kopenhagen (1882) und Moskau (1882) bestätigten das. Heute hat die Lokomotive einen Ehrenplatz im Deutschen Museum in München. 1895: Bo'Bo'-Tunnel-Lokomotive Nr. 1 der Baltimore & Ohio Railroad. Mit dieser 96t schweren, aus zwei Hälften zusammengesetzten »Doppel-Lokomotive« stand die erste betriebstüchtige Regelspur-Elektro-Lokomotive der Welt einem etwa 2,3km langen Tunnelstrecken-Dienst unter der Stadt Baltimore zur Verfügung. Die 1895 von der General Electric Company in Schenectady (N.Y.) gebaute Lokomotive hatte bereits Leistungs-Dimensionen, die an damalige nordamerikanische Dampflokomotiven herankamen. Die insgesamt vier federnd aufgehängten Gleichstrom-Motoren leisteten zusammen ungefähr 1060kW (1440PS). Und diese über Gummipuffer Elemente auf die Radsätze arbeitenden, paarweise in Reihe geschalteten Motoren schafften es, der Lokomotive die nötige Zugkraft zu geben, um 1200-Tonnen-Güterzüge mit einer Geschwindigkeit von 24km/h oder 500t schwere Personenzüge mit 56km/h durch den Tunnel zu ziehen. Dabei kamen Steigungen von rund 8 bis 10 Promille vor. Das für 80km/h Höchstgeschwindigkeit eingerichtete 650-Volt-Gleichstrom-Fahrzeug war demzufolge die erste elektrische Vollbahn-Lokomotive. Die Fahrleitung bestand wegen des hohen Strombedarfs aus Profileisen großen Querschnitts. Die Stromabnahme bis zu maximal 1800 Ampere löste man durch die Verwendung eines Kontakt-Schuhes. 1898: Frühe Experimente: Zweiachsige 10 000-Volt-Lokomotive von Siemens & Halske Im Jahre 1892 errichtete die Firma Siemens & Halske im Fabrikgelände ihres Charlottenburger Werkes eine elektrische Versuchsbahn. Es sollte eine Lösung zur Verwendung von Wechselstrom im Lokomotivbetrieb gefunden werden. Der bis dahin verwendete Gleichstrom, der nicht über 750V Spannung hinausging, konnte im schweren Zugbetrieb auf langen Strecken nicht ausreichen. 1897 baute man eine neue elektrische Erprobungsstrecke in Groß-Lichterfelde. Auf Normalspur fuhren die Ingenieure mit 10kV Drehstrom und untersuchten dabei das Verhalten von Fahrleitung und Stromabnehmer. Weitere Siemens-Experimentierfahrten folgten auf der eigenen Versuchsstrecke in Berlin-Lichterfelde, die um 1899 erste Ergebnisse brachten. Alle Experimente dienten der Klärung der Probleme, auch auf freier Strecke und bei größeren Fahrgeschwindigkeiten den hochgespannten Strom mit genügender Sicherheit über die Oberleitung den Lokomotiven zuzuführen. Das Foto aus dem Siemens-Archiv macht deutlich, wie eine 1898 hergerichtete Versuchslokomotive damals aussah. Walter Reichel (Siemens), der sich hier zusammen mit anderen Experten vor der Lokomotive ablichten ließ, hatte schon 1889/1890 den am Oberleitungsdraht schleifenden Drahtbügel-Stromabnehmer vorgeschlagen.

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1901: Die Schnellste der Welt; (1A)(A1)-Schnellbahn-Drehstrom-Lokomotive von Siemens & Halske. Auf der Preußischen Militär-Eisenbahn Marienfelde - Zossen, südlich von Berlin, sind in den Jahren 1901 bis 1903 zahlreiche Versuche unternommen worden, die in allen Industrie-Ländern der Welt eine erstaunliche Beachtung fanden. Der zur Verfügung stehende Drehstrom wurde vom Kraftwerk Oberspree je nach der beabsichtigten Fahrgeschwindigkeit mit Spannungen von 10.000 bis 13.000V und bis zu 45 Perioden geliefert. Außer den bekannten, bis zu 210km/h schnellen Triebwagen der Studiengesellschaft (AEG und Siemens) rüstete Siemens auch noch eine (1A)(A1)-Lokomotive mit der seinerzeitigen Drehstrom-Technik aus. Jene symmetrische Lokomotive mit ihren charakteristischen Dreiphasen-Stromabnehmern wurde in der Waggonfabrik Van der Zypen & Charlier (Fabriknr. 70418) in Deutz hergestellt und 1901 geliefert. Das Fahrzeug brachte es auf fast 130km/h, womit es für mehrere Jahre die schnellste elektrische Lokomotive der Welt war. Weil sich aber später weder eine Export- noch eine sonstige Verwendungsmöglichkeit bot, zerlegte man die Lokomotive - der »Not« gehorchend, in zwei betriebsbereite selbständige Einzelfahrzeuge. Beide umgebauten und besonders hergerichteten Halb-Lokomotiven überlebten den zweiten Weltkrieg. Die eine stand bei der Siemens-Güterbahn in Berlin im Dienst, die andere hatte mit der Aufgabe bei der Lokalbahn AG München auf der Strecke Murnau - Oberammergau eine zweite Heimat gefunden, wo sie dann sogar noch die Bundesbahn-Nummer 169.004 bekam. 1905: Bo-Lokalbahn-Lokomotive E69.01 der Deutschen Bundesbahn (DB) Die im Jahre 1905 bei den Siemens-Schuckert-Werken bestellte Einphasen-Wechselstrom-Lokomotive für 5 bis 5,5kV Fahrdrahtspannung und 16 Hertz ist im Jahre 1906 mit der Nr. 1 (»Katharina«) von der Lokalbahn Aktiengesellschaft zwischen Murnau und Oberammergau vorerst im Güterzugverkehr verwendet worden. Der Mechanteil stammte von der Katharinenhütte in Rohrbach/Pfalz. Nach mehrmaligen Umbauten gab man der kleinen Regelspur-Lok - später im Besitz der Deutschen Reichsbahn - die neue Betriebsnummer E69.01, mit der sie auch noch zur Deutschen Bundesbahn kam und dort im Jahre 1954 ausgemustert wurde. Ihre Stundenleistung gaben die Bahndienststellen mit rund 206kW (280PS) bei 18km/h an. Für mehr als 40km/h war die Lok, die übrigens dem Schrottplatz entging, nicht zugelassen. Zunächst stand die Lokomotive im Ausmusterungszustand im Ausbesserungswerk München-Freimann vor der Werkhalle 24. Danach folgte eine museumsreife Aufarbeitung. Das Foto zeigt sie mit ihren alten Dachstromabnehmern 1905: Bo-Meterspur-Lokomotive Nr. 1 der Königlich Sächsischen Staatseisenbahnen Diese erste elektrische Lokomotive aus dem Hause Henschel wurde im Jahre 1905 in Dresden-Freital in Betrieb genommen. Sie fuhr als Gleichstrom-Triebfahrzeug auf Meterspur bis zum Jahre 1928 im Dienst der Königlich Sächsischen Staatseisenbahnen, danach bis in die siebziger Jahre für die Dresdener Verkehrsbetriebe. Im Jahre 1979 kehrte diese 50kW-Lokomotive nach Kassel zurück. Das 2900mm lange und (mit Ballast) 18t schwere Lokomotivchen gehörte im wieder aufgearbeiteten Zustand zu den Attraktionen der Jubiläumsfeierlichkeiten »175 Jahre Henschel« im Jahre 1985, wobei dieses Foto entstand. Die symmetrische, mit Tatzlager-Motoren ausgestattete Lokomotive, die übrigens noch eine Schwester gleichen Typs und gleichen Baujahres hatte, erhielt eine elektrische Fahrtwendeschaltung und war 20km/h »schnell«: 1906: 1'C1'-Drehstromlokomotive 364, Serie Ae 3/5, der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) Zwei dieser zunächst für die Valtellina-Bahn bestimmten Lokomotiven der Betriebsnummer 364 und 365, die bei der Schweizerischen Lokomotiv- und Maschinenfabrik in Winterthur (SLM) und bei Brown-Boveri (BBC) im Bau waren, ermöglichten im Jahre 1906 die Eröffnung des elektrischen Betriebes im Simplon-Tunnel. Es waren anfangs leihweise, dann jedoch für dauernd in der Schweiz verbliebene 3000-Volt-Drehstromlokomotiven für eine Stromfrequenz von nur 15Hz. Die mit dieser kleinen Frequenz bedingte geringe Motordrehzahl erlaubte eine direkte Kupplung der Fahrmotoren mit den Radsätzen - ohne Zwischenschaltung von Zahnradgetriebe-Übersetzungen. Als Kupplungsorgan diente lediglich der von 0. Kjelsberg (SLM) geschaffene, ein gleichschenkliges Dreieck bildende Kuppelrahmen. Die gelungene Triebwerk-Konstruktion war gewissermaßen eine Umkehrung der Brownschen Schlitzkuppelstange. Typisches Merkmal der beiden 800PS-Lokomotiven waren die beiden Zara-Drehgestelle. Diese von Giuseppe Zara entwickelten Lenkgestelle waren eine Abart der Krauss-Helmholtz'schen Konstruktion. Lauf- und Kuppelradsatz erhielten einen gemeinsamen Rahmen, der zum Übertragen der senkrechten Kräfte und als Deichsel diente. Der zugehörige Drehgestellrahmen stützte sich auf die Tragfedern des vorderen Laufradsatzes und andererseits auf die Quertragfeder des ersten beziehungsweise des letzten Kuppelradsatzes ab, und zwar so, dass eine Seitenverschiebbarkeit garantiert ist. Pendel- und Federrückstellung vervollständigten dieses laufwerktechnische Gebilde. Bei etwa 1500mm Kuppelraddurchmesser und 16,67Hz (statt 15Hz) Fahrleitungsfrequenz waren zwei wirtschaftliche und frequenzgebundene Geschwindigkeitsstufen mit 35,6 und 71,2km/h möglich.

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1907: (A1A)(A1A)-Wechselstrom-Versuchslokomotive Nr. 3 für die Strecke Seebach - Wettingen in der Schweiz Am 03.08.1907 verließ diese von Borsig und Siemens gemeinsam konstruierte Lok die Werktore. Obwohl für den Probebetrieb zwischen Seebach und Wettingen gebaut, gehörte diese Lokomotive nie zum Fahrzeugbestand der Schweizerischen Bundesbahnen. Das Fahrzeug war 13,7m lang und hatte 1100mm Raddurchmesser. Die Lokomotive war für sechs Fahrmotoren geplant, erhielt aber wegen der Leistungsbeschränkung des schweizerischen Umformerwerkes nur vier Motoren. Bei 50km/h konnten unter der 15kV-Fahrleitung (15Hz) rund 4,7t Zugkraft erzeugt werden. Nach Abschluss der Versuche ging die Lokomotive an Siemens zurück und wurde in eine Gleichstromlokomotive zur Verwendung auf der Güterbahn Spandau - Nonnendamm umgebaut. Das Foto zeigt die fabrikneue Lokomotive im Auslieferungszustand 1907: Bo'Bo'-Gleichstrom-Lokomotive Nr. 4 der Siemens-Güterbahn. In der Schweiz wurde am 10.01.1905 die Bahnlinie Seebach Wettingen als erste Strecke mit Einphasen-Wechselstrom für 15kV/15Hz in Betrieb genommen. Die Elektrifizierung besorgte die Maschinenfabrik Oerlikon auf eigene Kosten. Und die erste dazugehörende Lokomotive war ursprünglich eine Umformer-Maschine, bei welcher der einphasige Wechselstrom von 15kV auf 700V herunter transformiert und einem Umformersatz zugeführt worden war, dessen Sekundärteil einen Gleichstrom von 600V (bei 1000U/min) erzeugte und damit zwei Gleichstrom-Nebenschlussmotoren speiste. Später baute Oerlikon diese Lokomotive in ein »reinrassiges« Wechselstrom-Fahrzeug mit Reihenschluss-Kommutator-Motoren um. Und es kam noch eine zweite solche Lokomotive hinzu. Die dritte Lokomotive für Seebach - Wettingen lieferten 1907 Siemens und Borsig in Berlin. Sie erhielt eine (A1A)(A1A)-Radsatzfolge, und in der damaligen Beschreibung hieß es; »Die äußeren Achsen jedes Drehgestells waren motorisiert mit vier Motoren zu je 225PS. Die Lokomotive war für eine Geschwindigkeit von 50km/h vorgesehen, das Gesamtgewicht betrug 75t und die Zugkraft 7000kg. Es wurde auch vorgesehen, die Lokomotivleistung durch Motorisierung aller sechs Achsen zu erhöhen.« Die Schweizerischen Bundesbahnen beendeten jedoch schon bald den gesamten dortigen Versuchsbetrieb, so dass die »Berliner Lok« zurückging und von Siemens im Jahre 1912 in ein vierachsiges 600-Volt-Gleichstrom-Triebfahrzeug umgewandelt und auf der eigenen Güterbahn in Berlin verwendet wurde. Der große Radstand beider Drehgestelle deutet auf dem Siemens-Archivbild noch auf die ausgebauten mittleren Radsätze hin. Im Kastenaufbau fand sich noch Platz für einen Gepäckraum. Anfang der zwanziger Jahre wurde diese abenteuerliche Lokomotive noch weiter modifiziert und mit der Betriebsnummer 4 auf der Siemens-Güterbahn sozusagen permanent beheimatet - bis sie 1944 einem Bombenangriff zum Opfer fiel.

1908: Lokomotivführer-Ausbildung Eine der ältesten laufradsatzlosen Fünfkuppler-Drehstrom-Lokomotiven ist die im Jahre 1908 gelieferte E550.5 der Italienischen Staatsbahnen. Die »personal-intensive Aufnahme« von Bruno Bonazzelli ist ein Schnappschuss vom Aufenthalt in Lecco während einer Sonderfahrt zur Lokomotivführer-Ausbildung im Jahre 1922. Das »Ministero delle Comunicazioni« (Verkehrsministerium), dem die FS zugeordnet waren, gab hierzu spezielle Lehrstoff-Hefte als Schriftenreihe »Scuole Allievi Macchinisti Trazione Elettrica« heraus. Die früher im Auftrag der Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn herausgegebenen Lehrstoff-Hefte (Eisenbahn-Lehrbücherei) waren das deutsche Pendant solcher der Ausbildung dienenden Publikationen. Die Schulungslokomotive E550.5 stammte übrigens aus zwei Ländern: Der 30,1t wiegende Fahrzeugteil wurde in den Ateliers di Tubize der belgischen Westinghouse-Niederlassung, die 30t schwere elektrische Ausrüstung im italienischen Werk Vado Ligure hergestellt. 1909: Die Älteste: Bo-Lokalbahn-Lokomotive Nr. 2 der Lokalbahn Aktiengesellschaft (LAG), München, für die Strecke Murnau - Oberammergau. Vor den Passionsspielen im Jahre 1910 traf als zweite diese kleine Einphasen-Wechselstrom-Lokomotive auf der Lokalbahnstrecke nach Oberammergau ein. Sie trug den Namen »Pauline« und hatte eine elektrische Ausrüstung zunächst für 5.000V/16Hz (Siemens), danach für 15.000V/16,67Hz. Im Jahre 1938 kam die Verstaatlichung. Aus der Lokomotive Nr. 2 wurde die E69.02 und bei der Deutschen Bundesbahn die 169.002. Die mit zwei Tatzlager-Motoren ausgerüstete Lokalbahnlokomotive, von Krauss & Comp. im Jahre 1909 in München gefertigt, bekam 1936 eine neue elektrische Ausrüstung von BBC mit stärkeren Motoren, die man übrigens 1950 ein weiteres Mal austauschte. Die Stundenleistung betrug dann 352kW (480PS) bei 33km/h (Höchstgeschwindigkeit 55km/h). Mit ihren 1000mm Triebraddurchmesser und nur 7350mm Länge über Puffer tat die kleine Lokomotive vorübergehend in Heidelberg Dienst, wo sie sogar mit Rangierfunk arbeitete. Das mehrfach umgebaute Lokomotivchen hat in der Fachpresse viel Lob erfahren und einige Superlative geprägt, die wiederholt zu lesen waren. Während der Tage zum 100jährigen Jubiläum der deutschen Elektrolokomotive hörte man, dass die 169.002 als älteste Elektrolokomotive der Bundesbahn überhaupt gilt und dass sie außerdem die Seniorin unter den im Dienst stehenden Einphasen-Wechselstromlokomotiven Deutschlands ist ... Am 13.10.1981 ist die Lokomotive von der Ausbesserung zurückgestellt, zum 150jährigen Bestehen der deutschen Eisenbahnen jedoch wieder betriebsfähig gemacht worden. Nun gehört die E69.02 zusammen mit

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der E69.03 zum historischen Fahrzeugbestand der DB. Beide sind am 04. und 05.10.1986 zum Stadtfest in Wolfratshausen, südlich von München, erneut im Sondereinsatz gefahren. 1909: 1'B+B1'-Doppellokomotive EG 509/510 der Königlich Preußischen Staatseisenbahnen (KPEV). Das ist die von der AEG und Krauss auf eigenes Risiko für die mit Einphasen-Strom elektrifizierte Bern-Lötschberg-Simplon-Bahn (BLS) im Jahre 1909 mit der Gattungsbezeichnung Fb 2 x 2/3 (später Be 4/6 Nr. 101) gebaute Güter-Doppellokomotive. Jede Lokomotivhälfte besaß einen hoch gelagerten Winter-Eichberg-Motor mit fast senkrecht wirkenden Treibstangen. Das beinahe 16m lange Fahrzeug mit 1270mm Kuppelraddurchmesser sollte 250-Tonnen-Züge auf 27-Promille-Rampen mit 40km/h befördern. Nachdem sich das aus zwei, auch einzeln betriebsfähigen Teilen bestehende Triebfahrzeug mit seinen kommutierungsempfindlichen Motoren nicht sonderlich bewährte, kauften die Preußischen Staatsbahnen die Lokomotive (neue Gattung EG 509/510) für ihre eigenen Versuche. Es war auch an Einsätze auf der Berliner Stadtbahn gedacht, die man eigentlich mit 15kV und 16,67Hz elektrifizieren wollte. Auf dem Foto sehen wir die EG 509/510 im Bauzustand während einiger Erprobungsfahrten im schlesischen Netz. Die 94,4t schwere Elektrolok hatte eine Stundenleistung von etwa 1200kW (1630PS), eine Höchstgeschwindigkeit von 75km/h und einen Lenkgestellradstand von 2420mm. Die Planungsänderung auf der Berliner Stadtbahn und ihre Vielteiligkeit machten die im Gelegenheitskauf erworbene Lokomotive brotlos. Sie ist wahrscheinlich um 1923 ausgemustert worden. 1910: 1'C1'-Personenzuglokomotive Nr. 1, Gattung A1, der Großherzoglich Badischen Staatseisenbahnen. In der Vorkriegszeit zählten die bis 1913 elektrifizierten badischen Strecken der Wiesentalbahn Basel Bad. Bahnhof Schopfheim - Zell und der Wehratalbahn Schopfheim - Säckingen zu den bemerkenswerten eisenbahntechnischen Pioniertaten. Das zunächst für 10kV und 15-Hertz-Einphasen-Wechselstrom vorgesehene Bahnsystem bestand schließlich mit 15kV und 16,67Hz seine Bewährungsprobe. Siemens und Maffei bauten die 66t schwere 1'C1'-Lokomotive (Foto) mit zwei Reihenschlussmotoren von je 385kW (524PS) Stundenleistung bei 42km/h. Die Höchstgeschwindigkeit mit nur 1200mm Kuppelraddurchmesser betrug 75km/h. Jury Leonid Koffman meinte: »Da die Laufradsätze keine Rückstellvorrichtung erhielten, war die durch Kuppelachsen bestimmte geführte Länge auf 3,5m beschränkt. Das Drehmoment der Fahrmotoren wurde von um 45 Grad geneigten Treibstangen auf die Blindwellen und von diesen über Kuppelstangen auf die Radsätze übertragen. Die großen überhängenden Motormassen führten zum Nicken und Schlingern der Lokomotive. Besonders bedenklich waren die heftigen und gefürchteten Schüttelschwingungen, die bei etwa 50km/h geradezu provoziert wurden.« Und Geheimrat Walter Reichel berichtete, dass die Versuche abgebrochen werden mussten, weil sich die Treibstangen dieses »Raddampfers« verbogen. Probefahrten gab es vorerst zwischen Murnau und Oberammergau (mit nur 5kV) und auf der Oranienburger Versuchsbahn. Die 13m lange Stangenlokomotive führte dann noch am 18.01.1911 den Eröffnungszug zwischen Bitterfeld und Dessau, ging im gleichen Jahr zur Internationalen Ausstellung nach Turin und erhielt schließlich im September 1913 ihren Dienstplan auf der Wiesen- und Wehratalbahn, wofür sie bestimmt und in Basel stationiert war. Die Ausmusterung kam 1923. 1911: 2'B1'-Schnellzug-Lokomotive 10502, Gattung ES2, der Königlich Preußischen Staatseisenbahnen (KPEV). Auf der Turiner Weltausstellung 1911 fand die von der AEG und der Hanomag gebaute einmotorige, für 110km/h ausgelegte Elektrolokomotive ein bemerkenswertes Interesse, obwohl sie sich dort unter 55 ausgestellten Dampf- und drei anderen elektrischen »Zug-Lokomotiven« behaupten musste. In der damals üblichen Definition hieß es, dass die ES 2 für Einwellen-Wechselstrom von 10.000 Volt bei 15 Perioden in der Sekunde auf der Strecke Dessau - Bitterfeld bestimmt war. Die schon 1909 bestellte, mit 1600mm Kuppelraddurchmesser und Steilstangen-Antrieb konstruierte Lokomotive wog 70,5t, wovon 31,6t auf die Reibungsmasse entfielen. Ein vorderes Drehgestell und ein hinterer Adams-Laufradsatz sorgten für die Gewichtsverteilung und gute Führungseigenschaften. Friedrich Eichberg; einst Chef der AEG-Bahnfabrik in der Brunnenstraße zu Berlin, hatte das Konzept der hier verwendeten Triebmaschine schon zuvor für die Erprobungen auf der Berliner Vorortstrecke Niederschöneweide - Spindlersfeld angegeben. Der Motor wurde dann nach ihm und dem ersten Konstrukteur als Winter-Eichberg-Motor benannt. Die Einstundenleistung soll bei der ES 2 (Werkaufnahme) etwa 1.000PS betragen haben. Das mitteldeutsche Fahrleitungsnetz, mit seiner rasch folgenden Erweiterung nach Leipzig, Halle und Magdeburg, ist bald auf 50:3 =16,67Hz umfunktioniert worden, weil damit die Umformung aus dem 50-Hertz-Landesnetz mit Synchron-Umformern bei einem Polzahl-Verhältnis von 3: möglich war.

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1912: (1A)(A1)-Akkumulatoren-Kranlokomotive der Preußisch-Hessischen Staatseisenbahn-Verwaltung. Diese seltene elektrische Regelspur-Drehkran-Lokomotive diente gleichermaßen dem Rangier- wie auch dem Verladedienst. Sie ist im Jahre 1912 von der Maschinenfabrik Esslingen gebaut und an das Maschinenamt Limburg/Lahn der Preußisch-Hessischen Staatseisenbahn-Verwaltung geliefert worden. Eine ganz ähnliche, jedoch benzol-elektrische Drehkran-Lokomotive, mit Lenkachs- statt Drehgestell-Laufwerk (1000mm Raddurchmesser), fertigte die Aktiengesellschaft Lauchhammer für das Werkstättenamt Leinhausen/Hannover. Das Esslinger Akkumulatoren-Fahrzeug (Foto) rüsteten die Siemens-Schuckert-Werke, die Lauchhammer-Lokomotive aber die AEG elektrisch aus. Mit jeweils zwei Gleichstrom-Reihenschlussmotoren in Tatzlager-Anordnung, insgesamt rund 22-25kW (30-35PS), arbeitete man mit 6 bis 10km/h Höchstgeschwindigkeit oder - beim Ladegeschäft - mit maximal 2600kg Tragkraft. 1912: 1'C1'-Stromschienen-Reisezug-Lokomotive E320.5 der Ferrovie Italiane dello Stato (FS). Man nannte die E320 der FS eine »Pionier-Lokomotive für den Betrieb mit niedriger Gleichstrom-Spannung«. Ein solcher Betrieb wurde in Teilbereichen des Netzes der Societa Mediterranea mit 650 Volt schon 1901 eingeführt und als »sistema Varesine« (nach der Stadt Varese) bekannt. Die von Bruno Bonazzelli 1923 in Mailand fotografierte 71,8t schwere E3205 zeigte einige Besonderheiten. Es waren vier Stromabnehmerschuhe, aber keine Dachstromabnehmer vorhanden. Der nieder gespannte Gleichstrom wurde von einer dritten Schiene abgenommen. Bei 95km/h Fahrgeschwindigkeit mussten Stromspitzen von 3200 bis 3500 Ampere sicher übertragen werden. Die beiden hochgelegenen, stündlich je 750kW leistenden Motoren bekamen eine Reihenschluss-Wicklung, außerdem Wendepole und Feldanzapfungen zur Geschwindigkeitsstufung. Die Laufradsätze sind mit den benachbarten, 1500mm hohen Kuppelradsätzen zu einem gemeinsamen Drehgestell - nach Muster der von Giuseppe Zara bei Dampflokomotiven praktizierten Konstruktion - zusammengefasst worden. Zwischen den drei Triebradsätzen befand sich je eine Blindwelle, die über Kurbeln, Schräg- und Horizontal-Kuppelstangen das Drehmoment übertrugen. Die Bauart wurde 1911 von den FS entworfen und dann 1911 in fünf Einheiten von den Officine Meccaniche und den italienischen Brown-Boveri-Werken gebaut. Die 17 Nachfolgerinnen E321 erhielten ein neu konstruiertes Triebwerk. 1913: E-Drehstrom-Güterzug-Lokomotive E 550.55 der Ferrovie Italiane dello Stato (FS). Die alten Fünfkuppler-Drehstromlokomotiven E550 für 3,3kV Fahrleitungsspannung und 16,67Hz der Baujahre 1913 und 1914 erhielten schon damals einen Anlass-Widerstand, dessen Rheostat-Flüssigkeit, nämlich Wasser mit einer Beimengung von Soda, durch den Einbau einer starken Umlaufpumpe besser gekühlt wurde. Die Steuerströme sowie der Strom für die geplante Vielfachsteuerung zur Bedienung mehrerer Lokomotiven von einem einzigen Führerstand aus arbeiteten mit nur 100 Volt Spannung. Diese für 1470kW (2000PS) Nennleistung konstruierte Lokomotive mit 1070mm Raddurchmesser war eine in Zusammenarbeit mit den FS geschaffene »Kreation« der Italienischen Westinghouse-Gesellschaft. 1916: 2'C2'-Schnellzug-Lokomotive E331.001 der Ferrovie Italiane dello Stato (FS). Es ist die erste einer Reihe von schon 1913 bestellten Drehstrom-Lokomotiven, deren Lieferbeginn sich kriegsbedingt bis zum Jahre 1916 hinauszögerte. Die 18 gebauten 2'C2'-Kuppelstangen-Lokomotiven stellten bereits eine Abkehr von der »ungarischen Schule«, eingeführt von Kalman Kandö; dar. Im elektrischen Teil, vor allem schaltungstechnisch, basierten jene Maschinen weitgehend auf schweizerischen Vorbildern der Firmen Brown-Boveri und Oerlikon. Lediglich der Mechanteil ist im Studienbüro der FS entworfen und teils von Breda, teils von den Officine Meccaniche gefertigt worden. Die vier möglichen Fahrgeschwindigkeiten (37,5-50-75-100km/h) erzielte man mit der Kombination von Stufen- und Polumschaltung. Statt der sonst praktizierten Flüssigkeitswiderstände erhielt die 92t schwere Lokomotivbauart nunmehr fremd belüftete Metall- Widerstände. Das Trieb- und Laufwerk dieser zweimotorigen und großrädrigen »Hudson«-Bauart mit 1630mm Kuppelraddurchmesser orientierten die Konstrukteure an den Laufwerk-Dispositionen von Vorbildern bei der nordamerikanischen Pennsylvania-Bahn. Der Einsatz der E331 im Schnellzugdienst auf den ligurischen Küstenstrecken fand durch eine überdurchschnittliche Schaltanfälligkeit ein unerwartetes Ende. Mit ihren beiden 1000kW (1360PS) Motoren mussten sich die 13370 mm langen Lokomotiven dann mit untergeordneten Diensten begnügen. Mitte der sechziger Jahre verschwanden die letzten auf dem Schrottplatz.

