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Deutscher Bundestag Drucksache 2265dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/022/1602265.pdf · Drucksache...

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Deutscher Bundestag Drucksache 16/2265 16. Wahlperiode 14. 07. 2006 Zugeleitet mit Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 13. Juli 2006 gemäß Beschluss vom 31. Januar 2002 (Bundestagsdrucksache 14/5216). Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung zur Umsetzung der Empfehlung des Zentralen Kreditausschusses zum Girokonto für jedermann Inhaltsverzeichnis Seite I. Einführung/Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 II. Berichtsauftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 III. Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 1. Empfehlung des Zentralen Kreditausschusses (ZKA) vom Juni 1995 . . 4 2. Bisherige Berichte der Bundesregierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 a) Der erste Bericht der Bundesregierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 b) Der zweite Bericht der Bundesregierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 c) Der dritte Bericht der Bundesregierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 3. Beschluss des Deutschen Bundestages vom 30. Juni 2004 . . . . . . . . . . 6 IV. Stand der Umsetzung der ZKA-Empfehlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 1. Datenerhebung zur weiteren Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 2. Datenmaterial/Ausgangslage: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 a) Entwicklung der Zahl der Girokonten für jedermann und Struktur der Kontoinhaber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 b) Entwicklung der Zahl der Personen ohne Girokonto . . . . . . . . . . . . . . . 9 c) Kontolosigkeit und Barzahlung als Kostenfaktor . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 d) Ablehnungs- und Kündigungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 e) Tätigkeit der Beschwerdestellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 f) Kontopfändung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 g) Parallele Entwicklungen in anderen europäischen Ländern . . . . . . . . . . 18 3. Erkenntnisse der Bundesregierung und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 4. Erfahrungen der Bundesagentur für Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
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Deutscher Bundestag Drucksache 16/226516. Wahlperiode 14. 07. 2006

Unterrichtungdurch die Bundesregierung

Bericht der Bundesregierung zur Umsetzung der Empfehlung des Zentralen Kreditausschusses zum Girokonto für jedermann

I n h a l t s v e r z e i c h n i s

Seite

I. Einführung/Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3

II. Berichtsauftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4

III. Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4

1. Empfehlung des Zentralen Kreditausschusses (ZKA) vom Juni 1995 . . 4

2. Bisherige Berichte der Bundesregierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5a) Der erste Bericht der Bundesregierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5b) Der zweite Bericht der Bundesregierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5c) Der dritte Bericht der Bundesregierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

3. Beschluss des Deutschen Bundestages vom 30. Juni 2004 . . . . . . . . . . 6

IV. Stand der Umsetzung der ZKA-Empfehlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

1. Datenerhebung zur weiteren Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

2. Datenmaterial/Ausgangslage: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8a) Entwicklung der Zahl der Girokonten für jedermann und Struktur

der Kontoinhaber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8b) Entwicklung der Zahl der Personen ohne Girokonto . . . . . . . . . . . . . . . 9c) Kontolosigkeit und Barzahlung als Kostenfaktor . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11d) Ablehnungs- und Kündigungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13e) Tätigkeit der Beschwerdestellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14f) Kontopfändung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16g) Parallele Entwicklungen in anderen europäischen Ländern . . . . . . . . . . 18

3. Erkenntnisse der Bundesregierung und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

4. Erfahrungen der Bundesagentur für Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20

Zugeleitet mit Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 13. Juli 2006 gemäß Beschluss vom 31. Januar2002 (Bundestagsdrucksache 14/5216).

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Drucksache 16/2265 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Seite

V. Bewertung der vorliegenden Daten und der aktuellen Situation . . . 20

1. Erfahrungen und Bewertung durch die Kreditwirtschaft . . . . . . . . . . . . 20

2. Erfahrungen und Bewertung durch die Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AG SBV) und den Verbraucherzentrale Bundesverband e. V. (vzbv) . . . . . . . . . . . . . . . . . 22

VI. Bewertung und Handlungsempfehlungen der Bundesregierung . . . 24

Anlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29

1. ZKA-Empfehlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29

2. ZKA-Vordruck für Kundenbeschwerden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30

3. Vordrucke zur Begründung einer Kontoablehnung/-kündigung (DG-Verlag, Bank-Verlag, DSGV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/2265

I. Einführung/VorbemerkungDem unbaren Zahlungsverkehr kommt im Wirtschafts-kreislauf eine besondere Bedeutung zu. In den alten Mit-gliedstaaten der Europäischen Union (EU-15) werdenjährlich mehr als 57 Milliarden unbare Transaktionendurch Retailkunden und Unternehmen mittels Überwei-sung, Lastschrift, Karten- oder Scheckzahlung im Mas-senzahlungsverkehr abgewickelt. Allein auf Deutschlandentfällt dabei ein Anteil von fast 25 Prozent. Im Jahre2003 tätigte jeder Einwohner 162 unbare Transaktionen;im europäischen Vergleich belegte Deutschland damit ei-nen Mittelplatz.1

Allein diese Zahlen und die bevorstehenden rasanten Ent-wicklungen im grenzüberschreitenden Massenzahlungs-verkehr innerhalb und außerhalb der Europäischen Unionbeschreiben eindrucksvoll die Tatsache, dass ein Giro-konto als Bindeglied zum Wirtschaftskreislauf und damitfür die gewöhnliche Lebensführung in unserer Wirt-schaftswelt nicht mehr wegzudenken ist. Der Verlust oderdie Verweigerung des Girokontos haben einen Ausschlussvom bargeldlosen Zahlungsverkehr zur Folge. Dies führtzu wesentlichen Belastungen der Betroffenen aber auchder Allgemeinheit.

Ein Girokonto ist für die wirtschaftliche Integration unddie Integration auf dem Arbeitsmarkt unentbehrlich. Kon-tolosigkeit und damit der Ausschluss vom bargeldlosenZahlungsverkehr sind nicht nur finanziell nachteilig, son-dern beschränken die Betroffenen in ihrer wirtschaftli-chen Handlungsfreiheit und können existenzbedrohendsein. Die Teilnahme am bargeldlosen Zahlungsverkehr istin der modernen Finanzdienstleistungsgesellschaft Aus-weis von Bonität: Häufig werden kein Mietvertrag, keinStromliefervertrag, kein Festnetzanschluss und in der Re-gel auch kein Arbeitsvertrag ohne die Erteilung einer Ein-zugsermächtigung für ein Girokonto oder den Nachweiseiner Kontoverbindung abgeschlossen. Um die notwendi-gen Zahlungsvorgänge vornehmen zu können, müssenkontolose Privathaushalte Bareinzahlungen und -über-weisungen veranlassen.

Girokonten sind daher ein unverzichtbares Vehikel alsTor für die Teilhabe am bargeldlosen Zahlungsverkehr.Girokonten dienen hierbei der Abwicklung grundsätzlichaller Bankgeschäfte, insbesondere der Verbuchung vonSichteinlagen, d. h. täglich fälliger Gelder. Grundlage fürdas Girokonto ist der Girovertrag. Der Inhalt des Girover-trages ist mit dem Überweisungsgesetz vom 21. Juli19992 ausdrücklich in § 676f des Bürgerlichen Gesetzbu-ches (BGB) geregelt worden: Danach wird das Kreditin-stitut durch den Girovertrag verpflichtet, für den Kundenein Girokonto einzurichten, eingehende Zahlungen aufdem Konto gutzuschreiben und abgeschlossene Überwei-sungsverträge zu Lasten des Kontos abzuwickeln.

Die Bedeutung des Girokontos als Portal zum unbarenZahlungsverkehr für den Einzelnen ist heute größer dennje. Über Konten getätigte unbare Zahlungen haben die

Bargeldzahlung in vielen Bereichen des Geschäftsver-kehrs zur Marginalie gemacht. Auch der Staat forciert ge-genwärtig die Reduktion von Barzahlungen in der öffent-lichen Verwaltung; dies gilt auch für die Justiz. In derFinanzverwaltung sind gemäß § 224 Abs. 3 Satz 1 derAbgabenordnung Zahlungen (z. B. Steuererstattungen)grundsätzlich unbar zu leisten.

Es besteht darüber hinaus aus vielfältigen Gründen eingrundsätzliches öffentliches Interesse daran, das Zah-lungsströme des Einzelnen über Konten in Netzwerken li-zenzierter Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute ab-gewickelt werden. Die Situation in den VereinigtenStaaten von Amerika, in denen 25 Prozent der Bevölke-rung ohne Konto ist3, zeigt, dass Geldwäscheaktivitätenin vielen Fällen durch Finanzströme, die nicht über Kon-ten fließen, gefördert wird. Der Ausschluss oder dieNichtteilnahme des Einzelnen am Zahlungsverkehr führtdazu, dass Zahlungen intransparent abgewickelt werden,etwa über Konten, deren Inhaber Dritte sind (Strohmann-konten) oder Unternehmen genutzt werden, die unlizen-ziert am Markt operieren (Schattenbanken). Der Gesetz-geber hat dem Transparenzgebot durch verschiedeneNormen (§ 8 Geldwäschegesetz, § 1 Abs. 1a Nr. 6 sowie§ 25b Kreditwesengesetz) Rechnung getragen. Durch dienationale Umsetzung der Dritten Geldwäscherichtlinievom 26. Oktober 20054 muss dem Transparenzgebot be-züglich der Nutzung von Konten durch Dritte und beiBartransaktionen noch stärker Rechnung getragen wer-den.

Obgleich eine hohe Versorgungsdichte mit Girokonten inder Bundesrepublik Deutschland besteht, haben de factonach wie vor eine Vielzahl von Bürgerinnen und Bürgernbisher kein privates Girokonto bzw. ist eine mit diesenbereits bestehende Kontoverbindung seitens der Kredit-institute in der Vergangenheit beendet bzw. gekündigtworden. Dieser Sachverhalt ist zwischen der Kreditwirt-schaft, den Verbraucherschutzverbänden und der Bundes-regierung unstreitig. Strittig ist lediglich die Dimensiondieses Problems.

Die Gründe hierfür sind vielschichtig: Konten werdenvon den Kreditinstituten nicht eröffnet oder gekündigt,weil z. B. Mehrfachpfändungen das Konto über Gebührbelasten, über den Kunden negative SCHUFA5-Aus-künfte eingeholt worden sind bzw. eine Kontoverbindungaus anderen Gründen für das Kreditinstitut nicht zumut-bar ist oder erscheint. Darüber hinaus können geschäftli-che Entscheidungen von Kreditinstituten eine Rolle spie-len, Kontoverbindungen im Retailgeschäft für bestimmteKundengruppen nicht aufrechtzuerhalten bzw. nicht zueröffnen. Im Übrigen können Sachverhalte eine Rollespielen, bei denen Kunden überhaupt kein Konto eröffnenwollen, etwa weil ihnen die (Mit-)Nutzung von Konten

1 Vergleiche Deutsche Bundesbank, Monatsbericht Dezember 2005.2 BGBl. 1999 I S. 1642.

3 Vergleiche Economist vom 6. Mai 2006, S. 80.4 Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Verhinde-

rung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäscheund der Terrorismusfinanzierung vom 26. Oktober 2005, 2005/60/EG, ABl. L 309 vom 25. November 2005.

5 SCHUFA steht für die Schutzgemeinschaft für die allgemeine Kre-ditsicherung.

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Drucksache 16/2265 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Dritter ermöglicht wird und beim Kunden ein Interessebesteht, als Kontoinhaber im Geschäftsleben und gegen-über öffentlichen Stellen nicht in Erscheinung zu treten.

Mit dem Verlust des vorhandenen bzw. mit der Nichter-öffnung eines privaten Girokontos kann eine wirtschaftli-che und soziale Ausgrenzung verbunden sein, wenn alleGeldtransfers in der Bundesrepublik Deutschland undperspektivisch mit Blick auf einen paneuropäischen Zah-lungsverkehrsraum nur noch bargeldlos abgewickelt wer-den.

Hinzu können finanzielle und weitere soziale Folgen ein-treten. Bei der Bewerbung um einen Arbeitsplatz oder beider Suche nach einer Wohnung wird die Tatsache, keineBankverbindung angeben zu können, schnell zum Stigma.Auch sind Bareinzahlungen und Baranweisungen – we-gen der damit auf Seiten der Kreditinstitute verbundenenBearbeitungsaufwände – mit überdurchschnittlichen Ge-bühren (bzw. Abschlägen) verbunden, was in der Summenicht unbeträchtliche finanzielle Einbußen mit sich bringt.

II. Berichtsauftrag

Der Deutsche Bundestag hat in seiner 178. Sitzung am5. Juni 1997 aufgrund des Berichtes und der Beschluss-empfehlung des Finanzausschusses6 eine Entschließungzum Girokonto für jedermann angenommen. Darin for-dert er die Bundesregierung auf, ihm über die weitereUmsetzung der Empfehlung Girokonto für jedermann derim Zentralen Kreditausschuss zusammengeschlossenenVerbände der Kreditwirtschaft bis zum 31. Dezember1999 erneut zu berichten. Der zweite Bericht der Bundes-regierung zum Girokonto für jedermann wurde am 6. Juni2000 vorgelegt7.

Zu diesem zweiten Bericht hat der Deutsche Bundestag inseiner 215. Sitzung am 31. Januar 2002 aufgrund der Be-schlussempfehlung des Finanzausschusses8 eine weitereEntschließung zum Girokonto für jedermann angenom-men. Darin fordert er die Bundesregierung auf, alle zweiJahre einen Bericht über die weitere Umsetzung der Emp-fehlung des Zentralen Kreditausschusses, die Wirkungder Beschwerdestellen und die Struktur der Inhaber vonGirokonten für jedermann (Jugendliche, überschuldeteHaushalte, Sozialhilfebezieher) als Grundlage für diePrüfung einer gesetzlichen Regelung vorzulegen und dasProblem der Mehrfachpfändungen bei der Neuregelungder Pfändungsfreigrenzen zu beachten.

In der Folge hat der Deutsche Bundestag in seiner weite-ren Entschließung zu dem im Jahre 2004 vorgelegten drit-ten Bericht der Bundesregierung9 entsprechend derBeschlussempfehlung und des Berichts des Finanzaus-schusses10 in seiner 116. Sitzung am 30. Juni 2004 dieBundesregierung zudem aufgefordert,

1. auf die Kreditwirtschaft in geeigneter Weise einzu-wirken, verwertbare Daten vorzulegen, aus denenhervorgeht, wie oft und weshalb die Kreditinstitutedie Einrichtung eines Girokontos ablehnen oder einsolches Konto kündigen; die Datenerhebung soll je-doch keine Überbürokratisierung herbeiführen;

2. sich dafür einzusetzen, dass die Selbstverpflichtungder Kreditwirtschaft dahin gehend ergänzt wird, dassdie Kündigung von Girokonten und die Ablehnungeines beantragten Girokontos schriftlich begründetund auf die Möglichkeit der kostenlosen Inanspruch-nahme einer Schlichtungsstelle deutlich hingewiesenwird;

3. darauf hinzuwirken, dass die Schlichtungsstellensämtliche Beschwerden von Kunden über die Ableh-nung oder Kündigung von Girokonten entgegenneh-men. Unabhängige Personen sollen diese zeitnah prü-fen. Die Schlichtersprüche sollen in geeigneter Formveröffentlicht werden.

Aufgrund der genannten Entschließungen ist in diesemJahr ein weiterer Bericht der Bundesregierung zur Umset-zung der Empfehlung des Zentralen Kreditausschusseszum Girokonto für jedermann vorzulegen.

III. Hintergrund 1. Empfehlung des Zentralen Kredit-

ausschusses vom Juni 1995Aufgrund der öffentlichen Diskussion Mitte der neunzi-ger Jahre zu einer Vielzahl von Fällen, in denen es zu Pro-blemen bei der Eröffnung und im Zusammenhang mit derKündigung von Girokonten gekommen war, haben die imZentralen Kreditausschuss (ZKA) zusammengeschlosse-nen Spitzenverbände der Kreditwirtschaft (Bundesver-band deutscher Banken [BdB], Bundesverband der Deut-schen Volksbanken und Raiffeisenbanken [BVR],Deutscher Sparkassen- und Giroverband [DSGV], Bun-desverband Öffentlicher Banken Deutschlands [VÖB]und Verband Deutscher Pfandbriefbanken [vdp]) im Jahre1995 gegenüber ihren Mitgliedsinstituten die ZKA-Emp-fehlung zum Girokonto für jedermann ausgesprochen.Nach dieser Empfehlung, die allerdings gegenüber denMitgliedsinstituten keinerlei rechtliche Bindungswirkunghat und auch die Verbände zu nichts verpflichtet, sollenalle Kreditinstitute, die Girokonten für alle Bevölke-rungsgruppen führen, für jede Bürgerin und jeden Bürgerin ihrem jeweiligen Geschäftsgebiet auf Wunsch einGirokonto führen.

Der Kunde soll durch das in der Empfehlung angespro-chene Girokonto für jedermann die Möglichkeit zur Ent-gegennahme von Gutschriften, zu Barein- und -auszah-lungen sowie zur Teilnahme am Überweisungs- bzw.Zahlungsverkehr erhalten. Überziehungen braucht dasKreditinstitut allerdings nicht zuzulassen. Jedem Institutsoll es freigestellt sein, darüber hinausgehende Bank-dienstleistungen anzubieten.

Die Bereitschaft zur Kontoführung soll unabhängig vonArt und Höhe der Einkünfte, z. B. Arbeitslosengeld II,

6 Vergleiche Bundestagsdrucksache 13/7627.7 Vergleiche Bundestagsdrucksache 14/3611.8 Vergleiche Bundestagsdrucksache 14/5216.9 Vergleiche Bundestagsdrucksache 15/2500.10 Vergleiche Bundestagsdrucksache 15/3274.

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/2265

Sozialhilfe gegeben sein. Auch Eintragungen bei derSCHUFA, die auf schlechte wirtschaftliche Verhältnissedes Kunden hindeuten, sollen allein kein Grund für dasInstitut sein, die Führung eines Girokontos zu verwei-gern. Die Empfehlung soll nur dann nicht greifen, wennder Kunde bereits über ein Girokonto verfügt oder dieKontoführung für das Kreditinstitut unzumutbar ist. ImFall der Unzumutbarkeit darf die Bank auch ein bestehen-des Konto kündigen. Die ZKA-Empfehlung enthält einenicht abschließende Aufzählung möglicher Unzumutbar-keitsgründe.

Der vollständige Wortlaut der ZKA-Empfehlung ergibtsich aus der Anlage.

Für den Bereich der öffentlich-rechtlich organisiertenSparkassen gelten folgende Besonderheiten:

Obwohl die öffentliche Rechtsform alleine die Sparkassennoch nicht im Rechtssinne dazu verpflichtet, jedermannein Girokonto auf Guthabenbasis anzubieten, spielen dieInstitute der Sparkassen-Finanzgruppe in Deutschlandbeim Zugang zum bargeldlosen Zahlungsverkehr auf-grund ihrer starken Stellung im Retailgeschäft und ihrerPräsenz in der Fläche eine bedeutende Rolle.

Die Hälfte aller Sparkassengesetze bzw. -verordnungender Länder, in deren Gesetzgebungskompetenz die Spar-kassen fallen, enthalten inzwischen zudem ausdrücklicheRegelungen über die Verpflichtung zur Führung von Giro-konten für Personen mit Wohnsitz in ihrem Geschäftsbe-zirk (Kontrahierungszwang). Entsprechende Vorschriftenbestehen in allen neuen Bundesländern (Brandenburg,Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt undThüringen) sowie in Bayern, Nordrhein-Westfalen undRheinland-Pfalz.

In zwei Bundesländern (Hessen und Schleswig-Holstein)enthalten zwar nicht die jeweiligen Sparkassengesetze,aber die Mustersatzungen des regionalen Sparkassen- undGiroverbandes die Verpflichtung zur Führung von Giro-konten. Die Mustersatzungen werden regelmäßig zurGrundlage für die Geschäftstätigkeit der Mitgliedsspar-kassen gemacht; Abweichungen bedürften der Genehmi-gung durch die zuständige Aufsichtsbehörde.

Alle diese Regelungen, unabhängig davon, ob diese inden jeweiligen Sparkassengesetzen oder in den Muster-satzungen enthalten sind, enthalten auch Ausnahmen vomKontrahierungszwang (siehe dazu unter Abschnitt IV.Nr. 2 Buchstabe d „Ablehnungs- und Kündigungsgründe“).

