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Diagnostik und Primärtherapie des Zervixkarzinoms

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Punkte sammeln auf... springermedizin.de/ eAkademie Teilnahmemöglichkeiten Diese Fortbildungseinheit steht Ihnen als e.CME und e.Tutorial in der Springer Medizin e.Akademie zur Verfügung. – e.CME: kostenfreie Teilnahme im Rahmen des jeweiligen Zeitschriften- abonnements – e.Tutorial: Teilnahme im Rahmen des e.Med-Abonnements Zertifizierung Diese Fortbildungseinheit ist mit 3 CME- Punkten zertifiziert von der Landesärzte- kammer Hessen und der Nordrheinischen Akademie für Ärztliche Fort- und Weiter- bildung und damit auch für andere Ärzte- kammern anerkennungsfähig. Hinweis für Leser aus Österreich Gemäß dem Diplom-Fortbildungs-Pro- gramm (DFP) der Österreichischen Ärzte- kammer werden die in der e.Akademie erworbenen CME-Punkte hierfür 1:1 als fachspezifische Fortbildung anerkannt. Kontakt und weitere Informationen Springer-Verlag GmbH Springer Medizin Kundenservice Tel. 0800 77 80 777 E-Mail: [email protected] © Klaus Rüschhoff, Springer Medizin Gynäkologe 2012 · 45:391–405 DOI 10.1007/s00129-011-2931-3 Online publiziert: [OnlineDate] © Springer-Verlag 2012 S. Becker 1  · M. Henes 2 1 Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Lübeck 2 Universitäts-Frauenklinik Tübingen, Universitätsklinikum Tübingen Diagnostik und  Primärtherapie des  Zervixkarzinoms Zusammenfassung Im 19. Jahrhundert war das Zervixkarzinom die häufigste Krebstodesursache bei Frauen, heu- te ist sie die zweithäufigste Krebserkrankung bei Frauen weltweit. Anhand dieser Tumoren- tität wurden zahllose Erkenntnisse zur Progression maligner Erkrankungen gewonnen und grundlegende Konzepte in der Onkochirurgie (Wertheim-Operation), der Strahlentherapie und der Krebsvorsorge entwickelt; Grundsätzliches wurde erarbeitet zum Verständnis der molekularbiologischen Onkogenese und zu den Möglichkeiten einer Impfprophylaxe. Welt- weit ist der Gebärmutterhalskrebs eine führende Krebstodesursache besonders bei jungen Frauen und damit ein gesundheitsökonomisches Problem globalen Ausmaßes. Die Tatsa- che, dass es sich in Deutschland um eine nicht mehr häufige onkologische Erkrankung han- delt, gehört zu den großen Erfolgen der Universitätsmedizin. Im Beitrag werden wichtige Er- kenntnisse zu Diagnostik und Therapie zusammengefasst. Besonders beim Zervixkarzinom ist der systematische und sorgfältige Umgang mit Auffälligkeiten entscheidend, um indivi- duelle Tragödien zu verhindern. Schlüsselwörter Vakzination · Kolposkopie · Humaner Papillomvirus · Krebsvorsorge · Operative Gynäko- logie CME Zertifizierte Fortbildung Redaktion T. Dimpfl, Kassel W. Janni, Düsseldorf R. Kreienberg, Ulm N. Maass, Aachen O. Ortmann, Regensburg T. Strowitzki, Heidelberg K. Vetter, Berlin R. Zimmermann, Zürich 391 Der Gynäkologe 5 · 2012|
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Page 1: Diagnostik und Primärtherapie des Zervixkarzinoms

Punkte sammeln auf...

springermedizin.de/ eAkademieTeilnahmemöglichkeitenDiese Fortbildungseinheit steht Ihnen als e.CME und e.Tutorial in der Springer Medizin e.Akademie zur Verfügung. – e.CME: kostenfreie Teilnahme im

Rahmen des jeweiligen Zeitschriften-abonnements

– e.Tutorial: Teilnahme im Rahmen des e.Med-Abonnements

Zertifizierung Diese Fortbildungseinheit ist mit 3 CME-Punkten zertifiziert von der Landesärzte-kammer Hessen und der Nord rheinischen Akademie für Ärztliche Fort- und Weiter-bildung und damit auch für andere Ärzte-kammern anerkennungsfähig.

Hinweis für Leser aus ÖsterreichGemäß dem Diplom-Fortbildungs-Pro-gramm (DFP) der Österreichischen Ärzte-kammer werden die in der e.Akademie erworbenen CME-Punkte hierfür 1:1 als fachspezifische Fortbildung anerkannt.

Kontakt und weitere InformationenSpringer-Verlag GmbHSpringer Medizin KundenserviceTel. 0800 77 80 777E-Mail: [email protected]

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Gynäkologe 2012 · 45:391–405DOI 10.1007/s00129-011-2931-3Online publiziert: [OnlineDate]© Springer-Verlag 2012

S. Becker1 · M. Henes2

1 Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Lübeck2 Universitäts-Frauenklinik Tübingen, Universitätsklinikum Tübingen

Diagnostik und Primärtherapie des Zervixkarzinoms

ZusammenfassungIm 19. Jahrhundert war das Zervixkarzinom die häufigste Krebstodesursache bei Frauen, heu-te ist sie die zweithäufigste Krebserkrankung bei Frauen weltweit. Anhand dieser Tumoren-tität wurden zahllose Erkenntnisse zur Progression maligner Erkrankungen gewonnen und grundlegende Konzepte in der Onkochirurgie (Wertheim-Operation), der Strahlentherapie und der Krebsvorsorge entwickelt; Grundsätzliches wurde erarbeitet zum Verständnis der molekularbiologischen Onkogenese und zu den Möglichkeiten einer Impfprophylaxe. Welt-weit ist der Gebärmutterhalskrebs eine führende Krebstodesursache besonders bei jungen Frauen und damit ein gesundheitsökonomisches Problem globalen Ausmaßes. Die Tatsa-che, dass es sich in Deutschland um eine nicht mehr häufige onkologische Erkrankung han-delt, gehört zu den großen Erfolgen der Universitätsmedizin. Im Beitrag werden wichtige Er-kenntnisse zu Diagnostik und Therapie zusammengefasst. Besonders beim Zervixkarzinom ist der systematische und sorgfältige Umgang mit Auffälligkeiten entscheidend, um indivi-duelle Tragödien zu verhindern.

SchlüsselwörterVakzination · Kolposkopie · Humaner Papillomvirus · Krebsvorsorge · Operative Gynäko-logie

CME Zertifizierte Fortbildung

RedaktionT. Dimpfl, KasselW. Janni, DüsseldorfR. Kreienberg, UlmN. Maass, Aachen O. Ortmann, RegensburgT. Strowitzki, HeidelbergK. Vetter, Berlin R. Zimmermann, Zürich

391Der Gynäkologe 5 · 2012  | 

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CME

Lernziele

Nach Lektüre des folgenden Weiterbildungsbeitrags . . .

