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Denkschrift des Reichsfinanzministeriums vom 23. März 1929 über die Besteuerung nach dem...

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Denkschrift des Reichsfinanzministeriums vom 23. März 1929 über die Besteuerung nach dem dreijährigen Durchschnitt und die Abzugsfähigkeit des Verlustvortrags bei der Einkommensteuer und Körperschaftssteuer Source: FinanzArchiv / Public Finance Analysis, 46. Jahrg., H. 2 (1929), pp. 203-223 Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KG Stable URL: http://www.jstor.org/stable/40907878 . Accessed: 12/06/2014 14:44 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . Mohr Siebeck GmbH & Co. KG is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to FinanzArchiv / Public Finance Analysis. http://www.jstor.org This content downloaded from 195.34.79.174 on Thu, 12 Jun 2014 14:44:33 PM All use subject to JSTOR Terms and Conditions
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Denkschrift des Reichsfinanzministeriums vom 23. März 1929 über die Besteuerung nach demdreijährigen Durchschnitt und die Abzugsfähigkeit des Verlustvortrags bei derEinkommensteuer und KörperschaftssteuerSource: FinanzArchiv / Public Finance Analysis, 46. Jahrg., H. 2 (1929), pp. 203-223Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KGStable URL: http://www.jstor.org/stable/40907878 .

Accessed: 12/06/2014 14:44

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Denkschrift des Reichsfinanzministerinms vom 23, Marz 1929 tiber die Besteuerung nach dem

dreijahrigen Durchschnitt und die Abzugsfahigkeit des Verlustvortrags foei der Einkommensteuer

und Korperschaftssteuer, *) A. Geschichtlicher Dnd rechtsvergleichender Uberfolick.

In den Einkommensteuergesetzen der meisten deutschen Bundesstaaten vor dem Kriege war eine Besteuerung nach dem dreijahrigen Durchschnitt vorgeschrie- ben. Bayern, Wurttemberg, Baden, Coburg und Waldeck hatten keine Durch schnittsbesteuerung und keinen Verlustvortrag.

Das preuBische Einkommensteuergesetz beruhte auf dem Gedanken, daB das Einkommen des laufenden Rechnungsjahrs besteuert werden sollte; bei festen Einkommen, insbesondere Gehaltern, Renten und festverzinslichen Kapital- ertragen, lieB sich das Einkommen vor Beginn des Rechnungsjahrs uberblicken und wurde nach dem Stande der Quelle zu Beginn des Rechnungsjahrs der Veranlagung zugrunde gelegt. Bei schwankenden Einnahmen "war eine solche Feststellung dagegen nicht moglich. Es muBte deshalb auf die Vergangenheit zuriickgegriffen werden. Nach dem preuBischen Einkommensteuergesetze vom 24. Juni 1891 sollten ,,ihrem Betrage nach unbestimmte oder schwankende Ein- nahmen" nach dem Durchschnitt der drei der Veranlagung unmittelbar voran- gegangenen Jahre berechnet werden. Diese Vorschrif t hat in der Praxis zu gewissen Schwierigkeiten gefuhrt; iiber die Abgrenzung zwischen ,,nicht feststehenden" und ,,schwankenden" Einnahmen bestanden Meinungsverschiedenheiten (z. B. beim Einkommen der Vermieter und bestimmter Gruppen der Arbeitnehmer). Ferner war die zutreffende Feststellung des in den einzelnen Jahren zugrunde zu legenden Einkommensbetrags bei nichtbuchfuhrenden Steuerpflichtigen meist nicht durchfuhrbar. Die Erfahrungen der Praxis fuhrten zu einer wesentlichen Aenderung des Gesetzes im Jahre 1906. Die Novelle vom 19. Juni 1906 beschrankte die Besteuerung nach dem dreijahrigen Durchschnitt auf Gewerbetreibende, die Handelsbucher nach den Vorschriften des Handelsgesetzbuchs fuhren, sowie auf Land- und Forstwirte, die iiber den Betrieb geordnete, den Reinertrag ziffern- maBig nachweisende Biicher fuhren. Diese Aenderung wurde im AusschuB als besondere Erleichterung fiir die landwirtschaftlichen und gewerblichen Klein- betriebe begruBt, weil deren Inhaber eine geordnete Buchfuhrung nicht durch- fuhren konnten und tatsachlich nur mit dem Ergebnis eines Jahres rechneten. Bei der Berechnung des dreijahrigen Durchschnitts nach dem Gtesetze von 1891 waren die Verlustjahre mit Null, nach dem Gesetze von 1906 dagegen mit dem Verlustbetrag (also mit Minus) anzusetzen. Das Gesetz vom 26. Mai 1909 und ein nicht Gesetz gewordener Entwurf aus dem Jahre 1912 sahen eine wesentliche Aenderung der Vorschriften liber den dreijahrigen Durchschnitt nicht vor. Die Erfahrungen der ersten Kriegsjahre machten aber eine Aenderung insofern er- forderlich, als durch das Gesetz vom 30. Dezember 1916 (sog. Lex Schweckendiek) die Voraussetzung, daB die Einkommensquelle zu Beginn des Einkommensjahrs

») Reichstag IV 1928 Drucksache Nr. 940. 701

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bestehen muB, wesentlich eingeschrankt wurde. Die Berechnung nach dem drei- jahrigen Durchschnitt wurde aber beibehalten.

Bei den Aktiengesellschaften, Genossenschaften und Vereinen galten nach dem preuBischen Einkommensteuerrecht als steuerpflichtiges Einkommen die Ueberschiisse, welche als Aktienzinsen oder Dividenden, gleichviel unter welcher Benennung, unter die Mitglieder verteilt wurden, und zwar unter Hinzurechnung der zur Tilgung der Schulden oder des Grundkapitals, zur Verbesserung oder Geschaftserweiterung sowie zur Bildung von Reservefonds verwendeten Betrage, jedoch nach Abzug von 3% v. H. des eingezahlten Aktienkapitals bzw. der Summe der eingezahlten Geschaftsanteile der Mitglieder eingetragener Genossenschaften. Bei Gesellschaften mit beschrankter Haftung gait als steuerpflichtiges Einkommen der Geschaftsgewinn.

Bemerkenswert ist, daB bei Aktiengesellschaften und Genossenschaften die zur Tilgung einer Unterbilanz aus Vorjahren dienenden Betrage nach der Recht- sprechung des PreuBischen Oberverwaltungsgerichts nicht steuerpflichtig waren (zu vgl. Oberverwaltungsgericht in Staatssteuersachen Entsch. Bd. 1 S. 210, Bd. 1 S. 291, Bd. 3 S. 34, Bd. 7 S. 95, Bd. 9 S. 247, Bd. 14 S. 264, Bd. 16 S. 247, Bd. 18 S. 248 und PreuBisches Verwaltungsblatt Bd. 21 S. 566). Das Oberverwaltungs- gericht ging hierbei von der Erwagung aus, daB die Verwendung von Ueber- schussen zur Tilgung einer aus Vorjahren stammenden Unterbilanz weder eine ,,Schuldtilgung" noch eine , , Verbesserung" noch eine ,,Bildung von Reserve- fonds" im Sinne des preuBischen Einkommensteuergesetzes darstelle.

Aehnliche Vorschriften wie in PreuBen bestanden in den meisten norddeut- schen Landern. Sieht man von der Buntscheckigkeit dieser Gesetze im einzelnen ab, so bestanden wesentliche Unterschiede einmal hinsichtlich des Kreises der Ein- kommensbezieher, fur die der dreijahrige Durchschnitt gait, und ferner bezuglich der Frage, ob die Verlustjahre mit Null oder mit Minus anzusetzen Waren.

Was den Kreis der Einkommensbezieher anlangt, so gait in Hessen die Durch- schnittsbesteuerung fur alles nicht fixierte Einkommen, im Konigreiche Sachsen fur jede Erwerbstatigkeit neben Landwirtschaft und Gewerbe, also insbesondere fur die freien Berufe, in den Hansestadten im wesentlichen nur fur buchfuhrende Kaufleute im Sinne des Handelsgesetzbuchs. In den meisten andern Bundes- staaten gait die Durchschnittsbesteuerung wie in PreuBen nur fur buchfuhrende Gewerbetreibende und buchfuhrende Landwirte.

Der Verlustbetrag wurde, abgesehen von PreuBen, abgezogen in Braunschweig, in beiden Mecklenburg, in Lippe-Detmold, in beiden ReuB, in Sachsen-Altenburg, in Schwarzburg-Sondershausen und seit 1917 auch in Schwarzburg-Rudolstadt. In alien tibrigen Bundesstaaten mit Durchschnittsbesteuerung, also insbesondere im Konigreiche Sachsen und in den Hansestadten, wurden die Verlustjahre mit Null angesetzt.

Die maBgebenden Vorschriften fiir Baden, Bayern, Hamburg, Hessen, PreuBen, Sachsen und Wurttemberg sind in Anlage 2 abgedruckt l).

Im Reichseinkommensteuergesetze vom 29. Marz 1920 war weder Besteue- rung nach dem dreijahrigen Durchschnitt noch ein Verlustvortrag vorgesehen. Antrage, die sowohl in der ersten und zweiten Lesung des Ausschusses ab auch in der zweiten und dritten Lesung im Plenum der Nationalversammlung gestellt waren, wurden abgelehnt. Wie aus dem stenographischen Sitzungsbericht (146. Sit- zung vom 2. Marz 1920, S. 4610) zu entnehmen ist, erklarte Unterstaatssekretar M o e s 1 e hierbei in der zweiten Lesung im Plenum auf zwei zu § 28 des Ent- wurfs gestellte Antrage (1. dreijahriger Durchschnitt, 2. Verlustvortrag) folgendes: ,,Ich bitte, beide Ajitrage abzulehnen. Der Entwurf eines Einkommensteuer-

1) Statt dessen wird hier auf die Jahrg&nge des Finanzarchivs verwiesen/in denen die maC- gebenden Vorschriften zu finden sind: Badisches Einkstg. v. 1. Juni 1910 Art. 12 Abs. 1 u. 2 FA. 30 (1913) S. 824. Bayerisches Einkstg. v. 18. September 1918 Art. 10 Abs. 1-5 FA. 36 (1919) S. 122. Hamburgisches Einkstg. v. 9. Januar 1914 § 9 Abs. 1 und § 10 FA. 32 (1915) S. 355. Hessisches Einkstg. v. 12. August 1899 Art. 15 - 18 FA. 17 (1900) S. 366. PreuBisches Einkstg. in der Fassung v. 19. Juni 1906 § 9 Nr. 1-6 FA. 23 (1906) S. 585; Ges. betr. Erganz. des preuB. Einkstg. v. 30. De zember 1916 §§ 1 u. 2. Sachsisches Einkstg. v. 24. Juli 1900 § 16 Abs. 1 u. 2, § 17, § 18 Nr. 4, § 21 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 5 u. 6. FA. 20 (1903) S. 263 f. Wiirttembergisches Einkstg. v. 8. Aug. 1903 Art. 10 FA. 21 (1904) S. 120.