Über die spezifischen Auswirkungen dieser bestehendensparkassenrechtlichen Verpflichtung zur Führung vonGirokonten liegen für die einzelnen Regionen keine be-lastbaren Aussagen oder Vergleichswerte zur Handha-bung des Girokontos für jedermann im Bereich der Pri-vatbanken vor.

2. Bisherige Berichte der Bundesregierunga) Der erste Bericht der Bundesregierung

Der Finanzausschuss des Deutschen Bundestages hattedie Bundesregierung bereits im September 1995 um einen

Bericht zu den Auswirkungen der ZKA-Empfehlung ge-beten. Die Bundesregierung ist diesem Auftrag im Sep-tember 1996 nachgekommen.

Der Deutsche Bundestag begrüßte in seiner hierzu gefass-ten Entschließung11 zum einen die mit dieser Empfehlungdes Zentralen Kreditausschusses eingetretenen Fort-schritte in diesem Bereich. Er stellte aber andererseitsauch fest, dass es in einer Anzahl von Fällen zu Schwie-rigkeiten bei der Umsetzung der Empfehlung gekommensei. Wegen der Bedeutung des Fragenkomplexes werdeder Deutsche Bundestag zudem die Entwicklung in die-sem Bereich und insbesondere die weitere Umsetzung derEmpfehlung auch in Zukunft aufmerksam verfolgen. Erforderte daher die Bundesregierung auf, ihm über dieweitere Umsetzung der Empfehlung bis zum 31. Dezem-ber 1999 erneut zu berichten.

Der Deutsche Bundestag ging hierbei davon aus, dass diedeutsche Kreditwirtschaft hierfür aussagekräftiges Daten-material zur Umsetzung der Empfehlung vorlegen wird.Dies gelte insbesondere für Datenmaterial im Hinblickauf die Anzahl der eröffneten und geführten Konten aufGuthabenbasis und die Erfassung der Gründe, die im Ein-zelfall zu einer Ablehnung der Kontoeröffnung bzw. de-ren Kündigung geführt haben.

Vor diesem Hintergrund wurde die Einführung einer ge-setzlichen Regelung von der Bundesregierung seinerzeitnicht als geboten erachtet.

b) Der zweite Bericht der Bundesregierung

Nach den zum damaligen Zeitpunkt vorliegenden Datenund Erkenntnissen der Bundesregierung hatte sich die Si-tuation seit Sommer 1996 grundsätzlich gebessert. Dermit der ZKA-Empfehlung beschrittene Weg einer freiwil-ligen Regelung durch die Kreditwirtschaft hatte sich nachder damaligen Auffassung der Bundesregierung grund-sätzlich bewährt. Trotz dieser aus Sicht der Bundesregie-rung grundsätzlich positiven Entwicklung zeigten die zudieser Thematik vorliegenden Eingaben allerdings, dasses nach wie vor Fälle gab, in denen Kreditinstitute dieZKA-Empfehlung nicht beachteten und eine Ablehnungder Kontoeröffnung beziehungsweise Kontokündigungzu Unrecht erfolgte. Vor diesem Hintergrund bestandnach Auffassung der Bundesregierung weiterhin Hand-lungsbedarf. Die Bundesregierung regte die konsequenteund flächendeckende Umsetzung der ZKA-Empfehlungan und postulierte die Ergänzung der Empfehlung um ei-nen Passus, demzufolge Kunden sich bei einer – aus ihrerSicht zu Unrecht erfolgten Ablehnung einer Kontoeröff-nung bzw. Kontokündigung – an eine zuständige Stelleinnerhalb des betroffenen Verbands wenden können.Hierfür sollten Stellen eingerichtet werden, sofern diesenicht bereits vorhanden waren.12

Der Deutsche Bundestag stellte in seiner Beschlussemp-fehlung13 insoweit fest, dass es eine sich aus der Gemein-

11 Vergleiche Bundestagsdrucksache 13/7627. 12 Vergleiche Bundestagsdrucksache 14/3611.13 Vergleiche Bundestagsdrucksache 14/5216.

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Drucksache 16/2265 – 6 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

wohlverpflichtung des Eigentums ergebende Aufgabe al-ler Kreditinstitute sei, die Teilnahme am bargeldlosenZahlungsverkehr ohne Diskriminierung zu ermöglichen.Damit werde auch ein wirksamer Beitrag zur Armutsprä-vention geleistet. Der Deutsche Bundestag erkannte an,dass die Empfehlung des Zentralen Kreditausschusses invielen Fällen zur Einrichtung eines Girokontos geführthabe. Er erwarte jedoch, dass vor allem die öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute ihrer besonderen Verantwor-tung in diesem Bereich nachkommen.

Der Deutsche Bundestag sah im Übrigen in der Einrich-tung von Beschwerdestellen einen sinnvollen Beitragdazu, das Ziel eines Girokontos für jedermann umfassen-der zu erreichen. Er bat daher die Bundesregierung, allezwei Jahre einen Bericht über die Umsetzung der Emp-fehlungen, die Wirkung der Beschwerdestellen und dieStruktur der Inhaber von Girokonten für jedermann (Ju-gendliche, überschuldete Haushalte, Sozialhilfebezieher)als Grundlage für die Prüfung vorzulegen, ob eine gesetz-liche Regelung notwendig ist. Ferner forderte er die Bun-desregierung auf, das Problem der so genannten Mehr-fachpfändungen in die Überlegungen zur Neuregelungder Pfändungsfreigrenzen einzubeziehen.

c) Der dritte Bericht der Bundesregierung

Die Bundesregierung hat in ihrem dritten Bericht ausge-führt, dass die von den Bankenverbänden vorgelegtenZahlen darauf hindeuten würden, dass die Anzahl der Gi-rokonten für jedermann nochmals (seit dem zweiten Be-richt von 1999) erhöht werden konnte. Sie hat allerdingsdeutlich hervorgehoben, dass aufgrund des nur einge-schränkt bewertbaren Datenmaterials eine sichtbare Ver-besserung der Situation in diesem Bereich nicht bestätigtwerden kann.

Trotz zunehmender Akzeptanz und Umsetzung der ZKA-Empfehlung durch die Kreditwirtschaft bestehe zur Errei-chung des Ziels „Girokonto für jedermann“, das auchwirtschaftlich schwachen Haushalten die Teilhabe ambargeldlosen Zahlungsverkehr ermöglichen soll, nochHandlungsbedarf. Die Banken seien daher auch für dieZukunft zu einer konsequenten und flächendeckendenAnwendung der ZKA-Empfehlung anzuhalten, da die Be-deutung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs noch stärkerzunehmen werde.

Handlungsbedarf bestehe hinsichtlich der Steigerung derAttraktivität und verbraucherfreundlichen Ausgestaltungder außergerichtlichen Schlichtungsstellen der Banken-verbände (z. B. ausdrückliche schriftliche Benennungdieser Stellen im Falle einer Kontoablehnung oder -kün-digung; schriftliche Dokumentation der Ablehnungs-gründe; Veröffentlichung der Gründe für die Entschei-dungen der Schlichtungsstellen in kurzer anonymisierterForm). Die Bundesregierung betonte in diesem Zusam-menhang, dass hierdurch ebenso gewährleistet werdenkönnte, dass einzelne Schlichtersprüche Signalwirkungauch für andere Banken entwickelten.

Zur Entlastung der Schuldner- und Verbraucherberatun-gen sollte eine Schlichtung bei den Bankenverbänden

zum Regelfall werden. Durch geeignete Maßnahmensollte daher die Kreditwirtschaft den Bekanntheitsgradsowie Akzeptanz und Vertrauen in die Schlichtungsver-fahren der Banken noch deutlicher hervorheben und stei-gern.

Vor diesem Hintergrund empfahl die Bundesregierung,den ZKA aufzufordern,

– auch künftig an der Selbstverpflichtung festzuhaltenund für eine weitere konsequente und flächende-ckende Anwendung bei allen angeschlossenen Bankenzu sorgen;

– bei der Kündigung von Girokonten und bei der Ableh-nung eines beantragten Girokontos die Gründe schrift-lich mitzuteilen, sowie auf die Möglichkeit einer kos-tenlosen Inanspruchnahme der Schlichtungsstellenhinzuweisen;

– sicherzustellen, dass bei den Schlichtungsstellen sämt-liche Beschwerden von Kunden über die Ablehnungoder Kündigung von Girokonten entgegengenommenund von unabhängigen Personen zeitnah geprüft wer-den, und die Schlichtersprüche in geeigneter Form zuveröffentlichen;

– sicherzustellen, dass für den nächsten Bericht bewert-bare Daten, insbesondere auch zur Struktur der Konto-inhaber und den Gründen für die Ablehnung und Kün-digung eines Girokontos, vorgelegt werden können.

Vor diesem Hintergrund hielt die Bundesregierung einegesetzliche Verpflichtung der Kreditwirtschaft zur Ein-richtung von Girokonten auch zum damaligen Zeitpunktfür nicht erforderlich.

3. Beschluss des Deutschen Bundestages vom 30. Juni 2004

Der Deutsche Bundestag hat am 30. Juni 2004 die Be-schlussempfehlung des Finanzausschusses vom 8. Juni200414 mit den Stimmen aller Fraktionen bei Enthaltungeiner fraktionslosen Abgeordneten angenommen. Er be-grüßte in dieser Beschlussempfehlung, dass die Kredit-wirtschaft sich um einen verbesserten Zugang zum bar-geldlosen Zahlungsverkehr bemüht, dass viele öffentlich-rechtliche Kreditinstitute ihrer besonderen Verantwortungin diesem Bereich nachkommen und dass einige Ländereine solche Verpflichtung in ihre Sparkassenverordnun-gen aufgenommen haben.

Der Deutsche Bundestag erwartete allerdings, dass dieKreditinstitute die Empfehlung des Zentralen Kreditaus-schusses konsequent und flächendeckend anwenden. Zu-dem wurde von ihm die Erwartung zum Ausdruck ge-bracht, dass alle Banken verwertbare Daten bereitstellen,aus denen hervorgeht, wie oft und weshalb sie die Ein-richtung eines Girokontos ablehnen oder ein solchesKonto kündigen. Außerdem sollten die Kreditinstitutekünftig verstärkt auf die Möglichkeit der Schlichtung vonStreitfällen in Sachen Girokonto hinweisen.

14 Vergleiche Bundestagsdrucksache 15/3274.

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 7 – Drucksache 16/2265

Der Deutsche Bundestag hielt unter Anerkennung des Be-strebens der Kreditwirtschaft, diesen Prozess fortzuset-zen, insbesondere das Informationsgebot zur Möglichkeitder Inanspruchnahme der Schiedsstellen zu verbessern,eine bundesgesetzliche Verpflichtung der Kreditwirt-schaft zur Einrichtung von Girokonten zum damaligenZeitpunkt für nicht geboten. Vielmehr forderte er dieBundesregierung zur Vorlage eines weiteren Berichtsüber die Umsetzung der von ihm angeregten Maßnahmenauf.

IV. Stand der Umsetzung der ZKA-Empfehlung

1. Datenerhebung zur weiteren Entwicklung

Bereits bei der Diskussion zum ersten Bericht der Bun-desregierung hatte der Finanzausschuss zum Ausdruckgebracht, dass er neben dem Erfahrungsbericht der Bun-desregierung von der Kreditwirtschaft die Vorlage aussa-gefähigen Datenmaterials zu dieser Problematik erwar-tet.15 Deshalb hat der Deutsche Bundestag im Anschlussan seine Ausführungen im Jahre 1997 in seinen Entschlie-ßungen in den Jahren 2002 und 2004 noch einmal ein-dringlich auf diesen Aspekt hingewiesen und die Bedeu-tung aussagekräftigen Datenmaterials für die Klärung derFrage, ob eine gesetzliche Regelung zum Girokonto fürjedermann erforderlich ist, erneut herausgehoben.

Obgleich die deutsche Kreditwirtschaft insoweit keinenInformationspflichten gegenüber dem Deutschen Bundes-tag und der Bundesregierung unterliegt, kommt dieseman die Kreditwirtschaft gerichteten Petitum zur Vorlageaussagekräftigen Datenmaterials eine zentrale Bedeutungzu.

Das federführende Bundesministerium der Finanzen(BMF) hat entsprechend diesen Entschließungen desDeutschen Bundestages in mehreren Besprechungen16

sowie zur Vorbereitung des vorliegenden Berichts die imZKA zusammengeschlossenen Spitzenverbände derKreditwirtschaft (BdB, BVR, DSGV, VÖB, vdp) um Vor-lage aussagefähigen und belastbaren Datenmaterials ge-beten.

Bereits in der Besprechung im Jahre 2004 regte das BMFgegenüber dem ZKA zudem die Einführung eines mög-lichst unkomplizierten Verfahrens zur Verbesserung dergegebenen Datenlage und zur Verbesserung des empiri-schen Befundes über die Dimension gekündigter und ver-weigerter Girokonten an. Ziel eines solchen verbandsin-ternen Meldewesens der Kreditwirtschaft sollte dabeisein, eine für alle mit dem Gesamtkomplex befasstenStellen tragfähige und valide Datenlage zu schaffen, daaus Sicht des BMF andere Erfassungsmöglichkeiten,etwa über die Verbraucherschutzverbände, nicht zur Ver-fügung stünden bzw. mit hohen Fehlerquotienten belastetwären.

Mit dem ZKA wurde vereinbart, dass die Erhebung derZahlen zum Girokonto für jedermann verbandsübergrei-fend vereinheitlicht wird. Ebenso bestand Einigkeit, dassdas entsprechende Datenmaterial dem BMF Mitte 2005und Ende 2005 zur Verfügung gestellt wird. Soweit mög-lich, sollten zur Verstärkung der Transparenz der DatenTeilmengen/Untergruppen hinsichtlich der Struktur derInhaber der Girokonten (Minderjährige etc.) dargestelltund übermittelt werden.

Von der Kreditwirtschaft wurde dem BMF jedoch eineeinheitliche Stellungnahme, die entsprechendes belastba-res empirisches Datenmaterial zu dem Gesamtkomplexenthält, nicht übersandt.

In Stellungnahmen des BdB, VÖB, vdp und des BVR ei-nerseits und des DSGV andererseits wurde eine Darstel-lung der Arbeit der Schlichtungsstellen unter Bezug-nahme auf den Tätigkeitsbericht 2004 des Ombudsmannsder privaten Banken, der Tätigkeitsbericht 2004 der Kun-denbeschwerdestellen des VÖB und der Tätigkeitsbericht2004 der Kundenbeschwerdestellen beim BVR vorge-nommen. Zudem haben die Spitzenverbände BVR, BdB,VÖB sowie der vdp auf Bitten des BMF in einer weiterengemeinsamen Stellungnahme vom 31. März 2006 nähereAngaben zum Kundenbeschwerdeverhalten und zurschriftlichen Begründung von Kontokündigungen oder-ablehnungen übermittelt. Der DSGV hat mit Schreibenvom 19. April 2006 Angaben zum Kundenbeschwerde-verfahren übersandt.

Daneben übersandte der ZKA dem BMF einen Abdruckseiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf der FraktionDIE LINKE. zur Änderung des Gesetzes über das Kredit-wesen17 sowie zum Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Recht auf Girokonto auf Guthabenbasisgesetzlich verankern“18.

Trotz mehrerer Bitten des BMF haben die Spitzenver-bände der Kreditwirtschaft ihre jeweiligen Mitgliedsinsti-tute erst im Sommer des vergangenen Jahres aufgefor-dert, die Kündigung und Ablehnung von entsprechendenGirokonten schriftlich zu begründen und darin auf dieMöglichkeit der kostenlosen Inanspruchnahme einerSchlichtungsstelle hinzuweisen19. Zur Unterstützung dereinzelnen Institute wurden vom ZKA mit Blick auf dieBeschlussfassung des Deutschen Bundestages hierzu Vor-drucke entwickelt. Diese Vordrucke stehen seit Sommer2005 über die jeweiligen Verlage der Institutsgruppen al-len Kreditinstituten zur Verfügung. Muster der jeweiligenVordrucke sind als Anlage 3 beigefügt.

Neben dem ZKA haben die beteiligten Ressorts, die Bun-desanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), dieBundesagentur für Arbeit (BA), die ArbeitsgemeinschaftSchuldnerberatung der Verbände (AG SBV) und der Ver-braucherzentrale Bundesverband e. V. (vzbv) auf Bitten

15 Vergleiche Bundestagsdrucksache 13/7627, S. 161.16 Am 7. Dezember 2004 und am 17. Mai 2005 im Bundesministerium

der Finanzen, Berlin.

17 Vergleiche Bundestagsdrucksache 16/731.18 Vergleiche Bundestagsdrucksache 16/818. 19 Vergleiche ZKA-Pressemitteilung vom 6. September 2005; abzuru-

fen unter www.zka.de.

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Drucksache 16/2265 – 8 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

des BMF eine Stellungnahme zu ihren Erfahrungen undBewertungen zum Thema „Girokonto für jedermann“ fürden diesjährigen Bericht der Bundesregierung abgegeben.

2. Datenmaterial/Ausgangslage

a) Entwicklung der Zahl der Girokonten für jedermann und Struktur der Kontoinhaber:

Nach den Angaben, die von den im ZKA zusammenge-schlossenen Spitzenverbänden der Kreditwirtschaft über-mittelt worden sind, stellt sich die Entwicklung zur Anzahlder Girokonten für jedermann wie folgt dar (siehe Tabelle).

Die von den Spitzenverbänden der Kreditwirtschaft über-mittelten Zahlen sind nach den Ausführungen des ZKAzum Erhebungszeitpunkt 31. Dezember 2005 innerhalbder jeweiligen Institutsgruppe mittels einer Einzelerhe-bung bei den jeweiligen Mitgliedsinstituten ermittelt wor-

den. Es handele sich somit um eine Vollerhebung undnicht um eine Stichprobe.

Nicht zuletzt um die Erhebung der bei den Sparkassen ge-führten Girokonten für jedermann fortzuentwickeln, sindin der Sparkassen-Finanzgruppe in der VergangenheitÄnderungen im Meldewesen zu den jährlich betriebswirt-schaftlich relevanten Daten etabliert worden. Diese sollenes ermöglichen, die Anzahl der bei jedem einzelnen Insti-tut geführten Konten zu erfassen; eine Ermittlung auf derGrundlage von Stichproben sei nach Auffassung desDSGV daher nicht erforderlich. Zudem werde durch die-ses Verfahren insbesondere gewährleistet, dass nur Kon-ten gezählt werden, die tatsächlich die Voraussetzungeneines Girokontos für jedermann erfüllen.

Die nach der Stellungnahme des DSGV zum 31. Dezem-ber 2005 im „Rahmen des etablierten Verfahrens (Be-triebsvergleich) erfolgte Datenerhebung innerhalb“ der

Kontenzahlen bei den Kreditinstituten

der VerbändeSeptember 1999 September 2003 Juni 2005 Dezember 2005

BVR 400.000 500.000 588.000 605.000

BdB 150.000 k. A. 178.000 188.000

VÖB 80.000 180.000 239.700 260.600

DSGV 486.000 834.700 834.700 839.000

gesamt: 1.116.000 1.514.700 1.840.400 1.892.600

400.000

500.000588.000

605.000

150.000

0178.000188.000

80.000

180.000239.700

260.600

486.000

834.700

834.700839.000

1.116.0001.514.700

1.840.4001.892.600

0 200.000 400.000 600.000 800.000 1.000.000 1.200.000 1.400.000 1.600.000 1.800.000 2.000.000

BVR

BdB

VÖB

DSGV

gesamt :

Kontenzahlen bei den Kreditinstituten

Dezember 05

Juni 05

September 03

September 99

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 9 – Drucksache 16/2265

Sparkassen-Finanzgruppe kam zu dem Ergebnis, dass beiden Instituten der Sparkassen-Finanzgruppe 838 981 Gi-rokonten für jedermann geführt werden. In dieser Zahlseien allerdings auch die Landesbanken mit so genannterSparkassenfunktion, so die Landesbank Berlin (BerlinerSparkasse 30 772 Konten), die LBBW (10 211 Konten)und die NordLB (3 257 Konten) enthalten, die ordentli-che Mitglieder des VÖB sind.