F haben Sie klare Vorstellungen zu Epidemiologie, Klinik, Diagnostik, Staging und zur ope-rativen Therapie des Zervixkarzinoms erlangt

F sind Ihnen die wichtigsten histologischen Subtypen bekanntF sind Sie vertraut mit den besonderen Unterschieden zwischen Diagnose und Therapie

des im Screening aufgefallenen Zervixkarzinoms und Diagnose und Therapie des sym-ptomatischen Zervixkarzinoms

F ist Ihnen die Rolle der Kolposkopie bewusstF kennen Sie moderne Therapiekonzepte, wie Sentinel-Lymphonodektomie, laparos-

kopische Operationstechniken sowie die totale mesometriale Resektion

Definition und Einteilung

Zervixkarzinome, auch als Gebärmutterhalskebs oder – in älterer Literatur – als Kollumkarzinome bezeichnet, sind im Wesentlichen Plattenepithelkarzinome (80%) und Adenokarzinome (etwa 15%), die anatomisch vom kaudalen Teil der Gebärmutter ausgehen [1]. Die Zervix wird dabei funktionell und histologisch vom Corpus uteri unterschieden. Plattenepithelkarzinome gehen vom nicht verhor-nenden Plattenepithel der Zervix uteri aus. Die bei der menstruierenden Frau zyklus- bzw. hormon-abhängig wandernde  Transformationszone wird als Ausgangspunkt des Plattenepithelkarzinoms be-trachtet. Die Transformationszone beschreibt die dynamische Übergangszone der plattenepithelia-len Auskleidung der Scheide und der Ektozervix in die zylinderepitheliale Auskleidung des Zervix-kanals mit den dort lokalisierten Zervixdrüsen. Letztere gelten als Ausgangspunkt der Adenokarzi-nome unter den Zervixkarzinomen. In der Diagnostik und Therapie gibt es prinzipiell keinen Unter-schied zwischen Plattenepithel- und Adenokarzinomen.

Ätiologie

Als wichtigste Ursache des Zervixkarzinoms, insbesondere des Plattenepithelkarzinoms, wurde wäh-rend der letzten 50 Jahre in einer beispiellosen onkologischen Forschungsleistung, die 2009 mit dem Nobelpreis für Medizin honoriert wurde, eine Infektion mit Subtypen des  humanen Papillomavirus (HPV) identifiziert [2]. HPV-Infektionen werden sexuell übertragen, sind aber aufgrund einer hohen Prävalenz (bis zu 30% in der asymptomatischen erwachsenen Bevölkerung [3]) keine sexuell über-

Die Zervix wird funktionell und his-tologisch vom Corpus uteri unter-schieden

Zervixdrüsen gelten als Ausgangs-punkt der Adenokarzinome 

HPV-Infektionen werden sexuell übertragen, sind aber keine sexuell übertragbare Erkrankung im enge-ren Sinne 

Diagnosis and primary therapy of cervical cancer

AbstractCervical cancer was the most common oncological cause of death for women in the nineteenth cen-tury and is currently the second most common form of cancer in women worldwide. A lot of what we know about the progression of oncological diseases was established by studying cervical cancer as were basic concepts regarding surgical treatment (Wertheim operation), radiation therapy, screen-ing, molecular biological basics and most recently vaccination strategies. Globally cervical cancer remains a leading health and socioeconomic problem. The fact that in Germany cervical carcinoma has ceased to be a common type of cancer remains one of the great success stories of modern med-icine. The important points regarding diagnosis and therapy are summarized. In dealing with cer-vical cancer and the precursor lesions, particular attention must be given to a meticulous analysis of abnormalities, a thorough work-up and detailed follow-up.

KeywordsImmunization · Colposcopy · Human papillomavirus · Cancer screening · Surgical gynecology

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tragbare Erkrankung im engeren Sinne, was bei der Aufklärung von Patientinnen über Infektions-ketten und deren Bedeutung für aktuelle partnerschaftliche Beziehungen von großer Bedeutung ist.

HPV-Infektionen führen zu typischen Veränderungen in der  Basalschicht der Transformations-zone: Die Basalzellen sind das primäre Ziel der Viren.

Im Rahmen einer komplexen und individuell sehr unterschiedlichen Immunantwort wird das Vi-rus in 80–90% der Fälle eliminiert [4]. In 10% der Fälle kommt es zu einer  Persistenz der Infektion und zu dadurch hervorgerufenen dysplastischen Veränderungen im Bereich der Zervix, die sich so-wohl in der Zytologie als auch in der Histologie nachweisen lassen und unter dem Begriff der zervi-kalen intraepithelialen Neoplasie (CIN) zu einer in der Onkologie wegweisenden Betrachtung prä-maligner Zellveränderungen geführt haben. In weiteren 10% kommt es zu einem Fortschreiten der dysplastischen Veränderungen über ein Carcinoma in situ zum eigentlichen invasiven Tumor, dem Zervixkarzinom.

Epidemiologie

Die Inzidenz von HPV-Infektionen bei asymptomatischen Frauen der Altersgruppe 20 bis 30 Jahre beträgt 30% [3]. Die Häufigkeit von dysplastischen Veränderungen liegt um einen Faktor 100 über der Inzidenz des Karzinoms. Schwere Dysplasien kommen in 1% der Fälle vor [1]. Das Vorkommen von abnormen zytologischen Befunden bei Schwangeren liegt sogar bei bis zu 7% [5].

Die Inzidenz des Zervixkarzinoms selbst ist stark abhängig von der frühen und exakten Diagnos-tik und Therapie der o.g. Vorstufen und damit der international sehr unterschiedlichen Qualität der  Krebsvorsorge. So beträgt die Inzidenz zwischen 3,6/100.000 Frauen in Finnland und 45/100.000 Frauen in Kolumbien. In Deutschland beträgt sie 13,3/100.000 Frauen und hat sich während der letz-ten 20 Jahre allen Anstrengungen zum Trotz nicht weiter reduzieren lassen. In Deutschland erkran-ken pro Jahr zwischen 6000 und 7000 Frauen an einem Zervixkarzinom. Bei immer noch fast 2000 Frauen verläuft die Erkrankung tödlich [6]. Das mittlere Alter bei Erstdiagnose beträgt etwa 52 Jah-re, am häufigsten wird es zwischen 45 und 55 Jahren diagnostiziert.