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1920: (1'B)(B1')-Gotthard-Lokomotive 12313, Serie Be 4/6, der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB). Das ist eine in ihrer Zeit für den Gotthard bestimmte, von der Schweizerischen Lokomotiv- und Maschinenfabrik Winterthur und BBC im Jahre 1920 gebaute 110t schwere Drehgestell-Lokomotive. Ihr Lokomotivkasten ruhte auf einem Brückenträger, der sich auf die beiden Trieb-Drehgestelle abstützte, die ihrerseits mit je einem Bissel-Radsatz ausgestattet waren. Die zwölfpoligen Einphasen-Serien-Motoren wurden vom Kontroller in 18 Stufen für bis zu 75km/h Maximalgeschwindigkeit gesteuert. Alle vier Fahrmotoren befanden sich in Tieflage. Das von je zwei Motoren gemeinsam beaufschlagte Groß-Zahnrad konnte daher angenähert in Höhe der Radsatzmittellinie gelagert werden. Der Kurbelzapfen ließ sich deshalb ohne Kulissenführung an das je zwei Triebräder (1530mm Durchmesser) verbindende Kuppelgestänge anlenken. Das Foto machte G. Mayr im Jahre 1923 in Lugano. Die schwere Lokomotive 12313 mit einer Stundenleistung von 1480kW (2040PS) steht vor einem Schnellzug und wartet auf das Abfahrtsignal. 1922: E-Fünfkuppler-Drehstrom-Lokomotive E552.003 der Ferrovie Italiane dello Stato (FS). Sie sehen hier ein ungewöhnliches Foto. Es befand sich im Historischen Archiv der weltberühmten italienischen Automobilfabrik Alfa Romeo und hat aus zweierlei Gründen geschichtsträchtige Relevanz: - Die auf der Schiebebühne von Arbeitern, Angestellten und »Funktionären« des Werkes und der Staatsbahnen gefeierte Fertigstellung dieses elektrischen Fünfkupplers der Baureihe E552 fand im Jahre 1922 im Werk Saronno der Societa Italiana Ing. Nicola Romeo & C. statt. Dieses Lokomotiv- und Maschinenbau-Unternehmen war eine Gründung der deutschen Maschinenfabrik Esslingen, die hier bis in den ersten Weltkrieg hinein mit bis zu 1000 Beschäftigten mehrere hundert Lokomotiven, außerdem Eisenbahnwagen, Werkzeugmaschinen und andere Erzeugnisse produzierte. Der nach dem Waffenstillstand verkaufte Betrieb baute danach in Fortsetzung der Esslinger Tradition unter neuer Führung sowohl Dampf- als auch Elektrolokomotiven. - Die abgebildete unsymmetrische Dreiphasen-Güterzuglokomotive E552003 (1600kW bei 50km/h) wurde im Jahre 1920 zusammen mit anderen 14 Einheiten beim Werk Saronno bestellt. Ihre technische Konzeption beruhte noch auf den Konstruktionsvorschlägen des ungarischen Ingenieurs Kalman Kandö, dessen Drehstrom-Bahnsystem mit zweipoliger Fahrleitung als bedeutender Schritt in die Geschichte der elektrischen Zugförderung einging. 1922: E-Drehstrom-Güterzug-Lokomotive, Gattung E552, der Ferrovie Italiane dello Stato (FS). Alle 15 Drehstrom-Lokomotiven dieser Fünfkuppler-Baureihe E552 mit ihren weit ausladenden Bügelstromabnehmern und dem schwerfällig wirkenden Kuppelstangen-Triebwerk (1070mm Raddurchmesser) gelten als interessante Zeugen eines Frühstadiums der elektrischen Zugförderung in Europa. Bei 72t Dienstmasse wog allein die elektrische Ausrüstung nahezu 41t. Die in ungarisch-italienischer Gemeinschaftsentwicklung konstruierten und in Saronno gebauten Maschinen (Länge über Puffer nur 9700mm) standen zunächst im Versuchsbetrieb vorwiegend auf den Strecken des Raumes um Turin (Richtung Frejus) und wurden dann für den Verschiebedienst im Hafen von Genua und auf den Verschiebebahnhöfen Rivarolo Ligure, Terralba sowie Campobasso vorgesehen. Immerhin erlebten diese Fünfkuppler noch die fünfziger Jahre, nachdem sie schon 1922 und 1923 ihren Dienst antraten. 1923: 1'C1'-Reisezug-Lokomotive E33 der Österreichischen Bundesbahnen (BBÖ/ÖBB). Eigentlich sollte diese als Reihe 1029 entworfene Personenzug-Lokomotive an beiden Stirnseiten je einen Führerstand bekommen. Wohl vordergründig aus Gewichtsgründen ließ man dann aber eine Führerkabine weg, gab der hochrädrigen Kuppelstangen-Lokomotive nur 12.810mm Länge und überschritt trotzdem noch die vorgeschriebene 15t-Achsdruckgrenze. Die zuerst fertig gestellte Maschine war die 1029.02 (mit 1740mm Trieb-Raddurchmesser). Sie machte im Jahre 1923 ihre Probefahrten auf der Preßburgerbahn. Zunächst waren diese und folgende Lieferungen für nur 70km/h Höchstgeschwindigkeit vorgesehen. Durch Änderung der Getriebeübersetzung erlaubte man dann im Rahmen weiterer Bestellungen 75 und 80km/h. Nach dem zweiten Weltkrieg ging man - nach einigen konstruktiven Vorkehrungen - auf 90km/h. Die AEG-Union, Wien, bezeichnete die Lokomotiven jedoch schon vor 1939 als »Personen- und Schnellzug-Lokomotiven«. Das Foto (RVM-Filmstelle) stammt aus der Reichsbahnzeit, in der die BBÖ-Reihe 1029 in E33 umbenannt wurde. Die fast an eine Dampflokomotive erinnernde E33 hatte zwei hoch gelagerte Fahrmotoren für Einphasen-Wechselstrom mit einer Gesamt-Stundenleistung von 1120kW (1523PS) bei 63km/h. Die letzte ihrer Gattung schied Mitte der siebziger Jahre aus dem ÖBB-Fahrzeugbestand aus.

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1923: 1'D1'-Schnellzug-Lokomotive E431.016 der Ferrovie Italiane dello Stato (FS). Die verhältnismäßig geringe Oberleitungsspannung von 3000 bis 3700 Volt (16,67Hz) des italienischen Drehstromnetzes der zwanziger Jahre führte zwar zu einem Versuch mit 10kV, aber die doppelpoligen Fahrleitungen für den Niederspannungs-Dreiphasen-Betrieb behielten die Oberhand, so dass für dieses System weiterhin geeignete Lokomotiven entworfen wurden. Das geringe Reibungsgewicht der zunächst verwendeten Drehstrom-Schnellzuglokomotiven hatte bald keine Chancen mehr. Deshalb kam die hier in Voghera aufgenommene TDT-Vierkuppler-Bauart recht schnell auf die Reißbretter. Die Konstrukteure des Tecnomasio Italiano Brown Boveri (TIBB) schufen eine sehr erfolgreiche, nahezu symmetrische zweimotorige Schnellzug-Lokomotive E431 mit 1630mm Kuppelraddurchmesser und 14.510mm Länge, die für 100km/h Höchstgeschwindigkeit ohne weiteres brauchbar war. Die ersten 12 Maschinen wurden schon 1922 an die FS übergeben, und bis 1925 standen alle 37 bestellten Einheiten im Dienst. Für die ersten 25 Lokomotiven kam wegen ihres Einsatzes auf Strecken des Voralpen-Gebietes ein elektrischer Zugheizkessel an Bord. Während auf den steileren Gebirgsstrecken im Raum Turin oft in Doppel-Traktion recht mühsam gefahren werden musste, fanden die Lokomotiven auf weniger geneigten Linien im ligurischen Küstengebiet und Hinterland ein ausgezeichnetes Betätigungsfeld. Einige Maschinen erhielten Mehrfachsteuerung, um von einem Führerstand aus zwei gekuppelte Lokomotiven bedienen zu können. Die abgebildete, 91t schwere E431.016 stammt aus dem Jahre 1923 und hatte eine Stundenleistung von 2000kW (2720PS) bei 75km/h. Die Schwestermaschine E431.037 kam ins Verkehrshaus der Schweiz nach Luzern.

1923/1924: 1'D1'-Drehstrom-Lokomotive E472.003 der Ferrovie Italiane dello Stato (FS). Die Italienischen Staatsbahnen hatten für den Reisezugdienst auf den mit Industriefrequenz von 45 Hertz elektrifizierten 10.000V Drehstrom-Bahnen diese 94,4t schwere Lokomotiv-Bauart bei Breda in Mailand entwickeln und herstellen lassen. Das Werkfoto zeigt eine der zuerst fertig gestellten, fast 15m langen Lokomotiven des Produktionsjahres 1923, die auf der Gebirgsstrecke Rom - Tivoli, später über den in 907m Höhe liegenden Scheitelpunkt bis nach Sulmona in den Abruzzen eingesetzt wurden. In einer zweiten Bestellserie des Jahres 1931 folgten noch weitere sieben, konstruktiv etwas veränderte Gebirgsmaschinen für 75km/h Höchstgeschwindigkeit, so dass dann insgesamt 17 Einheften zur Verfügung standen. Die beiden im Hauptrahmen halbhoch gelagerten Fahrmotoren von je 1000kW Nennleistung arbeiteten doppelseitig über Zahnradvorgelege auf die Blindwellen, von denen die Motorleistung über je einen flachen Kuppelrahmen an die Triebradsätze abgegeben werden konnte.

1924: Schrägstangen-Triebwerk: C'C'-Güterzug-Lokomotive E91.15 der Deutschen Bundesbahn (DB) Für nur mäßig hoch gelagerte Antriebskurbeln wurden lange, oft ziemlich gering geneigte Schrägstangen zur Drehmoment-Übertragung zu den Kuppelradsätzen verwendet. Diese Schrägstange ist hier etwas über dem waagerechten Mittel der Kuppelstange angelenkt worden. Die senkrechten Schwingungen der Radsätze durch Gleisunebenheiten und Federspiel mussten teilweise von der Schrägstange »verkraftet« werden. Zusätzliche Zug- und Druckkräfte und das Maß der verursachten Längenänderungen waren vom Konstrukteur rechnerisch zu berücksichtigen. Ein Beispiel für Schrägstangen-Lokomotiven ist die erstmals 1924 in Betrieb genommene Reichsbahn-Bauart E91. Als die von der AEG auf der Eisenbahntechnischen Ausstellung in Seddin 1924 präsentierte CC-Güterzuglokomotive E91 durch ihre dreigliedrige Gelenkbauart besonders auffiel, schrieb Reichsbahnoberrat Rechenbach: »Neu ist für die Deutsche Reichsbahn der Antrieb über ein Zahnradvorgelege und Schrägstange mit Blindwelle. Die Erfahrungen hiermit auf ausländischen Bahnen sind günstig, obgleich er die Schwierigkeiten des Stangenantriebes mit denen des Zahnradantriebes vereinigt. Sein Vorteil sind die hoch gelagerten und damit gut zugänglichen Motoren.« Das fotografierte Triebwerk, wie es analog zuvor schon die Ingenieure der Schweizerischen Lokomotiv- und Maschinenfabrik in Winterthur wiederholt vorsahen, gehört zur E91.15 aus dem Jahre 1925. 1924: C'C'-Güterzug-Lokomotive E91.15 der Deutschen Bundesbahn (DB). Im Dienst wog sie 123,7 Tonnen. Die Stundenleistung von 2200kW (2992PS) bei 39,2km/h verschaffen dieser Einphasen-Wechselstrom-Gelenk-Lokomotive eine beherrschende Rolle im Güterzugverkehr der zwanziger Jahre. Die Erstlieferungen dieser Gattung gingen im Jahre 1924 nach Bayern und Preußen. Die E91.15, hier im Dezember 1966 in München, folgte ein Jahr später. Die Debütantinnen der schon 1922 bestellten C'C'-Lokomotiven, die von der AEG in Berlin und Krauss in München konstruiert, aber auch von den SiemensSchuckert-Werken mitgebaut wurden, fuhren zunächst noch mit der alten bayerischen Länderbahnbezeichnung EG5 22501-22516 (später E 91.01-16) auf Bayerns Strecken. Die Nachfolgerinnen bekamen dann schon bei Lieferung die Reichsbahn-Nummer. Die 16,7m langen, mit 1250mm Raddurchmesser ausgelegten Lokomotiven hatten 1200-Tonnen-Lasten auf 10 Promille Steigung mit mindestens 35km/h zu befördern. Die Schlepplasten konnten jedoch bei den Versuchsfahrten auf bis zu 1400t ohne Anstände heraufgesetzt und dann verschiedentlich auch beibehalten werden. Im kinematisch nicht ganz einwandfreien Schrägstangenantrieb gab es eine gegenüber den Kuppelradsatzmitten um

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250mm überhöhte Blindwellenlage.

1924: 1'C1'-Personenzug-Lokomotive E32.16 der Deutschen Bundesbahn (DB). Das erstmalige Erscheinen einer dieser, ursprünglich mit dem bayerischen Gattungsmerkmal EP2 gelieferten Lokomotiven gab's auf der Eisenbahntechnischen Ausstellung in Seddin im Herbst 1924. Dort präsentierte man die von J.A. Maffei in München und Brown Boveri Cie (BBC) gebaute EP 220006. Das Ausstellungsverzeichnis gab dazu einen Kurztext; »Leichte Personenzug-Lokomotive 1'C1', Leistung 1000 PS dauernd, Höchstgeschwindigkeit 75km/Std. Für Nahzüge und leichte Personenzüge.« Nach dem Nummernplan der Reichsbahn vom August 1926 sind die Lokomotiven der Gattung EP2 im Jahre 1927 in die Reichsbahn-Reihe E32 umgezeichnet worden. Die »Seildiner« EP2 traf am 26.12.1924 als erste in der Lokomotiv-Station Garmisch ein und erhielt später die Nummer E32.06. Das Foto stellt die E32.16 neben der österreichischen Elektro-Lokomotive 1145.08 im Jahre 1959 in Garmisch-Partenkirchen dar, beide unter Einphasen-Wechselstrom-Fahrleitung 15kV/16,67Hz. 1924: 1'C1'-Personenzug-Lokomotive E32.108 der Deutschen Reichsbahn (DR). Die ersten, im Jahre 1922 für die süddeutschen Strecken bestellten 1'C1'-Personenzug-Elektrolokomotiven EP 220006-20034 (Reichsbahnnummern 113206-34) sind 1924/1925 dem Plandienst zugeführt worden. Die Konstruktion erstellten BBC in Mannheim und J.A. Maffei in München. Die beiden pro Lokomotive untergebrachten zwölfpoligen Reihenschluss-Kommutatormotoren waren in einer gemeinsamen Stahlgusswanne angeordnet, die außerdem die Vorgelegewellen-Lagerung enthielt. Mit dieser Konzeption gehörte die E32 zu den ersten deutschen Lokomotiven mit hoch liegenden Vorgelegemotoren und steilem Schrägstangenantrieb, der zwischen die Blindwellenkurbel und das horizontale Kuppelgestänge der 1400mm hohen Räder geschaltet war. Der vordere Laufradsatz war mit dem ersten Kuppelradsatz zu einem Krauss-Helmholtz-Drehgestell zusammengefasst. Der hintere Laufradsatz wurde in einem Bissel-Gestell geführt. Fast 85t Eigengewicht und etwa 56t Reibungsmasse brachten die gedrungenen Lokomotiven auf die Waage. Ihre Stundenleistung wurde mit 1050kW (1428PS) bei 53km/h genannt. Rund 192.000 Mark kostete eine der in den Jahren 1924 bis 1926 gelieferten Lokomotiven. Acht Einheiten sind dann 1935/1936 umgebaut worden und erschienen mit den Betriebsnummern E32.101-108 als »Neuauflage«. Die Höchstgeschwindigkeit hatte man dabei mit geänderter Getriebeübersetzung von 75km/h auf 90km/h gesteigert. Den Umbau besorgte das Reichsbahn-Ausbesserungswerk München-Freimann. Die Fabrikschilder der Lokomotiven behielten jedoch die alten Herstellernamen und Baujahre. Die E32.108 gehörte zum Bahnbetriebswerk Augsburg. Umstationierungen führten sie außerdem nach Neu-Ulm, Rosenheim, München Hbf und Freiburg. Die Ursprungs-Betriebsnummer lautete E32.07 (EP 2 20007). 1924: 2'BB2'-Personenzug-Lokomotive E52.10 der Deutschen Bundesbahn (DB). Um im Jahre 1924 die für die Lokomotiven der Baureihe E52 geforderte Lokomotiv-Leistung zu erreichen, mussten vier Motoren, damals noch nicht für Einzelradsatz-Antrieb, sondern als auf dem Hauptrahmen angeordnete Vorgelege-Motoren untergebracht werden. Die Konstrukteure entschieden sich, zwei Motoren zu je einer Zwillingsmaschine mit gemeinsamer Vorgelegewelle zusammenzufassen. Die Leistungsübertragung geschah dann konventionell über Parallel-Kurbeltriebe mit Blindwellen und Kuppelstangen. So entstand dann nach mehreren Entwürfen und mitunter kontroversen Diskussionen eine achtachsige 2'BB2'-Lokomotive mit geteiltem Doppel-B-Triebwerk, deren Gesamt-Konzeption unter dem Zwang einer möglichst gleichmäßigen und symmetrischen Gewichtsverteilung, einer vertretbaren Kurvengängigkeit sowie eines geforderten schlingerfreien Laufes, auch bei 90km/h, stand. Infolge fertigungsbedingter Gewichtsüberschreitung der Stahlgussstücke stellten sich Probleme ein, die vor allem die Massenverteilung und den Achsdruck betrafen. Glücklicherweise konnte man während des Baues der Lokomotiven mit der Erhöhung der zulässigen Achsfahrmasse bis zu 20t auf Bahnen erster Ordnung rechnen. Das Foto zeigt die 1925 gelieferte E52.10 im Bundesbahn-Betriebszustand des Jahres 1964.

1924: 2'BB2'-Personenzug-Lokomotive E52.18 der Deutschen Bundesbahn (DB). Zu der im Jahre 1922 von der Reichsbahn in Auftrag gegebenen und im Jahre 1924 erstmals gelieferten E52 schrieb Ulrich Schwanck im Lok-Magazin: »Der Lauf in der Geraden bei hohen Geschwindigkeiten befriedigte nicht, was vorauszusehen war. Die Rückstellfedern wurden nun so lange stärker angespannt, bis der Lauf bei der verlangten Höchstgeschwindigkeit von 90km/h einwandfrei war. Die hierdurch bedingten, etwas ungünstigeren Seitenkräfte beim Durchfahren engerer Krümmungen mussten in Kauf genommen werden. So ergab sich eine zwar verhältnismäßig schwere, aber dank der gut geglückten elektrischen Ausrüstung betrieblich ohne jede Änderung gut verwendbare Lokomotive, die eine lange Lebensdauer sicher verspricht. Sie leistet viermal 750 = 3000PS bei 49km/h. Ihr Dienstgewicht beträgt 140t bei 78t Reibungsgewicht.« Tatsächlich ist die letzte ihrer Gattung erst im Jahre 1972 ausgemustert worden. Auf dem Foto des Jahres 1966 sieht man die E52.18 (AEG/Maffei) und mehrere ihrer Schwestern im Bahnbetriebswerk Stuttgart. Die 7.210mm langen Lokomotiven hatten 1400mm Kuppelraddurchmesser.

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1925: E-Fünfkuppler-Drehstrom-Lokomotive E570.001 der Ferrovie Italiane dello Stato (FS). Auf dieser historischen, im Betriebsgelände des Tecnomasio Italiano Brown Boveri gemachten Aufnahme präsentierten sich die kleine, rund 25t »leichte« zweiachsige Akkumulatoren-Werk-Verschiebe-Lokomotive mit dem ohne Stromabnehmer noch unfertig aussehenden, 76t schweren Fünfkuppler E570.001, der gerade zum Foto-Termin ins Freie geschoben worden ist. Gleichstrom- und Drehstrom-Lokomotive stehen also einträchtig beieinander. Die E570.001 war die erste Fünfkuppler-Drehstrom-Lokomotive für 10.000 Volt und Industriefrequenz von 45 Hertz. Sie ging 1925 an die FS und arbeitete zusammen mit ihren drei nachfolgenden Schwestern im Gebirgs-Güterzug- und im Nachschubdienst. Wie bei Einphasen-Lokomotiven musste ein Haupttransformator für die volle Leistung auf der Lokomotive untergebracht werden. Die beiden Fahrmotoren arbeiteten über Vorgelege und Kuppelrahmen auf das Stangentriebwerk. Bei 1070mm Raddurchmesser war die Lokomotive für 50km/h Höchstgeschwindigkeit konstruiert worden. Brown Boveri nannte eine Leistung von 2300 HP (1 HP =1,014PS). 1925: B'B'-Personen- und Güterzuglokomotive E42.19 der Deutschen Reichsbahn (DR). Die E42.19 ist die letzte einer bereits bei Lieferung technisch überholten Lokomotiv-Baureihe, die aus der Kombination von in den Jahren 1913/1914 für die Berliner Vorortstrecken entworfenen Trieb-Drehgestellen beruhte. Diese für Berlin, wegen der Entscheidung für Gleichstrom-Elektrifizierungen, überflüssig gewordenen Wechselstrom-Triebgestelle wurden in den zwanziger Jahren paarweise unter einem Brückenträger mit Transformator und Führerkabinen zu jeweils einer eigentlich recht gut sich bewährenden Güter- und Personenzug-Lokomotiv-Gattung zusammengefasst. Es sind sogar Triebgestelle nachbestellt worden, so dass es die Deutsche Reichsbahn mit zwei Baureihen, E42-1 und E42-2, zu tun hatte. Mit 1500mm Raddurchmesser und einer Stundenleistung von 780kW (1060PS) bei 54km/h konnten ohne weiteres 70 km/h Maximalgeschwindigkeit zugelassen werden. Die erste Lokomotive der Baureihe E422, nämlich die E42.15, stellte die DR am 01.11.1924, die letzte, die E4219, im Laufe des Jahres 1925 in den Dienst. 1925: (1'C)(C1')-Gotthard-Lokomotive 14315, Serie Ce 6/8"', der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB). Das ist eines der typischen und klassischen »Krokodile«, die über Europas Grenzen hinaus gerühmt und beachtet wurden. Die abgebildete, etwa 20 Meter lange und 131t schwere Gelenklokomotive aus der Lieferserie 14301-14318 (später 13301-13318 der Serie Be 6181'1) tat vorzugsweise ihren Dienst auf der 219km langen Gotthardbahn mit 46 Streckenkilometern in Tunneln. Der Haupttunnel ist 15km lang. Die »Grundsteinlegung« für die Elektrifizierung des Gotthards war am 25.11.1913. Damals bewilligte der Verwaltungsrat der SBB den ersten Kredit in Höhe von 38,5 Millionen Franken. Es dominierte noch die Dampflokomotive, deren Gesamtzahl im Jahre 1915 mit 1224 Einheiten ein Maximum im SBB-Fahrzeugbestand erreichte. Und bei der Entwicklung der »Krokodile« waren die Konstrukteure noch ziemlich vom Gedanken beflügelt, die Dampflokomotiv-Stangentriebwerke auf die elektrische Lokomotive zu übertragen. Man wollte aber weitaus schwerere Züge über die Steilrampen bringen, wobei es weniger auf hohe Geschwindigkeiten ankam. Die vier überhöht im Fahrzeugrahmen angeordneten Elektromotoren bildeten zusammen mit den Übersetzungen und Vorgelegewellen zwei Gruppenantriebe. Senkrechte Bewegungen, hervorgerufen durch das Springen der Radsätze (1350mm Kuppelraddurchmesser) und durch federungsbedingte Schwingungen der Triebgestellrahmen, verursachten Treibstangen-Längenänderungen, die sich in höchst unliebsame Zug- und Stoßkräfte umsetzten. Bei der hier gezeigten Lokomotivbauart ergaben die rechnerischen Untersuchungen jedoch unbedenkliche Werte. Alle diese Kräfte wurden in elastischer Verformung aufgenommen, solange die Fahrgeschwindigkeit und die Zahl der Schwingungsimpulse relativ klein blieben. Im übrigen waren konstruktiv angewandte kinematische Kunstgriffe keineswegs unbekannt, um die Einflüsse der Rahmenfederung und des Radspringens zu mildern. Trotzdem empfahlen die Ingenieure, solche Schrägstangenantriebe nur für Lokomotiven mit nicht mehr als 75km/h Höchstgeschwindigkeit zu realisieren. Die auf dem Werkfoto gezeigte, in den Jahren 1925/1926 von der Maschinenfabrik Oerlikon und der Schweizerischen Lokomotiv- und Maschinenfabrik Winterthur gebaute Einphasen-Wechselstrom Lokomotive hatte eine Stundenleistung von 1810kW (2460PS) bei nur 35km/h. 1925/1926: (1'C)(C1')-Güterzug-Lokomotive Nr.13302, Serie Be 6/8 III, der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB). Mit dem Einsatz späterer, modernerer Lokomotiv-Gattungen wurde die ruhmreiche Gelenk-Lokomotivbauart Be 6/8 III sozusagen Zug um Zug in Flachlanddienste zurückgezogen und danach schrittweise ausgemustert. Das »hochkarätige Gotthard-Krokodil« Nr. 13302 figurierte aber in der 1985 herausgegebenen Broschüre »Die historischen Fahrzeuge der SBB und des Verkehrshauses der Schweiz« als Leihgabe an den Modell-Eisenbahnclub Horgen für den Einsatz auf der Sihltal-Zürich-Uetliberg-Bahn. Wir sehen sie hier auf Deutschlandfahrt während der Märklin-Jubiläumsfeierlichkeiten am 13.09.1984 in Göppingen - eine Ehrung, die bei Dienstbeginn

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im Jahre 1926 niemand ahnte. 1925: 1'Do1'-Schnellzuglokomotive E16.19 der Deutschen Reichsbahn. Diese für das bayerische Streckennetz von Krauss und Brown Boveri (BBC) gemeinsam entwickelte Lokomotivgattung galt als typische und einzige deutsche Hauptbahn-Vertreterin des im Jahre 1917 von Jakob Buchli geschaffenen Einzelachsantriebes. Merkmale der raffinierten mechanischen Leistungsübertragung war das einseitig und außerhalb des jeweiligen Radsatzes angeordnete Zahnradgetriebe mit allseitig nachgiebiger Gelenkhebel-Kupplung im Großrad. Die Kinematik der aus einem symmetrischen Hebelsystem bestehenden Buchli-Kupplung ermöglichte dem Radsatz sowohl eine begrenzte Seitenverschiebbarkeit als auch eine Radialeinstellung. Im Jahre 1925 wurden die ersten zehn Lokomotiven fertig gestellt. Probefahrten fanden in den Räumen München und Leipzig statt. Der ersten Serie folgten 1928 und 1932 weitere. Die letzten der insgesamt 21 Lokomotiven kamen 1933 zunächst auf der Strecke Augsburg - Stuttgart zum Einsatz. BBC lieferte Buchli-Antriebe für recht große Geschwindigkeiten, wie zum Beispiel für eine im Jahre 1925 gelieferte Maschine, die während der Eröffnungsfahrt der elektrifizierten Linie Orleans Tours im Jahre 1934 mit 410t Schlepplast 152km/h erreichte. Die E16 durfte bei der Reichsbahn maximal nur 110km/h fahren, wenngleich BBC damals keine Bedenken gehabt hätte, dieses Limit auf 120km/h heraufzusetzen. Die Dauerleistung der Transformatoren der vier zuletzt gebauten Einphasen-Wechselstrom-Lokomotiven, darunter die im Foto abgebildete und 1932 gebaute E16.19, betrug 1900kVA (gegenüber 1750kVA der Vorlieferungen). Die zwölfpoligen Reihenschluss-Fahrmotoren erreichten, den seinerzeitigen Angaben des Herstellers zufolge, eine Gesamt-Stundenleistung von 2720kW bei 77km/h. Die beiden mit Rückstellfedern ausgestatteten Krauss-Helmholtz-Lenkgestelle sorgten für gute Laufeigenschaften. Der Triebraddurchmesser der rund 110t wiegenden Schnellzuglokomotiven maß 1640mm. Die zuletzt in Freilassing stationierte Lokomotive E16.07 ist im Jahre 1974 vom Ausbesserungswerk München-Freimann für das Deutsche Museum ausstellungsreif (mit entfernter Seitenwand) hergerichtet worden. 1925: Triebwerk mit Dreieck-Kuppelrahmen: 1'D1'-Schnellzug-Lokomotive E470.001 der Ferrovie Italiane dello Stato (FS). Die vom Tecnomasio Italiano Brown Boveri (TIBB) im Jahre 1925 mit der Fabriknr. 1772 gebaute, für 100km/h Höchstgeschwindigkeit zugelassene Drehstromlokomotive der Baureihe E470 besaß den in jenen Jahren allgemein üblichen Kuppelstangenantrieb, den man bei den einzelnen Lokomotivkonstruktionen je nach Lage der Triebmotoren in Variationen ausführte. Hier arbeiteten die beiden halbhoch im Rahmen gelagerten Fahrmotoren über je ein Übersetzungsgetriebe auf Vorgelegewellen, die mit ihren Kurbelzapfen die Gelenkpunkte für einen flachen Dreieck-Kuppelrahmen darstellten. Den Ausgleich des vertikalen Federspieles besorgte die im Fußpunkt des Dreieck-Rahmens angeordnete kulissenartige Lagerführung. Die Lokomotive gehörte in eine Reihe von Drehstrom-Versuchsbauarten für 10kV Fahrleitungsspannung und der früher in Italien praktizierten Industriefrequenz von 45 Hertz. Das 15m lange Triebfahrzeug hatte 1630mm Kuppelraddurchmesser. 1926: (1'C)(C1')-Arlberg-Lokomotive 1189.02 der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB). Es ist leicht zu erkennen, dass die Konstrukteure dieser Gelenklokomotive mit zwei Triebgestellen und verbindender Transformatorenbrücke, sich weitgehend an schweizerischen Vorbildern orientierten. Der Entwicklung dieser ersten elektrischen Hauptbahnlokomotiven für den schweren Dienst am Arlberg widmete man dennoch größte Sorgfalt, allerdings ohne Risiken einzugehen. Die Gesamtkonzeption der »österreichischen Krokodile« entsprach daher den schweizerischen (1'C)(C1')-Lokomotivgattungen. Die dann erstmals im Jahre 1923 von der Wiener Lokomotivfabrik und BBC hergestellten Gebirgsbahn-Lokomotiven sind - wie vorgesehen - auf der Arlbergstrecke im Schnellzugdienst verwendet worden. Die insgesamt 16 gelieferten Lokomotiven 1100.01-07 und 1100.101-109 (spätere Reihen 1089 und 1189) gehören zur Geschichte der 136,6km langen Arlbergbahn, die die Städte Innsbruck mit Bludenz verbindet und damit den unmittelbaren Anschluss der österreichischen an die schweizerischen und süddeutschen Bahnen verwirklichte. Die auf der ganzen Strecke durchgehende elektrische Zugförderung begann im Mai 1925. Mit einer Stundenleistung von 1760kW (2400PS) sind während der Probefahrten die geforderten Schlepplasten-Bedingungen mühelos erfüllt worden. Das Foto präsentiert uns die stärkere Bauart der Reihe 1189 mit 118t Dienstgewicht (statt zuvor 115,6t) und 75km/h zulässiger Geschwindigkeit (statt 65km/h). Die Lokomotive 1189.02 wurde 1926 geliefert und erhielt 1310mm Kuppelraddurchmesser. Sie hatte insgesamt vier Einphasen-Reihenschlussmotoren, die kurzzeitig zusammen etwa 2200kW (3000PS) leisten konnten.