Die von allen Verbänden vorgelegten Zahlen besitzen al-lerdings – wie in der Vergangenheit auch – insgesamtauch hinsichtlich ihrer Entwicklung im Zeitverlauf nureine eingeschränkte Aussagekraft, da

– die Art der Erhebung zu den einzelnen Stichtagen so-wohl innerhalb einer Institutsgruppe als auch zwi-schen den einzelnen Verbänden in sehr unterschiedli-cher Form erfolgte (Stichproben, Zählungen);

– teilweise EDV-Umstellungen stattfanden, nach denendie Datenbestände nicht mehr miteinander vergleich-bar sind;

– teilweise die Zahlen für Girokonten für jedermann inder Vergangenheit nicht gesondert erfasst wurden und

– die Zahlen unterschiedliche Gruppen von Konten ent-halten.

Es handelt sich z. B. bei den unter dem Stichwort „Giro-konto für jedermann“ zusammengefassten Konten teil-weise um Konten von Minderjährigen sowie um Konten,die auf Wunsch des Kontoinhabers auf Guthabenbasis ge-führt werden. Beispielhaft kann hier die vom BdB zumletzten Bericht der Bundesregierung übermittelte Anzahlvon auf Guthabenbasis geführter Konten in Höhe von1 920 557 (ohne Minderjährige) genannt werden.20

In der Gesamtbetrachtung kann daher bei unklaren Erfas-sungsmethoden allenfalls von einem Trend gesprochenwerden, dass die Zahl der Girokonten für jedermann seitEinführung der ZKA-Empfehlung im Allgemeinen undim Berichtszeitraum im Besonderen gestiegen ist, wobeidie Verbände, was nicht verifizierbar bleibt, von einerSteigerung auf nunmehr rund 1,9 Millionen ausgehen.

Informationen über die im selben Zeitraum gekündigtenKonten wurden, gleichwohl das federführende BMFmehrfach den ZKA darum gebeten hat, nicht vorgelegt,so dass im Ergebnis insoweit keine Aussage darüber ge-troffen werden kann, ob sich die Zahl der Bürgerinnenund Bürger ohne Girokonto verringert hat.

Ebenso wie Zahlen zu Kontokündigungen fehlen, ist auchdurch die Verbände kein Zahlenmaterial zu der Anzahlder Ablehnungen auf Eröffnung eines Girokontos für je-dermann vorgelegt worden. Nach Mitteilung der Ver-bände werden Daten über die Anzahl von Kontoableh-nungen oder Kündigungen sowie über die Struktur derInhaber von Girokonten für jedermann nicht ermittelt.Solche Informationen werden nach Angaben der Ver-bände datentechnisch nicht erfasst, da vollständig neue

Meldeverfahren innerhalb der einzelnen Institutsgruppenund in den einzelnen Kreditinstituten selbst hätten aufge-baut werden müssen. Der Aufbau eines entsprechendenMeldeverfahrens sei kostenintensiv und stünde dabei imWiderspruch zur Maßgabe des Deutschen Bundestages,bei der Erhebung keine Überbürokratisierung zu erzeu-gen.21 Zudem sei fraglich, ob die Erhebung von Struktur-daten im Einklang mit dem Datenschutz stünde.

Auch von den Verbraucherschutzverbänden konntenkeine konkreten Zahlen zur Bezifferung der Anzahl vonBürgerinnen und Bürgern, denen unverschuldet kein Giro-konto zur Verfügung steht, vorgelegt werden. Sie verwei-sen jedoch auf Umfragen und Stichproben aus den Zeit-räumen Ende 2004 bis Anfang 2006, aus denenhervorgehe, dass es immer noch viele Fälle gebe, in denenGuthabenkonten entgegen der ZKA-Empfehlung verwei-gert und bestehende Kontoverbindungen gekündigt wür-den. Schätzungen der AG SBV gehen jedoch von mindes-tens 500 000 Privathaushalten aus, die über keinGirokonto verfügen.22

Anderweitige Erhebungen zur Anzahl der Kontoableh-nungen und Kontokündigungen sowie zur Struktur der In-haber von Girokonten für jedermann sind der Bundesre-gierung nicht bekannt.

b) Entwicklung der Zahl der Personen ohne Girokonto

Da keine gesonderte zahlenmäßige Erfassung der Bürge-rinnen und Bürger in der Bundesrepublik Deutschland,die keinen Zugang zu einem Girokonto haben, erfolgt undentsprechendes belastbares Zahlenmaterial zum Giro-konto für jedermann durch die Kreditwirtschaft nichtübermittelt worden ist, kann zur Entwicklung der Anzahlder Bürgerinnen und Bürger ohne Girokonto keine di-rekte belastbare Aussage getroffen werden.

Da es keine verlässlichen empirischen Daten über die An-zahl von Personen ohne Girokonto gibt, bietet es sich– vergleichbar der Bestimmung einer Untergrenze bzw.der Analyse von Näherungswerten – an, sich mit anderenMethoden und Verfahrensweisen der Quantifizierung derThematik „Girokonto für jedermann“ zu nähern. Eswurde deshalb geprüft, ob aus den der Bundesagentur fürArbeit bekannten Fällen von Zahlungen an Begünstigte,die über kein Konto vorgenommen werden, Schlussfol-gerungen bezüglich der Gesamtmenge der kontolosenBürger in der Bundesrepublik Deutschland vorgenommenwerden können.

Wie bereits in der Antwort23 auf die Kleine Anfrage derFraktion DIE LINKE.24 ausgeführt wurde, kommt es ineiner Reihe von Fällen bei der Auszahlung von staatli-chen Leistungen vor, dass Berechtigte über kein Giro-konto für eine unbare Auszahlung der Geldleistung verfü-gen oder aber eine anderweitige Zahlungsart wünschen.In diesen Fällen erfolgen die Zahlungen mittels Zahlungs-

20 Vergleiche Bundestagsdrucksache 15/2500, S. 3.

21 Vergleiche Bundestagsdrucksache 15/3274.22 Schuldenreport 2006, S. 67.23 Vergleiche Bundestagsdrucksache 16/810.24 Vergleiche Bundestagsdrucksache 16/721.

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Drucksache 16/2265 – 10 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

anweisung zur Verrechnung (ZzV) oder Zahlungsanwei-sung (ZAnw).

Bei einer Zahlungsanweisung zur Verrechnung erhält derBerechtigte einen Brief mit einem scheckähnlichen Vor-druck, der bei den Postfilialen zur Barauszahlung vorge-legt oder bei einem Kreditinstitut zur Gutschrift auf einKonto eingereicht werden kann. Bei einer Zahlungsan-weisung wird das Geld durch den Zusteller (Briefträger)ins Haus gebracht.

Für einzelne Bereiche liegen statistische Daten der Bun-desagentur für Arbeit über die Häufigkeit der mittels ZzVoder ZAnw jährlich geleisteten Transaktionen in unter-schiedlicher Form und für unterschiedliche Zeiträumevor.

Beispielhaft kann hier auf die Entwicklung im Bereich desArbeitslosengeldes (Alg)/frühere Arbeitslosenhilfe (Alhi),

Berufsausbildungsbeihilfe (BAB)/Weiterbildungskosten(WK), Arbeitslosengeld II (Alg II)/Sozialgeld, Kindergeld(Auszahlung durch die Familienkassen bei der Bundesa-gentur für Arbeit) verwiesen werden (siehe obere Tabelle).

Hinzuweisen ist, dass eine Gleichsetzung dieser Zahlenim Hinblick auf Empfängerinnen und Empfänger ohneGirokonto allerdings nicht zulässig ist. Bei der Bestim-mung der Zahl der kontenlosen Leistungsempfänger mussberücksichtigt werden, dass es sich bei den genanntenZahlungen um keine Einmalzahlungen handelt, sondernregelmäßig um monatlich fällige, periodische Zahlungen.Der Leistungszeitraum ist für den einzelnen Leistungs-empfänger in vielen Fällen kürzer als ein Jahr, so dass dieZahl der Leistungsempfänger für die einzelnen Erhe-bungsjahre nicht ermittelt werden kann. Im Übrigen sindFälle denkbar in denen Barzahlungen vorgenommen wer-den, in denen der Leistungsempfänger tatsächlich ein der

Zahlungen im Monat Januar 2006:

FZzV = kostenfreie ZzV PZzV = kostenpflichtige ZzV

Anzahl der ZzV

Jahr Alg/Alhi BAB – WK Kindergeld

1996

Fälle wurden statistisch nicht erhoben1997

1998

1999

2000 1.148.493 75.237 946.228

2001 1.170.078 78.287 472.302

2002 1.331.345 73.694 398.831

2003 1.548.329 54.856 413.197

2004 1.665.923 40.721 448.951

Alg (SGB III) Alg II (SGB II) BAB – WK Kindergeld

2005 364.535 1.556.191 16.599 362.021

Lohnersatz-zahlungen SGB III

Lohnersatz-zahlungen SGB II

Kindergeld-zahlungen

Fallzahl 01/2006 v. H. Fallzahl

01/2006 v. H. Fallzahl 01/2006 v. H.

Zahlungen insgesamt 1.719.621 100,00 4.894.384 100,00 9.427.500 100,00

Davon Überweisungen 1.699.813 98,85 4.752.754 97,11 9.370.746 99,40

davon ZzV insgesamt 19.808 1,15 141.630 2,89 56.754 0,60

ZzV insgesamt 19.808 100,00 141.630 100,00 56.754 100,00

davon FZzV 119 0,60 2.255 1,59 6.697 11,80

davon PZzV 19.689 99,40 139.375 98,41 50.057 88,20

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 11 – Drucksache 16/2265

Bundesagentur für Arbeit nicht bekanntes Konto hat bzw.das Konto eines Dritten nutzt.

Von der Anzahl der Lohnersatzzahlungen durch ZzVkann nicht unmittelbar darauf geschlossen werden, dasses sich um Fälle handelt, in denen den Leistungsempfän-gern von der Kreditwirtschaft die Eröffnung eines Giro-kontos grundsätzlich verweigert worden ist.

Die Zahlen ergeben daher nur einen Überblick über die inden einzelnen Jahren mittels einer Zahlungsanweisung er-folgten Barauszahlungen von Geldleistungen.

Im Bereich des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III)hatten die ZzV im Monat Januar 2006 mit insgesamt19 808 Stück einen Anteil von 1,15 Prozent an den Zah-lungen insgesamt. Davon werden 0,6 Prozent (119 Stück)ohne Einbehaltung der Kosten an die Leistungsempfängerübermittelt, weil diese nachweisen konnten, dass die Ein-richtung eines Kontos ohne eigenes Verschulden nichtmöglich ist.

Hierbei ist darauf hinzuweisen, dass die Bundesagenturfür Arbeit nach Angaben gegenüber dem ZKA im März2006 ihrerseits erst dann davon ausgeht, dass ein Leis-tungsempfänger unverschuldet kein Girokonto besitzt,wenn der Leistungsempfänger die zuständige Kundenbe-schwerdestelle des jeweiligen Kreditinstituts eingeschal-tet hat und ihm ein Schlichterspruch bestätigt, dass dieZKA Empfehlung von dem Kreditinstitut nicht beachtetwurde.

Im Bereich des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II)hatten die ZzV mit insgesamt 141 630 Stück einen Anteilvon 2,89 Prozent an den Zahlungen insgesamt. Davonwerden 1,59 Prozent (2 255 Stück) ohne Einbehaltung derKosten an die Leistungsempfänger übermittelt.

Im Bereich Kindergeld erhielten 0,6 Prozent, d. h. 56 754Empfänger das Kindergeld mittels ZzV. Das sind fast67 Prozent mehr als im September 200325. Der Anteil derkostenfrei übermittelten ZzV ist mit 11,8 Prozent (6 697Stück) deutlich höher als bei den SGB-Zahlungen.

Obwohl allein aus dem Umstand, dass ein Leistungsemp-fänger über kein eigenes Girokonto verfügt, nicht gefol-gert werden kann, dass ein Konto nicht besteht bzw. einKreditinstitut dem Leistungsempfänger die Eröffnung ei-nes Girokontos zu Unrecht verweigert hat, zeigen dieZahlen aus dem Bereich der Bundesagentur für Arbeiteindeutig, welcher besondere Aufwand bei der Auszah-lung der staatlichen Leistungen in diesen Fällen wegendes Fehlens eines Girokontos entsteht. Eine nicht mögli-che unbare Zahlungsweise führt zudem – auch bei derBundesagentur – zu höheren Aufwänden.

c) Kontolosigkeit und Barzahlung als Kostenfaktor

Die grundlegenden Veränderungen der Bedeutung desbargeldlosen Zahlungsverkehrs im Retailbereich began-nen erst Ende der fünfziger Jahre, als tarifvertraglich diebargeldlose Lohnzahlung im Regelfall vereinbart wurde.

Damit wurde der Grundstein für das heutige Massenge-schäft gelegt.26

Die besonderen Vorteile des bargeldlosen Zahlungsver-kehrs gegenüber der Barzahlung sind vielfältig. Zum ei-nen sind bargeldlose Zahlungen sicherer und bequemer,so dass der Zahlungsverkehr grundsätzlich vereinfachtwird. Zudem können durch den Zahlungsverkehr die mitdem Transport von Bargeld verbundenen hohen Trans-portkosten und logistischen Risiken reduziert und ausste-hende Zahlungen bargeldlos erheblich schneller als dieumständliche Barzahlung bewirkt werden. Hierdurchsinkt zugleich das mit einer Bargeldhaltung verbundeneVerlust- und Diebstahlrisiko.27 Schließlich ist der bargeld-lose Zahlungsverkehr auch für die Kreditinstitute selbstvon großem Vorteil. Bargeldlose Zahlungen schaffenSichteinlagen bei den Kreditinstituten und dadurch dieVoraussetzung für ihre Kreditschöpfung. Ferner ermögli-chen bargeldlose Zahlungen, dass Kreditinstitute sich aufeine Mindestreserve zur Sicherstellung der Liquidität fürBarzahlungen beschränken können, während mit den üb-rigen Einlagen das Aktivgeschäft betrieben werden kann.

Die Verbraucherzentrale Hamburg hat in einer Untersu-chung im März 2004 die für einen Privathaushalt wichtigenmonatlichen Zahlungsvorgänge – Wohnungsmiete, Kostenfür Energie- und Wärmeversorgung (zwei Überweisungen),Gebühr für Festnetzanschluss, Versicherungsprämien (zweiÜberweisungen), Kosten für die Nutzung des öffentlichenNahverkehrs, GEZ- Gebühr – zusammengestellt undkommt bei insgesamt acht Barüberweisungen im Monat zufolgender Kostenbelastung für kontolose Privathaushalte:

25 Im September 2003 wurden in 34 000 Fällen Kindergeld per ZzVausgezahlt (Bundestagsdrucksache 15/2500).

26 Vergleiche Grüneklee, S. 23 mit weiteren Verweisen.27 Vergleiche Grill u. Perczynski, Wirtschaftlehre des Kreditwesens,

32. Auflage, 1998.

BankGebühren für eine Barüber-

weisung

Monatliche Kosten für acht

Barüber-weisungen

ABC-Bank 5,11 € 40,88 €

CC-Bank 8,00 € 64,00 €

Commerzbank 6,00 € 48,00 €

Deutsche Bank 10,00 € 80,00 €

Dresdner Bank 8,00 € 64,00 €

Hamburger Bank 5,11 € 40,88 €

Hamburger Sparkasse 5,11 € 40,88 €

HypoVereins-bank 8,00 € 64,00 €

Postbank 5,90 € 47,20 €

SEB 5,50 € 44,00 €

Sparda-Bank 5,00 € 40,00 €

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Drucksache 16/2265 – 12 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Für einen durchschnittlichen Haushalt mit angenommenacht wiederkehrenden Zahlungsvorgängen pro Monat er-gibt sich somit ein Kostenaufwand zwischen 40 und80 Euro monatlich, wenn die notwendigsten Zahlungenausschließlich per Barüberweisungen erfolgen müssen.Da kontolose Haushalte ohnehin schon mit anderen finan-ziellen Belastungen zu kämpfen haben, fallen nach denAusführungen der Verbraucherzentrale diese Mehrkostenbesonders stark zur Last.28

Auch eine im März 2006 durch die Bundesanstalt für Fi-nanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) stichprobenartig durch-geführte Erhebung im Internet bestätigte diese Werte.Hierbei waren die Angaben über das Entgelt für eine Ein-zahlung auf fremde Konten auf den Internetseiten derKreditinstitute teilweise nur schwer oder überhaupt nichtzu finden. Dies liegt daran, dass diese Institute ihre Preis-informationen für ihre Kundengeschäfte (und die Einzah-ler auf fremde Konten sind ja fast immer Nichtkunden)im Zusammenhang mit ihren Produktinformationen(Konto, Wertpapiergeschäft) angeben.

Die Internet-Recherche der BaFin führte zu folgenden Kos-ten für die Bareinzahlungen/-überweisungen auf fremdeKonten (siehe Tabelle).

Mit Blick auf diese Zahlen kann man davon ausgehen,dass ein – aus welchen Gründen auch immer – kontoloserHaushalt für die angenommenen acht Barüberweisungenca. 40 Euro pro Monat und damit 480 Euro im Jahr an fi-nanzieller Belastung – abzüglich der ansonsten anfallen-den Kontoführungsgebühren – zu tragen hat.

Die Kosten der Nichtteilhabe am bargeldlosen Zahlungs-verkehr zeigen sich umso deutlicher, wenn die Kosten für

Bareinzahlungen bzw. Barüberweisungen in Beziehungzu den Kosten für Bankdienstleistungen im bargeldlosenZahlungsverkehr gesetzt werden.

Die Kosten für alltägliche Bankdienstleistungen für dendurchschnittlichen Bankkunden sind nach einer Untersu-chung von Capgemini, ING und der European FinancialManagement and Marketing Association (EFMA) welt-weit im letzten Jahr um 1,5 Prozent gegenüber dem Vor-jahr gesunken. Die Bankkunden zahlen nun im Schnitt76 Euro pro Jahr gegenüber 78 Euro im Vorjahr. Die Ge-bühren in der Euro-Zone fielen bei einem normalen Nut-zerverhalten um 2 Prozent, in den europäischen Ländern,die nicht zur Euro-Zone gehören, um 0,7 Prozent.

Untersucht wurden die Kosten für drei Nutzerprofile: ge-ring aktive Kunden, normal aktive Kunden und sehr ak-tive Kunden. Kosten, die einem sehr aktiven Kunden füralltägliche Bankdienstleistungen entstehen, sind im welt-weiten Durchschnitt um 3 Prozent gefallen. In den Län-dern, die nicht zur Euro-Zone gehören, zahlt diese Klien-tel 4,1 Prozent weniger, während in Euro-Land 3,9 Pro-zent geringere Kosten anfallen.

Insgesamt zahlen die sehr aktiven Kunden in der Euro-Zone mit 99 Euro 2,1-Mal so viel Gebühren wie ein we-nig aktiver Kunde mit 48 Euro pro Jahr. 29

Die Kontoführungsgebühren in Deutschland hat die Zeit-schrift Finanztest für 114 Modelle von Girokonten bei55 Kreditinstituten zum Stand 1. Mai 2005 untersucht30.Darunter sind 14 überregionale Großbanken und 6 Di-rektbanken sowie weitere 35 regional arbeitende Institute.Davon bieten 49 Kreditinstitute Girokonten für Filialkun-

28 Vergleiche Schuldenreport 2006 sowie http://www.vzhh.de/.

29 Vergleiche World Retail Banking Report 2006, http://www.de.capge-mini.com/presse/pressemitteilungen/wrbr/.

30 Vergleiche Ausgabe 07/2005, www.finanztest.de/girokonten.

Kreditinstitut Bareinzahlung eigene Konten

Bareinzahlung andere Institute

Bareinzahlung Spenden

Volksbank Nahetal 1,00 € 5,00 € –

Volksbank Bonn Rhein Sieg 3,00 € 6,00 € –

VR Bank Rhein Sieg 6,00 € 6,00 € frei

BB Bank frei 5,11 € frei

KSpk Aschersleben-Stassfurt 2,50 € 5,00 € –

Sparkasse Rügen 9,50 € 9,50 € –

Sparkasse Nordhorn 2,00 € 5,00 € –

Sparkasse Hannover 3,00 € 6,00 € –

Kreissparkasse Peine 6,00 € 6,00 € –

Dresdner Bank 5,00 € 8,00 € frei

Deutsche Bank 5,00 € 10,00 € frei

Sparkasse Kiel 3,00 € 6,00 € –

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 13 – Drucksache 16/2265

den an, d. h. ohne die Bedingung Online-Führung. Da-nach entstehen für einen Modellkunden, der typische Bu-chungen über die Filiale abwickelt, Gebühren pro Jahrvon 25 Euro (Sparda-Bank Baden-Württemberg) bis zu172,50 Euro (Bremer Landesbank). Die durchschnittlicheKontoführungsgebühr für einen Filialkunden beträgt77,88 Euro pro Jahr. Für den Fall, dass keine Kreditkartebenutzt wird und für diese somit keine Jahresgebühr an-fällt, entstehen für diesen Filialkunden Gebühren pro Jahrvon 3,50 Euro (BBBank) bis 152,50 Euro (Bremer Lan-desbank). Die durchschnittliche Kontoführungsgebührbeträgt dann 62,73 Euro pro Jahr. Drei Kreditinstitute(PSD Bank Berlin-Brandenburg, Sparda-Bank Berlin undSparda-Bank Hamburg) bieten ohne die BedingungenOnline-Führung und regelmäßiger Geldeingang in vorge-gebener Höhe oder bestimmtes Guthaben ein kostenlosesGirokonto an.