Diagnostik

Eine Beschreibung der Diagnostik beim Zervixkarzinom muss zwei grundsätzlich unterschiedliche Szenarien unterscheiden:F  Screening-Situation bei der asymptomatischen Patientin, die – im Falle von Auffälligkeiten –

zur differenzierten und exakten Diagnostik und Therapie zervikaler Veränderungen führt, undF  Situation einer symptomatischen Patientin, bei der in der Regel bereits ein lokal fortgeschritte-

nes Zervixkarzinom vorliegt und bei der (zumindest in Deutschland) vielfach eine Nichtinan-spruchnahme des Screening-Angebots, ein Ablehnen der sich daraus ergebenden Konsequen-zen oder eine ärztliche Fehleinschätzung vorliegen.

Die Erkenntnis, dass das Zervixkarzinom langsam und „unter Sicht“ wächst, führte bereits in den 1940er-Jahren in den USA zu erfolgreichen Screening-Versuchen unter asymptomatischen Frau-en, die das Konzept des „Screening“ überhaupt erstmals in die klinische Praxis einführten. Die Vor-stellung, dass asymptomatische, gesunde Patienten zum Arzt gehen, erschien damals äußerst be-fremdlich. Erhebliche Widerstände seitens der Ärzteschaft und der zuständigen Behörden mussten überwunden werden. Mit der Einführung des zytologischen Abstrichs basierend auf den Arbeiten von  Papanicolaou in den 1950er-Jahren ging das Screening über die bloße visuelle Inspektion hin-aus [7]. Nun konnten – unabhängig von der in den 1920er-Jahren entwickelten Kolposkopie – schon die präkanzerösen Frühstufen identifiziert werden und präklinische Karzinome noch besser detek-tiert werden.

Diagnostik des fortgeschrittenen Zervixkarzinoms

Symptome des klinisch auffälligen Zervixkarzinoms sind Spätsymptome und können von der klas-sischen  Kontaktblutung über Ausfluss, unklare „Zyklusstörungen“, Hämaturie und Miktionsbe-schwerden bei Infiltration der Harnblase, Nierenstau bis hin zum (beiseitigen) Nierenversagen bei Obliteration von zunächst einem, dann beiden Ureteren führen.  Tumorkachexie bei systemischer

In 10% kommt es zu einem Progress der dysplastischen Veränderungen über ein Carcinoma in situ zum inva-siven Tumor

Die Inzidenz von HPV-Infektionen bei asymptomatischen Frauen zwi-schen 20 und 30 beträgt 30% 

In Deutschland hat sich die Zervix-karzinominzidenz in den letzten 20 Jahren nicht reduzieren lassen

Das Zervixkarzinom wächst lang-sam und „unter Sicht“

Mit der Einführung des zytologi-schen Abstrichs in den 1950er-Jah-ren ging das Screening über die vi-suelle Inspektion hinaus

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Aussaat, auffällige inguinale oder Skalenuslymphknoten sowie schwere, lebensbedrohliche Blutun-gen können auftreten. In lokal fortgeschrittenen Stadien kann die Verdachtsdiagnose oft schon durch den typischen süßlich-fauligen Geruch des nekrotisch zerfallenden Zervixtumors gestellt werden. Für die weitere Diagnose ist es wichtig, zum einen in untypischen Situationen (z. B. unerklärter Nieren-stau) auch an das Zervixkarzinom zu denken und eine entsprechend zielgerichtete gynäkologische Untersuchung durchzuführen, zum anderen, im Rahmen der indizierten gynäkologischen Untersu-chung durch gezielte Biopsie im Randbereich der in der Regel sichtbaren Läsion zu einer schnellen histologischen Sicherung zu gelangen. Biopsien aus dem zentralen und oft nekrotischen Bereich des Tumors sind oftmals nicht zielführend, da die Kollegen der Pathologie zur sicheren Diagnose von Malignität eine Invasionsgrenze vom Tumor übergehend in gesundes stromales Gewebe benötigen.

Diagnostik des frühen Zervixkarzinoms

Im Idealfall erfolgt die Diagnose eines Zervixkarzinoms (bzw. der Vorstufen) im Rahmen der überaus wichtigen Diagnostikkette: Zytologie – Kolposkopie – Histologie. Hier gilt das  Kongruenzprinzip. Die Ergebnisse von zytologischem Abstrich (in Deutschland noch durch die Pap-Terminologie klas-sifiziert, international inzwischen mit der Bethesda-Einteilung definiert) müssen korrelieren mit der – bei bestimmten Pap-Konstellationen veranlassten – Kolposkopie, die wiederum mit einer – wenn

Wichtig ist es, auch in untypischen Situationen an das Zervixkarzinom zu denken 

Für eine sichere histologische Diag-nose ist Biopsiematerial von der In-vasionsgrenze erforderlich

Abb. 1 9 Typisches kolposkopisches Bild einer hochgradigen Veränderung („major change“) mit histologisch per Probenent-nahme gesicherten schweren Dysplasie

Abb. 2 9 Typisches kolposkopisches Bild einer hochgradigen Veränderung („major change“) mit histologisch per Probenent-nahme gesicherter schwerer Dysplasie

Kontrolle

nicht schwanger

Schwanger

Operative Entfernung:Schlingenkonisationbei ektozervikalenLäsionenLaservaporisationFalls durchführbar:Endozervikale Kurettage → ECC

Siehe folgenderAlgorithmus → Abb.4�.

InvasivesKarzinom

KolposkopieBiopsie

ZytologiePap IVb

CIN IICIN III

CIN Ipersistiert,CIN III

CIN I

KolposkopieBiopsie

ZytologieRez.PaplllDPap IVa

Abb. 3 9 Therapie der präinvasiven Veränderungen der Zervix

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indiziert – durchzuführenden bioptischen Histologie korrelieren muss. . Abb. 1 und 2 zeigen typi-sche kolposkopische Befunde einer zervikalen intraepithelialen Neoplasie Grad 3.

Ein Teil der vermeidbaren Zervixkarzinome lässt sich auf Unkenntnis oder Fehlinterpretation dieser Korrelationskette zurückführen: Die Diagnostik von Zervixveränderungen ist erst abgeschlos-sen, wenn der Pap zum kolposkopischen Ergebnis und beides zur Histologie „passt“. Die Konisation als letzter Schritt der Diagnostikkette und erster Schritt der Therapiekette ist als diagnostischer Ein-griff auch indiziert, wenn Zytologie, Kolposkopie und Histologie nicht übereinstimmen. Dies kann gerade bei älteren Patientinnen mit einer nicht einsehbaren Transformationszone und/oder einer Zervixstenose auftreten. Aus diesem Grund wird die Transformationszone kolposkopisch in drei Gruppen eingeteilt:F  T1: vollständig einsehbar,F  T2: nach Spreizung einsehbar undF  T3: nicht einsehbar.