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1926: C-Hafenbahn-Akkumulatoren-Lokomotive Nr. 2020 der Stadtwerke Frankfurt (Main). Dieses Frankfurter Pressefoto der dortigen Stadtwerke offenbart uns eine Kuriosität. Es zeigt nämlich eine regelspurige Akkumulatoren-Lokomotive mit Kuppelstangen-Triebwerk und Stromabnehmer. Es ist die im Jahre 1926 von der Berliner Maschinenbau Aktien Gesellschaft, vorm. L. Schwartzkopff, hergestellte, von Batterien gespeiste Güterzug-Lokomotive der Fabriknr. 8889. Der kleine Dreikuppler erhielt erst viel später in Frankfurt einen Dachstromabnehmer für Oberleitungsbetrieb und zur Schaltung von Fahrleitungskontakten. Zuvor tat die Lokomotive mit der Betriebsnr. E8 ihren Dienst auf der früheren Frankfurter Hafenbahn. 1927: Fünfkuppler-Güterzug-Lokomotive 1280.07 der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB). Sie ist eine etwas umstrittene Lokomotive. Ihre Laufeigenschaften befriedigten nicht. Die Höchstgeschwindigkeit durfte 50km/h nicht überschreiten. Außerdem rief das Kuppelstangentriebwerk mit dem nach Kandö-Vorbild konstruierten Gelenkrahmen beim Werkstättenpersonal keinerlei Begeisterung hervor. In den Jahren 1927 bis 1930 sind 22 solcher Lokomotiven von der StEG und von der Floridsdorfer Lokomotivfabrik gefertigt worden. Die elektrische Ausrüstung kam von der AEG-Union. Mit nur 1140mm Kuppelraddurchmesser, 82t Dienstgewicht und mit einer Stundenleistung von 1500kW (2040PS) bei 38km/h wurde die Lokomotive im Güterzug-, Verschiebe- und Vorspanndienst eingesetzt. Hier ist sie im Oktober 1967 beim Rangierdienst in Rosenbach. Bis zur Mitte der siebziger Jahre hatten die ÖBB alle 1280er aus dem Verkehr gezogen. Einige fristeten ihr Dasein dann noch als Heizlokomotiven. 1927: 2'D1'-Personen- und Güterzug-Lokomotive E79.02, bayerische Gattung EG 4, der Deutschen Reichsbahn (DR). Als die beiden Einzelgängerinnen E79.01 und E79.02 entworfen wurden, gab es noch keine praktikablen Möglichkeiten zur idealen Haftwertausnutzung zwischen Rad und Schiene und keine sicher wirksamen Schleuder- oder Gleitschutzregler für einzelachsangetriebene Lokomotiven. Und so ist verständlich, was Professor Georg Lotter zur Konstruktion der E79 meinte; Jede Auflösung des Triebwerks in Einzelgruppen ist zu vermeiden, »denn die Anwendung eines durchwegs gekuppelten Triebwerks ist auf krümmungsreichen Gebirgsstrecken grundsätzlich vorteilhaft, da unter der Voraussetzung gleichen Reibungsgewichts in Krümmungen größere Reibungszugkräfte übertragen werden können als bei Gelenktriebwerken und Einzelachsantrieben.« Die beiden im Sommer 1927 auf der Strecke Freilassing - Berchtesgaden in Betrieb genommenen Lokomotiven, auf dem Foto die E79.02, bekamen dann auch ein Triebwerk mit hoch liegenden Motoren und beiderseitigem Doppel-Parallelkurbeltrieb. Maffei war für den Mechanteil, die Pöge-Elektrizitäts-AG in Chemnitz für die elektrische Ausrüstung verantwortlich. Die mit 1250mm Kuppelraddurchmesser, voran laufendem dreiachsigem Lotter-Drehgestell und hinterem Bisselgestell gelieferten 116,2t schweren Lokomotiven hatten eine Stundenleistung von 1700kW bei 36km/h (Höchstgeschwindigkeit 65km/h). In den Jahren 1939 und 1940 wurden sie ausgemustert. Ihre HerstellerFirmen fielen wenige Jahre nach Lieferung der beiden Lokomotiven den wirtschaftlichen Schwierigkeiten zum Opfer. 1927: 1'Co+Co1'-Güterzug-Lokomotive E95 der Deutschen Reichsbahn (DR). Sie war bei ihrer Fertigstellung im Jahre 1927 die schwerste und leistungsfähigste deutsche Elektro-Lokomotive. Man entwickelte sie deshalb, weil die oberschlesische Kohle in langen Güterzügen, bestehend aus bis zu 75 offenen Wagen mit je 20t Ladegewicht, zu befördern war. Die dafür notwendigen sechs achtachsigen, fast 21m langen Lokomotiven mit sechs Tatzlager-Motoren wurden von der AEG entworfen und gebaut. Drei dieser zweigliedrigen Maschinen sind jedoch von den Siemens-Schuckert-Werken elektrisch ausgerüstet worden. Die E95 hatte 1400mm Triebraddurchmesser und eine Stundenleistung von 2778kW (3780PS) bei 49km/h. Am 24.03.1928 beförderte die E95.03 während der Abnahmefahrt einen Großraumgüterwagenzug mit Messwagen (2421,2t Anhängemasse). Zusammen mit der 138,8t schweren Lokomotive ergab sich ein 2560t wiegender Schwerlastzug. Noch in den sechziger Jahren standen drei dieser Riesen-Lokomotiven auf dem Leipziger Güterring und im Raum Halle-Magdeburg im Dienst. Die für sie vorgesehenen EDV-Baureihenbezeichnung (255) und -Betriebsnummern bekamen sie allerdings nicht mehr. 1927: 1'C-Verschiebe-Lokomotive E60.02 der Deutschen Reichsbahn (DR). Mitte der zwanziger Jahre entwickelte die AEG in Zusammenarbeit mit der Deutschen Reichsbahn, Gruppenverwaltung Bayern, eine schwere 1'C-Verschiebe-Lokomotive, wobei vorwiegend an Einsätze auf Bahnhöfen in München und im weiteren Umfeld gedacht war. Der Entwurf stand unter der Maxime eines gewissen Einheits- und Austauschbaues. Was lag also näher, als den für die E91 entwickelten Doppelmotor mit derselben Schaltung zu übernehmen? Die Ingenieure erzielten dann mit einer solchen Antriebsdisposition die konstruktiven Voraussetzungen einer schweren Verschiebe-Lokomotive mit ungefähr der halben Leistung der E91. Demzufolge entstand aus der E91 mit zwei Doppelmotoren und mit sechs, in zwei Antriebsgruppen zusammengefassten

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Kuppelradsätzen, nunmehr eine E60 mit nur einer Gruppe und einem Doppelmotor. Die Massenverteilung ließ allerdings die Anordnung eines zusätzlichen Laufradsatzes in Form eines Bissel-Gestelles mit Blattfeder-Rückstellung ratsam erscheinen. Die maximale Achsfahrmasse ergab sich trotzdem noch zu 19,3t. Die auf dem Werkfoto abgebildete E60.02 gehört zu den Erstlieferungen des Jahres 1927. Die letzte der vierzehn gebauten 1'C-Maschinen verließ im Jahre 1934 die Werktore. 1927: 1'C-Verschiebe-Lokomotive E60.09 der Deutschen Bundesbahn (DB). Das ist die E60 im Bauzustand des Jahres 1959. Damals gehörte sie bereits in den Bestand der DB und war in Garmisch beheimatet. Man entschied sich nämlich Ende der fünfziger Jahre für eine Hauptausbesserung in Verbindung mit gründlichen Modernisierungsarbeiten, die das DB-Ausbesserungswerk München-Freimann besorgte. Die aus dem Jahre 1927 stammende Lokomotiv-Bauart sollte somit auch den zeitgemäßeren Bedingungen des Rangierbetriebes entsprechen. Das Umbau-Programm umfasste hauptsächlich die Verbesserungen der Sichtverhältnisse im Führerstand, eine Verstärkung der Transformatorenölkühlung, den Anbau geeigneter Rangierer-Trittstufen und den Einbau pneumatisch betätigter und neuer Sandstreu-Einrichtungen. Mit anderen Stromabnehmern, Rangierfunk und BBC-Sicherheitsfahrschaltung zeigte sich die E60 (spätere Gattung 160) als zuverlässiges und langlebiges Rangierfahrzeug wie hier auf dem DB-Foto. Die E60 erfüllte übrigens auch in Heidelberg, Karlsruhe, Rosenheim und Treuchtlingen, im Kriege sogar in Österreich ihre Aufgaben. Die Maschine misst 11.100mm über Puffer und hat 1250mm Kuppelraddurchmesser. 1928: Triebwerk mit Bianchi-Kinematik: E-Fünfkuppler-Güterzug-Lokomotive E554.017 der Ferrovie Italiane dello Stato (FS). Diese ungewöhnliche Antriebsdisposition gehörte zu den in beträchtlichen Stückzahlen gebauten Steilrampen-Lokomotiven E554 der FS. Der 850mm betragende Höhenunterschied zwischen den beiden Blindwellen-Kurbelzapfen und der Radsatzmittel-Linie ist mit dieser, von Giuseppe Bianchi angegebenen Dreistangen-Systematik und Lenkergeradführungen kraftschlüssig überbrückt worden. Die raffinierte Kinematik konnte das Radsatzspiel der kleinrädrigen 3,6kV-Drehstrom-Lokomotiven gut beherrschen. 1070mm Laufkreisdurchmesser und 50km/h Maximalgeschwindigkeit waren zusätzliche Merkmale dieser in den Jahren 1928 bis 1931 von verschiedenen Fabriken hergestellten Lokomotivgattung. Die Lokomotive E554.017 kam im Jahre 1928 aus den italienischen Brown-Boveri-Werken (Fabriknr. 3034). 1928: Bo'BoBo'-Mehrzweck-Lokomotive E626 der Ferrovie Italiane dello Stato (FS). Die sechsachsigen Mehrzweck-Lokomotiven der Baugruppe E626 der FS zählen zu den berühmten »Klassikern« der Gleichstrombahnen. Als 3000-Volt-Triebfahrzeuge sind sie das erste international gültige Beispiel für die Vereinheitlichung von in Groß-Serie beschafften elektrischen Lokomotiven. Es sind von der E626 insgesamt 448 Einheiten produziert worden. Das ist eine Stückzahl, die in Deutschland erst viele Jahre nach dem zweiten Weltkrieg mit den DB-Baureihen E10 und E40 registriert wurde. Die erste E626 (damals noch E625) übernahmen die FS im Jahre 1928, die letzte 1939. Am Bau beteiligten sich Unternehmen von Weltruf, darunter Ansaldo, Fiat, Breda, Brown-Boveri, Westinghouse und Metropolitan-Vickers. Aus den verschiedenen Vorauslokomotiven und den Ideen von Giuseppe Bianchi machte man im FS-Studienbüro in Florenz eine sich hervorragend bewährende Einheitskonstruktion für eine Stundenleistung von 1890kW (2560PS), 1250mm Raddurchmesser und 95km/h Höchstgeschwindigkeit. Die technischen Daten der sechsmotorigen, in mehreren Lieferserien beschafften 93t schweren Lokomotivgattung wichen in Einzelheiten unwesentlich voneinander ab. Diese seltene Werkaufnahme machte der Fotograf um 1930/1931. 1928: 1'Do1'-Schnellzug-Lokomotive E17.07 der Deutschen Reichsbahn (DR). In den zwanziger Jahren hatte die Frage des Einzelachsantriebes, vor allem für schneller fahrende Lokomotiven, zunehmend an Bedeutung gewonnen. Bald kam hierzu noch die Erfahrung, wonach die ständige Wartung des Einzelachsantriebes gegenüber dem Kuppelstangenantrieb wesentlich geringere Unterhaltungskosten erfordert. So verursachte die Betreuung der 2'BB2'-Reichsbahn-Lokomotive E52 in den Ausbesserungs- und Bahnbetriebswerken je 1000 Lokomotiv-Kilometer rund 252RM, die der leistungsfähigeren 1'Do1'-Buchli-Lokomotive E16 jedoch nur 131RM. Als es dann gelang, außer dem Buchli-Antrieb noch einen zweiten, mindestens gleichwertigen Einzelachs-Antrieb zu konstruieren, fielen auf der Grundlage dieses AEG-Kleinow-Antriebskonzepts weiterreichende Entscheidungen: Abgesehen von zwei früher beschafften 2'Do1'-Versuchslokomotiven der Baureihe E21 bestellte die DR im Jahre 1927 noch insgesamt 38 AEG-Kleinow-Schnellzug-Lokomotiven E17 mit 1'Do1'-Radsatzfolge für 120km/h Spitzengeschwindigkeit. Beim Erscheinen der E17 im Jahre 1928 würdigte die Industrie auch sonst weniger bekannte Merkmale: Die mit 1600mm Triebraddurchmesser und einer Stundenleistung von 2800kW (3800PS) eingesetzten Lokomotiven erhielten als erste einen Außenrahmen mit Peyinghaus-(Isothermos)-Achslagern, die sich im Betrieb außerordentlich gut bewährten, und die man – wie es hieß - bei über 200 Eisenbahn-Gesellschaften verwendete. Es handelte sich um eine besondere Gleitlager-Entwicklung hoher Wirtschaftlichkeit. Ansonsten konnten die Unterhaltungskosten der E17, bezogen auf 1000 Lokomotiv-Kilometer, auf rund 111RM gesenkt

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werden. Die abgebildete E17.07 kam im Jahre 1929 von der AEG. 1928: 1'Do1'-Schnellzug-Lokomotive E16.101 der Deutschen Reichsbahn (DR). Die einrahmige, durch zwei Bissel-Laufgestelle geführte E16.101 gehört in die Reihe der 1925 von der Deutschen Reichsbahn an die Industrie vergebenen Aufträge für Versuchslokomotiven. Erbauer dieser 1928 gelieferten, für das mitteldeutsche Streckennetz um Magdeburg, Leipzig und Halle gedachten »Mikado«-Lokomotive waren Borsig und die Siemens-Schuckert-Werke. Auf dem Programm stand die Beförderung von 600t in der Ebene mit bis zu 95km/h Geschwindigkeit. Die Maximal-Geschwindigkeit hatte die DR 1934 auf 120km/h festgesetzt. In einer alten Funktionsbeschreibung dieser 16.960mm langen Maschine hieß es unter anderem: »Die Lokomotive entnimmt den Wechselstrom von 15.000V Spannung aus der Fahrleitung durch zwei Stromabnehmer. Die Dachleitung verbindet die beiden Abnehmer und führt über zwei Trennschalter zum Ölschalter und von hier zur Hochspannungsklemme des Transformators. Das andere Ende der Hochspannungswicklung des Transformators steht mittels einer an den Rahmen angeschlossenen Leitung mit der Schienenrückleitung in Verbindung.« Siemens nannte eine Stundenleistung von 2800kW (3800PS) bei 89,5km/h und eine Dienstmasse von 106,6t. Wir sehen auf dem Foto die E16.101 im Vorfeld des Bahnbetriebswerkes Leipzig Hbf West, vor dem Miele-Haus. Wie Reichsbahner berichteten, musste sie 1946 auf Reparationskonto in die Sowjetunion gebracht werden. Nach ihrer Rückkehr wurde sie im Reichsbahn-Ausbesserungswerk Dessau aufgearbeitet und im Gelände der Hochschule für Verkehrswesen »Friedrich List«, Dresden, als Studienobjekt aufgestellt, dann jedoch 1912 verschrottet. 1928: 1'Bo1'-Tagebau-Zahnrad-Lokomotive Nr. 1 der Grube Hohenzollernhall. In den Gruben des Braunkohlen-Tagebaues, auch für Abraum-Transporte sind früher gern Zahnrad-Lokomotiven für 900mm Spurweite und Strub-Zahnstangen eingesetzt worden, weil sie große Lasten über beträchtliche Steigungen befördern konnten. Die Rheinische AG für Braunkohlenbergbau und Brikettfabrikation, die Hallesche Pfännerschaft sowie die Grube Hohenzollernhall (Bösau) hatten jeweils für ihren Bedarf elektrische, 20 bis 26t schwere Lokomotiven verwendet, die mit Siemens-Schuckert-Ausrüstung von Borsig aus Berlin kamen. Die nicht für Reibungs-, sonder meist ausschließlich für Zahnradbetrieb eingerichteten Borsig-Lokomotiven hatten zwei Trag-Radsätze und zwei Triebzahnräder; sie wurden für Nennleistungen von rund 170kW (230PS) bis zu 300kW (410PS) in den Jahren 1927 und 1928 geliefert. In die Fahrleitungen speiste man Gleichstrom mit 1100 bis 1200 Volt ein. Auf dem Foto sieht man eine solche Lokomotive (172kW) mit einem aus fünf Selbstentladern bestehenden Kohlenzug. 1929: Bo-Bergbahn-Lokomotive Nr. der Bayerischen Zugspitzbahn. Das Projekt einer Alpenbahn zur Zugspitze entstand schon im Jahre 1907. Aber erst um 1928 konnte mit dem Bau der Bayerischen Zugspitzbahn angefangen werden, so dass im Juni 1930 der Betrieb bis hinauf zum Schneefernerhaus in Gang kam. Die mit 1650 Volt betriebene Meterspur-Strecke beginnt in Garmisch-Partenkirchen. Auf der 7,5km langen, im Reibungsbetrieb bis Grainau befahrenen Teilstrecke werden die Züge von kleinen zweiachsigen Gleichstrom-Lokomotiven gezogen. Erst oberhalb von Grainau liegt die Riggenbach-Zahnstange, um mit Zahnrad-Triebfahrzeugen die Steilrampen erklimmen zu können. Die von der AEG gelieferte, hier im Jahre 1979 aufgenommene Adhäsions-Lokomotive entspricht einer Bau-Konzeption, die in ihrer äußeren Form den Werkbahn-Lokomotiven nachgebildet wurde. Unabhängig davon, ob es sich um zwei- oder mehrachsige Maschinen handelte, erhielten sie ein in der Mitte erhöht angeordnetes Führerhaus, an dessen Stirnseiten sich die Vorbauten mit elektrischen Ausrüstungsteilen befanden. Diese Gestaltung hat sich bewährt, weil die zwangsläufig häufige Richtungsänderung dem Personal den Wechsel von einer Führerstandskabine zur anderen ersparte.Dass sich der Triebfahrzeugbestand der Bayerischen Zugspitzbahn inzwischen erneuert und erweitert hat, sei der Bedeutung halber erwähnt. 1929: 1'BB1'-Güterzug-Lokomotive E75.09 der Deutschen Bundesbahn (DB). Das ist eine für nur 70km/h Höchstgeschwindigkeit geeignete Lokomotiv-Bauart, die für den leichten Güterzugdienst und früher im Raum Halle - Leipzig Bitterfeld auch im Flachland-Personenzugdienst gebraucht wurde. Die zweimotorige Blindwellen-Lokomotive mit Schrägstangenantrieb entwickelte eine Stundenleistung von 1880kW (2556PS) bei 44km/h. Mit ihrer handbedienten Nockenschalter-Steuerung waren 15 Fahrstufen möglich. Die E75 konnte bei Höchstgeschwindigkeit 855t Schlepplast auf ebener Strecke ziehen und stellte eine Fortentwicklung der gelenkigen und mehrgliedrigen E77 gleicher Radsatzfolge dar. Die E75.09, hier im Bundesbahn-Dienst mit einer E94 im Schlepp, wurde 1928 gebaut, am 18.02.1929 amtlich abgenommen und dem Bahnbetriebswerk München Hbf zugeteilt. Sie kam aus den Werkstätten der J. A. Maffei AG und der Maffei-Schwartzkopff-Werke. Am Bau der anderen, seinerzeit für Bayern und Mitteldeutschland bestimmten Lokomotiven beteiligten sich außerdem die Bergmann-Elektrizitäts-Werke in Berlin, die Berliner Maschinenbau-Aktiengesellschaft vorm. L. Schwartzkopff und die Linke-Hofmann-Werke in Breslau. Es sind bis zum September 1931 insgesamt 31 solcher Lokomotiven hergestellt worden. Die bei der DB nach 1945 verbliebenen Einheiten sind im Laufe der Jahre verschiedenen Modernisierungsmaßnahmen unterzogen worden. Die abgebildete E

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75.09 (später 175 009) ist erhalten geblieben. Sie gehört nun zum Museumslokomotivbestand, nachdem sie in den siebziger Jahren noch als Heizlokomotive in Darmstadt diente. 1930: Bo'Bo'-Personenzuglokomotive E44.001 der Deutschen Reichsbahn. Nachdem die Siemens-Schuckert-Werke (SSW) nachgewiesen hatten, dass der gewöhnliche Tatzlager-Antrieb nicht allein für langsamer fahrende (Straßenbahn-)Triebwagen und Lokomotiven geeignet war, sondern auch für mittlere bis höhere Geschwindigkeiten über 80 und 100km/h hinaus den Erwartungen im Hinblick auf Laufgüte und Verschleißarmut entsprach, begannen recht interessante Fortentwicklungen. Professor Walter Reichel hierzu: »Mit dem genannten Nachweis war nun ein neuer Abschnitt der Entwicklung zur edlen Einfachheit zu Ende geführt und der erzielte Erfolg durfte daher die SSW dazu anspornen, einen weiteren Schritt zu unternehmen.« Mit der »edlen Einfachheit« waren die Einphasen-Wechselstrom-Musterlokomotive (15kV, 16,67Hz) und deren Nachfolgerinnen für die Deutsche Reichsbahn angesprochen, die zur Entwurfsbasis späterer Einheits-Elektrolokomotiven wurden. Der Gesamtentwurf, die elektrische Ausrüstung sowie der mechanische Fahrzeugteil der Baumusterlokomotive des Jahres 1930 entstanden in den Siemens-Schuckert-Werken in Berlin. Die 79,2t schwere, in geschweißter Ausführung hergestellte Lokomotive war für 80km/h Höchstgeschwindigkeit, später für 90km/h zugelassen worden. Das Betriebsbild entstand während des Einsatzes bei der Reichsbahndirektion München. Bis zum Jahre 1945 sind insgesamt 177 dieser erfolgreichen Lokomotiven und von 1947 bis 1954 weitere 9 Einheiten gebaut worden. Die Mechanteile der in einigen technischen Daten variierten Nachbau-Lokomotiven kamen von Henschel in Kassel, von Krauss-Maffei in München und von der Wiener Lokomotivfabrik. Die Herstellung des Muster-Kastenaufbaues der ersten E44 besorgte die Waggonfabrik Wismar im Auftrag von SSW.

1930/1931: Bo'Bo'-Personenzug-Lokomotive 1145.08 der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB). Die 1930 und 1931 gebauten, für Personen- und Güterzugdienste gedachten, 70t schweren Lokomotiven stellen eine fortentwickelte und verstärkte Konstruktion der Reihe 1170 (1045) dar, weshalb dafür die Baureihe 1170.100 zunächst vorgesehen worden war. Weil die Ursprungsmotoren thermisch noch gar nicht ausgelastet waren, konnte bei den später in Reihe 1145 umgezeichneten Lokomotiven die Leistung ohne wesentliche Änderung um etwa 18% heraufgesetzt werden. Somit erreichte man eine Stundenleistung von 1259kW bei 36km/h. Die vier Motoren übertragen ihre Leistung mit Hilfe des Secheron-Federantriebs auf die Radsätze (1300mm Laufkreisdurchmesser). Der gesamte Mechanteil ist genietet. Die Zug- und Stoßvorrichtungen sind an den Drehgestell-Stirnseiten angeordnet. Die für 70km/h ausgelegte Lokomotive 1145.08 ist im August 1959 in Garmisch-Partenkirchen fotografiert worden. 1931: Drehstrom-Betrieb und Doppeltraktion. Zweipolige Fahrleitungen, Doppeltraktion (vorn Dreiphasen-Lokomotive E554.120 der FS) und Linksverkehr im oberitalienischen Drehstrom-Bahnnetz - diese Kombination gibt's heute nicht mehr. Zwar ist der Linksverkehr geblieben, auch auf die Zweifachbespannung konnte man nicht ganz verzichten. Aber die anderen Kuriositäten gehören ins Reich der Erinnerungen: Denken wir an die Leistungsaufnahme der Drehstrom-Asynchronmotoren, die vom so genannten Schlupf abhängt. Der Läufer kann sich nie so schnell drehen wie das magnetische Drehfeld. Bei einer Synchron-Drehzahl würde er sofort seine Zugkraft einbüßen. Der Läufer dreht sich demzufolge asynchron, er hat gegenüber dem Drehfeld einen Schlupf. Weil aber der Lokomotivmotor mit den Radsätzen über das Getriebe fest gekuppelt ist, gab es ein Abhängigkeitsverhältnis der Drehzahlen, die ihrerseits die Lokomotivleistung beeinflussten. Schon bei relativ geringer Ungleichheit der Triebraddurchmesser - beispielsweise durch Verschleiß oder Profilkorrektur - zeigten sich in Doppeltraktion bei konstanter Geschwindigkeit beträchtliche Leistungs- und Zugkraftunterschiede beider Lokomotiven. Die Bahnbetriebswerke schrieben bei ihren Lokomotiven vorsichtshalber das tatsächliche Maß der Laufkreisdurchmesser von außen lesbar an das Triebfahrzeug. Bei Typengleichheit - wie auf unserem FS-Foto - durften nur Lokomotiven gleichen Ist-Kuppelraddurchmessers auf längeren Strecken im schweren Zugdienst für Doppel- und Mehrfachtraktion zusammengekuppelt werden. Die letzten von 183 Maschinen dieser Gattung wurden 1931 ausgeliefert. 1932: (1'A) A1A (A1') + (1'A) A1A (A1')-Doppellokomotive 11851, Serie Ae 8/14, der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB). Fast 20 Projekte des Jahres 1929 und gründliche Studien führten Anfang der dreißiger Jahre zum Bau eines leistungsstarken Lokomotivtyps zur Bewältigung des anwachsenden Güterverkehrs auf der Gotthard-Strecke. Zunächst entstanden zwei 34 Meter lange Steilrampen-Einphasen-Wechselstrom-Lokomotiven der Betriebsnrn. 11801 und 11851. Die Mechanteile wurden von Winterthur, die elektrische Ausrüstung entsprechend ihrer unter schiedlichen Konzeption von BBC in Baden (Lok 11801) und der Maschinenfabrik Oerlikon in Zürich-Oerlikon (Lok 11851) produziert. Das Foto zeigt die 246t schwere Riesenlokomotive 11851. Sie besaß keinen festen Radstand. Die Führung im Gleis übernahmen die jeweils voraus laufenden und konstruktiv verbesserten Java-Drehgestelle der Bauart (1'A). Sie erhielten ihren Namen als Folge der erstmaligen Verwendung im

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Jahre 1924 für elektrische Lokomotiven (in Verbindung mit dem Buchli-Antrieb) auf der Insel Java. Diese Drehgestell-Kombination erlaubte eine günstigere Gleisbogen-Einstellung und eine Verbesserung des Anlaufwinkels der Radsätze. Die mittleren, im Hauptrahmen gelagerten Radsätze der A1A-Gruppe besaßen ein seitliches Querspiel, um auch enge Weichen und Gleisbögen bis herab zu 100m Halbmesser befahren zu können. Die Lokomotive 11801 erhielt einen Buchli-, die 11851 jedoch einen Winterthurer Universalantrieb in Form von je zwei schräg über den Radsätzen und auf dem Rahmen koaxial gelagerten Elektromotoren mit Getriebeübersetzung. Beide, im Erscheinungsbild fast gleich aussehenden »Gotthard-Giganten« waren zur Zeit ihrer Inbetriebnahme im Jahre 1932 die wahrscheinlich größten elektrischen Lokomotiven der Welt. Die abgebildete Lokomotive 11851 mit 1350mm Triebraddurchmesser hatte eine Stundenleistung von 6470kW (8800PS) bei 62km/h und war für 100km/h Maximalgeschwindigkeit zugelassen. In den Jahren 1938 und 1961 gab es einige Umbauten: Von den anfangs vorhandenen vier Stromabnehmern entfielen zwei. Außerdem verbesserte man Teile der elektrischen Ausrüstung und der äußeren Kastenaufbauten. Eine 1939 gelieferte Nachfolge-Doppellokomotive 11852 war dann mit ihren 12000PS die damals stärkste elektrische Lokomotive der Welt. 1931: 2'Do1'-Universal-Lokomotive 10990, Serie Ae 4/7, der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB). Hier sehen wir eine würdige Vertreterin typischen schweizerischen Elektro-Lokomotivbaues. Die 123t schwere, mit 79t Reibungsmasse und 1610mm Triebraddurchmesser ausgelegte Bauart wurde damals als Universal-Lokomotive bezeichnet. Sie hatte eine Nutzstrom-Bremse und beförderte Schnell- und Güterzüge. Man sah die 17,1m lange, mit BBC-Buchli-Antrieb ausgestattete, in mehreren konstruktiven Varianten eingesetzte Ae 4/7 anfangs vor allem am Gotthard und am Simplon, später jedoch meist auf den Flachland-Strecken. Ihre Stundenleistung ist mit 2300kW (3200PS) bei 65km/h für den schweren Steilstreckendienst eher bescheiden, so dass die 100km/h schnelle, in der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre entwickelte Bauart bald stärkeren Maschinen weichen musste und auf weniger steigungsreichen Strecken, dort jedoch mit Erfolg, Dienst tat. Das Foto zeigt die aus einer Lieferserie der Jahre 1931-1934 stammende Lokomotive 10990 im Jahre 1975 in Basel. 1932: 1'Co1'-Schnellzuglokomotive E04.21 der Deutschen Bundesbahn (DB). Im Sommer 1933 wurden von der Deutschen Reichsbahn Schnellfahrversuche mit einer elektrischen Lokomotive der Baureihe E04 durchgeführt, wobei zwischen Stuttgart und München, der damals »schnellsten elektrischen Bahn Europas«, Geschwindigkeiten von rund 153km/h mit etwa 310t Anhängelast erzielt wurden. Der von der AEG für den Federtopf-Antrieb entwickelte Reihenschluss-Kommutator-Motor erntete in seiner Zeit viel Lob. So las man beispielsweise in der Elektrotechnischen Zeitschrift des Jahres 1935: »Er besitzt im Verhältnis zu seiner Leistung ein sehr geringes Gewicht von 6,7kg je kW Stundenleistung. Insbesondere ist dies durch die Art der Lüftung erreicht worden. Es sind nämlich für Ständer und Anker zwei voneinander vollkommen getrennte Kühlströme und damit zwei Lüfter gewählt worden, um die wärmsten Stellen im Ständer oder Anker unabhängig voneinander erfassen zu können. Durch die starke Kühlung ist auch das Verhältnis von Stundenleistung zu Dauerleistung ein sehr günstiges, nämlich 0,9 geworden.« Die recht erfolgreichen, mit Krauss-Helmholtz-Drehgestellen (Variante Kleinow) ausgestatteten leichten Schnellzug-Lokomotiven wurden zuerst in Leipzig Hbf West stationiert und für nur 110km/h zugelassen. Den Lieferungen von 1932 folgten 1934/1935 noch weitere, die dann die Zulassung für 130km/h bekamen, nachdem sich die E04.09 bei den genannten Schnellfahrten bewährt hatte. Die E04.21 war eine der in Süddeutschland beheimateten E04, die wir hier bei der Bundesbahn in Garmisch-Partenkirchen sehen.

1933: Bo'Bo'-Personenzug-Lokomotive E44 023 der Deutschen Reichsbahn (DR). Die E44, eine der erfolgreichsten Reichsbahn-Elektrolokomotiven für den Geschwindigkeitsbereich von unter 100km/h, stellt ein Brücken-Gelenkfahrzeug dar. Ihr Laufwerk besitzt Drehzapfen für die Drehgestelle mit seitlicher elastischer Rückstellung. Das starre Kuppelgelenk zwischen den beiden Drehgestellen wurde später versuchsweise durch eine elastische Querkupplung ersetzt. Im Jahre 1940 hieß es in der Siemens-Denkschrift zur Fertigstellung der hundertsten E44, dass zum ersten Mal von einem Reichsbahn-Lokomotivtyp die Zahl der in Betrieb befindlichen Lokomotiven nunmehr hundert Einheiten erreicht hat. Und wörtlich: »Um auch die letzten Erkenntnisse der Entwicklung der elektrischen Ausrüstung verwerten zu können, wurden die einzelnen Teile bei den verschiedenen Lieferungen dem neuesten Konstruktionsstand angepasst, ohne dadurch an dem grundsätzlich bewährten einfachen Aufbau etwas zu ändern.« Das Pressefoto zeigt die im Jahre 1933 von Siemens und Krauss-Maffei gebaute Lokomotive E44.023, die vorwiegend in. Tübingen, Stuttgart und Ulm beheimatet war und 1983 ausgemustert worden ist.