Ein vorstehend beschriebener kontoloser Haushalt zahltdamit im Jahr rd. das Zehnfache an Gebühren für Barein-zahlungen als ein wenig aktiver Kontoinhaber im bar-geldlosen Zahlungsverkehr.

Bezogen auf die Empfänger staatlicher Leistungen ohneeigenes Konto, wird damit ein nicht unerheblicher Teilder staatlichen Leistung für die Kosten im Zusammen-hang mit Barüberweisungen aufgewendet, der dann fürandere Ausgaben nicht mehr zur Verfügung steht. DieserBetrag kommt damit dem eigentlichen mit der Leistungbeabsichtigten Zweck nicht zu Gute.

Allein bei angenommen 100 000 Leistungsempfängernohne eigenes Konto und den oben dargestellten jährlichenKosten von 480 Euro, ergibt sich somit ein Betrag in derHöhe von rund 50 Mio. Euro jährlich, der aus der Nicht-teilnahme am bargeldlosen Zahlungsverkehr resultiertund dem mit der staatlichen Leistung intendierten Zweckzuwiderläuft.

d) Ablehnungs- und Kündigungsgründe

Wie bereits in der Antwort auf die Kleine Anfrage derFraktion DIE LINKE.31 dargestellt wird nach der ZKA-Empfehlung die Eröffnung oder Fortführung einer Konto-verbindung insbesondere dann als unzumutbar angese-hen, wenn

– der Kunde die Leistungen des Kreditinstitutes miss-braucht, insbesondere für gesetzwidrige Transaktio-nen, z. B. Betrug, Geldwäsche o. ä.;

– der Kunde Falschangaben macht, die für das Vertrags-verhältnis wesentlich sind;

– der Kunde Mitarbeiter oder Kunden grob belästigtoder gefährdet;

– die bezweckte Nutzung des Kontos zur Teilnahme ambargeldlosen Zahlungsverkehr nicht gegeben ist, weilz. B. das Konto durch Handlungen vollstreckenderGläubiger blockiert ist, oder ein Jahr lang umsatzlosgeführt wird;

– nicht sichergestellt ist, dass das Institut die für dieKontoführung und -nutzung vereinbarten üblichenEntgelte erhält;

– der Kunde auch im Übrigen die Vereinbarungen nichteinhält.

– Auch soweit grundsätzlich nach den Sparkassengeset-zen/-verordnungen bzw. Mustersatzungen eine spezi-elle Kontoführungsverpflichtung der Sparkassen füralle natürlichen Personen aus dem Gewährträgergebietbesteht, gilt diese Kontrahierungspflicht nicht unein-geschränkt. Als Einschränkung dieses Abschluss-zwangs findet sich in den entsprechenden Gesetzen/Verordnungen/Satzungen eine Reihe von Ablehnungs-gründen, bei deren Vorliegen die Sparkassen im Ein-zelfall die Kontoeröffnung bzw. -weiterführung ableh-nen können.

Neben einer Generalklausel, die eine Ablehnung derKontoführung bei Unzumutbarkeit gestattet, finden sichin den Sparkassengesetzen/-verordnungen einiger Länderauch konkret gefasste Spezialtatbestände, bei deren Vor-liegen keine Kontrahierungspflicht besteht. Als Rechts-folge ordnen die Ausnahmetatbestände ein Erlöschen derPflicht zur Führung des Girokontos an; da der Girovertragals Dienstvertrag frei kündbar ist, kann die Sparkasse beieinem Erlöschen des Kontrahierungszwangs die Ge-schäftsbeziehung sofort beenden. Daher erfassen die Aus-nahmetatbestände nicht nur die Ablehnung einer Konto-eröffnung, sondern berechtigen zugleich auch zurKündigung einer bereits bestehenden Kontoverbindung.32

Als spezielle Ablehnungsgründe werden aufgeführt:

– Missbrauch von Bankdienstleistungen auch bei einemanderen Kreditinstitut durch den Kontoinhaber.

– Der zweite Grund wird bei einer einjährigen umsatzlo-sen Kontoführung gesehen.

– Ein zum Schutz der Interessen der Sparkasse beson-ders wichtiger Ablehnungs- bzw. Kündigungsgrund istdie Kündigung des Girokontos aufgrund des fehlendenGuthabens.33

Da eine abschließende Regelung der Ausnahmen auch imBereich der Sparkassen kaum möglich ist, sehen die Spar-kassengesetze/-verordnungen neben den bereits darge-stellten Ausnahmen eine Generalklausel vor, die alsAuffangtatbestand für die durch die ausdrücklichen Auf-zählungen nicht erfassten Fälle einer unzumutbaren Kon-toführung dient.34

31 Vergleiche Bundestagsdrucksache 16/810.

32 Vergleiche Grüneklee, S. 37 ff.33 Vergleiche § 5 II SpkVO Sachsen-Anhalt, § 4 II SpkVO Branden-

burg, § 5 II SpkVO Sachsen, § 4 II MuSa Hessen, § 9 MuSa Schles-wig- Holstein.

34 Der Wortlaut der Generalklausel lautet z. B. in § 9 MuSa Schleswig-Holstein: „Eine Verpflichtung zur Führung eines Girokontos bestehtnicht, wenn aus anderen wichtigen Gründen die Aufnahme oder Fort-führung der Geschäftsbeziehung der Sparkasse im Einzelfall nichtzumutbar ist.“

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Die Formulierung der Generalklausel ähnelt hier der auchin der ZKA-Empfehlung verwandten Formulierung, wo-bei mit dem Maßstab der Unzumutbarkeit auf einen unbe-stimmten Rechtsbegriff zurückgegriffen wird, der in allenRechtsgebieten zur Begrenzung von Rechtspflichten he-rangezogen wird. Die jeweiligen Landesgesetzgeber ha-ben mit dem Kontrahierungszwang für Girokonten in denjeweiligen Sparkassengesetzen bzw. -verordnungen dasInteresse des Bürgers an einer Teilnahme am bargeldlosenZahlungsverkehr schützen wollen. Die Unzumutbarkeitsoll in diesem Zusammenhang dazu dienen, unter beson-deren, für den Verpflichteten äußerst belastenden Um-ständen, Ausnahmen zu ermöglichen, um die Verpflich-tung durch den Kontrahierungszwang insgesamt in einemerträglichen Rahmen zu halten.35

Einen vergleichbaren, ebenfalls nicht abschließenden Ka-talog von Beispielen für den Fall der Unzumutbarkeit ent-hält die ZKA-Empfehlung von 1995, wobei die Verbändeder Kreditwirtschaft zu den jeweiligen Ablehnungs- oderKündigungsgründen bisher keine Statistik führen.

Die Spitzenverbände der Kreditwirtschaft haben ihre je-weiligen Mitgliedsinstitute im Sommer des vergangenenJahres aufgefordert, die Kündigung und Ablehnung vonentsprechenden Girokonten schriftlich zu begründen unddarin auf die Möglichkeit der kostenlosen Inanspruch-nahme einer Schlichtungsstelle hinzuweisen36. Muster derjeweiligen Vordrucke sind als Anlage 3 beigefügt.

Vor dem Hintergrund, dass die einzelnen Kreditinstitutefrühestens seit Sommer 2005 die Vordrucke für dieschriftliche Begründung der Kündigung und Ablehnungvon entsprechenden Girokonten beziehen konnten, kannderzeit nicht beurteilt werden, ob ein flächendeckenderEinsatz der Formulare bei allen knapp 48 000 Geschäfts-stellen der Kreditinstitute in Deutschland konsequent er-folgt.

Mit Blick auf die erst kürzlich geänderte Praxis liegen derBundesregierung deshalb auch keine gesonderten Zahlenzu den Kontoablehnungen, Kontokündigungen und den indiesen Fällen von den Kreditinstituten angeführten Ab-lehnungs- und Kündigungsgründen vor. Angaben zurZahl der Fälle, in denen sich die Institute auf die Unzu-mutbarkeitsklausel berufen haben bzw. wie diese in denInstituten ausgelegt wird, liegen ebenfalls nicht vor.

Der Bundesregierung ist jedoch aus Äußerungen desZKA sowie der Verbraucherschutzverbände bekannt, dasseine Kontokündigung in den meisten Fällen unmittelbarerfolgt, wenn das Kontoguthaben durch eine Mehrzahlvon Pfändungen belastet wird. Bereits durch die von denGläubigern veranlassten Kontopfändungen wird als Dau-erwirkung die Nutzung des Kontos mit der Folge blo-ckiert, dass eine Teilnahme am bargeldlosen Zahlungs-verkehr kaum mehr möglich ist.

e) Tätigkeit der Beschwerdestellen

Im Bereich der Kreditwirtschaft bestehen verschiedeneaußergerichtliche Schlichtungs- und Beschwerdestellen.Diese wurden von der Bundesregierung ausführlich in ih-rer Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion der FDPdargestellt.37

Insbesondere für Beschwerden im Zusammenhang mitder Verweigerung bzw. Kündigung eines Girokontos fürjedermann verfügen die im ZKA organisierten Spitzen-verbände über Beschwerde- und Schlichtungsstellen, diesolche Beschwerden entgegennehmen. Teilweise wirddies sogar ausdrücklich in der jeweiligen Verfahrensan-ordnung erwähnt. Die Schlichtungsvorschläge beschrän-ken sich nach den jeweiligen Verfahrensordnungen regel-mäßig auf die Feststellung, ob das Kreditinstitut dieZKA-Empfehlung beachtet hat.

Das Verfahren ist jeweils kostenfrei, erfordert in der Re-gel jedoch ein kurzes Beschwerdeschreiben des Kunden.Ein entsprechendes Beschwerdeformular ist Anlage zurZKA-Empfehlung.

Seit Sommer 2005 haben nun die Spitzenverbände derKreditwirtschaft ihren Mitgliedsinstituten für die Ableh-nung der Eröffnung/die Kündigung eines Girokontos fürjedermann Vordrucke zur Verfügung gestellt, auf denensich zudem ein Hinweis auf diese Möglichkeit zur Beile-gung von Meinungsverschiedenheiten befindet. Darüberhinaus wird auf diesen Vordrucken auch auf die entspre-chende Erreichbarkeit sowie weitere Informationen imInternet38 verwiesen39.

Auf die Möglichkeit dieser Schlichtungsverfahren wirdauch durch die Schuldnerberatungsstellen hingewiesen.Ebenso informiert die Bundesagentur für Arbeit Leis-tungsbezieher ohne Girokonto vor dem Hintergrund derkostenpflichtigen Zahlungsanweisungen über die ZKA-Empfehlung und die Schlichtungsstellen der Kreditwirt-schaft.

Eine Veröffentlichung von Schlichtungssprüchen erfolgtefür die Jahre 2003 und 2004 nur in den Tätigkeitsberichtender Kundenbeschwerdestellen des BdB (jeweils 3 Schlich-tungssprüche, davon je 2 zugunsten des Kunden und 1 zu-gunsten der Bank) und des VÖB (jeweils 2 Schlichtungs-sprüche; 2003 beide zulasten des Kunden, 2004 beidezulasten der Bank).

Die Spitzenverbände BdB, VÖB, BVR und vdp habendem BMF eine gemeinsame Übersicht von Daten aus denjeweiligen Tätigkeitsberichten ihrer Beschwerdestellenzu den einzelnen Kundenbeschwerdeverfahren der deut-schen Kreditwirtschaft zum Thema „Girokonto für jeder-mann“ am 31. März 2006 übersandt.

35 Vergleiche Grüneklee, Seiten 45 ff. mit weiteren Verweisen.36 Vergleiche ZKA- Pressemitteilung vom 6. September 2005; abzuru-

fen unter www.zka.de.

37 Vergleiche Bundestagsdrucksache 15/5561.38 Vergleiche www.bankenombudsmann.de, www.zka.de.39 Vergleiche anliegende Vordrucke.

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Danach stellen sich die Kundenbeschwerdeverfahren wiein unten stehender Tabelle dar.

Der DSGV hat in einem gesonderten Schreiben mitge-teilt, dass in 2005 bei den Schlichtungsstellen der Spar-kassen-Finanzgruppe insgesamt 1975 Beschwerdeein-gänge zu verzeichnen waren. Davon betrafen275 Beschwerden das Girokonto für jedermann. Von die-sen wurden 106 Beschwerdevorgänge zugunsten des Be-schwerdeführers, 53 Beschwerdevorgänge zugunsten desInstitutes einer Klärung zugeführt. In dieser Zahl enthal-ten sind sowohl Schlichtersprüche als auch solche Fälle,die bereits im Vorfeld eines Schlichterspruches erledigtwerden konnten. Die Differenz zwischen den erledigtenVorgängen zu der Gesamtzahl der Beschwerdeeingängezum Girokonto für jedermann ergibt sich daraus, dass et-liche Beschwerdevorgänge sich aus anderen Gründen er-ledigt haben, z. B. weil der Vorgang vom Beschwerdefüh-rer nicht weiter verfolgt wurde.

Grundsätzlich ist die Anzahl der Beschwerden zumThema „Girokonto für jedermann“ bei den Schlichtungs-stellen in den vergangenen Jahren demnach gestiegen. Siebewegt sich in den einzelnen Verbänden allerdings nachwie vor lediglich im dreistelligen Bereich. Darüber hi-naus zeigen die Schlichtungsverfahren eine hohe Erfolgs-quote für die Betroffenen.

Nach Ansicht der Spitzenverbände gibt die gestiegeneInanspruchnahme der Kundenbeschwerdestellen die zu-nehmende Bekanntheit der kreditwirtschaftlichen Streit-schlichtungsverfahren wider40. Der große Anteil von Be-schwerden zu diesem Themengebiet, die im Vorfeld

erledigt werden konnten, unterstreiche auch, dass Be-schwerdefälle aus dem Bereich „Girokonto für jeder-mann“ vorrangig von den Schlichtungsstellen bearbeitetwerden.

Von Seiten der Verbraucherschutzverbände werden nebender geringen Anzahl der Verfahren bei den Schlichtungs-stellen die fehlende Bindungswirkung der Schlichtersprü-che sowie die Verfahrensdauer kritisiert.

Nach Ansicht der Verbraucherschutzverbände wurdeauch nach der Entschließung des Deutschen Bundestagesvom 30. Juni 2004 weiterhin so gut wie nicht über dieMöglichkeit der kostenlosen Inanspruchnahme der zu-ständigen Schlichtungsstelle informiert. Dies zeige die re-lativ geringe Zahl der von den Kreditinstituten angegebe-nen Kundenbeschwerden in diesem Bereich, die deutlichhöher sein müsse, wenn alle Betroffenen ausreichendüber ihre Beschwerdemöglichkeit informiert wären.

Hinsichtlich der fehlenden Bindungswirkung weisen dieVerbraucherschutzverbände darauf hin, dass nach derzei-tigem Stand der jeweiligen Verfahrensordnungen derSchlichtungsstellen die Kreditinstitute nicht gezwungenwerden können, einen für den Kunden positiven Schlich-terspruch – zeitnah und vollständig – zu befolgen. DieSchlichtungsvorschläge seien für die angeschlossenenKreditinstitute letztlich ebenso unverbindlich wie dieZKA-Empfehlung selbst. Dies werde jüngst auch vomHanseatischen Oberlandesgericht in Bremen in seinemUrteil vom 22. Dezember 200541 hervorgehoben. In die-sem Urteil befasste sich das Gericht mit der Frage, obdem Kläger ein Anspruch auf Einrichtung eines Girokon-tos auf Guthabenbasis aus der ZKA-Empfehlung zustand.

40 Vergleiche auch Ausführungen der Bundesregierung in Bundestags-drucksache 15/5561, S. 10. 41 Geschäftszeichen: 2 U 67/05 = 2 O 408/05.

Beschwerde-fälle gegen-

über Mitglieds-instituten

(insgesamt)

Beschwerdefälle Girokonto für jedermann

absolute Zahlen

(davon noch in Bearbeitung)

in Prozent aller

Beschwerden

im Vorfeld erledigte

Beschwerden (davon nicht

weiterverfolgt bzw. zurück-

gezogen)

an den Ombudsmann

weiter-gegebene

Beschwerden

Insgesamt zugunsten

des Kunden ausgegangene Beschwerden

2005

BVR 1458 314 (5) 22 241 (149) 68 133

BdB 2791 170 (13) 6 102 (32) 55 88

VÖB 1587 345 (1) 21 310 (96) 34 151

2004

BVR 1891 251 13 176 (98) 75 124

BdB 4263 136 3 89 (25) 47 92

VÖB 1515 342 22 303 (37) 39 154

2003

BVR 1272 102 8 71 (39) 31 48

BdB 2470 103 4 60 (16) 43 71

VÖB 912 187 20 181 (3) 6 54

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Hinsichtlich der Unverbindlichkeit der Schiedssprüchewird im Urteil ausgeführt:

„Die Unterwerfung der Beklagten unter die Schiedsord-nung führt somit lediglich dazu, dass sie ihr Verhaltendurch einen unabhängigen Dritten an der Empfehlungmessen lassen muss und dabei das Risiko einer schriftli-chen Missbilligung eingeht. Damit begab sie sich abernicht der Entscheidung, ob sie trotz der Feststellung, dasssie gegen die Empfehlung verstoßen habe, weiterhin dembetreffenden Kunden ein Girokonto auf Guthabenbasisverweigern werde.“

Nach Ansicht der Verbraucherschutzverbände untermau-ert das rechtskräftige Urteil die Bedeutungslosigkeit desSchiedsverfahrens in Sachen „Girokonto für jedermann“und unterstreicht die Bedeutungslosigkeit der ZKA-Emp-fehlung für eine angemessene Sicherung der Teilhabe vonVerbrauchern am bargeldlosen Zahlungsverkehr.

In der Praxis gibt es jedoch nur Einzelfälle, in denen be-teiligte Kreditinstitute die zu Gunsten des Kunden ausge-gangenen Schlichtungssprüche nicht angenommen bzw.umgesetzt haben.

Die Dauer der Verfahren ist nach den Informationen derVerbraucherschutzverbände äußerst uneinheitlich. Dasich die Betroffenen jedoch oftmals in einer besondersprekären Lage befinden, seien längere Wartezeiten für dieBetroffenen negativ. Von den bekannt gewordenenSchlichtungsfällen wurden nach Angaben der AG SBVdie zügigeren grundsätzlich in einem Zeitraum von 1 bis1,5 Monaten abgewickelt. Auf der anderen Seite stehenallerdings auch Verfahren mit einer Dauer von 5 Monatenund mehr. Nach Ansicht des vzbv nützt auch die in derPraxis zu beobachtende überwiegend zügige Arbeits-weise der Ombudsmänner selbst wenig, weil dem eigent-lichen Schiedsspruch teilweise sehr lange formalistischeVorlaufzeiten vorangehen würden.

f) Kontopfändung

Der Bundesregierung ist bekannt, dass in Konsequenz derzentralen Bedeutung, die heute die Forderungspfändungin der Zwangsvollstreckung hat, Kontenpfändungen zurgängigen vollstreckungsrechtlichen Praxis gehören. DasKontoguthaben ist Teil des Vermögens des Schuldnersund damit im Fall der Vollstreckung grundsätzlich – wieandere bewegliche oder unbewegliche Habe des Schuld-ners – der Pfändung unterworfen.