Konisationen sollten heute mit einer Elektroschlinge durchgeführt werden oder mit der sehr viel we-niger verbreiteten Lasertechnik. Die Konisation mit der Elektroschlinge hat sich als sicher und ef-fektiv gezeigt [8]. Die scharfe Messerkonisation hat im Vergleich ein ungünstigeres Nebenwirkungs-spektrum (AGO).

Die oben beschriebene Diagnostikkette ist zusammengefasst in . Abb. 3. Entscheidend ist dabei die  Befundkongruenz. Eine CIN-I-Histologie in der Kolposkopie erklärt keinen Pap IVB.

Spezielle Fragen an die Diagnostik

Tumormarker

Tumormarker spielen beim Zervixkarzinom nur eine untergeordnete Rolle. SCC („squamous cell carcinogen“) beim Plattenepithelkarzinom oder CEA/CA125 beim Adenokarzinom können zum  Therapiemonitoring eingesetzt werden [9], ohne dass ein klinischer oder diagnostischer Benefit bisher klar herausgearbeitet werden konnte.

Staging

Mit der histologischen Sicherung eines Zervixkarzinoms erfolgt der für die weitere Therapie alles entscheidende Schritt der Stadieneinteilung. Entsprechend der Vorgaben der Fédération Internatio-nal de Gynécologie et Obstétrique (FIGO) ist das Staging des Zervixkarzinoms nach wie vor rein kli-nisch, was immer noch mit den mangelnden operativen und apparativen Staging-Möglichkeiten der Niedrigeinkommenländer zusammenhängt, in denen die meisten Zervixkarzinome diagnostiziert und behandelt werden. Obwohl ein Staging für viele Patientinnen durch eine einfache gynäkologi-sche Untersuchung möglich ist, wird die obligatorische  rektovaginale Untersuchung von vielen Pa-tientinnen – und auch von Frauenärzten – als relativ belastend empfunden. Hier bietet eine Untersu-chung in Kurznarkose eine gute Alternative. Bei unklaren klinischen Situationen kann im Rahmen der Kurzdiagnose auch eine Zystoskopie und/oder eine Rektoskopie durchgeführt werden. In be-sonders komplexen Situationen kann auch eine Laparoskopie indiziert sein, die im Rahmen moder-ner (aber noch nicht verifizierter) Therapiekonzepte ggf. als  Staging-Laparoskopie mit einer pelvi-nen und/oder paraaortalen Lymphonodektomie kombiniert werden kann. Die Durchführung von CT- oder von PET-CT-Tests im Rahmen des Staging erfreut sich unterschiedlicher Popularität, hat sich in klinischen Studien aber immer wieder als wenig hilfreich erwiesen und sollte daher weiter-hin nur im Rahmen von klinischen Studien angeboten werden. Die AGO-S2k-Leitlinie erwähnt die Möglichkeit von MRT-Untersuchungen ab Stadium IB2. Das aktuelle FIGO-Staging ist in . Tab. 1 zusammengefasst [1].

Therapie

Die Therapieempfehlungen sind weltweit stark standardisiert mit nur geringen nationalen und loka-len Abweichungen. Eine Besonderheit insbesondere beim Plattenepithelkarzinom der Zervix ist die in Studien demonstrierte Äquivalenz von Operation und Strahlentherapie bei frühen Stadien. Die-

Ein Teil der vermeidbaren Zervix-karzinome ist auf Unkenntnis oder Fehlinterpretation der Korrelations-kette zurückzuführen

Tumormarker spielen beim Zervix-karzinom eine untergeordnete Rolle

Nach wie vor erfolgt das Staging des Zervixkarzinoms rein klinisch

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Tab. 1  FIGO-Klassifikation des Zervixkarzinoms

FIGO  

0 Carcinoma in situ

I Karzinom ist streng auf die Cervix uteri begrenzt (die Ausdehnung auf das Corpus uteri bleibt unbe-rücksichtigt)

I A Invasives Karzinom, das lediglich mikroskopisch identifiziert wird

I A1 Gemessene Stromainvasion von nicht mehr als 3 mm in der Tiefe und einer Oberflächenausdehnung von nicht mehr als 7 mm

I A2 Gemessene Stromainvasionstiefe von mehr als 3 mm und nicht mehr als 5 mm bei einer Oberflä-chenausdehnung von nicht mehr als 7 mm

I B Klinisch erkennbare Läsionen, begrenzt auf die Cervix uteri oder subklinische Läsionen mit größeren Maßen als Stadium IA

I B1 Klinisch erkennbare Läsionen, nicht größer als 4 cm

I B2 Klinisch erkennbare Läsionen, größer als 4 cm

II Zervixkarzinom infiltriert jenseits des Uterus, aber nicht bis zur Beckenwand und nicht bis zum unte-ren Drittel der Vagina

II A Infiltration jenseits des Uterus ohne Infiltration des Parametriums. Infiltration der oberen 2/3 der Vagina

IIB Mit Infiltration des Parametriums aber keine Ausbreitung zur Beckenwand

III Zervixkarzinom breitet sich bis zur Beckenwand aus und befällt das untere Drittel der Vagina und ver-ursacht Hydronephrose oder stumme Niere

III A Tumor befällt unteres Drittel der Vagina, keine Ausbreitung zur Beckenwand

III B Tumor breitet sich bis zur Beckenwand aus oder verursacht Hydronephrose oder stumme Niere

IV Tumor infiltriert Schleimhaut von Blase oder Rektum und/oder überschreitet die Grenzen des kleinen Beckens

IV A Ausbreitung auf angrenzende Organe des Beckens

IV B Ausbreitung auf entfernte Organe (Fernmetastasen)

se eher theoretische Äquivalenz muss mit den erheblichen lokalen Nebenwirkungen einer Radiatio mit Uterus in situ balanciert werden. Grundsätzlich hat sich durchgesetzt, die Operation als Metho-de der Wahl anzusehen, wenn gute Aussichten bestehen, durch Operation allein eine definitive The-rapie durchzuführen (Stadium IA1, IA2, Ib1) und um so zurückhaltender die Indikation zur Opera-tion zu stellen, umso wahrscheinlicher eine Radiatio wird (Stadium III). Zudem sind die anästhesio-logische Gesamtsituation unter Berücksichtigung internistischer Begleiterkrankungen und das Alter bei der Therapieentscheidung hinzuzuziehen. Obwohl auch für das Stadium IV Algorithmen entwi-ckelt wurden, ist hier fast jede Therapieentscheidung individuell zu treffen. Von besonderer Bedeu-tung für die individuelle Entscheidung ist das Vorliegen der bekannten Risikofaktoren, wie G3, und lymphovaskulärer Invasion.