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1933: Co'Co'-Güterzug-Lokomotive E93.10 der Deutschen Bundesbahn (DB). Entwicklungstechnisch bildete die Baureihe E93 aus der Reichsbahn-Zeit eine Vorstufe zum Bau der leistungsstärkeren E94 gleicher Radsatzfolge. Beide sind Konstruktionen der AEG, die mit der Deutschen Rertchsbahn betriebsreif ausgearbeitet wurden. Einer der Gründe für die im Jahre 1933 begonnene Auslieferung dieser sechsmotorigen Einphasen-Wechselstrom-Lokomotivgattung war die Elektrifizierung der zweigleisigen Hauptbahn Augsburg - Ulm - Stuttgart. Auf der 22,5-Promille-Raupe der Geislinger Steige sollten 720t-Züge mit 40km/h geschleppt werden. Die 120t schwere, mit 1250mm Raddurchmesser und 17,7m Länge bemessene Lokomotive hatte eine Stunden-Leistung von 2502kW bei 57km/h. Wir sehen hier die E93.10 im Bestand der Deutschen Bundesbahn während ihres Einsatzes im Personenzugdienst auf dem Stuttgarter Hauptbahnhof im Frühjahr 1957. 1933: Co'Co-Güterzug-Lokomotive E93.18 der Deutschen Bundesbahn (DB). Regierungsrat Walter Kleinow, damaliger Direktor der AEG-Lokomotivfabrik, äußerte sich im Jahre 1936 während einer vom Verband Deutscher Elektrotechniker (VDE) veranstalteten Vortragsreihe zum Thema »Elektrische Bahnen« über seinerzeitige Lokomotiv-Konstruktionen: »Meine persönliche Ansicht, die übrigens durch die Beschaffungsmaßnahmen der Deutschen Reichsbahn gestützt wird, ist folgende: Für Geschwindigkeiten von 100km/h und darüber verdient der Einzelachsantrieb durch gefedert im Rahmen gelagerte Motoren mit Zahnradübersetzung den Vorzug. Für Geschwindigkeiten unter 100km/h ist der Tatzmotor mit ungefederten Zahnkränzen anzuwenden.« Die für 65/70km/h Höchstgeschwindigkeit zugelassene E93 erhielt demzufolge Tatzlager-Motoren. Bemerkenswert erschien, dass es mit dieser Lokomotive gelang, von den ersten Ausführungsformen des elektrischen Zugbetriebes, nämlich den Straßenbahnen ausgehend, nun auch für große Lokomotiv-Leistungen kleinere Motoren zu bauen, die zwischen den Triebradsätzen Platz fanden. Unser Foto zeigt uns die zuletzt gelieferte E93.18 aus dem Jahre 1937. Sie erhielt eine mechanisch betätigte Feinregler-Steuerung für 15 Fahrstufen und Peyinghaus-Achslager mit Schleuderschmierung. Die 1935 gebaute E93.004 (193.004) blieb erhalten. So galt sie beispielsweise beim »Tag der offenen Tür« des Bahnhofes Heidenheim an der noch nicht elektrifizierten Brenztal-Bahn im September 1984 als Attraktion für das Publikum. Insgesamt sind von 1933 bis 1937 bei der AEG 18 Lokomotiven dieser Baureihe hergestellt worden. 1933: 1'Co1'-Schnellzug-Lokomotive E05.103 der Deutschen Reichsbahn (DR). Während die über Hohlwellen und Federtöpfen angetriebenen Reichsbahn-Lokomotiven E04 und E18 in der damaligen Fachpresse überreichlich beschrieben, beurteilt und gelobt wurden, kamen die Tatzlagermotor-Schnellzug-Lokomotiven der Baureihe E05 entschieden zu kurz weg. Dabei hatte sich doch ihre konstruktiv einfachere Antriebsform Jahrzehnte später bei den Neukonstruktionen im Prinzip durchgesetzt. Immerhin sollte die E05 schon zu Reichsbahn-Zeiten die Frage klären, ob der Tatzlagermotor im höheren Geschwindigkeitsbereich ohne Schaden für Fahrzeug und Gleis zu verwenden ist. Diese Motoren stützen sich einerseits mit Hilfe ihrer so genannten Tatzenlager direkt auf die Radsatzwelle, andererseits sind sie federnd im Lokomotiv- oder Drehgestellrahmen aufgehängt. Es lag im Bestreben der Siemens-Schuckert-Werke (SSW), solcherart angetriebene Lokomotiven nicht nur im langsamen Güterzugdienst (wie die E44), sondern auch im Schnellzugverkehr mit mindestens 110km/h einzusetzen. Bei den ersten beiden 1'Co'1-Versuchsmaschinen E05.001-002 hatten sich die Erbauer SSW und Henschel mit der. Motorenanordnung recht viel Mühe gegeben, um gute Zugkraft- und Laufeigenschaften zu erzielen. Die Drehzapfen der radial einstellbaren Laufradsätze wurden von Henschel durch geeignete Bauelemente kinematisch ersetzt. Für noch höhere Geschwindigkeitsanforderungen bis 130km/h schuf man die abgebildete E05.103 mit zwei durch Henschel abgewandelten Krauss-Helmholtz-Gestellen. Das Foto zeigt uns die 90t schwere E05.103 im Bahnbetriebswerk Leipzig Hbf West. Dort erhielt sie ihre Umlaufpläne für das mitteldeutsche Wechselstrom-Netz. In der Liste der technischen Daten findet man eine Reibungsmasse von 59,5t, einen Triebraddurchmesser von 1400mm und eine Stundenleistung von 1995kW (2713PS) bei 89,6km/h. Bald nach ihrer Indienststellung im Jahre 1933 hieß es lakonisch: Die Lokomotivgattung wird zunächst nicht mehr weiter gebaut. - Tatsächlich blieben die drei Lokomotiven der Reihe E05 für immer Einzelgängerinnen. 1934: Bo'Bo'-Personenzug-Lokomotive E44.509 der Deutschen Reichsbahn (DR). Anfang der dreißiger Jahre sind außer der Siemens-Erprobungslokomotive E 44 001 zwei weitere Bo'Bo'-Versuchslokomotiven gebaut worden, nämlich die E442.002 von den Bergmann-Elektricitäts-Werken in Berlin und die E44.101 von den Maffei-Schwartzkopff-Werken. Während die Bergmann-Maschine schon während des zweiten Weltkriegs ihren Dienst quittieren musste, wurde die zunächst als Werk-Versuchslokomotive hergestellte E44.101 im Juli 1932 von der DR übernommen und auch noch nach 1945 dienstfähig gehalten. In den Jahren 1933 und 1934 lieferte dann die AEG an Stelle der inzwischen geschlossenen Maffei-Schwartzkopff-Werke noch zweimal vier Lokomotiven in Anlehnung an die E44.101, jedoch mit zahlreichen Verbesserungen. Nachdem die Serien-Lokomotive E44 der Bauart Siemens Lieferzahlen von mehr als 100 Einheiten voraussehen ließ, hat die DR die für die vorwiegend auf der Strecke Salzburg - Freilassing - Bad

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Reichenhall bestimmten Lokomotiven E44.101-109 im Jahre 1938 in E44.501-509 umgezeichnet. Das Schörner-Foto zeigt die letzte Lokomotive dieser Lieferung aus dem Jahre 1934. Auf dem Foto sehen wir sie in Berchtesgaden nach ihrer Umnummerung. Sie konnte 900t Anhängelast auf 10-Promille-Steigungen mit 60km/h befördern, hatte eine Stundenleistung von 2040kW (2770PS) bei 56km/h und eine Höchstgeschwindigkeit von 90km/h. Die 79t schwere Maschine ist 1978 ausgemustert worden. 1934: Bo'Bo-Versuchslokomotive E244.11 der Deutschen Reichsbahn (DR). Am 20.05.1960 schied die Höllentalbahn als Versuchsfeld für den deutschen 50-Hertz/20-kV-Einphasen-Wechselstrom-Betrieb aus. Die Bahn wurde vom 50-Hertz-Unterwerk Titisee getrennt und an das 16,67-Hertz-Unterwerk Freiburg angeschlossen. Die fünf elektrischen Versuchslokomotiven der Reihe E244 wurden von den Lokomotiven E40 und E44"' abgelöst. Als Beispiel einer der in den Jahren 1933-1935 entwickelten 50-Hertz-Versuchslokomotiven sehen Sie hier die von BBC und Krauss-Maffei im Jahre 1936 fertig gestellte Gleichrichter-Lokomotive E244.11. Ihre Gleichstrom-Fahrmotoren sind stets mit vollem Feld und zugleich in Reihen-Parallel-Schaltung betrieben worden. Es zeigte sich, dass die gestellte Aufgabe zwar im Prinzip erfüllt wurde, dass aber eine größere Störempfindlichkeit gegenüber stationären Gleichrichter-Anlagen nicht ausblieb. - Kurz nach Fertigstellung dieser Lokomotive folgte 1936 die AEG-GleichrichterMaschine E244.01, deren Motoren in Reihen-Parallel- und in Parallel-Schaltung, zusätzlich mit Feldschwächungsstufen, arbeiteten. Die dritte Lokomotive E244.21 war laut damaliger SiemensWerbung die erste Vollbahn-Lokomotive der Welt mit Einphasen-Wechselstrom-Reihenschluss-Motoren für 50 Perioden. Die vier Doppelmotoren leisteten stündlich 2080kW bei 59km/h. Auf französische Veranlassung bestellten dann 1946 die Südwestdeutschen Eisenbahnen eine weitere Industriefrequenz-Lokomotive, die von der AEG mit Hilfe eines ausgemusterten Fahrzeugteiles der E 44.005 im Bahnbetriebswerk Basel mit der Nummer E244.22 hergerichtet und 1950 fertig gestellt wurde. Ihr Antrieb erfolgte über Wechselstrom-Motoren und beiderseitige schräg verzahnte Getriebe. - Noch vor dem Krieg, im Jahre 1936, bauten Krupp und Garbe-Lahmeyer die E244.31 mit Phasenspalter-Motoren. Sie kam nach ihrer Ausmusterung (1961) ins Deutsche Museum, dann zur Technischen Hochschule Karlsruhe und schließlich als Leihgabe zur Deutschen Gesellschaft für Eisenbahngeschichte. 1934: Vor dem Simplon-Orient-Express: (2'Bo) (Bo2')-Schnellzug-Lokomotive E428.022 der Ferrovie Italiane dello Stato (FS). Als Ausgangsbasis für die 19m lange und 130 bis 135t schwere Lokomotiv-Konstruktion diente der damalige Betrieb auf der Strecke Bologna - Florenz - Rom - Neapel. Anfangs waren 150km/h Höchstgeschwindigkeit vorgesehen. In Anbetracht früherer Betriebsbedingungen mit einem nicht allzu sehr belastbaren Oberbau entschlossen sich die FS zur Zulassung für nur 130km/h. Die in drei Serien hergestellten 242 Einheiten unterschieden sich vor allem durch die Getriebe-Übersetzungen, durch die Stirnfronten des ungeteilten Lokomotivkastens, durch das Dienstgewicht und später auch in den Organen der Drehmoment-Übertragung. Der mit vier Hohlwellen-Gleichstrom-Doppelmotoren bestückten E428 wurden Schnellzug-Anhängelasten von 650t zugedacht, die sie in der Ebene mit mindestens 130km/h zu befördern hatte. Wir sehen auf unserem Bild die E428.022 vor dem legendären Simplon-Orient-Expreß zwischen Venedig und Triest. Die noch verbliebenen Einheiten leisteten nur noch untergeordnete Dienste bei verringerter zulässiger Geschwindigkeit. Die einst stolzen Maschinen sind technisch veraltet und gelten als unbeliebt, weil sei einen beträchtlichen Oberbau-Verschleiß verursachten. 1934: 2'Do2'-Schnellzuglokomotive 5510, Region du Sud-Ouest, der Societe Nationale des Chemins de fer Francais (SNCF). Eine der in den dreißiger Jahren erfolgreichsten französischen Elektrolokomotivgattungen war die 2'Do2'-Bauart mit dem in Frankreich ebenso wie in der Schweiz geschätzten, durch Öl-Umlauf geschmierten ein- oder doppelseitigen Buchli-Antrieb. Die auf dem, vom fotografischen Atelier der SNCF aufgenommenen Bild vor einem schweren Schnellzug zu sehende Lokomotive Nr. 5510 der Süd-West-Region gehörte in die Beschaffungsprogramme für insgesamt 35 viermotorige 2'Do2'-Lokomotiven der Betriebsnrn. 5503-5537 (frühere Bezeichnungen 503-537 der Paris-Orleans-Bahn). Alle diese in den Jahren 1933 -1935 abgelieferten 1500-Volt-Gleichstromlokomotiven kamen aus den Werkstätten von Five-Lille und der Cie. Electro-Mecaniaue und konnten kleinste Gleishalbmesser bis herab zu 80m einwandfrei beherrschen. Die 141t schwere Buchli-Lokomotive 5510 stammte aus dem Jahre 1934 und war für 140km/h Höchstgeschwindigkeit zugelassen. Ihre Nennleistung belief sich auf 3088kW (4200PS). Die Triebradsätze hatten 1750mm Durchmesser. 1934: Bo'Bo'-Abraumlokomotive für den rheinischen und mitteldeutschen Braunkohlen-Tagebau. Diese und gleichartige Lokomotiven arbeiten im Tagebau, wo man das über den Kohlefeldern lagernde Erdreich fortschaffen und die ausgebaggerte Kohle abtransportieren musste. Die meist recht niedrigen Bagger-Portale erforderten Lokomotiven geringer Bauhöhe und kleiner Spurweiten. Henschel in Kassel, eine der bedeutenden Herstellerfirmen solcher Abraumlokomotiven, heute vorzugsweise in Regelspur, schrieb in den dreißiger Jahren hierzu: »Wohl auf keinem Gebiet zeigt

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sich eine derart bedingungslose Überlegenheit der Elektrizität über die Dampfkraft.« Kein Wunder, denn es kam in den Kohlengruben auf sehr große und mühelos zu erreichende Zugkräfte an, die ihrerseits auf hohe Reibungsmassen angewiesen waren. Es waren Drehgestell-Lokomotiven gefragt, von denen eine hervorragende Entgleisungssicherheit verlangt wurde. Immerhin mussten (und müssen auch heute noch auf Normalspur) pragmatisch, auf frisch aufgeschüttetem Boden verlegte Gleisanlagen und Oberbauformen mit geringen Gleisbogenradien beherrscht werden. Regenaufgeweichte Böden und Gleisverwerfungen gehören im Tagebau zum Alltag. Dieses von Dr. Kurt Ewald überlassene Werkfoto präsentiert die 1934 von Henschel und den Siemens-Schuckert-Werken (SSW) konstruierte, 75t schwere 1100-Volt-Abraumlokomotive für 900mm Spurweite. Die 13.545mm lange Gleichstrom-Lokomotive mit 950mm Raddurchmesser erreicht eine Stundenleistung von 800kW (1088PS) bei 22km/h (Höchstgeschwindigkeit 45km/h). Wir haben es hier mit einer Bauart zu tun, die im rheinischen Braunkohlen-Gebiet, im mitteldeutschen Revier bei Leipzig und im Raum Senftenberg (Lausitz) gefragt war. Verwandte Einsätze gab es auch bei Sand- und Abraumtransporten im Kanal- und Tunnelbau. 1935: (2'Co) (Co2')-Schnellzug-Lokomotive 4902, Klasse GG-1, der Pennsylvania Railroad (USA). Man schwelgte in Lobeshymnen: Diese imposante Lokomotive war, als sie im Februar 1935 erstmals den »Congressional Limited« von New York über Philadelphia und Baltimore nach Washington am Zughaken hatte, die größte und stärkste elektrische Lokomotive der Welt. Die Werbe-Aussagen überstürzten sich: Als herrlichster Ausdruck des nordamerikanischen Elektrolokomotivbaues kam der GG-1 auch noch das Prädikat der ersten elektrischen Stromlinien-Lokomotive zu. Nun, die Konstrukteure der Pennsylvania-Bahn mit ihren Werkstätten, die General Electric Company, die Westinghouse Electric Corporation und die Baldwin Locomotive Works - alles Namen und Begriffe von Rang - hatten sich angestrengt, um das Weltniveau zu überbieten. Mit 24,23 Metern Länge und fast 230t Dienstmasse waren die mit sechs Doppelmotoren ausgestatteten Renommier-Lokomotiven auf ein weltweites Echo gestoßen. Die in den zwanziger Jahren für die Chicago, Milwaukee & St. Paul Railroad entwickelte, 26,8 Meter lange (2Co)2'(Co2')-Bauart für 3-kV-Gleichstrombetrieb in den Rocky Mountains und die vier Doppellokomotiv-Ungetüme mit je 414t Dienstgewicht, die Westinghouse und die ALCO 1924 im Auftrag der Norfolk & Western Railroad (11kV-Einphasen-Wechselstrom) bauten, fanden außerhalb der USA weniger Beachtung. Man sieht, dass Superlativ-Aussagen nicht unbedingt zuverlässig sind, aber - vom Publikum ungeprüft - recht attraktiv wirken. Bei der GG-1 hieß es darüber hinaus, dass man zum ersten Mal im Lokomotivbau von der Schweißtechnik weitgehend Gebrauch machte. Und wohl auch hierüber ließe sich diskutieren. Aber als 11-kV/25-Hz-Großserien-Lokomotive, die bis 1943 in 139 Einheiten zur Verfügung stand, hatte sie mit ihren 9500PS (15-Minuten-Leistung) und 160km/h Höchstgeschwindigkeit (erreichte »Spitze« 185km/h) Weltberühmtheit erlangt, die auch vor der Publikumspresse nicht halt machte. Gewiss, ihre technischen Daten wichen bei den einzelnen Lieferungen untereinander ab, ihre Farbgebung wechselte (braun, grün, hellblau) ebenso wie die Bahnverwaltung (von der Pennsy zur Amtrak = American Transportation on Track), aber ihr Erscheinungsbild hatte sich eingeprägt. Sie sehen auf dem Pressefoto die Lok 4902 vor dem Luxuszug »Broadway Limited«.

1935: C-Verschiebe-Lokomotive E63.02 der Deutschen Reichsbahn (DR). Als einziges deutsches Unternehmen der Elektro-Industrie entwickelte und baute die AEG nicht nur Ausrüstungen, sondern auch Mechanteile, also vollständige elektrische Lokomotiven, Gruben-Lokomotiven und sogar Dampf-Lokomotiven für das In- und Ausland. Nachdem die AEG-Lokomotivfabrik in Hennigsdorf bei Berlin nach Kriegsende 1945 an die DDR verloren ging, sind die alten Lokomotiv-Fabrikschilder heute begehrte Sammler-Objekte. Als Beispiel eines charakteristischen Fabrikschildes sehen Sie hier dasjenige der elektrischen Dreikuppler-Verschiebe-Lokomotive E63.02 des Jahres 1935.

1935: 1'Do1'-Schnellzug-Lokomotive E18.01 der Deutschen Reichsbahn (DR). Auf der Pariser Weltausstellung des Jahres 1937 war der E18 der Grand Prix für die Gesamtkonstruktion sicher. Doch es gab dort noch je einen weiteren Grand Prix für die Einrichtung des Führerstandes und für die Fahrmotoren. Und schließlich kehrte die Lokomotive noch mit dem Diplome d'Honneur für den geschweißten Rahmen aus der Seine-Metropole zurück. Wohl nur ganz selten hat es für die Lokomotiv-Konstrukteure derart hohe internationale Auszeichnungen und Anerkennungen gegeben. Die 1935 für eine Betriebsgeschwindigkeit von 140km/h gelieferte, aber für eine Höchstgeschwindigkeit von 150km/h »ohne weiteres verwendbare« E18.01, die Debütantin dieser ruhmreichen Baureihe, bekam eine erstmals für deutsche Serienlokomotiven adaptierte strömungsgünstige Stirnseitengestalt. Die 16.920mm lange Maschine hatte 1600mm Triebraddurchmesser, konstruktiv nach Walter Kleinow abgewandelte Krauss-Helmholtz-Drehgestelle und eine stündliche Motorenleistung von insgesamt 3100kW (4210PS) bei 124km/h. Die Fahrmotoren stimmten mit denen der 1'Co1'-Lokomotiven der Reichsbahn-Baureihe E04 überein. Das verwundert nicht, wenn man weiß, dass beide Triebfahrzeugbauarten mit AEG-Federtopfantrieb aus den Konstruktionsbüros der Lokomotivfabrik in Hennigsdorf kamen und die

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»Handschrift« von Baurat Kleinow trugen. Das Pressefoto zeigt die E18.01 mit dem Messwagen in München vor dem Start zu einer Versuchsfahrt am 18.05.1935 nach Stuttgart.

1935: 1'Do1'-Schnellzuglokomotive E18.01 der Deutschen Reichsbahn (DR). Die Steuerung der hier während der Erprobung im Juni 1935 in Stuttgart zu sehenden E18.01 war als Feinregler-Steuerung mit 15 Hauptfahrstufen ausgebildet. Abweichend von der bisherigen Praxis wurde die Steuerung vom Lokomotivführer diesmal nicht durch das Drehen eines Handrades bedient. Der im Sitzen arbeitende Führer betätigte nunmehr über ein Schalt-Element eine motorisch angetriebene Steuerung. Das Handrad des Fahrschalters ist durch einen so genannten Fahrsteuer-Schalter ersetzt worden. Es hat sich übrigens gezeigt, dass bei 100km/h Fahrgeschwindigkeit Leistungen in der Größenordnung von 5000PS ohne Rädergleiten an die vier Triebradsätze mit Sicherheit abgegeben werden konnten.

1935: 1'Do1'-Schnellzug-Lokomotive E18.16 der Deutschen Bundesbahn (DB). Noch ein Bild von der Baureihe E18: Es ist sehr wahrscheinlich die in der Reichsbahn-Zeit am meisten gepriesene deutsche elektrische Lokomotive. Die »Standard-Aussagen« hörten sich etwa so an: »Sie ist die leistungsfähigste Lokomotive der Welt (bis zum Erscheinen der E19), sofern man nur die Lokomotiven berücksichtigt, die 'in einem Rahmen' gebaut sind. Sie besitzt eine Stundenleistung von 4210PS, kann etwa eine halbe Stunde lang 5200 PS entwickeln und für die Anfahrt- oder Beschleunigungszeit bis zu 6200PS abgeben...« Die antriebstechnisch aus der Reichsbahn-Baureihe E04 entstandene E18 hatte den Westinghouse-Antrieb, Abart Kleinow, bei uns besser bekannt als AEG-Federtopfantrieb, System Kleinow. Die Lokomotive E18.16, auf dem Foto in Stuttgart vor einem Münchener Schnellzug der DB, wurde 1935 in der AEG-Lokomotivfabrik Hennigsdorf produziert. 1935/1936: C-Verschiebe-Lokomotive 163.007 der Deutschen Bundesbahn (DB). Bei ungefähr gleicher Leistung löste diese einmotorige Dreikuppler-Bauart E63 des Jahres 1935 dieselben Aufgaben und Rangierprobleme wie die schwerere 1'C-Verschiebe-Lokomotive E60 von 1927. Das gerade im Verschiebebetrieb so bedeutungsvolle Reibungsgewicht erfuhr eine nur relativ kleine Verringerung von etwa 57,9 auf 53,1t. Die Erstlieferungen der E63 kamen aus der AEG-Lokomotivfabrik. Drei weitere (E63.05 bis 07) folgten ein Jahr danach von BBC und Krauss-Maffei, wobei die Reichsbahn nicht mehr benötigte Ersatz-Motoren einbauen ließ. 1939/1940 kam noch eine zusätzliche Lokomotive, die E6308, von der AEG hinzu. Die flinken, je nach Lieferung einige technische Unterschiede aufweisenden Rangierlokomotiven mit 1250mm Raddurchmesser taten im Laufe ihrer Betriebszeit überwiegend Dienst in Stuttgart, München, Garmisch und Augsburg. Das Foto zeigt die bei der DB umgenummerte 163.007 (früher E63.07) im Sommer 1975 in Augsburg. Zwei Jahre später kam die Ausmusterung.

1938: Bo'Bo'-Mehrzwecklokomotive 144.085 der Deutschen Bundesbahn (DB). Aus der Personenzuglokomotive E44 der dreißiger Jahre wurde allmählich eine recht gut geeignete Mehrzwecklokomotive, die auch Güterzüge und mitunter auch leichte Schnellzüge beförderte. Selbst als Wendezuglokomotive im städtischen Vorortverkehr fand sie dankbare Aufgaben. Promotor der Konstruktionsarbeiten war Prof. Walter Reichel (Siemens), dem es gelang, die Schweißung in der Lokomotivfertigung durchzusetzen und in der Ausbildung der Baugruppen, darunter Drehgestelle und Brückenrahmen, Ausführungen zu finden, die den bis dahin noch wenig erforschten Anforderungen der Schweißtechnik entsprachen. Die Lokomotiven erhielten 1250mm Raddurchmesser, eine Länge über Puffer von 15.290mm und eine Stundenleistung von 2200kW (2990PS) bei 76km/h. Die 1938 gebaute und 1939 gelieferte 144.085 (früher E44.085) hat hier im Februar 1969 einen anstrengenden Winterdienst. Sie sehen sie im Schneetreiben in Wernau/Neckar. 938: 1'Do1'-Schnellzug-Lokomotive E19 02 der Deutschen Reichsbahn (DR). Ministerialrat Wilhelm Wechmann und Oberreichsbahnrat Otto Michel berichteten im Jahre 1938 in der Fachpresse über die hochgelobte E19: »Sie weist bei weitem die größte Leistung unter allen einrahmigen Lokomotivarten der Welt auf... Ein besonders schwieriges Problem war die Bremse, da die Forderung aufgestellt wurde, bei einem Signalabstand von 1000m unter Berücksichtigung der Schrecksekunde aus 180km/h Fahrgeschwindigkeit mit einem Bremsweg von 900m zum Halten zu kommen. Die Abbremsung der Triebachsen wurde deshalb zu 230%, die der nachlaufenden Laufachse zu 190%, die des voraus laufenden Radsatzes zu rund 50% angenommen. Um bei Beginn einer Bremsung die Ansprungzeit der Bremse nicht zu verlieren und um eine möglichst hoch liegende gleichmäßige Verzögerung zu erhalten, wurde eine fahrdrahtunabhängige Widerstandsbremse eingebaut, die bei Betätigung der Schnellbremse selbsttätig einschaltet.« Jede der beiden von der AEG gelieferten Lokomotiven E19.01 und E19.02 kostete die stolze Summe von 485.575 Reichsmark, ein Preis, der heute geradezu lächerlich wirkt. Die vorgenommenen Motorenversuche haben im Fahrbetrieb eine bis zu 180km/h Geschwindigkeit ansteigende Stundenleistung von 1000kW gezeigt, so dass sich insgesamt 4000kW (5400PS) registrieren ließen. Für Anfahrten und Beschleunigungen konnte bei diesen AEG-Lokomotiven gemäß Prüffeldversuchen bis zu 10 Minuten die Stundenleistung um 45% erhöht werden. Die auf

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dem Motorenprüfstand wiederholt gefahrene Höchstleistung bezifferte sich je Motor auf 1460kW bei 1032U/min (160km/h Fahrgeschwindigkeit). Das entsprach einer Lokomotivleistung von 5840kW (etwa 8000PS). 1938/1939: Bo'Bo'-Mehrzweck-Lokomotive 1245.532 der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB). Die Basis für den Entwurf dieser Baureihe 1245.5 (E45.2) bildete die ältere, im Jahre 1927 erstmals in Wiener Neustadt gebaute Reihe 1170 gleicher Radsatzfolge.Die für leichte Güterzug- und Personenzugdienste verwendete Lokomotive 1245.532, hier 1979 in Garmisch-Partenkirchen, stammt aus dem Jahre 1938. Sie erhielt damals 1350mm Raddurchmesser und einen Secheron-Feder-Antrieb. Die Stundenleistung belief sich auf 1840kW (2500PS) bei 56km/h (Höchstgeschwindigkeit 80km/h). Als Reibungsmasse brachte die Lokomotive etwa 83t auf die Waage. Die elektrische Ausrüstung besorgten die Siemens-Schuckert-Werke. Der Mechanteil entstand in Floridsdorf. 1939: (2'Bo) (Bo2')-Schnellzug-Lokomotive E428.169 der Ferrovie Italiane dello Stato (FS). Als schwerste italienische Gleichstrom-Schnellzug-Lokomotive gehört diese in Rom abfahrbereit stehende E428.169 der zweiten Serie ihrer Gattung an. Die Bauart fiel durch ihr mehrteiliges, mit Achsdruck-Umstellung versehenes Lauf- und Triebwerk besonders auf. Die vier angetriebenen 1880mm hohen Radsätze waren nicht gemeinsam in einem festen Rahmen, sondern in zwei gelenkig gekuppelten Rahmengliedern gelagert, die ihrerseits wieder durch die zweiachsigen Laufdrehgestelle geführt wurden. Die Lokomotiven leisteten stündlich 2800kW (3800PS) bei 80km/h und einer Getriebeübersetzung von 31:101. Sie haben mehr als ein Vierteljahrhundert lang die Reisezugförderung auf dem elektrifizierten Gleichstromnetz der FS geprägt. Die letzten dieser Neubauten verließen 1943, mitten im Krieg, die Werkstätten der Industrie. Das riesige tote Gewicht von 57t bei 135t Gesamtmasse machte eine baldige Rückkehr zur laufachslosen Elektrolokomotive, wie man sie in Italien schon in den zwanziger Jahren hatte, unumgänglich. 1939: Bo'BoBo'-Einheits-Gleichstrom-Lokomotive E625.027 der Ferrovie Italiane dello Stato (FS). Diese italienische Einheitslokomotive der Baureihe E625 gehörte zu den Lieferungen des Jahres 1939 (Compagnia Generale di Elettricita/CGE und Officine Meccaniche). Die Gattungsbezeichnung bezog sich auf die Vorauslokomotiven der zwanziger Jahre und auf die Schlussbestellungen von 41 Einheiten der insgesamt 448 in Betrieb genommenen Lokomotiven. Zuletzt erstreckte sich die Nummerung mit E625 hauptsächlich auf die Getriebeübersetzung für den Güterzugdienst. Diese Notwendigkeit einer eigenen Gattungsbezeichnung erwies sich jedoch nicht als zwingend, so dass man umzeichnete und die auf dem Werkfoto abgebildete Lokomotive später die Betriebsnummer E626.434 trug. Eine Besonderheit aller Lokomotiven E626/E625 bildete das Fahrwerk mit zwei fest im Hauptrahmen gelagerten, mittig angeordneten Triebradsätzen und je einem vorn und hinten angelenktem zweiachsigem Schwenkgestell, womit sich die merkwürdige Radsatzfolge Bo'BoBo' ergab. Die Längsträger des Hauptrahmens reichten über die zweimotorigen Schwenkgestelle hinweg und stützten sich auf sie mit Hilfe eines Systems von Längsausgleichhebeln. Die drei Hauptfahrstufen wurden durch Reihenschaltung der sechs Tatzlager-Motoren, Parallelschaltung in zwei Gruppen zu je drei Motoren oder in drei Gruppen zu je zwei Motoren erzielt. Für weitere Zwischenstufen sorgte die Feldschwächung. Versuche mit elektrischer Bremse und mit Wendezugsteuerung hatten diesen Lokomotiven den Charakter von so genannten Erprobungsträgern verliehen. Einige Einheiten verschlug es im Krieg nach Jugoslawien (dort E361) und in die Tschechoslowakei (E666). 1939: Die Leistungsfähigste: 1'Do1'-Schnellzug-Lokomotive E19.11, Reihe E19-1, der Deutschen Bundesbahn (DB). Die Entwicklung elektrischer Lokomotiven der dreißiger Jahre bildete den Übergang vom Kuppelstangen-Triebwerk zum Einzelachs-Antrieb. Auf die hoch gelagerten Gestell-Motoren konnte jedoch noch nicht bei allen Konstruktionen verzichtet werden. Zur Erzeugung der verlangten enormen Leistungen des Schnellzugdienstes verfügte man noch nicht über zuverlässige Motorentypen, die räumlich so kleine Abmessungen hatten, dass sie wie bei den Personen- und Güterzuglokomotiven - zwischen die Räder, also ins Fahrwerk gepasst hätten. Der lange schwere Hauptrahmen blieb deshalb eine Notwendigkeit, ebenso wie auch der bei Schnellzug-Lokomotiven jeweils führende Laufradsatz, um die Schlingerbewegungen zu dämpfen und die noch zu großen Lokomotivgewichte aufzunehmen. Die von Siemens und Henschel für die Deutsche Reichsbahn gebauten E191-1 und E191-2 waren Alternativ-Konstruktionen zu den 1938 erschienenen AEG-Lokomotiven E190-1 und E190-2. Dem zufolge hatten die im Erscheinungsbild ziemlich angeglichenen Maschinen auch dasselbe Leistungsprogramm zu erfüllen. Die E191-1 (Foto) wurde im September 1939 der Reichsbahn übergeben und im folgenden Jahr amtlich abgenommen. Ihre Höchstleistung betrug 5700kW (7750PS) bei 162km/h. Sie war genauso wie ihre Schwester-Lokomotiven bis zum Dienstbeginn der DB-Lokomotiven E03 die leistungsfähigste deutsche Schnellzug-Lokomotivbauart. Ihre Stundenleistung stand mit 4080kW (5550PS) in den

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Handbüchern. 1939: 1'Do1'-Schnellzug-Lokomotive 119 011 der Deutschen Bundesbahn (DB). Die frühere E19.11, hier gleich nach der Umnummerung im für sie »abwertenden« Nahverkehrsdienst in Mülheim (Ruhr), ereilte gegen Ende 1975 die Ausmusterungsverfügung. Einst, bei Lieferung hatten die Hersteller diesen »edlen Renner« für 180km/h Höchstgeschwindigkeit angeboten, wobei man noch auf die Konstruktionsgeschwindigkeit von 225km/h verwies, wenngleich die Lokomotive wegen der Kriegsereignisse nie systematischen Hochgeschwindigkeitsversuchen unterzogen worden ist. Bei der DB billigte man ihr 140km/h, dann nur noch 120km/h zu. Jedenfalls erhielt die 111t wiegende Einphasen-Wechselstrom-Lokomotive mit 1600mm Triebraddurchmesser - ebenso wie die E19.12 - vier achtpolige Reihenschluss-Kommutator-Doppelmotoren. Eine fahrdrahtunabhängige elektrische Widerstandsbremse, mit auf dem Dach angeordneten Widerständen, ergänzten die Druckluft-Bremsausrüstung. Zum Einsatz auf der für sie eigentlich bestimmten, einst wichtigsten deutschen Nord-Süd-Verbindung Berlin - Leipzig/Halle Nürnberg - München ist es nie gekommen.