Im Fall von Mehrfachpfändungen des Kontoguthabens,die vollstreckungsrechtlich als solche grundsätzlich nichtzu beanstanden sind, kann es zur Kündigung der Bank-verbindung durch das jeweilige Kreditinstitut kommen.Die Eröffnung eines neuen Girokontos bei einem anderenKreditinstitut ist dann zumeist nicht mehr möglich. Denverschuldeten Personen wird bei Fehlen einer Bankver-bindung die Teilnahme am wirtschaftlichen Verkehr da-mit zusätzlich erschwert und einer sozialen AusgrenzungVorschub geleistet.

Pfändungsschutzregelungen, die ihrer Natur nach denSchuldner vor Kahlpfändung bewahren und ihm das zum

Leben unabdingbar Erforderliche erhalten, existieren fürdie Fälle der Kontopfändung jedoch in allgemeiner Formnicht. Auch hier, wie in sonstigen Zusammenhängen desPfändungsschutzrechts, knüpft sich der gesetzlicheSchutz des Schuldners an bestimmte schützenswerte Ver-mögensgegenstände. Das können bestimmte Gegen-stände, die dem Schuldner zur Wahrung eines menschen-würdigen Daseins zu belassen sind, ebenso sein wiebestimmte Geldforderungen oder zumindest Teile dersel-ben. Zu nennen ist hier insbesondere der Anspruch aufbestimmte soziale Leistungen oder auch der Anspruch aufArbeitseinkommen, soweit diesem eine abhängige Be-schäftigung des Schuldners zugrunde liegt. Konten undhier speziell das Girokonto des Schuldners gehört nichtzu dessen grundsätzlich pfändungsgeschützten Vermö-gensgegenständen. Ein Pfändungsschutz ergibt sich hiernur insoweit, als bestimmte Forderungen, die dem schuld-nerischen Konto gutgeschrieben werden, ihrerseits demZugriff des Gläubigers ganz oder zum Teil entzogen sind.Sinn dieser gesetzlichen Regelungen, die kontoschüt-zende Wirkung entfalten, ist es, die pfändungsgeschützteForderung (etwa auf Sozialleistungen oder auf Arbeits-lohn) ihrem wirtschaftlichen Wert nach dem Schuldnerauch dann noch pfandfrei zu belassen, wenn sie demKonto gutgeschrieben ist. Die bestehenden Regelungenzum Pfändungsschutz bei Kontopfändung sind deshalbstets so konzipiert, dass im Ergebnis der Teil des Konto-guthabens, der dem Teil der gutgeschriebenen pfändungs-geschützten Geldforderungen entspricht, dem Vollstre-ckungszugriff entzogen bleiben soll. Nicht das Girokontoselbst ist nach bestehender Rechtslage Gegenstand desvollstreckungsrechtlichen Schuldnerschutzes. Der Erhalteines Girokontos als heute zentralem Instrument der Teil-nahme am wirtschaftlichen und sozialen Verkehr ist keinvollstreckungsrechtliches Schutzgut.

Innerhalb der Bundesregierung liegt die federführendeZuständigkeit für das Recht der Kontopfändung nach denRegelungen des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I)beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales, soweites nämlich um Konten geht, auf denen soziale Geldleis-tungen gutgeschrieben werden. Geht es demgegenüberum die Regelung der Pfändung von Konten, auf welchewiederkehrende Einkünfte der in den §§ 850 bis 850b derZivilprozessordnung (ZPO) bezeichneten Art – Arbeits-einkommen – überwiesen werden, ist das Bundesministe-rium der Justiz federführend zuständig. Für die Pfändungvon Konten, auf denen das steuerrechtliche Kindergeldgutgeschrieben wird, ist die Zuständigkeit des für dasEinkommenssteuerrecht federführenden Bundesministe-riums der Finanzen berührt.

Aufgrund dieser Mehrspurigkeit des Rechts der Kon-topfändung müssen die kontoführenden Kreditinstitute imFall der Kontopfändung im Prinzip unterschiedlich proze-dieren, je nach dem, ob dem von der Pfändung betroffe-nen Konto beispielsweise Arbeitseinkommen oder sozialeLeistungen gutgeschrieben werden. In letzterem Fall hatder Schuldner etwa das Recht, innerhalb der ersten siebenTage nach Gutschrift den der jeweiligen sozialen Leistun-gen entsprechenden Gesamtbetrag gegenüber dem Gläu-biger wirksam abzuheben; dem Schuldner gegenüber

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wäre eine die Unpfändbarkeit nicht beachtende Auszah-lung durch das Kreditinstitut an den Gläubiger relativ un-wirksam.

Im anderen Fall, dem der Pfändung von Kontoguthabenaus Arbeitseinkommen, umfasst – umgekehrt – die Kon-topfändung grundsätzlich das gesamte Guthaben, d. h.auch die Gutschrift aus der Überweisung von Arbeitsein-kommen. Die Bank darf in diesem Fall jedoch grundsätz-lich in den ersten 2 Wochen nach der Zustellung desÜberweisungsbeschlusses keine Auszahlungen – wederan den Gläubiger, noch an den Schuldner – vornehmen.Der Schuldner hat in dieser Zeit die Möglichkeit, beimVollstreckungsgericht einen Antrag auf Freigabe desKontos insoweit zu stellen, als das Guthaben dem derPfändung nicht unterworfenen Teil der Einkünfte für dieZeit von der Pfändung bis zum nächsten Zahlungsterminentspricht.

Dieses Verfahren hat sich angesichts der dramatisch ange-stiegenen Zahl der Kontopfändungen in mehrfacher Hin-sicht als reformbedürftig erwiesen: nicht nur die Tatsa-che, dass im Fall des § 850k ZPO der Schuldner,jedenfalls für einige Tage, eine Kontosperre hinnehmenmuss, ohne in dieser Zeit wenigstens die nötigsten Zah-lungen leisten zu können, kann nicht befriedigen. Auchdie bei Antragstellung erforderlich werdende Berechnungdes in jedem einzelnen Fall geltenden individuellen Pfän-dungsfreibetrags führt für die Gerichte zu einer nicht län-ger hinnehmbaren Belastung. Für die kontoführendenKreditinstitute schließlich verstärkt sich angesichts dergroßen Menge der Kontenpfändungen die Frage nach derpraktischen Handhabbarkeit und der Wirtschaftlichkeitdieser Verfahren.

Nachdem ein erster Gesetzentwurf zur Neuregelung des§ 850k ZPO aus dem Jahre 2004 aus verschiedenen Grün-den nicht weiterzuverfolgen war, ist die Frage der Neuord-nung des Rechts der Kontopfändung nach § 850k ZPO vo-rübergehend Gegenstand der Beratungen der unter demVorsitz des Bundesministeriums der Justiz tagenden Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Modernisierung des Zwangsvoll-streckungsrechts“ gewesen. Das Bundesministerium derJustiz ist nunmehr damit befasst, für die Pfändung vonKontoguthaben aus Arbeitseinkommen eine zeitgemäßeNeuregelung vorzubereiten, die den Interessen und prakti-schen Bedürfnissen von Schuldnern und Gläubigern, vonBanken und Justiz gleichermaßen entgegenkommt. UnterBerücksichtigung des grundsätzlichen Pfändungsschutzesfür Arbeitseinkommen soll auch bei Pfändungsmaßnah-men die Funktionsfähigkeit des Kontos als Zahlungsin-strument für Rechtsgeschäfte der gewöhnlichen Lebens-führung erhalten und die Fortführung der Bankverbindungauch aus Sicht des kontoführenden Kreditinstituts nochzumutbar bleiben.

Kontopfändungen sind ein typischer, wenn auch nicht deralleinige Anlass für die Banken, eine Kontoverbindungzu kündigen. Angesichts der vorsichtig geschätzten Zahlvon ca. 350 000 bis 370 000 Kontopfändungen im Monatbundesweit sind die Kreditinstitute gezwungen, Personalbis hin zu eigenen Abteilungen zur Bearbeitung der Kon-topfändungen bereit zu stellen. Wegen der dadurch entste-

henden Kosten besteht kein Erstattungsanspruch, auchhandelt es sich nicht um Kosten der Vollstreckung, für diesonst zunächst der Vollstreckungsgläubiger in Vorleistungzu treten und die letztlich der Schuldner zu tragen hat.Eine Neukonzeption des Rechts der Kontopfändung mussdaher aus Sicht der Bundesregierung auch dem Ziel fol-gen, den Aufwand für die Banken in einem solchermaßenvertretbaren Rahmen zu halten, dass es nicht aus diesemGrunde zur Schließung von Konten im Fall der Pfändungkommt.

Die Bundesregierung wird deshalb noch im Jahr 2006 ei-nen Gesetzentwurf zur Neuregelung des Rechts der Kon-topfändung vorlegen, der auch bei Pfändungsmaßnahmendie Funktionsfähigkeit des Kontos als Zahlungsinstru-ment für Rechtsgeschäfte der gewöhnlichen Lebensfüh-rung erhält und zugleich die Interessen der kontoführen-den Kreditinstitute ausreichend einbezieht.

Dabei wird jedoch zugleich zu bedenken sein, dass diePfändung von Geldforderungen heute das zentrale undfaktisch oft das einzige Mittel für Gläubiger ist, ihre be-rechtigten Ansprüche gegen einen Schuldner durchzuset-zen. Dies bedeutet, dass es auch bei der Zielvorgabe einerVerbesserung der Situation des Vollstreckungsschuldnersnicht zu einer Vervielfältigung des Pfändungsschutzeskommen darf. Dieser Aspekt, der in Fällen der Kon-topfändung nach § 55 SGB I oder der Pfändung von Kon-ten, auf die das steuerrechtliche Kindergeld überwiesenwird, von eher untergeordneter Bedeutung sein dürfte,spricht – auch unter Berücksichtigung des Gebots der Zu-sammenrechnung mehrerer Arbeitseinkommen, § 850eZPO – dafür, den Pfändungsschutz für Kontoguthabenaus Arbeitseinkommen jeweils auf das Konto zu konzen-trieren, auf das sich der Schuldner seine Einkünfte aus ab-hängiger Arbeit oder das Kindergeld überweisen lässt.

Das Ergebnis einer Neuregelung des Rechts der Kon-topfändung kann daher nicht sein, das Girokonto desSchuldners dem Vollstreckungszugriff der Gläubiger völ-lig zu entziehen. Ziel muss es vielmehr sein, im Aus-gleich der berechtigten Belange von Schuldner und Gläu-biger dem Kontoinhaber – so er denn Arbeitseinkommenim Sinne der §§ 850 bis 850b ZPO bezieht – geschützteEinkommensteile pfändungsfrei zu belassen und ihm aufdiese Weise die Möglichkeit zur Teilnahme am bargeldlo-sen Zahlungsverkehr soweit wie möglich zu erhalten.

Nach Auffassung der Verbraucherschutzverbände fördertdie derzeitige Ausgestaltung der Kontopfändung und dieihr regelmäßig nachfolgende Kündigung der Kontover-bindung durch die Bank nicht nur die Abhängigkeit desSchuldners und seiner Angehörigen von staatlichen Bei-hilfen, sie tragen auch dazu bei, dass sich die Schulden-last ausweitet.42 Nach Aussagen sowohl der Spitzenver-bände der Kreditwirtschaft als auch der AG SBV wurdenin rund 60 Prozent der Fälle Konten wegen bestehenderKontopfändungen gekündigt.

Hierbei ist allerdings hervorzuheben, dass nach Kenntnisder Bundesregierung einzelne Pfändungsmaßnahmen

42 Vergleiche Schuldenreport 2006, S. 177.

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Drucksache 16/2265 – 18 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

nicht zu einer Kündigung des Kontos führen. Die Ge-schäftsbeziehung wird vielmehr in der Regel erst dannabgebrochen, wenn durch eine Mehrzahl von Vollstre-ckungsmaßnahmen das Konto blockiert wird.

Auf den Zusammenhang zwischen Kontopfändung undKündigung des Girokontos wurde mehrfach, u. a. im letz-ten Bericht der Bundesregierung zum Girokonto, aberauch im Zweiten Armuts- und Reichtumsbericht der Bun-desregierung (Bundestagsdrucksache 15/5015) – KapitelÜberschuldung – hingewiesen.43

g) Parallele Entwicklungen in andereneuropäischen Ländern

In einem im Auftrag des Bundesministeriums für Familie;Senioren, Frauen und Jugend im Januar 2006 erstelltenGutachten44 wird aufgezeigt, dass der Ausschluss vonBürgerinnen und Bürgern von einer Kontoführung undder Teilnahme am Zahlungsverkehr auch in anderen Län-dern der Europäischen Union aktuell als ein Problem an-gesehen wird. Deshalb soll neben Frankreich auch in an-deren europäischen Nachbarländern eine Kontoführung,vornehmlich für überschuldete und von Überschuldungbedrohte Familien, ermöglicht werden.

In den Niederlanden z. B. übernehmen kommunale Kre-ditbanken nicht nur die Budgetverwaltung und Kontofüh-rung. Dort erhalten finanzschwache Bevölkerungsgrup-pen auch Kleinkredite, die sie sonst bei anderen Bankennicht erhalten würden. Daneben werden überschuldeteMenschen von den kommunalen Kreditbanken auch beider Schuldenregulierung und im Insolvenzverfahren be-treut. Auch in Irland findet eine sehr enge Kooperationzwischen den sozialen Beratungseinrichtungen und denKreditgenossenschaften statt.

Die Situation in einzelnen Ländern stellt sich wie folgtdar:

Frankreich

In Frankreich konnte sich bereits 1984 „jeder Antragstel-ler, dessen Gesuch auf Eröffnung eines Kontos von meh-reren Kreditinstituten abgewiesen wird und der aufgrunddieses Umstandes kein Konto besitzt, an die Banque deFrance wenden, damit diese ihm ein Kreditinstitut zu-weist, bei der er ein Konto eröffnen kann“.45 Geregelt wardies in Artikel 58 des „Loi bancaire“. Das Recht auf einKonto ist seit dem 11. Dezember 2001 in Artikel L312-1des „Code Monétaire et Financier“ geregelt. Vorausset-zung für das Gesuch an die Banque de France ist abernicht mehr die vorherige mehrfache Abweisung des An-tragstellers durch verschiedene Institute.

Für Verbraucher, die über diese Regelung ein Konto er-halten, gilt außerdem das Dekret Nummer 2001-45 vom17. Januar 2001, das den Umfang der „services bancairesde base“ regelt. Zum Mindestumfang gehören auch dieAusführung von Überweisungen, die Gestattung vonScheckausstellungen und die monatliche Zusendung desKontoauszugs. Für den Fall, dass die Bank die Schlie-ßung des Kontos beabsichtigt, regelt das Dekret außer-dem, dass die Bank 45 Tage davor die Banque de Francehiervon unter Benennung der Gründe zu unterrichten hat.Neben der gesetzlichen Regelung gilt in Frankreich auchdie Charta über Bankdienstleistungen aus dem Jahre1992, die das Recht auf ein Girokonto ergänzen soll. Einesolche Ergänzung wurde insbesondere im Hinblick aufdie fortschreitende Entwicklung des bargeldlosen Zah-lungsverkehrs als notwendig angesehen, da das Recht aufein Girokonto bis 1992 kein Recht zur uneingeschränktenTeilnahme am bargeldlosen Zahlungsverkehr enthielt.Die Charta stellt eine kollektive Selbstverpflichtung ent-sprechend der ZKA-Empfehlung dar, die der französischeBankenverband seinen Mitgliedern empfohlen hat.46

In der Praxis haben sich jedoch die Umsetzung desRechts auf ein Konto und die vorgesehenen Verfahrens-schritte als zu langwierig herausgestellt. Das Verfahrengilt daher als zu wenig attraktiv und wird – auch nach An-sicht der französischen Regierung – zu wenig in An-spruch genommen, so dass viele französische Bürgerohne Konto sind.

Vor dem Hintergrund anhaltender öffentlicher Diskussionist die französische Regierung gegenwärtig im Begriff,im Rahmen der Strategien zur Bekämpfung von Armutund Ausgrenzung mit einem Aktionsplan einen verbes-serten Anspruch auf Bankdienstleistungen für Bedürftigezu schaffen. Die französische Regierung präsentierte am30. Januar 2006 einen Aktionsplan, der sich unter ande-rem für die Verpflichtung der Institute ausspricht, für ei-nen einfacheren Zugang der Bevölkerung zu einem Kontozu sorgen, die Kontoinhaber obligatorisch mit einerBankkarte für PIN-gestützte Transaktionen auszustattenund ihnen darüber hinaus den Zugang zu modernen Zah-lungsmitteln zu eröffnen, soweit dies angemessen ist47.

Der Aktionsplan beruht auf vier Selbstverpflichtungenund wird durch genau benannte Maßnahmen und einenUmsetzungs- und Evaluierungszeitplan ergänzt.

Die erste Verpflichtung soll einen tatsächlichen Anspruchaller auf ein Konto garantieren, wobei die Bank, an diesich der Kunde gewandt hat, nunmehr alle Verfahrens-schritte, die früher bei der Banque de France durchgeführtwurden, übernimmt und so der Anspruch auf ein Kontoinnerhalb von 24 Stunden (ein Werktag) erfüllt werdenkann. Die zweite Verpflichtung betrifft den Zugang zu ei-ner Bankkarte. Der kostenlose Banken-Mindestdienstmuss zwingend für alle Konteninhaber die automatischeAusgabe einer Bankkarte mit einschließen. Die dritte Ver-

43 Vergleiche hierzu auch die Expertise von Prof. Dr. Wolfhard Kohte inMaterialien zur Familienpolitik Nr. 19/2004, herausgegeben vomBMFSFJ .

44 Dieter Korczack „Übertragbarkeit der irischen und niederländischenModelle der Zusammenarbeit von Schuldnerberatung und Finanz-wirtschaft auf deutsche Verhältnisse“.

45 Kaiser, Der Kontrahierungszwang beim Girokonto in Europa, Ver-braucher und Recht, www.vur-online.de/beitrag/8.html.

46 Vergleiche Kaiser a. a. O. mit weiteren Verweisen.47 Vergleiche Presseerklärung unter http://www.finances.gouv.fr/presse/

communiques/c0601301.php.

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pflichtung beinhaltet die individuelle Betreuung von Per-sonen, die Schwierigkeiten mit dem Zugang zu oder beider Benutzung von Bankdienstleistungen haben. DieBanken haben sich verpflichtet, sich bis Ende Juni 2006mit den 1 179 000 Inhabern von aktiven Konten in Ver-bindung zu setzen, die am bargeldlosen Zahlungsverkehrnicht teilhaben können. Parallel dazu wird die Rolle derSozialbetreuung im Kampf gegen die Ausgrenzung vonBankdienstleistungen verstärkt. Die vierte Verpflichtungbetrifft schließlich den Einsatz von bargeldlosen Zah-lungsmitteln als Teil der Modernisierung der bürgernahenöffentlichen Dienstleistungen.

Die französische Regierung erkennt mit diesem sehr weit-gehenden Vorstoß die Bedeutung der Teilhabe am bar-geldlosen Zahlungsverkehr für alle sozialen Schichten anund will mit kurzfristigen Maßnahmen die Zahl der vomZahlungsverkehr und damit auch sozial bislang ausge-grenzten Bürger signifikant reduzieren.