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gesetzes hat mit vollem BewuBtsein die Berechnung nach dem dreijahrigen Durch- 8chnitt aufgegeben, und zwar einmal aus praktischen Griinden. Die Zahlung der Steuer soil namlich tunlichst nahe an den Zeitpunkt herangeriickt werden, in dem das Einkommen, das versteuert werden soil, erzielt worden ist. Beim dreijahrigen Durchschnitt zieht sich dies aber unter Umstanden zwei oder drei Jahre hin, und bei der Hohe der Steuersatze ist das nicht gerechtfertigt. AuBerdem aber ist es bei den jetzigen Steuersatzen richtig, daB man tunlichst keine hoheren oder ge- ringeren Einkommen versteuert, als man tatsachlich in dem abgelaufenen Jahre bezogen hat. Es sollen daher tatsachlich die Einkommen eines Jahres mit dem entsprechenden Steuersatze belegt werden. Auch Reklamationen sollen vermieden werden, sowohl bezuglich der Ermittlung des Einkommens an sich als auch beziig- lich der Ermittlung der Hohe des Einkommens. Deshalb liegt es zugleich im Inter - esse der steuerlichen Gerechtigkeit, daB eine Durchschnittsberechnung unterbleibt. Was die Anrechnung der Verluste betrifft, so ist nicht zu leugnen, daB Billigkeits- griinde dafur sprechen. Diese Billigkeitsgriinde habe ich auch im AusschuB aus- gefuhrt. Aber wie weit man in der Berucksichtigung der Billigkeitsgriinde gehen soil, das ist immerhin eine Frage, bei der das fiskalische Interesse mitzusprechen hat. Eine Ungerechtigkeit kommt jedenfalls nicht in Betracht, hochstens eine Unbilligkeit, die man aber nicht beseitigen kann, weil ihr das dringendste fis- kalische Interesse entgegensteht. Ich mochte deshalb bitten, auch den diesbezug- lichen Antrag abzulehnen."

Nach dem Sitzungsbericht (153. Sitzung vom 10. Marz 1920, S. 4848) gab Unterstaatssekretar M o e s 1 e in der dritten Lesung im Plenum auf einen gleich- falls zu § 28 des Entwurfs gestellten Antrag, betreffend den dreijahrigen Durch- schnitt, folgende Erklarung ab: ,,In der Frage, ob nach dem dreijahrigen Durch- schnitt versteuert werden soil, mochte ich mich nicht wiederholen. Ich habe die Griinde, die dafur sprechen, von dem Prinzip der Durchschnittsberechnung Ab- stand zu nehmen, eingehend auseinandergesetzt; auch in der AusschuBberatung ist das ausfuhrlich zur Sprache gekommen. Es ist aber jedenfalls ganz ausgeschlos- sen, jetzt dieses Prinzip des dreijahrigen Durchschnitts wieder einzufuhren, nach- dem wir die Zasur machen und nun mit 1920 anfangen. Zunachst einmal ist das im ersten Jahre iiberhaupt nicht moglich; aber auch die nachsten Jahre sind meines Erachtens so anormal, daB wir mit der Durchschnittsberechnung nicht durchkommen. AuBerdem ist es aus praktischen Griinden jedenfalls ganz aus- geschlossen, den dreijahrigen Durchschnitt einzufiihren. An und fiir sich bin ich nach wie vor der Ueberzeugung, daB es sich nicht empfiehlt, zu dem System des dreijahrigen Durchschnitts zuriickzukehren. Die Frage wird aber gepruft, und es bleibt dahingestellt, ob wir vielleicht spater dazu kommen werden. Diese Frage lasse ich offen. Fur den Augenblick halte ich das System der Vorlage fiir das rich- tige und zur Zeit technisch allein mogliche."

Im § 8 des Entwurfs des Korperschaftssteuergesetzes vom 30. Marz 1920 in der Fassung der Vorlage an die Verfassunggebende Deutsche Nationalversamm- lung sind als nicht abzugsfahige Betrage u. a. besonders aufgef uhrt : ,,Zur Deckung von Unterbilanzen eingestellte Betrage." In den AusschuBberatungen der National- versammlung wurde dann ein Antrag Nr. 427 Dr. RieBer, die zur Deckung von Unterbilanzen eingestellten Betrage als vom Gesamtbetrag der Einkiinfte abzugsfahig zu erklaren, angenommen und eine dementsprechende Vorschrift als § 7 Nr. 3 des Entwurfs eingefiigt. In dieser Fassung wurde § 7 Nr. 3 des Entwurfs Gesetz. Dagegen wurde ein im AusschuB gestellter Antrag Nr. 429 Dr. RieBer- Kempkes: ,,Der AusschuB wolle beschlieBen, dem § 15 folgenden Absatz 3 anzufiigen: Werden steuerpflichtige Handelsbiicher nach Vorschrift des Handels- gesetzbuches gefuhrt, so bildet den MaBstab der Besteuerung das nach dem Durch- schnitt der drei dem Steuer jahr letzt vorangegangenen Wirtschafts- (Betriebs-) Jahre berechnete Einkommen. Besteht der Betrieb noch nicht so lange (oder nicht ohne wesentliche Aenderungen so lange), so bildet den MaBstab der Besteue- rung das Einkommen nach dem Durchschnitt der kiirzeren Zeit, f iir welche Jahres- abschliisse vorliegen" abgelehnt.

Im Entwurf des gegenwartig geltenden Einkommensteuergesetzes war weder die Besteuerung nach dem dreijahrigen Durchschnitt noch ein Verlustvortrag vor-

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gesehen. In der allgemeinen Begriindung zum Entwurf eines Einkomniensteuer- gesetzes (Reichstagsdrucksache Nr. 795, III. Wahlperiode 1924/25, S. 31) ist hierzu ausgef uhrt : ,,Dem vielf ach vorgetragenen Wunsch, fur Vollkauf leute wieder zur dreijahrigen Durchschnittsbesteuerung zuruckzukehren, kann wenigstens im gegenwartigen Zeitpunkt noch nicht stattgegeben werden, denn die Jahre 1922/24 8ind dafiir jedenfalls ungeeignet. Die Frage wird, wenn erst einmal mehrere Jahre ruhiger Wirtschaft riickwarts liegen, erneut gepriift werden konnen. Es sei aber auch darauf hingewiesen, daB auch das Ausland in steigendem Mafie von der dreijahrigen Durchschnittsbesteuerung abkommt, so sind insbesondere in England in den letzten Jahren schwere Bedenken gegen die Aufrechterhaltung dieser Vor- schrift geltend gemacht worden."

Die Einzelbegriindung zu § 10 des Entwurf s (S. 43 a. a. O.) enthalt hieriiber folgendes: ,,Sehr lebhaft ist der Wunsch bei den Gewer betreibenden, insbesondere bei den buchfiihrenden, die Besteuerung nach dem dreijahrigen Durchschnitt wieder einzufuhren. Selbst wenn man davon abseben will, daB sich dadurch unter Umstanden recht bedeutende ErmaBigungen der tarifmaBigen Steusr ergeben konnen (z. B. wenn ein an sich dem hochsten Steuersatz unterliegendes Einkommen mit niedrigem Einkommen in den beiden vorangegangenen Jahren zusammen- triff b), und daB auf diese Weise unter Umstanden auch Verluste in einem Jahre vom Gewinn im nachsten Jahre abgezogen werden konnen, so kann diesem Wunsche zur Zeit schon deshalb nicht entsprochen werden, weil Einkommen der Vorjahre, aus dem der Durcbschnitt berechnet werden konnte, nicht veranlagt worden ist. Schon jetzt fur eine spatere Zeit eine solche Vorschrift aufzunehmen, dafiir er- scheinen die gegenwartigen Wirtschaftsverhaltnisse zu unsicher. Die Frage wird zu gegebener Zeit erneut gepriift werden. Es mag aber schon jetzt darauf hin- gewiesen werden, daB auch die Arbeitnehmer - wie sich aus den Beratungen im Vorlaufigen Reichswirtschaftsrat ergeben hat - in diesem Falle verlangen, nach dem dreijahrigen Durchschnitt besteuert zu werden. Dies wiederum wiirde das Ende des Steuerabzuges vom Arbeitslohn bedeuten."

Bei der Beratung im Reichsrat wurde die Frage eingehend erortert; ent- sprechend einer EntschlieBung des Reichsrats hat der Reichsminister der Finanzen im Reichsrat folgende Erklarung abgegeben:

,,Die Reichsregierung ist bereit, sobald eine gewisse Stabilisierung der Ein- kommensverhaltnisse eingetreten ist, an Stelle der Vorauszahlungen und der nachtraglichen Abrechnung bei der Einkommen- und Korperschaftsteuer die Einfuhrung eines anderen Systems anzustreben, nach welchem die Steuer fiir das Rechnungsjahr nach dem Ergebnis des vorangegangenen Kalender- oder Wirtschaftsjahres und, soweit angangig, nach einem dreijahrigen Durchschnitt veranlagt wird."

Bei der Beratung im SteuerausschuB des Reichstags wurde zunachst der An- trag auf Einfuhrung des dreijahrigen Durchschnitts gestellt. Dieser Antrag wurde abgelehnt. Sodann wurde ein Eventualantrag gesteUt:

,,Den Werbungskosten Betrage gleichzustellen, die zur Beseitigung eines aus einem der letzten zwei Steuerabschnitte stammenden Betriebsverlustes ver- wendet worden sind."

Dieser Antrag auf Einfuhrung des Verlustvortrages wurde in der weiteren Beratung dahin eingeschrankt, daB Verluste auBer Betracht bleiben sollten, die ledigh'ch auf die Bewertung zuriickzufuhren sind. Staatssekretar Dr. Popitz erklarte hierbei im AusschuB zur Frage des dreijahrigen Durchschnitts und des Verlust- vortrages folgendes : ,,Die Frage des dreijahrigen Durchschnitts ist ein altes Pro- blem der Einkommensteuer. Fur die beiden zunachst kommenden Veranlagungen (1925 und 1926) wird sie noch nicht praktisch, weil ja das Einkommen der Jahre 1923 und 1924 nicht veranlagt ist, also ein Durchschnitt nicht gebildet werden kann. Die Reichsregierung hat aber, wie auf S. 43 der Begriindung ausgefuhrt ist, Bedenken, den Grundsatz der dreijahrigen Besteuerung schon jetzt im Gesetz festzulegen. Die Verhaltnisse sind noch viel zu schwankend. Wenn die Ergebnisse der Jahre 1925 und 1926 sehr schlecht, die Ergebnisse des Jahres 1927 aber besser werden sollten, so wird es fur den Fiskus nicht tragbar sein sich im Jahre 1928 das Ergebnis der Einkommensteuer durch die schlechten Jahre 1925 und 1926

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herabdrucken zu lassen. Die Verhaltnisse konnen aber auch gerade umgekehrt liegen, und dann wird es die Wirtschaft sein, die sich nach einem schlechten Wirt- schaftsjahr gegen die Heranziehung vorangegangener guter Jahre strauben wird. Erst miissen einmal ein paar Jahre stabiler Wirtschaft abgewartet werden, bevor tiber die Frage des dreijahrigen Durchschnitts eine endgiiltige Entscheidung ge- troffen werden kann. Die Priifung dieser Frage ist in der Begrundung ausdriick- lich zugesagt. Immerhin will ich noch darauf hinweisen, daB gegen die dreijahrige Durchschnittsbesteuerung auch gewisse grundsatzliche Bedenken insofern be- stehen, als sie progressionsabschwachend wirkt; denn wenn z. B. zwei schlechte Jahre und ein sehr gutes Jahr zusammenkommen, so wird die von dem Ein- kommen des guten Jahres zu zahlende Einkommensteuer durch die Mitberiick- sichtigung der beiden schlechten Jahre erheblich herabgesenkt. Das hat auch ge- wisse Riickwirkungen auf die Besteuerung des Arbeitslohnes, bei dem, wenn man beim Steuerabzug verbleibt, Durchschnittsbesteuerung ausgeschlossen ist. Be- zeichnenderweise ist unter diesem Gesichtspunkt im Vorlaufigen Reichswirtschafts- rat die dreijahrige Durchschnittsbesteuerung, nachdem sie von der Arbeitgeber- seite aus sehr dringend gefordert ist, schlieBlich fast einstimmig abgelehnt worden. Ich will aber noch darauf hinweisen, daB in England, dem klassischen Land der Einkommensbesteuerung die Bedenken gegen die Durchschnittsbesteuerung sich von Jahr zu Jahr verstarken. Alles dies sind aber Fragen, die, wie bereits betont, gepruft werden miissen, wenn die Frage der Durchschnittsbesteuerung wirklich praktisch wird . . .