Stadienabhängige Behandlung

Stadium Ia1Beim frühen, nur mikroskopisch diagnostizierten Zervixkarzinom kann – bei Kinderwunsch – die Konisation mit ausreichenden Sicherheitsabständen bzw. − wenn kein Kinderwunsch vorliegt − die einfache Hysterektomie akzeptabel sein (. Abb. 4). Beim Vorliegen des Risikofaktors L1 wird zu-sätzlich eine pelvine Lymphonodektomie empfohlen. Eine Adnexektomie ist aus onkologischer Sicht nicht indiziert.

Stadium Ia2Die Stadien Ia2 und Ib1 sind die klassischen Stadien für eine heute idealerweise nervensparende ra-dikale Hysterektomie (Piver I/II, Querleu/Morro B/C) mit pelviner Lymphonodektomie (. Abb. 5). Gerade bei diesen frühen Stadien bieten sich auch minimal-invasive Ansätze an. Bis zu einer Tumor-größe von 2 cm und in Abwesenheit zusätzlicher histologischer Risikofaktoren ist bei Kinderwunsch auch eine  fertilitätserhaltende radikale Trachelektomie möglich. Eine pelvine Lymphonodektomie ist in jedem Fall obligat. Die Technik der radikalen Hysterektomie, die heute besonders bei den o.g. Tumorstadien eine Darstellung und Schonung des  Plexus hypogastricus inferior beinhalten sollte

Besonders relevant ist das Vorliegen bekannter Risikofaktoren und lym-phovaskulärer Invasion

Bei Vorliegen des Risikofaktors L1 wird zusätzlich eine pelvine Lym-phonodektomie empfohlen

Bei frühen Stadien bieten sich auch minimal-invasive Ansätze an

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CME

besteht in der ausreichenden Mobilisation der Ureters weg von der Zervix, einer kompletten Präpa-ration von Spatium paravesicale und pararectale sowie des Spatium rectovaginale. Dies dient zum einen dazu, die Mitresektion einer ausreichenden Scheidenmanschette zu ermöglichen, zum ande-ren ermöglicht es, einen ausreichenden Parametrienanteil mitzuresezieren.

Stadium Ib1 Ab einer Tumorgröße von 2 cm wird von einem fertilitätserhaltenden Vorgehen abgeraten, sonst ent-spricht die Therapie den bereits unter Ia2 aufgeführten Grundregeln (. Abb. 6).

Stadium Ib2  Der schlüssigste onkologische Ansatz für die Therapie im Stadium Ib2 schlägt zunächst eine infra-mesenteriale paraaortale Lymphonodektomie vor – am besten laparoskopisch (. Abb. 7). Falls die-

Der schlüssigste Ansatz empfiehlt primär eine inframesenteriale para-aortale Lymphonodektomie

FIGO la2

PelvineLymphonodektomie

Konisation

Radikale TrachelektomiePelvine + parametraleLymphonodektomie

Radikale HysterektomiePiver Typ I

Pelvine + parametraleLymphonodektomie

Kinderwunsch

kein Kinderwunsch

Abb. 5 7 Therapie des Zervixkarzi-noms FIGO Ia2

FIGO Ib1

Tumor <2cmKeine RF

KeinKinderwunsch

RF= Risikofaktoren (lymphogen oder vaskuläre Beteiligung, G3)

Radikale HysterektomiePiver Typ II

pelvine + parametraleLymphonodektomie

Radikale Trachelektomiepelvine + parametraleLymphonodektomie

Tumor <2cm,RF vorhandenTumor >2cm

Kinderwu

nsch

Abb. 6 7 Therapie des Zervixkarzi-noms FIGO Ib1

Abb. 4 7 Therapie des Zervixkarzi-noms FIGO Ia1

FIGO la1

Konisation→ Freie Ränder ROKeine Risikofaktoren

KeinKinderwunsch

Kinderwunsch

KeinKinderwunsch

Kinderwunsch

RF=Risikofaktoren (lymphogene oder vaskuläre Beteiligung, G3)

Wiederholung KonisationOderRadikale HysterektomiePiver Typ Ipelvine + parametraleLymphonodektomie

Wiederholung KonisationOderRadikale TrachelektomiePelvine + parametraleLymphonodektomie

Einfache Hysterektomie

Kontrolle empfohlen

Konisation→ R+oderRisikofaktoren

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Page 8: Diagnostik und Primärtherapie des Zervixkarzinoms

CME

se Lymphknoten befallen sind, sollte die Lymphonodektomie paraaortal komplettiert werden. Sind auch die infrarenalen Lymphknoten befallen, sollte die weitere Behandlung eine Radio-Chemo-The-rapie sein. Gleiches gilt für die Stadien IIa und IIb.

Stadium IIa S. Stadium Ib2. Für die Stadien IIa und IIb ist die primäre Radio-Chemo-Therapie in Abhängigkeit vom Wunsch der Patientin bzw. der medizinischen Gesamtsituation der Patientin eine Alternati-ve (. Abb. 8). Allerdings kann gerade das frühe Stadium IIa mit nur geringer Scheidenbeteiligung technisch noch gut operabel sein.

Stadium IIb Siehe Stadium Ib2 und IIa. Die exakte Beurteilung zum Vorliegen eines  parametranen Befalls ist nicht absolut sicher, was bei der Therapieentscheidung (. Abb. 9) mit zu berücksichtigen ist: Manch ein IIb-Karzinom stellt sich als I-Karzinom heraus, weniger häufig ist die umgekehrte Variante.

Stadium IIINach einem noch nicht standardmäßig eingesetzten laparoskopischen chirurgischen Staging steht hier die  primäre Radio-Chemo-Therapie im Vordergrund (. Abb. 10).

Stadium IVTherapieentscheidungen im Stadium IV (. Abb. 11) sind immer individuell und orientieren sich auch an der pflegerischen bzw. palliativen Situation. Bei zentral lokalisierten Tumoren ohne Ausbrei-tung bis an die Beckenwand (hier ist die Narkoseuntersuchung und ggf. eine Staging-Laparoskopie von besonderer Wichtigkeit) kann vor dem Hintergrund von Alter und Gesamtmorbidität ein exen-teratives Verfahren erwogen werden. In ausgewählten Fällen kann ein solches Vorgehen hier sogar kurativ sein. In der Regel wird der erste Ansatz in diesem Stadium die primäre Radio-Chemo-The-rapie sein.

