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Die 500-Jahr-Bombe

Date post: 04-Jan-2017
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UtopiaZukunftsroman

Nr. 244

W.H. Fear

Die 500-Jahr-BombeLetzte Rettung für die Erde

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Nach dem Atomkrieg, der die Erde verwüstete, fliehen wenige Schiffe zur Venus und gründen dort eine neue Zivilisation, die Tusische-(Terra-venusische) Kultur. Seit fünfhundert Jahren gilt Terra als giftiger Planet, dessen verseuchte Atmosphäre kein Leben mehr birgt.

Luftprobe

Die ›Star Queen‹ war ein halbverrosteter alter Raumfrachter der venusischen Handelsflotte und eigentlich schon seit lan-gem reif zur Verschrottung. Nur die liebevolle Pflege des Ers-ten Ingenieurs hielt das brüchige, altersschwache Wrack noch zusammen.

Ihre Düsen waren von den Ausstoßflammen unzähliger Starts brüchig geworden, der Rumpf trug die tiefen Spuren mancher Bauchlandung auf fernen, unwirtlichen Planeten.

Zur Zeit war die ›Star Queen‹ mit einer Ladung Eisenerz für die Wissenschaftler der Dschungelwelt der Venus unterwegs. Außerdem hatte sie ein paar Dutzend schwerer Kisten für die Händler der roten Wüsten des Mars geladen, und jede Kiste war vollgepackt mit wertvollen Karnet-Fellen.

Captain Red Miller und sein Erster Offizier Ormond Crane standen auf der Kommandobrücke des alten Frachters. Durch die Plexiglasluken sah man den tiefdunklen Himmel mit sei-nen Millionen Sternen, die das Schiff von allen Seiten umga-ben. Ein Anblick von majestätischer Pracht, an dem sich Or-mond Crane immer wieder begeistern konnte, sooft er ihn auch schon gesehen hatte.

Plötzlich wurde die Tür vom Oberdeck aufgerissen, und das bärtige Gesicht des Ingenieurs John McKenzie tauchte auf.

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Captain Red Miller und Ormond Crane wandten sich nach ihm um. Ein Blick genügte, und sie wußten, daß Gefahr droh-te.

McKenzies sonst so fröhliche Augen blickten tiefernst, die Lippen preßte er fest zusammen. Seine ganze Miene drückte Spannung und Unruhe aus. Er trat ein paar Schritte vor, ohne etwas zu sagen, und starrte kopfschüttelnd durch die vordere Sichtscheibe.

Captain Miller beobachtete ihn beunruhigt und erhob seine Stimme, um das Dröhnen der Maschinen zu übertönen.

»Hey, Jock! Was ist los? Sagen Sie nicht, daß unsere alte ›Star Queen‹ endgültig durchgerostet ist und sich in ihre einzelnen Bestandteile auflöst. Müssen wir etwa den Rest des Wegs zu Fuß zurücklegen?«

McKenzie antwortete nicht. Er starrte immer noch in den Raum hinaus, wo jetzt die runde Scheibe eines Planeten zuse-hends wuchs und näherkam. Es war die tote Terra, die einstige Heimat der Venusier, deren Oberfläche der Atomkrieg in eine Hölle atomaren Staubes verwandelt hatte, auf der es kein Le-ben mehr geben konnte.

Ormond Crane fragte in böser Vorahnung:»Was ist geschehen, Jock? Ist etwas schiefgegangen?«Der Ingenieur schob seine Mütze ins Genick und knurrte:»Das kann man wohl sagen! Eine der Brennkammern ist

durchgeschmolzen! Weiß der Teufel, wie das passieren konnte!«

Crane erblaßte und Captain Miller fluchte.Das war eine schlimme Nachricht. Jeder von ihnen wußte,

was das bedeutete. Das Schiff konnte keinen Kurs mehr halten. Die anderen Brennkammern wurden überlastet, und früher oder später mußten sie gleichfalls ausfallen. Die Überhitzung würde auf den Rumpf übergreifen, und für die Besatzung

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blieb dann nur die Wahl zwischen zwei Todesarten: in dem bis zur Weißglut erhitzten Rumpf elend zugrundezugehen – oder in den Raum auszusteigen, wo ihre Lungen platzen, ihre Blut-gefäße zerreißen, ihre Körper vom inneren Druck auseinander-gerissen würden.

Eine Minute lang herrschte betretenes Schweigen.Dann räusperte sich Red Miller und fragte zögernd:»Crane, wie viele Schutzanzüge führen wir mit?«»Vier, Sir«, antwortete Ormond Crane.»Hm. Einer für jeden Offizier. Und der vierte für einen von

der Mannschaft; sie können ihn ja auslosen.«»Was?« rief der Ingenieur empört. »Wir Offiziere sollten uns

in Sicherheit bringen und die Mannschaft im Stich lassen?«»Übrigens«, wandte Crane ein, »wären wir in den Rauman-

zügen nicht besser dran als die andern. Lieber ein schneller Tod, als ein paar Stunden Aufschub und ein langsames, qual-volles Ersticken, wenn der Sauerstoff in den Schutzanzügen zu Ende geht.«

Aber der Kapitän klammerte sich an diesen Gedanken.»Wir fliegen auf einer Hauptverkehrslinie. Bestimmt wird

man uns finden. Wenn die ›Star Queen‹ hochgeht, wird man die Explosion tausende von Meilen weit sehen.«

»Daß ich nicht lache!« höhnte der Ingenieur. »Bis ein Schiff die Unglücksstelle erreicht, sind wir genau so tot wie die an-dern. Der Sauerstoff reicht nicht viel länger als eine Stunde, und dann – Mahlzeit!«

Ormond Crane fragte:»Wenn wir auf einem Planeten notlanden könnten, Jock –

wären Sie dann imstande, den Schaden zu beheben?«Der Ingenieur strich sich seinen schwarzen Bart.»Klar. Notlanden wäre die einfachste Lösung. Aber wo? –

Das ist die Frage!«

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Er wies mit dem Kopf zum Bildschirm, auf dem die drohen-de Scheibe Terras ihre Bahn um die Sonne zog. »Das ist der einzige Planet, den wir noch erreichen könnten. Venus und Merkur sind zu weit entfernt. Wir haben nicht mehr viel Zeit.«

Ormond Crane warf einen kurzen Blick auf die tote Erde, und es war, als kralle sich eine eiskalte Hand um sein Herz.

»Unmöglich!« rief er entsetzt. »Sie wissen doch, Jock, daß wir auf Terra nicht landen können! Es ist eine tote Welt, eine Welt des Grauens, auf der alles Leben vor fünfhundert Jahren ver-nichtet wurde. Die Atmosphäre ist reines Gift, atomare Asche bedeckt die Kontinente. Kein Raumanzug kann die tödlichen Strahlen abhalten. Eine grauenhafte Stille liegt über der gan-zen Erde, seit die letzte Atombombe krepierte und das letzte Raumschiff mit Flüchtlingen den Unglücksplaneten verließ.«

John McKenzie zuckte hoffnungslos die Achseln.»Das weiß ich so gut wie Sie. Ich sage nur, daß Terra der ein-

zige erreichbare Planet ist. Wenn wir Kurs auf den Venushafen nehmen, gehen wir auf halbem Weg hoch. Wenn wir auf Terra landen, sterben wir den Atomtod. Wir haben die Wahl.«

Ein Hoffnungsstrahl glomm in Ormond Cranes Augen auf.»Könnten wir nicht auf Terras Mond landen?« fragte er.Captain Red Miller schüttelte den Kopf.»Nichts zu machen! Der Atomkrieg wurde auf dem Mond zu

Ende gekämpft. Es war ein Wunder, daß er nicht explodierte, so viele Bomben haben seine Oberfläche aufgewühlt!«

In diesem Augenblick ging ein gewaltiger Stoß durch das ganze Schiff. Die drei Männer wurden gegen die Wand ge-schleudert und hatten Mühe, sich auf den Beinen zu halten.

Red Miller brüllte den Mann an der Kontrolltafel an:»Verdammter Idiot! Können Sie nicht aufpassen? Was ist

denn passiert?«John McKenzie fiel ihm ins Wort:

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»Er kann nichts dafür. Begreifen Sie nicht, daß die andern Brennkammern durchzuschmelzen beginnen? Es geht zu Ende, Captain! Wenn Sie aussteigen wollen, dann wird es Zeit!«

Verzweifelt schaute der Kapitän sich um. Sein Blick blieb an dem Wandschrank hängen, in dem die Schutzanzüge aufbe-wahrt wurden.

Ormond Cranes Mund war ein schmaler Strich. Verächtlich beobachtete er den Kapitän, der nur noch einen Gedanken zu haben schien: sein Leben zu retten.

Der junge Offizier schaute auf die tote Welt vor ihnen. Und plötzlich straffte sich seine Gestalt, ein entschlossener Aus-druck trat auf sein Gesicht. Seine Stimme war fest und befeh-lend:

»Fertigmachen zur Landung auf Terra! Es ist unsere einzige Chance, Jock!«

Der Ingenieur wandte bedenklich ein:»Und wenn die Erde immer noch verseucht ist?«»Dann haben wir Pech gehabt«, sagte Crane ruhig. »Es ist

das einzige, was wir tun können.«Red Miller wandte sich entsetzt nach ihm um.»Sind Sie verrückt geworden, Crane?« In seinen Augen fla-

ckerte Angst. »Nein! Alles, nur das nicht! Unser Blut wird ge-rinnen, das Fleisch wird uns bei lebendigem Leib von den Knochen faulen…«

Ormond Cranes Hand fuhr nach dem Koppel. Eine Sekunde später starrte der Kapitän in die kreisrunde, schwarze Mün-dung einer Strahlenpistole.

»Ich übernehme das Kommando, Red!« zischte Crane. »Sie haben in der Stunde der Gefahr versagt und Ihre Besatzung verraten! Sie denken nur an Ihr Leben! Aber ich werde es nicht dulden, daß die Mannschaft im Stich gelassen wird. Auch de-

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nen, die keinen Raumanzug haben, muß eine Chance gegeben werden – und wäre sie noch so gering.«

»Zum Teufel mit der Mannschaft!« schrie der Kapitän, halb wahnsinnig vor Angst. »Macht, was ihr wollt – ich steige aus, bevor der alte Kasten in Trümmer geht!«

Er riß den Wandschrank auf. Keiner hinderte ihn, als er in den schweren Schutzanzug aus Stahl und Plastik kletterte. Kei-ner half ihm, als er sich mit dem plumpen Helm abmühte.

Ormond Crane sagte ruhig:»Sie können sich auch einen Raumanzug nehmen, Jock –

wenn sie wollen…«Der schwarzbärtige Terra-Venusier grinste flüchtig und

schüttelte den Kopf.»Ich stehe zu Ihnen, Crane. Wenn es Ihnen gelingt, die ›Star

Queen‹ auf Terra zu landen, verbürge ich mich dafür, den Schaden zu beheben. Vorausgesetzt, daß wir am Leben blei-ben.«

Red Miller stolperte auf seinen schweren, magnetischen Stie-feln in den Korridor hinaus und auf die Ausstiegsschleuse zu.

Ormond Crane gab dem Mann an der Kontrolltafel einen Wink, ihm seinen Platz zu überlassen. Den Blick auf die Meß-instrumente geheftet, befahl er McKenzie:

»Geben Sie der Mannschaft Befehl, alles zur Landung fertig-zumachen. Aber sagen Sie nicht, daß es Terra ist.«

»Das brauche ich keinem zu sagen, das wissen alle«, meinte McKenzie. »Und ich bin nicht sicher, wie sie es aufnehmen werden.«

»Dann wollen wir uns auf alles gefaßt machen, Jock. Wir müssen mit einer Meuterei rechnen.«

Ingenieur John McKenzie bezog Posten auf dem Korridor vor dem Kontrollraum, die Strahlenpistole in der Faust.

Ormond Cranes Finger glitten über die Hebel und Schalter

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der Kontrolltafel. Das Schiff beschrieb eine sanfte Kurve und nahm dann Richtung auf Terra.

Eine Warnsirene zeigte an, daß Captain Miller die innere Schleusenluke geöffnet hatte. Ein rotes Licht flammte auf und erlosch. Der Kapitän der ›Star Queen‹ hatte die Schleuse betre-ten und machte sich bereit, sein Schiff zu verlassen, während die Mannschaft an Bord blieb.

Ein zweites Lichtzeichen verkündete, daß die äußere Schleu-sentüre geöffnet wurde und sich automatisch nach dem Aus-stieg wieder schloß.

Captain Red Miller schwebte allein im unendlichen Raum.Auf der Sichtscheibe verfolgte Ormond Crane die Gestalt, die

sich überschlug, sich mehrfach um sich selbst drehte und schwerelos durch das Nichts glitt. Sie blieb hinter dem Schiff zurück, wurde kleiner und kleiner, war bald nur noch ein win-ziger Punkt und entschwand schließlich dem Blick. Ein Staub-körnchen in der Unendlichkeit kreisender Gestirne, ein Nichts, ein armseliges Stückchen Leben im ewigen All. Würde es ver-löschen, noch ehe die ›Star Queen‹ Terra erreicht und die Mannschaft ihre letzte Chance erprobt hatte?

Crane nahm Verbindung mit der Funkkabine auf. Das Ge-sicht des Funkers erschien auf einem Bildschirm.

Crane sagte:»Captain Miller hat das Schiff verlassen – freiwillig und auf

eigenen Wunsch. Senden Sie einen Notruf aus, so lange es noch geht. Geben Sie die Position des Kapitäns an. Vielleicht kann ihn ein anderes Schiff aufnehmen.«

»Ja, Sir.«Der Funker zögerte, dann wagte er die Frage:»Sie – Sie steigen nicht aus, Sir? Sie bleiben an Bord?«»Ja, Mitchell. Ich bleibe. Ebenso Mr. McKenzie. Wir wollen

versuchen, Terra zu erreichen.«

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»Terra?« entfuhr es dem Funker. Er faßte sich rasch und ant-wortete mit ausdrucksloser Miene: »Ja, Sir.«

»Halten Sie die Daumen, Mitchell.«»Ja, Sir.«Ormond Crane schaltete ab und wandte sich der höllisch

schweren Aufgabe zu, die ihm nun bevorstand: ein beschädig-tes Schiff, dessen Raketen eine nach der andern ausfielen und dessen Steuerung nicht mehr einwandfrei funktionierte, auf ei-nem fremden Planeten sicher aufzusetzen. Was danach kam, daran wollte er noch nicht denken. Vielleicht würde die ver-seuchte Atmosphäre sie nicht einmal die Landung überleben lassen.

*

Östlich einer hohen Gebirgskette senkte sich das Schiff in einer sanften Kurve auf die öde, staubige Ebene hinunter. Wo die Ausstoßflammen der Raketen die Erde trafen, hinterließen sie eine breite, verkohlte Spur wie eine riesige Narbe.

Langsam fuhr das hydraulische Landegestell aus und fing den heftigen Stoß der Landung auf. Eine letzte Erschütterung – und dann stand das Schiff ruhig und aufrecht auf der Erde.

Der Motorenlärm erstarb. Das Metall des Rumpfes knisterte und knackte in allen Fugen unter dem plötzlichen Druck der warmen Luft nach dem Flug durch den eisigen Raum.

Ormond Crane wischte sich mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn. Die Landung hatte geklappt. Aber das war nur der erste Schritt…

McKenzie steckte den Kopf durch die Türe. Er hielt immer noch die Strahlenpistole in der Hand.

»Gut gemacht, Junge!« sagte er anerkennend. »Eine so glatte Landung hat der alte Red Miller in seinem ganzen Leben nicht

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fertiggekriegt.«»Danke, Jock. Aber jetzt wird es erst ernst. Der eigentliche

Alptraum liegt vor uns! Zuerst müssen wir die Mannschaft von der Lage in Kenntnis setzen. Und dann wird einer von uns aussteigen und einen tiefen Atemzug machen, um festzustel-len, ob die Luft wirklich vergiftet ist. Das ist meine Aufgabe.«

»Kommt nicht in Frage!« widersprach McKenzie. »Ich muß sowieso hinaus, um die Reparatur durchzuführen. Ich gehe.«

»Dann gehen wir beide, Jock. Ich habe, seit Miller fort ist, das Kommando. Sie sind jetzt mein Erster Offizier und meine rech-te Hand.«

»Geht in Ordnung, Commander Crane!« sagte Jock. »Wir bei-de werden es schon schaffen! Bestimmt eher, als mit Kapitän Miller!«

»Miller hat den Kopf verloren. Ich bin überzeugt, daß er Ve-nus nie wiedersehen wird.« Er schaute auf seine Armbanduhr. »Es ist zwölf Stunden her, daß er absprang. Wenn er inzwi-schen nicht aufgefunden wurde, hat er seinen Sauerstoffvorrat aufgebraucht. Dann ist er erledigt.«

Die beiden Männer legten nun die Raumanzüge aus dem Wandschrank an und gürteten sich die Strahlenpistolen um. Dann gingen sie auf ihren schweren Bleisohlen zum Unter-deck. Die durchsichtigen Schutzhelme trugen sie unter dem Arm.

Vor der Schleuse hatte sich die ganze Mannschaft der ›Star Queen‹ eingefunden. Als die beiden Offiziere auftauchten, wandten sich ihnen alle Gesichter in größter Spannung zu.

Ein Teil der Besatzung bestand aus Flüchtlingen der Erde, ebenso wie die beiden Offiziere. Aber es gab auch andere Ras-sen. Einige Schlangenmenschen, die Urbevölkerung der Ve-nus, ein Katzenmensch aus den Höhlen des Merkur. Und ein blauhäutiger Marsianer, der in Venus an Bord gegangen war

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und sich die Überfahrt nach Mars City verdiente. Er hieß Ta-run Bi.

Der Marsianer hatte Ormond Crane von Anfang an mißfal-len. Etwas in den Augen des Blauhäutigen sagte ihm, daß der Mann nicht das war, was er zu sein vorgab. Sein hochmütiges, selbstsicheres Benehmen erinnerte an die Soldaten der Mar-s-Armee, die die Bewohner aller andern Planeten als minder-wertige Rassen betrachteten.

Crane fühlte den Blick der geschützten Augen in dem blas-sen Gesicht auf sich gerichtet. Dieser Mann schien keine Angst zu kennen – im Gegensatz zu seinen Kameraden, denen die Furcht vor dem vergifteten Planeten auf den Gesichtern stand.

Ormond Crane trat vor seine Besatzung hin und erklärte in wenigen Worten die Lage. Er beschönigte nichts und ver-schwieg ihnen die Gefahr nicht.

»Aber wir waren vor die Wahl gestellt, entweder den siche-ren Tod im Raum zu finden oder eine Landung auf Terra zu wagen, um den Schaden hier zu reparieren. Auf diesem Plane-ten hat es seit fünfhundert Jahren kein Leben mehr gegeben. Im Raum wären wir wahrscheinlich jetzt schon tot. Ich fürchte, Kapitän Miller hat den Tod im Raum gefunden. Wir aber ha-ben noch eine Chance. Wir haben keine Möglichkeit, die At-mosphäre anders zu prüfen, als durch einen praktischen Ver-such. Mr. McKenzie und ich werden aussteigen. Ihr könnt uns durch die Sichtscheibe beobachten und werdet die Wahrheit wissen, sobald wir die Helme abnehmen. Entweder wir blei-ben auf der Strecke – dann haben wir eben Pech gehabt, oder die Luft schadet uns nicht, dann sind wir alle gerettet.«

Eine tiefe Stille folgte diesen Worten. Jeder Mann auf dem rostigen alten Frachter wußte, daß Ormond Crane das einzige Richtige tat. Und daß von ihm und diesem Versuch ihrer aller Leben abhing.

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Die beiden Offiziere schraubten Ihre Helme fest und betraten die Schleuse. Durch ihr Gewicht schloß sich automatisch die innere Tür. Crane bemerkte, daß das bärtige Gesicht seines Ka-meraden hinter dem gläsernen Helm von kleinen Schweißper-len besät war. Er lächelte ihm ermutigend zu.

Die Ausstiegluke öffnete sich. Eine Stahlleiter fuhr aus.Crane kletterte als erster hinunter und setzte den Fuß auf die

Erde. Es war ein sonderbares Gefühl zu wissen, daß zum ers-tenmal seit fünfhundert Jahren wieder ein Mansch diesen Pla-neten betrat. Zum erstenmal seit jenem entsetzlichen Krieg, in dem die Zivilisation der Erde sich selbst vernichtet hatte.

Er scharrte mit seinem bleibeschwerten Stiefel auf dem Bo-den und eine Wolke weißlichen Staubs flog auf. Er ließ den Blick über die Ebene gleiten, bis zu den Bergen, die den Hori-zont begrenzten. Nirgends ein Anzeichen von Leben, keine Pflanze, kein Vogel, nichts. Es war eine tote Welt.

Als die Völker der Erde in jenem grauenhaften Krieg einan-der ausrotteten und ihre eigene Welt unbewohnbar machten, war es nur wenigen geglückt, in Raumschiffen den Unglücks-planeten zu verlassen. Sie flüchteten auf die Venus, die dämm-rige, feuchte Dschungelwelt. Über hundert Jahre lang mußten sie in zermürbendem Kleinkrieg gegen die Urbevölkerung, die Schlangenmenschen, kämpfen, bis es schließlich zu einer Eini-gung kam. Die Terraner bauten nun eine neue Zivilisation auf dem Gastplaneten auf, die Terra-Venusische Kultur, Tusische-Kultur genannt. Die Terraner hatten seinerzeit die Erde verlas-sen, Die Tusier kehrten heute zurück.

Ormond Crane verständigte sich über die Sprechanlage in seinem Helm mit McKenzie.

»Lassen Sie uns zuerst den Raumer untersuchen, Jock.«Der Ingenieur brauchte nicht lange, um festzustellen, daß der

Schaden mit Bordmitteln zu beheben war.

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»Wir können es ohne weiteres schaffen, Ormond – vorausge-setzt, daß die Atmosphäre nicht giftig ist, so daß auch die Leu-te, die keine Raumanzüge zur Verfügung haben, im Freien ar-beiten können.«

»Wie lange werden Sie brauchen?«»Eine Woche, vielleicht zehn Tage.«Crane fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen.»Und nun kommt der große Augenblick, Jock, der alles ent-

scheidet. Nun wird sich herausstellen, ob wir diese Luft atmen können oder nicht.«

Wie auf Verabredung griffen beide Männer gleichzeitig nach den Verschlüssen ihrer Helme. Cranes Hände zitterten leicht, als er die Schrauben löste. Mit einem entschlossenen Ruck riß er sich die gläserne Kugel vom Kopf. Dann nahm er einen tie-fen Atemzug, als wolle er die verpestete Luft herausfordern, ihn zu töten. Er fühlte sein Herz gegen die Rippen hämmern, das Blut brauste in seinen Ohren.

Nichts geschah. Er schwankte leicht unter einem Schwindel-anfall, als die ungewohnte warme, trockene Luft seine Lungen füllte. Aber seine Lungen wurden nicht vergiftet, seine Haut nicht versengt von den furchtbaren Strahlen.

Er sah John McKenzie an, der breitbeinig dastand und in ru-higen, tiefen Zügen atmete.

Die Blicke der beiden trafen sich. Langsam lösten sich ihre verkrampften Züge, die Spannung wich einem erleichterten Lächeln. Und schließlich konnte Crane einen Freudenschrei nicht unterdrücken. Er sprang in die Höhe, daß der Staub auf-wirbelte, und jauchzte:

»Wir leben! Wir leben, Jock! Wir atmen die Luft Terras – und wir leben trotzdem weiter! Wir sind gerettet!«

Der Ingenieur grinste.»Wir können zur Venus zurückkehren. Und die Wissen-

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schaftler werden Augen machen. Wenn wir von unserem Er-lebnis berichten!«

HINTERHALT

Die Reparatur des Raumfrachters war in vollem Gange. Mit vieler Mühe gelang es der Besatzung, das Schiff um einen Winkel von neunzig Grad zu kippen. Unter der Aufsicht McKenzies arbeiteten die Mechaniker jetzt an den Brennkam-mern und Ausstoßrohren.

Ormond Crane und alle, die nicht unmittelbar beschäftigt waren, ließen ihre Blicke immer wieder in die Ferne zu jener ragenden Gebirgskette schweifen. Sie hätten gerne mehr von dieser Welt gewußt, die die Heimat ihrer Vorfahren war. Bald würden sie sie wieder verlassen, um nie mehr zurückzukeh-ren.

Am dritten Tag bemerkte Crane, während er mit McKenzie frühstückte:

»Es ist ein Jammer, wenn wir in einigen Tagen wieder star-ten, ohne etwas Näheres über diese tote Welt erfahren zu ha-ben.«

John McKenzie stocherte in seiner venusischen Sumpfmelone herum und meinte lächelnd:

»Wenn Sie gerne wissen möchten, wie es jenseits der Berge aussieht, dann gehen Sie doch hin, Junge! Ich halte Sie nicht auf. Ich kann nur meine Spezialisten gebrauchen, alle andern lungern hier unnütz herum. Nehmen Sie alle Müßiggänger mit und machen Sie eine kleine Besichtigungsreise durch die alte Heimat!«

»Aber – Sie brauchen doch ein paar Leute für den Wach-dienst.«

»Wache?« lachte der Ingenieur. »Gegen wen? Wer sollte uns

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hier angreifen, auf diesem toten, gottverlassenen Planeten? Wir brauchen keine Wache.«

»Trotzdem nehme ich lieber nur ein paar Mann mit. Sicher ist sicher.«

Crane wählte einige Leute aus: Whittaker, Long, Dermott und den blauhäutigen Tarun Bi. Den Marsianer nahm er nicht mit, weil er den sieben Fuß großen blauen Riesen gerne um sich haben wollte, sondern er hielt es für besser, ihn im Auge zu behalten. Dieser Tarun Bi war ihm unheimlich. Er traute ihm nicht über den Weg.

Die Beziehungen zwischen Tusiern und den Marsianern wa-ren nicht die besten – obwohl nicht gerade Kriegszustand zwi-schen ihnen herrschte. Die Patrouillenschiffe der Marsflotte überwachten den Raum. Und es kam nicht selten vor, daß sie Schiffe anderer Herkunft anhielten und die Ladung unter ir-gendeinem Vorwand beschlagnahmten.

Vielleicht war Tarun Bi wirklich nur, was er behauptete: ein harmloser Reisender, der sich den Heimflug mit seiner Hände Arbeit verdiente. Vielleicht aber war er auch ein Spion des Marsreiches. Man konnte nicht vorsichtig genug sein…

In der Morgendämmerung des folgenden Tages brachen die fünf Männer auf, um ein wenig von der Welt ihrer Vorfahren zu sehen. Sie machten sich darauf gefaßt, auf dieser sogenann-ten »toten Welt« unter Umständen unangenehme Überra-schungen zu erleben. Daher trug jeder von ihnen ein Gewehr über der Schulter und ausreichend Munition im Gurt. Darüber hinaus hatte Ormond Crane einen Strahler eingesteckt.

Sie nahmen konzentrierte Nahrung für sechs Tage mit, die Zeit, die McKenzie noch für Reparaturarbeiten rechnete. Drei Tage Hinweg, drei Tage Rückweg. Dann würde die alte ›Star Queen‹ voraussichtlich startklar sein. Ihr nächstes Ziel war Mars City, von wo aus sie den Rückflug nach Tus-Port antreten

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würden, dem Raumhafen der Tusier, der am Rande der damp-fenden Dschungel der Venus lag.

Die fünf Männer schlugen die Richtung nach den Bergen ein. Ihre Füße wirbelten Wolken eines weißlichen Staubes auf, der das ganze Land bis zum Horizont bedeckte. Es schien, als hät-ten die Verheerungen des Atomkrieges die ganze Erdoberflä-che zu Staub zierfallen lassen.

Crane beobachtete argwöhnisch den Marsianer, der mit wa-cher Aufmerksamkeit jede Einzelheit der Landschaft in sich aufnahm. Vielleicht wäre es doch besser gewesen, den blauen Riesen bei der ›Star Queen‹ zurückzulassen, um ihm nicht all-zu viele Informationen in die Hände zu spielen, überlegte Cra-ne.

Sie kampierten die erste Nacht in den Ausläufern der hohen Berge. Und hier entdeckte Long das erste Anzeichen von Le-ben.

Es war nur ein kleines Pflänzchen, wenige Zoll hoch, mit armseligen, gelben Blättern. Aber sie alle bestaunten es, als hätten sie einen unermeßlichen Schatz gefunden.

Ormond Crane ließ sich auf ein Knie nieder, legte sein Ge-wehr weg und strich vorsichtig über die kleinen Blätter.

»Wißt ihr, was das bedeutet, Jungs?« murmelte er in ehr-fürchtiger Scheu. »Es gibt wieder Leben auf der alten Erde. Und wenn sich ein paar mutige Menschen zur Rückkehr ent-schließen, könnten sie eine neue Zivilisation aufbauen.«

Ohne eine Aufforderung abzuwarten, kniete nun auch Tarun Bi nieder, um die Pflanze näher in Augenschein zu nehmen.

»Hübsch, nicht?« sagte Crane.Der Marsianer sah ihn mit seinen farblosen Augen an. »Es ist

Leben, Mr. Crane, darauf kommt es an.«In dieser Nacht stellte Crane eine Wache auf, während die

andern schliefen. Wo es pflanzliches Leben gab, konnten auch

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Tiere sein – oder sogar – nein, den Gedanken verwarf Crane sofort wieder.

Die Nacht war ruhig, und nichts geschah. Es schien, als sei die kleine Pflanze doch das einzige, was auf dieser Welt exis-tieren konnte.