1939: (1'A)A1A(A1')+(1'A)A1A(A1')-Hochleistungslokomotive 11852, Serie Ae 8/14, der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB). Hier sehen wir die in ihrer Zeit stärkste elektrische Lokomotive der Welt vor einem Güterzug in Göschenen. Die mit einer Spitzenleistung von 8824kW (12.000PS) entwickelte Zugkraft konnte damals allerdings wegen zu geringer Festigkeit der Zugvorrichtungen nicht voll ausgenutzt werden. Für eine vorgesehene Anhängelast von 750t und bei der höchstzulässigen Bergfahrgeschwindigkeit von 75km/h am Gotthard wurden etwa 8500PS gebraucht, so dass die elektrische Ausrüstung reichlich bemessen war. Die 1939 in Dienst gestellte und auf der Schweizerischen Landesausstellung in Zürich als Attraktion gezeigte, 110km/h schnelle Doppellokomotive war anfangs zur Beförderung von Güter- und Schnellzügen bis und ab Basel, später vorzugsweise nur noch für den Güterverkehr über den Gotthard bestimmt. Die fahrzeugtechnische Gesamtkonzeption mit abgewandelten Java-Drehgestellen stimmte mit den Vorauslokomotiven derselben Gattung im wesentlichen überein. Durch eine Perfektion der Fertigungsverfahren und der elektrischen Ausrüstung konnte jedoch das Dienstgewicht auf etwa 236t gesenkt werden. Der Hochleistungsgigant erhielt einen Adhäsionsvermehrer für ein Reibungsgewicht von 173,6t und, wie die Vorgängerin 11851, einen Winterthurer Universalantrieb. Das vierzehnachsige Riesenfahrzeug bekam außerdem eine Nutzstrom-Bremseinrichtung mit 15 Stufen (gegenüber 12 der Vorgängerin), um während der Abbremsung auf Gefällefahrt eine feinere Regulierfähigkeit zu erzielen. Im Jahre 1972 wurde die Lokomotive aus dem Betrieb genommen. Danach fand sie einen würdigen Platz im Verkehrshaus der Schweiz in Luzern. 1940: Co'Co'-Güterzug-Lokomotive E94.042 der Deutschen Bundesbahn (DB). Den beiden Reichsbahn-Baureihen E44 und E94 wurde während des letzten Weltkrieges eine so genannte »Kriegsnotwendigkeit« zugesprochen. Die Herstellerfirma AEG hatte sich also auf die Fortsetzung der 1939 begonnenen Fertigung von Lokomotiven der Baureihe E94 einzustellen. Sie wurden zur »Kriegs-Elektro-Lokomotive EL 1« erklärt und im Jahre 1940 erstmals ausgeliefert. Bis Kriegsende standen bereits 140 Einheiten zur Verfügung. Die Deutsche Bundesbahn besaß im Jahre 1956 über 124 Einheiten, nachdem einige in der DDR in den dortigen Reichsbahn-Bestand (Reihe 254) eingegliedert und in der Bundesrepublik einige Jahre nach 1945 die Produktionen wieder aufgenommen wurden. Zwischenzeitlich hatte man auch Krauss-Maffei, Krupp, Floridsdorf, Siemens und BBC in die Herstellung eingeschaltet. Krauss-Maffei montierte übrigens 1955 die letzte Lokomotive dieser Gattung, die E94.285 mit Siemens-Elektrik. Die Lokomotiven E94.262-285 und E94.141-142 erhielten eine von 90 auf 100km/h heraufgesetzte Höchstgeschwindigkeit und die neuen Betriebsnummern 194.562-585 sowie 194.541-542. Das Foto zeigt die E94.042, Baujahr 1941, während ihrer Dienstzeit als Schiebelokomotive auf der Geislinger Steige.

1941: Bo'Bo'-Personenzug-Lokomotive E 44.119 der Deutschen Bundesbahn (DB). Das ist eine »Floridsdorfer Lokomotive« aus Wien. Sie verließ dort im Jahre 1941 mit Siemens-Ausrüstung die Werkhallen und stand jahrzehntelang im Personen- und leichten Güterzugdienst der Deutschen Reichsbahn und der Deutschen Bundesbahn. Die Basiskonstruktion geht auf die 1930 als Prototyp gebaute E44.001 zurück. Auf dem Foto sehen Sie die E44.119 im für sie ungewöhnlichen Vorspanndienst. Die Aufnahme entstand 1966 in Bad Cannstatt vor dem mit der Zwillingsdampflokomotive 01.192 bespannten Eilzug Stuttgart Nürnberg.

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1941: Die Stärkste der Welt: 2'do2'-Tagebau-Zahnrad-Lokomotive der Riebeck'schen Montan-Werke. Diese Zahnrad-Lokomotive hatte die Aufgabe, täglich 20.000t Braunkohle aus der Otto-Scharf-Grube der Riebeck'schen Montan-Werke, Halle/Saale, zu fördern. Es herrschte Tag- und Nachtbetrieb, wobei etwa alle 20 Minuten ein 565t schwerer Achtwagen-Zug über eine 67-Promille-Steilrampe mit Riggenbach-Zahnstange zu bringen war. Mit vier BBC-Getriebemotoren konnten auf Bergfahrt 48.000kg Zugkraft und bei Talfahrt 65.000kg Bremskraft erzeugt werden. Damit hatte die 95t schwere und 14,1m lange elektrische Zahnrad-Lokomotive mehr an Zugkraft zu bieten als die damals stärkste Steilstrecken-Dampflokomotive für Reibungsbetrieb, die Baureihe 85 der Reichsbahn, mit »nur« rund 20.000kg. Auch der österreichische Sechskuppler mit 1'F1'-Achsfolge, Baureihe 974, konnte bei 20.000kg (Zahnstange) und 12.500 kg (Adhäsion), also insgesamt 32,5t, nicht mithalten. Esslingen baute im Jahre 1941 die abgebildete und eine zweite regelspurige 1200-Volt-Gleichstrom-Zahnrad-Lokomotive. Sie hatten nahezu 24t Achsdruck und waren die stärksten Zahnrad-Lokomotiven der Welt. Ihre Höchstgeschwindigkeit war mit etwa 12km/h (auf der Zahnstange) allerdings recht gering. Deshalb brauchte die Motoren-Stundenleistung die Größe von viermal 245 = 980kW (1330PS) nicht zu überschreiten. Das Esslinger Werkfoto entstand während des Zusammenbaues und gibt einen Blick frei auf die Widerstände der elektrischen Bremse. 1944: Co'Co'-Güterzug-Lokomotiven 1020.12 und 1020.46 der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB). In Österreich nach 1945 verbliebene Einheiten der Reichsbahn-Baureihe E94 und weiterentwickelte Nachbauten führten dort zur Gattung 1020. Verstärkte Fahrmotoren, verbesserte Steuerungen und Schalt-Ausrüstungen waren sowohl in Österreich als auch bei den Nachkriegs-Neubauten in der Bundesrepublik Deutschland selbstverständlich. Die etwa 118,5t schweren Güterzug-Lokomotiven hatten zunächst 3300kW, dann 4800kW (6520PS) Stundenleistung bei 68km/h. Die in Rosenbach 1967 entstandene Aufnahme zeigt links die Lokomotive 1020.12 (frühere E94.123 des Baujahres 1944) und rechts die 1020.46 als Nachbau des Jahres 1953. Mit dem Einbau einer Gleichstrom-Widerstandsbremse, als Ersatz für die Wechselstrombremse, hatten die ÖBB eine sich im österreichischen Gebirgsdienst lange Zeit gut bewährende Einphasen-Wechselstrom-Güterzug-Lokomotive. 1946: Co'Co'-Gleichstrom-Lokomotive, Gattung WL 221, der Eisenbahnen der Sowjetunion (SZD). Auf den 1524-mm-Breitspur-Bahnen der Sowjetunion sind mehrere Stromsysteme angewendet und erprobt worden. Behauptet hatten sich jedoch nur die Fahrleitungen mit 3kV Gleichstrom und mit 25kV/50Hz Wechselstrom. Mitte der sechziger Jahre registrierte man bereits 25.000km elektrifizierter Haupt- und Nebenbahnen (ohne Stadt- und U-Bahnen). Davon waren etwa 17.000km für Gleichstrom- und 8.000km für Wechselstrom-Betrieb eingerichtet. Mit nunmehr über 50.000km elektrifizierter Eisenbahnlinien besitzt die Sowjetunion das sicherlich größte elektrifizierte Bahnnetz der Welt. Eine der bekanntesten Standard-Elektrolokomotiven ist die Baureihe WL 221 (WL = Wladimir Lenin) aus dem Jahre 1946. Sie stellt eine verbesserte Serienlokomotive dar, die aus den Vorkriegs-Gattungen WL19 und WL 2 entwickelt worden war. Es ist eine 16.400mm lange Bauart, mit zwei Getriebeübersetzungen für 75 und 90km/h in Varianten geliefert, die eine Stundenleistung von etwa 2340kW (3180PS) aufweist. Das Foto zeigt die 132t schwere Co'Co'-Lokomotive mit einem Reisezug auf einer Strecke im Tal des Irkut (Sibirien). 1948: Bo'Bo'-Gleichstrom-Einheitslokomotive E424.143 der Ferrovie Italiane dello Stato (FS). Die auf das Jahr 1940 und auf die Studien von Alfredo d'Arbela zurückgehenden Entwürfe mussten nicht allein wegen des Krieges, sondern auch im Streit der Meinungen lange auf Verwirklichung warten. Die ersten drei Lokomotiven der Reihe E424 verließen mitten im Kriege, nämlich 1943, die Werkhallen. Damit kamen sie später als die ebenfalls von d'Arbela beeinflusste sechsachsige Parallel-Einheitskonstruktion der Gattung E636, die dann höhere Beschaffungszahlen erzielte. Die 72,4t wiegende E424, deren Serienbau 1947/1948 begann, erschien in insgesamt 158 Einheiten. Die abgebildete E424.143 (FS-Foto) wurde 1948 von Ansaldo geliefert. Ihre Stundenleistung belief sich auf 1550kW (2100PS) bei 52km/h (Höchstgeschwindigkeit 100km/h). Die E424 hatte Mehrfachsteuerung bekommen. Damit wurde es nun möglich, Planzüge in Doppeltraktion mit nur einer Lokomotivmannschaft zu fahren. Die in den Jahren 1985 und 1986 im Ausbesserungswerk Verona bei zahlreichen dieser Lokomotiven durchgeführten Umbau-Maßnahmen (Installation einer Schleuderschutz-Einrichtung, Wegfall des mittig angeordneten, mit Rollläden verschließbaren Gepäckraumes) und die Montage einer neuen, vereinheitlichten Wendezug-Steuerung (Dispositivo di telecomando integrale) bescherten dieser flinken Lokomotiven ein noch recht langes Leben.

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1949: 35 Jahre Altersunterschied: Bo'Bo'-Elektrolokomotive 428, Serie Re 4/4 I, und 1'E-Dampflokomotive 2963, Serie C5/6, der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB).

Hier kommen uns zwei Lokomotiven derselben Bahnverwaltung aus dem gleichen Herstellerwerk, der Schweizerischen Lokomotiv- und Maschinenfabrik (SLM), entgegen. Es sind die viermotorige elektrische Lokomotive Nr. 428 (später 10028) mit einer Dauerleistung am Radumfang von 2310PS (1700 kW) aus dem Jahre 1949 und auf dem Parallelgleis die dreieinhalb Jahrzehnte ältere, aus dem Jahre 1914 stammende Vierzylinder-Verbund-Dampflokomotive Nr. 2963 mit einer indizierten Dauerleistung von 1800PS (1325kW). Die elektrische Lokomotive mit 125km/h Höchstgeschwindigkeit fand ihr bevorzugtes Aufgabengebiet im Reisezugdienst, während die Dampflokomotive vor allem Güterzüge bis zu 65km/h zu ziehen hatte. 1950: 2'Do2'-Schnellzuglokomotive 9103, Region du Sud-Est, der Societe Nationale des Chemins de fer Francais (SNCF). Der in der Schweiz entstandene und auf einigen hundert Lokomotiven verschiedener europäischer und überseeischer Bahnen verwendete Buchli-Antrieb wurde letztmals im Jahre 1951 in die französischen 2'Do2'-Reisezuglokomotiven der Betriebsnrn. 9101- 9135 (Baujahre 1950 und 1951) eingebaut. Von den weltweit mit derartigen Lenkhebelantrieben nach Jakob Buchli ausgerüsteten 413 Lokomotiven waren allein 107 für französische Bahnen bestimmt. Das Foto zeigt die 18m lange Lokomotive 9103 mit doppelseitigem Buchli-Antrieb vor einem aus 18 Wagen bestehenden Schnellzug der mit 1500 Volt Gleichstrom elektrifizierten Süd-Ost-Region. Die viermotorige, häufig auf der Strecke Paris Lyon verkehrende Lokomotive hatte ein Reibungsgewicht von 88t und eine Gesamt-Dienstmasse von 144t. Sie war eine bewährte Nachfolge-Bauart der für 140km/h entwickelten 2'Do2'-Maschinen der Paris-Orleans-Bauart, erhielt jedoch mit 4000kW (5440PS) eine erhöhte Stundenleistung. 1951: Bo'Bo'-Leichtschnellzug-Lokomotive 445, Serie Re 4/4 I, der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB). Etwa drei Jahre Planungszeit waren bei der schweizerischen Lokomotivindustrie und den dortigen Bundesbahnen zur Entwicklung dieser besonders leichtgewichtigen Lokomotivgattung nötig. Die dann in zwei Baulosen, 401-426 und 427-450, hergestellten Lokomotiven galten als eine Fortsetzungskonstruktion der von der Bern-Lötschberg-Simplon-Bahn (BLS) begonnenen Entwicklung, wobei aber auch frühere Erfahrungen mit den SBB-Gepäcktriebwagen RFe 4/4 Berücksichtigung fanden. Die viermotorigen Einphasen-Wechselstromlokomotiven der zweiten Lieferung wurden 1949-1951 gemeinsam von Winterthur, BBC, Secheron und Oerlikon gebaut. Es sind leichte und schnelle »Kurvenläufer« mit nur wenig mehr als 14t Achsdruck, mit BBC-Federantrieb (1040mm Triebraddurchmesser) und zehnpoligen, im Drehgestell angeordneten Fahrmotoren. Die relativ geringe Stundenleistung von 1852kW (2520PS) genügte für den überwiegenden Talstreckeneinsatz mit Geschwindigkeiten bis zu 125km/h vollauf. Während ihrer Glanzzeit sah man die »leichtfüßigen«, nur 14,7m langen Lokomotiven im Städteschnellverkehr zwischen Genf, Zürich, St. Gallen und St. Margarethen. Der in diesem Dienst außergewöhnlich hohen Schalthäufigkeit und der erwünschten großen Schaltgeschwindigkeit wurden die Maschinen durchaus gerecht. Zum »Parade-Dienstplan« zählte ihr vorübergehender Einsatz vor dem »Rheingold«-Zug. Alle fünfzig Lokomotiven erhielten später die Betriebsnummern 10001-10050. 1951: Bo'Co'-Mehrzwecklokomotive V55 004, Reihe V55, der Magyar Ällam Vasutak (MAV). Diese ungarische 89,6t wiegende Lokomotive fällt durch ihr unsymmetrisches Bo'Co'-Fahrwerk mit nur 1040mm Raddurchmesser auf. Eine Serie solcher 14,6m langen Maschinen ist in der Zeit von 1950 bis 1954 von den Ganz-Werken in Budapest geliefert worden. Mit der Ablösung des Großmotoren-Stangentriebs durch den kleinmotorigen Einzelachsantrieb entstand der Gedanke der Kombination von Phasenumformer- und Periodenumformer-Lokomotive. Es war Kalman Kandö (1869-1931), der zuerst die Anwendung des 50-Hertz-Industriestromes für Bahnelektrifizierungen propagierte und mit seinen Entwicklungen den 50-Perioden-Strom aus dem öffentlichen Netz in die Fahrleitungen einspeisen ließ. Kandö sah eine einpolige Oberleitung mit 16kV vor. Mit Hilfe eines Phasenumformers erfolgte die Umwandlung des Einphasenstromes in Dreiphasen-(Dreh-)Strom. Die durch fünf Motoren geringen Volumens angetriebene V55 besitzt sowohl einen Phasen- als auch einen Periodenumformer. Die wirtschaftliche Drehzahl kleinerer Induktionsmotoren konnte also durch die Variation der Frequenz des Motorspeisestromes gewährleistet werden. Bei der V55 wurden die Schleifringläufer-Motoren, der Geschwindigkeit entsprechend, mit vier verschiedenen Frequenzen gespeist. Dieses damals sehr beachtete, inzwischen aber technisch überholte und gewichtsaufwendige Verfahren ist inzwischen von Schaltkreisen der Leistungselektronik verdrängt worden. Bei der V55 waren der Phasenumformer, der Periodenumformer und die Erregermaschine zu einem gemeinsamen Aggregat zusammengefasst. Die kleinste wirtschaftliche Fahrgeschwindigkeit beträgt 25, die größte 125km/h.

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1952: Bo'Bo'-Prototyp-Lokomotive E 10 003 der Deutschen Bundesbahn (DB). Die 3580kg schweren Fahrmotoren dieser Voraus-Lokomotive erhielten eine Stundenleistung von 885kW (nach VDE 0535/REB 1938) bei 70% der Höchstgeschwindigkeit oder von 950kW (nach CEI 1950) bei 91km/h. Die gemäß Isolationsklasse B zugelassenen Grenz-Erwärmungen der Wicklungen durften 105°C (nach VDE-Vorschrift) oder 120°C (nach CEI-Bestimmungen) nicht überschreiten. Die entsprechenden Limits für den Kommutator lagen bei 85 beziehungsweise 90°C. Eine Kühlluftmenge von 2,75 Kubikmeter pro Sekunde und je Motor reichte aus. Die Lokomotive E10.003 erhielt den Gummiringfeder-Antrieb. Die Erwärmung des Gummis durch die Walk-Arbeit wurde sicher beherrscht und berechtigte schon damals bei dieser Prototyp-Lokomotive in Verbindung mit sehr niedrigen Schubbeanspruchungen zur optimistischen Erwartung einer genügend langen Lebensdauer. 1952: Bo'Bo'-Prototyp-Lokomotive E 10.004 der Deutschen Bundesbahn (DB). Diese AEG-Henschel-Vorauslokomotive E10.004 wurde ebenso wie ihre vier Schwestermaschinen der Prototyp-Serie E10001 bis 005 in Zusammenarbeit mit der DB entwickelt. Die Konstruktion basiert auf den mit der Konzeption der älteren E44 geleisteten Vorarbeiten und ihrem während einer gezielten Erprobung gezeigten Betriebsverhalten. Zu den Konstruktions-Richtlinien gehörten: Spielfreie Achslagerführungen, Querkupplung zwischen den Drehgestellen, Verbesserung der Laufeigenschaften im Hinblick auf höhere Geschwindigkeiten, Vermeidung von Verschleißteilen, Anordnung der Zug- und Stoßvorrichtungen am Brückenträger und nicht an den Drehgestellen. Außerdem erhielt die E10.004 versuchsweise einen Kardan-Lamellenantrieb der Bauart Secheron. Zur Erfüllung der von der DB gestellten Bedingungen musste diese Lokomotivbauart über eine Stundenleistung von 3800kW (5160PS), eine Anfahrzugkraft von 26t und über eine Höchstgeschwindigkeit von 130km/h verfügen. Die 1952 gelieferte E10.004 wurde dem Bahnbetrieb München Hbf zugeteilt. 1952: Co'Co'-Schnellfahrlokomotive 7140, Typ CC7100, der Societe Nationale des Chemins de fer Francais (SNCF). Frankreich besitzt eines der großen 1500-Volt-Gleichstrom-Bahnsysteme, für die auch diese bedeutenden sechsachsigen Schnellzuglokomotiven der Gattung CC7000 (Prototyp) und CC7100 konstruiert worden sind. In den Entwicklungsabteilungen der SNCF und der französischen Lokomotivindustrie wurden das Dienstgewicht mit rund 106t, die maximale Betriebsgeschwindigkeit mit 160km/h, die zulässige Höchstgeschwindigkeit mit 180km/h und die Stundenleistung mit 3700kW (5032 PS) bei 80km/h »vorausgedacht«. Für die Steuerung sah man drei Motorgruppierungen der einzubauenden sechs Halbspannungsmotoren vor. Die Lokomotiven erhielten dann voll abgefederte, in den beiden Drehgestellen angeordnete Motoren mit Alsthom-Gelenkantrieben. Die ersten Lieferungen dieser fast 19m langen Lokomotiven (mit 1250mm Raddurchmesser) gingen im Jahre 1952 an die Bahnverwaltung, nachdem die beiden Versuchsmaschinen CC7001/7002 zuvor eingehend erprobt worden waren. Bis Ende 1955 standen 58 Einheiten der CC7100 im Dienst. Als die Lokomotive 7121 mit einem Schnellzug im Februar 1954 einen Schnellfahrrekord mit 243km/h aufstellte und ermutigende betriebstechnische Resultate brachte, rüstete die SNCF die Schwesterlokomotive 7107 mit besonderen Stromabnehmern aus und holte im März 1955 zwischen Bordeaux und Dax einen Weltrekord mit 331km/h Spitzengeschwindigkeit heraus. Die Schwesterlokomotive CC7001 hatte seit ihrer Lieferung im Juni 1949 bis zum 31.05.1986 eine Laufleistung von 8.602.751 km zu verzeichnen und damit im Verhältnis von Zeit und Fahrstrecke einen Weltrekord für Schienenfahrzeuge aufgestellt. 1952: C'C'-Verschiebelokomotive 16802, Serie Ee 6/6, der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB). Im Frühjahr 1952 nahmen die SBB zwei 90,3t schwere Einphasenwechselstrom-Lokomotiven, Betriebsnummern 16801 und 16802, in ihren Triebfahrzeugbestand auf. Sie waren konstruktionstechnisch eine Verdoppelung der dreiachsigen Verschiebelokomotiven der Serie Ee313 (16381-16414). Die beiden Triebgestelle für die Serie Ee616 erhielten untereinander eine gefederte Querkupplung. Die dem Mittelführerhaus beiderseits vorgelagerten lang gestreckten Abdeckhauben überdachten die beiden Fahrmotoren mit Lüftergruppen, die Schaltschütze, den Transformator, Ölkühler und Luftverdichter. Mit einer Stundenleistung von zweimal 520kW (1414PS) bei 26,5km/h wurde es möglich, diese starken Rangier-Lokomotiven auf großen Verschiebebahnhöfen (Basel, Zürich) zum Abdrücken schwerer Güterzüge über den Ablaufberg einzusetzen. Die Lokomotiven waren in der Lage, 2000-Tonnen-Güterzüge am Ablaufberg zu zerlegen. Die beiden Fahrmotoren arbeiteten mit einer Getriebeübersetzung von 1:6,2 und Schrägstangen auf die 1040mm-Kuppelräder. Am Radumfang konnten sie 24.000kg Anfahrzugkraft erzeugen. Und eine Länge über Puffer von 14.840mm war für SBB-Rangierlokomotiven ohnehin recht ungewöhnlich. Um für den Abdrückdienst bei Geschwindigkeiten von nur 5 bis 10km/h eine feinstufige Stoßkraftregulierung zu erhalten, verfügte der Lokomotivführer über einen Umschalter für Parallel- und Seriengruppierung der Motoren und über einen zusätzlichen Spannungsteiler. Das SBB-Foto zeigt die Lokomotive 18602 mit drei Hersteller-Schildern (SLM, BBC, Secheron).

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1952: Co'Co'-Gotthard-Lokomotive 11401, Serie Ae6/6, der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB). Die Lokomotiven der SBB-Serie Ae6/6 sind in Technik und Formgestaltung stolze und beispielhafte Vertreterinnen schweizerischer Einphasen-Wechselstrom-Lokomotiven. Jeder der sechs Radsätze wird von einem 1000-PS-Motor angetrieben, was bei diesem 6000-PS-Triebfahrzeug ein Leistungsgewicht von nur 20,3kg/PS ergibt. Die erlaubte Höchstgeschwindigkeit der 122t schweren Lokomotive 11401 und einer zweiten Probemaschine beträgt 100km/h, für die Nachfolge-Serienlokomotiven jedoch 110km/h. Die so genannte »technische Maximalgeschwindigkeit« liegt bei 125km/h. Die 18,4m lange, zur Führung von Güter- und Schnellzügen geeignete Lokomotive 11401 ist als Prototyp am 26.09.1952 für 1.625.000 Schweizer Franken an die SBB übergeben worden. Die Leistung der Motoren wird über einen »weichen« BBC-Federantrieb auf die 1260mm hohen Triebradsätze übertragen. Das Foto zeigt uns die fabrikneue Lokomotive. 1953: Co'Co'-Schnellzuglokomotive 7771, Reihe 7700, der Red Nacional de Ios Ferrocarriles Espanoles (RENFE). Die im August 1963 in Madrid-Atocha aufgenommene 3000-Volt-Gleichstromlokomotive mit 4800mm Drehgestell-Radstand hat unverkennbar ein anglo-amerikanisches Design. Und in der Tat: Im Jahre 1953 erhielten die Spanischen Nationalbahnen die ersten 20 dieser 3600PS (2650kW) Lokomotiven für 110km/h von der English Electric Co und der Vulcan Foundry geliefert. Die 119,8t schweren, für spanische Breitspur von 1670mm ausgelegten Maschinen bekamen zwei dreiachsige Barrenrahmen-Drehgestelle mit Tatzlager-Motoren und Mittelgussstück für die Drehzapfenlagerung. Mit 1220mm Raddurchmesser und einer Länge von 20.657mm über Puffer hatte man den schweren Lokomotiven, die übrigens nachbestellt worden sind, Aufgaben im nordspanischen Netz (Gebiete um Leon, Gijon und Busdongo) sowie im Raum Madrid zugewiesen. Die letzten dieser Lokomotiv-Reihe 7701-7775 sind 1958 ausgeliefert worden. 1954: Bo'Bo'-Gemischtzuglokomotive BB 13001, der Societe Nationale des Chemins de fer Francais (SNCF). Ein internationales Aufgebot von Fachleuten aus über 30 Staaten aus Ost und West nahm im Mai 1955 mit großem Interesse an einer Informationstagung der SNCF über die elektrische Zugförderung mit dem 50-Hertz-Einphasenwechselstrom-System teil. Über frühere Anwendungen und auch über die Versuche der alten Deutschen Reichsbahn auf der Höllentalbahn hinaus hatte sich nach 1945 die SNCF zur Vollelektrifizierung ihres wichtigen Teilnetzes im Norden Frankreichs mit Industriestromfrequenz entschlossen. wir sehen hier die 1954 gebaute Lokomotive BB 13001 im Jahre 1959 im lothringischen Depot von Thionville. Sie stammt aus der Reihe der ersten Beschaffungen jener fünfziger Jahre. Es handelt sich um eine Bauart mit vier achtzehnpoligen Einphasen-Kollektormotoren für zunächst 105km/h, dann 120km/h Höchstgeschwindigkeit. 1954: 1'D+D1'-Doppel-Lokomotive 12.2113, Reihe EL12, der Norges Statsbaner (NSB). Die Erzbahn im hohen Norden, deren Bau im Jahre 1877 von der schwedischen und norwegischen Regierung beschlossen wurde, stellte an die Lokomotivbauer ganz besondere Anforderungen. Doch der Bedarf ließ vorläufig noch auf sich warten. Die 475km lange Strecke zwischen Lulea und Narvik ist auf ihrer ganzen Länge erst 1902 in Betrieb genommen worden. Davon entfielen 433km auf die Lappland-Bahn (Lulea - Riksgransen) und 42km auf die Ofoten-Bahn (Riksgransen - Narvik). Und seit Mitte 1923 wird die gesamte Strecke durchgehend elektrisch mit Einphasen-Wechselstrom von 15kV und 15Hz (dann 16,67Hz) betrieben. Als man nach dem zweiten Weltkrieg die Zuggewichte auf der Lapplandbahn .von bisher 1900t auf mindestens 3100t erhöhen wollte, mussten Doppel-Lokomotiven her. Die Schwedischen Staatsbahnen (SJ) beschafften in den Jahren von 1953 bis 1961 insgesamt 19 Lokomotiven der Baureihe Dm, denen 1970 noch eine weitere folgte. Im Jahre 1954 schlossen sich die Norwegischen Staatsbahnen mit einer Bestellung auf vier Doppellokomotiven, Baureihe EL12, an. Auf dem NSB-Pressefoto sehen wir einen norwegischen Erzbahn-Riesen aus den ASEA-Werkstätten. Um auf 19t Achsfahrmasse und damit zu einem möglichst großen Dienstgewicht zu kommen, musste Ballast eingebaut werden, so dass die Mammut-Lokomotive rund 180t auf die Waage brachte. Bei einer Nennleistung von 3700kW (5000PS) »schafft« sie 3500-Tonnen-Züge, wobei kurzzeitig 5880kW (8000PS) aufgebracht werden müssen. Die Kuppelstangen für die 1530mm im Durchmesser messenden Treibräder besitzen teils Gleit-, teils Wälzlagerungen. Die Länge der Lokomotive beträgt 25,1m.