Belgien

Seit dem 1. September 2003 hat ein Verbraucher mitHauptwohnsitz in Belgien einen Rechtsanspruch auf Ein-richtung eines so genannten Sichtkontos auf Guthabenba-sis bei einer Bank seiner Wahl. Der Anspruch ist im „Loiinstaurant un service bancaire de base“ verankert.48 Diemit diesem Konto verbundenen Dienstleistungen derBank bestehen unter anderem darin, ein solches Konto zueröffnen und zu verwalten, Überweisungen (auch elektro-nischer Art) und Daueraufträge auszuführen und Konto-auszüge periodisch zur Verfügung zu stellen. Ablehnenkann die Bank die Eröffnung eines solchen Kontos u. a.im Falle eines betrügerischen Bankrotts des Antragstel-lers, eines sonstigen betrügerischen Verhaltens oder einesvergleichbaren Vertrauensmissbrauchs. Für Streitigkeitensieht das Gesetz ein außergerichtliches Schlichtungsver-fahren vor. Dieses ist beim Ombudsmann der Banken an-gesiedelt – die Entscheidung wird aber gemeinsam mit ei-nem Vertreter der Verbraucherverbände gefällt49. DerSchiedsspruch entfaltet jedoch keine Bindungswirkung.Daneben legt aber eine Ausführungsverordnung zum Ge-setz zudem die maximal zulässige Kontoführungsgebührfür alle Banken verbindlich fest. Diese beträgt zurzeit12 Euro im Jahr – der Gesetzgeber kann sie, auch nachoben, anpassen. Diese Jahrespauschale deckt je nach Artder Kontoführung eine bestimmte Anzahl von Operatio-nen/Transaktionen ab: Wählt der Kontoinhaber eine Kon-tokarte, um insbesondere elektronische Operationendurchzuführen, deckt die Jahresgebühr 36 Operationenab, verzichtet der Kontoinhaber hingegen auf die Konto-karte, deckt die Gebühr 72 manuelle Operationen im Jahrab. Will der Kontoinhaber mehr Transaktionen durchfüh-ren, hat er die banküblichen Tarife zu entrichten.50

Irland

Mehr als die Hälfte der Bevölkerung Irlands sind Mitglie-der des Netzwerks der in Irland etablierten Genossen-schaftsbanken. Für überschuldete Personen werden inAbsprache mit der Schuldnerberatung bei den Genossen-schaftsbanken zwei spezielle Konten eröffnet. Ein Kontoauf Guthabenbasis und ein Sparkonto. Für die Kontofüh-rung berechnen die Kreditgenossenschaften keine Gebüh-ren und keine Transaktionskosten.

3. Erkenntnisse der Bundesregierung und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungs-aufsicht (BaFin)

An die Bundesministerien und die BaFin werden durchEingaben und Petitionen Probleme bei Umsetzung derZKA-Empfehlung zum Girokonto für jedermann heran-getragen.51 Die Zahl der Eingänge ist – auch im Verhält-nis zu Eingaben über andere Geschäftsvorfälle – gering.

So beziehen sich ca. 2 Prozent aller an die BaFin gerich-teten Eingaben (ca. 60 von 3 000) auf das Thema Giro-konto für jedermann. Die Eingaben richten sich dabeiüberwiegend gegen eine Verweigerung der Kontoeröff-nung einzelner Banken oder gegen eine Kündigung einesbestehenden Kontos. Sofern dabei keine der in der ZKA-Empfehlung genannten Unzumutbarkeitsgründe deutlicherkennbar sind, tritt die BaFin grundsätzlich zur Sachver-haltsaufklärung an das Institut heran. Hierdurch konnte inder Vergangenheit in verschiedenen Einzelfällen dazubeigetragen werden, dass das betreffende Institut zu einerKontoeröffnung oder einer Weiterführung des Kontos be-reit war.

Allerdings ist hier zu unterscheiden, dass in diesen Fällendie Institute eher – nach vorheriger Ablehnung – einKonto eröffneten, als das sie eine bereits ausgesprocheneKündigung zurücknahmen.

Vermehrt gingen bei der BaFin Anfragen ein, wie ein Gi-rokonto für jedermann zu erhalten sei, da die Person „nir-gendwo“ ein Konto bekäme. In diesen Fällen werden dierechtlichen Hintergründe dem Einsender individuell er-läutert und auf die vorhandenen Schlichtungsstellen hin-gewiesen. Sofern durch die Einsender einzelne Instituteund Ablehnungsgründe benannt werden, tritt die BaFinebenfalls an das jeweilige Institut heran. Nach den Erfah-rungen der BaFin führen vor allem folgende Gründe zurVerweigerung der Eröffnung und der Kündigung einesGirokontos:

– Mehrfachpfändungen,

– einzelne lange andauernde Pfändungen,

– Negativmeldungen (z. B. der SCHUFA),

– Privatinsolvenzverfahren,

– Zahlungsverkehr für Dritte über das eigene Konto48 Moniteur Belge/Belgisch Staatsblad vom 15. Mai 2003, Edition 2,S. 26402 bis 26405, vgl. auch Schuldenreport 2006, S. 178.

49 Vergleiche Schuldenreport 2006, S. 179.50 Vom 7. September 2003, in: Moniteur Belge/Belgisch Staatsblad

vom 15. September 2003.51 Ein spezieller und öffentlich bekannt gemachter Verfahrenszug be-

steht allerdings nicht.

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Drucksache 16/2265 – 20 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

– Verhalten des Kontoinhabers (z. B. wenn er Mitarbei-ter des Instituts beleidigt hat)

– vermehrte Lastschriftrückgaben.

Bei den der BaFin bekannt gewordenen Fällen wurde beieiner Privatinsolvenz die Weiterführung eines Guthaben-kontos nur dann abgelehnt, wenn es zusätzlich andereGründe gab, die eine Unzumutbarkeit begründeten.

Neben der BaFin gehen in den Bundesministerien Einga-ben und Petitionen ein, die sich mit der Thematik befas-sen. Die Gesamtzahl von maximal 15 Fällen je Ministe-rium pro Jahr (BMJ, BMF, BMELV, BMFSFJ, BMWi)hat sich nicht wesentlich verändert. Als Ablehnungs-bzw. Kündigungsgründe werden seitens der Einsenderoftmals ein Negativeintrag bei der SCHUFA und Insol-venzen bzw. Kontopfändungen genannt. In allen Fällenwerden auch hier die Einsender auf die ZKA-Empfehlungsowie in entsprechenden Fällen, in denen ein Institut derSparkassen- Finanzgruppe angesprochen wird, auf das/die jeweiligen Sparkassengesetz/-verordnung/Mustersat-zung hingewiesen. Zugleich wird den Einsendern emp-fohlen, eine schriftliche Begründung für die Ablehnung/Kündigung bei der betreffenden Bank/Sparkasse einzuho-len und die jeweilige Beschwerdestelle zu kontaktieren.

4. Erfahrungen der Bundesagentur für ArbeitGeldleistungen werden von der Bundesagentur für Arbeitim Regelfall auf ein inländisches Konto des Leistungs-empfängers überwiesen. Soweit Geldleistungen mangelsGirokonto nicht überwiesen werden können, werdendiese dem Leistungsempfänger unter Einbehalt der Kos-ten per Zahlungsanweisung zur Verrechnung ausbezahlt.Die Kostentragungspflicht entfällt, wenn der Berechtigtenachweist, dass ihm die Einrichtung eines Girokontosohne eigenes Verschulden nicht möglich ist.

Für den Bereich Arbeitslosengeld (SGB III) ist mitDurchführungsanweisung zu § 337 SGB III geregelt, dassdie Leistungsempfänger, denen die Kontoführung verwei-gert wird oder denen ihr Girokonto gekündigt wird,schriftlich aufzufordern sind, die zuständige Schlich-tungsstelle anzurufen. Für diese Fälle halten die Agentu-ren für Arbeit vorbereitete Anschreiben und die Anschrif-ten der Schlichtungsstellen bereit.

Für den Bereich Arbeitslosengeld II (SGB II) ist das Ver-fahren als fachlicher Hinweis zu § 42 SGB II in den Ge-schäftsanweisungen SGB II geregelt.

Über die Weigerungsgründe ein Girokonto zu führen, gibtes aus Sicht der Bundesagentur keine neuen Erkenntnisse.Zuletzt waren neben negativen SCHUFA-Auskünften, derhohe Verschuldungsgrad der Antragsteller, verbunden mitvollstreckungsrechtlichen Maßnahmen von Gläubigern,für die Kontoverweigerung maßgebend. Verweigert wurdedie Kontoführung auch Arbeitslosen ohne festen Wohn-sitz.

Weiterhin ist aus Sicht der Bundesagentur zu berücksich-tigen, dass in einer Vielzahl von Fällen die Leistungsemp-fänger die Einschaltung von Kundenbeschwerdestellenablehnen und stattdessen den Kostenabzug bei der ZzV-

Zahlung in Kauf nehmen. Dies gilt zudem für Kontoinha-ber, die aus persönlichen Gründen die Auszahlung mittelskostenpflichtiger ZzV vorziehen.

Nach Bewertung der Bundesagentur lässt der Vergleichder Zahlungen seit 2000 (siehe oben) eine Verbesserungder Situation zugunsten der Leistungsempfänger ohneKonto nicht erkennen.

V. Bewertung der vorliegenden Daten und der aktuellen Situation

1. Erfahrungen und Bewertungdurch die Kreditwirtschaft

Auch die im ZKA zusammengeschlossenen Spitzenver-bände der Kreditwirtschaft sehen die Möglichkeit der Nut-zung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs in der modernenGesellschaft als wesentlichen Kern der Teilnahme amwirtschaftlichen Leben. Im Bewusstsein ihrer gesell-schaftlichen Verantwortung hätte sich die deutsche Kredit-wirtschaft über ihre Spitzenverbände daher die ZKA-Empfehlung zum Girokonto für jedermann im Jahre 1995ausgesprochen.

Ziel dieser Empfehlung war – und ist es nach wie vor –aus Sicht des ZKA allen Verbrauchern unabhängig vonihrem sozialen oder finanziellen Hintergrund den Zugangzum bargeldlosen Zahlungsverkehr zu ermöglichen.

Im Rückblick auf die vergangenen gut 10 Jahre kommtder ZKA zu dem Ergebnis, dass eine praktikable, d. h.den Interessen der betroffenen Bürger gerechte Umset-zung der ZKA-Empfehlung in der Praxis erfolge.

Die Entwicklung der Zahlen zu entsprechenden Girokon-ten, die sich bis zum Stichtag der letzten Erhebung(31. Dezember 2005) auf rund 1,9 Millionen erhöht hätte,belege, dass sich die ZKA-Empfehlung bewährt habe.

Hinsichtlich der in dem Beschluss des Deutschen Bun-destages vom 30. Juni 200452 enthaltenen Forderungen istder ZKA der Ansicht, durch die ergriffenen Maßnahmendiesen Forderungen nachgekommen zu sein.

Im Einzelnen hat der ZKA hierzu ausgeführt:

– Belastbares Datenmaterial über die Anzahl von Kon-toablehnungen oder Kündigungen sowie über dieStruktur der Inhaber von Girokonten für jedermannwerde durch die Kreditwirtschaft datentechnisch nichterfasst, da vollständig neue Meldeverfahren innerhalbder einzelnen Institutsgruppen und in den einzelnenKreditinstituten selbst hätten aufgebaut werden müs-sen. Der Aufbau eines entsprechenden (kostenintensi-ven) Meldeverfahrens stünde dabei im Widerspruchzur Maßgabe des Deutschen Bundestages, bei der Er-hebung keine „Überbürokratisierung“ zu erzeugen.Fraglich sei zudem, ob die Erhebung von „Strukturda-ten“ im Einklang mit dem Datenschutz stehen würde.

– Belastbares Datenmaterial zur Anzahl von Kontoab-lehnungen existiere nicht. Zahlen, die immer wieder in

52 Vergleiche Bundestagsdrucksache 15/3274.

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die Diskussion eingebracht werden, können dahernach Ansicht des ZKA nur auf nicht repräsentativenHochrechnungen basieren.

– Die Zahl der Leistungsempfänger der Bundesagenturfür Arbeit ohne Kontoverbindung gilt es aus Sicht desZKA zu relativieren. Allein aus dem Umstand, dassein Verbraucher über kein eigenes Girokonto verfüge,könne nicht gefolgert werden, dass eine Bank oderSparkasse dem Verbraucher die Eröffnung eines Giro-kontos zu Unrecht verweigert hat. Die Gründe für den(bewussten) Verzicht auf eine eigene Kontoverbin-dung wären vielfältig, etwa zur Vermeidung bzw. Er-schwerung des Zugriffs von Gläubigern auf Vermö-genswerte.

– Die Zahl der Bürger ohne Konto ist nach Ansicht desZKA „sehr gering“. Die teilweise vom Verbraucher-zentrale Bundesverband (vzbv) wiederholte Behaup-tung, „mehrere hunderttausend Verbraucher“ seienderzeit in Deutschland vom bargeldlosen Zahlungs-verkehr ausgeschlossen, weil Banken und Sparkassenihnen die Eröffnung eines Girokontos verweigernwürden (vgl. Pressemitteilung des vzbv vom 24. Ja-nuar 2006), sollte nach Ansicht des ZKA kritisch hin-terfragt werden: Eine repräsentative Erhebung, diediese Aussage stützen könnte, liege nicht vor.

Unbestritten ist nach den Ausführungen des ZKA da-bei, dass mitunter Unstimmigkeiten bei der Entschei-dung eines Kreditinstitutes gegen die Führung einesGirokontos auftreten. Aus diesem Grund hat der ZKAwiederholt den Verbraucher- und Schuldnerberatungs-verbänden angeboten, konkrete Fälle, in denen dieFührung eines Kontos abgelehnt wurde, den Spitzen-verbänden der Kreditwirtschaft zu melden, damitdiese Fälle einer zügigen Klärung zugeführt werdenkönnen. Nur wenige Einzelfälle würden jedoch an diekreditwirtschaftlichen Verbände herangetragen.

– In den Fällen, in denen es zu Unstimmigkeiten zwi-schen den betroffenen Bürgern und Banken im Hin-blick auf die Einrichtung eines Girokontos gemäß derZKA-Empfehlung zum Girokonto für jedermannkomme, könnten die seit mehreren Jahren eingerichte-ten Kundenbeschwerdestellen der einzelnen Banken-gruppen von den Bürgern – für diese kostenlos – ange-rufen werden. Die Beschwerdefälle aus dem Bereich„Girokonto für jedermann“ würden dabei nach Bewer-tung des ZKA vorrangig von den Schlichtungsstellenbearbeitet. Gemessen an der Gesamtzahl der Be-schwerdefälle – d. h. nicht allein bezogen auf den Be-reich „Girokonto für jedermann“ – würden die Streit-schlichtungsstellen von immer mehr Bürgern genutzt.Hieraus folgern die Spitzenverbände, dass sichSchlichtungsverfahren im Falle eventueller Streitfälleinzwischen etabliert hätten.

Die relativ niedrige Zahl der begründeten Beschwer-den von Betroffenen bei den Schlichtungsstellen seizudem ein zusätzliches Indiz dafür, dass die Zahl vonBürgern, die ohne eigenes Verschulden kein Giro-konto erhalten, gering sein dürfte. Zwar sei die Zahl

der Beschwerden zu diesem Thema bei den Schlich-tungsstellen in den vergangenen Jahren gestiegen,doch sei dies – wie auch die gestiegene Zahl von Giro-konten für jedermann – auch ein Spiegelbild der wirt-schaftlichen Entwicklung in Deutschland. So erhöhtesich beispielsweise die Zahl der Arbeitslosen von De-zember 2000 bis Dezember 2004 um rund 20 Prozentoder 800 000 Personen. Das Verhältnis von Beschwer-defällen zum Girokonto für jedermann und der Zahlvon entsprechenden Konten unterstreiche dabei denEindruck, dass die Kreditinstitute die ZKA-Empfeh-lung in der Praxis umsetzen. Denn nur verhältnis-mäßig wenige Streitfälle, d. h. im Promillebereich be-zogen auf die Anzahl der Girokonten für jedermann,seien bei den Kundenbeschwerdestellen der Kredit-wirtschaft festzustellen.

– Zur weiteren Erhöhung der Transparenz für die betrof-fenen Bürger hätten die Spitzenverbände der Kredit-wirtschaft ihre jeweiligen Mitgliedsinstitute im ver-gangenen Jahr aufgefordert, die Kündigung undAblehnung von entsprechenden Girokonten schriftlichzu begründen und darin auf die Möglichkeit der kos-tenlosen Inanspruchnahme einer Schlichtungsstellehinzuweisen. Auf diese Weise dürfte nach Ansicht desZKA – über das bereits 2004 zum Thema „Girokontofür jedermann“ erweiterte Internetangebot des ZKA53

hinaus – der Bekanntheitsgrad der ZKA-Empfehlungsowie der für die Bürger kostenlosen Schlichtungsver-fahren weiter erhöht worden sein. Auch die Entwick-lung der Beschwerdefälle bei den einzelnen Kunden-beschwerdestellen der Institutsgruppen bestätige dies.

Anhand der Kundenbeschwerden zum Girokonto fürjedermann, die in den letzten Monaten eingegangenseien, ist nach Ansicht des ZKA festzustellen, dassdieser Vordruck von den Kreditinstituten eingesetztwird, da er einer zunehmenden Anzahl von Eingabenals Anlage beigefügt wird.

– Vor dem Hintergrund insbesondere der vom ZKA ge-nannten Zahlen zum Girokonto für jedermann und dergeringen Zahl von Personen, die unverschuldet überkein Konto verfügen, ist der ZKA der Ansicht, dassdie Umsetzung der ZKA-Empfehlung zum Girokontofür jedermann erfolgreich und den betroffenen Bür-gern dienlich sei. Eine gesetzliche Regelung sei dahernicht erforderlich und nicht im Interesse der Betroffe-nen. Letztlich müssten auch bei einer gesetzlichen Re-gelung analog zu den Unzumutbarkeitsgründen in derZKA-Empfehlung Ausnahmen geregelt werden, indenen die Verpflichtung eines Kreditinstituts zur Kon-toführung im Einzelfall nicht bestehen würde. Inso-fern hätte jedoch eine gesetzliche Regulierung dieFolge, dass die Entscheidung von Streitfällen, die eszweifellos auch bei einer gesetzlichen Grundlage ge-ben würde, auf die Gerichte verlagert werden würde.Die daraus resultierende zusätzliche Arbeitsbelastungder Justiz außer Acht lassend, werde die kostenlose

53 www.zka.de.

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und zeitnahe Bearbeitung durch außergerichtlicheStreitschlichtungsstellen den Interessen der Betroffe-nen hingegen deutlich besser gerecht.

In der Gesamtbetrachtung und vor dem Hintergrundder positiven Erfahrungen und Entwicklungen überden nun mehr als zehnjährigen Zeitraum des Beste-hens der ZKA-Empfehlung, sprechen sich die Spitzen-verbände der Kreditwirtschaft abschließend dafür aus,dass von einer weiteren regelmäßigen Berichterstat-tung zur Umsetzung der ZKA-Empfehlung Abstandgenommen werden sollte.

Die Erstellung der Berichte sei immer mit umfangrei-chem personellem und zeitlichem Aufwand verbunden.Dies gelte sowohl für die Kreditwirtschaft als auch fürMinisterien und Abgeordnete. Aus den Erfahrungen derletzten Berichterstattungen sollte nunmehr der Schlussgezogen werden, dass eine Umsetzung der ZKA-Empfeh-lung in der Kreditwirtschaft erfolgt und daher zukünftigdie Ressourcen aller Beteiligten für andere Aufgaben ein-gesetzt werden sollten. Im Bewusstsein dessen, dass sichdie Kundenbeschwerdeverfahren mittlerweile etablierthätten und das Thema „Girokonto für jedermann“ geson-dert in den Statistiken und Tätigkeitsberichten der Be-schwerdestellen aufgenommen und dargestellt werde,sollten diese Publikationen in Zukunft einen ausreichen-den Ersatz zur Berichterstattung der Bundesregierungdarstellen.

2. Erfahrungen und Bewertung durch die Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AG SBV) und den Verbrau-cherzentrale Bundesverband e. V. (vzbv)

Nach Ansicht der vzbv ist die Zahl der in Deutschlandüberschuldeten Privathaushalte besorgniserregend. Dabeitreffe das Risiko der Überschuldung mehr denn je breiteBevölkerungsschichten. Zudem fänden zu wenige Haus-halte den Weg aus der Überschuldung heraus.

Neben den primären Überschuldungsauslösern wie Ar-beitslosigkeit seien auch Praktiken der Kreditwirtschaftaus Sicht des vzbv zu beklagen, die das Überschuldungs-potenzial von Geschäftsbeziehungen erhöhen, bezie-hungsweise die die wirtschaftliche Reintegration über-schuldeter Haushalte erschweren. Genannt werden hierneben Kreditumschuldungen und dem Scoring bei Ver-braucherdarlehen vor allem die Kündigung von Girokon-ten und die Verweigerung von Guthabenkonten – beidesentgegen dem Wortlaut der ZKA-Empfehlung.