Am Mittag des nächsten Tages erreichten sie eine Anhöhe, von der aus sie einen weiten Blick über das Land hatten. Und jetzt sahen sie etwas, was ihren Herzschlag stocken ließ:

In einer Entfernung von etwa fünf Meilen ragten die Ruinen einer alten Stadt aus der einförmigen, weißlichgrauen Ebene empor!

Alle fünf entdeckten sie gleichzeitig und brachen in erstaunte Rufe aus.

»Wer hat Lust, sie näher zu erforschen?« fragte Crane. Er wollte die Zustimmung der Männer haben, bevor er sie zu den Überresten jener Stadt führte, die die Atombomben zerstört hatten. Wer konnte wissen, ob die verhängnisvollen Strahlen noch, wirksam waren?

»Ich komme mit, Sir.«Es war Tarun Bi, der sofort bedenkenlos zu dieser Expedition

bereit war. Der riesige Marsianer konnte offenbar nicht genug Informationen über diese seit Jahrhunderten unerforschte Welt sammeln.

»Sonst noch jemand?« fragte Ormond Crane. »Ich mache euch darauf aufmerksam, daß die Nähe der atomzerstörten Stadt tödliche Gefahren für uns bringen kann. Ich zwinge nie-manden, gegen seinen Willen hinzugehen. Wir wissen, was mit den Opfern jener verheerenden Bomben geschah. Sie star-ben eines langsamen, qualvollen Todes, verwesten bei lebendi-gem Leib. Wir haben keinerlei Sicherheit, daß die Wirkung der Strahlen nicht heute noch aktiv ist.«

»Ich will es riskieren«, meldete sich Dermott. »Ich wollte im-

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mer schon für mein Leben gern eine Stadt der Ahnen aus der Nähe sehen. Ich glaube nicht alles, was man aus den Ge-schichtsbüchern über diese versunkenen Kulturen lernt.«

Auch Whittaker erklärte sich zu der Expedition bereit.Crane merkte, daß Long zögerte, und sagte:»Sie brauchen nicht mitzukommen, Long, wenn Sie nicht

wollen. Das ist ein freiwilliges Unternehmen, zu dem keiner von euch verpflichtet ist. Wir sind bestimmt vor dem Abend wieder zurück. Sie können hier auf dem Hügel bleiben und auf uns warten. Aber halten Sie Augen und Ohren offen!«

»Ja, Sir«, antwortete Long dankbar und erleichtert. Ihm war dieser Planet unheimlich, und er konnte das Gefühl nicht los-werden, daß ihm persönlich mehr Gefahr drohe als den an-dern. Und wo anders sollte diese Gefahr lauern als in einer von Atombomben zerstörten Stadt!

Die vier andern machten sich auf den Weg.Der größte Teil der Stadt lag in Trümmern: zackige Mauer-

reste, leere Fensterhöhlen, ein Gewirr verbogener Stahlträger, riesige Schutthaufen, alles halb verweht vom Staub der Jahr-hunderte. Aber dazwischen standen einzelne Gebäude, die nur wenig gelitten hatten. Aus ihnen konnte man sich ein recht gu-tes Bild von den Städten der Alten machen.

Während sie über Schutt und Trümmer kletterten, hielten sie ihre Gewehre im Anschlag und spähten vorsichtig nach allen Seiten aus. Wenn es auf dieser toten Welt Gefahren gab, dann hier.

Crane blieb stehen und betrachtete in staunender Bewunde-rung einen gewaltigen schwarzen Turm, der vor ihnen aufrag-te: seine Spitze verlor sich fast in den Wolken.

»Ob man da hinein kann?« murmelte er. Sie umgingen den Turm, konnten aber nirgends einen Eingang entdecken.

Plötzlich fiel ein Schuß; in der Totenstille der Ruinenstadt

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hallte er unheimlich von den geborstenen Mauern wider.Crane fuhr herum, den Finger am Abzug.»Was war das?«Whittaker, der die Nachhut des kleinen Zuges gebildet hatte,

starrte wie gebannt auf eine Ruine. Er war sehr blaß. Sein Ge-wehr rauchte noch.

Crane stolperte über einen Schutthaufen auf ihn zu und packte ihn am Arm.

»Whittaker! Was ist los? Auf was, zum Teufel, haben Sie ge-schossen?«

Whittakers Hand zitterte leicht, als er sich über die Augen strich.

»Ich habe etwas gesehen, Sir. Dort zwischen den Trümmern. Ich schoß, ohne lange zu überlegen.«

»Was haben Sie gesehen?«Whittaker zuckte beklommen die Achseln.»Ich weiß nicht, Sir. Es war nur ein Augenblick. Eine Gestalt

– ich konnte kaum mehr als einen Schatten sehen. Aber irgen-detwas bat sich dort bewegt, ich bin ganz sicher!«

»Ein Mensch?« drang Crane weiter in ihn. »Reden Sie, Whit-taker! Das kann von größter Wichtigkeit für uns alle sein!«

Mit einer hilflosen Geste sagte Whittaker:»Ich kann es nicht sagen, Sir. Bevor ich noch richtig hinsehen

konnte, war die Erscheinung schon wieder verschwunden.«Ormond Crane räusperte sich.»Ich glaube, wir kehren besser um, wenn wir noch vor

Abend die Stelle erreichen wollen, wo Long wartet. Wir wollen uns hier nicht länger als nötig aufhalten. Wenn ihr etwas seht, Leute, dann schießt ohne Warnung. Whittaker hat ganz richtig gehandelt.«

Wie eine Patrouille im Feindesland bewegten sich die Raum-fahrer durch die öden Straßen, die Gewehre schußbereit. Aber

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nichts Verdächtiges zeigte sich mehr.Es dämmerte, als sie die Anhöhe erstiegen, auf der sie Long

zurückgelassen hatten. Den ganzen Weg über hatte jeder schweigend seinen Gedanken nachgehangen. Welcher Wahn-sinn hatte die Menschheit verblendet, daß sie sich in tödlichem Haß selbst ausrottete! Was für schreckliche Szenen mußten sich abgespielt haben, als diese ganze Welt zugrundeging – bis auf die wenigen, die das Glück gehabt hatten, an Bord eines Raumschiffes zur Venus zu entkommen! So jedenfalls dachten die Tusier. Wie Tarun Bi, der Marsmensch dachte, wußte kei-ner. Tarun Bi war schon für gewöhnlich schweigsam und ver-schlossen. Seit Whittakers Schuß auf einen rätselhaften Schat-ten hatte er kein Wort mehr gesprochen.

Als sie aber jetzt den Hang hinaufkletterten, zischte er plötz-lich:

»Vorsicht! Ich wittere Tod!«Sekunden später fand Ormond Crane die Leiche. Long lag

mit dem Gesicht im Sand, das Gewehr neben sich.In seinem Rücken steckte ein gefiederter Pfeil.Mit einem Satz war Crane neben dem Körper. Er riß den Pfeil

aus der Wunde und rollte den Toten auf den Rücken. Longs Augen waren geschlossen, sein Gesicht wachsbleich; aber nichts in seinen Zügen deutete darauf hin, daß er seinen Tod hatte kommen sehen. Sein Gewehr war nicht abgefeuert wor-den. Der Angreifer mußte ihn überrumpelt haben.

Aufmerksam untersuchte Crane den Pfeil. Die Spitze, von Longs Blut gerötet, war in primitivster Weise aus einem Stein verfertigt und an einem stählernen Schaft befestigt, der aus ei-ner Stahlbetonkonstruktion der zerstörten Stadt zu stammen schien. Die Federn mußten einem kleinen Vogel gehört haben.

Nun also hatten sie den Beweis, daß das Leben auf Terra nicht ganz ausgestorben war, wie man bisher geglaubt hatte.

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Aber welch ein Unterschied zwischen diesen Wilden und der hohen Kulturstufe jener Flüchtlinge, die vor fünfhundert Jah-ren auf der Venus gelandet waren!

»Steinpfeil«, murmelte Crane. »Diese Wesen müssen auf ei-ner ähnlich niedrigen Stufe stehen wie die Schlangenmenschen in den Sümpfen der Venus. Pfeile und Bogen – und lautloses Anschleichen.«

Er erhob sich und steckte den Pfeil in seinen Gürtel. Schwei-gend und bedrückt standen die andern da und starrten auf die Leiche ihres Kameraden.

»Wir werden auch diese Nacht wieder abwechselnd wachen«, entschied Crane. »Und mit Anbruch des Tages ma-chen wir uns schleunigst auf den Rückweg zur ›Star Queen‹. Was wir hier auf Terra gesehen haben, muß schnellstens den Behörden in Tus-Port gemeldet werden.«

In den Schlitzaugen des Marsianers blitzte es auf, als habe er darüber andere Absichten. Er sagte aber nichts.

Vier Tage, nachdem sie zu ihrer Expedition aufgebrochen waren, kehrten die Überlebenden zu ihrem Schiff zurück.

Die Besatzung der ›Star Queen‹ sah sie schon von weitem kommen, und McKenzie ging ihnen mit einigen seiner Leute fast eine Meile entgegen, um sie zu begrüßen. Er grinste über sein ganzes bärtiges Gesicht.

»Hallo, Jungs! Ich habe euch nicht so früh zurückerwartet! Ich dachte, ihr wolltet sechs Tage fortbleiben?«

Crane sagte ernst:»Wir haben mehr gesehen, als uns lieb war, Jock. Und wir zo-

gen es vor, rasch zurückzukommen.«Der Ingenieur musterte die Gruppe betroffen und fragte:»Wo ist Long?«»Tot«, antwortete Crane. »Wir haben ihn gestern Abend be-

graben.«

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McKenzie riß die Augen auf.»Tot?« rief er bestürzt aus. »Was wollen Sie damit sagen?

Was ist ihm zugestoßen?«Mit knappen Worten berichtete Crane, was geschehen war.

Er zog den Pfeil aus dem Gürtel und reichte ihn McKenzie, der ihn überrascht von allen Seiten betrachtete.

»Sie meinen also wirklich, daß Menschen oder menschen-ähnliche Wesen die Erde bevölkern, Crane?« fragte, er schließ-lich kopfschüttelnd.

»Ich weiß nicht, was ich denken soll«, sagte Crane müde. Die Strapazen des tagelangen Fußmarsches begannen sich bemerk-bar zu machen. Er hatte nur den einen Wunsch, einen Tag und eine Nacht zu schlafen, bevor er all die Fragen beantwortete, die auf ihn einstürmten. »Ich weiß nicht, was für Wesen das sind. Keiner von uns hat sie gesehen, außer Whittaker, der aber nur einen schattenhaften Umriß unterscheiden konnte. Wir fanden die Reste einer alten Stadt und gingen, um sie uns näher anzusehen. Long, der nicht mitkommen wollte, war tot, als wir zurückkamen. Wann können wir starten, Jock?«

»Ich schätze, in etwa vierundzwanzig Stunden. Ruht euch so lange aus, Jungs«, meinte McKenzie. »Ihr habt es nötig, scheint mir.«

Zwanzig Stunden später schoß die ›Star Queen‹ in den Raum hinaus. Ein Mitglied ihrer Besatzung blieb in einem flachen Grab im weißen Staub zurück, ein Opfer der feindseligen Ein-wohner dieses angeblich unbewohnten Planeten.

*

Jeder seufzte erleichtert auf, als die ›Star Queen‹ die Atmo-sphäre Terras hinter sich ließ und Richtung auf den roten Pla-neten Mars nahm.

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Mitchell, der Funker, hatte keinen Bericht erhalten, daß Cap-tain Miller aufgegriffen worden wäre. Es mußte also angenom-men werden, daß der Kapitän den Tod gefunden hatte.

Bis zur Klärung des weiteren Schicksals der ›Star Queen‹ blieb Ormond Crane Commander.

Etwa fünf Stunden kreiste der Raumer über dem roten Plane-ten mit seinen beiden Monden, bis die Behörden von Mars City die Landeerlaubnis gaben. Die ›Star Queen‹ setzte auf dem Flugfeld auf, und Ormond Crane wartete auf der Kom-mandobrücke, bis der Flughafen-Inspektor an Bord kam. Er er-schien, von zwei baumlangen blauhäutigen Soldaten der Mar-s-Armee begleitet, untersuchte die Ladung und gab schließlich die Erlaubnis zum Löschen.

Zum Abschied bedeutete er Crane:»Sie kennen die Vorschriften, Captain Crane. Kein Mann –«Ormond Crane winkte ab.»Ich weiß. Kein Mann der Besatzung hat das militärische Ge-

lände jenseits des Sharuk Tors zu betreten. Ich bin nicht zum erstenmal auf dem Mars.«

Als der Inspektor gegangen war, nahm Ormond Crane das Logbuch vor, um seine Eintragungen zu vervollständigen. Bald darauf klopfte es, und Tarun Bi trat ein.

Der Marsianer trug einen Reisesack und kam, um seine Heu-er zu holen.

»Mein Vertrag mit Ihnen ist zu Ende, Captain. Ich bitte um Erlaubnis, von Bord gehen zu dürfen.«

»Selbstverständlich. Leben Sie wohl, Tarun Bi.«Erst nachdem der blauhäutige Marsianer das Schiff verlassen

hatte, kam es Crane zum Bewußtsein, daß er alles wußte, was die Mannschaft von Terra erfahren hatte. Die Informationen über diese angeblich tote Welt würden für die Behörden des Mars ebenso wichtig sein wie für die Tusier auf Venus. Aber

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Crane hatte keine Möglichkeit, den Marsianer daran zu hin-dern, sein Wissen nach Belieben weiterzugeben. Übrigens sag-te er sich, daß auf Terra ohnedies nicht viel zu holen sei. Was für einen Wert hatte ein Planet, auf dem so gut wie nichts ge-dieh und der zollhoch mit unfruchtbarem Staub bedeckt war?

Eine andere Sache machte Crane im Augenblick mehr Sor-gen. Das war der Vorwurf der Meuterei, den man ihm machen konnte. Immerhin hatte er eigenmächtig Captain Miller das Kommando abgenommen. Es war nicht unmöglich, daß er so-gar des Mordes an dem Kapitän angeklagt wurde, wenn ir-gendein Schiff die Leiche im Raum fand.

Nun, das mußte man abwarten.Inzwischen sollte der Dienst an Bord seinen normalen Gang

gehen. Crane beugte sich über das Mikrofon und gab seinen Befehl durch:

»Achtung, Achtung! Wache eins und zwei sind ab 18 Uhr dienstfrei und können die zugelassenen Viertel von Mars City besuchen. Wache drei bleibt an Bord, um die Löscharbeiten unter Mr. McKenzies Aufsicht durchzuführen. Ende.«

Da er selbst als Offizier der ersten Wache eingeteilt war, be-schloß er, ebenfalls in die Stadt zu gehen und seine Sorgen mit ein paar Glas Vernak hinunterzuspülen.

Bevor er mit dem Funker und Astrogator Mitchell von Bord ging, übergab er das Kommando an McKenzie, dem wachha-benden Offizier. Dann kletterte er mit Mitchell durch die Schleuse.

Die beiden nahmen ein Taxi und fuhren zum Vergnügungs-viertel, dem einzigen Teil der Stadt, der den Tusiern zugäng-lich war.

Crane hatte eben sein erste Glas Vernak geleert und griff nach dem Steinkrug, um nachzugießen, als er eine Bewegung am Eingang der Bar wahrnahm. Eine Gruppe Soldaten der

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Marsarmee bahnte sich ihren Weg zwischen den Tischen hin-durch. Ihre goldstrotzenden Uniformen blitzten in dem künst-lichen Licht. Die klauenartigen Finger umschlossen funkelnde Strahlenpistolen.

Ein Offizier führte sie an, ein sieben Fuß großer Riese. Aus ei-niger Entfernung sehen alle Marsianer einander ähnlich. Aber als der Riese näherkam, erkannte Crane Tarun Bi, der die Lan-dung auf Terra mitgemacht hatte!

»Ich hätte es ahnen sollen!« stieß er zwischen den Zähnen hervor, »Ich hatte immer schon das Gefühl, daß er ein Spion ist!«

Crane und Mitchell sprangen auf, als die Patrouille ihren Tisch ansteuerte. Cranes Hand umklammerte den Hals der Vernak-Flasche.

»Sie waren mir immer schon verdächtig, Tarun Bi!« rief er dem Marsianer entgegen.

Das Gesicht des Blauhäutigen blieb ebenso ausdruckslos wie seine Stimme, als er ruhig antwortete:

»Gut, daß Sie nicht allzuviel wußten, Crane. Ich diene mei-nem Staat, wie ich es für richtig halte. Sie sind verhaftet, alle beide. Folgen Sie mir zum Raum-Sicherheitsdienst, wo man Sie verhören wird.«

Alle Gespräche in der Bar waren verstummt, alle Augen ver-folgten die Szene. Es saßen auch Tusier von andern Schiffen hier. Aber keiner wagte, sich einzumischen. Dies war nun ein-mal marsianisches Hoheitsgebiet. Und die Soldaten der Mars-armee benahmen sich nie zurückhaltend im Gebrauch ihrer Strahlenpistolen.

Ormond Crane fragte, während er sich aus den Augenwin-keln heraus nach einer Fluchtmöglichkeit umsah:

»Was wirft man uns vor, Marsmann?«»Das werden Sie erfahren, sobald man Sie verhört«, erwider-

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te Tarun Bi kalt.Crane sagte ihm auf den Kopf zu: »Ist es, weil wir zur Besat-

zung der ›Star Queen‹ gehören, die auf Terra gelandet ist?«Das zornige Aufflackern in den Schlitzaugen des Blauen sag-

te ihm, daß er den Nagel auf den Kopf getroffen hatte. Crane lachte spöttisch auf. »Sie vergessen, Tarun Bi, daß wir nicht die einzigen sind. Die ganze Mannschaft dar ›Star Queen‹ weiß von der Landung und von dem, was wir auf Terra sahen.«

Der Marsianer zischte: »Keine Debatte, Crane! Ich rate Ihnen, freiwillig mitzukommen. Sonst muß ich Gewalt anwenden, und das könnte unangenehm für Sie werden.«

Astrogator Mitchell flüsterte seinem Captain zu:»Was tun, Crane? Sollen wir versuchen durchzubrechen?«Crane antwortete ebenso leise: »Das würde uns kaum

glücken. Sie würden uns niederschießen, bevor wir auch nur die Tür erreicht hätten. Wir gehen mit und versuchen, eine bessere Gelegenheit abzupassen.«

»Wenn wir erst im Raum-Sicherheitsdienst sind, kommen wir nicht mehr lebend heraus.«

»Wir dürfen nicht so weit kommen. Der Weg dorthin führt durch dunkle, einsame Straßen. Achten Sie auf mein Zeichen.«

Laut sagte er zu Tarun Bi:»Gut, Marsmann, wir kommen mit. Aber glauben Sie nicht,

daß man uns festhalten kann. Wir haben nichts verbrochen. Wir kennen unsere Rechte.«

»Sie vergeuden meine Zeit«, knurrte der Marsianer nur. »Kommen Sie!«

Die Raumflieger in ihren Lederuniformen traten beiseite und gaben ihnen den Weg frei. Draußen auf der schlechtbeleuchte-ten Straße warteten zwei Patrouillenwagen mit der Standarte des Marsreiches, dem roten Planeten über zwei gekreuzten goldenen Blitzen.

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Die beiden Gefangenen wurden in den ersten Wagen gescho-ben, und Tarun Bi mit drei Soldaten nahm ihnen gegenüber Platz.

»Los!« befahl Tarun Bi barsch.In atemberaubendem Tempo schoß der Wagen durch die

nächtlichen Straßen.Ormond Crane zermarterte sein Hirn nach einer Fluchtmög-

lichkeit; er mußte aber einsehen, daß jeder Versuch zum Schei-tern verurteilt war, solange sie die schwerbewaffneten Solda-ten unmittelbar vor sich hatten. Er kam sich vor, als sei er schon in einer jener Stahlkammern eingeschlossen, in denen politische Gefangene ohne langen Prozeß durch tödliche Strahlen aus dem Wege geräumt wurden.

Plötzlich trat der Fahrer so heftig auf die Bremse, daß die drei Männer auf dem Rücksitz nach vorne geschleudert wur-den. Tarun Bi stieß einen unartikulierten Fluch aus und fuhr den Mann zornig an. Dieser zeigte achselzuckend auf das Hin-dernis, das ihn zu dem jähen Bremsen veranlaßt hatte.

Durch die Scheibe sah man etwa zwanzig Tusier und doppelt so viele Marsianer, die in eine wilde Rauferei verwickelt wa-ren. In dem Gewirr keuchender, ringender Leiber blitzte hier ein Messer, dort eine zum Schlag geschwungene Flasche auf. Und an einer Stelle flammte ein Schuß aus einer Strahlenpisto-le.

Es war einer der üblichen Straßenkämpfe, wie sie in den Raumhäfen häufig vorkamen. Hier machte sich die tiefwur-zelnde Abneigung – zwischen Marsianern und Tusiern auf ge-waltsame Weise Luft.

»Vorwärts!« schrie Tarun Bi dem Fahrer zu. »Fahren Sie das Pack nieder, wenn es nicht ausweichen will!«

Der Fahrer gehorchte, und der Wagen schoß vorwärts.»Halt!« schrie Crane entsetzt. »Was tun Sie?«

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»Durch!« brüllte Tarun Bi.Die beiden Tusier duckten sich unwillkürlich, als der Wagen

auf die Menge zuraste. Schon schien es, als würde er wie ein Panzer die lebende Mauer durchbrechen. Sie sahen die ent-setzten Gesichter, die schreckgeweiteten Augen. Da übertönte das Zischen eines Carny-Strahlers die Schreie auf der Straße. Die vordere Scheibe aus Plexiglas zersplitterte. Der Fahrer stieß einen schrillen Schrei aus und sank in sich zusammen.

Der führerlose Wagen schleuderte und krachte gegen eine Hauswand. Ormond Crane fiel halb über Tarun Bi, der seinen Strahler auf den Knien hielt. Mit einem kräftigen Fluch wand Crane ihm die Waffe aus der Hand.

»Los!« rief er seinem Funker zu.Dann riß er die Tür auf und warf sich aus dem Wagen. Er

landete mitten in dem kämpfenden Menschenknäuel. Ein Kerl mit einem abgebrochenen Flaschenhals in der Hand taumelte auf ihn zu.

Crane versetzte dem Betrunkenen einen Kinnhaken, der ihn gerade in die Arme von Tarun Bi warf, als er aus dem Wagen klettern wollte. Der Marsianer verlor das Gleichgewicht und stürzte auf die Straß. Mitchell sprang über ihn hinweg und rannte zurück.

In diesem Augenblick bremste der zweite Wagen scharf hin-ter ihnen. Die blauen Marssoldaten sprangen heraus. Einer von ihnen bekam den Funker am Arm zu fassen.

Crane riß den Strahler hoch und zielte auf den Marsianer. Ein Strahl reiner Energie zuckte auf. Der Soldat krümmte sich zusammen und sank dann lautlos zu Boden.

Mitchell bahnte sich seinen Weg durch die Kämpfenden und schrie Crane zu:

»Wohin jetzt?«»Zurück zum Hafen und fort vom Mars, so schnell wir kön-

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nen!« schrie der Captain.Mit einem Fausthieb streckte er den nächsten Marsianer nie-

der, der sich ihm entgegenwarf.Tarun Bi brüllte:»Tausend Credits dem, der diese beiden Terra-Venusier auf-

hält!«»Zu spät, Marsmann!«Cranes Strahler schoß haarscharf an Tarun Bis Kopf vorbei

und riß ein gähnendes Loch in das Wrack des ersten Wagens.Die beiden Offiziere rannten auf den zweiten Wagen zu. Er

war leer. Alle Soldaten waren herausgesprungen und jetzt in den Straßenkampf verwickelt.

»Rasch, Mitchell!« keuchte Ormond Crane. »Wir müssen den Hafen erreichen, bevor Tarun Bi Zeit hat, die Behörden zu ver-ständigen!«

Er sprang auf den Fahrersitz und drückte den Starthebel. Mit einem Ruck schoß der Wagen vorwärts, so daß Mitchell fast kopfüber auf den Sitz fiel. Crane preßte den roten Hebel her-unter, soweit es ging. Wie ein flimmernder Film jagten die Häuserfronten vorbei. Aus dem Ausstoßrohr der Raketen am Heck schoß eine lange Stichflamme. Die Reifen kreischten, wenn der Wagen auf den Innenrädern in die Kurven ging.

Über das Heulen der Raketen weg schrie Mitchell:»Wo haben Sie gelernt, mit diesen marsianischen Teufels-

schlitten umzugehen?«»Gar nicht!« brüllte Crane zurück. »Es ist mein erster Ver-

such! Halten Sie den Daumen, daß wir heil über die Bürden kommen!«

Mitchell sank mit resigniertem Seufzer auf seinen Sitz zurück und wischte sich das Blut aus einer tiefen Schnittwunde, die sich quer über seine Wange zog. Nun, vielleicht war es besser, ein schnelles Ende zu finden, als in den Kerkern des Mars

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langsam umzukommen.Sie hatten die Stadt hinter sich gelassen und rasten über eine

breite, betonierte Straße durch die rote Wüste. Die flirrenden Meßinstrumente auf dem Armaturenbrett empfand Crane als Buch mit sieben Siegeln. Aber er schätzte, daß sie gut zwei-hundert Meilen die Stunde machten.

»Wetten, daß wir die einzigen Überlebenden der ersten und zweiten Wache der ›Star Queen‹ sind? Tarun Bi wird dafür ge-sorgt haben, daß alle, die in der Stadt waren, gefangen wur-den!«

»Aber warum?« Mitchell verstand immer noch nicht, was hier gespielt wurde. »Was haben wir denn getan, daß sie so hinter uns her sind? Ist denn ein Krieg zwischen uns und dem Mars ausgebrochen?«

»Kaum«, antwortete Crane, die Augen auf das Band der Stra-ße vor ihnen geheftet. »Es hängt mit unserer Landung auf Ter-ra zusammen. Der Marsianer will verhindern, daß wir die sen-sationelle Neuigkeit nach Tus-Port bringen. Die Blauen schei-nen ihre eigenen Pläne mit dem Heimatplaneten unserer Vor-fahren zu haben!«

»Was für Pläne?« fragte der Funker und starrte angstvoll auf die marsianischen Wachtürme, die jetzt im Scheinwerferkegel auftauchten.

Crane stemmte sich mit aller Kraft gegen den roten Hebel und der Wagen flog vorbei.

Crane antwortete auf die Frage des Funkers:»Nun, zum Beispiel einen militärischen Stützpunkt auf Terra

zu errichten. Terra ist der Venus um etwa vierzig Millionen Meilen näher als der Mars. Die ideale Raumschiffbasis, um sich der venusischen Kolonien zu bemächtigen. Der Mars strebt nach der Herrschaft über das gesamte Sonnensystem. Terra soll nur ein Anfang sein.«

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Vor ihnen blinkten jetzt die Lichter des gigantischen Raum-flughafens auf. Cranes Augen waren zwei schmale Schlitze.

»Das wär's, Mitchell«, knirschte er. »Wenn Tarun Bi Zeit ge-funden hat, seinen Befehl durchzugeben, wird man uns einen heißen Empfang bereiten!«

»Was wollen Sie tun?« fragte Mitchell.»Wir fahren mit vollem Tempo weiter, durchbrechen das Tor

und überrollen alles, was sich uns in den Weg stellt! Festhal-ten, Mitchell! Hinein!«

Während der gestohlene Marswagen auf das Gittertor zuras-te, sah Ormond Crane, Captain des Raumfrachters ›Star Queen‹ nur eine verschwommene Masse blauer Gesichter über den Lederuniformen, dazwischen das Blinken der Waffen. Er hatte gerade noch Zeit zu denken: Sie haben ein ganzes Regi-ment zu unserer Begrüßung geschickt!

Dann krachte der Wagen gegen das Gittertor, walzte es nie-der und raste weiter, während die Mauer der Soldaten ausein-anderstob. Ein Strahler flammte auf. Der Wagen machte einen Satz über ein Hindernis und rumpelte über das unebene Ge-lände auf den Teil des Flughafens zu, auf dem die ›Star Queen‹ stand.

Hoch oben im purpurnen Nachthimmel des Mars hörten sie das Brausen eines Schiffes, das zur Landung ansetzte. Es senk-te sich tiefer und tiefer. Jetzt war das Dröhnen so laut, daß sie glaubten, die Trommelfelle müßten ihnen bersten.

Und dann schrie Mitchell auf, seine Stimme schien von weit-her zu kommen, als sei er tausend Lichtjahre entfernt: »Teufel, Crane, das verdammte Schiff kommt gerade auf uns zu!«

Crane riß den Wagen herum, um den Flammen der Raketen zu entgehen, die schon nach ihnen züngelten. Die Fenster des Wagens beschlugen und warfen Blasen unter der ungeheuren Hitze. Der Schweiß brach den beiden Männern aus allen Po-

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ren. Auf dem Armaturenbrett flackerten wirre Warnlichter auf, und die Zeiger schlugen wie irrsinnig aus.

Crane fühlte, wie eine schwarze Welle von Bewußtlosigkeit ihn hinwegschwemmen wollte. Mit letzter Kraft warf er das Steuer nochmals herum. Der Wagen schlug einen Haken wie ein gejagter Hase.

Mit diesem Trick glückte es ihm, den Verfolger abzuschüt-teln. Das Raumschiff, das nicht so wendig war, krachte auf den Boden.