Adjuvante Radio-Chemo-Therapie

Einige Risikofaktoren ergeben sich erst nach pathologischer Begutachtung der Operationspräpara-te (Uterus, Lymphknoten, Biopsien). Entsprechend den Empfehlungen der Arbeitsgemeinschaft Gy-näkologische Onkologie (AGO) wird beim Vorliegen positiver Lymphknoten, bei Tumoren >4 cm, bei tiefer Stromainvasion, ausgeprägter parametraner Infiltration, unzureichender Lymphonodekto-mie (15 Lymphknoten pelvin, 10 Lymphknoten paraaortal), bei R1-Resektion, Grading 3 sowie beim Vorliegen ausgeprägter lymphovaskulärer Infiltration die Durchführung einer postoperativen adju-vanten Radio-Chemo-Therapie empfohlen.

Neue Therapiekonzepte

Aufgrund der niedrigen Inzidenz des Zervixkarzinoms in der industrialisierten Welt hat es sich als schwierig erwiesen, die zahlreichen Ideen zu neuen Therapieansätzen in ausreichend großen Stu-dien zu überprüfen..

In verschiedenen Publikationen vor allem aus Italien werden sehr interessante Konzepte zur Neo-adjuvanz mit platinhaltigen Chemotherapeutika vorgestellt, welche die Operation ermöglichen und die Inzidenz positiver Lymphknoten reduzieren. Hier bleiben die Ergebnisse der nächsten Jahre ab-zuwarten [10].

Ebenfalls von besonderer Bedeutung ist die von Prof. Michael Höckel aus Leipzig entwickelte  to-tale mesometriale Resektion (TMR), die von einer embryonalen Kompartmenttheorie ausgeht und – unter ausdrücklicher Berücksichtigung nervensparenden Operierens – auf besondere Radikali-tät bei der Resektion von Scheidenmanschette und Douglas-Peritoneum bzw. der Ligg. sacrouterina Wert legt, weniger aber auf eine radikale parametrane Resektion und diesen operativen Ansatz mit einem konsequenten Verzicht auf postoperative Radiatio kombiniert.

Ansätze, die tradierten Vorstellungen eines nach  lateral radikalen Vorgehens neu zu definie-ren, zeigen auch Studien aus Tschechien, die bei negativen Lymphknoten auf eine radikale Parame-trektomie verzichten und – in kleinen Serien – von unverändert niedrigen Rezidivraten berichten.

Bei zentral lokalisierten Tumoren ohne Ausbreitung bis an die Be-ckenwand kann ein exenteratives Verfahren erwogen werden

Einige Risikofaktoren zeigen sich erst nach pathologischer Begutach-tung der Operationspräparate 

Es gibt interessante Konzepte zur Neoadjuvanz mit platinhaltigen Chemotherapeutika 

398 |  Der Gynäkologe 5 · 2012

Page 9: Diagnostik und Primärtherapie des Zervixkarzinoms

CME

FIGO IIB

ObereparaaortaleLymphknotennegativ

ObereparaaortaleLymphknotenpositiv

Radikale HysterektomiePiver Typ III

Pelvine + ParaaortaleLymphonodektomie

AusreichendeVaginalmanschette

Radio-Chemotherapie

Alternativ(Wunsch des Patienten, Allgemeinzustand, erhöhtes Risiko bei OP)

Abb. 9 7 Therapie des Zervixkarzi-noms FIGO IIb

FIGO III Radio-Chemotherapie

ChirurgischesStaging

Abb. 10 7 Therapie des Zervixkarzi-noms FIGO III

FIGO IV

Exenterative Chirurgiefalls möglich(Allgemeinzustand, Alter,Co-Morbidität)

Alternativ(Wunsch des Patienten, Allgemeinzustand, erhöhtes Risiko bei OP)

Radio-Chemotherapie

Tumor-Ausbreitungzusätzlichaußerhalf deskleinen Beckens

Tumor-AusbreltungInnerhalb deskleinen Beckens

Abb. 11 7 Therapie des Zervixkarzi-noms FIGO IV

FIGO IIa

Alternativ(Wunsch des Patienten, Allgemeinzustand, erhötes Risiko bei OP)

Radio-Chemotherapie

Radikale HysterektomiePiver Typ II

Pelvine + paraaortaleLymphonodektomie

Große Vaginalmanschette

ObereparaaortaleLymphknotenpositiv

ObereparaaortaleLymphknotennegativ

Abb. 8 7 Therapie des Zervixkarzi-mons FIGO IIa

FIGO Ib2

Alternativ(Wunsch des Patienten, Allgemeinzustand, erhöhtes Risiko bei OP)

Radio-Chemotherapie

Radikale HysterektomiePiver Typ II/III

Pelvine + paraaortaleLymphonodektomie

Obere paraaortaleLymphknotenpositiv

Obere paraaortaleLymphknotennegativ

Abb. 7 7 Therapie des Zervixkarzi-noms FIGO Ib2

399Der Gynäkologe 5 · 2012  | 

Page 10: Diagnostik und Primärtherapie des Zervixkarzinoms

CME

Immer noch nicht eindeutig geklärt ist die Resektion des bestrahlten Uterus im Sinne eines „zen-tralen Segments“ nach primärer Radio-Chemo-Therapie, die gerade bei jungen Frauen eine wichti-ge psychologische Bedeutung hat, die allerdings gegenüber einer potenziell hohen Morbidität abge-wogen werden muss. Auch hier sind weitere Studien notwendig.

Nachsorge

Die Nachsorge nach abgeschlossener Zervixkarzinombehandlung beinhaltet die  Spekulumeinstel-lung, sowie die vaginale und idealerweise auch rektale Untersuchung. Gerade während der kritischen ersten drei Jahre erlauben kurze Nachsorgeintervalle von drei Monaten eine frühestmögliche Detek-tion eines Rezidivs. Lokal begrenzt wachsende Rezidive sind nach wie vor heilbar. Eine weiterfüh-rende Bildgebung sollte sich an den Symptomen der Patientin orientieren.

Therapeutische Sonderfälle

Noch in der klinischen Erprobung ist die systematische Anwendung einer  Sentinel-Lymphonodek-tomie. Dafür wird am Tag vor der Operation eine mit den Kollegen der Nuklearmedizin abgestimmte Menge von Technetium-Kolloid intrazervikal appliziert. Eine Narkose ist dafür nicht notwendig. Es folgt dann analog zur Sentinel-Technik beim Mammakarzinom eine Szintigraphie zur Dokumenta-tion der Anreicherung. Am nächsten Tag wird dann im Operationssaal zusätzlich intrazervikal Blau injiziert. Introperativ wird dann mit Hilfe einer  γ-Sonde sowie der blau markierten  Lymphabfluss-wege ggf. nach Eröffnen der Beckenwände der markierte Sentinel-Lymphknoten identifiziert und gezielt entfernt. Anders als beim Endometriumkarzinom hat sich die Technik beim Zervixkarzinom klinisch sinnvoll umsetzen lassen. Aufgrund der bisher noch überschaubaren und uneinheitlichen Datenlage wird aber nach wie vor eine Anwendung nur in Studien favorisiert [11, 12].