Bedenken habe ich endlich auch gegen die Zulassung des Abzugs von Ver- lusten der Vorjahre. Der Abzug von Verlusten steht mit dem Grundgedanken des Einkommenbegriffs in Widerspruch. Denn grundsatzlich wird das versteuert, was innerhab eines bestimmten Zeitraumes, Kalenderjahres oder Wirtschafts- jahres verdient ist. Auf die Ergebnisse der Vorjahre kommt es nicht an. Die Zu- lassung des Abzugs der Verluste vom gewerblichen Einkommen wiirde iibrigens auch eine Differenzierung zwischen Gewerbetreibenden und Lohnempfangern her- vorrufen; denn ein Lohnempf anger, der in einem Jahre nichts verdient hat, viel- mehr seine letzten Notgroschen hat angreifen und sogar hat hungern miissen, durfte, wenn er im nachsten Jahr wieder zu Einkommen kommt, davon auch nichts abziehen. Auch praktisch wird durch die Abzugsfahigkeit der Verluste ein Unsicherheitselement in die Veranlagung hineingetragen. Ich kann mich daher nicht fur diese Vorschrift aussprechen."

Bei der Abstimmung im AusschuB wurde unter Ablehnung auch der Ein- fuhrung des Verlustvortrages lediglich folgende EntschlieBung angenommen:

,,Der Reichstag tritt der EntschlieBung des Reichsrats hinsichtlich des drei- jahrigen Durchschnitts bei und f ordert die Reichsregierung auf, zu gegebener Zeit dem Reichstag dariiber Vorschlage zu unter breiten."

Bei Beratung des Gesetzes zur Aenderung des Einkommensteuergesetzes vom 22. Dezember 1927 wurden erneut Antrage auf Einfuhrung der Besteuerung nach dem dreijahrigen Durchschnitt gestellt. Diese Antrage wurden abgelehnt, aber die eingangs erwahnte EntschlieBung angenommen.

Bei der Korperschaftsteuer enthielt - wie oben ausgefuhrt - schon das Gesetz vom 30. Marz 1920 die Vorschrift, daB die zur Beseitigung einer Unter- bilanz verwandten Betrage abgezogen werden diirfen. Diese Vorschrift ist in das Korperschaftsteuergesetz vom 10. August 1925 ubernommen worden (§15 Ziff. 3). Da in der Praxis Zweifel aufgetreten waren, was unter Unterbilanz zu verstehen ist, wurde hierfiir zur Klarstellung eine nahere Begriffsbestimmung gegeben. Namlich : Verlust aus einem friiheren Steuerabschnitt, durch den das Grund- oder Stammkapital angegriffen ist. Diese Begriffsbestimmung entspricht dem Urteil des Reichsfinanzhofs vom 20. Oktober 1920 (Slg. Bd. 3, S. 333), wonach eine Unter- bilanz nicht als vorliegend angenommen werden kann, solange und soweit eine Gesellschaf t in der Lage ist, den in einem Jahre eingetretenen Verlust unter Evident- haltung des Grund- oder Stammkapitals aus gesetzlichen oder freiwilligen Reserven zu decken.

Die Einkommensbesteuerung nach einem mehrjahrigen Durchschnitt bestand in England erstmalig von 1803 bis 1806. Die Einkommensteuer war damals ledig-

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lich eine Kriegsabgabe. Nach geraumer Zeit, im Jahre 1842, wurde die Einkommen- steuer wieder eingefiikrt, und zwar als ein endgultiger und organischer Bestand- teil der englischen Steuerverfassung. Auch die Besteuerung nach dem mehrjahrigen Durchschnitt, wie sie bis zur Abschaffung der Einkommensteuer im Jahre 1806 gegolten hatte, wurde fast unverandert wieder ubernommen. Als Grand der Wieder- einfuhrung wurde in den Parlamentsberatungen insbesondere der Gesichtspunkt angefuhrt, daB man moglichst das laufende Einkommen besteuern wollte, und daB der mehrjahrige Durchschnitt gewissermaBen ein Sch&tzungsmaBstab fur das laufende Einkommen sein sollte. Es ist nun in hohem Mafie interessant, daB sich schon 1842 Widerstande gegen dieses Durchschnittssystem herausstellten, und daB der Schatzkanzler die englische Einkommensteuerverfassung- in dieser Be- ziehung gegen schwere Angriffe zu verteidigen hatte. Er hat damals ausgefuhrt, daB sich der Durchschnitt in der Betrachtung der verschiedenen Gruppen von Steuerzahlern verschieden auswirke, und daB insbesondere je nach dem Stande der Konjunktur, die Stellungnahme eine andere sei. Bei steigendem Einkommen sei Neigung vorhanden, nach dem Durchschnitt zu versteuern, bei sinkendem Einkommen dagegen wolle der Steuerzahler nach dem Vorjahr versteuert werden. In diesem Zusammenhange ist die Tatsache wichtig, daB das Jahr 1841 ein sehr schlechtes war.

Die Durchschnittsbesteuerung war etwa wie folgt geregelt: Einkunf te aus Handel und Gewerbe, aus freien Beruf en sowie aus auswartigen

und kolonialen Besitzungen (einschlieBlich der im Auslande zahlbaren Zinsen) wurden nach dem Durchschnitt der drei dem Veranlagungsjahr unmittelbar voran- gegangenen Jahre berechnet. Bei Bergwerken wurde der funf jahrige Durchschnitt zugrunde gelegt, bei Eisenwerken, Gaswerken und Eisenbahnen dagegen der Gewinn des unmittelbar vorangegangenen Jahres. Bei der Landwirtschaft Wurde grundsatzlich der annual value zugrunde gelegt, der im allgemeinen dem Durch- schnittsreinertrag von 5 Jahren entspricht. Auf Antrag des Steuerpflichtigen konnte statt dessen das im Durchschnitt der letzten drei Jahre tatsachlich erzielte Einkommen zugrunde gelegt werden, wenn der Steuerpf lichtige dieses Einkommen insbesondere durch Buchf uhrung nachwies. Bei der Verrechnung des Durchschnitts wurden die Verlust jahre mit minus angesetzt. 1853 hat man die Durchschnitts- besteuerung auch auf die unselbstandigen Einkommensbezieher, auf die Be- zieher von Lohn und Gehalt ausgedehnt, soweit nicht ein Quellenabzug in Frage kam.

Man hatte bereits im Jahre 1842 - wie sich ja auch aus den oben wieder- gegebenen Ausfuhrungen des Schatzkanzlers ergibt, wonach bei steigendem Ein- kommen die Tendenz vorhanden sei, nach dem Durchschnitt zu versteuern, wahrend bei sinkendem Einkommen der Steuerzahler nach dem Vorjahre versteuern wolle - klar erkannt, daB einerseits im Stadium steigender Beziige die Durchschnitts- einkommen hinter den wirklichen Einkommen zuruckbleiben (also hinter dem wirklichen Einkommen dauernd nachhinken), und daB andererseits bei sinkenden Bezligen die Durchschnittseinkommen hoher sind als die wirklichen Einkommen. Aus der Erwagung heraus, daB man dem Steuerpflichtigen nicht zumuten konne, eine solche schwere Beeintrachtigung auf sich zu nehmen, entstand bereits im Jahre 1842 die Sektion 133, nach der der Steuerpf lichtige unter Verzicht auf die Durchschnittsbesteuerung verlangen konnte, nach dem wirklichen Einkommen versteuert zu werden. Diese vom Standpunkt des Fiskus aus gesehen einseitige Begiinstigung des Pflichtigen wurde 1865 abgeandert, aber nicht ganz beseitigt. Nach der Regelung von 1865 wurde dem Steuerpflichtigen bei sinkendem Ein- kommen die Moglichkeit gegeben, aus dem dreijahrigen Durchschnitt das 1. Jahr herauszunehmen. Er durfte an dessen Stelle den gesunkenen Betrag des Ein- kommens im Veranlagungs jahre fiigen. In dieser Form bestand die Sektion 133 bis 1907.

Die Frage der Besteuerung nach einem mehrjahrigen Durchschnitt ist in England oft erortert worden, besonders intensiv seit 1905. Der Bericht des 1905 eingesetzten Departmental Committee fuhrt aus, die damalige englische Ein- kommensteuer sei schon hochst kompliziert gewesen, mit alien Reformplanen (Einfiigung einer super-tax) greife die Komplizierung der Einkommensteuer aber

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immer weiter uin sich. Die Kommission hat auch darauf hingewiesen, daB eine absolut ungerechte Verteilung der Steuerlast auf die einzelnen Steuergruppen damit verbunden sei, daB die Vorteile nur dem Steuerpflichtigen, die Nachteile nur dem Fiskus aufgebiirdet wiirden. Trotz der Aenderung von 1865 sei die Sek- tion 133 unhaltbar, sie mlisse beseitigt werden. Sie ist dann auch auf Anraten der Kommission endgultig zu Falle gekommen. Man hat aber damals auch den Ge- sichtspunkt betont, daB bei Abschaffung der Sektion 133 die fruher schon beob- achtete Neigung des Nachhinkens des Durchschnitts bzw. des Vorauseilens in vollem Umfange wieder wirksam werden wiirde. In diesem Kommissionsbericht ist weiter hervorgehoben, daB die Wirkung fur den Steuerpflichtigen besonders dann ungiinstig ist, wenn etwa der Steuersatz inzwischen erhoht worden ist. Hier trete dann eine doppelte Harte fur den Steuerpflichtigen ein. Man hat aber in dem Bericht auch auf den Vorteil hingewiesen, der bei einem mehrjahrigen Durch- schnitt fiir die Aufstellung des Haushaltsplanes eintrete. Man hat geltend gemacht, daB der Fiskus jetzt mit groBerer Sicherheit auf den Eingang des geschatzten Steuerertrages rechnen konne, und daB auf diese Weise eine bessere Kontinuitat des Aufkommens an Einkommensteuer sich erzielen lasse. In Depressionsperioden werde der off entliche Haushalt auch nicht in gleicher Weise von dem allgemeinen Riickgang der Einkommensbezuge betroffen. Gerade in solchen Jahren konne dann die Regierung die private Wirtschaft durch Vergebung offentlicher Auftrage unter- stiitzen. Man hat aber andererseits besonders hervorgehoben, daB bei der Besteue- rung nach dem Einkommen des Vorjahres die Steuerzahlungen sehr schnell dem entstandenen Einkommen folgen, wodurch die Empfindung einer ungerechten Verteilung der Steuerlasten auf die einzelnen Gruppen schwinde. Im Bericht ist weiter ausgefiihrt, daB bei Einfuhrung der Besteuerung nach dem Einkommen des Vorjahres Uebergangsbestimmungen erforderlich seien, um unnotige Harten zu vermeiden.