Crane stellte mit einem raschen Seitenblick fest, daß sein Be-gleiter ohnmächtig auf dem Sitz hing. Mitchells Gesicht war geschwärzt, sein blondes Haar bis auf die Wurzeln abgesengt.

Crane wußte, daß er selbst nicht viel anders aussah. Brand-blasen bedeckten seine Hände, seine Uniform hing ihm in ver-kohlten Fetzen vom Leib. Er ähnelte sicher einem Flieger, der der Sonne zu nahe gekommen war. Sie hatten unfaßbares Glück gehabt, mit dem Leben davonzukommen.

Rechts von ihnen ragte der Rumpf eines Schiffes in den dun-kelroten Himmel. Crane hielt darauf zu, in der Hoffnung, es sei die ›Star Queen‹. Er stieß einen unterdrückten Fluch aus, als er merkte, daß er sich getäuscht hatte. Die Haut sprang in Fetzen von seinen Lippen als er den Mund bewegte.

Eine halbe Meile weiter fand er was er suchte.Der Frachter lag im blendenden Licht zahlreicher Scheinwer-

fer da. Ringsum wimmelte es von Bodenfahrzeugen und von Arbeitern, die die kostbare Fracht entluden. Kräne schwangen ihre langen stählernen Greifer durch die Luft.

In einer scharfen Kurve fuhr Ormond Crane an der Einstieg-luke vor und bremste ab. Die Luke war offen.

Crane riß die Türe auf, sprang aus dem Wagen, rannte auf die andere Seite und zerrte den bewußtlosen Mitchell heraus.

Er schrie zum Schiff hinauf:

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»Hier ist Crane. Rasch ein paar Männer hierher, Funker Mit-chell ist schwer verletzt!«

Sekunden später bemühten sich ein halbes Dutzend Männer der ›Star Queen‹ um den verwundeten Mitchell und schlepp-ten ihn zur Rampe. In der Schleuse tauchte John McKenzies er-schrockenes Gesicht auf.

»Crane, was zum Teufel ist passiert? Was ist mit Mitchell los? Um Himmels willen, wie sehen Sie aus?«

Mit ein paar Sätzen war Crane die Rampe hinaufgesprungen.»Wir sind beinahe bei lebendigem Leib geröstet worden«,

keuchte er. »Keine Zeit für Erklärungen Jock. Lassen Sie die Schleuse schießen. Wir müssen augenblicklich starten!«

McKenzie starrte ihn entgeistert an.»Was reden Sie da, Crane? Wir können nicht ohne Papiere

und ohne Erlaubnis der Mars-Behörde starten…«»Zum Teufel mit den Mars-Behörden!«»Aber – die Hälfte meiner Leute sind noch in der Stadt! Wir

können Sie nicht zurücklassen!«»Keiner ist mehr in der Stadt, verlassen Sie sich drauf!« Er-

schöpft lehnte sich Crane gegen die stählerne Wand der Schleuse. »Die Marsianer haben längst alle eingefangen oder niedergeschossen. Los, Jork, Schleusen dicht! Wir starten so-fort!«

»Sie sind verrückt! Wir werden die ganze Raumpolizei auf den Fersen haben. Aber Sie sind der Captain. Sie müssen wis-sen, was Sie tun.«

Während die beiden durch den Korridor zur Kommando-brücke eilten, rief Crane ihm zu:

»Sorgen Sie dafür, daß Mitchell auf ein Bett geschnallt wird. Er ist sehr schwer verletzt.«

»Mir scheint, Sie haben nicht viel weniger abgekriegt!« schrie der Ingenieur zurück. »Wenn wir den Mars hinter uns haben,

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will ich wissen, was das alles bedeutet!«»Wenn wir im Raum sind, werden Sie mehr zu hören bekom-

men, als Sie verdauen können!«Zwei Minuten später hatte McKenzie das Schiff vom Boden-

personal räumen lassen und die Luken dicht gemacht.Die ›Star Queen‹ war startklar.Ormond Crane saß auf seinem Pilotensitz festgeschnallt. Er

biß die Zähne zusammen, sooft seine von Brandwunden be-deckten Hände mit den Hebeln in Berührung kamen. Er ließ die Raketenmotoren warmlaufen und wartete ungeduldig, bis die Lichtzeichen auf der Kontrolltafel anzeigten, daß alles be-reit war. Dann warf er einen Hebel herum und stellte die Sprechanlage ein, die ihn mit jedem Winkel des rostigen alten Frachters verband.

»Achtung! Achtung!« Seine Stimme klang kalt und entschlos-sen. »In wenigen Sekunden starten wir. Fertigmachen zum Ab-schuß!«

Seine Augen hingen am Sekundenzeiger des Chronometers vor ihm.

Auf dem Bildschirm erschien verschwommen das bärtige Gesicht des Ingenieurs.

»Überall auf dem Flugfeld flammen die Raketen auf, Crane! Was zum Teufel geht da vor? Haben die Patrouillenschiffe etwa vor, uns zu verfolgen?«

»Ja«, schnappte Crane. Und ohne eine weitere Erklärung zu geben, befahl er: »Festschnallen, Jock! Es geht los! Ab!«

Unter dem plumpen Rumpf der ›Star Queen‹ leuchtete es kirschrot auf. Dann schossen lange Flammen aus allen Rohren, ein mächtiger Stoß erschütterte den alten Frachter, der wie ein Pfeil von der Sehne vom Erdboden hochschnellte und mit ei-ner Geschwindigkeit von zwanzigtausend Meilen die Stunde in den Raum hinausschoß.

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Ruhig und sicher glitten Cranes verletzte Finger über die Kontrolltafel. Er drosselte die Startraketen, schaltete den Stabi-lisator ein und nahm Kurs auf den fernen Planeten Venus.

Durch den tintenschwarzen Raum mit seinen Millionen fun-kelnder Sterne schoß der alte Frachter vorwärts. Hinter ihm die verfolgenden Schiffe der Mars-Armee, die in der Entfer-nung nur wie kleine rote Punkte sichtbar waren.

Crane bat den Ingenieur, zu ihm auf die Brücke zu kommen. Wenige Sekunden später schon stürmte der schwarzbärtige Tusier in den Raum, fiebernd vor Ungeduld, endlich über die Vorgänge aufgeklärt zu werden.

Ormond Crane berichtete ihm alles, was in Mars City gesche-hen war Als er geendet hatte, pfiff McKenzie gedankenvoll durch die Zähne.

»Dieser Tarun Bi war also tatsächlich ein Spion des Mars Rei-ches? Ich wünschte, ich hätte das gewußt, als ich ihn an Bord nahm! Er wäre nicht lebendig nach Mars City gekommen!«

»Dasselbe hab ich auch schon gedacht. Aber jetzt ist es zu spät!« Crane zuckte die Achseln. »Tarun Bi ist nun einmal nach Mars City zurückgekommen und hat alles getan, uns an der Rückkehr nach Tus-Port zu hindern. Mitchell und ich sind die einzigen, die entwischen konnten.«

McKenzie hatte die Bordapotheke geöffnet und begann, sich mit Cranes Brandwunden zu beschäftigen. Während er ihm Brandsalbe auf Hände und Gesicht strich, fragte er: »Und was hatten sie mit uns vor, die wir an Bord geblieben waren? Wir wußten genau soviel von der Landung auf Terra wie ihr an-dern.«

»Auch ihr wärt noch drangekommen«, versicherte ihm der Captain. »Tarun Bi hatte bereits Alarm geschlagen, die halbe Armee erwartete uns auf dem Flugfeld! Die Marsianer wollen um jeden Preis verhindern, daß man in Venushafen von der

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Bewohnbarkeit Terras erfährt.«Plötzlich zuckte McKenzie zusammen.»Über all dem haben wir die Patrouillenschiffe ganz verges-

sen, die hinter uns her sind! Sie werden alles daransetzen, uns einzuholen und uns den Weg abzuschneiden!«

Crane fuhr auf und drückte auf den Knopf der Sichtanlage. Ein Bildschirm, der fast die ganze eine Wand einnahm, er-wachte zu flimmerndem Leben und zeigte das erhabene Pan-orama des gestirnten Raums.

Drei Mars-Schiffe waren jetzt so nahe, daß sie sich wie silber-ne Fische von der Schwärze des Raumes abhoben. Und der Zwischenraum verkleinerte sich zusehends.

»Wenn es so weiter geht, haben sie unseren Vorsprung bald eingeholt«, bemerkte McKenzie bedenklich. »Ihre Geschwin-digkeit ist viel größer als die unsere. Das sind kleine Patrouil-lenschiffe für je drei Mann: Pilot, Astrogator und Schütze. In ein paar Stunden haben sie uns. Und was dann?«

Ormond Crane schüttelte hoffnungslos den Kopf.»Ich weiß es nicht. Ich weiß es tatsächlich nicht, Jock. Ehrlich

gesagt, in meinem Kopf dreht sich alles.«»Sie sind einfach fertig«, meinte der Ingenieur und klopfte

ihm freundschaftlich auf die Schulter. »Die letzten paar Stun-den waren eine Hölle für Sie. Legen Sie sich hin und ruhen Sie sich etwas aus. Ich wecke Sie, wenn die Verfolger auf Schuß-weite herangekommen sind.«

Ormond Crane erhob sich schwankend.»Vielen Dank, Jock. Ich glaube wirklich, ich brauche ein paar

Stunden Ruhe. Aber wenn sie uns beschießen, werden wir bald alle Ruhe haben – für immer.«

»Möglich«, knurrte der Ingenieur. »Aber vielleicht geht alles anders aus, als wir jetzt denken. Wir hatten schon einmal mit dem Leben abgeschlossen, als wir auf Terra landeten! Kopf

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hoch, Captain! Und den Mut nicht sinken lassen!«»Guter, alter Jock!« lachte Crane.Er kletterte die Eisenleiter zum Unterdeck hinunter, während

der Ingenieur vor dem Bildschirm sitzenblieb und mit grim-mig zusammengepreßten Zähnen den Verfolgern entgegensah.

*

Ormond Crane kam es vor, als habe er erst vor wenigen Minu-ten die Augen geschlossen. Jemand rüttelte ihn kräftig an der Schulter, und Crane setzte sich schlaftrunken auf.

John McKenzie stand vor seiner Koje und schrie:»Auf, Crane! Kommen Sie rasch mit auf die Kommando-

brücke!«Noch ganz benommen fragte Crane:»Wie geht es Mitchell?«»Mitchell? Oh, ganz gut. Nicht viel schlechter als Ihnen. Aber

Sie müssen jetzt schnellstens mitkommen und einen Blick auf den Bildschirm werfen!«

Ormond Crane war mit einem Ruck hellwach.»Die Marsianer! Wie nah sind sie? Auf Schußweite?«»Schußweite? Sehen Sie doch selbst!«Crane stülpte sich hastig die Mütze auf das versengte Haar

und rannte hinter McKenzie her, der schon durch den Korri-dor geeilt war und die eiserne Leiter hochkletterte.

Im Kontrollraum stolperte Crane fast Über einen Hilfsfunker, der in ein Mikrofon brüllte:

»Meteor 11! Meteor 11! Hören Sie uns? Wir werden von drei Patrouillenschiffen der Marsflotte verfolgt, die seit Mars City auf uns Jagd machen!«

Crane warf einen Blick auf den Bildschirm über dem Kopf des Funkers. Zu seiner grenzenlosen Verblüffung gewahrte er

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ein riesiges, silbrig schimmerndes Raumschiff, das den größ-ten Teil des Sichtschirms einnahm.

»Ein Kriegsschiff der Venus-Flotte!« schrie er überrascht. »Wo in aller Welt kommt das so plötzlich her!«

Es war tatsächlich ein Kampfschiff der stetig wachsenden Ve-nus-Flotte. Man konnte deutlich die Rohre der Bordkanonen unterscheiden und das feine Netzwerk des Energie-Schutz-schildes, das den Raumer vom Bug bis zum Heck einhüllte.

Crane stieß den Hilfsfunker beiseite und beugte sich selbst über das Mikrofon.

»Hier spricht Ormond Crane, Commander des Frachters ›Star Queen‹. Hören Sie uns? Die Marsschiffe haben die Ab-sicht, uns zu vernichten. Bleiben Sie in der Nähe! Wir sind ver-loren, wenn Sie uns nicht bis Tus-Port das Geleit geben!«

Klar und knapp kam die Antwort des Funkers von der Mete-or 11:

»Meteor 11. Warum sind die Mars-Schiffe hinter Ihnen her? Was haben Sie getan? Hat einer aus Ihrer Mannschaft auf dem Mars ein Verbrechen begangen? In diesem Fall bedauern wir, nichts für Sie tun zu können. Im Gegenteil, wir müssen Sie auffordern…«

»Nein, nein, nichts dergleichen!« rief Crane eindringlich. »Ich möchte Ihren Kapitän sprechen! Aber rasch!«

Ein paar Sekunden Stille, dann eine neue Stimme:»Hier Commander Gerald. Was gibt es?«»Hören Sie, Commander!« Cranes Stimme war heiser vor Er-

regung. »Ich heiße Ormond Crane und bin Kapitän dieses Frachters. Ich habe Informationen von ungeheurer Tragweite an die Regierung in Tus-Port zu überbringen. Die Marsianer sind daran interessiert, daß diese Informationen ihr Ziel nicht erreichen. Deshalb verfolgen sie uns. Können wir mit Ihrem Schutz rechnen?«

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Der Commander überlegte eine Sekunde, dann antwortete er: »Gut. Wir werden Sie gegen die Patrouillenschiffe schützen. Aber wenn sich herausstellen sollte, daß Sie gelogen haben…«

»Keine Angst, Commander. Ich sage die Wahrheit. Es geht um eine Angelegenheit von größter Wichtigkeit!«

»Wir geben Ihnen Schutzgeleit, bis die Blauen abgedreht ha-ben. Dann komme ich in einem Rettungsschiff an Bord der ›Star Queen‹, um Sie zu vernehmen. Wenn etwas an Ihrer Ge-schichte faul ist, werden sich die Behörden damit befassen.«

»Danke, Commander«, sagte Crane erleichtert.Unter dem Schutz des gewaltigen Kriegsschiffs setzte die

›Star Queen‹ ihren Weg unbehelligt fort. Die drei Patrouillen-kreuzer mit dem Wahrzeichen des roten Planeten über ge-kreuzten Blitzen folgten noch eine Weile in respektvoller Ent-fernung. Als sie aber sahen, daß sie nichts ausrichten konnten, drehten sie schließlich ab und verschwanden bald im Schwarz des Raums.

»Was habe ich gesagt!« triumphierte McKenzie. »Es kommt immer anders, als man denkt! Jetzt sind wir so gut wie zu Hause. Für diesmal können uns die blauen Teufel nichts anha-ben!«

»Ganz recht, für diesmal«, bekräftigte Crane. »Aber ich hoffe, dieser Tarun Bi läuft mir ein andermal wieder über den Weg. Er soll mir für das bezahlen, was er den andern Jungs angetan hat, die auf der Strecke geblieben sind oder irgendwo in den Kerkern von Mars City schmachten!«

»Und ich möchte bei diesem Treffen dabei sein!« sagte McKenzie grimmig.

*

In seiner besten Uniform schritt Captain Ormond Crane durch

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die riesige Halle des Rathaussaales auf das Podium zu, auf dem der Hohe Rat tagte. Es war ein Raum von imponierenden Ausmaßen, vielleicht der größte Saal des ganzen Sonnensys-tems, von gewaltigen, hochragenden Säulen getragen, über de-nen sich eine durchscheinende Kuppel wölbte. Ein langer, schwerer Teppich dämpfte den Schritt.

Dicht hinter Crane gingen zwei Männer in Uniform, Angehö-rige des Tusischen Sicherheitsdienstes, der für die Sicherheit der Regierungsmitglieder zu sorgen hatte; es gab zu viele Spione und Agenten des Mars-Reichs, die einen Anschlag pla-nen konnten.

Die Regierung bestand aus wenigen älteren, weisen und ab-geklärten Männern, die nur das Wohl des Volkes im Auge hat-ten. Es gab keine ehrgeizigen jungen Politiker auf der Venus, keine Diktatoren, keine Intrigen und keine Korruption inner-halb der Regierung. Die Geschicke des Planeten wurden aus-schließlich von Männern gelenkt, die man um ihrer besonde-ren Verdienste, um Wissenschaft und Gesetz, gewählt hatte.

Der Hohe Rat thronte hinter einem langen Tisch auf einem etwas erhöhtem Podium.

Crane blieb dicht vor dem Podium stehen, nahm die Mütze ab und wartete, bis er angesprochen wurde.

Trevor Sinclair, der weißhaarige Vorsitzende, war früher Richter gewesen. Mit gütigen, klugen Augen schaute er auf den jungen Captain hinunter. Er faltete die Hände auf der Tischplatte und sagte freundlich:

»Sie brauchen keine Angst zu haben, Captain Crane. Sie ste-hen hier nicht als Angeklagter, sondern als Zeuge. Wir wollen von Ihnen alle Einzelheiten über die erstaunliche Geschichte hören, die Sie in Ihrem Bericht niedergelegt haben. Erzählen Sie von Ihrer Landung auf Terra, von allem, was dort gesche-hen ist und was Sie beobachteten. Ihr Bericht hat wie eine

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Bombe eingeschlagen!«Ormond Crane fuhr sich mit der Zunge über die Lippen.»Jedes Wort ist wahr, Sir. Der Chefingenieur der ›Star Queen‹

und die gesamte Besatzung können es bezeugen.«Ratsherr Sinclair nickte zustimmend.»Wir zweifeln nicht daran, Mr. Crane. Übrigens haben wir

die Besatzung bereits verhört und volle Bestätigung Ihrer Aus-sagen gefunden.«

Ratsherr Hilary Mordenson, Professor am Wissenschaftli-chen Institut von Tus-Port, warf einen Blick in das Protokoll, das vor ihm auf dem Tisch lag.

»Sie haben auch von dem berichtet, was in Mars City vorge-fallen ist, Mr. Crane. Und Sie vertraten die Ansicht, die Marsia-ner seien an Terra als einer Raumflugbasis interessiert. Worauf stützt sich diese Ihre Meinung?«

Crane berichtete sachlich:»Ein Mitglied meiner Besatzung war ein gewisser Tarun Bi,

ein Marsianer, der sich später als Offizier der MarsArmee ent-puppte und mit rücksichtsloser Gewalt die gesamte Besatzung der ›Star Queen‹ wie Freiwild hetzte und jagte. Ich bin über-zeugt, er wollte verhindern, daß die Nachricht von der Be-wohnbarkeit Terras zur Venus gebracht würde. Aus welchem Grund hätte man sonst jeden einzelnen Mann, der sich an Land befand, verhaftet oder einfach niedergeschossen? Nur mein Funker und Astrogator Mitchell und ich konnten ent-kommen. Später verfolgte man uns mit drei Patrouillenschif-fen, was der Kapitän der ›Meteor 11‹ bezeugen kann.«

Die Herren des Hohen Rates berieten sich eine Zeitlang leise untereinander, dann richtete Sinclair wieder das Wort an Cra-ne:

»Mr. Crane, Ihr Bericht über die Landung auf Terra ist für uns von größter Bedeutung. Daß man auf dem Mars davon

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weiß, macht rasche Entschlüsse nötig. Man wird Sie verständi-gen, sobald eine Entscheidung gefällt worden ist. Bis dahin versichern Sie uns auf Ehrenwort, Tus-Port unter keinen Um-ständen zu verlassen.«

»Selbstverständlich. Sir.«»Der vermißte Kapitän Miller wurde bis heute nicht aufge-

funden. Wir können also annehmen, daß er den Tod im Raum gefunden hat. Ihre Aussage, er habe freiwillig das Schiff ver-lassen, wird von der Besatzung in vollem Umfang bestätigt. Somit schaltet ein Verfahren wegen Meuterei aus. In Anbe-tracht Ihrer Verdienste wurde beschlossen, Ihre provisorisch übernommene Führung des Schiffes zu bestätigen. Sie sind also von nun an offiziell Kapitän des Raumfrachters ›Star Queen‹.«

Bei dieser unverhofften Neuigkeit strahlte Ormond Crane über das ganze Gesicht.

»Vielen Dank! Vielen Dank, Sir!« stammelte er verwirrt.»Sie haben der Venus einen großen Dienst erwiesen, Mr. Cra-

ne. Und es ist nicht mehr als billig, wenn wir Sie dafür beloh-nen. Sie können jetzt gehen. Halten Sie sich aber weiterhin zu unserer Verfügung.«

Damit war er entlassen.Crane setzte die Mütze auf, grüßte militärisch und ging den

langen Weg durch den Saal bis zum Ausgang zurück, hinter ihm die beiden Uniformierten.

Draußen sagte einer seiner beiden Begleiter:»Mr. Crane, die Regierung hat für Sie ein Appartement im Li-

lyan Hotel reservieren lassen und bittet Sie, ihr Gast zu sein, bis Sie wieder vorgeladen werden. Tagsüber haben Sie jede Freiheit, sich in der Stadt zu bewegen. Die Nächte bitten wir Sie in Ihrem Hotelzimmer zu verbringen, wo Ihre Anwesen-heit jeden Abend kontrolliert wird. Wenn Sie sich nicht an die

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Order halten, wird man Sie suchen und aufgreifen – und eine Zelle im Gefängnis ist wesentlich ungemütlicher als ein Ap-partement im Lilyan Hotel.«

Ormond Crane lächelte flüchtig.»Ich habe nicht die Absicht, davonzulaufen. Ich möchte

selbst das Ende dieses Spiels um Terra sehen.«

WETTRENNEN UM DIE ERDE

Fünf Tage später wurde er ins Hauptquartier des Geheimen Nachrichtendienstes zu Major Andre Dupont vorgeladen.

Das Büro des Majors war ein großer, nüchterner Raum, des-sen Wände mit Plänen und Karten der Venus und den wich-tigsten Raumschiffahrts-Linien des Sonnensystems bedeckt waren.

Der Major, ein drahtiger, schlanker Mann in olivgrüner Uni-form, empfing Ormond Grane mit einem verbindlichen Lä-cheln und begrüßte ihn mit Handschlag.

»Ich freue mich sehr, Sie kennenzulernen, Captain Crane! Sie sind der erste Mensch, der nach fünfhundert Jahren den Fuß auf Terra, die Heimat unserer Vorfahren, gesetzt hat! Ich woll-te Sie schon längst zu einer Unterredung bitten, fand aber kei-ne Zeit dazu. Aber die wichtigen Entscheidungen, die in den letzten Tagen zu treffen waren, haben mich zu sehr in An-spruch genommen. Ihre Entdeckung, daß die tödlichen Strah-len auf Terra nicht mehr wirksam sind und unser Heimatpla-net wieder besiedelt werden kann, hat uns vor völlig neue Aufgaben gestellt.«

»Ich weiß, Major. Und ich bin sehr gespannt, was nun getan werden soll.«

»Es hat heiße Debatten gegeben« berichtete der Major. »Die einen maßen der Sache keine große Bedeutung bei; sie mein-

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ten, man solle die neue Tatsache hinnehmen und Ihren Na-men, Crane, in den Geschichtsbüchern verewigen – alles wei-tere werde sich mit der Zeit schon finden. Die andern aber, zu denen auch ich gehöre, vertreten die Ansicht, man müsse den Marsianern zuvorkommen, ehe sie die Erde zu einem militäri-schen Stützpunkt ausbauen können.«

Ormond Crane nickte ernst.»Das ist auch meine Meinung. Sie haben meinen Bericht ge-

lesen, Major Dupont? Dann wissen Sie auch, daß ich den Mar-sianer Tarun Bi erwähnte, der auf der ›Star Queen‹ angeheuert hatte, sich aber später als marsianischer Spion entpuppte. Er hat die Landung auf Terra miterlebt, er weiß alles, was wir wissen. Die Marsianer werden nicht lange zögern. Ich hoffe deshalb, daß wir nicht zu spät kommen.«

Der Major nickte befriedet.»Wir schicken eine bewaffnete Expedition nach Terra! Das

Ganze ist ein Wettrennen zwischen uns und Mars. Ein Rennen, daß wir gewinnen! Terra liegt etwa auf halbem Weg zwischen Mars und Venus. Ich brauche Ihnen wohl nicht zu erklären, was das im Falle eines Krieges bedeutet!«

»Eben! Ein Stützpunkt. Werde ich mich an dieser Expedition beteiligen können?«

»Und ob! Wir sind sogar sehr daran interessiert, daß Sie mit-machen, Captain!« Major Dupont lehnte sich lässig in seinem Schreibtischsessel zurück. »Sehen Sie, Captain, Sie sind auf ei-nem Kontinent gelandet, in dem die Strahlen nicht mehr aktiv waren. Es ist anzunehmen, daß der gesamte Planet entgiftet ist; aber sicher wissen wir das nicht. Es ist durchaus möglich, daß gewisse Gebiete noch Todeszonen sind. Das Expeditions-schiff soll also an genau derselben Stelle landen wie beim ers-tenmal.«

»Sie meinen also, ich soll die Expedition begleiten, um die

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Navigation zu übernehmen?«»Ganz recht, Captain Crane. Wir brauchen Sie als Lotsen. Bis

zum Aufbruch der Expedition bitte ich Sie, mein Gast zu sein.«Crane lächelte etwas befremdet.»Ihr Gast – oder der Gefangene des Geheimen Nachrichten-

dienstes? Ich habe den Eindruck, man will mich hier nicht aus den Augen lassen. Glauben Sie denn wirklich, ich würde mich heimlich aus dem Staub machen und im Dschungel untertau-chen?«

»Natürlich nicht«, lachte der Major. »Ich weiß, daß Ihnen selbst viel daran liegt, die Expedition mitzumachen. Nein, Captain, uns geht es um etwas anderes. Wir vom Geheimen Nachrichtendienst wissen ganz genau, daß es auch auf der Ve-nus von Spionen des Mars-Reiches wimmelt. Wenn es bekannt würde, daß eine Expedition ausgerüstet wird und daß Sie als Astrogator dabei sind, wäre Ihr Leben gefährdet. Das ist der Grund, warum ich Sie lieber nicht aus den Augen lassen möch-te!«

*

Für die Reise war der Raumkreuzer ›Panaton‹ der Interplane-tarischen Klasse ausgewählt worden. Ein rassiges schlankes Schiff von tausend Fuß Länge mit gepanzertem Rumpf, mit hundert Bordkanonen bestückt, die eine Schußweite von zwei-tausend Meilen erreichen konnten. Die ›Panaton‹ stand bereits auf dem Flugfeld, um startklar gemacht zu werden. Ormond Crane kam es vor, als streckte sie ihre Nase ungeduldig in den wolkenverhangenen Himmel, so, als könne sie es nicht erwar-ten, zu jenem geheimnisvollen, blau-grünen Planeten zu gelan-gen, der nach fünfhundert Jahren zu neuem Leben erwachen sollte.

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Rund um die Abschußrampe wimmelte es von Bodenfahr-zeugen und Hilfskräften. Tag und Nacht wurden Waffen und technische Ausrüstungsgegenstände an Bord gehievt.

Vom Fenster der Offiziersmesse aus konnten Crane und Ma-jor Dupont den Fortschritt der Arbeiten beobachten. Die bei-den Männer saßen vor ihren Gläsern mit Norak und rauchten dicke Zigarren aus den Blättern der venusischen Sumpflilie.

Wohl ein dutzendmal hatte Crane schon ungeduldig gefragt, wann es denn endlich losgehen solle.

»Alle Vorbereitungen werden so geheim durchgeführt, daß niemand etwas Bestimmtes weiß. Und wer etwas weiß, sagt es nicht!«

»So muß es auch sein«, meinte der Major. »Auf keinen Fall darf etwas durchsickern – wir können in dieser Beziehung nicht vorsichtig genug sein. Aber im Vertrauen kann ich Ihnen heute sagen, daß der Abschuß in achtundvierzig Stunden ge-plant ist.«

»Das ist gut«, murmelte Crane mit Genugtuung und klopfte nachdenklich die Asche von seiner Zigarre. Eine steile Falte stand zwischen seinen Brauen.

Vielleicht würden Marsianer und Tusier sich im Staube Ter-ras treffen. Vielleicht würde es zu einem Kampf kommen. Und vielleicht begegnete er bei dieser Gelegenheit Tarun Bi, mit dem er noch eine Rechnung zu begleichen hatte…

*

Die lange Reise neigte sich ihrem Ende entgegen. Terra war nicht mehr ein blasser, verschwommener Punkt im unendli-chen Raum, sondern ein großer, kreisender Himmelskörper, der fast den ganzen Sichtschirm einnahm. Man konnte schon die einzelnen Kontinente unterscheiden, die sich aus den

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Ozeanen hoben.Gespannt starrten über zweitausend Augenpaare der ge-

heimnisvollen Welt entgegen, die die Vorfahren der heutigen Tusier vor fünfhundert Jahren verlassen hatten.

Die Instrumente zeigten an, daß die ›Panaton‹ in den Bereich der Erdatmosphäre eintrat. Der Planet war nun nicht mehr als Scheibe sichtbar; der Bildschirm zeigte jeweils nur den Aus-schnitt des Gebietes, das die ›Panaton‹ überflog. Sie hielten den Raumer so niedrig, wie sie nur wagen konnten.

Mit gespanntester Konzentration saß Ormond Crane vor sei-nem Bildschirm, die Hände auf dem Gewirr von Hebeln und Schaltern der Kontrolltafel. Keine Einzelheit der vorüberflie-genden Landschaft entging ihm. Er wartete, bis jene Stelle auf-tauchen würde, an der die ›Star Queen‹ notgelandet war.