Fazit für die Praxis

F  Bei der Diagnose, insbesondere des frühen Zervixkarzinoms im Rahmen von Vorsorge und Screening, ist auffälligen Pap-Ergebnissen besondere Aufmerksamkeit zu widmen und frühzei-tig eine Kolposkopie zu veranlassen.

F  Das Management des Zervixkarzinoms ist stadienabhängig und folgt komplexen, aber exakt definierten Therapiealgorithmen. 

F  Wichtiger Faktor zur Therapieentscheidung beim frühen Zervixkarzinom ist die Frage nach dem Kinderwunsch.

F  Das frühe Zervixkarzinom ist die Domäne der operativen Therapie: stadienabhängig werden Konisation, Trachelektomie, einfache Hysterektomie, radikale Trachelektomie oder radikale Hys-terektomie durchgeführt.

F  Die Einteilung der radikalen Hysterektomien erfolgt nach der alten Klassifikation von Piver oder nach der neuen von Querleu/Morrow.

F  Operative Therapieansätze sollten – wenn möglich – nervenschonende Techniken berücksich-tigen und die Radikalität im Rahmen der Leitlinien dem Ausmaß des Tumors angeglichen wer-den.

F  Kann eine R0-Situation operativ von vornherein nicht erreicht werden, sollte eine primäre Ra-dio-Chemo-Therapie durchgeführt werden.

F  Bildgebende Verfahren spielen in der Diagnostik nur eine untergeordnete Rolle.

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. S. BeckerKlinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Universitätsklinikum Schleswig-HolsteinRatzeburger Allee 160, 23538 Lü[email protected]

Interessenkonflikt. Der korrespondierende Autor gibt für sich und seinen Koautor an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Lokal begrenzt wachsende Rezidive sind nach wie vor heilbar

Wie beim Mammakarzinom erfolgt eine Szintigraphie zur Dokumenta-tion der Anreicherung

Die Sentinel-Lymphknotentechnik lässt sich beim Zervixkarzinom kli-nisch sinnvoll umsetzen 

400 |  Der Gynäkologe 5 · 2012

Page 11: Diagnostik und Primärtherapie des Zervixkarzinoms

CME

Literatur 1. Beckmann MW et al (2008) Interdis-

ziplinäre S2-Leitlinie für die Diag-nostik und Therapie des Zervixkar-zinoms. Deutsche Krebsgesellschaf-ten e. V. (DKG) und Deutsche Gesell-schaft für Gynäkologie und Geburts-hilfe (DGGG). Version 2.0

2. Muñoz N, Bosch FX, Sanjosé S de et al (2003) Epidemiologic classification of human papillomavirus types asso-ciated with cervical cancer. N Engl J Med 348:518–527

3. Cuzick J, Szarewski A, Cubie H et al (2003) Management of women who test positive for high-risk types of human papillomavirus: the HART study. Lancet 362:1871–1876

4. Goodman MT, Shvetsov YB, McDuffie K et al (2008) Prevalence, acquisiti-on, and clearance of cervical human papillomavirus infection among wo-men with normal cytology: Hawaii Human Papillomavirus Cohort Study. Cancer Res 68(21):8813–8824

5. Khaengkhor P, Mairaing K, Suwanna-rurk K et al (2011) Prevalence of ab-normal cervical cytology by liquid based cytology in the antenatal care clinic, Thammasat University Hospi-tal. J Med Assoc Thai 94(2):152–158

6. Beckmann, Mehlhorn G, Thiel F et al (2005) Therapiefortschritte bei pri-mären Zervixkarzinom. Dtsch Arzt-ebl 102

7. Papanicolaou GN, Traut HF (1941) The diagnostic value of vaginal sme-ars in carcinoma of the uterus. Am J Obstet Gynecol 42:193

8. Huang LW, Hwang JL (1999) A com-parison between loop electrosurgi-cal excision procedure and cold kni-fe conization for treatment of cer-vical dysplasia: residual disease in a subsequent hysterectomy specimen. Gynecol Oncol 73(1):12–15

9. Lee YY, Choi CH, Sung CO et al (2011) Prognostic value of pre-treatment circulating monocyte count in pati-ents with cervical cancer: Compari-son with SCC-Ag level. Gynecol On-col

10. Manci N, Marchetti C, Di Tucci C et al (2011) A prospective phase II study of topotecan (Hycamtin®) and cispla-tin as neoadjuvant chemotherapy in locally advanced cervical cancer. Gy-necol Oncol 122(2):285–290

11. Bats AS, Buénerd A, Querleu D et al (2011) SENTICOL collaborative group. Diagnostic value of intraope-rative examination of sentinel lymph node in early cervical cancer: a pro-spective, multicenter study. Gynecol Oncol 123(2):230–235

12. Cormier B, Diaz JP, Shih K et al (2011) Establishing a sentinel lymph no-de mapping algorithm for the treat-ment of early cervical cancer. Gyne-col Oncol 122(2):275–280

401Der Gynäkologe 5 · 2012  | 

Page 12: Diagnostik und Primärtherapie des Zervixkarzinoms

D Mitmachen, fortbilden und CME-Punkte sichern unter: springermedizin.de/eAkademie

 ?Bei einer 25-jährigen Patientin liegt ein rezidivierender Pap IVa vor. Die Kolpo-skopie ergibt den Eindruck eines CIN I, die sich histologisch aber nicht bestätigt. Die nächsten Schritte sind:

Wiedervorstellung der Patientin zur er-neuten Kolposkopie in 6 Monaten

Wiedervorstellung der Patientin zur Pap-Kontrolle in 3 Monaten

Wiedervorstellung der Patientin zur Laser-therapie

Wiedervorstellung der Patientin zur Koni-sation

Wiedervorstellung der Patientin zur intra-zervikalen Kryotherapie

 ?Bei einer 35-jährigen Patientin ergibt sich klinisch der Eindruck eines Zervix-karzinoms T1. Wovon hängt die weitere Therapieentscheidung nicht ab?

Histologie: Zervixkarzinom vs. Adenokar-zinom

Kinderwunschsituation der Patientin Lymphknotenstatus der Patientin Histologie: lymphovaskuläre Invasion Stadium des Tumors

 ?Bei einer 28-jährigen Patientin mit aus-geprägtem Kinderwunsch liegt ein histo-logisch gesichertes Adenokarzinom der Portio vor. Eine Narkoseuntersuchung ergibt ein klinisches Stadium T1b1 (Tu-mor ca. 1 cm). Wie sieht die beste Strate-gie für die Patientin aus?