Die Kommission von 1905 kam schlieBlich zu dem Ergebnis, es sei wahr- scheinlich, daB das System der Steuererhebung nach dem Gewinn des vorangegange- nen Jahres den Vorzug vor dem System der Durchschnittsbesteuerung verdiene. Ein Wechsel konne aber nicht ohne die offentliche Meinung versucht werden und nicht ohne die Hilfe der Gewerbetreibenden.

Nachdem schon wahrend der Kriegsjahre die Vorbereitungen zu einer um- fassenden Neuredaktion aller gesetzlichen Vorschriften der Einkommensteuer ge- troffen waren, wurde im Jahre 1918 die Income Tax Act 1918 veroffentlicht. Hin- sichtlich der Besteuerung nach dem dreijahrigen Durchschnitt ist in diesem Ge- setz gegeniiber dem bisherigen Zustand nichts geandert worden. Fur die Frage der Berxicksichtigung von Verlusten ist die Vorschrift der Sektion 34 des Gesetzes wichtig. Danach konnte ein Gewerbetreibender, bei dem sich auf Grund des Durch- schnitts der drei vorangegangenen Jahre ein Gewinn ergibt, der im Veranlagungs- jahre selbst jedoch einen Verlust erlitten hatte, beantragen, daB der Verlust des laufenden Jahres von dem Gewinn der Durchschnittsjahre abgezogen wird. Wenn ein solcher Antrag gestellt wurde, so konnten die bereits beriicksichtigten Verluste bei den zukiinftigen Durchschnittsberechnungen nicht mehr angesetzt werden. Im Jahre 1919/20 wurde die Royal Commission on the Income Tax eingesetzt, die die Aufgabe hatte, zu untersuchen, welchs Aenderungen des Gesetzes und der Praxis notig und wiinschenswert seien und welche Wirkungen diese Aenderungen auf den Tarif haben wurden, wenn es notwendig ware, das Gesamtaufkommen aufrechtzuerhalten. Im Bericht der Royal Commission wurde die Beseitigung der Durchschnittsbesteuerung aus folgenden Griinden vorgeschlagen :

a) Bei der Besteuerung nach dem Gewinn des vorangegangenen Jahres wird der Zeitpunkt der Steuerzahlung naher an den Zeitpunkt herangeruckt, in dem der Gewinn bezogen wurde.

b) Die Aufhebung der Durchschnittsbesteuerung sei ein wesentlicher Schritt in der Vereinfachung des Steuersystems.

c) Die Aufhebung der Durchschnittsbesteuerung wird fast allgemein gewiinscht. Die Aufhebung der Besteuerung nach dem mehrjahrigen Durchschnitt wurde dann in der Finance Bill 1926 vorgeschlagen. Zur Begriindung wies der Schatzkanzler Churchill auf die Vereinfachung hin, die durch die Aufgabe der Durchschnitte-

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besteuerung mitsamt dem Gemisch der verschiedenen Veranlagungsgrundlagen der Schedula D eintreten wiirde 1).

Wie kompliziert die zeitliche Grundlage der Besteuerung vor Beseitigung des mehrjahrigen Durchschnitts in England im Jahre 1926 gestaltet war, zeigt folgende Zusammenstellung:

Es versteuerten das Einkommen: nach dem Jahr der Veranlagung die Bezieher von Zinsen,

Annuitaten, Dividenden usw., die Empf anger wochentlicher Lohnzahlungen (weekly wage earners), die Bezieher von Gehaltern, Lohnen, die von Aemtern oder Unternehmen gezahlt werden usw.

nach dem Vorjahrseinkommenu. a. die Eigentximer von Stein- briichen, Schieferlagern, Kreide- und Kalkbriichen, von Eisenhuttenwerken, Gaswerken, Salzquellen oder Salzwerken, Wasserwerken, Kanalen, Docks, Eisenbahnen, Brucken usw. ferner die Bezieher von Diskontbetragen usw.

nach dem Durchschnitt dreier vorangegangener Jahre die Inhaber von Handels-, Gewerbe- und Industriebetrieben, die An- gehorigen der freien Berufe, die Bezieher von Einkunften aus auslandischen Besitzungen.

nach dem Durchschnitt fiinf vorangegangener Jahre die Besitzer von Bergwerken, insbesondere von Kohlen-, Zinn-, Kupfer-, Eisen- Bergwerken.

nach dem Durchschnitt sieben vorangegangener Jahre die Grundherrn fur gewisse Leistungen des Pachters (manors usw.).

Der Schatzkanzler fuhrte zur Begriindung der Abschaffung des mehrjahrigen Durchschnitts damals weiter aus, daB, wenn man die Angelegenheit auf weite Sicht betrachte, der Fiskus durch den Wechsel gewinne, vorausgesetzt, daB die durchschnittlichen Einkunfte aus Gewerbebetrieben die Tendenz des Anwachsens hatten, daB der Fiskus aber verliere, wenn eine entgegengesetzte Entwicklung eintrete. Er gebe auch zu, daB die Schwierigkeit der Aufkommensschatzung er- heblich erhoht wiirde. Die Beseitigung der Durchschnittsbesteuerung werde aber von der Mehrzahl der Steuerpflichtigen verlangt.

Im tibrigen darf man nicht iibersehen, daB einer der wesentlichsten Griinde, die im Jahre 1926 in England fur die Aufhebung der Durchschnittsbesteuerung sprachen, auch die Hohe der Progression des geltenden englischen Einkommen- steuertarifs gewesen ist. England, das bis kurz vor dem Krieg einen fast propor- tionalen Tarif hatte, hat zur Zeit neben der 20proz. Standardrate, die durch Ab- ztige stark degressiv ist, in der super- tax einen von 1 bis 30% ansteigenden Tarif, so daB ganz groBe Einkommen (iiber 30 000 £) mit 50% belastet sind. Man war 1926 der Ansicht, daB es nicht angehe, diese Progression auf dem Umweg liber die Durchschnittsbesteuerung in einem erheblichenUmfange wieder abzuschwachen. Durch die Finance- Act 1926 ist die Durchschnittsbesteuerung bei alien Einkom- mensarten aufgehoben worden, so daB also auch ein Landwirt, der vom annual value abgehen will, das Einkommen des letzten Jahres nachweisen muB. An Stelle der Durchschnittsbesteuerung ist der Verlustvortrag auf 6 Jahre eingefuhrt worden. Zur Vermeidung von Harten in der Uebergangszeit wurden besondere Bestimmungen erlassen.

Wegen der Einzelheiten der jetzt in England geltenden Vorschriften iiber den Verlustvortrag wird auf den Auszug aus dem Finance Act 1926 Sektion 33 § 1 verwiesen, der in Anlage 3 abgedruckt ist 2).

In den Vereinigten Staaten von Nordamerika ist der Verlustvortrag auf zwei Jahre zugelassen. Die einschlagige Vorschrift der Revenue Act of 1926, Section 206 b lautet: ,,Wenn ein Steuerpflichtiger dem Kommissar glaubhaft nachweist, daB er in einem Steuerjahr einen Verlust erlitten hat, so darf der Betrag dieses

x) Finanzarchiv 43 (1926) S. 465. ■) ArtiKei 33 $ l aes engiiscnen n manzgesetzes von ivzq lautet: wenn erne rerson oei emer

▼on ihr, sei es allein, sei es gemeinsam mit andern betriebenen gewerblichen Tatigkeit oder einem von ihr ausgeilbten Berufe einen Verlust erlitten hat, der in der gleichen Weise wie Gewinne nach den auf Fall I und II der Schedula D anzuwendenden Regeln zu berechnen ist und fur den Steuer- ermftCigung nicht in vollem Umfange nach Artikel 34 des Einkommensteuergesetzes von 1918 (welcher Steuerbefreiung im Hinblick auf bestimmte Verluste betrifft) oder nach Begel 13 der auf

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Verlustes bei Ennittlung des Reineinkommens des Steuerpflichtigen fur das fol- gende Steuerjahr abgezogen werden, und wenn der Verlust dieses Reineinkommen, berechnet ohne diesen Abzug, ubersteigt, darf der tiberschieBende Betrag bei Be- rechnung des Reineinkommens des nachstfolgenden Steuerjahres abgezogen wer- den; der Abzug erfolgt in alien Fallen nach Bestimmungen, die von dem Kom- missar mit Genehmigung des Schatzsekretars erlassen werden."

Die naheren Einzelheiten sind also nicht in das Gesetz aufgenommen. Das belgische Einkommensteuergesetz (Fassung der Bekanntmachung vom

8. Januar 1926) laBt in Artikel 32 § 1 einen Verlustvortrag zu. Die einschlagige Vorschrift ist in Anlage 3 abgedruckt 1).

Durch Gesetz vom 28. April 1927 ist in den Niederlanden der Verlustvortrag auf zwei Jahre eingefuhrt worden. Diese Gesetzvorschrift ist in Anlage 3 ab- gedruckt 2).

Eine einheitliche Schweizer Einkommensteuer gibt es nicht. Die Einkommen- steuer ist Angelegenheit der Kantone. Im Kanton Luzern wird der vierjahrige und im Kanton Thurgau der dreijahrige Durchschnitt bei der Einkommensteuer zu- grunde gelegt. Der Kanton Zurich hatte bis vor kurzem gleichfalls die Einkommen- besteuerung nach dem dreijahrigen Durchschnitt. Durch Gesetz vom 2. Dezember 1928 ist die Besteuerung nach dem dreijahrigen Durchschnitt abgeschafft und durch die Besteuerung nach dem Ergebnis des vorangehenden Jahres unter Zu- lassung eines Verlustvortrags auf zwei Jahre ersetzt worden. Die Vorschriften des neuen Gesetzes sind in Anlage 3 abgedruckt 3). Die Grunde, die zur Abschaf- fung des dreijahrigen Durchschnitts im Kanton Zurich gefiihrt haben, waren ins- besondere folgende: Die Unannehmlichkeit, bei fallendem Einkommen mehr ver- steuern zu miissen als der augenblicklichen Lage entsprach, wurde starker emp- funden als die Befriedigung, bei steigenden Wirtschaftsertragen weniger zahlen zu miissen. Der Steuerverwaltung des Kantons Zurich gingen seitens der Steuer- pflichtigen mit fallenden Ertragnissen zahlreiche ErlaBantrage zu. Die Besteuerung nach dem dreijahrigen Durchschnitt hatte in Zurich weiterhin zu einer Steuer- flucht in den verschiedensten Formen gefiihrt. Bei steigendem Einkommen hatten die Steuerpflichtigen den Vorteil der Besteuerung nach dem dreijahrigen Durch-

Fall I, II der Schedula D anzuwendenden Regeln (welche Vorschriften tiber die Anrechnung von Verlusten gegen Gewinne in einer bestimmten gewerblichen Tatigkeit enthalt) oder nach irgend- einer anderen Vorschrift der Binkommensteuergesetze gewahrt worden ist, so kann sie verlangen, daB der Teil des Verlustes, fiir den Steuerbefreiung auf diese Weise nicht gewahrt worden ist, vor- getragen und, soweit das moglich ist, von dem Betrag des Gewinns, fur den sie unter Schedula D im Hinblick auf jene gewerbliche Tatigkeit oder jenen Beruf fiir die 6 folgenden Veranlagungsjahre veranlagt wird, abgezogen oder darauf angerechnet wird, mit der MaBgabe, daB, soweit einer Per- son SteuerermaBigung fiir Verlust auf Grund dieses Artikels gewahrt wird, diese Person nicht be- rechtigt ist, ErmaBigung fiir diesen Verlust nach irgendeiner andern Vorschrift der Einkommen- steuergesetze zu verlangen.