Hinter ihm standen Dupont und Captain Schultz, der Com-mander des Kreuzers ›Panaton‹, zusammen mit einem Dut-zend anderer Offiziere. Alle warteten in atemloser Spannung auf ein Zeichen von Ormond Crane.

Plötzlich zuckte der junge Captain zusammen und fuhr halb von seinem Sitz auf.

Dupont beugte sich über ihn.»Nun?« rief er hoffnungsvoll. »Haben Sie die Stelle

gesehen?«Crane nickte, aber sein Ausdruck war so ernst, daß Dupont

betroffen fragte:»Crane! Was ist los?«»Ich habe die Stelle gesehen«, wiederholte Crane grimmig.

»Aber ich habe noch etwas anderes gesehen! Nur für den Bruchteil eine Sekunde, aber lange genug, um jeden Zweifel auszuschalten. Zwei Raumschiffe, und zwar ganz in der Nähe unseres ehemaligen Landungsplatzes!«

Dupont stieß einen Fluch aus und wandte sich dann an die

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anderen Offiziere:»Sie sehen, meine Herren, wie berechtigt unsere Befürchtun-

gen waren. Die Marsianer sind uns also tatsächlich zuvorge-kommen! Wir haben keine Zeit zu verlieren. Wenn Sie uns kommen sahen, werden sie uns zweifellos unter Beschuß neh-men, sowie wir uns wieder der Stelle nähern. Wann wird das sein, Captain Schultz?«

Captain Schultz's Blick suchte den jungen Crane.»Der Chefnavigator und ich werden das sofort gemeinsam

feststellen.«Aber er hatte noch nicht ausgesprochen – da brach auf dem

Kreuzer ›Panaton‹ die Hölle los!

Kesseltreiben

Ein ungeheuerer Energiestrahl schoß von der Erdoberfläche her auf, hüllte das ganze Schiff in eine einzige, blendendweiße Flamme. Die Raketenmotoren setzten aus, die Steuerung ver-sagte. Wie ein welkes Blatt im Wind wurde die ›Panaton‹ durch die Luft gewirbelt.

Der Kontrollraum bot ein Bild der Verwüstung. Ormond Crane war mit voller Wucht gegen die Kontrolltafel geschleu-dert worden. Die Instrumente gingen unter dem Anprall in Scherben. Glassplitter und ein Gewirr zerrissener Drähte – das war alles, was von dem Leitstand des stolzen Schiffes der In-terplanetarischen Armee übrigblieb.

Crane blutete aus tiefen Schnittwunden an Gesicht und Hän-den.

Rings um ihn herrschte panische Kopflosigkeit. Captain Schultz brüllte irgendwelche Kommandos, die im Schreien der Verwundeten untergingen. Crane sah einen Mann auf dem Bo-den liegen, dem der furchtbare Luftdruck die Rippen zer-

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quetscht hatte. Ein anderer hing leblos über dem Mikrofon.Dann gingen die Lichter aus.Und eine Sekunde später krachte die ›Panaton‹ zur Erde.

Eine riesige Stichflamme schlug zum Himmel auf.Die Blauhäutigen, die aus ihrer Stellung heraus gespannt den

Absturz des venusischen Schiffes beobachteten, sahen es wie einen Meteor vom Himmel fallen und zwischen den Graten des Gebirges verschwinden.

Gleich darauf konnten sie die Stichflamme auflodern sehen. Eine ungeheure Explosion jagte wirbelnde Säulen des weißli-chen Staubes über die Ebene. Es war ein unheimlicher Anblick – fast als tanzten die Geister jener Alten über die Ebene, die in der Hölle des Atomkriegs zugrundegegangen waren.

Rauch stieg in einer dicken, schweren Wolke von der Ab-sturzstelle auf. Eine Reihe kleinerer Explosionen folgte. Dann schien Terra wieder so tot wie vordem.

Tarun Bi, der Kommandant der marsianischen Truppe, be-merkte anerkennend:

»Das war ein guter Schuß, Leute. Ich glaube nicht, daß auch nur ein Tusier diesen Absturz überlebt hat. Der Kampf um Ter-ra ist entschieden. Der Planet gehört uns.«

*

Die Nacht senkte sich auf das Gebirge. Aber die Felsen und Schluchten waren vom Widerschein des immer noch brennen-den Schiffes erhellt. Captain Ormond Crane dämmerte ins Be-wußtsein zurück. Das erste, was er wahrnahm, waren die Schmerzen. Als er sich aufzurichten versuchte, griffen seine Hände in Glasscherben und begannen aufs Neue zu bluten.

Mühsam erhob er sich und schaute sich um. Überall lagen die blutbesudelten Leiber seiner Kameraden, Tote und Ver-

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wundete. Die Offiziere vom Dienst hingen zum Teil noch in ih-ren Sitzen angeschnallt. Ändere waren aus den Gurten geris-sen und auf den Boden geschleudert worden.

Aber wenigstens schien kein Knochen gebrochen zu sein. Er konnte nur äußere Wunden feststellen, die von dem Anprall gegen die Kontrolltafel herrührten. Bei jeder Bewegung durch-fuhr ihn ein schmerzhafter Stich. Crane versuchte, ob ihm sei-ne Gliedmaßen noch gehorchten.

Dann hörte er das Prasseln der um sich breitenden Flammen. Durch die geborstenen Plexiglas-Scheiben sah er das rote, dro-hende Flackern. Und er wußte, daß er keine Sekunde mehr zu verlieren hatte.

Vorsichtig stieg er zwischen den Trümmern hindurch. Als er sich einen Augenblick gegen die Kontrolltafel stützte, zog er seine Hand mit einem Aufschrei zurück, das Metall war glü-hend heiß.

Er stolperte über Tote und Scherben und taumelte auf die Türe zu, die zum Korridor führte. Der Schalter, der sie auto-matisch öffnen sollte, versagte. Aber er hörte von draußen das Tosen der Flammen und sagte sich, daß dieser Ausgang sowie-so versperrt sei.

Er suchte sich aus dem Trümmerhaufen eine dicke Eisenstan-ge und wandte sich nach der Sichtluke über der Kontrolltafel. Die Scheiben waren bereits zersprungen. Es kostete Ihn keine allzugroße Mühe, mit seiner Eisenstange die Scherben heraus-zuschlagen. Die Öffnung genügte für einen schlanken Mann, um hindurchzukriechen.

Auf Wanden und Füßen kletterte Ormond Crane über Geräte und Instrumente zu der Luke hinauf. Er atmete auf, als er den Kopf durch die Öffnung steckte und die kühle Brise von den Bergen sein Gesicht umspielte.

Es war schwierig, über den verbeulten Rumpf zu klettern. Er

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fand seinen Weg zum Erdboden im Licht der Brände, die das ganze Wrack umlohten.

Das Bild, das sich ihm in diesem flackernden, roten Licht bot, schien den tiefsten Schlünden der Hölle entstiegen. Schroff und feindlich ragten die Berge ringsum in den nächtlichen Himmel. Die ›Panaton‹ war am Rande eines Canyons aufge-prallt dessen Grund man von dieser Höhe aus nicht erkennen konnte.

Crane sah, daß er nicht der einzige war der die Katastrophe überlebt hatte. Überall bewegten sich schattenhafte Gestalten, schwankten unsicher auf den Beinen. Aber die Zahl derer, die leblos oder in Schmerzen stöhnend auf dem Erdboden lagen, überwog bei weitem.

Crane sammelte die Umherirrenden um sich und befahl, von der Ausrüstung des Schiffes zu retten, was noch zu retten war. Alles wurde neben einem großen Felsblock aufgehäuft. Crane bestimmte ein halbes Dutzend mit Gewehren bewaffneter Sol-daten zur Bewachung. Er selbst half bei den Bergungsarbeiten, ohne auf seine Verwundungen zu achten.

Als er am Fuß des Wracks mit einem Offizier in halbverkohl-ter, zerfetzter Uniform zusammenstieß, erkannte er in dem blutverkrusteten, verschwollenen Gesicht nur mit Mühe die Züge des Majors. Dupont hielt einen entsicherten Strahler in der Faust, den Finger um den Abzug gekrümmt.

Eine ungeheure Erleichterung zeigte sich auf seinem Gesicht, als er den Captain erkannte.

»Gott sei Dank, Sie leben, Crane!« begrüßte er ihn dankbar, »Ich kann in diesem höllischen Chaos wirklich Hilfe brauchen!«

Der Major hatte seit dem Absturz einiges mitgemacht. Unter den Überlebenden waren erbitterte Kämpfe um die Ausstieg-luken und um die kärglichen Reste an Medikamenten und

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Verbandszeug ausgebrochen. Mehr als einmal hatte Dupont mit der Waffe in der Hand eingreifen müssen.

»Sie sind doch hoffentlich nicht schwer verletzt, Crane?« fragte er besorgt, mit einem Blick auf Ormond Cranes zer-schnittenes Gesicht. »Sind Sie imstande, einen Strahler zu handhaben, wenn es nötig sein sollte? Denn ich fürchte, es wird nötig sein!«

Crane wischte sich mit dem Ärmel das Blut aus den Augen.»Mir geht es ganz gut, bis auf die paar Kratzer. Aber was

zum Teufel ist denn eigentlich passiert, Major Dupont?«Dupont lachte bitter auf.»Was passiert ist? Sie haben die Marsschiffe gesehen, nicht

wahr? Nun, die Marsianer haben uns ebensoschnell gesehen und sie haben keine Sekunde gezögert die ›Panaton‹ mit einem Energie-Strahl zu vernichten!«

»Ich fürchte, sie werden sich nicht damit begnügen«, meinte Crane. »Sie werden sich schnellstens auf den Weg machen, um auch die Überlebenden noch auszurotten. Wie viele mögen wir sein, Major?«

»Oh, nicht sehr viele. Hundert, schätze ich. Captain Schultz ist tot, ebenso die meisten Offiziere. Ich bin der Rangälteste der Überlebenden.«

Das Wrack brannte jetzt lichterloh. Gegen die Flammen ho-ben sich die schattenhaften Umrisse der Männer ab, die immer noch aus den Trümmern Geräte und Überlebende zu bergen suchten.

Crane sagte:»Das Wrack muß jeden Augenblick endgültig in sich zusam-

menstürzen. Ich fürchte, wir müssen die Rettungsarbeiten ab-brechen, um die Leute nicht zu gefährden. Wir sollten das Ge-lände im Umkreis der Brandstätte räumen. Wenn das brennen-de Wrack zusammenstürzt, werden die Trümmer nach allen

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Seiten fliegen.«»Sie haben recht«, pflichtete ihm der Major bei. »Holen Sie

sich von dem Haufen dort einen Strahler, Captain. Ich möchte, daß Sie mir von jetzt an als mein Erster Offizier zur Seite ste-hen.«

Dann schrie Dupont seinen Leuten zu:»Achtung, herhören! Die Bergungsarbeiten werden einge-

stellt, da das Wrack jeden Moment explodieren kann. Jeder Mann lädt sich so viel von der geretteten Ausrüstung auf, wie er tragen kann. Wir müssen den Grund des Canyons errei-chen, bevor das Schiff zusammenkracht.«

Einige der Soldaten murrten, und ein bärtiger Tusier rief auf-gebracht:

»Und was wird aus unseren Kameraden, die in dem bren-nenden Wrack eingeschlossen sind? Wir können Sie doch nicht im Stich lassen!«

Duponts Gesicht war eine starre Maske, als er mit fester Stimme sagte:

»Wir können ihnen nicht mehr helfen. Wir haben getan, was möglich war. Jeder weitere Schritt wäre Wahnsinn und Selbst-mord. Wir müssen sie ihrem Schicksal überlassen.«

»Mörder!« schrie der Bärtige mit blitzenden Augen.Die anderen nahmen eine drohende Haltung ein.Mit einem Sprung war Ormond Crane auf dem Felsen und

rief ihnen zu:»Männer! Begreift ihr nicht, daß wir keine Minute mehr zu

verlieren haben? Die Marsianer können uns jeden Augenblick auf den Hals kommen! Wir müssen uns eine Verteidigungs-stellung geschaffen haben, bevor sie eintreffen! Wenn sie uns überrumpeln, bleibt kein Mann am Leben!«

»Danke, Crane«, sagte Dupont halblaut. Er ließ den Blick über die feindseligen Gesichter in der Runde gleiten und wog

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den Strahler in der Hand. »Vorwärts, Leute«, brüllte er plötz-lich und hob seine Waffe, daß die drohende Mündung mitten unter sie zeigte. »Es ist schon mehr als genug Blut geflossen – aber ich werde jeden rücksichtslos niederschießen, der sich meinen Befehlen widersetzt!«

Die Männer starrten auf die Mündung des Strahlers und auf das zu allem entschlossene Gesicht des Offiziers. Und sie wuß-ten, daß dies keine leere Drohung war.

Einer nach dem anderen trat an den Haufen geretteten Gutes und belud sich mit Waffen oder Geräten. Dann schleppten sie sich taumelnd und stöhnend auf die Schlucht zu.

Ormond Crane überwachte mit dem Major gemeinsam den Abmarsch. Er bemerkte leise:

»Ich glaube nicht, daß es noch weiteren Widerstand geben wird. Aber es ist hart, die Verwundeten zurücklassen zu müs-sen.«

»Glauben Sie, ich tue das gerne?« knurrte der Major zwi-schen zusammengepreßten Zähnen. »Aber was sollen wir tun? Wir sind auf einer fremden, unwirtlichen Welt gestrandet und stehen einer Übermacht feindlicher Marsianer gegenüber. Wir können von Glück sagen, wenn auch nur ein Bruchteil der Un-verletzten dieses Unternehmen lebend übersteht, die Verwun-deten haben überhaupt keine Chance.«

Das war hart, aber es war die Wahrheit. Und es hatte keinen Sinn, vor der Wahrheit die Augen zu schließen.

Als der Trupp der Überlebenden den Grund des Canyons er-reichte, brach mit ohrenbetäubendem Krachen das Wrack oben zusammen. Ein Funkenregen und ein Hagel brennender Schiffsteile prasselten auf das Gelände herunter, das die Män-ner soeben verlassen hatten.

Dann erstarb das Feuer zu roter Glut unter glimmender Asche. Und bald verlosch auch diese. Es war schwarze Nacht.

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Und die Männer, die auf dem Grund der Schlucht zusammen-gekauert lagen, fühlten jetzt erst ganz, wie verlassen und ein-sam sie waren – auf einem toten Planeten, vierzig Millionen Meilen von ihrer Welt entfernt.

Außer Dupont und Crane hatten noch fünf Offiziere die Ka-tastrophe überstanden. Sie übernahmen die Führung über den zusammengeschmolzenen Haufen.

Ein Lager wurde in aller Eile aufgeschlagen, mehrere Feuer entzündet und aus den geretteten Vorräten eine Mahlzeit be-reitet.

Major Dupont teilte seine letzte Sumpflilien-Zigarre mit Cra-ne, während sie über ihre nächsten Schritte berieten.

»Vierundachtzig Mann von über zweitausend!« seufzte Or-mond Crane. »Eine traurige Bilanz. Was werden wir jetzt an-fangen?«

Der Major holte tief Luft, bevor er antwortete:»Weiß der Himmel! Das Wichtigste ist jedenfalls für den Au-

genblick eine gute Verteidigungsstellung. Es kann nicht lange dauern, bis sie uns angreifen.«

»Hm«, bemerkte Crane nachdenklich. »Man kann die Sache auch umgekehrt sehen. Wenn wir je wieder nach Hause kom-men wollen, bleibt uns nichts anderes übrig, als die Blauhäute zu schlagen und ihnen ihre Schiffe wegzunehmen.«

Dupont lachte.»Sie haben die ausgefallensten Ideen. Crane. Wie sollten wir

mit unseren paar Mann die Marsianer schissen? Wir müssen froh sein, wenn wir den morgigen Tag noch erleben. Wenn wir sehr viel Glück haben, finden sie uns nicht. Dann könnten wir versuchen, uns auf Terra für den Rest unseres Lebens durchzu-schlagen.«

»Keine sehr verlockenden Aussichten«, meinte Crane. »Übri-gens glaube ich nicht, daß sie locker lassen, bevor sie den letz-

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ten von uns aufgespürt und unschädlich gemacht haben. Nein, Dupont, ich sehe nur eine Möglichkeit: Verbindung mit den Ureinwohnern Terras aufzunehmen und mit ihnen gemeinsam die Blauen zu bekämpfen.«

»Ureinwohner?« fragte Dupont verständnislos.»Natürlich! Erinnern Sie sich nicht mehr an meinen Bericht,

Major? Einer meiner Leute wurde durch einen Pfeil getötet. Den Pfeil haben bestimmt nicht die Geister unserer Ahnen ab-geschossen!«

»Ach ja, ich vergaß. Das heißt also, daß wir zwei Feinde ha-ben statt einen.«

»Ich weiß nicht recht. Warum sollte es nicht möglich sein, mit diesen Erdbewohnern freundschaftlich zu verhandeln? Schließlich stammen wir von denselben Vorfahren ab, von je-nen Alten, die die Erde durch ihren Atomkrieg zugrunde rich-teten.«

Der Major lachte ironisch.»Glauben Sie, sie werden uns als ihre heimgekehrten Ver-

wandten mit offenen Armen empfangen? Täuschen wir uns nicht! Es sind Primitive, die noch Pfeil und Bogen benützen. Was wissen die vom Atomkrieg, von der Geschichte ihrer Welt! Sie leben wie in den Urzeiten der Menschheit. Und da gilt nur ein Gesetz: Töten oder getötet werden. Glauben Sie mir, Captain, diese Menschen werden uns nicht anders auf-nehmen als sie Long begrüßt haben: mit einem Pfeil aus dem Hinterhalt.«

Das Lagerfeuer verglomm. Einer nach dem andern streckten sich die Männer auf dem steinernen Boden aus und schiefen ein. Der Major hatte Mühe einige Mann zum Wachdienst zu bewegen. Sie gehorchten nur widerwillig. Crane fühlte, daß die Autorität des Majors auf schwachen Füßen stand und daß sie jeder Augenblick mit einer Meuterei rechnen mußten.

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Sobald der Tag aufdämmerte entschied Major Dupont, daß sie in dem Canyon nicht bleiben konnten. Sie mußten sich für den drohenden Angriff der Marsianer eine bessere Verteidi-gungsstellung suchen. Er hieß seine Leute, sich zum Abmarsch aufstellen, und kündigte ihnen an, daß sie nicht rasten wür-den, ehe sie eine passende Verteidigungsstellung gefunden hätten.

Captain Crane marschierte am Ende des Zuges. Er trug den Strahler schußbereit in der Hand und ein Gewehr über der Schulter, um jede Fahnenflucht zu verhindern. Wenn es sein mußte, mit Gewalt.

Er hörte, wie die Soldaten über das ganze Unternehmen murrten und einander mit ihrem Geschimpfe und ihren Kla-gen nur noch mutloser machten.

Plötzlich hörten sie über ihren Köpfen das schrille Heulen von Raketenmotoren. Bestürzt wandten sich alle Augen nach oben und suchten den schmalen Streifen blauen Himmels zwi-schen den scharfgezackten Rändern des Canyons ab.

Etwas schoß so rasch über ihre Köpfe hinweg, daß sie es nicht genau erkennen konnten. Aber sie zweifelten nicht, daß es ein Raumschiff der Marsianer war, das nach ihnen suchte. Es war nur eine Frage der Zeit, wann man sie mit Hilfe der Suchinstrumente in ihrer Schlucht entdecken würde.

Ganz unvermutet war die enge Schlucht zu Ende. Sie traten auf ein Plateau hinaus, das etwa auf halber Höhe der Berge wie eine Nase vorsprang. Auf der einen Seite ging es in einen steilen Hang über, der zum Gipfel hinaufführte, auf der an-dern bildeten sanfte Hügel einen Übergang zu der weiten Ebe-ne, die sich bis zum Horizont breitete.

Am Fuß des Hanges aber mündete eine sprudelnde Quelle in ein breites Wasserbecken. Wasser! Genug, um den brennenden Durst aller zu stillen, deren Kehlen von dem staubigen Marsch

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wie ausgedörrt waren.Aber der Major hob den Arm und hielt seine Leute zurück

als sie mit Freudensschrei auf die Quelle stürzen wollten, um zu trinken.

Zweifelnd betrachtete Major Dupont das klare Wasser. Wer konnte wissen, ob es tatsächlich ungefährlich war, davon zu trinken? Sie besaßen keine Instrumente mehr, um die Radioak-tivität zu prüfen. Dupont zögerte immer noch, seine Erlaubnis zum Trinken zu geben, als Crane an der Quelle eintraf.

Ormond Crane hörte den Major an, zuckte die Achseln und meinte: »Wenn die Luft entgiftet ist, können wir annehmen, daß auch das Wasser uns nichts schadet.«

»Aber wir wissen es nicht genau«, beharrte Dupont. »Es sei denn, jemand meldete sich freiwillig zu einem Versuch.«

»Freiwillig?« lachte Crane trocken. »Ist es nicht gleichgültig, Major, auf welche Art wir zugrunde gehen?«

Ohne weitere Umstände legte er Gewehr und Strahler auf die Erde, kniete nieder und beugte sich über den klaren Teil. Er wölbte die Hände zu einer Schale, schöpfte von dem Wasser und führte es an die Lippen.

Gespannt beobachteten ihn die achtzig Mann, mit trockenen Lippen und gierigen Augen.

Aber nichts geschah.Er richtete sich auf, wischte sich die Tropfen aus dem Gesicht

und erklärte:»Wenn es auf den Geschmack ankommt, ist das das beste

Wasser, das ich je im Leben getrunken habe! Kein Vergleich mit der faden Brühe, die man auf der Venus Wasser nennt! Ich bin dafür, wir trinken uns satt – und lassen es auf die Folgen ankommen.«

Das ließen sich die halb verdursteten Soldaten nicht zweimal sagen. Im Nu war das ganze Becken umringt. Alles drängte

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sich ans Wasser und trank in gierigen, vollen Zügen.In diesem Augenblick stieß das Marsschiff wie ein Habicht

aus dem blauen Himmel nieder. Bevor noch jemand wußte, was geschah, pflügte der furchtbare Strahl sengender Energie eine breite Bresche in die Tusier, die sich um die Quelle dräng-ten.

Fast gleichzeitig tauchten weitere fünf Schiffe wie silberne Pfeile am Himmel auf und schossen ebenfalls steil auf das Pla-teau herunter.

Major Dupont taumelte auf die Füße und öffnete den Mund, um einen Befehl zu schreien. Er kam nicht dazu. Der vernich-tende Strahl fegte über ihn hinweg und tötete ihn im Bruchteil einer Sekunde.

Es war ein grauenhaftes Kesseltreiben ohne Hoffnung auf Entkommen. Das Brüllen der Motoren, die Ausstoßflammen der Raketen, die das ganze Plateau versengten, das Schreien der Verwundeten und Sterbenden – das alles ähnelte einem entsetzlichen Alptraum, aus dem es kein Erwachen gab.

Instinktiv und ohne zu überlegen hatte sich Ormond Crane sofort in das Wasserbecken fallen lassen. Er tauchte prustend wieder auf, hielt sich am Ufer fest und schaute sich um.

Er sah Szenen des Grauens ringsum, sah, wie die Tusier, so-weit sie die erste Angriffswelle überlebt hatten, nach allen Sei-ten auseinanderstoben und dem Ort der Vernichtung zu ent-fliehen suchten. Schon wollte er sich hochziehen, um sich der allgemeinen Flucht anzuschließen. Aber dann besann er sich.

Immer wieder zogen sie ihre Kreise.Er sah, wie die Marsschiffe die Fliehenden jagten, wie die

Bordkanonen sie zu Dutzenden hinmähten. Und er wußte, daß es nur eine Möglichkeit gab, dieses Gemetzel zu überstehen.

Er tauchte so tief ins Wasser, daß nur Augen und Nase über die Oberfläche hinausragten und drückte sich unter einen

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überhängenden Stein, der ihn vor Blicken von oben schützte.Aus seinem Versteck heraus mußte er mitansehen, wie die

Marsianer kaltblütig jeden einzelnen Mann töteten. Immer wieder zogen sie ihre Kreise und fegten mit ihren Strahlenbün-deln über Verwundete und Tote hinweg, um ganz sicher zu gehen. Die einzige Stelle, die ihrer Aufmerksamkeit entging, war der Teich und der überhängende Stein an seinem Ufer.

Donnernd senkte sich jetzt eines der Schiffe zur Erde nieder und landete unweit des Schlachtfeldes am Rande des Plateaus.

Der einzige Überlebende des Blutbades verhielt sich so still, wie er nur konnte, bis zu den Nasenlöchern im Wasser, und spähte unter seinem Stein hervor.

Er sah, wie eine metallene Leiter ausgefahren wurde und eine Gruppe der riesigen, blauhäutigen Marsianer zur Erde kletterte; sie alle trugen Offiziersuniformen der Mars-Armee.

Mit offenkundiger Genugtuung besichtigten sie das Ergebnis ihres erbarmungslosen Angriffs. Sie stiegen rücksichtslos über die verkohlten Leichen hinweg und unterhielten sich unbe-kümmert in ihrer zischenden Sprache.

Sie schienen sehr zufrieden mit dem, was sie angerichtet hat-ten, Mit einem Schlag hatten sie die gesamte Expedition der Tusier vernichtet, die ihnen die neuentdeckte Welt streitig ma-chen wollte. Niemand würde je erfahren, was aus den zwei-tausend Mann geworden war, die der Hohe Rat nach Terra ge-schickt hatte. Und bevor man auf der Venus begriff, daß die Expedition nicht wiederkehrte und eine zweite Landung vor-bereiten konnte, würden sich die Marsianer endgültig auf Ter-ra eingenistet haben. Damit war ihnen der Stützpunkt, der sie im Raum unschlagbar machte, sicher.

Sie ahnten nicht, daß ein einziger Mann mit dem Leben da-vongekommen war und sie mit wachen Augen beobachtete. Ormond Cranes Haß erreichte seinen Siedepunkt, als er den

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Führer der Blauhäutigen erkannte: es war Tarun Bi. Obwohl die Marsmenschen für einen Tusier einander alle ähnelten, hät-te Crane seinen Todfeind aus tausend anderen herausgefun-den. Diese grausamen, schmalen Schlitzaugen, diesen häßli-chen, breiten Mund würde er nie im Leben vergessen können.

Crane ballte unwillkürlich die Fäuste in dem kalten Wasser, das seine Glieder langsam erstarren ließ.

Nachdem die Marsianer festgestellt hatten, daß kein Ver-wundeter mehr am Leben war, zogen sie sich lachend und lär-mend wieder zu ihrem Schiff zurück.

Sie kletterten durch die Luke, die Leiter wurde eingefahren, und wieder heulten die Raketenmotoren auf. Rote Flammen zischten aus dem Heck, daß Staub und Sand im weiten Um-kreis aufwirbelten. Langsam und majestätisch hob sich das Schiff vom Boden, um dann plötzlich wie ein Geschoß in die Höhe zu schnellen, während die Motoren donnernd aufbrüll-ten.

Ormond Crane zog sich mit halberstarrten Gliedern aus dem Wasser und spuckte Staub und Sand aus, die ihm in Nase und Lungen gedrungen waren.

Dann taumelte er auf die Füße. Grauen packte ihn, als ihm zum Bewußtsein kam, daß er der einzige Überlebende der un-glückseligen Expedition war. Der einzige Tusier auf diesem fremden und unwirtlichen Planeten.

Das war schlimmer als die roten Wüsten des Mars. Dort konnte man doch immerhin hoffen, einer Karawane zu begeg-nen, die Waren nach einer der großen Städte brachte. Hier gab es keine Hoffnung. Er war allein, auf einer toten Welt ausge-setzt, deren Kultur vor fünfhundert Jahren zugrunde gegan-gen war.

Gewiß, es mußte hier Menschen geben. Der Pfeil in Longs Rücken hatte es bewiesen. Aber vielleicht bestand die ganze

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Bevölkerung Terras nur aus einem einzigen kleinen Stamm. Und dieser konnte Tausende von Meilen weit weg sein. Durfte er also hoffen, in dieser Einöde auf Menschen zu stoßen? Und wenn – würde diese Begegnung nicht erst recht seinen siche-ren Tod bedeuten?

Aber Crane war entschlossen, um sein Leben zu kämpfen, solange er nur konnte.

Er zwang sich dazu, die Toten zu durchsuchen und alles an sich zu nehmen, was ihm auf seiner einsamen Wanderung von Nutzen sein konnte. Er bewaffnete sich mit einem Cra-ny-Strahler, einer Flinte und konzentrierter Nahrung in Pillen-form, die ihn sechs Monate am Leben halten konnte. Dann ver-ließ er den Ort des Grauens und machte sich an den Abstieg zu der endlosen grauen Ebene im Westen.

Immer wieder suchten seine Augen den Himmel ab. Er war darauf gefaßt, daß die Marsianer die Gegend noch einmal überfliegen könnten, um nach Überlebenden auszuspähen. Ta-run Bi war nicht der Mann, der sich so leicht in Sicherheit wiegte.

Einmal entdeckte Crane einen Schatten im Blau des wolken-losen Himmels. Sofort suchte er Deckung hinter einem Fels-block. Was von dort oben kam, konnte seiner Meinung nach nur ein Marsschiff sein.

Er war wenig erstaunt, als er einen riesigen Vogel erkannte. Er war größer als irgendein Tier, das er je gesehen hatte. Mit weit ausgebreiteten Schwingen segelte er auf das Plateau zu, auf dem der Angriff der Marsianer stattgefunden hatte.