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1955: Bo'Bo'-Gemischtzuglokomotive BB 13007, der Societe Nationale des Chemins de fer Francais (SNCF). Die gewaltigen Anstrengungen der SNCF nach Ende des zweiten Weltkrieges galten vor allem dem verkehrswirtschaftlich anstrebenswerten Ziel, mit den Mitteln damals neuzeitlicher Eisenbahntechnik die Wettbewerbsbedingungen der Bahn zu verbessern. Man hat in Frankreich mit bemerkenswertem Aufwand und Beharrlichkeit, mit technischem Können, Versuchen und betriebswirtschaftlichen Mitteln die Grundlagen für eine Bewertung der sich schließlich bewährenden 50-Hertz-Traktion (mit 25kV Fahrleitungsspannung) geschaffen. Der Fotograf hat hier eine lothringische Strecke zwischen Luxemburg und Hagondange mit einem in 50-Hz-Traktion gefahrenen Güterzug aufgenommen. Die 84t schwere, im Jahre 1955 gebaute Lokomotive erhielt eine Stundenleistung von 2135kW (2880PS) bei 65km/h. Mit einem Triebraddurchmesser von 1250mm, einer Getriebeübersetzung von 2,607:1 wurden für die 15,2m lange Drehgestell-Lokomotive 120km/h Geschwindigkeitsmaximum zugelassen. 1955: Bo'Bo'-Reise- und Güterzuglokomotive 123.018, Reihe 123, der Societe Nationale des Chemins de fer Belges (SNCB). Belgien hat die selbe Eisenbahntradition wie Deutschland: In Belgien fuhr die erste Eisenbahn im Jahre 1835, dort jedoch zwischen der Hauptstadt Brüssel und Mecheln. 100 Jahre später wurde die gleiche Strecke, bis Antwerpen verlängert, als erster belgischer elektrifizierter Bahnabschnitt in Betrieb genommen. Dieser verhältnismäßig späte Elektrifizierungsbeginn hatte den Vorteil, die Erfahrungen anderer Länder zu nutzen. Es gab kaum eine Diskussion über das sinnvollste Bahnstromsystem. Nur 3000 Volt Gleichstrom kam in Betracht, nachdem es um 1930 gelungen war, betriebssichere Quecksilberdampf-Gleichrichter herzustellen. Die belgische Nationale Eisenbahn-Gesellschaft fing zunächst mit den elektrischen Triebwagen an, und erst einige Zeit danach folgten die elektrischen Lokomotiven der Baureihen 101, 120, 121 und 122. Die jüngere Serie 123 aus dem Jahre 1955 unterschied sich von ihren Vorgängerinnen besonders durch das außer gewöhnlich große Reibungsgewicht von 93,3t und durch die elektrische Nutzbremse. Die für 125km/h Höchstgeschwindigkeit zugelassenen 123er Lokomotiven bekamen vier Gleichstrom-Reihenschlussmotoren in Tatzlager-Bauweise sowie ein motorisch angetriebenes Nockenschaltwerk für 21 Serie-Fahrstufen, 19 SerieParallel-Stufen und 10 Shunt-Stufen (Feldschwächungsgrad bis 72%). Man rechnete mit einer Stundenleistung von 1885kW (2563PS) bei 48 km/h. Das SNCB-Cinephoto entstand während der letzten belgischen Dampflokomotivtage. Es zeigt die E-Lok 123.018 (1262mm Raddurchmesser) neben der Dampflok 7.034.

1956: Bo'Bo'-Schnellzug-Lokomotive E10.107 der Deutschen Bundesbahn (DB). Die 1956 von Krauss-Maffei an die DB übergebene Lokomotive E10.107 war Bestandteil der Serien-Lieferungen des ersten Bundesbahn-Elektrolokomotiv-Typenprogrammes, das drei vierachsige (E10, E40 und E41) sowie eine sechsachsige Gattung (E50) enthielt. Es waren allesamt Drehgestell-Lokomotiven mit Einzelachsantrieb. Schon im Erscheinungsbild sah man den Grundsatz der Vereinheitlichung. Für den Laien war es beispielsweise recht schwer, die vierachsigen Bo'Bo'-Gattungen äußerlich zu unterscheiden. Unterschiedsmerkmale waren im wesentlichen lediglich die Dachaufbauten und die Zahl der Seitenfenster und Lüftungsgitter. Alle diese Einheitslokomotiven hatten die gleichen Achs-Ausführungen, Achslagerungen, Drehzapfen, Drehzapfenlager und Gummiringfeder-Antriebe. Nur bei der E50 sind für Vergleichszwecke noch 25 Lokomotiven mit dem konventionellen Tatzlager-Antrieb ausgerüstet worden. Die auf dem Krauss-Maffei-Werkfoto abgebildete Lokomotive hat Gummiringfeder-Antrieb, der erstmals im Experiment in einer E44 und dann in der DB-Prototyp-Lokomotive E10.003 angewendet wurde. Die Versuche ergaben, dass die von den Schienen- und Weichenstößen hervorgerufenen, über die Triebradsätze auf den Tatzlager-Motor übertragenen Stoß-Beschleunigungen, besonders bei höheren Geschwindigkeiten; etwa fünf- bis zehnmal so groß sind wie die auf einen »schwebend« aufgehängten Motor des Gummiringfeder-Antriebes. Die stoßempfindlichen Fahrmotoren werden demzufolge mit Gummiringfedern wesentlich mehr geschont und erreichen dadurch auch höhere Laufleistungen. 1956: Bo+Bo-Tandem-»Zweikraft«-Lokomotive der Dortmunder Bergbau GmbH. Im Grubenbetrieb der »Zeche Minister Stein« des Dortmunder Bergbaues hatte sich diese gefällige, im Jahre 1956 von Siemens und der Schalker Eisenhütte gebaute Gleichstrom-Lokomotive bewährt. Sie fuhr auf nur 750mm Spurweite mit insgesamt vier Gleichstrom-Tatzlager-Reihenschlussmotoren zu je 15kW, zusammen 60kW (rund 81PS) Nennleistung, bei 220V Fahrdraht oder 216V Batteriespannung. Die Entwicklung solcher, etwa 20t wiegenden Kleinprofil-Lokomotiven resultierte aus der Kombination von Akkumulatoren-Lokomotive mit angehängtem Schlepptender als Batterieträger und Fahrdraht-Lokomotive. Die Batterien dienten mit Kapazitäten von 200 bis 500 Ampere-Stunden als befristete Energiequelle zur Fahrt in Oberleitungs-Schutzbezirken.

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1957: Bo'Bo'-Reisezug-Lokomotive 13.2136, Klasse E113, der Norges Statsbaner (NSB). Die eisenbahntechnische Erschließung Norwegens, des Landes der Fjorde und Fjelde, hatte sich in ihren Anfängen auf schmalspurige Stichbahnen beschränkt. Und auch im späteren Regelspurbetrieb hatten die Bahnbauer noch immer ihre Probleme. Auf den windigen Hochflächen macht die Freihaltung der Strecken - trotz Schneeschutzzäunen und Schutzbauten - den Einsatz leistungsfähiger Schneeschleudern notwendig. Die Lokomotiven erhielten breite und großflächige Bahnräumer. Die elektrifizierten Strecken werden mit Einphasen-Wechselstrom von 15kV/16,67Hz - wie in Deutschland, Österreich und in der Schweiz - gespeist. Sie sehen eine typische vierachsige elektrische Drehgestell-Lokomotive der Nachkriegsgeneration. Es ist die 72t schwere E113 (Nr.13.2136), die in den Jahren 1957 bis 1959 für 100km/h Höchstgeschwindigkeit beschafft wurde und bis 1966 eine Auflage von insgesamt 37 Einheiten erfuhr. Einige von ihnen hatten 115km/h Geschwindigkeitsmaximum. Die hier in Oslo, im Juni 1973 vor einem Schnellzug abfahrbereit stehende Lokomotive ist 15m lang, hat 1350mm Triebraddurchmesser und leistet stündlich 2650kW (3600PS). 1958: Bo'Bo'Bo'-Schnellzug-Lokomotive E646.006 der Ferrovie Italiane dello Stato (FS). Die beiden Lokomotivkasten-Hälften dieser in großen Stückzahlen gebauten 3-kV-Gleichstrom-Lokomotive ruhen auf drei voneinander unabhängigen Triebdrehgestellen. Die Achslast des mittleren Drehgestelles beträgt nur 16,4t, die der beiden führenden Drehgestelle jedoch 18,8t, womit sich eine Dienstmasse von 108t ergibt. Diese Achsdruck-Disposition und die gesamte Laufwerk-Anordnung versprachen, wie bei den Vorgänger-Lokomotiven E636, eine gute Kurvengängigkeit bei geringem Verschleiß und eine schnellere Fahrt im Gleisbogen. Jeder in Zylinderrollenlagern angeordnete Radsatz wird von einem im Drehgestell eingebauten Doppelmotor über Lenkhebel und tanzendem Ring angetrieben. Die Stundenleistung wurde anfangs mit 3750kW (5100PS) bei 98km/h angegeben. Seit den Erstlieferungen im Jahre 1958 sind die Lokomotiven in zahlreichen Variationen, unter zwei Baureihen-Bezeichnungen (E646 und E645), mit verschiedenen Getriebe-Übersetzungen (25:64, 21:68, 20:69), also auch für den Güterzug- und Wendezug-Dienst gebaut oder umkonstruiert worden. Die technischen Daten weisen deshalb beträchtliche Unterschiede auf. Nach UIC-Standard wird die Leistung der Serienlokomotiven mit 3980kW stündlich definiert. Die für 145km/h Höchstgeschwindigkeit gebauten Lokomotiven sind im Güterzugdienst bei der jeweils zugehörigen Übersetzung für 110 und 120km/h zugelassen. Das Foto zeigt die 1959 gelieferte Lokomotive E646.006 vor einem Schnellzug. 1959: Bo'Bo'-Gemischtzug-Lokomotive 20200, Gattung BBM/1, der Indian Railways. Diese 74t schwere 1676-mm-Breitspur-Lokomotive entstand im Rahmen der Arbeitsgemeinschaft für Planung und Durchführung von 50-Hertz-Bahn-Elektrifizierungen. Am Bau dieser erstmals im Jahre 1959 gelieferten Gattung beteiligten sich Krauss-Maffei, Krupp, Alsthom, AEG, BBC, Jeumont, Siemens und einige andere.Die unter 25-kV/50-Hz-Oberleitung fahrenden, mit zwei wassergekühlten Ignitrons ausgerüsteten viermotorigen Maschinen haben eine Stundenleistung von 2228kW (3030PS) bei 51km/h. Ihre sonstigen Merkmale sind der Hohlwellen-Kardan-Antrieb, das zwanzigstufige Hochspannungsschaltwerk und der Raddurchmesser von 1150mm. Die Lokomotiven werden im gemischten Dienst mit bis zu 112km/h Höchstgeschwindigkeit eingesetzt. 1960: Die Größte der Weit: 1'D+D+D1'-Erzbahn-Triplex-Lokomotive 976, Reihe Dm3, der Schwedischen Staatsbahnen (SJ). Das ist die in ihrer Zeit größte elektrische Fahrleitungs-Lokomotive der Welt! Sie ist 35,25 Meter lang, wiegt fast 260t und kann 50 Erzwagen von je 100t, also 5000t Anhängelast ziehen. Diese dreiteiligen Riesen wurden als Baureihe Dm3 erstmalig im Jahre 1960 in Dienst gestellt. Dabei handelt es sich eigentlich um Triebfahrzeuge der Reihe Dm, denen eine Mitteleinheit hinzugefügt worden war. Die nachbestellten Dm3-Maschinen sind in ihrer Leistungsfähigkeit noch gesteigert worden, so dass eine Stundenleistung von sechsmal 1200kW = 7200kW (9800PS) herauskam, wobei die Leistungsspitze kurzzeitig bis auf 14.000PS erhöht werden konnte. Auf dem SJ-Foto ist die Lokomotive 976 zu sehen, die vorwiegend für den Einsatz zwischen Kiruna und Narvik unter 15-kV-Fahrleitung (16,67Hz) vorgesehen wurde. Mit ihrer Entwicklung war das Ende der schwedischen Anwendung von Kuppelstangenantrieben vorgezeichnet. 1961: Bo'Bo-Reisezug-Lokomotive E 11.002 der Deutschen Reichsbahn (DR) in der DDR. Die im mitteldeutschen Streckennetz um Leipzig, Halle, Dessau und Magdeburg einst bestandene elektrische Zugförderung ist nach Kriegsende 1945 vollständig demontiert worden. Der allmähliche Wiederaufbau begann dann erst schrittweise 1953. Ein elektrischer Betrieb kam zunächst mit noch vorhandenen älteren Lokomotiven der Baureihen E04, E05, E17, E18, E44, E77, E94 und E95 langsam wieder in Gang. Verhandlungen mit der Bundesrepublik über einen möglichen Nachbau der E10 zerschlugen sich bereits im Anfangsstadium. Im Februar 1961 erschienen schließlich die

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ersten beiden eigenen Prototyp-Lokomotiven E11.001 und E11.002, die das nunmehr volkseigene Lokomotiv-Werk in Hennigsdorf (früher AEG-Borsig) in Zusammenarbeit mit dem technischen Zentralamt der Reichsbahn in der DDR entwickelt hatte. Die als Mehrzweck-Lokomotive, für 15-kV-Einphasen-Wechselstrom-Oberleitung konzipierte E11 ist dann in den Jahren 1961 bis zum Frühsommer 1962 mit und ohne Last zahlreichen Messfahrten, beispielsweise auf der Strecke Halle - Weißenfels (siehe Foto) unterzogen worden, um mögliche Schwächen zu beseitigen und zuverlässige Serien-Ausführungen produzieren zu können. Im Juli 1968 wurden die auch vor Güterzügen erprobten, 16.320mm langen Lokomotiven in 211.001/002 umgenummert. 1961: Im Führerstand: (Bo/b) (b/Bo)-Reibungs- und Zahnradbahn-Lokomotive Nr. 201 der Ferrocarriles del Estado de Chile, Transandino por Juncal. Auf der geneigten Pultfläche des Führerstandes sieht man das große Handrad des Steuerschalters, den Wendeschalter, den Handgriff für die Umschaltung von Adhäsions- auf Zahnstangenbetrieb sowie den Bremssteuerschalter für die bei Zahnradlokomotiven vorgeschriebenen Steilstrecken-Sicherheitsbremsen. Ganz rechts sind die beiden Westinghouse-Druckluft-Bremsventile zu sehen. Es handelt sich hier um eine vierachsige Drehgestell-Lokomotive, die in zwei Einheiten (Nrn. 201 und 202) von der SLM in Winterthur und von BBC für den gemischten Reibungs- und Zahnstangenbetrieb auf der meterspurigen Chilenischen Transandenbahn gebaut und 1961 geliefert wurde. Die beiden 59t schweren Gleichstromlokomotiven (2,7 bis 3kV) erhielten vier Motoren, die stündlich 4x365=1460PS (1075kW) leisteten. Bei nur 900mm Triebrad-Durchmesser wurden 60km/h, auf 80 Promille Steigung jedoch nur 25km/h Höchstgeschwindigkeit vorgeschrieben. Der Adhäsionsmechanismus konnte während der Fahrt auf der Abt'schen Zahnstange durch eine Druckluft beaufschlagte Kupplung abgeschaltet werden. Anzeigegeräte und Meldelampen der Instrumententafeln des Führerstandes gaben dem Lokomotivführer den jeweiligen Betriebszustand an.

1961/1962: Bo'Bo'-»Rheingold«-Lokomotive E10.1243 der Deutschen Bundesbahn (DB). Der legendäre, im Jahre 1928 erstmals das reisende Publikum begeisternde »Rheingold-Zug« verschwand bei Kriegsbeginn 1939 aus den Fahrplänen. Eine Nachfolge-Zuggarnitur erschien dann bei der DB im Mai 1951 als »Rheingold-Express« F 163/164. Aber erst 1962, mit der abschnittsweisen Einführung von Geschwindigkeiten bis zu 160km/h, knüpfte die DB mit ganz neuen Wagen, darunter solche mit Aussichtskuppeln, an die alte »Rheingold«-Tradition an. Doch geeignete Prestige-Lokomotiven gab's zunächst noch nicht. Es kamen dafür vorläufig Serien-Elektrolokomotiven der Einheitsbauart E10 in Betracht, deren Getriebeübersetzung für 160km/h Plangeschwindigkeit eingerichtet wurde. Das Krauss-Maffei-Foto macht uns mit der E10.1243 in angepasster Blau-Elfenbein-Lackierung vertraut. Es ist eine der sechs, in den Jahren 1961/1962 in München umgebauten »Rheingold«-Lokomotiven E10.1239/1244 (eigentlich E10.239-244), die für den Parade-Zug ausgewählt worden waren, aber schon bald ihren moderneren Schwesterlokomotiven das Feld räumen mussten. 1962: Bo'Bo'-Schnellzug-Lokomotiven E10.1265 der Deutschen Bundesbahn (DB). Das ist die erste der damals neuen Lokomotiven einer späteren Baureihe 112, hier noch mit der Gattungsbezeichnung E10-12 in den Bestandslisten. Diese E10.1265 (dann 112.265) wurde als Debütantin mit neuer »windschnittiger« Kopf- und Kastenform am 29.10.1962 in den Dienst übernommen. Die elektrische Ausrüstung entsprach den Serien-Lokomotiven E10, während die Drehgestelle lauftechnisch verbessert wurden. In den offiziellen technischen Beschreibungen stehen folgende Hauptdaten: Nennleistung nach VDE 0535 bei 120km/h Geschwindigkeit 3700kW (5032PS), Stundenleistung 3240kW (bei 70% der Höchstgeschwindigkeit von 160km/h), 1250mm Raddurchmesser, Gummiringfeder-Antrieb mit zweiseitigem Stirnradgetriebe und Getriebe-Übersetzung 1:1,91. Eine Lackierung in Rot und Beige zeichnet diese Lokomotiven besonders aus. Krauss-Maffei und Siemens sind die Erbauer. 1962: Bo'Bo'-Güterzug-Lokomotive E42.004 der Deutschen Reichsbahn (DR) in der DDR. Als Parallel-Konstruktion zur E11 wurden im Jahre 1962 die ersten Güterzug-Lokomotiven der Reihe E42 in Hennigsdorf vorgestellt. Äußerlich war die E42 nur durch die verschiedenen Anschriften von der E11 zu unterscheiden. Das entscheidende Merkmal lag in der geänderten Getriebeübersetzung und in der Bremsausrüstung. Das DR-Foto der fabrikneuen E42.004 vermittelt den Gesamteindruck einer sachlichen Formgestaltung, wie sie in Hennigsdorf auch für die zuvor entstandenen polnischen Gleichstrom-Lokomotiven entworfen worden war. Die E42 entfaltet eine Stundenleistung von 2920kW (3970PS) bei 71km/h, hat eine Anfahrzugkraft von 30,8t und eine Höchstgeschwindigkeit von 100km/h. Von 1970 an lautete ihre neue Stamm-Nummer statt E42 nunmehr 242.

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1963: B’B’-Gemischtzug-Lokomotive V43.1005 der Magyar Allam-Vasutak (MAV). Das ist eine über Landesgrenzen hinausreichende Entwicklung des Jahres 1963. Ziel war es, mit dieser Silizium-Gleichrichter-Lokomotivbauart V43 den absehbaren Bedarf an Triebfahrzeugen für die elektrifizierten ungarischen Hauptstrecken weitgehend zu decken. Die Konstruktion basiert auf den Projekten der »Arbeitsgemeinschaft für Planung und Durchführung von 50-Hertz-Bahnelektrifizierungen«, in der deutsche, französische und schweizerische Firmen zusammenarbeiteten. An der Konzeption des mechanischen Teiles der Lokomotive beteiligte sich auch Krupp in Essen. Lizenzfertigungen der V43 gab es in den Budapester Ganz-Elektro-Werken (elektrische Ausrüstungen) und in den Ganz-MAVAG-Fabriken. Die Einmotoren-Drehgestelle glichen in den Grundzügen den französischen Ausführungen. Jedes Drehgestell erhielt einen Antrieb durch je einen achtpoligen Gleichstrom-Reihenschlussmotor, der über Gleichrichter aus der Fahrleitung (25kV/16kV) gespeist wurde. Die Stundenleistung belief sich auf 2290kW (3115PS) bei 52km/h. Bei 1180mm Raddurchmesser können 700t schwere Schnellzüge in der Ebene mit 130km/h, 900-Tonnen-Güterzüge mit bis zu 100km/h befördert werden. 78t Dienstmasse brachte die einzelne Lokomotive auf die Waage. 1963: Bo'Bo'-Schnellzuglokomotive 11212, Serie Re 4/4-II, der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB). Die Schweizerische Lokomotiv- und Maschinenfabrik Winterthur (SLM) schrieb im Jahre 1982 in ihren »Technischen Mitteilungen«: ,Möglichst hohe Durchschnittsgeschwindigkeiten können nur durch solche Triebfahrzeuge erreicht werden, welche die vorhandenen engen Kurven mit einer relativ hohen Geschwindigkeit befahren können. Zudem müssen diese Lokomotiven ein hohes Beschleunigungsvermögen aufweisen, um nach Geschwindigkeitsverminderungen, die vorwiegend kurvenbedingt sind, möglichst rasch die Streckengeschwindigkeit wieder zu erreichen. Auch für diesen Betriebseinsatz müssen die Lokomotiven ein großes Zugkraftvermögen und damit eine gute Ausnutzung des angebotenen Haftwerts zwischen Rad und Schiene aufweisen. Im Hinblick auf diese Aufgabe wurde in der Schweiz die heutige Standardlokomotive der SBB, die RE 4/4-II, gebaut, von der bis 1985 rund 270 Einheiten im Betrieb stehen werden ...' Das Foto macht uns mit einer solchen, stündlich 4780kW (6500PS) bei 100km/h leistenden Lokomotive bekannt, hier während der »Ouverture gastronomiaue du Centenaire de I'Orient Express« mit Sonderzug-Bereitstellung am 20.03.1983 in Zürich. Die ersten sechs Prototyp-Lokomotiven Re 4/4-II mit 20t Achsdruck, 1260mm Triebraddurchmesser und 140km/h Maximalgeschwindigkeit sind schon 1963 erprobt worden. Einige der späteren Lokomotiven waren in einer Rot-Creme-Lackierung auch für die TEE-Züge »Helvetia« und »Roland« bestimmt. 1963: Bo'Bo'-Reisezug-Lokomotive 1042.616 der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB). Nach der Rückkehr von der Konstruktion laufachsloser sechsachsiger Co'Co'-Lokomotiven zur vierachsigen Bo'Bo'-Bauart entstand im Jahre 1963 diese ziemlich universell, auch für TEE- und Intercity-Züge verwendbare ÖBB-Reihe 1042. Mit Gummiringfeder-Antrieb, kombinierter elektrischer Nutz- und Widerstandsbremse, Schleuderschutz und Elektronik-Bauelementen für Überwachungsfunktionen stand den ÖBB eine sehr leistungsfähige (stündlich 4000kW bei 102km/h) und technisch recht gut ausgestattete Lokomotive zur Verfügung. Anfangs hatte man Motoren mit etwas geringerer Stundenleistung (3560kW bei 89km/h) vorgesehen. Doch die Anschlusslieferungen enthielten dann nicht nur die stärkeren Motoren, sondern auch Getriebe-Übersetzungen für 150 statt 130km/h. Die 83t schweren und 16.220mm langen Lokomotiven fahren auch im grenzüberschreitenden Verkehr wie hier vor dem TEE »Blauer Enzian« im Jahre 1976 in München (DB-Pressedienstbild). 1042.616 ist im Jahre 1973 gebaut worden. 1964: Bo'Bo'-Reisezug-Lokomotive E11.020 der Deutschen Reichsbahn (DR) in der DDR. Bis zum Jahresende 1962 waren 15 Serien-Lokomotiven der Baureihe E11 in Betrieb genommen worden. Während die Probelokomotiven schaltungs- und antriebstechnisch einige konstruktive Unterschiede aufwiesen, brachte man in die Serien-Ausführungen das Prinzip der Normbauweise mit Austauschbarkeit hinein. Und im Juni 1961 meldete die Ost-Berliner Fachzeitschrift »Die Werkstatt«; Ohne Zuhilfenahme von Lizenzen aus Westdeutschland entstand im VEB LEW »Hans Beimler« Hennigsdorf der Prototyp einer Serie von etwa 100 Lokomotiven, die in den nächsten Jahren zur Erneuerung des Elektrolokomotivparks der DR gebaut werden sollen. Die vier Wechselstrom-Tatzlager-Motoren waren zwölfpolig und erzielten eine Stundenleistung von je 700kW, insgesamt also 2800kW (3800PS) bei 98km/h. Über die zugelassene Höchstgeschwindigkeit herrscht Unklarheit. Das DDR-Eisenbahn-Jahrbuch nennt 110km/h, das Lok-Magazin 140km/h und die VDI-Nachrichten 120km/h. Sie sehen hier die Serien-Lokomotiven E11.020 als attraktives Schau-Objekt im Oktober 1964 in Ost-Berlin. Die Maschine hat 1350mm Raddurchmesser und wiegt 82,5t. Eine für den Güterzugdienst hergestellte Variante bekam lediglich eine andere Getriebeübersetzung und die Stamm-Nummer E42. Die E11 (später 211) fand indessen Aufgabengebiete auch im Verkehr auf der Leipziger S-Bahn.

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1965: Erstmals in Europa: Co'Co'-Schnellfahr-Lokomotive E03 001 der Deutschen Bundesbahn (DB). Die Entwicklung einer deutschen Schnellfahr-Lokomotive begann im März 1961 mit der Aufforderung der DB an die Industrie, Vorschläge für eine Co'Co'-Elektrolokomotive einzureichen, die mit 200km/h Fahrplangeschwindigkeit verkehren kann. Die von Rheinstahl-Henschel und Siemens erarbeiteten Entwürfe führten dann im Jahre 1962 zur Auftragserteilung über vier Voraus-Lokomotiven E03.001-004. Die erste wurde mit einem so genannten Verzweigungsgetriebe ausgestattet und am 11.02.1965 der DB übergeben. Es folgten die amtliche Abnahme und die Versuchsfahrten zwischen Forchheim und Bamberg. Danach wurde am 26.06.1965 erstmals in Europa ein fahrplanmäßiger Reisezug, von München nach Augsburg, mit einer Geschwindigkeit von 200km/h gefahren. Dieser verheißungsvolle Auftakt fand dann seine Fortsetzung während der Internationalen Verkehrs-Ausstellung bis zum 03.10.1965 mit Pendel-Schnellfahrten zwischen München und Augsburg. Das Bundesbahn-Pressefoto zeigt die in Zusammenarbeit von Industrie und DB entwickelte E03.001 im späteren Plandienst mit einem Fernschnellzug vor dem Ulmer Münster auf der Donaubrücke. 1965: Co'Co'-Schnellfahr-Lokomotive E03.002 der Deutschen Bundesbahn (DB). Die E03.002, eine der vier im Jahre 1965 abgelieferten Voraus-Lokomotiven dieser Gattung, hatte abweichend von ihrer Schwester E03.001 einen von Siemens angegebenen Gummiring-Kardan-Antrieb, der auch in späteren Serien-Lokomotiven eingebaut wurde. Der entscheidende Vorteil dieser Antriebsform ist ihre »elastische Kinematik«, wobei auch bei einer Auslenkung der Achswelle gegenüber der Hohlwelle am Fahrmotor alle Übertragungselemente praktisch zentrisch laufen und somit keine zusätzlichen Unwuchten erzeugen. Die E03.002, hier im Jahre 1965 auf Schnellfahrt zwischen München und Augsburg, erhielt zwölfpolige Wechselstrom-Reihenschlussmotoren und ein motorisch betriebenes 39stufiges Hochspannungs-Schaltwerk. Bei den späteren Lokomotiven wurden betriebsbedingte konstruktive Änderungswünsche berücksichtigt, was auch zur Erhöhung der Reibungsmasse von rund 110t auf 117,55t führte. Das Gesamtmaß über Puffer hatte man von der Lokomotive 103.216 an um 70cm auf 20,2m verlängert, um die Führerräume vergrößern und eine Heizung installieren zu können. Die Lokomotive 103.118 bekam eine andere Getriebeübersetzung für durchzuführende systematische Versuchsfahrten mit 250km/h. - Mit einem Spitzentempo von 283km/h jagte die Schwesterlokomotive 103.003 vor einem Messzug am 14.06.1985 zwischen Rheda und Oelde über die Schienen. 1965: Co'Co'-Güterzug-Lokomotive E50.111 der Deutschen Bundesbahn (DB). Am 12.04.1965 verließ die hundertste von Krupp gemeinsam mit der AEG entwickelte und gebaute Elektrolokomotive der Baureihe E50 die Essener Werkhallen. Sie sehen diese sechsmotorige und fast 20m lange Maschine E50.111 im Neubauzustand. Die E50 gehörte zum Bundesbahn-Typenplan 1954 und bildete darin die schwerste und leistungsfähigste Gattung. Als Nachfolgerin der Vorkriegsbaureihe E94 erfüllt sie Zugförderungsaufgaben, die 2300t Anhängelast auf 5 Promille Steigung mit 65km/h, aber auch 600t-Schnellzüge auf 25 Promille Steigung mit 75km/h umfassten. Die E50 gibt es in zwei Versionen; 25 Einheiten erhielten Tatzlager-Antrieb, die übrigen Gummiringfeder-Antrieb. Die Stundenleistung der Fahrmotoren beträgt 4500kW (6120kW) bei 79km/h, die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 100km/h. Je nach Ausführung des Antriebes bringt die E50 ein Dienstgewicht von 128t oder wie die auf dem Krupp-Foto abgebildete, mit Gummiringfeder-Antrieb ausgerüstete Lok 125t auf die Waage. 1965: Co'Co'-Güterzug-Lokomotive 150.116 der Deutschen Bundesbahn (DB). Die 1965 von der AEG und Krupp gelieferte, hier im Jahre 1972 auf der Geislinger Steige fotografierte 150.116 (E50.116) besitzt eine Hochspannungssteuerung und zwölfpolige Reihenschlussmotoren. Es ist eine elektrische Widerstandsbremse eingebaut, um schwere Güterzüge im Gefälle auf gleicher (Beharrungs-)Geschwindigkeit zu halten. Beim Bremsen arbeiten die Fahrmotoren als Generatoren. Der Fahrmotor Nr. 6 liefert dabei als Erregermaschine den Erregerstrom für die übrigen Fahrmotoren. Die elektrische Bremsenergie wird durch die Kühlluft der zwangsbelüfteten Widerstände über das Lokomotivdach abgeführt. Zum Abfangen schleudernder Radsätze beim Anfahren schwerer Züge erhielt die E50 (150) eine Schleuderschutz-Einrichtung, die über ein elektropneumatisches Ventil die Bremszylinder beaufschlagt. Die auf diese Weise erzeugte leichte Bremswirkung genügt in der Regel, um die bei höheren Schleuderdrehzahlen geringer werdenden Zugkräfte der Motoren zu beheben und den betroffenen Radsatz mit den anderen wieder zu synchronisieren.

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1965/1966: Lokomotivbau in Zusammenarbeit: Richthalle mit Bo'Bo'-Lokomotiven für die Deutsche Bundesbahn (DB).