M Die Bestimmung des belgischen Einkommensteuergesetzes in der Fassung der Bekannt- machung vom 8. Januar 1926 lautet: Art. 32 § 1. Die Steuer von dem in den Nummern 1 und 3 des Artikels 25 bezeichneten Einkommen - sie betreffen die gewerblichen und landwirtschaftlichen Einkommen sowie Einkommen aus freien Berufen und sonstiger gewinnbringender Tatigkeit, nicht aber die Besteuerung der Einkommen aus unselbstandiger Arbeit sowie aus Pensionen und Leib- renten - wird erhoben von den festgestellten oder angenommenen Einkiinften entweder des voran- gehenden Kalenderjahrs, wenn es sich um Steuerpflichtige handelt, die ihre Biicher nach dem Kalenderjahr fiihren, oder des Wirtschafts jahres, das wahrend des laufenden Jahres endigt, wenn es sich um andere Steuerpflichtige handelt.

Die Einkiinfte des Kalenderjahrs oder Wirtschaftsjahrs werden gegebenen falls um die wahrend der beiden fruheren Wirtschaftsjahre erlittenen Betriebsverluste vermindert. Wenn die vorstehend bezeichneten, durch die in den beiden Kalenderjahren oder den beiden aufeinanderfolgenden Wirt- schaftsjahren erlittenen Verluste aufgezehrt oder vermindert werden, kann Steuerbefreiung oder SteuerermaBigung in entsprechender Hone gewahrt werden, jedoch konnen dann die genannten VerluRte in der Folge nicht mehr abgezogen werden.

*) Die Bestimmung des niederlandischen Einkommensteuergesetzes vom 19. Dezember 1914 in der Fassung des Gesetzes vom 28. April 1927 Artikel 17 lautet: Ergibt sich fiir eine Einkommens- quelle bei der Anwendung der Vorschriften fiir die Feststellung des Reineinkommens em Verlust, so wird dieser von dem Reineinkommen der anderen Quellen abgezogen.

Wenn und soweit die Anrechnung eines Verlustes nach dem ersten Absatz nicht moglich ist, findet die Anrechnung bei der Feststellung des Einkommens fiir das folgende Jahr statt, und wenn und soweit sie auch dann nicht stattfinden kann, bei der Feststellung des Einkommens in dem darauffolgenden Steuerjahr.

•) Das Zuricher steuergesetz m der Fassung vom 2. JDezemoer ivvh ist im * manzarcniv ao (1929) S. 440 f. mitgeteilt; siehe § 41, 41bis, 41ter; vgl. auch ebenda S. 104 f. G. Schanz, Die neuen Steuerreformen im Kanton Zurich mit Riickblick auf die Vergangenheit.

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schnitt gerne angenommen. Wenn aber der Hohepunkt iiberschritten war und die unangenehme Nachwirkung eintrat, daB bei fallendem Einkommen mehr zu versteuern war als dem tatsachlichen Einkommen entsprach, so verlegten die Pflichtigen, insbesondere die groBen internationalen Gesellschaften, ihren Sitz in einen anderen Kanton. Als weiterer erheblicher Nachteil der dreijahrigen Durch- schnittsbesteuerung wurde von der Steuerverwaltung die damit verbundene Urn- standlichkeit in der Berechnung empfunden.

Frankreich hat durch Artikel 3 des Haushaltsgesetzes 1929 vom 30. Dezember 1928 den Verlustvortrag auf drei Jahre eingefuhrt. Die maBgebenden Vorschriften der franzosischen Gesetze in der neuen Fassung sind in Anlage 3 abgedruckt *).

Als Hauptgrund fur die Einfuhrung dieses Verlustvortrages ist in der Einzel- begriindung zum Entwurf des franzosischen Haushaltsgesetzes 1929 auf S. 35 u. a. ausgefiihrt: ,,Nun muB bei dem augenblicklichen Stand der Gesetzgebung jedes Rechnungsjahr fur die Festsetzung der Steuer einzehi in Betracht gezogen werden, da der im Laufe eines bestimmten Rechnungsjahres entstandene Fehlbetrag von dem im Laufe des folgenden Rechnungsjahres erzielten Gewinn nicht in Abzug gebracht werden kann. Auf diese Weise erhebt der Staat die Steuer auf die Ge- winne der gunstigen Jahre, ohne die Verluste, wenn solche entstehen, in Rech- nung zu setzen.

Um dieser Lage, die der Ungerechtigkeit nicht ermangelt, abzuhelf en, schlagen wir Ihnen vor, den Ausgleich der Gewinne und Verluste zu gestatten."

Als weitere fur die deutsche Einkommensteuergesetzgebung wichtigere aus- landische Staaten kommen in Frage: Oesterreich, die Tschechoslowakei, Italien und Danemark. Alle diese Staaten kennen weder die Besteuerung nach einem mehrjahrigen Durchschnitt noch den Abzug des Verlustvortrages.

B. Stellungnahme des Reichsministers der Finanzen zum Problem der Durchschnittsbesteueruiig.

Der Reichsminister der Finanzen beehrt sich seinerseits, zu dem Problem der Durchschnittsbesteuerung und des Verlustvortrages folgendes zu bemerken:

Zum Begriff des Einkommens gehort auch das Zeitelement, d. h. die Frage, welcher Zeitabschnitt der Ermittlung des Einkommens zugrunde gelegt werden soil. SchlieBt man die iibrigen mit dieser Frage zusammenhangenden Probleme (z. B. Besteuerung nach dem laufenden oder nachfolgenden Jahr, Vorauszahlung und AbschluBzahlung) als nicht unmittelbar dazugehorig aus, so bestehen vier Moglichkeiten der Regelung:

x) Das franzosische Haushaltsgesetz von 1929 enthalt folgende Bestimmungen : Artikel. 3 Die Artikel 3, 4, 31 und 79 der kodifizierten Gesetze liber die Teileinkommensteuern

(imp6ts c6dulaires) und die allgemeine Binkommensteuer (VO. vom 15. Oktober 1926) werden durch die folgenden Vorschriften erganzt:

Artikel 3 ... Artikel 4. Erleidet ein Unternehmen, das eine regelmafiige und vollstandige Buchfiihrung

be sitz t, wahrend eines Rechnungsjahres einen Betriebsverlust, so wird dieser Verlust als eine Last des folgenden Rechnungs jahrs angesehen und von dem wahrend dieses Rechnungsjahres erzielten Gewinn abgezogen. Wenn dieser Gewinn nicht ausreicht, um den Abzug des Verlustes vollst&ndig vorzunehmen, so wird der UeberschuB des Verlustes von dem Gewinn abgezogen, der imzweitenauf das Verlustjahr folgenden Rechnungs jahre erzielt ist; wenn noch ein Best verbleibt, so kann er auf das d r i 1 1 e Rechnungsjahr ubertragen werden.

Artikel 31. Erleidet ein Steuerpflichtiger, der fur die Einnahmen ausLandwirtschaft der Steuer unterliegt und eine Erklarung iiber seine tatsachlichen Einnahmen abgibt, einen Be- triebsverlust, so kann dieser Verlust bei der Veranlagung der Steuer auf den wahrend des folgenden Rechnungsjahrs erzielten Gewinn abgezogen werden. Reich t dieser Gewinn nicht aus, um den Ab- zug des Verlustes vollst&ndig vorzunehmen, so wird der UeberschuB des Verlustes von dem wahrend des zweiten Rechnungsjahrs erzielten Gewinn abgezogen, wenn noch ein Rest verbleibt, so kann er auf das dritte Rechnungsjahr libertragen werden.

Artikel 79. 4. Abs. Mit diesem Vorbehalt werden die gewerblichen Einkiinfte fur die Fest- stellung der allgemeinen Einkommensteuer nach den gleichen Bedingungen wie fur die Veranlagung zur Teileinkommensteuer ermittelt. Die Betriebsverluste, deren Abzug in Anwendung des 2. Ab- satzes des Artikels 4 und des 2. Absatzes des Artikels 31 bei den Gewinnen der folgenden Rechnungs- jahr e vorgetragen wird, k6nnen nicht von dem Gesamteinkommen des Jahres, in dem sie eingetreten sind, abgezogen werden.

Die vorstehenden Zusatze zu den Artikeln 4, 31 und 79 finden auf die Verluste der nach dem 1. Januar 1928 abgeschlossenen Rechnungs jahre Anwendung.

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Denkschrift des deutschen Reichsfi nan zministeri urns. 213

I. Die erste Moglichkeit ist die, die das geltende Gesetz zum Ausdruck bringt.

Es wird das Einkommen des abgelaufenen Kalender- oder Wirtschaftsjahrs ohne jede Riicksichtnahme darauf veranlagt, wie das vorhergegangene Jahr abschloB.

Dieses System ist in den Kommissionsberatungen als System A bezeichnet worden. Ein Steuerpflichtiger, der im abgelaufenen Jahr ein Einkommen von 15 000 RM. bezogen hat, wird also nach diesem Einkommen von 15 000 RM. be- steuert.

II. Eine zweite Moglichkeit ist die, daB der Durchschnitt der drei letzten Jahre

veranlagt wird; d. h. also, es werden die Ergebnisse der drei letzten abgelaufenen Kalender- oder Wirtschaftsjahre zusammengezahlt und durch 3 dividiert. Hierbei werden negative Ergebnisse von der Summe der positiven abgezogen (dreijahriger Durchschnitt mit Verlustabzug).

(In den Kommissionsberatungen als System D bezeichnet.) Hat z. B. ein Steuerpflichtiger im abgelaufenen Jahr ein Einkommen von

15 000RM. gehabt und hatte cQeser Steuerpflichtige im voranstehenden Jahr einen Verlust von 3000 RM. und in dem vorvergangenen Jahr ein Einkommen von 9000 RM., so werden seiner Veranlagung zugrunde gelegt

+ 9000 - 3000 + 15 000 = 21000 = 7000 RM 3 3

III. Drittens kann der Durchschnitt der drei letzten Jahre in der Weise veranlagt

werden, daB die Ergebnisse der Verlustjahre auBer Ansatz bleiben, also nur die Ergebnisse der Gewinnjahre addiert werden. Die Summe wird auch hier durch 3 dividiert (dreijahriger Durchschnitt ohne Verlustabzug).