Im Lauf der nächsten zwei Stunden entdeckte Ormond Cra-ne noch Dutzende solcher Riesenvögel. Sie alle strebten der Unglücksstelle zu. Es waren die Nachkommen jener Gattung der Aasgeier, die sich nach dem Atomkrieg zu so gigantischer Größe entwickelt hatten.

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Gegen Abend erreichte Crane die Ebene und ließ sich im Schutz eines großen Felsblockes nieder. Er schluckte ein paar Tabletten und spülte sie mit einem Schluck Wasser aus der Feldflasche hinunter, die er an der Quelle gefüllt hatte. Dann sank er in den tiefen, traumlosen Schlaf der Erschöpfung.

Begegnung

Er erwachte erst, als die ersten Sonnenstrahlen die Gipfel der Berge orangerot färbten. Er fuhr sich mit der Hand über das stopplige Kinn und überlegte, ob er sich rasieren sollte; einen Rasierapparat führte er in seinem Gepäck mit. Obwohl es in dieser Einöde völlig gleichgültig war, wie er aussah, beschloß er doch, seine Selbstachtung zu bewahren und sich den Bart abzunehmen. Als das geschehen war, fühlte er sich bedeutend wohler.

Er nahm wieder ein paar Tabletten ein und setzte dann sei-nen Weg fort.

Hier und dort sproßen kleine, gelblich-grüne Hälmchen aus dem Staub. Und je weiter er kam, desto dichter wurde das Gras.

Etwa eine Stunde später sah er das erste Säugetier, seit er den Fuß auf diesen Planeten gesetzt hatte.

Es war ein Nachkomme dessen, was man auf der Erde vor dem Atomkrieg Pferd genannt hatte. Der Unterschied bestand darin, daß es fast doppelt so groß war und lange, scharfe Hau-er besaß wie ein Raubtier.

Als Crane es zuerst bemerkte, graste es friedlich in einiger Entfernung. Kurz darauf aber witterte es den Ankömmling. Es hob den Kopf, blähte die Nüstern und schlug zornig mit dem Schweif. Dann sah es den Mann, mit wütendem Schnauben ging es augenblicklich zum Angriff über.

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Offenbar hatte es die Menschen bereits als seine Feinde ken-nengelernt. Menschen, die es mit spitzen Pfeilen oder Lanzen jagten, es töteten, um sein Fleisch zu verschlingen.

Mit fliegender Mähne und gesenktem Kopf kam das riesige Pferd angaloppiert.

In diesem Augenblick gellten plötzlich menschliche Rufe auf. Das Pferd stutzte. Crane wirbelte herum. Er sah etwa ein Dut-zend mit Speeren, Pfeilen und Bogen bewaffnete Männer über die Ebene kommen. Sie schrien und schwangen ihre Waffen durch die Luft. Sie waren nackt bis auf Felle, die sie auf der bloßen Haut trugen; ihre wirren Haare hingen bis auf die Schultern herunter, und lange Bärte wallten von ihren Gesich-tern.

Das Pferd warf den Kopf zurück und wieherte zornig. Dann bäumte es sich auf, drehte sich auf den Hinterbeinen um und floh in wildem Galopp den Bergen zu.

Die Eingeborenen sandten ihm einen Hagel von Pfeilen nach, die ihr Ziel jedoch verfehlten.

Dann wandten sie ihre Aufmerksamkeit dem Mann zu, den das Pferd angegriffen hatte.

Crane blieb wie angewurzelt stehen und rührte sich nicht. Die Eingeborenen kamen vorsichtig näher und musterten ihn argwöhnisch.

Er betrachtete die Wilden und stellte fest, daß sie sich außer Kleidung und Bärten nicht wesentlich von seiner eigenen Ras-se unterschieden. Sie waren alle groß und kräftig gebaut, mit breiten Schultern und geschmeidigen Muskeln. Einer von ih-nen trug ein erlegtes Wild über der Schulter, das bestimmt mehrere Zentner wog; aber er trug es leicht und mühelos.

Sie fuhren fort, ihn schweigend und feindselig anzustarren: Ormond Crane schien diese Besichtigung eine Ewigkeit zu dauern, aber er wagte keine Bewegung.

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Endlich hob einer der Männer Pfeil und Bogen und legte auf den Tusier an, um ihn zu töten, wie Long getötet worden war. Diese Primitiven betrachteten jeden Fremden als Feind und machten nicht viel Federlesens.

Crane hob zum Zeichen seiner friedlichen Absichten die Hände und versuchte zu lächeln, obwohl seine Mundwinkel wie eingefroren waren.

Er sagte laut und ruhig:»Ich bin nicht euer Feind. Ich komme als Freund. Tötet mich

nicht.«Langsam, quälend langsam ließ der Mann den Bogen sinken,

wandte sich mit einem fragenden Ausdruck seinen Begleitern zu und sagte mit rauher Stimme:

»Der Fremde spricht wie wir. Er gibt vor, ein Freund zu sein.«

Einen Augenblick war Crane fassungslos darüber, daß er die Sprache der Eingeborenen verstehen konnte. Dann sagte er sich, daß es gar nicht so erstaunlich sei. Stammten sie nicht von denselben Vorfahren ab? Die Alten hatten diese Sprache vor dem Atomkrieg gesprochen. Ihre Nachkommen auf Terra und ihre Nachkommen auf Venus hatten sie in nur wenig ver-änderter Form beibehalten.

Der Mann, der das erlegte Tier über der Schulter trug, knurr-te zornig:

»Töte ihn. Artur! Er ist ein Fremder! Und jeder Fremder ist ein Feind.«

Ein Dritter mischte sich ein und meinte bedenklich:»Kars wird uns sehen und selbst entscheiden wollen. Laßt

uns den Bartlosen zu Kars bringen.«Zum ersten Mal wandte sich jetzt der Bärtige, der ihn hatte

töten wollen, an Crane selbst:»Woher kommst du, Fremder?«

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Etwas erleichtert sagte sich Ormond Crane, daß sie unterein-ander über sein Schicksal nicht einig waren. Vielleicht konnte er mit Reden immerhin einen Aufschub erwirken.

Er sagte rasch:»Ich komme von weither, von jenseits des Himmels, von ei-

ner anderen Welt. Aber ich komme als Freund. Bringt mich zu Kars. Wenn ihr mich tötet, werdet ihr euch seinen Zorn zuzie-hen.«

»Er redet von Kars«, murmelte einer der bärtigen Wilden. »Woher kennt er ihn? Vielleicht ist er ein Gott aus den schwar-zen Türmen.«

Sie berieten eine Weile leise. Dann verkündete der, den die anderen Artur nannten:

»Wir töten dich noch nicht, Fremder. Wir bringen dich zu Kars. Wenn er sagt, daß du sterben sollst, wirst du sterben.«

Ormond Crane stieß einen Seufzer der Erleichterung aus. Vielleicht würde Kars etwas klüger sein als seine Untertanen. Dann würde man mit ihm eher reden können…

Der Mann mit dem Bogen gab ihm ein Zeichen, ihnen zu fol-gen. Zu seinem Erstaunen machten sie keine Anstalten, ihn zu entwaffnen. Aber freilich mochten sie Gewehr und Strahlen-pistole gar nicht für Waffen ansehen, sondern für Schmuck-stücke halten.

Crane war es zufrieden, daß sie ihn zu ihrem Dorf brachten. Wenn er auf diesem öden Planeten überleben wollte, müßte er sich an andere Wesen anschließen. Und wenn es auch nur halbnackte Wilde waren. Für den Augenblick jedenfalls fand er dies die beste Lösung.

Später konnte er immer noch versuchen, sich mit Hilfe seiner Waffen die Freiheit zu erkämpfen, wenn sich die Wilden wei-terhin feindlich verhielten.

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Das heilige Buch

Das Dorf, in das die Wilden Captain Ormond Crane führten, war ganz so, wie er es erwartet hatte. Diese Menschen kannten keine Zivilisation. Sie lebten so, wie ihre Vorfahren vor vielen tausend Jahren gelebt haben mochten, in den Urzeiten der Menschheit, als noch prähistorische Ungeheuer die Erde be-völkerten.

Ihre Behausungen waren rohe Hütten aus Lehm und Steinen, die sich unwillkürlich und wie zufällig zu einem Dorf grup-pierten. Die Siedlung umgab ein Wall aus Bruchsteinen, Zwi-schen den Hütten häuften sich Unrat und Abfälle, für deren Beseitigung niemand sorgte. Deshalb hing auch ein scheußli-cher Geruch in den schmalen Straßen, die diesen Namen kaum verdienten.

Sobald sie das Dorf betraten, wurden sie augenblicklich von einer Schar nackter, unglaublich schmutziger Kinder umringt, die den Gefangenen wie ein Wundertier bestaunten und ihm in ihrer zudringlichen Neugier fast die Kleider vom Leib ris-sen.

Die bärtigen Männer wehrten die Kletten lachend mit ihren Speerschäften ab. Aus den Türöffnungen der Hütten quollen jetzt Dutzende von anderen halbnackten Männern und Frau-en, alle in ungegerbte Tierhäute gehüllt. Der ganze Stamm mußte auf den Beinen sein, um den Fremden zu begaffen.

Während man ihn durch die holprige Gasse zu Kars' Hütte führte, stellte Crane fest, daß diese Wilden große Ähnlichkeit mit der angelsächsischen Rasse zeigten, wie man sie aus den Geschichtsbüchern der Alten kannte. Zugleich aber war ihre Blutsverwandtschaft mit den Tusiern nicht zu übersehen. Wenn man von ihrem verwahrlosten Äußeren und von der Kleidung aus Tierfellen absah, hätte man sie sich ebensogut in

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den Straßen und Verkehrsmitteln von Tus-Port vorstellen kön-nen.

Als sie eine größere Hütte erreichten, blieb die Menge stehen. Man bedeutete Crane durch Gesten, vorzutreten.

Er begriff, daß er jetzt dem Häuptling des Stammes gegen-übertreten sollte. Von diesem Mann würde sein Leben abhän-gen. Crane war entschlossen, nicht um sein Leben zu flehen. Aber er wollte dem Manne so freundlich begegnen, daß er ihm keinen Grund zum Zorn gab. Die Menge teilte sich, und Crane blieb in der Mitte stehen und wartete.

Vor dem Eingang der Hütte hing ein Fell. Eine sehnige, brau-ne Hand aus dem Innern zog diesen primitiven Vorhang jetzt beiseite und ein großer, stattlicher Mann, mit langem, grauem Haar stand in der Tür. Er trug die gleiche Fellkleidung wie die anderen; ein Band aus Schlangenhaut um seine Stirn schien das Zeichen seiner Häuptlingswürde zu sein. In der Hand hielt er eine klobige Steinaxt.

Der Mann hatte eine kühne Hakennase und schwarze, blit-zende Augen, die den Fremden durchdringend musterten.

»Gruß dir, Artur, und deinen Jägern«, sagte er mit einer tie-fen, gewichtigen Stimme. »Was für ein Wesen bringt ihr mir da?«

Artur trat einen Schritt vor und grüßte mit einer ehrerbieti-gen Verbeugung.

»Das ist ein Fremder, Kars. Wir fanden ihn im Kampf mit ei-nem Per. Wir jagten das Per in die Flucht und nahmen ihn ge-fangen.«

»Warum?« fragte der Häuptling unwillig. »Warum habt ihr ihn nicht getötet, wie es Brauch ist?«

Artur wechselte einen betretenen Blick mit seinen Jagdgenos-sen und entschuldigte sich:

»Er sagte, er sei unser Freund. Er käme aus einem Land jen-

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seits des Himmels. Und er wollte dich sprechen, Kars.«Kars runzelte die Stirn und musterte Crane von Kopf bis

Fuß.»Ist das wahr? Kommst du aus einem Land jenseits des Him-

mels?«»Ja«, bestätigte Ormond Crane eifrig. »Ich komme von einer

anderen Welt, die wir Venus nennen. Ich kam in einem großen Schiff, das von Feinden zerstört wurde.«

»Bist du ein Gott?«Die Frage wurde so selbstverständlich gestellt, als erkundige

man sich nach seinem Vornamen. Crane lächelte.»Nein, ich bin kein Gott. Ich bin ein Mensch, wie ihr alle,

Kars.«»Wie heißt du, Fremder?«»Ich heiße Ormond Crane und bin Tusier. Meine Ahnen

stammen von dieser Welt und flohen zur Venus, als der große Krieg die Luft Terras vergiftete.«

»Du sprichst seltsame Worte, Fremder«, brummte Kars ver-wundert. »Ich verstehe sie nicht. Ich weiß nicht, was ich damit anfangen soll…«

Artur hob plötzlich Pfeil und Bogen.»Wir wollen ihn töten, Kars! Wozu sollen wir sein Geschwätz

noch länger anhören?« rief er aufgebracht, weil er Cranes Wor-te nicht begreifen konnte. »Er soll sterben!«

Da Kars nichts tat, um ihm Einhalt zu gebieten, legte Artur auf den Gefangenen an.

»Stirb, Feind!« schrie er hitzig.Crane zuckte zusammen und sah sich schon von dem Stein-

pfeil durchbohrt, als plötzlich eine helle Frauenstimme aus dem Innern der Hütte rief:

»Warte, Artur! Töte ihn nicht!«Artur zögerte, und Crane folgte der Richtung seines Blickes.

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In der Türöffnung tauchte neben der mächtigen Gestalt Kars eine schlanke, hochgewachsene Frau von außerordentlicher Schönheit auf. Ihr Haar hing wie gesponnenes Gold bis auf ihre Hüften herunter, große blaue Augen leuchteten in einem ebenmäßigen Gesicht. Sie war in Tierfelle gehüllt wie alle an-deren. Aber ihre Anmut und Schönheit paßten nicht in diese rauhe Umgebung, sondern eher in einen Palast.

Kars Frau? fragte sich Crane. Wie hätte sie es sonst wagen können, den Mord an dem Gefangenen zu verhindern.

Sie blieb neben Kars stehen und betrachtete den Fremden in unverhohlenem Staunen.

Ormond Crane verneigte sich tief, lächelte ihr zu und sagte, indem er seine ganze Hoffnung auf diese Frau setzte:

»Laß nicht zu, daß sie mich töten! Ich habe niemandem etwas zuleide getan.

Warum will man mir nicht einmal erlauben, meine Geschich-te zu erzählen?«

Das Mädchen erwiderte sein Lächeln und legte dem alten Mann bittend die Hand auf den Arm:

»Töte ihn nicht, Vater, ehe wir seine Geschichte gehört haben. Vielleicht ist er wirklich unser Freund, wie er behauptet.«

Vater? Kars war also nicht ihr Mann, stellte Crane mit Befrie-digung fest. Nun, das sah schon besser aus.

Kars runzelte die Stirn und zögerte. Aber sie sah bittend zu ihm auf, und er konnte einer Tochter den Wunsch nicht ab-schlagen.

»Also gut«, entschied er. »Es sei, wie du sagst, Katerin. Er soll reden.«

Katerin schenkte ihrem Vater einen dankbaren Blick. Dann trat sie vor und ergriff Cranes Hand.

»Komm, Fremder! Du bist Gast in der Hütte meines Vaters.«Sie führte ihn aus dem Kreis der enttäuscht murrenden Men-

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ge ins Innere der Hütte, einen großen Raum mit kahlen Stein-wänden. Die ganze Einrichtung bestand aus ein paar Fellen auf dem nackten Lehmboden.

In der Mitte brannte ein Feuer, dessen Rauch durch ein Loch in der Decke abzog. In der Glut steckte an einem halbverkohl-ten Spieß ein Stück Fleisch, das verbrannt roch. Das Mädchen faßte den Spieß mit den nackten Zehen und drehte ihn ein we-nig, wobei es verheißungsvoll bemerkte:

»Es ist fast gar. Wir können bald essen.«Auf einen einladenden Wink hockte sich Crane auf den Bo-

den. Katerin kauerte sich neben ihn, lächelte ihm strahlend zu und ließ kein Auge von ihm. Er lächelte zurück, wußte aber nicht recht, was er sagen sollte. Er atmete erleichtert auf, als der hakennasige Alte eintrat.

Der Häuptling beugte sich über das Feuer und schnupperte an dem Fleisch. Dann grunzte er:

»Es riecht gut. Wir können essen.«Er riß mit den Händen das halbverbrannte Fleisch in Stücke,

warf eines davon Crane, ein zweites, kleineres, seiner Tochter zu und behielt das größte für sich.

Mit sichtlichem Behagen schlug er die Zähne in den unappe-titlichen Fleischbrocken und schlang große Bissen hinunter. Seine schöne Tochter folgte seinem Beispiel.

Crane schaute ihnen angewidert zu und hielt unschlüssig den ihm zugedachten Teil der Mahlzeit in der Hand. Endlich legte er ihn neben sich auf den Boden, griff in die Tasche und holte ein paar seiner Nährpillen heraus, zu denen er mehr Zu-trauen hatte.

Sofort unterbrachen Kars und Katerin ihre Mahlzeit und starrten ihn neugierig an.

Kars streckte den langen, muskulösen Arm aus und fragte: »Was ißt du da, Fremder? Ich will es sehen!«

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Ormond Crane legte ihm ein paar der Pillen auf die schwieli-ge Handfläche und erklärte:

»Dies ist die Nahrung, die wir im Raum mit uns führen. Ein paar dieser kleinen Kügelchen enthalten mehr Kraft als eine gewöhnliche Mahlzeit.«

Die beiden Wilden betrachteten die Pillen mißtrauisch. Dann stopfte Kars sie mit plötzlichem Entschluß in den Mund und schluckte sie hinunter, ohne den Tusier aus den Augen zu las-sen. Er langte nach seinem schweren Speer, der neben ihm lag, und bemerkte drohend:

»Wenn ich daran sterbe, töte ich dich mit meinem letzten Atemzug!«

»Du wirst nicht sterben, Kars«, versicherte ihm Crane. »Du wirst dich kräftiger fühlen als zuvor.«

Katerin hatte ihren Vater gespannt beobachtet. Als sie sah, daß ihm die geheimnisvollen Kügelchen nichts schadeten, streckte auch sie ihre kleine Hand aus und forderte:

»Ich will auch davon essen, Crane!«Sie nahm eine Pille, kaute prüfend darauf und spuckte sie

dann aus.»Fleisch schmeckt besser«, erklärte sie.Es hatte keinen Sinn, ihnen zu erklären, daß konzentrierte

Nahrung nicht des Geschmacks wegen gegessen wurde. Sie würden es doch nicht verstehen. Sollten Sie doch ruhig den-ken, daß er sich auch zu Hause ausschließlich von solchen Pil-len ernährte, was machte es schon aus!

Nach der Mahlzeit lehnte Kars sich behaglich gegen die Wand zurück und sagte:

»Jetzt magst du sprechen, Crane. Sag uns, warum du herge-kommen bist. Vielleicht lassen wir dich dann leben.«

Ormond Crane erzählte seine Geschichte so einfach wie möglich, um sie diesen Wilden verständlich zu machen. Trotz-

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dem merkte er mehr als einmal, daß sie seiner Erzählung nicht folgen konnten. Sie wußten nichts von Raumschiffen, Atom-strahlen und fremden Welten außerhalb der ihren. Sie hatten nie von der vor fünfhundert Jahren versunkenen Zivilisation gehört, nichts von dem Atomkrieg. Sie konnten weder lesen noch schreiben und ahnten nichts von der Vergangenheit Ter-ras.

Es war nicht leicht, ihnen klarzumachen, daß ihre primitive Welt nicht die einzige war, und daß die Nachkommen der ge-flohenen Ahnen nach Terra zurückkommen und ihnen helfen wollten, eine neue Zivilisation aufzubauen.

Mehr als alles andere schien Kars die drohende Invasion der Marsianer zu interessieren. Er erkundigte sich sehr eingehend nach den Absichten, den Kampfmethoden und den Schiffen der Marsmenschen. Aber Crane fand es schwer, diesem unwis-senden Wilden Fragen des Raumflugs und der Kriegstechnik zu erklären.

Er begnügte sich damit, zu betonen: »Die Marsianer sind eure wirklichen Feinde, nicht ich. Sie gehören einer fremden Rasse an, die wenig mit der unseren gemein hat. Sie sind über sieben Fuß groß, haben blaue Haut und…« Er brach ab. »Was soll ich euch etwas erklären, das ihr doch nicht versteht! Ihr müßt mir glauben, daß die Marsianer eure Feinde sind. Aber ihr seid machtlos gegen sie. Sie besitzen tödliche Waffen die verheerender sind, als ihr euch in euren kühnsten Träumen vorstellen könnt. Wenn sie kommen, müßt ihr flehen, das ist eure einzige Rettung.«

»Wir werden nicht fliehen«, knurrte Kars kampflustig. »Wir fliehen niemals!«

Ormond Crane seufzte. Es war hoffnungslos, diesen Men-schen etwas verständlich machen zu wollen.

Er erhob sich und trat in die Türe. Die Menge hatte sich in-

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zwischen verlaufen, nur wenige der fellbekleideten Wilden lungerten noch draußen in der Sonne herum.

Eine schwere Hand legte sich auf seine Schulter.Als er sich umwandte, sah er in die schwarzen Augen Kars,

der mit feierlichem Ernst sagte:»Wir werden dich nicht töten, Crane. Du bist unser Freund.

Du kannst bei uns bleiben.«Über all den Fragen und Erklärungen hatte Crane beinahe

vergessen, daß er eigentlich um sein Leben geredet hatte. Jetzt schien es ihm ganz natürlich, der Verbündete und Freund die-ser Wilden zu sein. Er nahm sich fest vor, ihre Lebensbedin-gungen zu verbessern und ein zivilisiertes Volk aus ihnen zu machen.

Alles hing jetzt davon ab, ob Tarun Bi und seine Streitkräfte das Dorf entdeckten. Crane zweifelte nicht daran, daß sie es in diesem Fall unter Strahlenbeschuß nehmen und dem Erdbo-den gleichmachen würden. Er mußte Kars und seinen Leuten klarzumachen versuchen, daß Widerstand gegen die Waffen der Marsianer zwecklos und Flucht die einzige Rettung war. Vielleicht würden sie ihn verstehen, wenn er ihnen die Wir-kung seiner eigenen Strahlenpistole augenfällig vorführte.

Am folgenden Tag nahm Katerin, die schöne Tochter des Häuptlings, den jungen Captain an der Hand und führte ihn durch das ganze Dorf. Sie wollte damit den Einwohnern zei-gen, daß er nicht länger als Feind zu betrachten sei.

Dabei bemerkte Crane eine Hütte, die größer als die meisten und mit grellbunten Ornamenten bemalt war. Er blieb stehen und fragte das Mädchen, wer hier wohne.

Katerin sah ihn erstaunt an.»Habt ihr denn auf eurer Venuswelt keine Hütten, die den

Göttern und Dämonen geweiht sind?«»Ich verstehe. Aber du sagtest doch, euer Volk mache alljähr-

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lich eine Wallfahrt zu den schwarzen Türmen, wo eure Götter wohnen«, lächelte Crane.

»Das tun wir. Die eigentliche Heimat unserer Götter sind die schwarzen Türme. Hier aber bewahren wir unser heiliges Buch auf.«

Ormond fragte neugierig:»Darf man eintreten, um euer Heiligtum zu besehen?«Katerin zögerte einen Augenblick. Dann nickte sie. »Komm!«Sie betraten die dämmrige Hütte, die leer war bis auf einen

Haufen sorgsam aufgeschichteter Steine, auf dem das »Heilig-tum« lag: ein vergilbtes, uraltes Buch mit einem vom Alter fle-ckig und brüchig gewordenen Einband.

Für diese Menschen, die weder lesen noch schreiben konn-ten, mußte das Buch etwas Geheimnisvolles und Wunderbares bedeuten.

»Das ist unser Heiligtum«, flüsterte Katerin in scheuer Ehr-furcht. »Es ist in unserem Dorf, solange wir denken können. Wir betrachten es als unseren kostbarsten Besitz.«

Und keiner von ihnen war imstande, es zu lesen!Was mochte das für ein Buch sein? Was für Geheimnisse ent-

hielt es? Gab es Aufschluß über die Geschichte dieser einst so mächtigen Welt?

Neugierig näherte sich Crane dem Steinhaufen und streckte die Hand aus. Erschrocken hielt das Mädchen ihn zurück.

»Crane! Was willst du tun? Niemand darf es berühren!«»Ich will es nur ansehen«, versicherte er ihr. »Ich kann lesen.

Katerin. Und ich möchte wissen, was auf dem Einband steht. Darf ich?«

»Die Götter könnten zürnen…«, murmelte sie ängstlich.Er lächelte ihr beruhigend zu.»Das glaube ich nicht, Katerin.«Er beugte sich über das Buch, ohne es zu berühren, und las

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den Titel:»Verteidigungsplan für den äußersten Notfall. Vereinigte

Staaten von Amerika. Sektor 14, Arizona. Maßnahmen im Falle einer Invasion.« Verblüfft griff Crane nach dem Buch, um es aufzuschlagen. Aber Katerin schrie entsetzt auf und fiel ihm in den Arm.

»Nein! Tu es nicht! Die Götter würden dich vernichten!«Crane merkte, daß sie am ganzen Körper zitterte und ver-

suchte, sie zu beruhigen.»Dieses Buch ist nicht, was ihr denkt, Katerin. Es ist kein Hei-

ligtum. Es enthält Geheimnisse, für die unsere Wissenschaftler viel geben würden!«

Sie klammerte sich bebend an ihn.»Faß es nicht an, Crane! Mein Vater wird dich töten, wenn er

es erfährt!«Er sah, daß es ihr ernst war. Kein Zweifel: wenn er das Buch

berührte, das den Terranern als heilig und unantastbar galt, würde er mit einem Speer zwischen den Rippen enden.

Er zuckte die Achseln.»Schon gut, Katerin. Es ist nicht so wichtig. Ich werde ja doch

nie wieder auf die Welt zurückkehren, von der ich kam. Warum sollte mir an der Geschichte der Alten mehr liegen als an meinem eigenen Leben!«

Insgeheim aber nahm er sich vor, sich doch bei Gelegenheit mit dem Buch zu beschäftigen.

Schweigend machten sie sich auf den Rückweg. Crane hing seinen Gedanken nach. Dieser Teil der Erde also war Arizona, ein Staat der früheren USA. Er wußte aus den Geschichtsbü-chern auf der Venus, daß hier der Atomkrieg seinen Höhe-punkt und damit gleichzeitig sein Ende gefunden hatte.

Luftangriffe größten Ausmaßes hatten in den beiden feindli-chen Erdhälften die entsetzlichsten Verheerungen angerichtet,

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viele Städte in Schutt und Asche gelegt, ganze Länder verwüs-tet und viele Millionen Menschen getötet. Als das letzte Raum-schiff mit Flüchtlingen die Erde verließ, setzte gerade die Inva-sion der Asiatischen Großen Armee an der Westküste der Ver-einigten Staaten ein.

Was danach geschah, wußte niemand auf der Venus. Denn alle, die zu jener Zeit auf Terra waren, starben. Es gab keine Augenzeugen der Katastrophe.

Aber dieses Buch enthielt Angaben über die geplante Vertei-digung. Es mußte also Aufschluß über die letzten Tage der Menschheit geben können.

Ormond Crane warf einen Blick über die Steinmauer, die das Dorf umgrenzte. Die Berge dort drüben am Rand der Ebene waren es die Rocky Mountains?

Er mußte das Buch lesen, und wenn es sein Leben kosten sollte!

Er war auf dieser Welt gestrandet. Aber es bestand doch noch die Hoffnung, daß der Hohe Rat der Venus eine neue Expediti-on ausschicken würde, wenn die ›Panaton‹ nicht zurückkam. Crane hoffte inständig, daß die Tusier sich dazu entschlossen, bevor es zu spät war und die Marsianer sich endgültig auf Ter-ra festgesetzt hätten.

Und er war entschlossen, sich bei erster Gelegenheit in das »Heiligtum« zu schleichen und das Buch zu lesen.

*

Die Gelegenheit ergab sich noch in derselben Nacht.Crane wartete, bis, alles im Dorf schlief. Er horchte auf die

regelmäßigen Atemzüge Katerins und das laute Schnarchen Kars. Als er glaubte, daß alle wirklich fest eingeschlafen wa-ren, erhob er eich leise und schlich aus der Hütte.

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Im schwachen Licht der Sterne entsicherte er seinen Strahler. Dann eilte er durch die verlassenen Gassen zum Haus der Göt-ter. Niemand hielt ihn auf. Die Eingeborenen stellten keine Wachen, obwohl sie gelegentlich schon von umherschweifen-den Nomadenstämmen angegriffen worden waren.

Mit klopfendem Herzen betrat er die Hütte und tastete sich im Dunkel zu dem Steinhaufen vor, auf dem er das Buch wuß-te, Er fand es und setzte sich damit in die entfernteste Ecke. Dann begann er, im Schein der automatischen Taschenlampe, zu lesen.

Er las die ganze Nacht. Und als der Morgen dämmerte, wuß-te er über die phantastische Kriegskunst der Alten mehr, als ir-gendein Tusier seit fünfhundert Jahren davon erfahren hatte. Er bewunderte die hervorragende Technik und Wissenschaft jener längst versunkenen Welt.

Katerin hatte von den schwarzen Türmen am Rande der zer-störten Stadt als vom Wohnsitz der Götter gesprochen. Nun, die schwarzen Türme waren das Nervenzentrum des gesam-ten Verteidigungssystems von Arizona gewesen. Durch ein gi-gantisches Übertragungsnetz konnte von hier aus die Invasion auf elektronischen Karten verfolgt werden. Und von hier aus konnte man durch einen Hebeldruck den Feind vernichten, wenn er eine der Stellen erreicht hatte, an denen unterirdische Atombomben auf den Feind warteten.