In den deutschen Lokomotivfabriken werden elektrische Lokomotiven aller Spurweiten und Leistungsgrößen entwickelt und hergestellt. Durch eine wiederholt praktizierte internationale Zusammenarbeit der Lokomotiv- und Elektro-Industrie und durch vielfältige Exporte gewann der Lokomotivbau grenzüberschreitende Konturen. Trotz weitgehender Einheits- und Baukasten-Konstruktionen können die Besteller unter den Anbietern ihr Menü »a la carte« auswählen und in Auftrag geben. Die von belgischen, deutschen, französischen und schweizerischen Firmen gegründete »50-Hertz-Arbeitsgemeinschaft« ist ein Beispiel für den Lokomotivbau eines ganz bestimmten Bahnstromsystems. Hierbei übernimmt jeweils ein Partner-Unternehmen die Federführung für alle Beteiligten und wickelt Projekt und Auftrag verantwortlich ab. Das Werkfoto vermittelt den Eindruck einer Elektrolokomotiv-Richthalle mit einer Großserie, im Takt gefertigter Bo'Bo'-Güterzug-Lokomotiven für die DB. Das Lokomotivbau-Geschehen ist nach wie vor ein Forum erfreulicher Diskussionen, in denen Ideen und Vorstellungen zur Verbesserung von Konstruktion, Fertigung und Betrieb ausgetauscht werden. 1966: Bo'Bo'-Viersystem-Lokomotive E410.001 der Deutschen Bundesbahn (DB). Die elektrischen Bahnnetze in Europa arbeiten auf Grund ihrer historischen Entwicklung mit untereinander abweichenden Stromarten. Es gibt Fahrleitungen für Einphasen-Wechselstrom mit 15kV und 16,67Hz (Deutschland, Schweiz, Österreich, Schweden), mit 25kV und 50Hz (Frankreich, Luxemburg, Jugoslawien), für Gleichstrom mit 1500V (Frankreich, Niederlande) sowie mit 3000V (Belgien, Italien). Um einen reibungslosen Lokomotivbetrieb über die Grenzen der Stromsysteme hinweg zu ermöglichen, sind so genannte Zweistrom- und Mehrsystem-Lokomotiven entwickelt worden. AEG und Krupp haben in Zusammenarbeit mit dem Bundesbahn Zentralamt München die für alle vier genannten Stromsysteme geeigneten Gemischtzug-Lokomotiven E410.001-003 (spätere Nrn. 184.001-003) entworfen. Mit dieser 1966 erstmals erschienenen Baureihe ließ sich ein breit gefächertes Zugförderungsprogramm bis zu 150km/h Geschwindigkeit beherrschen. Die Stundenleistung belief sich auf 3240kW (4400PS) bei 88km/h. Die auf dem Foto zu sehende 410.001, als erste Lok dieser Baureihe auch »Europa-Lok« genannt, erhielt verschiedene Dachstromabnehmer, die den einzelnen Fahrleitungs- und Stromsystemen angepasste Wippenbreiten und Schleifstücke besaßen. Die elektrische Ausrüstung bestand im wesentlichen aus vier sechspoligen Gleichstrom-Reihenschlussmotoren, vier Thyristor-Stromrichtern in Brückenschaltung und vier Thyristor-Wechselrichtern. 1966: Bo'Bo'-Zweifrequenz-Lokomotive E310.004 der Deutschen Bundesbahn (DB). Die 1966 von der AEG und von Krupp gebauten vier Zweifrequenz-Lokomotiven (15kV/16,67Hz und 25kV/50Hz) sind im grenzüberschreitenden Verkehr zwischen dem Saarland und Frankreich eingesetzt worden. Es sind Parallel-Entwicklungen zur Baureihe E410, mit der sie auch den Mechanteil gemeinsam haben. Die E310 bekam jedoch eine vereinfachte elektrische Ausrüstung, weil alle die für den Gleichstrombetrieb bestimmten Apparate und Schalteinrichtungen wegfallen konnten. Das Foto zeigt die für 150km/h und 82t Reibungsmasse ausgelegte E310.004 in München-Freimann. Die vier Maschinen sind dann in 181.001-004 umgenummert und in Saarbrücken beheimatet worden. Zum Dienstplan gehörte vorübergehend auch der kurzlebige TEE »Goethe« (Frankfurt/Main - Paris) auf dem Abschnitt bis Metz. 1967: Farbliche Akzente: Bo'Bo'-Schnellzug-Lokomotive E10.477 der Deutschen Bundesbahn (DB). Die DB hat bis in die jüngste Zeit hinein an den Außenanstrichwandlungen ihrer elektrischen Triebfahrzeuge festgehalten. Gab man dem Druck des Geschmacks der Öffentlichkeit nach? Ist es das Sicherheitsbestreben, das die Fahrzeuge besser erkennbar machen soll? Oder sind es spielerische Design-Studien? Lassen wir diese Fragen unbeantwortet. Die Lokomotiven der Baureihe E10 wurden jedenfalls zu »kolorierten Musterbeispielen«. Da gab es die blaugraue E10.383 des Jahres 1965. Aus den Serien-Lokomotiven E10 entstanden die E10-12, dann die Reihen 110 und 112. Das Blau-Elfenbein der E10-12 für die Fernschnellzüge »Rheingold« und »Rheinpfeil« musste bis Ende 1967 dem Rot-Gelb für den TEE weichen. Als zusätzlichen Schmuck bekam 1967 die blaue E10.477 zwei gelbfarbene »Dekorationsstreifen« auf beiden Stirnseiten. Hier steht sie im November 1967 frisch lackiert. 1967/1973: Ein neues »Gesicht«: Bo'Bo'-Schnellzuglokomotive 110.365 der Deutschen Bundesbahn (DB). Die Farbgestaltungsversuche der sechziger Jahre wurden in den Siebzigern fortgesetzt. Hier experimentierte die DB mit »Warnfarben und -Mustern«. Der auffällige Anstrich an der Stirnseite gehörte zu einer Versuchsreihe, mit der man Aufschluss über die Frage gewinnen wollte, ob sich durch besondere Kennzeichnung der Triebfahrzeuge die Erkennbarkeit der Züge besonders bei ungünstigen Sichtverhältnissen verbessern und damit die Sicherheit für im Gleisbereich beschäftigte Personen sowie für die Verkehrsteilnehmer an Bahnübergängen noch weiter steigern lässt. Außer dieser Schnellzuglok 110.365 (Foto) wurde noch eine Verschiebelokomotive mit einem

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dem gleichen Versuch dienenden Anstrich versehen. Beide im Jahre 1973 farblich veränderten Maschinen waren in München stationiert. 1967: Bo'Bo'-Schnellfahr-Lokomotive E440.010 der Ferrovie Italiane dello Stato (FS). Vor diesem »Rapido« Turin - Mailand sieht man eine Lokomotivgattung, die im Lande südlich der Alpen ebensoviel von sich reden machte, wie seit Mitte der sechziger Jahre bei uns der deutsche Renner E03 (103). Als erste Schnellfahr-Lokomotivbaureihe Italiens sind zunächst - genauso wie bei der E03 - vier Prototyp-Lokomotiven gebaut worden, um dann nach gründlicher Erprobung die Serien-Fahrzeuge bestellen zu können. Die italienische Voraus-Lokomotive E444.001 fuhr am 08.11.1967 auf der 210km langen Strecke Rom - Neapel vor einem 350t schweren »Rapido« mit einer Spitzengeschwindigkeit von 207km/h. Der Entwurf der E444 stammt vom Studienbüro der FS in Florenz, das auch für die Fertigung der ersten dafür notwendigen Fahrmotoren in den eigenen Werkstätten des Ausbesserungswerkes Foligno sorgte. Bei den nachbestellten Serien-Lokomotiven hatte man die Stundenleistung von 3240kW (4400PS) auf 4200kW (5712PS), bei 98km/h, erhöht. Damit hatte man eine in 117 Einheiten hergestellte Schnellfahr-Lokomotive, ausgelegt für 225km/h, die alle Voraussetzungen mit sich brachte, zusammen mit den damaligen »Settebello«-Luxus-Triebzügen, dem zeitgemäßen Fern-Schnellverkehr neue Impulse zu geben. Kein Wunder, dass die als »Tartaruga« (Schildkröte) titulierte E444 das Image der FS aufpolieren half und ungezählte Anzeigen der Lokomotiv-Industrie in der Fachpresse schmückte. 1968: Bo'Bo'-Reisezug-Lokomotive E 610 der South African Railways (SAR) Obwohl die SAR bereits ein mehrere tausend Kilometer umfassendes 3000-Volt-Gleichstrom-Bahnnetz hatten, beabsichtigte die Verwaltung, auch das Einphasen-Wechselstrom-System mit 25kV/50Hz einzuführen. Und schon in der zweiten Hälfte des Jahres 1978 ist der elektrische Zugbetrieb mit Industrie-Frequenz zwischen Ermelo und dem neuen Seehafen Richards Bay aufgenommen worden. Die zugehörigen Co'Co'-Lokomotiven der Betriebsnummern E70.01 bis E71.00 sind eine vergrößerte und konstruktiv variierte »Ausgabe« der Bo'Bo'-Vorgänger-Gattungen des Gleichstrom-Netzes. Das SAR-Foto stellt uns - im Linksverkehr - zwei kapspurige Bo'Bo'-Gleichstrom-Lokomotiven mit einem Schnellzug vor. Die vorn fahrende viermotorige, 106t schwere Lokomotive E610 wurde in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre in den Werkstätten der Union Carriage & Wagon Company (Pty) Ltd., Nigel, in Transvaal montiert und mit einer Dauerleistung von 2252kW (3062PS) in den Plandienst übernommen. Mit 1220mm Raddurchmesser ist die 15,5m lange Lokomotive E610 für eine Höchstgeschwindigkeit von 113km/h ausgelegt. Und damit konnte sie auch den weltberühmten »Blue Train« an den Haken nehmen, aber natürlich hatte sie Mittelkupplung. 1969: C'C'-Zweisystem-Lokomotive CC21001 der Societe Nationale des Chemins de fer Francais (SNCF). Im Jahre 1969 wurden auf der Strecke zwischen Paris und Dijon (315km) die für zwei Stromsysteme geeigneten Lokomotiven CC21001 (unser SNCF-Foto) und CC21002 erprobt. Die elektrische Ausrüstung gestattete die Verwendbarkeit unter 1500-Volt-Gleichstrom-Fahrleitungen und auch für 25000-Volt-EinphasenWechselstrom-Betrieb (50 Hertz). Die 20.190mm langen Maschinen brachten 123t auf die Waage und konnten konstruktionsgemäß 220km/h erreichen. Die weitgehend baugleichen, jedoch nahezu 126t wiegenden Nachfolge-Lokomotiven CC21003 und CC21004 erfuhren einige betriebstechnische Verbesserungen. Jeder der vier Einzelmotoren, zu je zwei Doppelmotoren auf einer Welle montiert, leistete dauernd 1445kW, insgesamt also 7860PS, bei 1500 Volt und 470 Ampere, und zwar in Gleichstromwie auch in Mischstrom-Funktion. Der für den Wechselstrombetrieb vorgesehene Haupttransformator erhielt ein starres Übersetzungsverhältnis. Die Spannung regelte man durch Thyristor-Schaltungen. Es wurden 52 Stufen für die Spannungsregelung und die gleiche Anzahl von Stufen für die Feldschwächung vorgesehen. Bei Gleichstrombetrieb arbeitete man mit 28 Anfahrstufen in Reihen-Parallelschaltung und 20 Stufen in Parallelschaltung sowie 28 Stufen in Reihenschaltung und 8 Feldschwächungsstufen. Die elektrische Bremse hatte 24 Stufen. Entwurf und Bautechnik stammten von Alsthom und der MTE-Gruppe. 1970: Bo'Bo'-Schnellfahr-Lokomotive E444.020 der Ferrovie Italiane dello Stato (FS). Ihrer Bedeutung entsprechend wurde bei diesen 3-kV-Gleichstrom-Lokomotiven die frühere in Italien vertraute kaffeebraune Lackierung der Aufbauten elektrischer Lokomotiven verlassen. Bei dieser 200km/h schnellen Triebfahrzeug-Gattung dominierte der bläulich schimmernde Silbergrau-Ton mit blaugrünen Bandstreifen. Die Pufferträger und Stromabnehmer glänzten in kräftigem Rot, wenngleich es - den »Seitensprüngen« der Farb-Designer zuliebe bald wieder die auch bei vielen anderen Bahnen üblichen Color-Varianten gab. Was diese im Jahre 1970 gelieferte, 16.840mm lange Lokomotive und ihre Schwestern besonders kennzeichnet, sind die eingebauten Zugbeeinflussungs-Einrichtungen und das System der Signal-Wiederholung im Führerstand. Der sonst bei anderen italienischen Drehgestell-Lokomotiven bevorzugte Wiegebalken im Drehgestell fehlt bei der E444. Die Wiege wurde hier durch Pendel und Schraubenfedern gebildet. Die Zug- und Bremskraftübertragung geschieht nicht mehr durch die Drehzapfen, sondern über mit vorgespannten Stahlseilen konstruierte Drehgestell-Tiefanlenkungen. Die Leistungsübertragung

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von den Fahrmotoren auf die 1250mm hohen Radsätze erfolgt über ein Winkelhebel-System mit einem die Achsschenkel umgreifenden »tanzenden Ring«. Eine verwandte Übertragungsart; ebenfalls mit »tanzendem Ring« entwickelte Alsthom in Paris für französische Lokomotiven. 1970: Mit 14.000 PS auf Fahrt: Co'Co'-Lokomotiven 103.109 und 103.110 der Deutschen Bundesbahn (DB). Die vier Vorauslokomotiven E03. 001-004 (103.001-004) sind zunächst - entsprechend dem damaligen Verkehrsaufkommen für leichtere Schnellzüge bis ungefähr 430t Anhängelast konstruiert worden. Ihre Nennleistung von 6240kW (8486PS) genügte noch nicht, um alle weiteren Forderungen des Schnellfahrprogramms zu erfüllen und andererseits schwere D-Züge mit 160km/h zu befördern. Deshalb hat man bei den nachbestellten, mit Gummiringfederantrieb ausgerüsteten Serienlokomotiven sowohl die Fahrmotoren als auch die Transformatoren den gesteigerten Bedingungen angepasst, so das sich für die Lokomotiven nunmehr eine Nennleistung von 7440kW (10.118 PS) errechnete. Die Stundenleistung ergab sich zu 7500kW (10.200PS) bei 175km/h. Neue Isolierverfahren, die eine höhere Erwärmung der Fahrmotoren zuließen, gehörten zu den Voraussetzungen für eine solche Leistungssteigerung. Etwa zehn Minuten lang, also zum Anfahren oder auf der Fahrt in längeren Steigungsstrecken, konnten in »Kurzzeit-Leistung« sogar 10.400kW, das sind rund 14.000PS, herausgeholt werden. Die vier Vorauslokomotiven leisteten maximal »nur« 12.500PS. Die sechsmotorigen Einphasen-Wechselstrom-Lokomotiven sind mit Sicherheitsfahrschaltung (Sifa) und mit induktiver Zugsicherung (Indusi) ausgerüstet. Auf Fahrten mit über 160km/h übernimmt eine Linienzugbeeinflussung (LZB) die Sicherungsfunktionen. Bei eingeschalteter elektrischer Bremse arbeitet jeder Motor im Generatorbetrieb auf einen eigenen Widerstand. 1971: B'B'-Schnellzuglokomotive 15009, Typ BB 15000, der Societe Nationale des Chemins de fer Francais (SNCF). Das in den fünfziger Jahren ausgearbeitete umfassende Elektrifizierungsprogramm mit 50-Hertz-Traktion für den Norden und Nordosten Frankreichs fand unter dem Begriff »Revolution ferroviaire« seine Anerkennung auch bei uns in Deutschland. Unter den verschiedenen dafür völlig neuentwickelten Elektrolokomotiven figurieren auch solche für Hochgeschwindigkeitsbereiche bis zu 180km/h. Das in Straßburg im Mai 1978 aufgenommene Foto zeigt die für 50-Hertz-Wechselstrom (25kV) eingerichtete Schnellzuglokomotive 15009 aus dem Jahre 1971 vor einem internationalen Reisezug. Diese zweimotorige, mit Monomoteur-Drehgestellen ausgestattete 88t schwere Bauart ist für 180km/h Geschwindigkeit ausgelegt und wird vorzugsweise für Züge des Planbereichs bis 160km/h verwendet. 4400kW (6000PS) Stundenleistung, 1250mm Raddurchmesser und 17.480 mm Länge über Puffer gehören zu den weiteren Merkmalen. 1972: B'B'-Zweisystem-Lokomotive 25605, Typ BB 25500, der Societe Nationale des Chemins de fer Francais (SNCF). Das ist eine der mit Silizium-Gleichrichtern und Einmotoren-Drehgestellen konzipierten Lokomotiven aus dem Beschaffungsprogramm der Serie BB 25588-25664 (Lieferbeginn 1972). Die SNCF brauchte diese nachbestellten Maschinen sowohl unter der Wechselstrom-Fahrleitung mit Industriefrequenz als auch für den älteren 1500-Volt-Gleichstrom-Betrieb. Mit 20t Achsdruck können - je nach Getriebeübersetzung - sowohl Güterzüge bis 90km/h als auch Reisezüge bis 140km/h Geschwindigkeit befördert werden. Eine elektrische Widerstandsbremse ist vorhanden. Gegenüber ihren Vorgängerinnen innerhalb der Baureihe BB25500 erhielt diese Lokomotive einen geräumigeren Führerstand und einen konstruktiv veränderten Hauptrahmen zum möglichen Einbau einer geplanten automatischen Kupplung. 1972: Bo'Bo'Bo'-Steilrampenlokomotive 11601, Serie Re 6/6, der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB). Der schwere Schienenverkehr auf den schweizerischen Alpentransitlinien wurde seit Beginn der fünfziger Jahre zunehmend von laufachslosen sechsachsigen Lokomotiven übernommen. Von diesen Fahrzeugen wurden in den Jahren 1952 bis 1966 insgesamt 120 Einheiten gebaut. Die Fortentwicklung brachte wiederum ein sechsachsiges Triebfahrzeug, um auf den Steilrampen des Gotthards (27 Promille) Anhängelasten von 800t (gegenüber früher 650t) mit 80km/h zu befördern. Diese Lokomotive gehört nun zu den ersten vier Prototyp-Baumustern Re 6/6 11601-11604, die im Jahre 1969 in Auftrag gegeben und 1972 ausgeliefert wurden. Die Forderung nach kleinen Seitenkräften zwischen Rad und Schiene schloss die Verwendung dreiachsiger Drehgestelle in Co'Co'-Konzeption aus. Man orientierte sich vielmehr an der italienischen Konstruktion mit Bo'Bo'Bo'-Fahrwerk. Die Lokomotive 11601 erhielt einen geteilten Kastenaufbau, 1260mm Raddurchmesser und 121t Dienstgewicht.7794kW (10.600PS) Stundenleistung bei 105,6km/h und 140km/h Höchstgeschwindigkeit machten die 19.310mm lange Einphasen-Wechselstromlokomotive (16,67Hz, 15kV) zu einem konstruktiv recht gut gelösten Triebfahrzeug, so dass die SBB im Februar 1973 einen Auftrag auf 45 Serienlokomotiven an die SLM und an BBC erteilten.

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1972: Co'Co'-Güterzug-Lokomotive 151.065 der Deutschen Bundesbahn (DB). In den Fachpresse-Anzeigen der frühen siebziger Jahre nahmen die elektrischen Lokomotiven der Baureihe 151, von der im Februar 1971 eine Voraus-Serie von 12 Einheiten bestellt wurde, eine ausgezeichnete Position ein. Nach Lieferung der ersten, 19.490mm langen und mit 1250mm Raddurchmesser versehenen 151.001 im November 1972 »meldete« beispielsweise AEG-Telefunken; »Die erste Lokomotive der neuen Baureihe 151 für die Deutsche Bundesbahn - Schnellgüterzüge, wie die TEEM-Züge des internationalen Verkehrs, mit Anhängelasten von 1000t können mit einer Geschwindigkeit von 120km/h gefahren werden. Die Beförderung von schweren Güterzügen mit 2000t Anhängelast bei 80km/h auf Steigungen von 5 Promille verlangt eine hohe Dauerleistung. Die sechsachsige Lokomotive mit der Achsfolge Co'Co' hat eine Nennleistung von 6000kW bei 95km/h und eine Höchstgeschwindigkeit von 120km/h ... Die Baureihe 151 ist damit das letzte Glied einer jahrzehntelangen Entwicklung sechsachsiger Güterzug-Lokomotiven bei der AEG.« Die vorgesehene elektrische Bremse stellte eine Neuentwicklung der AEG in Zusammenarbeit mit Siemens dar. Es handelt sich um eine verschleißfrei arbeitende, thyristorgesteuerte Widerstandsbremse für eine Dauerleistung von 3000kW und für Kurzzeitleistungen bis zu 6000kW (8160PS). Von den 170 beschafften, 118t schweren Lokomotiven bekamen sechs Einheiten für den Erzverkehr von Peine und Salzgitter zu den Nordseehäfen Nordenham und Hansaport (Hamburg) Mittelkupplung der Bauart »Unicupler«. Die Lokomotiven wurden dort in Doppeltraktion für den Verkehr mit 5400t schweren Erzzügen eingesetzt. Auch im ostbayerischen Raum sind die mit solchen speziellen Kupplungen ausgerüsteten Lokomotiven der Reihe 151 keine unbekannten.

1972: Co'Co'-Schnellzug-Lokomotive 103.199 der Deutschen Bundesbahn (DB). Jubiläen eignen sich vorzüglich für publikumswirksame Öffentlichkeitsarbeit. Nun sind Lokomotiven zwar keine zugkräftigen Konsumgüter, aber auch im Investitionsgüterbereich kann die Industrie, wie hier Krauss-Maffei und Siemens, eine ausgezeichnete »Image-Werbung« in Presse, Funk und Fernsehen betreiben. Diese geschmückte DB-Lokomotive 103.199 ist die hundertste an die Bundesbahn übergebene Maschine dieser Baureihe. Das DB-Foto zeigt sie im Jahre 1972 bei der Ankunft im Ausbesserungswerk München-Freimann.

1972: Bo'Bo'-Zweisystem-Lokomotive 181.201 der Deutschen Bundesbahn (DB). Krupp und AEG-Telefunken bauten insgesamt 25 der im Jahre 1972 bestellten Zweisystem-Lokomotiven für den universellen Einsatz im grenzüberschreitenden Reise- und Montan-Güterzugverkehr von und nach Frankreich und Luxemburg. Die verschiedenartigen Zugförderungsaufgaben verlangten große Zugkräfte im unteren Geschwindigkeitsbereich, aber außerdem eine Maximalgeschwindigkeit von 160km/h. Die damals hierfür am besten geeignete Antriebstechnik war die Verwendung von Mischstrom-Motoren in Kombination mit Thyristor-Gleichrichtern und einer stufenlosen elektronischen Regelung. Unter diesen Gesichtspunkten konstruiert, wurde die Baureihe 181.2 zur Nachfolgegattung der 1966/1967 gelieferten Prototyp-Maschinen 181.001/002 und 181.103/104 (frühere Bezeichnung 310.001-004). Mit den seit 1974 im Dienst stehenden neuen Lokomotiven 181.2 wurde ein großräumiger Einsatz im Verkehrsviereck Frankfurt/Main - Luxemburg - Metz - Koblenz unter Einbeziehung der Mosel- und Rheinstrecken, bis in das Heidelberger und Stuttgarter Gebiet möglich. Die demzufolge für Fahrdrahtspannungen von 15 und 25kV sowie Periodenzahlen von 16,67 und 50Hz geeigneten, 83t wiegenden Lokomotiven (1250mm Raddurchmesser) sind für eine Stunden-Leistung von 3500kW entworfen worden. Das DB-Pressefoto wurde während einer Vorstellung im Jahre 1974 gemacht. Es ist die erste Lokomotive dieser Baureihe.

1972: Europa-Lokomotive: Bo'Bo'-Viersystem-Lokomotive 184.003 der Deutschen Bundesbahn (DB). Im Jahre 1972 absolvierte die 86t schwere »Europa-Lokomotive« 184.003 der DB auf den Strecken von Mailand in Richtung Chiasso, Florenz und Verona eine Reihe von Messfahrten im Gleichstromnetz der FS. Wegen der Leistungs-Elektronik mit stufenloser Regelung mussten gewisse Randprobleme, besonders auf den Gebieten der Fernmelde- sowie der Signal- und Sicherungstechnik geklärt werden, weil mit der Rückführung des Fahrstromes über die Schienen sicherungstechnische Stromkreise beeinflusst werden können. Das im Pressefoto festgehaltene »Ländertreffen« zwischen der deutschen 184.003 und der italienischen E646.183 fand am 19.04.1972 in Brescia statt.

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1974: Bo'Bo'-Reisezug-Lokomotive 1044.01 der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB). Im Juli 1974 wurde diese Einphasen-Wechselstrom-Lokomotive nach Fertigstellung im Grazer Werk der Simmering-Graz-Pauker Aktiengesellschaft (SGP) an die Zugförderungsleitung Graz überstellt. Diese Lokomotive mit steuerbaren Gleichrichter-Elementen, den so genannten Thyristoren, war zunächst als Prototyp für eine künftige Serien-Bauart vorgesehen. Ihre Vorteile waren die stufenlose Spannungsverstellung, der Wegfall der konventionellen Stufen-Schaltausrüstung, die höhere Leistung bei optimaler Nutzung des Haftwertes zwischen Rad und Schiene sowie die Automatisierung der Regelvorgänge. Die Thyristoren und Dioden erhielten eine Gleichstrom-Brückenschaltung, so dass die Fahrmotoren der unter Einphasen-Wechselstrom-Oberleitung (15kV/16,67Hz) verkehrenden Thyristor-Lokomotive also (welligen) Gleichstrom bekamen. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 160km/h erforderte eine Auslegung des Fahrzeugteils (1300mm Raddurchmesser) für mindestens 180km/h. In der Konstruktion der elektrischen Ausrüstung waren die Österreichischen Brown-Boveri-Werke AG federführend. Die Stundenleistung wurde mit 5400kW (7344PS) bei 90km/h angegeben. 1974: Bo'Bo'-Schnellzug-Lokomotive 111.005 der Deutschen Bundesbahn (DB). Wegen ihrer vielseitigen Verwendbarkeit im Reise- und im schnellen Güterzugdienst entschloss sich die DB, die vierachsige Drehgestell-Lokomotive nach Muster der Baureihe 110 nachzubauen. Weil aber einige grundsätzliche Neuerungen einzuführen waren, wurden die Nachfolgerinnen als Baureihe 111 bezeichnet. Die erste der fünf Vorauslokomotiven nahm im Dezember 1974 den Probebetrieb auf. Zu den Maximen der Konstruktion zählten günstige Wartungseigenschaften und möglichst geringe Belastung des Oberbaues, weshalb ein fortentwickeltes Drehgestell mit Flexicoil-Kastenabstützung gewählt wurde. Die mit Siemens-Gummiringfeder-Antrieb fahrenden Lokomotiven erhielten eine Stundenleistung von 3700kW (5030PS) bei 120km/h. Sie sind im Schnellzug- und seit Sommer 1979 auch mitunter im Intercity-Dienst anzutreffen. Das Foto zeigt die letzte der Vorauslokomotiven im Sommer 1975 in München. Bis Ende 1981 waren bereits 210 solcher 84t schweren Lokomotiven bestellt. 1974: Drehstrom-Versuchseinheit 60 8099-33001-1 für eine System-Untersuchung. In Zusammenarbeit von BBC, Henschel und der Deutschen Bundesbahn (DB) hatte man eine Versuchseinheit als ideales Erprobungsfeld für elektrische Leistungsübertragungen geschaffen. Die zweigliedrige Versuchseinheit bestand aus einer firmeneigenen diesel-elektrischen Lokomotive DE 2500 (202002) ohne Dieselmotor und einem DB-Wendezug-Steuerwagen als Träger der erforderlichen Einrichtung für die Speisung aus dem Fahrdraht. Die sechsachsige Lokomotive wurde also aus der Fahrleitung mit Strom von 15kV/16,67Hz statt vom Diesel-Generator-Aggregat versorgt. In der Zeit vom Oktober 1974 bis Februar 1975 sind ausgedehnte Messfahrten mit dieser Einheit ohne Störungen auch im Ausland durchgeführt und vor Güterzügen mit bis zu 1900t Anhängelast erfolgreich abgeschlossen worden. Das DB-Pressefoto zeigt den interessanten Erprobungsträger (mit der seitlichen Aufschrift »Drehstromantrieb an 15kV, 16 2/3Hz DB, BBC«) in der Versuchsphase. Es bewährten sich die wartungs- und verschleißfreie Technik der kollektorlosen Asynchron-Motoren und die kontaktlosen Schaltkreise der Leistungselektronik. 1975: Auf Messfahrt: Bo'Bo'-Zweisystem-Lokomotive 181.207 der Deutschen Bundesbahn (DB). Während der Zugkraft-Messungen mit Brems-Dampflokomotiven hat die Zweisystem-Lokomotive 181.207 auch bei kleinen Geschwindigkeiten die vertragsgemäße Grenz-Zugkraft von 277kN (rund 28.000kg) längere Zeit in Beharrung halten können. Das DB-Pressedienst-Foto zeigt eine Messfahrt am 03.05.1975 auf dem Münchner Nordring. Die Lokomotiven der Baureihe 181.2 haben übrigens eine elektrische Widerstandsbremse. Sie gewährleistet volle Abbremsung des Lokomotivgewichts aus 160km/h sicher auf 700m, also innerhalb des üblichen Vorsignal-Abstandes, bei einer maximalen Bremsverzögerung von 1,2m/s2. Mit einer zusätzlichen Batterie gespeisten Notbrems-Erreger-Einrichtung - in dieser Form erstmalig für die DB - wird im Falle eines zufällig während des Bremsvorganges auftretenden Ausfalles der Oberleitungsspannung weitergebremst. Diese Apparatur setzt automatisch ein und bleibt bis zum Stillstand der Lokomotive eingeschaltet.

1975: 1'Do1'-Schnellzug-Lokomotive 118.028 der Deutschen Bundesbahn (DB). »Türkis und Beige sind bei der Bundesbahn die Farben der Zukunft«, so schrieb der DB-Pressedienst im August 1975, als damals die elektrische Lokomotive 118.028 mit diesem freundlicheren Gesamteindruck das Ausbesserungswerk München-Freimann verließ. Dass sich die »neuen Hausfarben« schon rund zehn Jahre später eine Ablösung gefallen lassen mussten und allmählich einem modernen Color-Design wichen, lag damals wohl außerhalb der Überlegungen. Trotz allem: Die 1936 gebaute Lokomotive erschien 40 Jahre später im neuen Farb-Gewand wieder recht jung. Und als erste der früheren Baureihe E18 kehrte die 118.028 (DB-Pressefoto) aus München-Freimann zu ihrem Einsatzort Würzburg zurück. Als nächste »Zweifarbige« sollte die 118.002 folgen. Der Pressedienst hierzu: »Äußerlich verjüngt und im Inneren von Grund auf

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überholt, werden sie noch in den achtziger Jahren vor Schnellzügen der Bundesbahn ein gutes Bild abgeben.« - Aber es gibt schon lange keinen Plandienst mehr für die E18... 1975: Kraftproben; Bo'Bo'-Schnellzug-Lokomotiven, Baureihe 111, der Deutschen Bundesbahn (DB). Im Dezember 1975 hat es bei der DB zum letzten Mal ein messtechnisches »Tauziehen« zwischen Dampf- und Elektro-Lokomotiven gegeben. Auf diese Weise nahmen die Techniker im mitgeführten Messwagen der Bundesbahn-Versuchsanstalt München die genaue Zugkraft-Geschwindigkeits-Kennlinie einer elektrischen Lokomotive der Baureihe 111 auf, um die Daten mit den vorgegebenen Konstruktionswerten vergleichen zu können. Während solche Vorgänge die elektrischen Lokomotiven lediglich zu leisem Surren der Fahrmotoren veranlasste, dokumentierte sich die gewaltige Kraftanstrengung der mit Riggenbach-Gegendruckbremse ausgerüsteten Dampflokomotiven durch hoch in den Himmel ausgestoßene Dampfwolken. Da für künftige Versuche, so hieß es damals, Diesellokomotiven mit geeigneten Bremsen ausgerüstet werden, wiederholt sich das Schauspiel einer solchen im DB-Pressebild festgehaltenen »Kraftprobe« nicht mehr. 1975: B’B’-Versuchslokomotive 7003 der SNCF auf dem Prüfstand. Am 27.03.1933 ist der Lokomotivprüfstand in Vitry-sur-Seine vom Office Central d' Etudes et de Materiel der französischen Eisenbahnen eröffnet worden. Zunächst wurden dort weit über hundert Dampflokomotiv-Konstruktionen auf »Herz und Nieren« untersucht. In jüngerer Zeit werden vor allem Diesel- und Elektrolokomotiven harten Erprobungen unterzogen. Die aus der BB15007 umgebaute Experimentierlokomotive BB7003 macht hier gerade ihre ersten Fahrversuche auf den Prüfstandrollen. Durch Austausch der elektrischen Ausrüstung soll eine neue »Zweisystem-Elektrik« für wahlweisen Betrieb mit Einphasen-Wechselstrom (25.000 Volt, 50 Hertz) oder 1500-Volt-Gleichstrom getestet werden. Die von der Strecke und dem Fahrplandienst unabhängigen Prüfstandversuche dienen vordergründig dazu, Leistungsdaten zu ermitteln sowie konstruktive und betriebliche Mängel rechtzeitig noch vor der Fertigstellung von Serien-Lokomotiven zu erkennen. 1975: Im Führerstand: Bo'Bo'-Thyristor-Lokomotive 1044.01 der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB). Die im Jahre 1975 von den Simmering-Graz-Pauker-Werken gemachte Werkaufnahme macht die Geräumigkeit eines damals vorbildlichen Führerstandes deutlich. Links des Führerpultes befinden sich die Telefunken-Zugfunk-Einrichtung, rechts die Bremsorgane und das Zugheiz-Amperemeter. Die unter den Fenstern angeordneten Anzeige-Instrumente sind vorwiegend bestimmt für die Primärspannung, die Batteriespannung, für den Motorstrom, den Motordifferenzstrom,für die Geschwindigkeit, den Hauptluftbehälter- und Hauptleitungsdruck sowie für den Bremszylinderdruck. Die Lokomotive wurde mit gleichstromerregter thyristorgesteuerter Widerstandsbremse und mit Thyristor-Anschnitt-Steuerung ausgerüstet.