(In den Kommissionsberatungen als System C bezeichnet.) Im obengenannten Beispiel werden also zugrunde gelegt

-f 9000 ±0 + 15 000 = 24 000 _ 80(X) RM 3 3

IV. Endlich besteht eine vierte Moglichkeit darin, daB nur das abgelaufene Ka-

lenderjahr oder Wirtschaftsjahr veranlagt wird, daB hierbei aber das Ergebnis des Vorjahres berucksichtigt wird, wenn es mit Verlust abgeschlossen hatte (Ver- lustvortrag). In den Kommissionsberatungen als System B bezeichnet.

In dem oben genannten Beispiel wiirde also das Einkommen des abgelaufenen Jahres von 15 000 RM. um den Verlust des Jahres von 3000 RM. vermindert wer- den, so daB 12 000 RM. der Veranlagung zugrunde gelegt werden.

Wegen der steuerlichen Auswirkung der vier Systeme wird auf die Ueber- sichten iiber die Wirkung der verschiedenen Systeme an Hand fingierter Bei- spiele (zu vgl. Anlagen 5 a bis d) verwiesen. Ferner wird wegen der Wirkung der verschiedenen Systeme auf die an Hand praktischer Beispiele aufgestellten Ueber- sichten (zu vgl. Anlagen 6 und 7) Bezug genommen.

Zu I. An sich ware es das Idealste, den ganzen Zeitraum von dem Augenblick an,

in dem ein Steuerpflichtiger ins Verdienen gekommen ist, bis zu dem Zeitpunkt des Ausscheidens aus der Steuerpflicht fur die Einkommensbesteuerung zugrunde zu legen. In dieser Zeit haben sich alle Ausgaben und Einnahmen, alle Wert- steigerungen und Verringerungen, alle Gewinne und Verluste ausgeglichen. Es bedarf keiner Begriindung, daB eine solche Art der Veranlagung nicht durch- fuhrbar ist. Alle Staaten, die die Einkommensbesteuerung zum Riickgrat eines geordneten Steuersystems gemacht haben, haben den obenerwahnten langen Zeitraum deshalb in verhaltnismaBig kurze Steuerabschnitte zerlegt. Von einigen Ausnahmen abgesehen (2 oder 3jahriger Steuerabschnitt in einigen Schweizer

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Kantonen, *4jahriger seit 1926, %jahriger Steuerabschnitt fiir Handarbeiter in England), ist im allgemeinen das Jahr (Kalenderjahr, Wirtschaftsjahr oder Etats- jahr) als Steuerabschnitt iiblich. Fiir die Festbesoldeten und alle die, die ver- haltnismaBig gleichbleibende Einnahmen haben, ist das Kalenderjahr auch der gegebene Zeitraum. Aber auch fiir die, deren Einkommen schwankt, insbesondere also fiir die Gewerbetreibenden, liegt die Veranlagung nach einem Jahresergebnis insofern nahe, als auch sie fur ihre privatwirtschaftlichen Zwecke alljahrlich Ab- schliisse machen und Bilanzen aufstellen, um einen Ueberblick iiber das wirt- schaftliche Ergebnis ihres Betriebes zu bekommen. Bei der Zugrundelegung eines Jahresabschnittes fur die Einkommensteuer konnen auch alle Steuerpflichtigen gleichmaBig behandelt werden. Das ist auch der Grund, weshalb eine Reihe von deutschen Bundesstaaten vor dem Kriege nur das Ergebnis eines Jahres der Ein- kommensbesteuerung zugrunde gelegt haben und weswegen auch im Ausland mehr und mehr zu der Besteuerung nach einem Jahr iibergegangen wird. Zuzu- geben ist, daB bei schwankendem Einkommen die Besteuerung nach einem Jahres- ergebnis zu Harten fiihren kann, und zwar in zweifacher Richtung:

1. Bei propressivem Einkommensteuertarif: Ein Pflichtiger, der ein gleich- bleibendes Einkommen von 20 000 RM. bezieht, hat jahrlich 2700 RM. Einkommen- steuer zu zahlen. Ein Pflichtiger dagegen, dessen Einkommen in einem langeren Zeitraum ebenso groB ist, aber z. B. so schwankt, daB es im ersten Jahr 10 000 RM., im zweiten Jahr 30 000 RM. und im dritten Jahr 20 000 RM. betragt, f allt in dem Jahr mit dem hohen Einkommen in die hohere Tarifstufe; er entrichtet im ersten Jahr 1050 RM., im zweiten Jahr 5300 RM., im dritten Jahr 2700 RM., im Jahres- durchschnitt also iiber 3000 RM. Einkommensteuer.

2. Bei Verlusten. Hat der genannte Pflichtige im ersten Jahre einen Verlust von 20 000 RM., im zweiten Jahre einen Gewinn von 60 000 RM., und im dritten Jahre einen Gewinn von 20 000 RM., so betragt sein Einkommen bei Abzug des Verlustes im Durchschnitt auch nur 20 000 RM. (Steuer 2700 RM.); er muB aber nach dem geltenden System 15 000 + 2700 = 17 700 RM., im Jahresdurchschnitt also 5900 RM. Einkommensteuer bezahlen. Diesem Beispiel gegeniiber muB aller- dings darauf hingewiesen werden, daB von alien Pflichtigen nach der Statistik 1925 nur etwa 300 000, das sind 8 % v. H. der veranlagten Einkommensteuerpf lichtigen und ein noch viel geringerer Bruchteil aller Pflichtigen einschlieBlich der Lohn- steuerpflichtigen, ein Einkommen von iiber 8000 RM. hatte. Der groBte Teil der Steuerpflichtigen befindet sich also dauernd in den Einkommensgruppen unter 8000 RM., so daB bei ihnen nur der Satz von 10 v. H., die Progression dagegen keine Anwendung findet. Weiter ist zu beachten, daB fiir die Korperschaften nicht progressive, sondern proportionale Steuersatze von 20 bzw. 10 v. H. gelten. SchlieB- lich sind die Verlustfalle noch seltener als die Zahl der von der Progression be- troffenen schwankenden Einkommen. Trotz alledem spielen die geschilderten Harten eine so bedeutende Rolle, daB die Moglichkeiten einer Abanderung des geltenden Systems ernstlich erwogen werden miissen. Die in Frage kommenden Wege eines Ausgleichs sind deshalb unter wirtschaftlichen, steuerpolitischen, ateuertechnischen und fiskalischen Gesichtspunkten eingehend zu prufen.

Zu II. Dreij&hriger Durchschnitt mit Verlustabzug. 1. Wirtschaftlich.

In erster Linie wird zum Ausgleich der Harten sowohl beim Tarif als auch fiir die Verlustfalle die Besteuerung nach dem dreijahrigen Durchschnitt unter Abzug der Verlust jahre vorgeschlagen. Die Verfechter dieses Systems machen insbesondere geltend, daB der WirtschaftsprozeB ein ununterbrochener ist und daB deshalb der Gewinn oder Verlust eines Jahres meist gar nicht das Ergebnis der Arbeiten und der Unkosten gerade dieses Jahres, sondern eines langeren, vor- hergehenden Zeitraums sei. Die Einkommensschwankungen, denen die Fest- besoldeten und viele andere Kreise der Bevolkerung nicht oder nur in geringem Umfange unterliegen, seien fiir den Unternehmer, und zwar fur den Unternehmer im weitesten Sinne, typisch. Zunachst seien fast alle Betriebe dem Auf und Ab der Konjunktur unterworfen. Daneben gebe es aber noch eine groBe Zahl von Er-

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Denkschrift des deutschen Reichsfinanzministeriums. 215

werbszweigen, die besonders starken Schwankungen unterliegen. Hier wird auf die wechselnden Ernten in der Landwirtschaf t und insbesondere im Wein- und Hopfen- bau, auf die damit zusammenhangenden Handelszweige und ferner auf bestimmte Industrien hingewiesen, die von besonderen Konjunkturen oder Bewegungen einzelner Preise stark abhangig sind. Richtig ist, daB der dreijahrige Durchschnitt mit Verlustabzug in weitgehendem MaBe progressionsmildernd und verlustaus- gleichend wirkt. Wie stark die Schwankungen sein konnen und wie ausgleichend das System wirkt, zeigen die fingierten Beispiele (Anlage 5); in der gleichen Rich- tung bewegen sich die praktischen Beispiele (Anlage 6).

Es erhellt aus diesen Anlagen aber ferner, daB die Vergunstigungen nur zwe Gruppen von Pflichtigen zugute kommen:

Erstens den Steuerpflichtigen, deren Einkommen 8000 RM. ubersteigt, und zwar insbesondere den Beziehern hoher Einkommen. Der Vorteil ist hier um so groBer, je verschiedener die Einkommen innerhalb dreier Jahre sind.

Beispiel: Wenn ein lediger Steuerpflichtiger im ersten Jahre 120 000 RM., im rzweiten Jahre 12 000 RM. und im dritten Jahre 18 000 RM. Einkommen gehabt hat, miiBte er im ersten Jahre 38 000 RM.? im zweiten Jahre 1300 und im dritten Jahre 2300 RM., im ganzen also in den drei Jahren 41 600 RM. Einkommensteuer zahlen. Nach einem Durchschnittseinkommen von 50 000 RM. waren jahrlich 11500RM., in drei Jahren also 34 500RM. zu entrichten. Der Unterschied betragt in den drei Jahren also 7100 RM. Bei den hohen Ein- kommen fallt die progressionsausgleichende Wirkung nur in den Fallen weg, in denen Pflichtige stets in der hochsten Stufe, also stets iiber 80 000 RM. Ein- kommen haben.

Zweitens haben die Pflichtigen einen gewissen Vorteil, deren Einkommen in bestimmten Jahren hinter den Freigrenzen zuriickbleibt, in anderen dariiber hinausgeht.

Beispiel: Ein verheirateter Pf lichtiger mit drei Kindern hat im ersten Jahre 1800 RM., im zweiten Jahre 900 RM. und im dritten Jahre 2100 RM. Ein- kommen. Dieser Pflichtige hat nach dem geltenden Tarif unter Berucksichtigung der Abschlage im ersten Jahr 25,50 RM., im zweiten Jahre 0 RM., im dritten Jahre 48 RM., im ganzen also in den drei Jahren 73,50 RM. Einkommensteuer zu zahlen. Auf Grund des Durchschnittseinkommens von 1600 RM. wiirde er jahrlich 10,50 RM. in drei Jahren also 31,50 RM. entrichten.

Die groBe Masse der Pflichtigen dagegen, deren Einkommen sich oberhalb der Freibetrage und unterhalb der 8000 RM.-Grenze bewegt, wiirde von dem Progressionsausgleich kaum betroffen werden.