Hunderte dieser Atombomben lauerten an den wichtigsten strategischen Punkten von Arizona. Ormond Crane fragte sich, ob sie wohl in der letzten Phase des Krieges alle ausgelöst wor-den waren, oder ob ein Teil von ihnen immer noch in der Erde verborgen lag. Möglich, daß die Besatzung des schwarzen Turms selbst einem Angriff zum Opfer gefallen war, bevor sie noch Zeit fand, alle Bomben zur Explosion zu bringen.

Crane schauderte bei dem Gedanken, daß die Erde Terras

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noch heute mit dieser tödlichen Ladung gespickt war. Ein Druck auf einen der Hebel im schwarzen Turm – und wieder würden die Rauchpilze der Atomexplosionen in den Himmel wachsen.

Ganz in Gedanken versunken, klemmte Ormond Crane das Buch unter den Arm und verließ die Hütte. Was für eine ge-fährliche Welt war Terra noch heute, fünfhundert Jahre nach dem großen Vernichtungskrieg! Ob es jemals möglich sein würde, die restlichen Bomben anders zu beseitigen als durch den verhängnisvollen Druck auf den Hebel?

Crane schrak zusammen, als er sah, daß sich fast das ganze Dorf vor der Hütte versammelt hatte. Eisiges, feindseliges Schweigen empfing ihn. Seine Augen suchten den Häuptling und seine schöne Tochter. Die beiden standen in der ersten Reihe des Halbkreises. Die Strahlen der aufgehenden Sonne glänzten auf den goldenen Haaren Katerins, aber ihre Blicke wichen ihm aus.

In den Augen der Menge las er sein Todesurteil.Er war ein Fremder, der ihr Heiligtum geschändet hatte. Und

dieses Verbrechen konnte nur mit dem Tode bestraft werden.Der Tusier schwieg und überließ es Kars, das Wort an ihn zu

richten.Der Häuptling sagte finster:»Du kamst als Fremder, und wir haben dich gastlich aufge-

nommen. Aber du hast unser Vertrauen mißbraucht. Du hast das Heiligtum entweiht und das Buch der Götter gestohlen. Du hast die Rache der Götter auf unsere Häupter beschworen.«

Katerin stand mit gesenktem Kopf da und sagte nichts.Crane holte tief Luft.»Freunde, dieses Buch ist nicht, was ihr glaubt. Vor vielen,

vielen Jahren war diese Welt der Mittelpunkt einer hochentwi-

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ckelten Zivilisation. Aber die Völker der Erde spalteten sich in zwei Parteien, die einander bekriegten. Ihr Krieg tötete Män-ner, Frauen und Kinder. Das Land, in dem ihr lebt, hieß Arizo-na und war…«

»Genug der Lügen!« schrie einer aus der Menge.Crane erkannte den Jäger mit Pfeil und Bogen, der ihn schon

einmal hatte töten wollen; Artur konnte es nicht erwarten, den Fremden mit seinem steinernen Pfeil zu durchbohren. Er brüll-te: »Dieser Fremde hat unser Heiligtum entweiht. Warum zö-gern wir noch, ihn zu töten?«

Crane schaute sich hilfesuchend nach Katerin um. Ihre Blicke trafen sich, und er sah Tränen in ihren Augen glänzen.

Tränen um ihn, den Fremden?Oder fürchtete sie, selbst bestraft zu werden, weil sie ihm das

Heiligtum gezeigt hatte?Crane wußte es nicht. Er erkannte nur, daß auch Katerin ihm

jetzt nicht mehr helfen konnte.Der Häuptling sagte mit kalter, schneidender Stimme:»Bringt ihn vor das Dorf und tötet ihn!«Zwei der Eingeborenen traten auf ihn zu und nahmen ihm

das Buch ab. Dann stießen sie ihn auf den Weg zu dem Tor in der Steinmauer. Das ganze Dorf folgte.

Unterwegs tastete Crane nach dem Strahler in seinem Gürtel. Er war geladen und entsichert. Wenn er Gelegenheit finden würde, ihn abzufeuern, konnte er die Hälfte des Stammes nie-dermachen, bevor noch jemand wußte, was geschah.

Er war jedenfalls entschlossen, sich nicht kampflos umbrin-gen zu lassen. Wenn diese unwissenden Wilden darauf bestan-den, ihn zu töten, würden viele von ihnen vorher sterben müs-sen. Er hätte es vorgezogen, in Freundschaft mit ihnen auszu-kommen, er fühlte keinen Haß gegen sie, eher Mitleid mit ih-rer Unwissenheit. Aber es ging um sein Leben.

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Als sie auf dem freien Feld vor der Mauer standen, wandte er sich um. Die Menge wich zurück und machte Artur Platz, der offenbar die Hinrichtung ausführen sollte. Der Wilde zog einen steinernen Pfeil aus dem Köcher und spannte den Bo-gen.

Langsam griff Crane nach seinem Strahler und legte den Fin-ger an den Abzug.

Der Augenblick war gekommen…Ein donnerndes Brausen in der Luft riß alle Köpfe nach oben.

Selbst Artur ließ den Bogen sinken und starrte mit offenem Mund in den Himmel.

Ein Verband schlanker, silbrig glänzender Raumschiffe kam mit einer Geschwindigkeit von gut tausend Meilen pro Stunde von den Bergen her angerast und hielt haargenau auf das Dorf zu.

Die Terraner kreischten auf und stoben auseinander.»Das sind die Marsianer!« schrie Crane ihnen zu. »Die Fein-

de, von denen ich sprach!«Niemand hörte mehr auf ihn. Die Terraner rannten in ihr

Dorf zurück und verkrochen sich in den Hütten wie Tiere in ihren Höhlen.

Ormond Crane steckte den Strahler in seinen Gurt zurück und rannte hinterher. Im Eingang zur Häuptlingshütte stieß er mit Katerin zusammen, die sich in wilder Angst an ihn klam-merte.

»Crane! Crane! Beschütze mich!« stammelte sie verstört.Er legte ihr sanft den Arm um die Schulter und führte sie in

die Hütte.»Bleib hier versteckt, Katerin, und verhalte dich still.«»Was sind das für schreckliche Vögel, Crane?« fragte sie

angstvoll. »Sie sind größer als unsere Hütten, und ihre Stim-men sind wie der Donner!«

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»Das sind keine Vögel, Katerin. Es sind die Schiffe der Fein-de, von denen ich euch erzählte. Ihr wolltet mir ja nicht glau-ben.«

»Die Blauhäutigen?«»Ja«, sagte er haßerfüllt, »die Blauhäutigen.«Die Marsschiffe landeten in unmittelbarer Nähe des Dorfes.

Aus ihren silbernen Leibern ergoß sich ein Strom blauhäutiger Soldaten, die auf die Umfassungsmauer zustrebten.

Zuletzt ging Tarun Bi an Land. Seine Uniform strotzte von Goldschnüren und juwelenfunkelnden Sternen, die ihn als Kommandierenden General auswiesen. Er trug einen diaman-tenbesetzten Dolch und um die Schultern einen scharlachroten Mantel.

Tarun Bis Aufgabe war die Eroberung dieser neuentdeckten alten Welt. Aber sein Ehrgeiz würde sich nicht damit zufrie-dengeben; eines Tages wollte er unumschränkter Herrscher dieses Planeten sein.

Jetzt führte er seine Truppe in das Dorf, das wie ausgestor-ben schien; alle Bewohner hielten sich in ihren Hütten ver-steckt. In den Straßen standen die Soldaten, Strahlengewehre im Anschlag.

Tarun Bi schaute sich um und rief in seiner eigenen Sprache:»Heraus aus euren Löchern, stinkendes Pack! Ergebt euch

und kriecht im Staub vor meinen Füßen! Hierher, Sklaven!«Keine Antwort.Die Einwohner hockten zitternd in ihren Lehmhütten und

verstanden ihn nicht.Tarun Bi sagte sich, daß diese Wilden Nachkommen der alten

Terraner waren und vielleicht die Sprache der Flüchtlinge eher verstanden, die heute noch auf der Venus gesprochen wurde.

Er wiederholte seine Aufforderung in tusischer Sprache.»Heraus mit euch! Ich will euch sehen! Rasch – oder ich lasse

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eure elenden Hütten niederbrennen!«Im Halbdunkel der Hütte flüsterte Crane Katerine zu: »Er

meint, was er sagt. Dein Vater soll hinausgehen und mit ihm sprechen. Vielleicht schont er dann euer Leben.«

Katerin sah ihren Vater fragend an, aber dieser schüttelte hef-tig den Kopf.

»Nein! Nein, ich wage es nicht! Das sind die Götter, die kom-men, um Rache für die Entweihung ihres Heiligtums zu neh-men!«

»Unsinn! Es sind die Marsianer, eure und meine Feinde. Aber wenn du Angst hast, ihnen gegenüberzutreten, Kars, dann will ich es tun, um dein Volk zu retten.«

»Was hast du vor, Crane?« flüsterte das Mädchen.»Ich will versuchen, den Zorn der Blauhäutigen von euch ab-

zuwenden«, sagte Crane entschlossen. »Ich werde mich ihnen als Opfer anbieten. Vielleicht läßt man euch dann wenigstens in Frieden.«

»Nein! Nein, tu es nicht!« schluchzte die schöne Häuptlings-tochter auf und warf die Arme um Cranes Hals. »Bleib bei mir, Crane! Du sollst mein Mann sein!«

Verblüfft schaute der Tusier auf das Mädchen hinunter, das sich weinend an seine Brust schmiegte. In seiner zivilisierten Welt waren es die Männer, die einen Heiratsantrag ausspra-chen. Aber unter den unverbildeten Kindern Terras schienen andere Bräuche zu herrschen.

Er strich ihr sanft über das Haar und machte sich dann los.»Es muß sein, Katerin. Gerade weil mir daran liegt, daß dir

nichts geschieht. Wenn niemand ihrer Aufforderung nach-kommt, werden die Marsianer ihre Drohung wahrmachen. Und ich will nicht, daß du stirbst, Katerin!«

Mit festen Schritten ging er auf die Türe zu, während das Mädchen hinter ihm aufschluchzte.

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Er trat auf den sonnenbeschienenen Platz hinaus, wo die feindlichen Soldaten standen. Er nahm den Strahler aus dem Gurt und legte ihn auf den Boden. Dann ging er auf Tarun Bi zu.

Die Augen des Generals weiteten sich in ungläubigem Er-staunen, als er den Captain des Raumfrachters ›Star Queen‹ er-kannte.

»Was, Sie? Schon wieder Sie?« schrie er bestürzt. »Hatten Sie von Ihrem ersten mißglückten Besuch nicht genug? Mußten Sie wiederkommen, um mir zum zweiten Mal über den Weg zu laufen und meine Pläne zu durchkreuzen?«

Ruhig und furchtlos antwortete Ormond Crane:»Ich kam mit dem venusischen Kreuzer, Tarun Bi, den Sie an-

gegriffen und zerstört haben.«»Wie?« Der Marsianer traute seinen Ohren nicht. »Sie waren

an Bord dieses Schiffes? Und ich war sicher, die ganze Besat-zung erwischt zu haben!«

»Ich bin der einzige Überlebende der ›Panaton‹. Alle anderen sind tot.«

»Und jetzt wollen Sie sich ergeben und um Gnade bitten?« lachte Tarun Bi triumphierend.

»Nicht für mich, sondern für die Bewohner dieses Dorfes. Sie sind schlichte, unwissende Menschen, die nicht begreifen, was Sie von ihnen wollen. Sie haben Angst, ihre Hütten zu verlas-sen. Schonen Sie ihr Leben, Tarun Bi.«

Tarun Bi lachte höhnisch auf.»Ihr Leben schonen? Sie hätten sich diesen Opfergang sparen

können. Crane. Ich hatte nicht die geringste Absicht, diese Wil-den zu töten. Im Gegenteil, wir brauchen so viele von ihnen wie nur möglich. Wenn wir unsere Städte und Flugbasen hier errichten, müssen wir Sklaven für die schweren Arbeiten ha-ben. Diese Eingeborenen scheinen mir kräftig genug dafür. Sie

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werden lernen, unter der Peitsche zu arbeiten.«Crane murmelte betroffen:»Sie sind eine stolze Rasse, Tarun Bi. Die Nachkommen der

alten Terraner…«»Wir werden ihren Stolz brechen«, zischte der Marsianer.

»Lassen Sie das meine Sorge sein. Und nun zu Ihnen, Crane. Sie haben Ihre Waffen weggelegt. Heißt das, daß Sie auch um Ihr Leben bitten wollen? Ich schwanke noch, ob ich Sie töten lassen oder ebenfalls zum Sklaven machen soll. Was sagen Sie dazu?« fragte er spöttisch.

Crane warf stolz den Kopf in den Nacken.»Jeder Mensch will lieber leben als sterben, Tarun Bi. Aber

Ihr Sklave werde ich nie!«Es machte dem Marsianer Vergnügen, seine Macht auszukos-

ten:»Wollen Sie lieber hier auf Terra sterben, Crane – oder soll

ich Sie zum Mars schicken, wo man solche Dinge rasch und si-cher in den Todeskammern erledigt?«

Crane wußte, daß Tarun Bi mit ihm spielte wie die Katze mit der Maus. Er hatte bestimmt nicht die Absicht, seine Hinrich-tung zu verzögern. Auch würde keines der Raumschiffe nach dem Mars zurückkehren, bevor der Stützpunkt Terra ausge-baut und befestigt war.

Er antwortete schroff:»Machen Sie mit mir, was Sie wollen, Tarun Bi. Es ist mir

gleichgültig. Aber eines Tages wendet sich das Blatt, glauben Sie mir! Mein Tod und der meiner Kameraden von der ›Star Queen‹ und von der ›Panaton‹ wird an Ihnen gerächt werden. Daß ich das nicht mehr erleben kann, tut mir leid.«

Tarun Bi verzog den häßlichen Froschmund in dem blauen Gesicht zu einer höhnischen Grimasse.

»Ich habe keine Zeit zu sterben, Crane. Ich habe noch viel

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vor. Bald wird meine Truppe den langen Marsch durch die Berge antreten, um überall auf dem Weg Posten zu errichten. Schade, daß ich mich nicht selbst um Ihre Hinrichtung küm-mern kann Crane. Ich sähe Sie gerne mit eigenen Augen ster-ben! Aber leider muß ich das der Mannschaft eines Kreuzers überlassen, der das Dorf überwachen wird. Machen Sie sich auf einen langsamen und qualvollen Tod gefaßt, Captain. Mei-ne Leute werden sich schon etwas Passendes für Sie ausden-ken.«

Eine Welle von Haß überschwemmte Crane. Ein roter Nebel legte sich vor seine Augen. Und gegen jede Vernunft sprang er seinem Feind an die Kehle und würgte ihn in rasender Wut. Sie stürzten beide zu Boden und wälzten sich verbissen rin-gend im Staub.

Ein Dutzend baumlanger Marsianer warfen sich auf Crane und rissen ihn von Tarun Bi los. Er wurde auf die Füße gezerrt und fühlte sich wie von Eisenzangen von den starken Armen der blauen Soldaten umklammert.

Tarun Bi erhob sich schwankend und betrachtete sein wehr-loses Opfer gehässig.

»Wie gerne würde ich Sie auf der Stelle eigenhändig nieder-schießen, Crane!« sagte er in seiner zischenden Sprache. »Aber das wäre ein zu leichter Tod für Sie! Bindet ihn draußen vor dem Dorf an einen Pfahl und überlaßt ihn dem Hungertod. – Sie werden viel Zeit haben, Crane, darüber nachzudenken, daß man sich mir nicht ungestraft in den Weg stellt.«

*

Captain Ormond Crane hing hilflos in den Stahlseilen, die ihn an den Pfahl fesselten und tiefe Striemen in sein Fleisch schnit-ten.

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Wie lange stand er schon hier? Tage? Wochen? Er wußte es nicht. Er hatte jedes Gefühl für Zeit verloren.

Die Sonne brannte auf seinen unbedeckten Kopf und seinen nackten Oberkörper herunter, als wollte sie ihm das Mark in den Knochen zum Sieden bringen. In Strömen rann der Schweiß über sein schmerzverzerrtes Gesicht und den wunden Rücken, von dem sich die Haut in Fetzen löste. Hunger und Durst peinigten ihn gleichermaßen. Eine furchtbare Schwäche lähmte seine geschundenen Glieder. Er hatte nur noch einen Wunsch: zu sterben, um diese Qual zu enden. Aber der Tod ließ auf sich warten.

Schon kreisten im flimmernden Blau des wolkenlosen Him-mels die riesigen Aasgeier über ihm; geduldig lauerten sie auf sein letztes Röcheln, ihrer Beute gewiß.

Die Marsschiffe waren abgeflogen, um in neue Gebiete vor-zustoßen, wie Tarun Bi angekündigt hatte. Alle, bis auf eines. Es stand vor dem Eingang zum Dorf auf seinen Schwanzflos-sen, aufrecht wie eine Schildwache. Und die Soldaten sorgten dafür, daß niemand dem Tusier Nahrung oder Wasser brachte.

Die Terraner haßten die neuen Eroberer und wußten längst, daß Crane die Wahrheit gesagt hatte, als er sie als ihre gefähr-lichsten Feinde schilderte. Aber keiner wagte es, sich ihren Be-fehlen zu widersetzen. Denn schon hatten die Marsianer die Rolle der Herren Terras übernommen und die Eingeborenen zu ihren Sklaven gemacht. Mancher trug bereits die blutigen Striemen der Peitschenhiebe wie ein Brandmal auf Rücken und Schultern. Und drei, die versucht hatten, sich aufzuleh-nen, lagen tot hinter dem Steinwall, erschossen von den Blau-häutigen.

Wer sollte also noch Mut finden, dem Gefangenen am Pfahl Erleichterung seines Leidens zu bringen?

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Der schwarze Turm

Es war Nacht. Das Feuer in der Hütte des Häuptlings glomm nur schwach. Um die Glut hockten der hakennasige Kars und sieben oder acht Gestalten, unter ihnen auch Katerin, deren Rücken von einem erbarmungslosen Peitschenhieb gezeichnet war.

Sie unterhielten sich im Flüsterton, aus Furcht, von den durchs Dorf patrouillierenden Wachen der Marsianer gehört zu werden.

»Wir müssen unserem Freund helfen«, erklärte Kars. »Wenn wir ihn noch länger an dem Pfahl hängen lassen, ohne Wasser, ohne Nahrung, sind seine Stunden gezählt.«

»Wir waren verblendet!« murmelte Katerin. »Wir hätten ihm glauben sollen, als er von unseren wirklichen Feinden sprach! Statt dessen wollten wir ihn töten.«

»Aber was können wir jetzt tun?« fragte einer der Männer. »Die blauen Dämonen haben uns verboten, vors Dorf zu gehen und ihm Wasser zu bringen. Sie würden uns töten, wenn wir es versuchten. Sie haben Stöcke, die aus großer Entfernung tö-ten können, wie wir sahen!«

Kars Stimme war kaum mehr als ein Wispern:»Wir töten sie lautlos. Im Dunkeln. Wenn sie es am wenigs-

ten erwarten. Wir werden einen nach dem anderen überfallen und niederschlagen.«

Die anderen nickten ernst.»Ja, so soll es sein«, bekräftigte einer. »Wir schleichen uns

heute Nacht mit unseren Speeren hinaus und durchbohren je-den, den wir treffen.«

»Es ist beschlossen.«Kars erhob sich mit der Geschmeidigkeit eines Raubtieres

und griff nach seiner Steinaxt.

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»Laßt es uns gleich tun. Laßt uns die verhaßten Feinde töten!«

Wie eine Wildkatze sprang Katerin auf und streckte die klei-ne Hand nach dem Steinmesser aus, das ihr Vater mit einem Fellriemen umgegürtet trug.

»Ich will, daß Crane mein Mann wird! Auch ich werde gegen die blauen Teufel ausziehen, um ihn zu retten!«

Wortlos reichte Kars ihr das Messer. Es war richtig, daß eine Frau für den Mann kämpfte, den sie haben wollte.

Vorsichtig krochen sie einer nach dem anderen aus der Hüt-te. Katerin hielt sich dicht an ihres Vaters Seite, als er den Weg nach dem Dorfausgang einschlug.

Wie Schatten glitten sie durch das Loch in der Umfassungs-mauer. Wenige Schritte weiter hob sich der Pfahl mit dem Ge-fangenen schwarz gegen den bestirnten Nachthimmel ab.

Am Fuß des Pfahles saß ein Wächter, das Strahlengewehr über den Knien, und betrachtete seinen eigenen Schatten.

Er hatte darüber zu wachen, daß niemand sich dem Gefange-nen näherte.

Im Mondlicht funkelten Katerins Augen vor leidenschaftli-chem Haß. Als Kars die Steinaxt hob, legte sie rasch die Hand auf seinen Arm und hielt ihn zurück.

Der Häuptling begriff, was sie damit sagen wollte: dieser Feind gehörte ihr.

Lautlos schlich sie sich von hinten an. Als sie kaum noch einen Schritt von ihm entfernt war, warf der Mond ihren lan-gen Schatten neben den des Marsianers auf den steinigen Bo-den.

Mit einem Ruck wandte der Wächter sich um, die Hand am Abzug.

Aber die kleine Wilde war schneller. Sie warf sich auf ihn und die scharfe Klinge des Steinmessers fuhr in sein Herz, be-

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vor er auch nur einen Schrei ausstoßen konnte.Mit einem erstickten Röcheln fiel der Mann aufs Gesicht und

rührte sich nicht mehr.Kars knurrte befriedigt. Zum ersten Mal hatte seine Tochter

einen Feind getötet, und er war stolz auf ihren Mut und ihre Treffsicherheit. Wenn es darauf ankam, war sie fast soviel wert wie ein Mann!

Artur, der etwas zurückgeblieben war, holte die beiden jetzt ein und flüsterte triumphierend:

»Ich habe zwei von ihnen getötet! Sie gingen durch die Stra-ße, als meine Pfeile sie aus dem Hinterhalt trafen. Sie starben, ohne zu wissen, was ihnen geschah!«

»Gut!« Kars schwarze Augen blitzten: »Laßt uns die übrigen aufspüren und unschädlich machen, bevor wir den Gefange-nen befreien.«

In der Nähe des Raumschiffes hatten die anderen Krieger zwei weitere Marsianer erledigt.

Der letzte kam gerade die Stahlleiter heruntergeklettert, um nach seinen Kameraden Ausschau zu halten Das Strahlenge-wehr in seiner Hand glänzte im Mondschein.

Kars erwartete ihn am Fuß der Leiter und ließ die Steinaxt mit voller Wucht auf seinen Schädel niedersausen.

Leblos sank der letzte Marsianer ins.»Nun sind alle tot!« verkündete der Häuptling »Jetzt können

wir Crane von seinem Pfahl erlösen!«Ormond Crane merkte nichts von dem, was mit ihm gesch-

ah. Schwäche und Schmerz hatten ihn bewußtlos gemacht.Die Terraner rissen den Pfahl aus dem Erdreich, in das die

Marsianer ihn gerammt hatten, und legten den Erschöpften flach auf den Boden. Während sie die Stahlseile lösten, die sei-ne Arme und Beine fesselten, bettete Katerin seinen Kopf in ih-ren Schoß und strich ihm sanft über die schweißverklebten

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Haare.Als die Fesseln fielen, erhob sie sich und sagte:»Bringt ihn in die Hütte meines Vaters. Ich will ihn pflegen.«

*

Viel später erst erwachte Crane aus seiner Ohnmacht. Sein ganzer Körper war wie gerädert. In seinem Innern schien ein verzehrendes Feuer zu brennen. Mund und Kehle waren wie ausgedörrt.

Er stöhnte und fuhr sich mit der Zunge über die rissigen, tro-ckenen Lippen. Gleich darauf fühlte er, wie kühlendes Wasser seinen Mund benetzte.

Er schlug die Augen auf und sah Katerins besorgtes Gesicht über sich gebeugt.

»Katerin«, murmelte er schwach, »was ist geschehen? Wo bin ich?«

Sie strich ihm beruhigend über die Stirn.»Du bist gerettet, Crane. Wir haben die blauen Teufel getötet,

die im Dorf geblieben waren. Du bist in der Hütte meines Va-ters und in Sicherheit.«

Gerettet!Mit einem Ruck setzte er sich auf. Die Erinnerung an das Ge-

schehene erwachte wieder. Er schauderte, als er an seine Lei-den an dem Hungerpfahl dachte.

»Danke, Katerin«, murmelte er. »Ich habe einiges hinter mir, seit ich zum ersten Mal Tus-Port verließ. Aber diesmal hatte ich endgültig mit dem Leben abgeschlossen! Sag mir, wie das alles zuging.«

In kurzen Worten berichtete sie ihm, was vorgefallen war. Mit der größten Selbstverständlichkeit erwähnte sie auch ihren Anteil an dem Kampf.

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»Und wo ist dein Vater?« fragte er. »Ich will mich auch bei ihm bedanken.«

»Er ist mit den anderen Männern hinausgegangen, um den Silbervogel zu verbrennen, in dem die blauen Teufel kamen.«

Crane begriff sofort, daß sie von dem Raumschiff der Marsia-ner sprach. Erschrocken fuhr er auf:

»Das Schiff verbrennen? Das dürfen sie nicht, Katerin! Es ist meine einzige Hoffnung! Lauf, Katerin, halte sie davon ab! Sag ihnen, daß ich das Schiff brauche! Sie dürfen es nicht zerstö-ren.«

Sie nickte und erhob sich gehorsam.»Ich will tun, was du sagst, Crane.«Sie eilte auf den Ausgang zu und er rief ihr nach:»Katerin! Wie lange ist es her, daß ihr die Marsianer getötet

und mich in die Hütte gebracht habt?«Sie antwortete:»Dreimal hat die Sonne uns inzwischen verlassen. Ruh dich

aus, Crane. Bald wird es dir besser gehen.«Dann ging sie.Der Tusier war allein.Er schloß die Augen in einem neuen Schwächeanfall. Drei

Tage? Was hatten die Marsianer in dieser Zeit unternommen?Die Worte Tarun Bis fielen ihm wieder ein. Der Führer der

Marsianer hatte gesagt: Bald wird meine Armee den Marsch durch die Berge antreten, um überall Posten zu errichten.

Inzwischen hatte er sicher diese Ankündigung wahrgemacht. Vermutlich marschierte die Mars-Armee gen Westen, dem Meer zu, das die Alten den Pazifischen Ozean genannt hatten.

Im Westen lag auch die zerstörte Stadt mit den schwarzen Türmen, zu denen Katerin und ihr Stamm alljährlich wallfahr-teten, die schwarzen Türme, von denen aus die unterirdischen Atombomben zur Explosion gebracht werden konnten.

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Wenn einige dieser Bomben unter den Gebirgspässen lagen, durch die die Mars-Armee kommen mußte, und wenn diese Bomben noch nicht ausgelöst worden waren, wenn außerdem die Fernsteuerung in den schwarzen Türmen noch funktionier-te wie vor fünfhundert Jahren…

Wenn – wenn – wenn…Es gab zu viele »Wenn« in diesem Plan. Und doch – Crane

mußte es versuchen! Wo sollte er jemals eine Antwort auf all diese Fragen finden, wenn nicht in den schwarzen Trümmern selbst! Aber die Zeit drängte. Er mußte dorthin gelangen, be-vor die Marsianer die Pässe überschritten.

Und es gab nur ein Mittel dazu: das zurückgelassene Mars-schiff!

Mit Ungeduld erwartete er Katerins Rückkehr. Hatte sie die Zerstörung der wertvollen Beute noch verhindern können?

Als Katerin zurückkehrte, wurde sie von ihrem Vater beglei-tet.

Der alte Kars zeigte sich sehr befriedigt darüber, daß Crane aufrecht neben dem Feuer saß und einen in der Glut geröste-ten Pferdeknochen abnagte.

»Das nenne ich einen wahren Krieger!« begrüßte er seinen Gast. »Du hast mehr Qualen erduldet, als irgendein Mann aus-halten kann. Und schon schlägst du die Zähne ins Fleisch wie ein Gesunder!«

Crane fragte ungeduldig:»Und der silberne Vogel? Habt ihr ihn zerstört?«Der Häuptling schüttelte den Kopf.»Wir versuchten es. Aber er wollte nicht brennen.«Ormond Crane atmete auf.Er erhob sich unsicher auf die Füße und erklärte:»Ich will ihn sehen. Sofort!«Sichtlich stolz auf ihren Mann faßte Katerin ihn an der Hand

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und führte ihn hinaus. Kars folgte, den Speer über der Schul-ter, in der anderen Hand die Steinaxt.

Aus allen Häusern kamen die Terraner in ihren Fellen herbei-gelaufen, um den Genesenen zu begrüßen.

Katerin strahlte.»Sie haben dir die Entweihung unseres Heiligtums verzie-

hen, Crane!«Er seufzte.Es hatte keinen Sinn, ihnen erklären zu wollen, daß ihr »Hei-

liges Buch« der Verteidigungsplan des Staates Arizona für den Fall einer Invasion war. Sie würden es doch nicht verstehen.

Das Marsschiff stand noch immer aufrecht auf seinen Flos-sen, unbeschädigt von allen Zerstörungsversuchen der Einge-borenen. Einige Stellen des silbrigen Rumpfes waren von Feu-erbränden geschwärzt, die jedoch dem Metall nichts hatten an-haben konnten.

Liebkosend glitt Cranes Blick über den stromlinienförmigen Rumpf.

Für die Eingeborenen war es ein silberner Riesenvogel, ein geheimnisvolles Ungeheuer aus dem Himmel, das ihnen die blauen Teufel auf die Erde gebracht hatte.