Anlässlich der Vorstellung des Schuldenreports 2006– ein Gemeinschaftswerk des vzbv mit der Caritas, derDiakonie und dem Deutschen Roten Kreuz – bekräftigteder vzbv zusammen mit den Mitherausgebern am 15. Fe-bruar 2006 noch einmal seine Forderung, der wachsendenÜberschuldung effektiver als bisher u. a. dadurch zu be-gegnen, dass

– ein Recht auf ein Guthabenkonto gesetzlich verankert,

– das Kontopfändungsrecht an die Bedeutung des bar-geldlosen Zahlungsverkehrs angepasst sowie

– die innerhalb der Bundesministerien verteilten Zustän-digkeiten zu einem Gesamtansatz zusammengeführtund eine sog. Task Force eingesetzt wird, die – unterBeteiligung der Länder und der Wirtschaft – eine„Agenda gegen Überschuldung“ erarbeitet.

In ihrer Stellungnahme zu dem vorliegenden Bericht derBundesregierung hebt der vzbv insbesondere hervor, dassdie Abhängigkeit der Verbraucher vom Zugang zum bar-geldlosen Zahlungsverkehr weiter zugenommen habe.

Beispielhaft führt er in diesem Zusammenhang an:

– Der öffentliche Sektor beschränkt die Ein- und Aus-zahlungsmöglichkeiten für Bürger immer häufiger aufdie bargeldlose Zahlung. So wird beispielsweise Erzie-hungsgeld grundsätzlich nur noch bargeldlos ausge-zahlt. Bestimmte Beiträge an die Deutsche Rentenver-sicherung Bund (vormals Bundesversicherungsanstaltfür Angestellte) können nur noch bargeldlos einge-zahlt werden. Gerichtskosten sollen möglichst nurnoch bargeldlos entrichtet werden (Beispiel: elektroni-sches Mahnverfahren). Zur Begründung dieser Ent-wicklung kann exemplarisch auf folgende behördlicheAussage verwiesen werden: „Aufgrund des hohen undpersonellen Aufwands, der mit Bargeld-Verkehr ver-bunden ist, kann im Zentrum für Datenverarbeitungnur noch bargeldlos gezahlt werden.“54

– Für den Bereich der privaten Existenzsicherung giltunverändert, dass Arbeitgeber den Lohn oder das Ge-halt ihrer Mitarbeiter nur bargeldlos zahlen, Vermietervon ihren Mietern Einzugsermächtigungen für dieMiete verlangen, ebenso Energieversorger, Telekom-munikationsanbieter und Versicherungsunternehmen.Der Bundesgerichtshof erachtet entsprechende Ver-tragsklauseln mit der Begründung für zulässig, dassein Girokonto zum selbstverständlichen Bestandteildes Alltagslebens gehört.55

– Selbst der Freizeitsektor bleibt von dieser Entwick-lung nicht unberührt – immer mehr Vereinssatzungenwerden so geändert, dass der Vereinsbeitrag nur nochbargeldlos gezahlt werden kann. Dasselbe gilt für dieKursgebühren vieler Fort- und Weiterbildungsträger.

– Bürger ohne eigenes Konto finden noch nicht einmalmehr bei jeder Bank die Möglichkeit für Bareinzah-lungen. So hat die Verbraucherzentrale Berlin in ihrerUntersuchung vom Juli 2005 festgestellt, dass ersteBerliner Kreditinstitute diesen Service eingestellt ha-ben.

– Soweit die Möglichkeit für Bareinzahlungen besteht,sind hierfür hohe Gebühren fällig.

Hinsichtlich der Umsetzung der Beschlussfassung desBundestages vom 30. Juni 2004 durch die Kreditwirt-schaft sowie zu anderen Erkenntnisse bei der Umsetzungder ZKA-Empfehlung hat der vzbv eine Reihe von Stich-

54 Zentrum für Datenverarbeitung an der Johannes Gutenberg-Universi-tät Mainz.

55 BGH, NJW 1996, 988.

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proben, Umfragen, Zwischenauswertungen der Schuld-ner- und Verbraucherzentralen sowie Einzelgespräche mitBetroffenen im Jahre 2005 durchgeführt. In einer Ge-samtbetrachtung zeigen nach Ansicht des vzbv die Stich-proben und Umfragen der Wohlfahrts- und Verbraucher-verbände in der Zeit nach dem letzten Bericht derBundesregierung, dass

– der Beschluss des Deutschen Bundestages vom30. Juni 2004, der als Good-will-Angebot an die Kre-ditwirtschaft zu verstehen war, ohne Wirkungen fürdie Praxis geblieben ist;

– die ZKA-Empfehlung ihrer Funktion nicht gerechtwerden kann, die Institute anzuhalten, wenigstens denWortlaut der ZKA-Empfehlung zu befolgen;

– Banken die Schlichtungssprüche zugunsten der Ver-braucher wegen ihrer fehlenden Verbindlichkeit igno-rieren können;

– von den wenigen veröffentlichten Schlichtungssprü-chen keine Signalwirkung für die Banken ausgeht;

– die gesetzlichen Vorschriften zum Schutz persönlicherDaten unterlaufen werden und

– die Pfändungsschutzvorschrift des § 55 SGB I missach-tet wird.

Auch die Ergebnisse der von der AG SBV durchgeführ-ten Stichproben und die weiteren Erfahrungen aus derPraxis der AG SBV bestätigen, dass es nach wie vor er-hebliche Mängel bei der Umsetzung der ZKA-Empfeh-lung gibt. Daraus zieht die AG SBV folgendes Fazit:

– die Einschaltung der Schlichtungsstellen habe sich nurbedingt bewährt;

– auf die Beschwerdestellen werde bisher völlig unzu-reichend hingewiesen;

– die Dauer der Verfahren sei für Betroffene ohne Kontounzumutbar;

– bis zu der Entscheidung der Schlichtungsstelle verfü-gen die Betroffenen über kein Konto;

– der Schlichterspruch sei für die Banken rechtlich nichtbindend;

– das Ziel des Girokontos für jedermann werde verfehlt(z. B. Legitimation der Kündigung aufgrund von Kon-topfändungen);

– die Einrichtung von Guthabenkonten werde in derweit überwiegenden Zahl der Fälle grundlos verwei-gert. Die Verweigerung der Kontoeröffnung werde inder Regel bisher nicht schriftlich begründet;

– Girokonten werden vor allem wegen des derzeitigenKontopfändungsrechts weiterhin von den Kreditinsti-tuten gekündigt.

Aus Sicht des vzbv handelt es sich dabei um ein struktu-relles Problem und nicht um das Einzelproblem einigerKreditinstitute. Bundestag und Bundesregierung dürftendaher nicht ein weiteres Mal auf die Entwicklungen in derZukunft vertrauen und die weitere Entwicklung abwarten.

Der vzbv fordert daher die gesetzliche Verankerung einesRechts auf ein Guthabenkonto und die Reform des Kon-topfändungsrechts. Mit einer Reform des Kontopfändungsrechts entfiele fürdie Banken die von ihnen empfundene Unzumutbarkeit,ein gepfändetes Konto fortzuführen, da es nicht mehr blo-ckiert wäre. In gleichem Umfang, wie Kontokündigungendann unterbleiben könnten und würden, gäbe es dannauch keine neue Nachfrage nach Guthabenkonten. Zur Umsetzung und Lösung der strukturellen Problemeweist der vzbv im Einzelnen auf Folgendes hin:Zunächst sei ein subjektiver Anspruch auf Eröffnung ei-nes Guthabenkontos gesetzlich zu verankern. Die damitverbundene Einführung eines Kontrahierungszwangs seiverfassungsrechtlich zulässig. Nach Artikel 1 Satz 1 desGrundgesetzes in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip(Artikel 20 Abs. 1 des Grundgesetzes) treffe den Staat dieFürsorgepflicht, für ein menschenwürdiges Existenzmini-mum Sorge zu tragen. Die Definition des menschenwür-digen Existenzminimums in der heutigen Gesellschaftumfasse nicht mehr nur den Schutz vor Obdachlosigkeitund Verhungern, sondern auch den Schutz, dass BürgerZugang zu solchen bankmäßigen Leistungen haben, aufdie sie existentiell angewiesen sind. Hierher gehöre einGirokonto mit Basisfunktionen. Denn der bargeldloseZahlungsverkehr sei heute wesentliche Ausdrucksformder Teilhabe am Wirtschafts- und Sozialleben.Eckpunkte eines gesetzlichen Anspruchs sind dabei fürden vzbv:– Die Gewährung eines subjektiven Rechts für den Ver-

braucher. Die 1995 in den Gesetzentwürfen der Frak-tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Fraktionder SPD vorgeschlagenen Erweiterungen im Kredit-wesengesetz (KWG)56 erscheinen nicht mehr zeitge-mäß, zumal die Regelungen dieses Gesetzes dem Ver-braucher kein subjektives Recht einräumen.

– Als Standort für einen gesetzlichen Anspruch solltedaher das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) gewähltwerden. Hierfür würde sich die Umgebung um § 676fBGB eignen, der den Girovertrag regelt.

– Auch vom Kontrahierungszwang müsse es Ausnahmengeben. Die auf offensichtliche Unzumutbarkeitsfälle zubegrenzenden Ablehnungsgründe ließen sich im zwei-ten Absatz des gesetzlichen Anspruchs verankern. Ausder ZKA-Empfehlung könnten die Unzumutbarkeits-gründe übernommen werden, die sich objektiv – unddamit im Zweifelsfalle gerichtlich ohne größeren Auf-wand – feststellen lassen. Zu ihnen sollen gehören:

– der Missbrauch der Leistungen des Kreditinstitutsdurch den Kunden (Unzumutbarkeitsgrund Num-mer 1 der ZKA-Empfehlung),

56 Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Bundes-tagsdrucksache 13/351) schlug die Einführung eines neuen § 6aKWG vor; der Gesetzentwurf der Fraktion der SPD (Bundestags-drucksache 13/856) schlug nach § 20 KWG die Einführung einesneuen Unterabschnitts „3. Kontrahierungszwang“ vor. Vergleicheauch Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE. (Bundestagsdrucksa-che 16/731) sowie Bundestagsdrucksache 16/818.

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– die grobe Belästigung von Mitarbeitern des Kredit-instituts durch den Kunden beziehungsweise derenGefährdung durch ihn (UnzumutbarkeitsgrundNummer 3 in ZKA-Empfehlung) und

– die zwölfmonatige umsatzlose Kontoführung (Aus-zug aus Unzumutbarkeitsgrund Nummer 4 derZKA-Empfehlung).

– Darüber hinaus könne – ähnlich wie in Belgien – dieVerurteilung wegen einschlägiger Straftaten eben-falls als Ablehnungsgrund aufgenommen werden.

Mit einer solchen Regelung wäre – ebenso wie bei schonbestehenden Gesetzen mit einem Kontrahierungszwang(EnWG, PersBefG, PostG, SGB XI, KfZPflVersG) – auchkeine Klagewelle zu befürchten. Der Sinn eines Kontra-hierungszwangs bestehe gerade darin, dass die Anbietereiner Dienstleistung, die der Daseinsvorsorge zuzurech-nen ist, allein unter dem Eindruck des Kontrahierungs-zwangs so diszipliniert werden, dass sie von sich aus,ohne externen Druck, das Rechtsgeschäft mit dem Ver-braucher abschließen, der keinen Ablehnungsgrund er-füllt. Es seien gerade solche klaren Rechtslagen, die be-wirken, dass gerichtliche Auseinandersetzungenvermieden werden, weil der Ausgang des Gerichtsverfah-rens für den Beklagten – in diesem Fall für die die Konto-eröffnung ablehnende Bank – absehbar ist, nämlich derKlageerfolg, und ein solcher Prozess daher nicht unnötigherausgefordert wird. Nur bei der Durchsetzbarkeit einesAnspruchs des Kontosuchenden werden die Kreditinsti-tute geneigt sein, dem – berechtigten – Begehren nach Er-öffnung eines Guthabenkontos auch freiwillig stattzuge-ben. An dieser klaren Rechtslage fehle es bislang inDeutschland.

Daneben bedarf es nach Ansicht des vzbv der Reform desKontopfändungsrechts. Solange das Kontopfändungs-recht so geregelt sei, dass es die Kreditwirtschaft veran-lasst, eine Kontoverbindung zu kündigen, sobald einPfändungs- und Überweisungsbeschluss eingeht, weil dieDauerblockade des Kontos befürchtet wird, bleibe die an-schließende Nachfrage nach Guthabenkonten – mit denderzeit bekannten Problemen – hoch.

Gäbe es hingegen ein Kontopfändungsrecht, das zum ei-nen auf einem gepfändeten Konto einen Sockelbetragpfändungssicher belässt, so dass der Kontoinhaber nochdie existentiellen Zahlungen bargeldlos vornehmen kann,und das zum anderen die Wirkung der Kontopfändungnur auf den aktuellen pfändbaren Saldo beschränkt, ent-fiele der Anlass für die massenhaften Kontokündigungen.Damit würde sich zugleich die anschließende Suche derbetroffenen Kunden nach einem neuen Guthabenkontoerübrigen. Der Referentenentwurf des Bundesministe-riums der Justiz vom September 200457 habe den vorge-nannten ersten Punkt weitgehend umgesetzt.

Hinsichtlich des zweiten Punktes konnte man sich nurdazu durchringen, die bisherige Dauerwirkung auf 3 Mo-

nate zu begrenzen und dies auch nur dann, wenn der Kon-toinhaber bei Gericht entsprechenden Vollstreckungs-schutz beantragt. Der vzbv hat im November 2004 zudem Gesetzesvorschlag umfassend Stellung genommenund sich gegenüber dem Bundesjustizministerium auchzu den aus Bankenperspektive noch kritischen Punktender haftungssicheren Identifizierung der Herkunft despfändungsfreien Sockelbetrages geäußert.

Angesichts der Bedeutung des bargeldlosen Zahlungsver-kehrs wäre eine Neuregelung, die die 7-Tage-Frist des§ 55 SGB I lediglich verlängert und dieses Prinzip gar aufdie „generelle“ Kontopfändungsschutzvorschrift in§ 850k der Zivilprozessordnung (ZPO) übertragen würde,abzulehnen. Im Zeitalter des bargeldlosen Zahlungsver-kehrs sei nicht einzusehen, warum ausgerechnet von die-sen Verbrauchern erwartet werde, dass sie ihre verbliebe-nen finanziellen Mittel zur Existenzsicherung vom Kontoräumen und in der Wohnung aufbewahren beziehungs-weise bei sich tragen müssten. Dies sei auch kontrapro-duktiv für die Normalisierung ihrer finanziellen Verhält-nisse.

Aus Sicht des vzbv seien vielmehr folgende Eckpunktebei einer Reform des Kontopfändungsrechts notwendig:

– Die Einführung eines pfändungsfreien Sockelbetragesin § 850k ZPO, dessen Höhe an den Pfändungs-freigrenzen des § 850c ZPO ausgerichtet werden kann.Die Herkunft dieses Sockelbetrages muss für die Insti-tute ohne großen Aufwand und haftungssicher festge-stellt werden können.

– Die Übertragung dieses Prinzips auf § 55 SGB I, sodass auch unpfändbare Sozialleistungen auf demKonto verbleiben können.

– Der gesetzliche Ausschluss der Dauerwirkung derKontopfändung. Dies würde den Pfändungsgläubigernicht über Gebühr benachteiligen, da sich die Dauer-wirkung heute durch die regelmäßige Kündigung derKontoverbindung durch die Bank ohnehin nach kurzerZeit erledigt.

VI. Bewertung und Handlungsempfehlungen der Bundesregierung

Hinsichtlich der im Beschluss des Deutschen Bundesta-ges vom 30. Juni 200458 formulierten und vornehmlich andie Kreditwirtschaft gerichteten Forderungen ist aus Sichtder Bundesregierung zusammenfassend Folgendes fest-zuhalten:

1. Seitdem sich der Deutsche Bundestag im Jahr 1995erstmals mit den Auswirkungen der ZKA-Empfeh-lung zum Girokonto für jedermann beschäftigt hat,sind keine Fortschritte bei der Erhebung verlässlicherDaten festzustellen, ob und inwieweit sich das Volu-men der Bürgerinnen und Bürger ohne Girokontoverändert hat und wie viele aufgrund der Verweige-rung oder Kündigung eines Girokontos über kein Gi-

57 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Insolvenzordnung, desKreditwesengesetzes und anderer Gesetze vom 16. September 2004. 58 Vergleiche Bundestagsdrucksache 15/3274.

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rokonto verfügen. Verlässliche Daten über diesesProblemfeld sind jedoch für die Prüfung eines Hand-lungsbedarfs und etwaiger Handlungsoptionen desGesetzgebers essentiell.

Soweit vom Deutschen Bundestag im Jahre 2004noch einmal von der Kreditwirtschaft gefordert wor-den ist, verwertbare Daten bereitzustellen, aus denenhervorgeht, wie oft und weshalb sie die Einrichtungeines Girokontos ablehnen oder ein solches Kontokündigen, wurden von der Kreditwirtschaft erneutkeine belastbaren Zahlen unter Hinweis auf den da-mit aus der Sicht des ZKA verbundenen bürokrati-schen Aufwand vorgelegt.

Nach Ansicht der Bundesregierung können verlässli-che Zahlen ausschließlich bei den einzelnen Kredit-instituten „an der Quelle“ erhoben und – über dieVerbände der Kreditwirtschaft – zu einem aussage-kräftigen Sample zusammengeführt werden. Dies giltsowohl für die Zahl der nicht eröffneten als auch fürdie der gekündigten Konten. Allein der Bankensektorals Anbieter von kontenbasierten Geschäftsbeziehun-gen und potenzieller Vertragspartner kontenbezoge-ner Dienstleistungen ist in der Lage, aufgrund des di-rekten Kundenkontakts in den Geschäftsstellen Datenunmittelbar ad personam zu erheben und über dieVerbände zu einem vollständigen und damit aussage-kräftigen Bild zusammenzutragen.

Verbraucherschutzverbände unterhalten hingegen mitder Betroffenengruppe keine vertraglichen oder vor-vertraglichen Beziehungen. Sie können keine kon-kreten Zahlen zur Bezifferung der Anzahl von Bürge-rinnen und Bürgern, denen unverschuldet keinGirokonto zur Verfügung steht, mangels direktenKundenkontakts beisteuern.

Letztere können lediglich Daten vorlegen – ebensowie empirische Untersuchungen und Forschungsvor-haben Dritter – die auf Umfragen und Stichproben re-kurrieren. Diese können jedoch bei weitem nicht dieDatenpräzision wie die vom Deutschen Bundestaggewünschten Datenerhebungen der Banken sicher-stellen. Verbraucherschutzverbände oder Meinungs-forschungsinstitute würden sich – wie dies bereits inder Vergangenheit der Fall war – gegenüber der Kre-ditwirtschaft im Übrigen dem Vorwurf aussetzen, le-diglich Schätzungen zu liefern und Doppelzählun-gen, die die Statistik verzerren, nicht ausreichendausschließen zu können.

Aufgrund der Tatsache, dass die erforderlichen Datenmit der notwendigen Verlässlichkeit von den Bankenerhoben werden könnten, hält es die Bundesregie-rung auch nicht für zielführend, ein Forschungsvor-haben zu initiieren, das diese von der Kreditwirt-schaft verweigerten Daten über Umwege und mitweniger Datengenauigkeit erhebt.

2. Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass es derKreditwirtschaft mit den eingeführten Vordruckenmöglich ist, in anonymisierter Form Daten über dieVerweigerung und Kündigung von Girokonten über

die Geschäftsstellen zu erheben, über die Einzelver-bände und den Zentralen Kreditausschuss zusam-menzutragen und die Ergebnisse in dieser Form öf-fentlich zu machen sowie dem Deutschen Bundestagvorzulegen.