Beispiel: Ein lediger Steuerpflichtiger z. B., dessen Einkommen im ersten Jahre 3000 RM., im nachsten Jahre 7000 RM. und im dritten Jahre 5000 RM. betragt, zahlt dasselbe wie ein anderer mit einem festen Einkommen von jahrlich 5000 RM.

Die verlustausgleichende Wirkung des dreijahrigen Durchschnitts mit Verlust- abzug wiirde in der gegenwartigen Zeit, in der die Einkommensschwankungen zahlreich sind, einer groBeren Anzahl von Pflichtigen zugute kommen. Die Zahl der Verlustfalle hangt allerdings von der Konjunktur ab, war in den ersten Jahren nach der Stabilisierung noch sehr groB, ist inzwischen aber zuriickgegangen. In einer Reihe von etwa 12 000 - 13 000 Beispielen buchfiihrender Gewerbetreibender sind die Verlustfalle ausgezahlt worden (zu vgl. Anlage 9). Es ergaben sich fur 1926 noch 9,55 v. H. Verlustfalle, fur 1927 war die Zahl auf 5,8 v. H. zuriickgegangen. Es ist anzunehmen, daB, wenn die Schwierigkeiten der Wirtschaftslage iiber- wunden sind und normalere Zeiten eintreten, der Prozentsatz der Verlustfalle noch weiter zuriickgeht.

Ob die ausgleichende Wirkung fur die betroffenen Steuerpflichtigen wirt- schaftlich immer von Vorteil ist, kann fraglich erscheinen. In Zeiten aufsteigender Konjunktur bleiben die Durchschnittseinkommen hinter dem wirklichen Ein- kommen zuriick; die nach dem Durchschnittseinkommen zu entrichtenden Steuern entsprechen nicht dem tatsachlichen Einkommen des abgelaufenen Jahres. In Zeiten absteigender Konjunktur sind die Durchschnittseinkommen dagegen hoher als das Einkommen des letzten Jahres, die zu zahlende Steuer ist deshalb hoher

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als die Steuer, die dem letzten Jahreseinkommen entspricht. Sie wird oft einen groBen Teil dieses Einkommens ausmachen und kann sogar das Einkommen selbst erhebKch iibersteigen. Wer beispielsweise im ersten Jahr 100 000 RM. und in den beiden nachsten Jahren nichts verdient hat, braucht zwar in dem Jahre des groBen Verdienstes nur einen verhaltnismaBig geringen Steuerbetrag zu entrichten; er muB aber nach Ablauf des dritten Jahres immer noch iiber 6000 RM. bezahlen, und diese Zahlung wird ihn dann wahrscheinlich viel schwerer tref f en als die heute vorgeschriebene Zahlung von 30 000 RM. in dem Jahr, in dem er die 100 000 RM. verdient hat.

In diesem Nachhinken der Steuerzahlung hinter dem Einkommensbezug liegt zugleich ein fiskalischer Nachteil. Denn in Verlust jahren oder in Jahren mit ge- ringem Einkommen konnen die Steuerbetrage, die wegen der Durchschnitts- besteuerung nachtraglich fur die guten Jahre gezahlt werden mussen, von sehr vielen Pflichtigen nicht entrichtet werden; der Fiskus wird also mit erheblichen Ausfallen rechnen mussen. Um diese Bedenken wirtschaftlicher und fiskalischer Art auszuraumen, haben die Befiirworter des dreijahrigen Durchschnitts nun allerdings einen besonderen Vorschlag der Steuersicherstellung gemacht. Als Vorauszahlung soil fur jedes Steuerjahr der nach den geltenden Vorschriften zu errechnende Betrag entrichtet werden, falls und soweit er den nach dem drei- jahrigen Durchschnitt zu errechnenden iibersteigt. Die endgiiltige Veranlagung soil nach Ablauf des dritten Jahres unter Riickzahlung des zuviel erhobenen Be- trags erfolgen. Dieser Vorschlag raumt die fiskalischen Bedenken allerdings aus, seine Durchfiihrung wiirde aber auf erhebliche steuertechnische Schwierigkeiten stoBen, die unten noch naher erortert werden.

Endlich richten sich die wirtschaf tlichen Vorwtirf e, die gegen das gegenwartige System erhoben werden, zu einem Teil gar nicht so sehr gegen die Jahresbesteue- rung ohne Progressionsausgleich als viehnehr gegen die schnell ansteigende Pro- gression des geltenden Tarifs uberhaupt.

Auch in dem Gutachten, das von den Kommissionsmitgliedern Rernhard, Dr. B r ii n i n g , Dr. Hertz, Dr. Dr. Kaiser, Keil und von S y b e 1 in der Sitzung vom 19. November vorgelegt worden ist (S. 128 ff.), und in dem ent- sprechenden Gutachten 4, iiber das als letztes in dieser Sitzung abgestimmt wor- den ist (S. 178 ff.), ist auf diesen Gesichtspunkt hingewiesen worden. In diesem Gutachten ist auch ausgesprochen, daB die gegenwartige Einkommensbelastung anerkanntermaBen nicht nur bei den hohen und hochsten Einkommen, sondern auch bei den mittleren Einkommen vielfach iiberaus hart sei, und daB nicht die Ein- fuhrung der Durchschnittsbesteuerung, sondern eine allgemeine Senkung des Tarifs der richtige Weg sei. Die gegenwartige Reichsregierung hat in der am 3. Juli 1928 abgegebenen Regierungserklarung versprochen, zu priifen, ob auf dem Ge- biet der Einkommensteuer eine maBige Senkung des Tarifs in den unteren und mittleren Stufen durchfuhrbar erscheine. Eine solche Senkung ist auch fiir die unteren Stufen durch das Gesetz von 23. Juli 1928 herbeigefuhrt und fiir die mittleren Stufen in dem gegenwartig dem Reichsrat und Reichswirtschaftsrat vorliegenden Entwurf eines dritten Gesetzes iiber die Aenderung der Einkommen- steuer in Angriff genommen. Mehr lieB sich mit Riicksicht auf die finanzielle Lage von Reich, Landern und Gemeinden in dieser Beziehung bisher nicht tun. Die Reichsregierung glaubt aber auch ihrerseits, daB eine Auseinanderziehung des Tarifs der Einfuhrung der Durchschnittsbesteuerung vorzuziehen ist. Eine solche Milderung kann aber erst beschlossen werden, wenn die finanzielle Lage von Reich, Landern und Gemeinden das gestattet.

2. Steuerpolitische und steuertechnische Gesichts- punkt e.

Jede Milderung - und die Durchschnittsbesteuerung soil ja eine Milderung sein - muB nach den Grundsatzen der Allgemeinheit und GleichmaBigkeit der Besteuerung hinsichtlich ihrer Wirkung auf die verschiedenen Gruppen der Steuer- pflichtigen gepruft werden. Zugleich muB erwogen werden, in welcher Weise steuertechnisch eine Systemanderung wirken wiirde, bei welchen Personenkreisen

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Denkschrift des deutschen ReichsfinanzministeriumR. 217

also die Durchschnittsbesteuerung verwaltungsmaBig ohne wesentliche Mehr- belastung durchfuhrbar ist.

Am weitesten ist hinsichtlich des Personenkreises bei der Durchschnitts- besteuerung wohl das PreuBische Einkommensteuergesetz von 1891 gegangen. Nach diesem Gesetz waren alle schwankenden Einnahmen nach dem Durchschnitt der drei letzten Jahre anzusetzen. Dieses System hat sich aber in PreuBen, wie oben S. 202 und 203 dargelegt, insbesondere deshalb nicht bewahrt, weil die Inhaber landwirtschaftlicher und gewerblicher Kleinbetriebe sich dem Zuriickgreifen auf friihere Jahre widersetzen. In der Novelle von 1906 ist die Besteuerung nach dem dreijahrigen Durchschnitt auf die buchfiihrenden Gewerbetreibenden und buch- fuhrenden Landwirte beschrankt worden. In ahnlicher Weise war auch in anderen Landern der Personenkreis beschrankt. Wo die Durchschnittsbesteuerung auch fur nichtbuchfiihrende Gewerbetreibende und Landwirte Anwendung fand, hat das vielfach zu Schwierigkeiten gefuhrt. Die Verfechter der Durchschnittsbesteue- rung erkennen diese Schwierigkeiten bei den Nichtbuchfiihrenden meist an. Sie wenden aber ein: Jeder Unternehmer sei in der Lage, sich eine ordnungsmaBige Buchfuhrung einzurichten. Durch ein Uebergehen zur Buchfuhrung konne also - auch wenn die Durchschnittsbesteuerung nur fur Buchfuhrende gelte - jeder sich die Vorteile der Durchschnittsbesteuerung zunutze machen. Eine solche Gesetzesbestimmung sei zudem ein wertvolles Erziehungsmittel; denn die Buch- fuhrung liege im Interesse rationeller Wirtschaft und genauer Kalkulation und komme somit der Gesamtwirtschaft und indirekt auch dem Steuerfiskus zugute. Darauf ist zu erwidern, daB eine solche Buchfuhrung vielfach nur ad hoc, d. h. fur Steuerzwecke gemacht werden wiirde und vom Standpunkt des Steuerfiskus ebensowenig Wert hatte wie vom Standpunkt der Gesamtwirtschaft. Richtig ist, daB viele mittlere Gewerbebetriebe, die heute noch keine genaue Buchfuhrung haben, zur Buchfuhrung iibergehen konnten und sollten. Ob alien Inhabern ge- werblicher Kleinbetriebe die Fiihrung von Biichern zugemutet werden kann, ist schon fraglich. Sicher ist aber, daB die meisten Inhaber landwirtschaftlicher Klein- betriebe und auch viele Inhaber mittlerer landwirtschaftlicher Betriebe nicht in der Lage sind, zur Buchfuhrung tiberzugehen. Eine Beschrankung des dreijahrigen Durchschnitts auf die Buchfiihrenden wiirde daher in der Praxis zu einer unter- schiedlichen Behandlung der Klein- und GroBbetriebe fiihren. Wie bedenklich eine solche unterschiedliche Behandlung ist, hat sich insbesondere in der Land- wirtschaft in den Jahren gezeigt, als die buchfiihrenden GroBbetriebe nach dem Wirtschaftsjahr 1. Juli bis 30. Juni und die nichtbuchfiihrenden Klein- und Mittel- betriebe nach dem Kalenderjahr besteuert wurden; die damals entstandenen Schwierigkeiten haben bekanntlich 1925 zur Einfiihrung des landwirtschaftlichen Wirtschaftsjahres fiir alle buchfuhrenden und nichtbuchfuhrenden Landwirte gefuhrt.