Für ihn aber bedeutete es die Rettung. Die einzige Möglich-keit, zu den schwarzen Türmen zu gelangen, von wo aus er – vielleicht! – das Vordringen der Eroberer aufhalten konnte.

Die Stahlleiter berührte – immer noch ausgefahren – die Erde. Crane kletterte hoch. Ein- oder zweimal mußte er einhal-ten, als die Schmerzen ihn wie eine rote Welle überschwemm-ten. Die Folgen seiner Leidenszeit am Pfahl ließen sich nicht in ein paar Tagen beseitigen.

Katerin nahm all ihren Mut zusammen und folgte ihm die Leiter hinauf. Er wandte sich um und lächelte ihr ermutigend zu. Was für eine Überwindung mußte es dieses unwissende

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junge Mädchen kosten, das unheimliche Schiff der blauen Dä-monen zu betreten! Aber sie war entschlossen, ihm zu folgen, wohin er sie auch führen sollte.

Er wußte, er würde ihre Hilfe brauchen, um die zerstörte Stadt und die sagenhaften schwarzen Türme zu finden.

Die Einstiegluke stand offen, und Crane trat ein. Das Mäd-chen zögerte und, spähte angstvoll ins Innere. Die spiegelglat-ten Wände aus Stahl und Licht waren etwas, was jenseits ihrer Auffassungskraft lag. In ihrer Einfalt hielt sie alles für ein Blendwerk dämonischer Zauberei.

Crane ergriff ihre Hand und führte sie ins Schiff.Am Ende des langen Korridors lag die Pilotenkabine in einer

gläsernen Kugel, die sich in ihrer Aufhängung automatisch immer in waagrechte Stellung drehte.

Crane nahm den Pilotensitz ein, und das Mädchen ließ sich schüchtern auf den Sitz neben ihm nieder.

Das Kontrollbrett war ein Buch mit sieben Siegeln für einen Tusier. Aber im Prinzip glich ein Raumschiff dem anderen. Crane hoffte zuversichtlich, daß er mit dem Marsschiff ebenso-gut fertig werden würde wie mit dem Patrouillenwagen in Mars City.

Er wandte sich an Katerin:»Ich muß eine Waffe finden, bevor wir unsere Reise antre-

ten.«Sie sah ihn mit staunender Bewunderung an.»Kannst du wirklich diesem Vogel befehlen, mit uns in den

Himmel zu fliegen?«Er lachte.»Ich hoffe es! Aber du wirst deine Leute warnen müssen, der

Maschine zu nahe zu kommen. Die Raketenflammen würden ihnen den Tod bringen.«

In einem Wandschrank entdeckte er den Carny-Strahler, den

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er selber bei seiner Gefangennahme abgelegt hatte, und steckte ihn zu sich.

Dann bereitete er in der Kombüse eine improvisierte Mahl-zeit aus den vorgefundenen Rationen. Katerin fand sichtlich Geschmack an den fremdartigen Speisen, die jedenfalls besser schmeckten als halbrohes Pferdefleisch.

Als sie gegessen hatten, fühlte sich Ormond Crane bedeu-tend kräftiger. Jetzt traute er sich ohne weiteres zu, ein Mars-schiff bis ans Ende des Sonnensystems zu fliegen, wenn es sein mußte.

Sie kletterten noch einmal hinaus, um die Dorfbewohner vom Startplatz zu weisen und ihnen die Hand zu reichen.

Der alte Häuptling vergoß Tränen der Rührung über den Ab-schied von seiner Tochter. Es schien Crane, daß er um ihr Le-ben fürchtete, wenn sie den gefährlichen Flug mit dem fremd-artigen Riesenvogel antrat.

Hoffentlich behält er nicht recht, dachte Crane beklommen, während er Katerin auf dem Sitz des Navigators festschnallte.

Dann nahm er selbst den Platz des Piloten ein und versuchte es sich im Sessel halbwegs bequem zu machen, der eigentlich für einen sieben Fuß großen Marsianer bestimmt war.

Er legte sich die Haltegurte um Leib und Schultern und schnallte sich fest. Dann wandte er sich der Kontrolltafel mit ihren verwirrenden Instrumenten, Schaltern, Hebeln und Drähten zu.

Er hatte an der Unterseite des Schiffs vier Raketen-Ausstoß-rohre gesehen, und vier rote Hebel fand er vor sich auf der Kontrolltafel. Der Zusammenhang schien ihm klar.

Der Schalter darunter konnte ein Starter sein.Lange Zeit studierte er mit gespannter Aufmerksamkeit alle

Vorrichtungen des fremden Schiffs, die sich so verwirrend von denen eines tusischen Schiffs unterschieden.

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Das Mädchen beobachtete ihn scheu und schweigend.Endlich seufzte er:»Es kommt auf den Versuch an Katerin. Wenn wir Glück ha-

ben, ist dies der Schalter, der die Motoren startet. Halt die Daumen, mein Schatz!«

Entschlossen streckte er die Hände nach dem Schalter aus.Zu seiner Erleichterung heulten die Motoren auf, sobald er

ihn berührt hatte.Mit einem Angstschrei drückte sich das Mädchen in die

Schaumgummipolster.Ormond Crane aber pfiff gutgelaunt durch die Zähne, und

drückte die Hebel einen nach dem anderen herunter Die Zei-ger auf den Uhren schlugen wild aus. Lichter flammten auf und erloschen wieder.

Durch die Sichtscheibe konnte er die Dorfbewohner sehen, die sich ängstlich an die Steinmauer ihres Dorfes drängten und entsetzt auf die Flammen starrten die aus dem Heck schlugen.

Langsam erhob sich das Schiff vom Boden und schien ein paar Augenblicke auf den Flammen wie auf einer festen Säule zu balancieren. Dann schoß es kerzengerade und steil in den Himmel.

Jetzt kam es darauf an, mit der Steuerung zurechtzukom-men, von der Ormond Crane vorläufig keine Ahnung hatte.

Mit dem Mut der Verzweiflung probierte er einfach alle He-bel und Knüppel aus, die ihm unter die Hände kamen.

Das Schiff bockte wie ein ungebärdiges Füllen, überschlug sich in wilden Sprüngen und raste im Zickzack durch die Wol-ken, bevor Crane es in seine Gewalt bekam.

Einmal schrie Katerin auf, als sie gerade auf einen schneebe-deckten Berggipfel zuzurasen schienen. In letzter Sekunde ge-lang es Crane, das Schiff herumzureißen.

Er wischte sich den Schweiß von der Stirn und lächelte dem

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Mädchen zu.»Ich glaube, wir haben es geschafft, Katerin. Ich weiß jetzt

mit der Steuerung umzugehen.«Sie drückte sich wie ein erschrecktes Tier tief in den Sitz und

krampfte die Hände um die Armlehnen.»Bitte, laß uns wieder zur Erde hinunterfliegen«, flehte sie.

»Wir wollen zu Fuß weitergehen. Diese Art zu reisen gefällt mir nicht.«

Er lachte.»Wenn ihr eure Pilgerfahrt zu den schwarzen Türmen macht

– wie lange seid Ihr dann unterwegs?«Sie antwortete, ohne zu überlegen:»Dreißig Sonnen, um bis zu den schwarzen Türmen der Göt-

ter zu gelangen, und dreißig Sonnen für den Heimweg. Es ist ein langer Marsch.«

»Eben!« sagte er trocken. »Zwei Monate alles in allem. Und wir haben keine zwei Monate zu vergeuden. Es geht um Tage, vielleicht um Stunden, wenn wir Tarun Bis Vorhaben vereiteln wollen.« Er wies mit dem Kopf nach der Landschaft unten. »Schau hinunter, Katerin. Halte nach Merkmalen Ausschau. Sag mir, ob wir auf dem richtigen Weg sind.«

Katerin starrte aufmerksam auf die vorüberjagende Land-schaft, um nach bekannten Punkten zu suchen. Er mußte über ihren kindlichen Eifer und den Ernst, mit dem sie ihrer Aufga-be nachkam, lächeln.

»Nun, Katerin? Hast du keine Angst mehr vor dem silbernen Vogel?«

Sie schüttelte den Kopf, daß ihre goldenen Haare in der Son-ne leuchteten.

»Jetzt nicht mehr, Crane. Denn der Zaubervogel gehorcht dir. Wir reisen schneller als der Wind. Wir haben schon den halben Weg zurückgelegt!«

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»Bist du sicher? Woher weißt du das?«Sie deutete nach unten.»Ich kenne diesen Felsen. Er liegt auf halbem Weg zwischen

unserem Dorf und den Türmen der Götter. Hier schlagen wir jedesmal unser Lager auf. Dann danken wir den Göttern, daß sie uns bis hierher beschützt haben.«

Er folgte ihrem Blick. Aber schon war der Felsen außer Sicht.Um ganz sicher zu gehen, schlug Crane einen Bogen und

flog zurück.»Siehst du ihn jetzt wieder, Katerin?« fragte er.»Ja! Da ist er!« rief sie.Er kreiste eine Weile über der Stelle.»Du bist sicher, daß du dich nicht irrst?«»Ganz sicher, Crane.«»Und wie geht es von hier aus weiter?«»Immer der sterbenden Sonne nach«, erklärte sie sehr be-

stimmt.Der sterbenden Sonne nach – das bedeutete also, immer in

westlicher Richtung, auf den Pazifischen Ozean zu, bis sie auf die zerstörte Stadt stießen.

Ormond Crane lehnte sich zurück und ließ die Motoren auf voller Kraft laufen. Die Heckflammen zuckten blutrot auf, und das Schiff schoß vorwärts wie ein Pfeil.

Ein helles, grünes Licht flammte plötzlich auf.Im Lautsprecher knackte und knisterte es. Crane blickte nach

unten, und ein Schauer lief ihm über den Rücken, als er die fünf marsianischen Schiffe betrachtete, die friedlich auf der Talsohle warteten.

Und dann ertönte eine Stimme, die sehr rasch etwas in der unverständlichen, zischenden Sprache der Marsianer redete.

In grenzenlosem Erstaunen starrte Katerin auf den Lautspre-cher.

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»Wer ist es, der du sprichst?« fragte sie bestürzt. »Steckt er in diesem kleinen Kasten?«

Er legte den Finger an die Lippen, um sie zum Schweigen zu bringen.

Wer konnte wissen, ob nicht auch die Sendeanlage in Betrieb war?

»Still, Mädchen!« flüsterte er. »Das ist ein Radio. Aber ich er-kläre es dir ein andermal.«

Die Stimme fuhr fort zu reden. Sie wurde ungeduldiger, drängender und wiederholte mehrmals dieselben Worte.

Wahrscheinlich verlangte der Funker zu wissen, warum die Besatzung entgegen Tarun Bis Befehl das Dorf verlassen hatte.

Crane wagte kaum, sich zu rühren. Aber er wußte, daß er den Frager nicht ewig hinhalten konnte.

Sie hatten das Tal jetzt hinter sich gelassen und jagten mit großer Geschwindigkeit westwärts.

Die Stimme verfolgte sie, zischte, drängte, drohte. Das grüne Leuchten verstärkte sich.

Und schließlich verlor Crane die Nerven. Er hieb mit der Faust gegen die Lautsprecher und schrie:

»Geh zum Teufel!«Die Stimme verstummte jäh.Eine Minute lang war es still, beängstigend still.Und dann kam eine neue Stimme. Eine Stimme, bei deren

Klang sich Cranes Nackenhaare sträubten.Die Stimme Tarun Bis.Kalt und schneidend, wie immer.»Sind Sie das, Crane? Natürlich, Sie müssen es sein. Sie sind

der einzige Tusier hier. Und der einzige, der imstande ist, eines unserer Schiffe zu fliegen.«

Crane schwieg.Der andere nahm das als Bestätigung und fuhr fort:

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»Sie sind ein bemerkenswerter Mann, Mr. Crane. Wieder hat-te ich Sie unterschätzt. Ich glaubte Sie tot. Ich habe Sie ster-bend zurückgelassen – und nun erscheinen Sie in der Piloten-kanzel eines meiner Schiffe! Was ist mit meinen Leuten gesche-hen? Wie haben Sie es fertiggebracht, das Schiff zu stehlen? Und was haben Sie vor? Glauben Sie, Sie könnten mir entkom-men? Nein, Crane, auf diesem Planeten gibt es keinen Winkel, in dem Sie vor mir sicher sind!«

Crane lachte. Und zum ersten Mal antwortete er dem un-sichtbaren Feind:

»Sie wollen wissen, was aus Ihren Leuten geworden ist, Ta-run Bi? Sie sind tot.«

Tarun Bi stieß einen Fluch in seiner Sprache aus.»Sagte ich Ihnen nicht, Tarun Bi, daß das Blatt sich wenden

würde? Sie haben mir immer wieder nach dem Leben getrach-tet. Sie haben meine Leute niedergemetzelt – und es waren mehr als sechs! Wir sind noch nicht quitt, Marsmensch! Das Blut der Tusier, die Sie in Mars City jagten, und die Besatzung der ›Panaton‹ sind noch nicht gerächt. Ich werde nicht ruhen, bis ich Sie überwältigt habe, Tarun Bi. Unterschätzen Sie mich nicht! Der Augenblick meines Sieges über Sie ist nahe!«

Crane war keineswegs von dem überzeugt, was er sagte. Er tat es nur, um den Gegner zu täuschen.

In Wirklichkeit war seine Lage durchaus nicht rosig. Er stand allein im Kampf gegen eine feindliche Übermacht. Aber um nichts in der Welt hätte er Tarun Bi gegenüber zugegeben, daß er sich unterlegen fühlte. Diesen Marsianern mußte man mit dem gleichen Hochmut begegnen, den sie selbst an den Tag legten.

Tarun Bi schwieg so lange, daß Ormond Crane schon glaub-te, er habe die Verbindung abgebrochen. Das grüne Licht ver-blaßte zusehends.

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Aber dann glühte es wieder auf.Und Tarun Bis Stimme sagte höhnisch:»Meine Schiffe sind schon auf dem Weg, Crane. Wir werden

Sie jagen, und wenn um den ganzen Erdball gehen sollte! Sie sind zu gefährlich, um am Leben zu bleiben. Immer wieder waren Sie es, der meine Pläne durchkreuzte und gefährdete. Aber jetzt will ich ein Ende machen. Diesmal entkommen Sie mir nicht, Captain Ormond Crane!«

»Ich kann nur wiederholen, was ich Ihrem Funker sagte«, antwortete Crane schroff. »Gehen Sie zum Teufel, Tarun Bi!«

Das grüne Licht erlosch.Mit großen Augen starrte Katerin immer noch auf den ver-

stummten Lautsprecher.»Was für ein Wunder!« flüsterte sie hingerissen. »Du bist ein

Zauberer, Crane! Seit du in unser Dorf gekommen bist, gesche-hen große Dinge!«

»Ich fürchte, du wirst noch größere zu sehen bekommen«, brummte er.

Wie zur Bestätigung dieser Worte zischte ein Blitz aus der Bordkanone eines Marsschiffes haarscharf an der Flanke des ihren vorbei. Es bäumte sich auf wie ein bockendes Pferd, schlingerte und erbebte vom Bug bis zum Heck.

Crane fluchte und versuchte, es wieder in seine Gewalt zu bekommen. Aber es wirbelte wie eine Flaumfeder durch die Luft, die Schnauze erdwärts gerichtet.

Katerin schrie entsetzt auf, als die braune Erde mit phantasti-scher Geschwindigkeit auf sie zuzurasen schien.

In letzter Sekunde riß Ormond Crane das Schiff hoch. Es streifte fast den Boden, als es in einer scharfen Kurve aufwärts schoß.

Über das Brüllen der Motoren hinweg schrie er dem verängs-tigten Mädchen zu:

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»Fürchte dich nicht, Katerin! Ich habe das Schiff wieder ganz in meiner Gewalt! Jetzt gilt es, die Verfolger abzuschütteln! Ein Treffer – und wir können uns begraben lassen!«

In diesem Augenblick erschütterte eine furchtbare Detonati-on die Luft hinter ihnen. Das ganze Schiff erzitterte.

Eine Sekunde lang fühlte der Tusier einen Herzschlag ausset-zen. Er glaubte schon, die Marsianer hätten ihr Ziel getroffen. Aber dann sah er, was geschehen war, und sein unrasiertes Ge-sicht heiterte sich auf.

Einer der fünf Flieger hatte das Schiff auf seinem Sturzflug verfolgt, dabei aber die Entfernung zum Erdboden unter-schätzt. Während Crane sein Schiff in letzter Sekunde hochge-rissen hatte, war der marsianische Pilot auf den Trick hereinge-fallen.

Das Schiff krachte in voller Fahrt zu Boden und bohrte sich metertief in die Erde. Eine Sekunde später erfolgte die Explosi-on, die es in Stücke riß. Eine Feuersäule stieg zum Himmel auf – und ein Haufen geschmolzenes Metall war alles, was von dem stolzen Kriegsschiff übrigblieb.

»Eins zu null für uns, Katerin!« rief Ormond Crane trium-phierend. »Und dabei haben wir nicht einmal einen Schuß ab-gefeuert!«

Das Mädchen antwortete nicht. Etwas anderes nahm Kater-ins Aufmerksamkeit in Anspruch. Sie deutete nach vorne und rief freudig aus: »Sieh nur, Crane! Die Stadt! Die Stadt und die schwarzen Türme der Götter!«

Fern am Horizont glitzerte ein Streifen des Pazifischen Ozeans.

Fast genau unter ihnen aber dehnte sich ein Ruinenfeld, das früher einmal eine der großen Städte der Alten gewesen war. Ganze Stadtviertel waren dem Erdboden gleichgemacht wor-den, als die Atombomben vor fünfhundert Jahren auf sie nie-

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derfielen. Dazwischen aber ragten noch immer einzelne, nur halbzerstörte Gebäude wie mahnende oder drohende Arme aus den Schuttfeldern.

Und da – da war auch der Turm!Über fünfhundert Fuß hoch redete sich der Bau aus glänzen-

dem, schwarzem Metall in den Himmel empor.Zu Ormond Cranes Verwunderung stand er völlig unberührt

von den Verheerungen der Atombomben da. Zufall? Oder war er aus einem Material hergestellt, das sogar gegen Atombom-ben gefeit war? Jedenfalls hatte er die Jahrhunderte überdauert und ragte stolz und mächtig gen Himmel, wie vor fünfhundert Jahren, schwarz und glänzend, ein Wahrzeichen überragender Technik.

Von hier aus hatten einige wenige Männer Tod und Verder-ben über die Feinde gesandt, die das Land überfallen wollten. Finger berührten ein paar Knöpfe und Hebel – und hunderte von Meilen entfernt wurden marschierende Kolonnen in die Luft gesprengt. Panzer, Flugzeuge, Menschen, alles geriet in den Mahlstrom der Vernichtung und die Hölle der Radioakti-vität.

Mit einem grimmigen Lächeln steuerte Crane auf den schwarzen Turm zu.

Katerin stieß einen kleinen Angstschrei aus, wagte aber nichts zu sagen. Einen Augenblick sah es so aus, als wollte Crane mit seinem Raumschiff den Turm rammen. Erst im letz-ten Augenblick wich er seitwärts aus, brachte das Schiff in senkrechte Stellung und ließ die Bremsraketen aufheulen.

Auf der flammenden Säule, die aus dem Heck schoß, senkte sich das Schiff langsam zur Erde nieder.

Sobald die Instrumente anzeigten, daß sie den Erdboden er-reicht hatten, fuhr Crane das hydraulische Gestell aus und stellte die Motoren ab.

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Er wartete nicht erst ab, bis sie ausgekühlt waren, sondern schnallte sich eiligst los, nahm das Mädchen bei der Hand und sagte:

»Rasch, Katerin, komm mit! Wir müssen im Turm sein, bevor Tarun Bi noch erfaßt hat, was ich vorhabe.«

Sie liefen in den Korridor hinaus, und Crane öffnete die Aus-stiegsluke.

Die metallene Leiter fuhr aus. Crane kletterte hinunter und half dem Mädchen. Dann standen sie auf dem von den Schiffs-raketen geschwärzten Boden, keine fünfhundert Yards von dem gewaltigen Bauwerk entfernt.

Zur Linken lagen die Ruinen der einst so stolzen Stadt. Die Nachmittagshitze flimmerte über den Trümmerfeldern.

Aber Crane schenkte der Stadt kaum einen Blick.Denn ein Dröhnen in der Luft sagte ihm, daß die Marsschiffe

sie eingeholt hatten.Er schrie dem Mädchen zu:»Wirf dich flach hin, Katerin!«Schon war der Schatten des Feindschiffs über ihnen.Sie warfen sich beide flach auf den Bauch.Ein zischender Blitz schlug in das Schiff neben ihnen, wäh-

rend der Flieger weiterraste.Das Metall des Schiffs zerbarst mit einem schrillen Ton, als

risse eine Riesenhand es in Stücke. Dann sank es krachend in sich zusammen.

Wieder erdröhnte die Luft von dem zurückkehrenden Mars-schiff, das zu einem zweiten Angriff ansetzte.

Crane zerrte Katerin auf die Füße, packte sie am Handgelenk und zog sie über das freie Gelände zwischen dem Wrack und dem schwarzen Turm.

»Rasch, Katerin!« brüllte er im Laufen. »Renn um dein Le-ben! Wir müssen den Turm erreichen, sonst sind wir

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verloren!«Das Mädchen rutschte in dem zolltiefen Staub aus und stol-

perte. Crane riß es hoch und zerrte es weiter.Aber noch ehe sie den Turm erreicht hatten, tauchte das

Marsschiff wieder über ihnen auf.Staub wirbelte durch die Luft, als der schreckliche Todess-

trahl im Zickzack das Gelände bestrich.In Schweiß gebadet fiel Crane schließlich halb gegen die

Mauer des Turms, das Mädchen im Arm. Der Blitz zischte dicht über ihre Köpfe hinweg.

Überrascht bemerkte Crane, daß der gefürchtete Strahl an dem schwarzen Metall des Turms abprallte, ohne es im ge-ringsten zu beschädigen.

Kein Wunder, daß der Turm die große Katastrophe überstan-den hatte! Dieser schwarze, schimmernde Stahl hielt wirklich allen Strahlungen stand.

Das hieß, daß sie gerettet waren, wenn es ihnen gelang, den Eingang zu finden!

»Der Eingang!« schrie er. »Katerin! Erinnerst du dich, wo der Eingang zu diesem Turm liegt?«

»Es ist eine Öffnung in der Vorderseite!« schrie das Mädchen zurück.

Ormond Crane bewunderte im stillen Katerins Haltung und Mut in diesem Hexenkessel. Ihr hübsches Gesicht war staub-verkrustet, ihre Wange vom Fall gegen die Turmwand aufge-schürft. Aber sie hielt sich so tapfer wie ein Mann.

Ormond Crane warf einen Blick nach oben.Das schrille Heulen der Motoren ging in das Brüllen der

Bremsraketen über.Alle vier Schiffe hingen jetzt senkrecht in der Luft und setz-

ten zur Landung an.Crane rannte am Turm entlang und hielt das Mädchen an der

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Hand.Tarun Bi hatte wohl begriffen, daß die Wände des schwarzen

Turms dem Strahlenbeschuß widerstanden. Wenn Crane ins Innere gelangte, gab es nur noch eine Möglichkeit, ihn anzu-greifen: er mußte versuchen, mit seinen Leuten ebenfalls ein-zudringen.

Fast wäre Ormond Crane an der schmalen Öffnung vorbei-gerannt; er sah sie erst in letzter Sekunde und schob Katerin vor sich her in den dunklen Gang hinein. Sie tasteten sich wei-ter, bis sie gegen eine schwere, metallene Türe stießen.

Sie war geschlossen.Der Tusier befühlte sie und fand eine kleine Öffnung, offen-

bar ein Schlüsselloch.Er stemmte sich mit der Schulter gegen die Tür und versuch-

te sie einzudrücken.Vergeblich. Sie gab keinen Zoll nach.Das Rauschen der Bremsraketen draußen war verstummt.

Daraus schloß Crane, daß die Marsschiffe jetzt aufrecht auf ih-ren Schwanzflossen standen.

In wenigen Sekunden würden Tarun Bi und seine Leute zur Erde gesprungen sein und die Verfolgung wieder aufnehmen. Hier in dem schmalen, dunklen Gang saßen sie wie in einer Rattenfalle.

Es gab nur eine Möglichkeit: Die Türe mit seinem Car-nystrahler aufzusprengen. Dann allerdings konnte er sie nicht wieder schließen, Sie würde offenbleiben, und der Weg war auch für die Marsianer frei.

Aber er mußte in den Turm gelangen! Das war das Wichtigs-te!

Er schob das Mädchen zur Seite.»Schließ die Augen, Katerin!« befahl er. »Erschrick nicht. Ich

werde die Türe aufsprengen. Duck dich und drück dich fest

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gegen die Wand. Es könnte einen Rückstrahl geben!«Er riß den Strahler aus dem Gurt und setzte die Mündung

gegen das Schlüsselloch. Sein Finger krümmte sich über dem Abzug.

Er konnte nur hoffen, daß das Schloß nicht aus dem gleichen, unverletzlichen Material bestand, wie die Außenwände des Turms, sonst würde es auch diesen Strahlen widerstehen.

Er schloß die Augen und drückte ab.Der feurige Strahl zischte gegen die Panzertüre.Das Metall des Schlosses schmolz langsam und tropfte weiß-

glühend zu Boden. An seiner Stelle gähnte ein großes Loch.Crane hob den Fuß und stieß mit dem Stiefel kräftig gegen

die Türe. Sie gab ein wenig nach. Er holte aus und trat ein zweites Mal dagegen. Knarrend drehte sie sich in ihren Angeln und schwang auf.

Der Eingang war frei.Er hörte Katerin hinter sich aufschreien und wandte sich

rasch um.Durch die schmale Öffnung des Korridors sah er draußen die

Marsianer über das Feld angelaufen kommen.»Hinein!« schrie er Katerin zu.Er stieß sie durch die Türe, während er selbst den Strahler

hochriß und sich den ankommenden Feinden zuwandte.Als der erste von ihnen den Eingang zum Korridor erreicht

hatte, drückte Ormond Crane ab.Weißes Feuer schoß aus dem Carnystrahler und traf die ers-

ten Angreifer. Ihre schrillen Todesschreie hallten durch den en-gen Korridor.

Ormond Crane hielt die Waffe auf das schmale Viereck ge-richtet, solange sich einer der blauen Feinde zeigte. Sieben von ihnen blieben auf der Strecke. Die anderen stoben davon und nahmen hinter den dicken Außenmauern Deckung.

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Crane wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht.»Ich wünschte, Tarun Bi wäre unter ihnen gewesen«, stieß er

zwischen den Zähnen hervor.Er schlüpfte rasch durch die Türe und gab sich nicht mehr

die Mühe, sie hinter sich zuzuziehen, da sie doch kein Schloß mehr hatte.

Am Ende des Raumes, neben einer breiten Treppe, war eine Tafel in die Wand eingelassen. Auf ihr fand Crane die einzel-nen Abteilungen des Turms aufgeführt.

Ein Schild fesselte ihn sofort:ZENTRALER KONTROLLRAUM FÜR DIE VERTEIDI-

GUNGSANLAGEN.»Das ist es!« frohlockte er. »Siebenter Stock. Um so besser.

Das gibt uns einen kleinen Vorsprung. Die Blauen werden wahrscheinlich jedes Stockwerk systematisch durchsuchen, weil sie nicht wissen, wohin wir uns gewandt haben. Und sie sind gründlich, die blauen Teufel. Sie werden einige Zeit brau-chen!«

Schon hörte man schwere Tritte durch den Korridor hallen. Die Marsianer wechselten hastige Worte in ihrer zischenden Sprache.

Ormond Crane glaubte die Stimme Tarun Bis zu erkennen, und instinktiv hob er die Hand mit der Waffe.

Aber er besann sich.Es war nicht ratsam, sich hier am Fuß der Treppe zu einem

Kampf zu stellen. Besser schien ihm, die Treppe hinaufzueilen und den Vorsprung auszunutzen, bevor sie sehen konnten, auf welches Stockwerk er es abgesehen hatte.

Er flüsterte dem Mädchen zu:»Komm, Katerin, wir laufen jetzt diese Treppe hinauf. Aber

tritt so leise auf wie möglich. Ich will nicht, daß die Marsianer hören, wohin wir gehen. Verstehst du?«

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Sie nickte und folgte ihm gehorsam die breiten, teppichbe-legten Stufen hinauf.

Eine Marmortafel im ersten trug die Aufschrift: »Hauptquar-tier«.

Tarun Bi würde bestimmt fünf kostbare Minuten verlieren, um die Flüchtlinge hier zu suchen, wo er das Herz des ganzen Gebäudes vermutete. Und jede dieser Minuten war für Or-mond Crane ein Geschenk!

In diesem Stockwerk entdeckte er auch einen Aufzug. Aber er konnte nicht herausfinden, wie er funktionierte und gab es auf, als er die Marsianer schon unten durch die Halle stapfen hörte.

Eilig hasteten sie weiter treppauf, bis sie keuchend und atemlos im siebenten Stock ankamen.

Die Türe zum Kontrollraum war nicht verschlossen.Ormond Crane stieß sie auf und stand in staunender Bewun-

derung vor einem Meisterwerk der Technik, das die Alten kurz vor ihrem Untergang geschaffen hatten.