1975/1976: Bo'Bo'Bo'-Schnellzug-Lokomotive E656.023 der Ferrovie Italiane dello Stato (FS). Beispiel eines für Linksverkehr eingerichteten und großräumig gestalteten Führerstandes der für 150km/h zugelassenen, bei Einholung von Verspätungen mit 160km/h fahrenden Gleichstrom-Lokomotive der Baugruppe E656. Die Bedienungselemente liegen in bequemer Reichweite. Ganz links erkennt man die beiden Führerbremsventile. Vor der übersichtlichen Instrumententafel mit Anzeige- und Kontrollgeräten für die zwölf Fahrmotoren (in sechs Doppelmotoren angeordnet) befindet sich der Fahrtregler. Weiter rechts ist die SignalWiederholungseinrichtung mit zugehörigem Apparatekasten zu sehen. Der Geschwindigkeitsmesser mit Zifferblatt bis 180km/h befindet sich in Hochlage zwischen den beiden Stirnfenstern. Ganz rechts steht der Sitz des Begleitmannes. Für gute klimatische Verhältnisse sorgen eine zugfreie Be- und Entlüftung, Wärmedämmung und eine Warmluftheizung mit automatischer Temperaturregelung.

1976: Auf Culemeyer-Straßenfahrt: Bo'Bo'Bo'-Schnellzug-Lokomotive E656.001 der Ferrovie Italiane dello Stato (FS). Die erste Lokomotive einer in mehreren hundert Einheiten zu beschaffenden Gattung gehört in unseren Jahrzehnten zunächst den Public-Relations-Spezialisten. Hier wird die 3000-Volt-Gleichstrom-Lokomotive E656.001 im Frühjahr 1976 als »Spitzenprodukt« zur Mailänder Messe gefahren. Die 120t wiegende Gelenk-Lokomotive mit geteiltem Kastenaufbau leistet stündlich etwa 4800kW bei 98km/h. Das sind immerhin mehr als sechseinhalbtausend PS. Noch im Jahre 1986 sind einige dieser Lokomotiven ausgeliefert worden. Doch die Konstruktion, vor allem die noch konventionelle Schaltungstechnik der Gleichstrom-Fahrmotoren, ist von der Leistungselektronik überrundet worden. Trotzdem werden die 160km/h schnellen Lokomotiven der Reihe E656 noch sehr lange im Dienst auf den Strecken der FS anzutreffen sein.

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1976: Bo'Bo'Bo'-Schnellzug-Lokomotive E656.001 der Ferrovie Italiane dello Stato (FS). Die im Jahre 1975 gebaute und 1976 erstmals in Betrieb genommene E656 konnte lauf- und antriebstechnisch alle in sie gesetzten Erwartungen erfüllen, zumal sie für den Dienst mit Plangeschwindigkeiten bis »nur« 160km/h vorgesehen war. Die Gestaltung der Führerkabinen ist nach vorausgegangenen Modellversuchen unter ergonomischen Gesichtspunkten geräumiger ausgefallen als bei bisherigen Bo'Bo'Bo'-Gattungen. Ziel war eine weitgehende Minderung der physischen und psychischen Belastungen des Lokomotivpersonals. Das Aufschalten der Fahrstufen beim Anfahren muss nun nicht mehr von Hand erfolgen. Wie schon bei mehreren elektrischen Triebzügen der FS mit automatischem Fahrtregler, wurde auch bei der E656 eine analoge Regeleinrichtung für automatische Anfahrt unter Zwischenschaltung von, auf einstellbare Ansprechstromstärken vorgesehenen Stromwächtern mit elektronischer Geschwindigkeitsüberwachung vorgesehen. Zur blendfreien Abschirmung der Sonnenlichteinstrahlung sind bedampfte Frontscheiben eingebaut worden. Eine kombinierte Telefon-Funksprech-Einrichtung im Führerstand gestattet die Verständigung mit ortsfesten Stationen. Die Signal-Wiederholungseinrichtung, System Westinghouse, erleichtert in der Führerkabine, vor allem bei schlechten Sichtverhältnissen, dem Lokomotivführer die Erkennung der Signalstellungen. Das Aufteilen der Antriebsleistung in zwölf Einzelmotoren, die in vier Gruppierungen geschaltet werden können, ermöglicht ein feinstufiges Anfahren. Zusammen mit den Feldschwächungsstufen ergeben sich insgesamt 20 wirtschaftliche Fahrstufen. Das FS-Foto zeigt die Gleichstrom-Lokomotive E656.001 neben der Schnellfahrlokomotive E444.057 im April 1976 in Mailand. 1976: B’B’-Schnellzuglokomotive 7201, Typ BB 7200, der Societe Nationale des Chemins de fer Francais (SNCF). Das aus der Froschperspektive aufgenommene Alsthom-Werkfoto zeigt uns die am 26.01.1976 fabrikneu übergebene 1500-Volt-Gleichstrom-Schnellzuglokomotive 7201 mit Monomoteur-Drehgestellen und elektrischer Widerstandsbremse. So genannte Einholm-Stromabnehmer und eine auf Paul Arzens, dem früheren künstlerischen Berater der SNCF, zurückzuführende Formgestaltung sind die äußeren Merkmale der 17.480mm langen und 85t schweren Lokomotive. Sie leistete stündlich 4600kW (6250PS) und wurde für eine Konstruktionsgeschwindigkeit von 180km/h (Plangeschwindigkeit 160km/h) entworfen. Die Konstruktionszeichnungen wiesen 1250mm Triebraddurchmesser aus. Es handelt sich um eine Gemeinschaftskonstruktion der SNCF, der Alsthom-Atlantiaue und der aus fünf Unternehmen bestehenden Firmengruppe Francorail-MTE. Die Kondensatoren entwickelte und lieferte die Stuttgarter Bosch-Gruppe. 1976: Bo'Bo'Bo'-Demonstrations-Mehrfrequenz-Lokomotive Nr. 1976 der General Motors, Electro Motive Division. Mit einer Stundenleistung von 7360kW (10.000PS) gehört diese von General Motors in Kooperation mit dem schwedischen Unternehmen ASEA gebaute, 23 Meter lange Regelspur-Lokomotive zu den leistungsfähigsten auf USA-Bahnen. Diese und eine Co'Co'-Schwester-Lokomotive wurden im Rahmen eines Conrail-Erprobungsprogrammes für den schweren und schnellen Güterzugdienst entworfen. Es sind sogenannte »All Electric Demonstrator«-Modelle, die für Fahrdrahtspannungen von 11kV (25Hz), 12,5kV (60Hz) und - umschaltbar - für 25kV (60Hz) geeignet sind. Die sechs Fahrmotoren waren eine Fortentwicklung des europäischen ASEA-Motors LJH-108-1. Das Archiv-Foto zeigt die mit elektrodynamischer Bremse ausgestattete, 177t schwere Elektrolokomotive im Juli 1977 in Harrisburg/ Pennsylvania. Die mit Thyristor-Steuerung arbeitende und 117km/h schnelle Mammut-Lokomotive 1976 kann bei rund 50km/h etwa 62.000kg Zugkraft entwickeln. Ihre Kurzzeit-Leistung beläuft sich auf über 12.000PS. 1977: 3'(1A1)-Drehstrom-Versuchslokomotive 1600P, gebaut in Zusammenarbeit mit den Nederlandse Spoorwegen (NS). Mit der Bauelementen-Entwicklung der Leistungselektronik schuf man für Gleichstrom-Lokomotiven elektronische Stellglieder (Chopper), die ohne Anfahrwiderstände eine stufenlose und ökonomische Zugkraft-Steuerung sowie eine bessere Haftwert-Ausnutzung gegenüber konventioneller Technik erlauben. Wesentlicher Nachteil der Choppertechnik ist jedoch der weiterhin notwendige Gleichstrom-Kommutator-Motor. Zum Nachweis der zukunftsträchtiger erscheinenden Drehstrom-Antriebstechnik in leistungsfähigen 1500-Volt-Gleichstrom-Lokomotiven wurde 1977 im Auftrag der NS das Versuchsfahrzeug 1600P von BBC (Mannheim) und Thyssen-Henschel (Kassel) geschaffen. Hierfür verwendete das kreative Experten-Team den Mechanteil der Experimentier-Diesellokomotive DE2500 (202002) und die elektrischen Komponenten aus Laboratoriumsbeständen. Die Niederländischen Eisenbahnen haben mit diesem Versuchsfahrzeug, das am 08.05.1977 in den Hauptwerkstätten Tilburg eintraf, die Funktionstüchtigkeit der Drehstrom-Leistungsübertragung und die Netzrückwirkung bei der Einspeisung von 1500 Volt Gleichspannung untersucht. Dabei genügte der Antrieb nur eines einzigen Radsatzes mit einem 1400-kW-Motor. Nach Ende der Erprobung ging die Lokomotive zurück ins Henschel-Werk nach Kassel, wo sie als Zeugin einer bemerkenswerten Technik zum 175-Jahre-Jubiläum des Hauses Henschel in den Grünanlagen aufgestellt wurde. Das BBC-Foto zeigt die Lokomotive vor dem

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niederländischen Messzug. 1979: Richtfunk steuert Züge: Bo'Bo'-Mehrzweck-Lokomotive, Baureihe 141, der Deutschen Bundesbahn (DB). Die im Jahre 1956 als Baureihe E41 erstmals gelieferte Lokomotive ist für den leichten Personen- und Güterzug-, aber auch für den Nahverkehrs-Wendezugdienst geeignet. Sie hat einen Achsdruck von 16,6t und damit eine Reibungsmasse von 66,4t. Unser Siemens-Pressefoto zeigt einen Blick in den Führerstand mit Spannungsmessern (links) und den Motorstrom-Anzeige-Geräten (rechts). Das Besondere dieses Bildes ist die mittig angeordnete Grundausrüstung eines Ende der siebziger Jahre erprobten Siemens-Funkzugbeeinflussungssystems. Das bisher bekannte System der Zugbeeinflussung, über die der Lokomotivführer Geschwindigkeits- und Zielanzeigen bekommt, verwendet die bekannten Linienleiter, die schleifenförmig zwischen den Schienen liegen. Mit der von Siemens entwickelten Funkzugbeeinflussung stand nun ein neues System zur Verfügung, bei dem die Informationen für den Lokführer mit Richtfunk auf den Führerstand übertragen werden. Die Übertragungsgeräte sind an der Strecke, die Richtfunkstrahler außerhalb des Gleisbereichs an den Fahrleitungsmasten angebracht. Jeder Sender-Empfänger kann mehrere Gleise zugleich versorgen. Die Anregungen zur Entwicklung dieser Funkzugbeeinflussung kamen zwar aus dem Bereich der Fernbahnen. Bei den versuchsweisen Funkmessungen in Tunnels der S-Bahnen stellte man jedoch fest, dass sich dort die 36-GHz-Übertragung über die optische Sichtweite hinaus fortsetzt. 1979: B’B’B’-Gleichstrom-Mehrzweck-Lokomotive E633 002 der Ferrovie Italiane dello Stato (FS). In Italien löste man sich nur ungern vom klassischen Kommutator, also vor allem vom Gleichstromfahrmotor, der auch unter schwersten Bedingungen mit nur relativ niedrigen Wartungskosten auskommt. Leider hatten die nicht sehr hohen zulässigen Drehzahlen unbefriedigende Leistungsgewichte der Motoren zur Folge, die allerdings durch konstruktive Verbesserungen teilweise wettgemacht werden konnten. Jedenfalls gaben die FS noch im Dezember 1976 neue, fast »konventionelle« Prototyp-Lokomotiven in Auftrag, die selbstverständlich - dem Trend der Technik folgend - einige Besonderheiten aufwiesen. Es wurden die ersten italienischen Gleichstrom-Lokomotiven mit der Achsfolge B'B'B', also mit nur drei Fahrmotoren in drei Einmotoren-Drehgestellen. Es kam außerdem bei dieser sechsachsigen Drehgestell-Bauart - abweichend von den bisherigen Gepflogenheiten - ein ungeteilter Kastenaufbau in Betracht. Und man wendete die Gleichstromsteller-Technik (Chopper), also Bau-Elemente der Leistungselektronik an, womit die im Drehgestell ständig parallel geschalteten Motoren für eine Motorspannung bis zu 2000V, statt der bisherigen 3000/2 =1500V ausgelegt werden konnten. Die 103t wiegende und 17,8m lange E633.002 gehört zu den Vorauslieferungen des Jahres 1979. Die Bauart ist für zwei Getriebeübersetzungen für 130km/h und 160km/h Höchstgeschwindigkeit konzipiert, weshalb man ihr auch zwei Baureihennummern, E632 und E633, zuordnete. Für beide gilt eine Stundenleistung von 4700kW (6400PS) bei 82km/h beziehungsweise 101km/h. Das Regelsystem verarbeitet die vom Lokführer eingegebenen Befehle und die von mehreren Gebern kommenden Daten, so dass automatisch Zündung und Löschung der Thyristoren der Haupt- und Erregungs-Chopper gesteuert werden. Die Entwicklung und Normung der elektrischen und elektronischen Ausrüstung erfolgte innerhalb eines aus den Firmen Ansaldo, Ercole Marelli und Brown Boveri bestehenden Planungspools. 1979/1980: Bo'Bo'-Drehstrom-Prototyp-Lokomotive 120 001 der Deutschen Bundesbahn (DB). Bei den Lokomotiven der Baureihe 120, auch beim Triebzug ICE, ist die gesamte Antriebsausrüstung in zwei ziemlich weitgehend eigenständige Gruppen aufgeteilt worden, die den beiden Drehgestellen zugeordnet sind. Ein etwaiger Ausfall betrifft also meist nur ein einzelnes Drehgestell, dessen darin aufgehängte Motoren übrigens parallel geschaltet sind. Die fünf Prototyp-Lokomotiven BR 120, darunter die gezeigte 120.001 besaßen anfangs Bremswiderstände. Nachdem sich zeigte, dass die Aufnahmefähigkeit des DB-Stromnetzes sehr gut ist, hat man die voluminösen und schweren Widerstände entfernt. Die elektrische Netzbremse entsprach den Anforderungen. Die Leistungselektronik, die Regelung und die Hilfsbetriebe sind modular aufgebaut, so dass jederzeit gemäß dem neuesten Stand der Technik einzelne Module ausgetauscht und das System angepasst werden können. Die kostengünstigere und nach Kriterien der Fertigung und Instandhaltung geschaffene Kopfform der Lokomotive wurde trotz eines höheren Luftwiderstandsbeiwertes der optimierten aerodynamischen Stirnseite vorgezogen.

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1980: Auf Messfahrt: Bo'Bo'-Drehstrom-Lokomotive 120.001 der Deutschen Bundesbahn (DB). Wir befinden uns im Frühjahr 1980: Die in Drehstrom-Technik ausgeführte Lokomotive 120.001 musste auf der berühmten Geislinger Steige auf der Schwäbischen Alb mehrere messtechnische Untersuchungen durchlaufen, womit ihr Testprogramm allerdings noch längst nicht beendet war: Mit den Maschinentechnischen Direktoren west- und osteuropäischer Eisenbahnen als Beobachter im Zug hatte die DB mit derselben Lokomotive am 17.10.1984 zwischen Augsburg und Donauwörth einen Geschwindigkeitsrekord von 265km/h aufgestellt. Es war zu jener Zeit die höchste, für ein Triebfahrzeug mit Drehstrom-Antriebstechnik je auf deutschen Strecken gefahrene Geschwindigkeit. Die eigentlich für nur 160km/h Höchstgeschwindigkeit entwickelte Baureihe 120 erwies sich bald auch für 200km/h ohne weiteres verwendbar. Für noch höhere Geschwindigkeiten wurde bei der 120.001 lediglich die Getriebeübersetzung verändert. Durch die getrennte Steuerung von Frequenz und Spannung kann bei dieser Baureihe die Maximalzugkraft auf jede beliebige der betriebstechnisch zulässigen Geschwindigkeiten »gelegt« werden, so dass eine Unterscheidung zwischen Güterzug- und Schnellzug-Lokomotive nicht mehr gerechtfertigt ist. 1982/1983: Lokomotivbau ist international: Bo'Bo'-Verschiebelokomotiven V46.001/002 der Ungarischen Staatsbahnen (MAV). Die Ganz-Mavag-Lokomotiv-, Waggon- und Maschinenfabrik in Budapest montiert hier zwei elektrische Bo'Bo'-Lokomotiven für den 50-Hertz-Betrieb der Ungarischen Staatsbahnen. Die viermotorigen Rangier-Fahrzeuge erhielten eine Thyristor-Steuerung und Tatzlager-Antrieb. Es handelt sich um 14,4m lange und 80t schwere Lokomotiven, die auf den Budapester Reißbrettern, jedoch auch anhand der Erfahrungen mit ausländischen Konstruktionen entwickelt wurden. Die Nennleistung (nach UIC) der unter 25.000-Volt-Oberleitung verkehrenden Lokomotiven wird mit 820kW (1115PS) angegeben. Das Werkfoto ist ein typisches Werkstätten-Bild aus der Zeit um 1982/1983 mit hochwertiger Kleinserien-Fertigung.

1983: Bo'Bo'-Verschiebe-Lokomotive 1063.01 der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB). Nach den Erfahrungen des Betriebseinsatzes im November 1976 hatte die von der Ruhrkohle AG erprobte Elektro-Lokomotive (15kV/16,67Hz) mit Drehstrom-Asynchron-Fahrmotoren viel Lob geerntet. Die wesentlichen elektrischen Baugruppen der Henschel-BBC-Diesellokomotive DE2500, auch die Wechselrichter und Fahrmotoren konnten in die Ruhrkohle-Lokomotive E1200 trotz einer Energiezuführung aus dem Fahrdraht übernommen werden. Dass sich Bewährtes weitervererbt, beweist die auf dem SGP-Werkfoto abgebildete Lokomotive 1063.01. Die ÖBB haben nämlich nach dem Vorbild der E1200 eine in Drehstromtechnik ausgeführte Bo'Bo'-Verschub-Lokomotive von der Simmering-Graz-Pauker AG beschafft. Es handelt sich um eine Zweifrequenz-Lokomotive für Fahrleitungen für 15kV/16,67Hz oder 25kV/50Hz, die auch für den Zubringer- und Nebenbahndienst tauglich sein musste und 76,2t Betriebsgewicht aufwies. Die von BBC elektrisch ausgerüstete Lokomotivbauart kann auf den Verschiebebahnhöfen das Verschieben von Zügen bis zu 1400t besorgen. Sie kann außerdem 700t über den Ablaufberg drücken. Die Leistungsänderung dieser ersten von 5 Prototyp-Lokomotiven ist in stufenloser Regelung vorgesehen. Sie können dabei auch für unbegrenzte Zeit im Schritttempo fahren. An den Lieferungen der Voraus-Lokomotiven 1063.01-05 beteiligten sich auch ELIN und Siemens. Mit einer Nennleistung von 1500kW und einer Höchstgeschwindigkeit von 80km/h sind die recht schweren Maschinen auch auf den mit Industriefrequenz ausgerüsteten Strecken der Ungarischen und der Tschechoslowakischen Staatsbahnen verwendbar. 1983: Auf dem Prüfstand: Bo'2'-Drehstrom-Erprobungsträger 182.001 der AEG. Besonders für den Export hatte die AEG ein eigenes Drehstrom-Antriebskonzept für elektrische Lokomotiven entwickelt, das sich im wesentlichen an den Erfordernissen der mit Industriefrequenz elektrifizierten Einphasen-Wechselstrombahnen orientierte und eine vereinfachte Technik aufwies. Zur Erprobung diente die 1959/1960 für die Deutsche Bundesbahn gebaute Zweifrequenz-Lokomotive E32.001, die im grenzüberschreitenden Verkehr Dienst tat und später ausgemustert wurde. Einer der beiden Führerräume bekam eine vollständige Messinstrumenten-Installation, und eines der beiden Drehgestelle erhielt neue Drehstrom-Fahrmotoren von zweimal 1436kW = 2872kW (3900PS) Nennleistung. Erste Streckenversuche fanden 1981 statt. Im Jahre 1983 stand dann mit dieser AEG-Lokomotiv-Erprobungsbauart erstmals ein komplett ausgestattetes Triebfahrzeug zur Überprüfung seines Antriebssystems auf dem neuen Rollenprüfstand in München-Freimann. Das Foto von J. M. Mehltretter stellte uns die AEG zur Verfügung. Zum Testprogramm gehörten die Messungen des Betriebsverhaltens eines neuen mechanischen Kupplungsgebildes zwischen Motor und Radsatz, ferner Dauerläufe zur Ermittlung der thermischen Grenzwerte, verschiedene Versuche mit Motorschaltungen in Verbindung mit definierten Steuer- und Regelvorgängen zur Bestimmung von Ausgleichsvorgängen beim Radschleudern und Radgleiten. Eine individuelle Farbgebung in Rot, Beige, Silbergrau und Schwarz kennzeichneten das äußere Erscheinungsbild der für 120km/h zugelassenen Lokomotive 182.001. Das Bundesministerium für Forschung und Technologie stellte die von ihm geförderte Prüfstandeinrichtung für die Testprogramme zur Verfügung.

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1984: Bo'Bo'-Mehrzweck-Lokomotive 145.158 der Deutschen Bundesbahn (DB). Dieses Ausschlacht-Objekt, schon beinahe ein Schrottbündel, ist die im Sommer 1984 im DB-Ausbesserungswerk Kassel stehende Drehgestell-Lokomotive 145.158. Ihre Geburtstätten waren 1943 Henschel und Siemens. Und ihre Einsatzziele ließen das Herz vieler Feriengäste höher schlagen; Die Lokomotive war nämlich lange Zeit in Freiburg beheimatet und diente dort auf der wildromantischen Höllental- und Dreiseen-Bahn, die beide noch heute auf ihre Modernisierung und Begradigung warten, vor Eil-, Urlauber- und Güterzügen. Im südlichen Schwarzwald, Station Feldberg-Bärental, erklomm die mit neunstufiger elektrischer Widerstandsbremse ausgerüstete, einstige E44.158 den höchsten im Netz der DB gelegenen Bahnhof (967m über NN). Zu den letzten Aufgaben zählten Einsätze beim Bahnbetriebswerk Rosenheim und in der Zugbereitstellung des Münchener Hauptbahnhofes, bis sie 1983 ausgemustert worden ist. 1984: Anfahrversuche: Bo'Bo'-Drehstrom-Lokomotive 120.005 der Deutschen Bundesbahn (DB). Recht eindrucksvoll gestalteten sich mit dieser Lokomotive am 18.10.1984 die Anfahrversuche auf der mit 27 Promille angelegten Frankenwald-Strecke zwischen Pressig-Rothenkirchen und Steinbach am Wald. Die Lokomotive 120.005, die übrigens auch im Intercity-Dienst bis 200km/h eingesetzt wird, setzte eine 780t schwere Anhängelast in einem Gleisbogen von nur 300m Radius aus dem Stand heraus in Bewegung. Ein solcher Versuch gelang bezeichnenderweise auch auf nassen Schienen. Die für eine Vergleichsanfahrt verwendete schwere sechsachsige Güterzuglokomotive der Baureihe 151 mit konventioneller Schaltwerk-Steuerung und Einphasen-Reihenschluss-Kommutator-Motoren schaffte das mit demselben Zug auf nasser Strecke nicht.

1985: Im Forschungsprogramm: Bo'Bo'-Drehstrom-Lokomotive 120.001 der Deutschen Bundesbahn auf dem Prüfstand. Im Rahmen des vom Bundesministerium für Forschung und Technologie geförderten Programms zur systematischen Erforschung der Rad-Schiene-Technik wurde während der zweiten Hälfte der siebziger Jahre in München-Freimann ein Rollenprüfstand unter der planerischen und bautechnischen Betreuung von Krauss-Maffei und dem Bundesbahn-Baustab 'Versuchsanlage Verkehrstechniken' errichtet. Der Schienenweg wird hier durch Rollen nachgebildet, die paarweise je einen Fahrzeug-Radsatz aufnehmen können. Um das Fahrverhalten der Schienenfahrzeuge im stationären Versuch untersuchen zu können, muss der Rollenprüfstand die Fahrzustände und die geometrischen Parameter des Gleises simulieren können. Die Antriebsleistung des Prüfstandes beträgt 2400kW (3265PS), die Bremsleistung bei generatorischem Betrieb zusammen mit den Scheiben- und Wirbelstrom-Bremsen maximal 9600kW (13.056PS). Die höchstzulässige Drehzahl der mit 1400mm im Laufkreisdurchmesser dimensionierten Rollen beläuft sich auf 1900U/min, entsprechend einer Fahrgeschwindigkeit von 500km/h. Das Foto veranschaulicht die Prototyp-Drehstrom-Lokomotive 120.001 auf dem »dynamischen Fahrweg-Simulator«. Es ist der auf Luftfedern gemeinsam mit Stahlfedern gelagerte, in Freimann aufgestellte Prüfstand mit einem Gesamtgewicht von 1800t.

1985: Farb-Experimente: Bo'Bo'-Schnellzug-Lokomotive 111.069 der Deutschen Bundesbahn (DB). Die einzelnen Eisenbahn-Verwaltungen denken immer mal wieder über die farbliche Gestaltung ihrer Fahrzeuge nach. Ob's dann mit den Lackier-Experimenten auch beliebte »Styling-Volltreffer« geben wird, weiß man freilich erst viel später nach kritischer Beleuchtung der Publikumsreaktionen.´In einer rot-weiß-blauen Variante wurde im Jahre 1985 die DB-Lokomotive 111.069 in Hockenheim und in München-Freimann vorgestellt. Ein Farb-Kostüm, von Bestand war es allerdings nicht.

1986: Signalwirkung: Bo'Bo'-Schnellzug-Lokomotive 111.068 der Deutschen Bundesbahn (DB). Teils mit Scherenstromabnehmern, teils mit Einholmstromabnehmern ausgestattet, waren die Lokomotiven der Baureihe 111 gewissermaßen Schrittmacherinnen im Versuch mit der Automatischen Fahr- und Bremssteuerung (AFB) und mit dem so genannten »integrierten Führerraum«. Ihr orangefarbener Anstrich für den S-Bahn-Einsatz im Rhein-Ruhrgebiet, bei gleichzeitiger Ausrüstung mit zeitmultiplexer Wendezugsteuerung, machte die Baureihe 111, zuerst für 150km/h, dann für 160km/h zugelassen, wohl zur farbenfreudigsten Elektrolokomotivgattung der DB. Nach jahrelangen Farb-Design-Experimenten hatte die DB im Dezember 1986 im Frankfurter Hauptbahnhof ihr neues farbliches »Markenartikel-Konzept« vorgestellt. An der Spitze des Muster-Zuges stand die 111.068. Sie erhielt einen einfarbigen Anstrich in »IC-Rot«. Zur besseren Erkennung auf größere Entfernungen sind jedoch die Stirnflächen mit einer hellgrauen Kontrastfläche versehen. Die Dynamik und Kraft symbolisierende Rot-Lackierung soll, wie die DB schrieb, Signalwirkung für das Spitzenangebot erhalten.

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1987: Bo'Bo'-Drehstrom-Lokomotive 120.101 der Deutschen Bundesbahn (DB). Eine fünfzehnjährige Entwicklung liegt zwischen dem Beginn der Entwurfsarbeiten mit anschließender Baumuster-Erprobung und der Ablieferung dieser ersten von Krauss-Maffei in München gebauten und nunmehr im Februar 1987 vorgestellten Serien-Drehstromlokomotive 120.101 der DB.

1986/1987: Die neue Konzeption: Bo'Bo'-Drehstrom-Triebkopf 410.001 der Deutschen Bundesbahn (DB). Auf der Berliner VDI-Tagung »Dynamik schneller Bahnsysteme« sprachen die Fachleute schon im März 1984 während einer Projektübersicht des damals im Bau befindlichen Hochgeschwindigkeitszuges ICE von einer Konzeption für die neunziger Jahre: Gefragt sind elektrische Lokomotiven in Form aerodynamisch gestalteter Triebköpfe für eine neue Generation von Zügen. Die DB schrieb hierzu: »Die Triebköpfe bilden eine besondere Art von Lokomotiven. Sie enthalten die gesamte Antriebstechnik, haben jedoch nur an einem Ende die aerodynamisch optimierte Kopfform und einen Führerraum; am anderen Ende stoßen sie stumpf an den folgenden Wagen.« Die Antriebstechnik entspricht weitgehend der bereits in der Drehstromlokomotivbaureihe 120 erprobten Leistungsübertragung mit Asynchronmotoren. Allerdings stellen diese Triebkopf-Lokomotiven eine Rückkehr zum Spezialtriebfahrzeug dar, weil sie »nur« für den Betriebs-Alltag des ICE oder ähnlicher Zugkompositionen geeignet sind. »Allround-Könner« wie die Universallokomotive E120 sind sie also nicht. Aber solche elektrischen Triebköpfe werden auch im Ausland (Italien, Frankreich) entwickelt und gebaut. Sie müssen an vielerlei Vorbild-Technik Maß nehmen. Man verlangt sinnvolle elektrische Steuerungen und optimale Kommunikation, Energie-Ökonomie, Führerstand-Ergonomie, übersichtliche Instrumentierung, Robustheit und Langlebigkeit. Das Krupp-Werkfoto zeigt die 78t wiegende »Triebkopf-Lokomotive« mit einer Höchstleistung von 4200kW. Mit dem aus drei Mittelwagen und einem zweiten Triebkopf bestehenden ICE erreichte sie am 17.11.1986 ein Spitzentempo von 345km/h. Die Versuchsfahrten werden 1987 fortgesetzt. Die Triebköpfe wurden unter Federführung von Krupp entwickelt und von Krupp, Thyssen-Henschel, Krauss-Maffei, AEG, BBC und Siemens gebaut.


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