3. Die Bundesregierung ist ebenfalls der Ansicht, dasstrotz der aktuell unbefriedigenden Datenlage Parame-ter, die in diesem Bericht näher dargelegt wurden,existieren, die zumindest dafür sprechen, dass dasProblemfeld bezüglich der Bürgerinnen und Bürger,die unverschuldet kein Girokonto haben, im Be-richtszeitraum nicht signifikant abgenommen undsich damit nicht auf für Handlungsoptionen redun-dante Einzelfälle zurückentwickelt hat. Qualitative,messbare Verbesserungen sind also im Berichtszeit-raum nicht eingetreten. Das Problem besteht viel-mehr ungeschmälert weiter.

Aus der vom ZKA übermittelten Zahl von rund1,9 Millionen so genannten Girokonten für jeder-mann kann nicht geschlossen werden, dass eine sicht-bare Verbesserung der Situation eingetreten ist. Zwarist aufgrund der vorgelegten Zahlen im Berichtszeit-raum wiederum von einer leichten Zunahme der Zahlder Girokonten für jedermann in allen Verbandssek-toren auszugehen. Dieses Ergebnis wird zu Lastender Aussagekraft dadurch verzerrt, dass es die Kre-ditwirtschaft versäumt hat, in der Vergangenheit fürdie Datenerhebung Kriterien zu entwickeln und andie einzelnen Institute weiterzugeben, die eine sau-bere Abgrenzung von anderen Kontenformen, die miteiner ausschließlichen Kontoführung im Guthaben-bereich verbunden sind, zulassen.

Für die Erhebungen des ZKA blieb es bisher den ein-zelnen Instituten und Rechenzentren überlassen, nacheigenen Kriterien zu entscheiden, welche Konten aufGuthabenbasis sie als Girokonto für jedermann klas-sifizieren. Aus diesem Grunde werden in der über-mittelten Zahl so genannter Girokonten für jeder-mann auch Kontenformen erfasst, die die engenVoraussetzungen des Girokontos für jedermann unddessen Zweckrichtung nicht erfüllen.

4. Bezüglich der zweiten Forderung des DeutschenBundestages und den von der Bundesregierung imletzten Bericht geäußerten Erwartungen muss festge-stellt werden, dass die Empfehlung der Kreditwirt-schaft nicht um die geforderten Elemente ergänztworden ist.

Dagegen haben die Spitzenverbände der Kreditwirt-schaft ihre jeweiligen Mitgliedsinstitute – wenn aucherst im Sommer 2005 – aufgefordert, die Kündigungund Ablehnung von entsprechenden Girokontenschriftlich zu begründen und dabei auf die Möglich-keit der kostenlosen Inanspruchnahme einer Schlich-tungsstelle hinzuweisen. Die in diesem Zusammen-hang eingeführten Vordrucke sind diesem Bericht alsAnlage beigefügt.

Ob dieser Aufforderung konsequent und flächende-ckend in allen Geschäftstellen mit Kontoführung

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nachgekommen wird, kann zu diesem Zeitpunktnicht beurteilt werden.

5. Aus Sicht der Bundesregierung ist es positiv zu wer-ten, dass die Annahme und Behandlung von Be-schwerden im Zusammenhang mit der Kündigungoder Ablehnung eines Girokontos für jedermanndurch die Schlichtungsstellen der Kreditwirtschaftunproblematisch verläuft. Dies wird auch durch dieVerbraucherverbände anerkannt.

Hinsichtlich der Verfahrensdauer zeigen allerdingsdie Bewertungen durch die Kreditinstitute sowie dieVerbraucherschutzverbände, dass in diesem BereichVerbesserungspotenzial besteht.

Da die Schlichtungssprüche für die einzelnen Kredi-tinstitute nicht verbindlich sind und es in wenigenEinzelfällen dazu gekommen ist, dass beteiligte Kre-ditinstitute die zugunsten des Kunden ausgegangenenSchlichtungssprüche nicht angenommen haben, bzw.nach den Verfahrensordnungen im Falle „Girokontofür jedermann“ nur eine Feststellung über die Einhal-tung der ZKA-Empfehlung getroffen und keine kon-krete Handlungsanweisung an das betreffende Kredit-institut erteilt wird, sollte auch hier – ungeachtet deswiederholt vorgetragenen Angebots der Spitzenver-bände sich den Einzelfällen gesondert anzunehmen –über andere Lösungskonzepte nachgedacht werden.

Die Veröffentlichungspraxis von Schlichtungssprü-chen ist ebenfalls noch nicht zufriedenstellend. Diegeringe Zahl von Veröffentlichungen seit der Ent-schließung des Deutschen Bundestags vom 30. Juni2004 verdeutlicht, dass das Verfahren noch transpa-renter und damit verbraucherorientierter gestaltetwerden sollte. Vor allem ist es nicht ausreichend, dassnur einige Spitzenverbände der Kreditwirtschaft ver-einzelte Schlichtungssprüche veröffentlichen. Überdie derzeitige Veröffentlichungspraxis kann nicht dasZiel erreicht werden, dass „einzelne Schlichtersprü-che Signalwirkung auch für andere Banken entwi-ckeln“59 wie es sich die Bundesregierung in ihremletzten Bericht erhofft hat.

Der Verfahrensweg über die Schlichtungsstelle istnützlich und hat ausweislich der Statistik der Ombuds-mannverfahren eine hohe Erfolgsquote. Die Möglich-keit der kostenlosen Inanspruchnahme von Schlich-tungsstellen bei der Ablehnung oder Kündigung einesGirokontos für jedermann ist den Betroffenen imBerichtszeitraum jedoch weitgehend unbekannt ge-blieben. Bei konsequenter und flächendeckender Ver-wendung der neu eingeführten Vordrucke für dieschriftliche Begründung der Kündigung oder Ableh-nung der Einrichtung eines Girokontos durch dieKreditinstitute, die auch einen Hinweis auf die Mög-lichkeit der kostenlosen Inanspruchnahme einerSchlichtungsstelle enthalten, ist zu erwarten, dass derBekanntheitsgrad sich zukünftig erhöht.

Allerdings weisen die angesichts der Gesamtproble-matik bescheidenen Zahlen der Schlichtersprüche indiesem Bereich auch aus, dass den Kontosuchendenallein und ausschließlich mit einem Verfahrenswegnicht wirksam geholfen werden kann. Denn ebensowie die Geltendmachung von vermeintlichen An-sprüchen vor Gericht setzt er bei den BetroffenenRoutine und Qualifikation bei der eigenständigenRealisierung von Ansprüchen und eigenen Interessenvoraus, was für die Mehrzahl der Betroffenen nichtvorausgesetzt werden kann.

Aus Sicht der Bundesregierung gibt es trotz insgesamtunbefriedigender, allerdings durch Anstrengungen derKreditwirtschaft verbesserungsfähiger Datenlage nachwie vor Indikatoren dafür, dass Bürgerinnen und Bürgernseitens der Kreditinstitute wegen vielfach hoher Verschul-dung, unter anderem aufgrund von Arbeitslosigkeit, so-wie bestehender Kontopfändungen die Einrichtung bzw.Weiterführung eines Girokontos verweigert wird. Trotzder Tatsache, dass die Dimension des Problems durch dieUntersuchungen und Stichproben der Verbraucherschutz-verbände aufgrund der dargelegten Erfassungsschwierig-keiten nicht mit der gewünschten Aussagekraft dargelegtwerden kann, steht es für die Bundesregierung fest, dasses sich bis heute um ein unverändertes Phänomen undnicht allein um unter dem Strich vernachlässigbare Ein-zelfälle handelt.

Die Empfehlung des ZKA zum Girokonto für jedermannreicht aus Sicht der Bundesregierung trotz der unstreiti-gen Verbesserungen im Schlichtungswesen nicht aus, dasbestehende Problem auf Dauer zu minimieren und in Zu-kunft eine messbare Wirkung auf die einzelnen Institutemit dem Ziel zu entfalten, dem Begehren nach Kontoer-öffnung immer dann stattzugeben, wenn dies für das ein-zelne Institut nach dem Inhalt der Empfehlung zumutbarist.

Die ZKA-Empfehlung von 1995 hat in diesem Zusam-menhang diese intendierte Wirkung bei den einzelnen In-stituten nicht nachhaltig und im gebotenen Umfang her-stellen können. Darauf deutet auch der hohe Prozentsatzvon Schiedssprüchen hin, mit denen dem betroffenen In-stitut angeraten wird, ein solches Konto zu eröffnen unddamit die ursprüngliche Ablehnung zu revidieren.

Dieses nach zehnjähriger Implementierungspraxis er-nüchternde Ergebnis ist – wie im erwähnten Urteil desOberlandesgerichts Bremen vom 22. Dezember 2005deutlich zum Ausdruck gebracht wird –, in erster Liniedem Charakter der Empfehlung geschuldet. Sie verpflich-tet gegenüber dem Kunden zu nichts – sie ist weder fürden Zentralen Kreditausschuss noch für die einzelnenKreditinstitute mit einer Rechtspflicht verbunden. Emp-fehlungen können allenfalls „nach innen“ wirken, d. h.zwischen dem jeweiligen Verband und dem einzelnenKreditinstitut. Dies ist auch dann der Fall, wenn die inRede stehende ZKA-Empfehlung auf den Websites derVerbände veröffentlicht worden ist. Trotz der Veröffentli-chung dieses Internums konnte die ZKA-Empfehlung in-nerhalb eines Zeitraums von mehr als 10 Jahren aller-dings nicht das notwendige erzieherische Umfeld und59 Vergleiche Bundestagsdrucksache 15/2500.

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Problembewusstsein für alle Beteiligten mit dem Zielschaffen, Kunden ein Konto auf Guthabenbasis immerdann zu eröffnen, wenn dies für das Institut nicht unzu-mutbar ist.

Ursache hierfür ist, dass Empfehlungen wie die ZKA-Empfehlung von 1995 zu nichts verpflichten und nieman-den binden. Es ist in diesem Zusammenhang deshalb nichtzutreffend, dass diese Empfehlung bisweilen als Selbst-verpflichtung der Kreditinstitute interpretiert wird60. Miteinem Rechtsbindungswillen, was Voraussetzung für eineSelbstverpflichtung wäre, ist die Empfehlung gerade nichtausgestattet. Dies gilt im Ergebnis auch für einschlägigeSchiedssprüche, die gegenüber dem einzelnen Institut be-züglich der Einhaltung der ZKA-Empfehlung keinerleiBindungswirkung entfalten.

Für die Bundesregierung steht fest, dass sich die Empfeh-lung des Zentralen Kreditausschusses aus dem Jahr 1995zum Girokonto für jedermann in der Praxis nicht in demgewünschten Umfang bewährt hat. Das Instrument derZKA-Empfehlung konnte strukturell – gerade in Zeitenhoher Arbeitslosigkeit, die natürlich auf die Einkom-menssituation der betroffenen Bevölkerungsteile Auswir-kungen hat, – nicht angemessen zur Problemlösung bei-tragen. Dieses strukturelle Defizit kann auch nichtwirkungsvoll dadurch beseitigt werden, dass im Nachhi-nein Ergänzungen des Inhalts der Empfehlung vorgenom-men werden.

Die Bundesregierung kommt vielmehr zum Ergebnis,dass allein ein Maßnahmepaket neuen Inhalts, das ge-meinsam von Staat und Wirtschaft getragen wird, geeig-net wäre, mittelfristig Verbesserungen in diesem Bereichsicherzustellen.

Die Analyse der aktuellen Diskussion in Frankreich undin anderen europäischen Ländern ergibt einerseits, dassdie Problematik des Zugangs zu einem Konto für sozialSchwache im Allgemeinen und der Kontoführung fürüberschuldete und von Überschuldung bedrohte Familienim Besonderen kein nationales Phänomen ist und ande-rerseits singuläre Maßnahmen kaum zur Problemlösungbeitragen können.

Die Bundesregierung hält die Handlungsoptionen in un-seren Nachbarländern für bedenkenswert, soweit dieseauf unser Rechtssystem transformierbar sind.

Hinsichtlich des gesellschaftlichen Problems der unteranderem aus Arbeitslosigkeit erwachsenden Überschul-dung und der dadurch bestehenden Gefahren der finanzi-ellen und vielfach sozialen Ausgrenzung von Bürgerin-nen und Bürgern präferiert die Bundesregierung bei demdamit in Zusammenhang stehenden Problem verweigerteroder gekündigter Konten folgende Handlungsoption:

Die Bundesregierung ist der Ansicht, dass das seit zehnJahren vom Bundestag wiederholt zur Kenntnis genom-mene und erörterte Problem des Zugangs zu einem Kontonur in einer gemeinsamen Anstrengung von Staat und

Wirtschaft gelöst werden kann. Hieraus folgt nach Über-zeugung der Bundesregierung auch, dass eine Lösungnicht ausschließlich gesetzliche Regelungen erforderlichmacht, sondern die Kreditwirtschaft durch Selbstver-pflichtungen und Selbstregulierung einen wesentlichenBeitrag leisten kann.

Gemeinsames Ziel von Staat und Kreditwirtschaft musses sein, allen Bürgerinnen und Bürgern schnell, einfachund auf praktikable Weise die Teilnahme am bargeldlosenZahlungsverkehr zu ermöglichen. Hierdurch könntenauch die in einer Vielzahl von Fällen mit der Kontolosig-keit direkt verbundenen Probleme wachsender Über-schuldung minimiert werden. Ein wichtiger Beitrag zumSchuldnerschutz ist unstreitig der Zugang zu einem Giro-konto auf Guthabenbasis. Allerdings darf der Zugang zueinem Girokonto nicht nachträglich durch Kündigungenvon Girokonten wieder in Frage gestellt werden.

Die Bundesregierung schlägt deshalb vor:

– Die Bundesregierung legt noch im Jahr 2006 einenGesetzesentwurf zur Änderung des Kontenpfändungs-rechts vor, um für die kontenführenden Kreditinstitutedie rechtlichen Rahmenbedingungen zu verbessern.

– Die Kreditwirtschaft ersetzt die bislang rechtlich un-verbindliche Empfehlung des ZKA aus dem Jahr 1995durch eine Selbstverpflichtung, die diesen Namen ver-dient. Darunter versteht die Bundesregierung eine Ver-pflichtung der einzelnen Kreditinstitute, Bürgerinnenund Bürgern auf Wunsch ein Girokonto für jedermannzu eröffnen bzw. ein solches Konto weiterzuführen,soweit diesem Wunsch keine Unzumutbarkeitsgründeentgegenstehen. Diese Verpflichtung muss die einzel-nen Kreditinstitute gegenüber (potenziellen) Kundenrechtlich binden. Darüber hinaus verpflichten sich dieKreditinstitute, die Schlichtungssprüche ihrer jeweili-gen Schlichtungsstellen als bindend zu akzeptieren.

Durch diese Maßnahmen der Kreditwirtschaft würdedas bisher bestehende Defizit der jetzigen Empfeh-lung, die fehlende rechtliche Bindung gegenüber denKunden, beseitigt und Rechtssicherheit für die betrof-fenen Bürgerinnen und Bürgern geschaffen werden.

Eine gesetzliche Regelung des Rechts auf ein Girokontound damit die Schaffung eines Kontrahierungszwangswird jedoch gegenwärtig von der Bundesregierung nichtfür erforderlich angesehen.

Dieser Lösungsweg wurde und wird allerdings von ein-zelnen im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien undvon den Verbraucherschutzverbänden gefordert. Auchfinden sich dazu durchaus Parallelen zu den Rechtsord-nungen des europäischen Auslands.

Hiergegen spricht allerdings, dass ein Kontrahierungs-zwang die Ausnahme in einem auf Vertragsfreiheit beru-henden Privatrecht darstellt, selbst wenn Gründe der Zu-mutbarkeit im Einzelfall eine Ablehnung oder Kündigungeines Girokontos rechtfertigen. Gerade die Erfahrungen inLändern mit einer verbreiteten Kultur der Selbstregulie-rung zeigen, dass Maßnahmen der Selbstregulierung undSelbstverpflichtung auf einem einfacheren Verfahrensweg

60 So z. B. im Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom7. März 2006 (Bundestagsdrucksache 16/818).

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Drucksache 16/2265 – 28 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

ähnliche positive Regelungseffekte haben können wie ge-setzliche Maßnahmen. Bevor der Weg über eine gesetzli-che Regelung beschritten wird, müsste zudem detailliertuntersucht werden, ob eine gesetzliche Regelung desRechts auf ein Girokonto, wie sie bereits im Sparkassen-recht einiger Bundesländer existiert, den von der Bundes-regierung vorgeschlagenen Maßnahmen zur Optimierungder ZKA-Empfehlung tatsächlich überlegen ist und mehrRechtssicherheit für alle Beteiligten erzeugen könnte. Eineindeutiges Ergebnis ist aufgrund der bisher vorliegendenErkenntnisse nicht ersichtlich.

Für eine solche Selbstverpflichtung der einzelnen Insti-tute für das Produkt „Girokonto für jedermann“, die ge-genüber dem Einzelnen verbindlich eingegangen wird,spricht,

– dass eine Selbstverpflichtung Rechtssicherheit für diebetroffenen Bürgerinnen und Bürger schafft;

– dass weitere Einsparpotentiale auf Seiten der Wirt-schaft und des Staates ermöglicht werden, wenn derbargeldlose Zahlungsverkehr allen zugänglich ist undso Ein- und Auszahlungen schneller und kostengünsti-ger erfolgen könnten. Ebenso könnten Einsparpotenti-ale auf Seiten insbesondere der Empfänger staatlicherLeistungen genutzt werden; hierdurch würde zugleichdie Verwendung der staatlichen Transfers für den ei-gentlich intendierten Zweck verbessert;

– dass der logistische Aufwand, der auf Seiten der Kre-ditwirtschaft aus der Verwendung von Bargeld resul-tiert, weiter reduziert werden könnte;

– dass die Nutzung von Strohmannkonten vermindertwerden könnte;

– dass zugleich die Reintegration von sozial und finan-ziell ausgegrenzten Teilen der Bevölkerung nachhaltiggefördert würde.

Anlagen

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 29 – Drucksache 16/2265

Anlage 1

ZKA-Empfehlung zum Girokonto für jedermann Alle Kreditinstitute, die Girokonten für alle Bevölke-rungsgruppen führen, halten für jede/n Bürgerin/Bürger in ihrem jeweiligen Geschäftsgebiet auf Wunsch ein Girokonto bereit. Der Kunde erhält dadurch die Mög-lichkeit zur Entgegennahme von Gutschriften, zu Barein- und -auszahlungen und zur Teilnahme am Überweisungsverkehr. Überziehungen braucht das Kre-ditinstitut nicht zuzulassen. Jedem Institut ist es freige-stellt, darüber hinausgehende Bankdienstleistungen anzubieten.

Die Bereitschaft zur Kontoführung ist grundsätzlich gegeben, unabhängig von Art und Höhe der Einkünfte, z. B. Arbeitslosengeld, Sozialhilfe. Eintragungen bei der SCHUFA, die auf schlechte wirtschaftliche Verhältnisse des Kunden hindeuten, sind allein kein Grund, die Füh-rung eines Girokontos zu verweigern.

Das Kreditinstitut ist nicht verpflichtet, ein Girokonto für den Antragsteller zu führen, wenn dies unzumutbar ist. In diesem Fall darf die Bank auch ein bestehendes Konto kündigen. Unzumutbar ist die Eröffnung oder Fortführung einer Kontoverbindung insbesondere, wenn

– der Kunde die Leistungen des Kreditinstitutes miss-braucht, insbesondere für gesetzwidrige Transaktio-nen, z. B. Betrug, Geldwäsche o. Ä.;

– der Kunde Falschangaben macht, die für das Vertragsverhältnis wesentlich sind;

– der Kunde Mitarbeiter oder Kunden grob belästigt oder gefährdet;

– die bezweckte Nutzung des Kontos zur Teilnahme am bargeldlosen Zahlungsverkehr nicht gegeben ist, weil z. B. das Konto durch Handlungen vollstrecken-der Gläubiger blockiert ist oder ein Jahr lang umsatz-los geführt wird;

– nicht sichergestellt ist, dass das Institut die für die Kontoführung und -nutzung vereinbarten üblichen Entgelte erhält;

– der Kunde auch im Übrigen die Vereinbarungen nicht einhält.

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Drucksache 16/2265 – 30 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Anlage 2

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 31 – Drucksache 16/2265

Anlage 3

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Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 BerlinVertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Amsterdamer Str. 192, 50735 Köln, Telefon (02 21) 97 66 340, Telefax (02 21) 97 66 344

ISSN 0722-8333


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