Er legte dem Mädchen einen Arm um die Schultern und sag-te fast ehrfürchtig:

»Das ist es, Katerin. Das ist der zentrale Kontrollraum der Verteidigung. Und wenn das Buch in eurem Dorftempel nicht gelogen hat, werde ich von hier aus die Eindringlinge vom Mars schlagen! Vorausgesetzt, daß wir ein wenig Glück haben…«

Die Wände des hohen Raumes waren vom Boden bis zur De-cke mit Instrumenten, Maschinen und technischen Anlagen al-ler Art bedeckt. Ihnen galt Ormond Cranes ganze Aufmerk-samkeit.

Das Mädchen aber entdeckte die Toten, die auf dem Fußbo-den lagen.

Es waren vier. Sie trugen weiße Mäntel und lagen friedlich

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und unversehrt da, als wären sie erst vor wenigen Minuten ge-storben. Und doch wußte Crane, daß sie seit fünfhundert Jah-ren tot sein mußten.

Crane zuckte zusammen, als er von weither die schrillen, zi-schenden Stimmen der Marsianer vernahm.

Das brachte ihn mit einem Ruck in die Gegenwart zurück.Er hatte eine Aufgabe zu vollbringen, bevor die blauen Teu-

fel das siebente Stockwerk erreichten!Ormond Crane hatte alle Angaben des »Heiligen Buches«

seinem Gedächtnis eingeprägt. Er wußte genau, wo er eingrei-fen mußte.

Er ging auf eine große Kontrolltafel zu, an deren einer Seite ein langer Hebel aus Chromstahl montiert war.

Er sagte mehr zu sich als zu dem Mädchen:»Wenn die Anlage noch in Ordnung ist, wird sie durch die-

sen Hebel eingeschaltet.«Katerin glitt an seine Seite und flüsterte ängstlich: »Sei vor-

sichtig; Crane!«Er schüttelte stumm den Kopf und schob sie sanft beiseite.Dann griff er nach dem Hebel.Er mußte sich mit aller Kraft dagegenstemmen, um ihn her-

unterzudrücken.Augenblicklich erwachten die Generatoren zu summendem

Leben.Lichter flammten auf, die Zeiger der Instrumente begannen

auszuschlagen.Eine große Mattglasscheibe, die fast die ganze eine Wand

einnahm, strahlte ein sanftes bläuliches Licht aus, wurde durchscheinend und zeigte ein noch verschwommenes, zerflie-ßendes Bild.

Crane ließ die Hände vom Hebel sinken und schaute sich mit leuchtenden Augen in dem Raum um, in dem plötzlich die

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Apparate anliefen.»Es funktioniert, Katerin!« murmelte er bewegt. »Die Anlage

hat die fünfhundert Jahre überdauert…«Katerin nickte, ohne ein Wort zu verstehen. Was wußte sie

schon von der komplizierten Technik der Alten, von Atom-bomben, Fernzündung, Bildübertragung über Tausende von Meilen! Sie wußte nichts mit all diesen Lichtern, Drähten, Schaltern und Hebeln anzufangen. Aber sie war glücklich, zu sehen, daß Crane sich freute.

Scheu schielte sie nach den Toten auf dem Boden. Sie war im-mer noch nicht ganz sicher, ob es nicht doch Götter waren, die sich unversehens erheben und die Eindringlinge zerschmet-tern könnten, obwohl sie wie Menschen aussahen.

Aber zu ihrem Entsetzen waren die »Götter« nicht mehr vor-handen. Ein Haufen graugelben Staubes auf dem Fußboden zeigte die Stelle, an der sie gelegen hatten.

Sie waren verschwunden.Die frische Luft, die in den Raum gedrungen war, hatte in

wenigen Minuten das Zerstörungswerk der Natur beendet, das fünfhundert Jahre lang aufgeschoben worden war. Die Lei-chen hatten sich in Staub aufgelöst, fünfhundert Jahre nach dem Tode.

Ormond Crane wandte sich der Schalttafel unter der großen, blauen Glasscheibe zu.

Mit kühlem Kopf und sicherer Hand begann er an den Knöp-fen zu drehen, die das gewaltige Radaroskop bedienten. Ab und zu warf er einen Blick auf die Scheibe, um das Resultat seiner Einstellungen zu beobachten.

Endlich klärten sich die Linien und Flecken auf dem riesigen blauschimmernden Sichtschirm. Er zeigte das genaue und vollständige Bild eines großen Landes, des Südteils der ehe-maligen Vereinigten Staaten von Amerika. Deutlich zeichnete

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sich die zackige Kette der Rocky Mountains ab, die sich von Norden nach Süden zog.

Ormond Crane lachte grimmig auf.Er drückte einen Schalter unter dem Sichtschirm, und über

das ganze Bild der Landschaft verstreut glühten Hunderte von roten und blauen Leuchtpunkten auf. Die Mehrzahl von ihnen konzentrierte sich im Gebiet der Pässe und Canyons in den Rocky Mountains.

Crane wußte genau, was sie zu bedeuten hatten.»Schau, Katerin«, erklärte er dem Mädchen an seiner Seite.

»Dies ist ein Bild Arizonas und Neu Mexikos. Und die leuch-tenden Punkte bezeichnen die Stellen, an denen Atombomben tief in der Erde verborgen liegen. Die Punkte sind nummeriert. Und jede Nummer entspricht einem der Knöpfe dieser Tafel, mit denen sie zur Auslösung gebracht werden können.«

Er wies auf eine Kontrolltafel mit Hunderten von numme-rierten Schaltknöpfen. Welche unvorstellbare, geballte Kraft barg diese so nüchtern und einfach wirkende Anlage!

»Aber warum sind manche Lichter rot und andere blau? Was hat das zu bedeuten? Darüber stand nichts in dem Buch.«

Katerin klatschte in kindlicher Bewunderung in die Hände. »Wie hübsch das ist! Und sieh nur, Grame, hier bewegt sich so-gar etwas auf dem Bild!«

Sie deutete mit dem Finger auf einen Paß, weit östlich von dem Standort der Türme.

Crane sah hin, und in seinen Augen blitzte es triumphierend auf.

Er wußte, was diese Reihe von schwarzen Punkten bedeute-te, die sich langsam durchs Gebirge bewegte.

Die Mars-Armee war auf dem Vormarsch. Ihre schnellen Bo-denfahrzeuge stießen nach Westen vor, um den ganzen Konti-nent zu besetzen.

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Die Gegend, in der sich die feindlichen Truppen bewegten, war mit kleinen, blauen Lichtzeichen gespickt. Das hieß, daß eine große Anzahl von Atombomben dort verborgen lag, tief in die Erde eingelassen.

Der Tusier trat näher an den Radarschirm und las die Zahl unter dem Licht, das genau unter den vorrückenden schwar-zen Punkten leuchtete.

»Nummer achtundvierzig.«Dann suchte er die entsprechende Nummer auf dem Feuer-

leitstand.Sobald er auf den Knopf 48 drückte, mußte die Bombe hoch-

gehen und die gesamte Mars-Armee vom Erdboden vertilgen.Wenn – ja wenn alles noch so funktionierte wie vor fünfhun-

dert Jahren, und wenn Ormond Crane keinen Fehler gemacht und alle Angaben des Buches richtig verstanden hatte.

Er biß die Zähne zusammen und streckte die Hand aus. Sein Finger berührte den Knopf Nummer achtundvierzig. Eine Se-kunde lang war es Crane, als versenge er seine Hand. Dann drückte er ihn in plötzlichem Entschluß und wartete auf das schreckliche Ergebnis.

Aber nichts geschah.In atemloser Spannung starrte Ormond Crane auf den blau-

schimmernden Radarschirm. Er wartete auf die weißglühende Detonation, auf das Emporschießen des Atompilzes, den Don-ner der gewaltigen atomaren Explosion. Er erwartete die schwarzen, wimmelnden Punkte von der Oberfläche Terras weggefegt zu sehen wie lästiges Ungeziefer.

Umsonst!Ruhig setzten die schwarzen Punkte ihren Weg fort krochen

durch den Paß immer weiter auf ihrer Straße dem Westen zu.Die Bombe hatte versagt.Alles, was Crane auf sich genommen hatte, um den schwar-

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zen Turm zu erreichen, war umsonst gewesen. Seine Hoffnung fiel zusammen wie ein Kartenbaus. Er hatte verloren.

Von unten hörte er die Rufe der Marsianer, ihre schweren Tritte auf den Stufen.

Die Geräusche aus dem Kontrollraum und das Summen der Generatoren, hatten ihnen den Weg zu ihren Feinden gewie-sen.

Tarun Bi kam, um seinen Gegner zu töten, der immer wieder seine Pläne durchkreuzt hatte.

Und diesmal würde der Marsianer keinen Fehler machen. Diesmal würde er sichergehen und dafür sorgen, daß Crane und Katerin unter seinen Augen starben, von tödlichen Strah-len versengt.

Es war das Ende.

Erde gehört den Menschen

So hoffnungslos seine Lage auch war, Crane wollte nicht kampflos sterben. Er riß den Strahler aus dem Gurt und entsi-cherte ihn. Die Ladung reichte für etwa drei Minuten, nicht länger.

Nun, er konnte von Glück sagen, wenn er überhaupt noch drei Minuten durchhielt…

Er bedeutete dem Mädchen, sich ans äußerste Ende des Kon-trollraums zurückzuziehen.

Er selbst schlich sich zu der halboffenen Türe und wartete auf den ersten Marsianer, dessen Kopf auf dem Treppenabsatz auftauchen würde.

Er hoffte inständig, daß es Tarun Bi sein möge. Tarun Bi, sein Todfeind.

Eine schwache Hoffnung stieg in ihm auf. Wenn er mit dem ersten Schuß den Führer der Invasion niederstreckte, würden

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die anderen vielleicht schwanken, kopflos zurückweichen und auf das weitere Vordringen verzichten.

Aber gleich darauf wußte er, daß diese Hoffnung lächerlich war. Er durfte sich Tatsachen nicht verschließen und nicht trü-gerischen Träumen hingeben.

»Nein! Diese Invasion war bis ins letzte durchgeplant. Der Tod Tarun Bis würde nichts aufhalten.«

Er war tief enttäuscht über den Fehlschlag. Wie kam es, daß die vielgerühmte Verteidigungswaffe der Alten so kläglich versagte?

Hatte er das Buch mißverstanden?Hatten die Alten geprahlt, als sie sich rühmten, ihre Verteidi-

gungsanlage könne zehntausend Jahre überdauern, ohne Scha-den zu leiden?

Sie hatten gelogen!Schon nach fünfhundert Jahren hatten ihre Waffen versagt.

Sie waren nutzlos geworden und hatten ihm in seinem Kampf nicht helfen können.

Katerin beobachtete ihn traurig. Instinktiv begriff sie, daß er eine schwere Enttäuschung erlitten hatte. Und sie versuchte ihn in ihrer kindlichen, treuherzigen Art zu trösten:

»Dein blaues Licht ist nicht gut, Crane? Mach dir nichts draus! Versuch es doch mit einem roten. Vielleicht gehorcht das dem Druck auf den Knopf.«

Trotz seiner Niedergeschlagenheit mußte er über ihre Naivi-tät lächeln. Die schöne Wilde sprach von Atombomben wie ein Kind von einem Spielzeug.

Rote und blaue Lichter. Warum rot und blau? Wieder stellte er stich diese Frage. Und plötzlich durchzuckte ihn die Er-kenntnis: Rot und Blau! Lebendig und tot!

Die blauen Lichter für die Bomben, die vor fünfhundert Jah-ren zur Explosion gebracht worden waren, um den Feind auf-

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zuhalten.Die roten für die anderen, die noch frei in der Erde darauf

warteten, ausgelöst zu werden.Warum nicht? Vielleicht hatte Katerin gerade in der kindli-

chen Naivität den Nagel auf den Kopf getroffen, vielleicht in-stinktiv das erkannt, was ihm bei aller klaren, sachlichen Über-legung entgangen war.

Er drückte dem Mädchen seine Strahlenpistole in die Hand und schob es neben den Türrahmen.

»Siehst du diesen Knopf hier?« erklärte er ihr. »Sobald einer der blauen Teufel auf dem Treppenabsatz auftaucht, drückst du diesen Knopf! Halte den Strahler so, daß er genau auf den Feind gerichtet ist. Kann ich mich auf dich verlassen?«

Sie nickte eifrig und nahm seinen Platz ein.Ormond Crane rannte zum Feuerleitstand zurück.Er warf einen Blick auf den Bildschirm.Die Reihe schwarzer Punkte bewegte sich immer noch in

derselben Richtung durchs Gebirge. Die Nachhut hatte jetzt den blauen Leuchtpunkt passiert, der möglicherweise eine kre-pierte Bombe darstellte.

Aber weiter vorne auf ihrem Weg lag noch ein roter Punkt!Er leuchtete am Ausgang des Passes, dort, wo sich die Straße

wieder der Ebene zuneigte.Nummer fünfzig.Wenn die Marsianer sich in demselben Tempo vorwärtsbe-

wegten wie bisher, würden sie in etwa einer Stunde die Stelle erreichen.

Eine Stunde!Konnte er Tarun Bi so lange in Schach halten, bis die Armee

der Marsianer diese Strecke zurückgelegt hatte?Würde er in einer Stunde noch am Leben sein, um auf den

entscheidenden Knopf zu drücken?

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Eine Stunde…Eine Ewigkeit…Eine Stunde, von der die Zukunft des ganzen Sonnensys-

tems, die Zukunft der menschlichen Rasse abhing. Denn wer Terra hielt, der hielt den Schlüssel zur Macht…

Crane rannte zu dem Mädchen zurück, das gehorsam auf seinem Posten ausgeharrt hatte.

»Sind sie da?« keuchte er.»Noch nicht, Crane. Aber sie müssen jeden Augenblick auf-

tauchen…«Und da sah er auch schon, wie sich die blaue Flut über den

obersten Treppenabsatz ergoß.Er riß dem Mädchen den Strahler aus der Hand, drückte auf

den Abzug und bestrich das Treppenhaus mit dem flammen-den, zischenden Strahl.

Schreiend stürzten die Marsianer zu Boden, ein Haufen Ver-wundeter wälzte sich auf den schwarzen Fliesen.

Jetzt tauchte das haßverzerrte Gesicht Tarun Bis von der Treppe her auf.

Mit einem raschen Blick hatte der Marsianer die Lage erfaßt. Er hob die Waffe, zielte auf Crane, der gerade noch Zeit hatte, das Mädchen zur Seite zu reißen. Haarscharf zischte der sen-gende Strahl an ihren Köpfen vorbei und riß ein gähnendes Loch in die Wand neben ihnen.

Crane hatte keine Zeit zu zielen. Aber sein Finger preßte sich auf den Abzug.

Er traf die blauen Teufel, Tarun Bi jedoch war außerhalb sei-ner Schußlinie. Er stand noch immer aufrecht, als sei er gegen jeden Feind gefeit.

Katerin klammerte sich krampfhaft an Crane, so daß er das Gleichgewicht verlor und stolperte. Er fiel auf ein Knie nieder und zog das Mädchen im Fallen mit sich.

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Durch den Rauch sah er jetzt Tarun Bi und zwei seiner Solda-ten auf sich zukommen. Es waren die letzten Überlebenden des Trupps.

Der Marsianer brüllte in rasender Wut seinen Leuten Befehle in seiner unverständlichen, zischenden Sprache zu.

Auf den Knien liegend, riß Crane seine Waffe hoch und drückte ab.

Einer der beiden Soldaten sackte leblos vornüber.Sein Kamerad setzte mit einem Sprung über den Gestürzten

hinweg und landete krachend auf dem Rücken des Tusiers.Der Strahler entfiel Cranes Hand und klirrte zu Boden.Mit einem Fluch rollte Ormond Crane über, bekam den Geg-

ner um den Leib zu fassen, und die beiden Männer wälzten sich verbissen ringend auf dem Boden.

Der Tusier zog die Knie an und stieß sie mit aller Kraft sei-nem Feind in den Leib.

Dieser flog in hohem Bogen durch den Raum und krachte gegen eine Instrumententafel. Glas splitterte, Funken zischten aus zerissenen Drähten.

Mit einem Fluch richtete der Marsianer sich auf und griff, um sich Halt zu verschaffen, nach einem lose herunterhängen-den Kabelende.

In derselben Sekunde züngelten blaue Flammen um ihn auf.Er öffnete den Mund wie zu einem Schrei. Aber bevor noch

ein Laut aus seiner Kehle drang, fiel sein riesiger Körper zu-sammen.

Ormond Crane sah sich verzweifelt nach seinem Strahler um. Aber der lag außer Reichweite.

Und zwischen ihm und seiner Waffe stand Tarun Bi.Breitbeinig, den Strahler auf den Tusier gerichtet.Seine Stimme war ein heiseres Zischen rasender Wut:»Bleiben Sie, wo Sie sind, Crane! Eine Bewegung – und ich

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schieße euch beide nieder, Sie und die Wilde!«Langsam richtete Crane sich auf und legte den Arm um das

zitternde Mädchen, das sich eng an ihn drängte.Über die Mündung der Waffe hinweg sah er das erbar-

mungslose Gesicht seines Todfeindes.»Habe ich Sie endlich, Crane!« knirschte der Marsianer. »Sie

haben mir schwer zu schaffen gemacht, das muß ich zugeben! Sie haben meinen Stoßtrupp bis auf den letzten Mann vernich-tet. Ich bin der einzige Überlebende. Aber jetzt habe ich Sie da, wo ich Sie haben will.«

Ein grimmiges Lächeln glitt über die gespannten Züge des Tusiers.

Tarun Bi bemerkte es, und um seine Mundwinkel zuckte es bedrohlich.

»Sie lächeln? Es wird Ihr letztes Lächeln sein, Crane. Sie ha-ben die Partie verloren. Und Sie wissen, daß Sie von mir keine Gnade zu erwarten haben.«

Während er die Waffe weiter auf den Tusier gerichtet hielt, glitten Tarun Bis Augen über die Instrumente und Kontrollta-feln. Beunruhigt schaute er auf die flackernden Lichtzeichen, die zuckenden Zeiger, deren Bedeutung ihm unverständlich war.

Ormond Crane hielt den Atem an.Würde der Marsianer abdrücken und seinen Triumph vollen-

den?Noch schien Tarun Bi zu zögern.»Ich will wissen, was Sie vorhatten, Crane, und was Sie in

diesem Turm suchten. Mir scheint, daß Ihnen diese Einrichtun-gen verständlicher sind als mir. Und doch sind Sie kein Wis-senschaftler, soviel ich weiß, sondern nur ein schlichter Kapi-tän eines armseligen Raumfrachters. Was hat das alles zu be-deuten? Was ist das für ein Turm?«

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Cranes Spannung löste sich etwas, als er sah, daß der Marsia-ner ihn nicht sofort töten, sondern erst ausfragen wollte.

Vielleicht konnte er durch Reden Zeit gewinnen. Jede Minu-te, die verstrich, war kostbarer Aufschub. Jede Minute brachte die vorrückende Mars-Armee näher an jene verborgene Atom-bombe. Und vielleicht würde er doch noch im richtigen Au-genblick Gelegenheit fänden, auf den Knopf zu drücken…

Er warf einen verstohlenen Blick nach dem Radar-sichtschirm.

Die Marsianer hatten etwa die Hälfte der Strecke bis zu dem roten Leuchtpunkt zurückgelegt. In zwanzig Minuten würden sie die bestimmte Stelle passieren. Wenn er dann auf den Knopf drücken konnte…

Er sagte:»Sie als Marsianer sollten einiges von Kriegstechnik verste-

hen, Tarun Bi. Dieser Raum ist das Nervenzentrum der Vertei-digung, das die Alten aufgebaut hatten, bevor ihre gesamte Zi-vilisation der Atomkatastrophe zum Opfer fiel. Sie sehen hier die Waffen der Alten, mit deren Hilfe sie ihre Kriege auf Ent-fernung führten…«

Tarun Bi fiel ihm barsch ins Wort.»Was ist das für ein Bild auf der leuchtenden Wand? Ist das

nicht eine Karte dieses Landes? Der Berge, über die ich geflo-gen bin?«

»Erraten, Bi.«Mit gespannter Aufmerksamkeit beobachtete Crane den

Marsianer. Würde er den springenden Punkt erfassen?Tarun Bi war nicht dumm. Und er brauchte nicht lange, um

zu verstehen, daß die vorwärtskriechenden schwarzen Punkte seine eigene Armee darstellten.

Wann würde ihm die Bedeutung der roten und blauen Lich-ter aufgehen?

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Tarun Bis Blicke glitten von der Mattglasscheibe zu den un-zähligen Knöpfen des Feuerleitstandes und wieder zurück zum Radaroskop.

»Was haben Sie vor, Crane?« fragte er unsicher. »Was planen Sie gegen meine Armee?«

Ormond Crane ließ das Mädchen los und richtete sich etwas auf. Er zuckte die Achseln und antwortete:

»Ich weiß nicht, was Sie meinen, Tarun Bi. Was könnte ich noch gegen Sie planen? Sie haben mich doch in der Hand!«

Aber der Marsianer ließ sich nicht so leicht täuschen.»Sie lügen. Halten Sie mich für einen Dummkopf? Diese Rei-

he schwarzer Punkte stellt meine vorrückenden Panzer dar, ich weiß es! Warum beobachten Sie den Vormarsch auf diesem Schirm? Was bedeuten diese roten und blauen Lichter?«

Crane schüttelte den Kopf.»Woher soll ich das wissen? Wir haben in diesem Turm Un-

terschlupf gesucht, weil wir darin unsere einzige Rettung sa-hen. Ich berührte zufällig einen Hebel, der die Anlage in Tätig-keit setzte. Ich habe keine Ahnung…«

Der Marsianer richtete die Strahlenpistole auf Katerin.»Sagen Sie mir die Wahrheit – oder die Frau stirbt zuerst!«Crane schrie auf:»Vorsicht, Tarun Bi! Kommen Sie dem Kabel dort nicht zu

nahe!«Der Marsianer zuckte unwillkürlich zusammen und sah sich

um.Den Augenblick benutzte Ormond Crane, um sich vom Bo-

den hochzuschnellen und sich blitzschnell auf den Marsianer zu stürzen. Es gelang ihm, dem verblüfften Tarun Bi die Waffe aus der Hand zu schlagen.

»Katerin! Heb den Strahler auf! Schnell!« rief Crane dem Mädchen zu.

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Er sprang zurück, um sich dem Zugriff des Marsianers zu entziehen, und fing die Waffe auf, die Katerin ihm zuwarf. Er richtete sie auf Tarun Bi, der noch gar nicht fassen konnte, daß sich das Blatt so plötzlich und gründlich gewendet hatte.

»Sie wollten wissen, was ich in diesem Turm vorhabe, Tarun Bi?« fragte der Tusier spöttisch. »Sie sollen es erfahren. Wie Sie schon richtig erraten haben, zeigt dieses Radaroskop die Ber-ge, und die schwarzen Punkte darauf sind Ihre Soldaten. Das rote Licht, auf das sie zustreben, bezeichnet eine scharfe Atom-bombe, die vor fünfhundert Jahren von den Alten dort ver-senkt worden ist. Wenn Ihre Armee diesen Punkt erreicht, werde ich auf einen kleinen Knopf drücken und sie in die Luft sprengen. Verstehen Sie jetzt, Sie blauhäutiger Teufel? Ihre In-vasion ist zu Ende, bevor sie noch richtig begonnen hat. Sie ha-ben alle Tusier getötet, die auf diesen Planeten kamen. Jetzt vernichte ich Ihre Streitmacht. Ich bin Terraner, Tarun Bi. Und Terra gehört uns, nicht den Marsianern. Es ist die Welt unserer Vorfahren, die wir zurückhaben wollen – und Sie werden uns nicht hindern können, uns zu nehmen, was uns gehört!«

Ohne den Marsianer ganz aus dem Auge zu lassen, beobach-tete Crane das Radaroskop. Die schwarzen Punkte waren bis in unmittelbare Nähe des Warnlichtes vorgerückt. Nur noch Minuten, dann mußten sie die versteckte Bombe erreichen – wenn es eine versteckte Bombe gab.

Crane hatte seine Hoffnung schon einmal auf das blaue Licht gesetzt, und sie hatte getrogen. Konnte nicht auch das rote Licht versagen? Und was dann?

Selbst wenn er Tarun Bi tötete – der Vormarsch der Mars-Ar-mee würde dann nicht mehr aufzuhalten sein.

Ormond Crane schob diese Gedanken von sich. Er wollte die Möglichkeit eines neuen Fehlschlags gar nicht mehr in Erwä-gung ziehen. Diesmal mußte es gelingen!

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Des Marsianers blaue Haut verfärbte sich vor Wut und Angst zu einem fahlen Grün. Hätte er über Schweißdrüsen verfügt wie ein Terraner, so wäre ihm der Schweiß ausgebrochen.

Der Tusier streckte die Hand nach dem Schaltknopf aus. Ein Fingerdruck genügte.

Die Marsianer erfuhren nie, was mit ihnen geschah.Eben noch zogen sie, ihres Sieges sicher, durch das Gebirge,

eine lange Reihe schwerbewaffneter Panzerfahrzeuge, die stol-ze Armee des roten Planeten. Die Standarten mit dem roten Gestirn über gekreuzten Blitzen wehten im Wind.

Und im nächsten Augenblick brach die Vernichtung über sie herein. Alles war nur noch blendende Helle und der glühende Atem der Hölle, das alles verschlingende Feuer der atomaren Explosion. Bevor auch nur einer der Marsianer erfaßte, was vorging, war die ganze Armee vom Erdboden vertilgt, als habe es sie nie gegeben.

Und über dem Paß erhob sich die drohende und majestäti-sche Säule radioaktiven Staubes, die sich oben zu einer riesi-gen Wolke ausbreitete.

Die marsianische Invasion war abgeschlagen.Es gab nur noch einen einzigen Marsianer auf Terra: Tarun

Bi, der, von Entsetzen geschüttelt, sehen mußte, wie seine ge-samte Armee vernichtet wurde.

Mit einem Wutschrei, der nichts Menschliches an sich hatte, stürzte er auf den Tusier zu, die Finger wie Krallen gekrümmt, als wollte er ihn mit bloßen Händen in Stücke reißen und zer-fleischen.

Der Strahler flammte auf und traf Tarun Bi. Ein gurgelndes Heulen entrang sich seiner Kehle. Dann brach er in die Knie. Noch mal zuckte er im Todeskampf. Sein Gesicht verzerrte sich zu einer grausigen Grimasse des Todes. Dann fiel er in sich zusammen und lag still.

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Ernst schaute Crane auf den gefällten Riesen hinunter.Dieser Mann hatte mehr als zweitausend Tusier wie tolle

Hunde abknallen lassen.Er hatte seine gerechte Strafe gefunden.Ormond Crane wandte sich nach dem Mädchen um.»Es ist alles vorüber, Katerin. Es gibt keine Marsianer mehr

auf Terra. In wenigen Stunden bist du zu Hause.«Die schöne Terranerin strich sich eine lange goldene Strähne

aus dem Gesicht und fragte langsam:»Zu Hause? Wo ist das?«Er hob verwundert die Brauen.»Wo? Dort, wo dein Vater ist, Mädchen. In deinem Dorf.«Sie schüttelte entschieden den Kopf.»Nein, Crane. Mein Zuhause ist jetzt dort, wo du bist. Du

bist mein Mann, und ich will dir überallhin folgen, wohin du auch gehst.«

Er zog sie sanft an sich und sah ihr tief in die Augen. Lä-chelnd sagte er:

»Eine Frau findet doch immer Zeit, an die Liebe zu denken. Gleichgültig, ob um sie herum die Hölle los ist! Nun, vielleicht werde auch ich ein wenig Zeit für mich selbst haben! Das Schlimmste ist vorüber. Aber«, fügte er warnend hinzu, »ich bin keine gute Partie, meine Kleine, wie es dir vielleicht scheint! Auf der Venus bin ich nur ein kleiner Captain, der einen halbverrosteten alten Kasten fliegt. Ich wüßte nicht, was ich dir zu bieten hätte, kleine Katerin…«

Sie schlang die Arme um seinen Hals.»Du bist ein Mann, wie es nur wenige gibt, Crane. Hast du

vergessen, daß du ganz allein eine Armee geschlagen hast?«Er sagte:»Komm mit mir Katerin. Mir bleibt noch vieles zu tun. Ich

will mich vergewissern, ob auch wirklich der letzte Marsianer

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unschädlich gemacht ist – obwohl ich kaum daran zweifle. Und dann treten wir den Flug zur Venus an. Zum erstenmal wirst du durch den Raum reisen. Ich muß in Tus-Port berich-ten, was geschehen ist. Aber wir werden wiederkehren, Kate-rin. Wir werden unter den ersten Pionieren einer neuen Zivili-sation auf Terra sein.«

Hand in Hand verließen sie den schwarzen Turm und gingen auf Tarun Bis Kriegsschiff zu, das auf sie wartete. Im Osten konnten sie den riesigen Pilz der Atomexplosion sehen, der wie eine Mahnung über den Bergen hing. Die Alten hatten sich mit der Kraft des Atoms vernichtet. Ihr Nachfahre aber hatte die Welt mit Hilfe der gleichen Waffe vor einer Invasion von einem feindlichen Planeten gerettet.

Terra, die tote Welt der Alten, sollte nun zu neuem Leben er-wachen. Eine neue Zivilisation würde auf den Trümmern der alten aufblühen. Fünfhundert Jahre hatte die Rasse der Terra-ner auf dem Venus im Exil gelebt. Nun durfte sie auf Ihren Heimatplaneten zurückkehren. Und niemand konnte ihr die Erde mehr streitig machen.

ENDE

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Unipode IVeine Reise zu Mond und Mars

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