Empfehlung einer radikalen Hysterekto-mie mit Adnexektomie, da bei Adenokar-zinomen ein Adnexerhalt grundsätzlich nicht möglich ist und eine Schwanger-schaft daher ohnehin nicht mehr in Frage kommt

Empfehlung einer Messerkonisation, um das genaue Ausmaß des Tumors festzule-gen

Durchführung einer laparoskopischen pel-vinen Lymphonodektomie. Für den Fall eines negativen Lymphknotenstatus kann der Patientin die Option einer radikalen Trachelektomie angeboten werden.

Durchführung einer präoperativen CT-Untersuchung zur Determinierung des Lymphknotenstatus.

Durchführung einer präoperativen MRT-Untersuchung zur Bestimmung der exak-ten Tumorausdehnung.

 ?Bei einer 79-jährigen Patientin liegt ein großer T1-Tumor vor (Durchmesser 7 cm). Welche Therapieoptionen sollten mit der Patientin besprochen werden?

Primäre Chemotherapie zum Down-Sta-ging des Tumors, dann Operation als Stan-dard-Therapie

Primäre Radio-Chemo-Therapie, dann ra-dikale Hysterektomie

Explorativlaparotomie und Lymphonod-ektomie, gefolgt von lokaler Radiatio

Beurteilung der internistischen Gesamtsi-tuation, dann Diskussion von primärer Ra-dio-Chemo-Therapie vs. operativer Thera-pie

Konisation zur exakten Beurteilung der Tu-morausdehnung, dann Entscheidung über Operation vs. Radiatio

 ?Bei einer 25-jährigen Patientin liegt ein die Blase infiltrierendes Plattenepithel-karzinom mit unklarer gynäkologischer Ausbreitung vor. Wie sind die weiteren Schritte?

Primäre Vorbereitung der Patientin zur vorderen Exenteratio mit Anlage einer Neoblase

Durchführung einer Narkoseuntersu-chung zur Beurteilung der lateralen Aus-dehnung, ggf. laparoskopische Abklärung der intraperitonealen Situation sowie der paraaortalen Ausdehnung, dann Entschei-dung über exenteratives Verfahren

Primäre Radio-Chemo-Therapie gefolgt von sekundärer Exenteratio und Anlage einer Neoblase

Neoadjuvante Chemotherapie gefolgt von Staging-Laparoskopie

Intravesikale neoadjuvante Chemothera-pie kombiniert mit tumorfokussierter Be-strahlung und HPV-spezifischer antikör-perassoziierter Chemotherapie

 ?In der Nachsorge bei Zustand nach Zer-vixkarzinomtherapie sind folgende Maß-nahmen nicht klinisch relevant:

Spekulumeinstellung Kurze Zeitintervalle in den ersten zwei

Jahren (drei Monate) vaginale Untersuchung CT-Untersuchung des Beckens rektale Untersuchung

 ?Die jährliche Inzidenz des Zervixkarzi-noms in Deutschland beträgt ungefähr...

3/100.000 Frauen. 50/100.000 Frauen. 100/100.000 Frauen. 13/100.000 Frauen. 1,3/100.000 Frauen.

 ?Laut AGO-Leitlinien sind Risikofakto-ren, die für eine adjuvante Radio-Che-mo-Therapie sprechen, alle folgenden, außer:

R1-Situation lymphovaskuläre Invasion (L1) G3 tiefe parametrane Infiltration positive Lymphknoten

 ?Neue Therapiekonzepte beim Zervix-karzinom, die sich in den nächsten Jah-ren noch in größeren Studien bewähren müssen sind alle, außer:

neoadjuvante Chemotherapie vor Opera-tion

HPV-Impftherapien bei Stadium IIIB

402 |  Der Gynäkologe 5 · 2012

Bitte beachten Sie: F Teilnahme nur online unter:

springermedizin.de/eAkademieF Die Frage-Antwort-Kombinationen werden

online individuell zusammengestellt. F Es ist immer nur eine Antwort möglich.

CME-Fragebogen kostenfreie Teilnahme am e.CME für Zeitschriftenabonnenten

Page 13: Diagnostik und Primärtherapie des Zervixkarzinoms

nervensparende Operationsmethoden totale mesometriale Resektion zentrale Segmentresektion nach primärer

Radio-Chemo-Therapie

 ?Welche Stadien-Therapie-Zuordnung ist richtig?

IaI – radikale Hysterektomie mit pelviner Lymphonodektomie

IIIb – paraaortale Lymphonodektomie – wenn negativ: radikale Hysterektomie IVb – primäre Exenteratio

Ib1– radikale Hysterektomie und pelvine Lymphonodektomie

IIb – Sentinel-Lymphonodektomie, wenn positiv: Exenteratio

Diese Fortbildungseinheit ist 12 Monate auf springermedizin.de/eAkademie verfügbar. Dort erfahren Sie auch den genauen Teilnahmeschluss. Nach Ablauf des Zertifizierungszeitraums können Sie diese Fortbildung und den Fragebogen weitere 24 Monate nutzen.

CME.springer.de wird zur e.Akademie

Die e.Akademie von Springer Medizin ist die Weiterent-wicklung von CME.springer.de und bietet Ihnen ein noch umfassenderes und moderneres Fortbildungsangebot: Mehr als 1500 Fortbildungsmodule, neue e.Learningforma-te und multimediale Elemente machen Ihre Fortbildung und das Sammeln von CME-Punkten noch flexibler und komfortabler.

e.CME: Als Zeitschriftenabonnent stehen Ihnen in der e.Akade-mie nach wie vor alle zertifizierten Fortbildungsbeiträge Ihrer Zeitschrift als e.CME zur Verfügung. Darüber hinaus haben Sie künftig die Möglichkeit, Beiträge Ihrer Zeitschrift, deren Zertifi-zierungszeitraum abgelaufen ist, weiterhin für Ihre Fortbildung und persönlichen Wissenscheck zu nutzen.

7 Der direkte Weg zur e.Akademie unterspringermedizin.de/eAkademie

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Das e.Tutorial ist speziell für die Online-Fortbildung konzipiert und didaktisch optimiert. Klar gegliederte Lernabschnitte, be-sondere Hervorhebung von Merksätzen, zoomfähige Abbil-dungen und Tabellen sowie verlinkte Literatur erleichtern das Lernen und den Erwerb von CME-Punkten.

Das e.Tutorial.plus bietet multimedialen Zusatznutzen in Form von Audio- und Videobeiträgen, 3D-Animationen, Experten-interviews und weiterführende Informationen. CME-Fragen und Multiple-Choice-Fragen innerhalb der einzelnen Lernabschnitte ermöglichen die Lernerfolgskontrolle.

7 Weitere Informationen zum e.Med-Komplettpaket und Gratis-Testangebot unter springermedizin.de/eMed

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