Steuertechnisch wiirde durch die Besteuerung nach dem dreijahrigen Durch- schnitt bei den Buchfiihrenden die Verwaltungsarbeit in einer Richtung ver- ringert werden. Ein Teil der Streitigkeiten iiber die Hohe von Abziigen und iiber die Bewertungsfragen ist zur Zeit darauf zuriickzufuhren, daB die Steuerpflich- tigen das verstandliche Bestreben haben, ihr Einkommen in Jahren mit hohem Gewinn zu driicken und dafiir lieber in Jahren mit Verlust oder geringem Gewinn h6her erscheinen zu lassen; solche Streitigkeiten wurden wesentlich abnehmen. Auf der anderen Seite wiirde die Feststellung der einzelnen Jahreseinkommen und daneben der Durchschnittseinkommen selbst bei Beschrankung auf buchfuhrende Betriebe wegen der listenmaBigen und statistischen Behandlung zu einer gewissen Mehrarbeit fiihren. GroBer ware die Mehrbelastung schon bei Einbeziehung aller - auch der nichtbuchfuhrenden - Gewerbetreibenden und Landwirte, soweit sie heute wegen eines iiber die Freibetrage hinausgehenden Einkommens veranlagt werden. Aber auch hier ist die Durchschnittsberechnung technisch durchaus mdglich. Freilich wiirde sie, wie oben gezeigt, wegen des gleichbleibenden Steuer- satzes von 10 v. H. den letztgenannten Steuerpflichtigen kaum Vorteile bringen. Eine wesentliche technische Erschwerung ergibt sich aber bei alien den Pflich- tigen, deren Einkommen gegenwartig hinter den Freibetragen zuriickbleibt. Die Freibetrage setzen sich zusammen aus 720 RM. steuerfreier Einkommensteil,

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240 RM. Sonderleistungspauschale; zu diesen 960 RM. treten die FamilienermaBi- gungen des § 52 Abs. 1 Nr. 2 hinzu. Wenn das Einkommen die sich so ergebenden Betrage nicht erreicht, bedarf es heute einer Veranlagung nicht. In der Land- wirtschaft gibt es 5,1 Millionen Betriebe; nach Ausscheidung von etwa 3 Millionen Zwergbetrieben verbleiben 2,1 Millionen Betriebe, fur die eine Einkommens- besteuerung in Frage kommt. Tatsachlich sind wegen der schlechten Lage der Landwirtschaft 1926 und 1927 nur etwa 800 000 Landwirte mit einem iiber die Freibetrage hinausgehenden Einkommen mit einem Steuerbetrage veranlagt worden. Bei dem System des dreijahrigen Durehschnitts konnte man sich nicht mehr wie heute auf die Feststellung beschranken: ,,steuerfrei, weil hinter den Freibetragen zuriickbleibend", sondern beim Zuriickbleiben des Einkommens hinter den Freibetragen miiBte die Hohe des Einkommens, in Verlustfallen sogar der Betrag des Verlustes in jedem einzelnen Fall genau festgestellt werden. Wie die angef iihrten Zahlen beweisen, wlirden diese Feststellungen aber zu einer auBer- ordentlich groBen Mehrarbeit der Verwaltung fuhren, die zur Zeit jedenfalls nicht geleistet werden konnte. Bei den Gewerbetreibenden gibt es etwa 3 Millionen selbstandige Erwerbstatige, von denen f iir die Einkommensteuer etwa 2 Millionen als Steuerzahler in Frage kommen. Auch hier ist dis Zahl der Nichtveranlagten also groB, sie betragt 1 Million. Trotzdem ist bei den Kleingewerbetreibenden die Lage nicht die gleiche wie bei der Landwirtschaft, weil die Schwankungen nicht so starke sind, auch die Falle tatsachlichen Verlustes seltener sind. Immerhin wiirde auch hier eine dreijahrige Durchschnittsbesteuerung fur alle Nichtbuch- fuhrenden zu einer starken Mehrbelastung der Verwaltung fuhren. Bei den An- gehorigen freier Berufe diirften sich technisch keine besonderen Schwierigkeiten ergeben. Aehnliche Schwierigkeiten wie bei den Landwirten wiirden sich dagegen zur Zeit noch bei den Hausbesitzern ergeben, weil bei ihnen angesichts der ge- ringen Mieteinnahmen und der oft erheblichen Ausgaben gelegentlicher groBer Reparaturen die Einkommen zur Zeit noch sehr gering und die Verlustfalle haufig sind. Diese Schwankungen der Einkommen um das Existenzminimum herum - d. h. also der Abzug vom Einkommen, das die Freibetrage iibersteigt in dem einen Jahr, und vom Einkommen, das hinter den Freibetragen zuruckbleibt in einem andern Jahr - sind in der gegenwartigen Zeit, insbesondere wegen der schwie- rigen Lage der Landwirtschaft und des verhaltnismaBig geringen Einkommens der Hausbesitzer so erheblich, daB wegen des Anwachsens der Veranlagungsfalle aus steuertechnischen Griinden vor einer Einfuhrung der Durchschnittsbesteuerung fiir alle Pflichtigen gewarnt werden muB. Nun konnte man naturlich diese Schwie- rigkeiten dadurch aus dem Wege raumen, daB man bei Pflichtigen, die in fruheren Jahren nicht veranlagt worden sind und im neuen Jahr ein Einkommen beziehen, das uber die Freibetrage hinausgeht, die fruheren Jahre mit bestimmten, im Ge- setz festzulegenden Betragen bei der Durchschnittsberechnung ansetzt. Setzt man diesen Betrag aber mit Null an, so wiirde der Fiskus erhebliche Ausfalle erleiden, denn dann wiirde die Einkommensberechnung immer zu Durchschnittseinkommen fuhren, die unterhalb der Freigrenze liegen. Setzt man fiir die genannten Jahre als Einkommen den steuerfreien Einkommensteil zuziiglich der FamilienermaBi- gungen an, so wiirde die Durchschnittsbesteuerung f iir diese Pflichtigen keinen Vorteil mehr bringen. Setzt man einen Durchschnittsbetrag an, so wird man auch in vielen Fallen nicht das Richtige treffen.

Zeigen sich hier schon groBe Schwierigkeiten, so ist von groBter Bedeutung in steuerpolitischer und steuertechnischer Beziehung aber die groBte Gruppe aller Einkommensbezieher, namlich die Lohnempfanger. Ein lediger Arbeiter, der in einem Jahre 1800 RM., im zweiten Jahre 600 RM. und im dritten Jahre 2100 RM. Arbeitslohn hatte, zahlt nach dem geltenden System insgesamt 112,50 RM. Ein- kommensteuer, beim dreijahrigen Durchschnitt dagegen nur 67,50 RM. Ein lediger Angestellter, der zwei Jahre arbeitslos war und im dritten Jahre 4800 RM. be- zieht, wiirde nach dem geltenden System fiir das dritte Jahr 324 RM. Steuer zahlen miissen. Bei der Besteuerung nach dem dreijahrigen Durchschnitt wiirde sich ein Durchschnittseinkommen von 4800 : 3 = 1600 RM. jahrlich, also eine Steuer von 30 RM. im Jahre ergeben. Der gleiche Betrag wiirde sich aber auch in den Jahren der Arbeitslosigkeit ergeben, wenn z. B. auf ein Jahr mit 4800 RM.

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Einkommen zwei Jahre ohne Einkommen folgen. Die steuertechnischen Schwierig- keiten bei der Einfiihrung der Besteuerung nach dem dreijahrigen Durchschnitt scheinen bei den Lohn- und Gehaltsempfangern schon nach diesen Beispielen uniiberwindlich. Die starke Erhohung der Steuer auch bei den Beziehern kleiner Einkommen in der Nachkriegszeit hat die Einfiihrung des Steuerabzugs vom Arbeitslohn erforderlich gemacht. Nur die Einbehaltung der Steuer im Wege des Steuerabzugs vom Arbeitslohn gewahrleistet ein sicheres Eingehen der Steuer- betrage vom Arbeitnehmer; ohne den Steuerabzug miiBte man mit sehr erheb- lichen Ausf alien rechnen. Eine Beriicksichtigung des dreijahrigen Durchschnitts beim Steurabzug ware also nur auf dem Wege der Steuererstattung moglich. Schon heute ist die Belastung der Verwaltung durch die Lohnsteuererstattungen auBerordentlich grofi. Erstattungen auf drei Jahre zuriick waren nicht durch- fiihrbar. Die folgerichtige Durchfiihrung des dreijahrigen Durchschnitts wiirde, wie in dem letzten Beispiel gezeigt, auBerdem die Erhebung der Durchschnitts- steuerbetrage in den Jahren der Arbeitslosigkeit erforderlich machen. DaB eine solche Einziehung weder fiir den arbeitslosen Arbeitnehmer tragbar noch fur die Verwaltung durchfiihrbar ist, bedarf keiner Begriindung. Andererseits zeigen die angefiihrten Beispiele, wie erheblich die Steuerunterschiede dann sind, wenn der Arbeitslohn in bestimmten Jahren hinter den Freibetragen zuriickbleibt, und wie notwendig es aus Griinden der GleichmaBigkeit und Gerechtigkeit der Besteuerung ware, sobald man den dreijahrigen Durchschnitt einfiihrt, auch fiir Arbeitnehmer in den genannten Fallen einen Ausgleich zu schaffen. Die absolute Kleinheit der Betrage diirfte die Einfiihrung einer Durchschnittsbesteuerung im eigentlichen Sinne kaum rechtfertigen. Sobald man aber veranlagten Steuerpflichtigen, deren Einkommen in einzelnen Jahren die Freibetrage iibersteigt, in anderen Jahren dahinter zuriickbleibt, durch die Einfiihrung des dreijahrigen Durchschnitts ent- gegenkommen will, muB man im Interesse der GleichmaBigkeit der Besteuerung auch den Arbeitnehmern entgegenkommen. Ein solcher Ausgleich ware vielleicht durch Erweiterung der Steuererstattungsbestimmungen in sinngemaBer Anwen- dung des § 56 EStG. moglich, wiirde aber auch hier zu technischen Schwierig- keiten infolge Mehrbelastung fiihren.

3. Fis kalis ch. SchlieBlich muB das System des dreijahrigen Durchschnitts mit Verlustabzug

auch vom fiskalischen Standpunkt gewiirdigt werden. Das Durchschnittssystem verspricht eine gleichmaBigere Verteilung der

Steuer auf die einzelnen Jahre. Dies ermoglicht es dem Reich, den Landern und insbesondere den Gemeinden, den Haushalt richtiger zu veranschlagen. Da die Einkommen der Gewerbetreibenden und freien Berufe ihrer Natur nach stets schwankend sind (auch vor dem Kriege waren diese Einkommen immer schwan- kend), stellt die groBere Stabilitat in dem Haushaltsplan einen nicht zu unter- schatzenden Vorteil dar, auch wenn die Stabilitat nur auf einer geringeren Basis gegeben ist. GroBe Ueberschiisse verleiten im Reich, in den Landern und in den Gemeinden zu erhohten Ausgaben. Ist der Haushalt dann auf groBere Betrage eingestellt, so ist es sehr schwer, die Ausgaben einzuschranken, wenn die Ueber- schiisse ausbleiben oder die Einnahmen gar hinter den Voranschlagen zuriick- bleiben. UnregelmaBige Steuerertrage sind deshalb weder fiskalisch noch volks- wirtschaftlich ein Vorteil. DaB die Durchschnittsbesteuerung die Schwierigkeiten der Aufkommensschatzung vermindert, ist auch in England - wie oben aus- gefiihrt - besonders hervorgehoben worden.

Gegeniiber diesen unleugbaren fiskalischen Vorteilen muB aber auf die fis- kalischen Nachteile der Durchschnittsbesteuerung hingewiesen werden. Die Durch- schnittsbesteuerung mit Verlustabzug fiihrt aus verschiedenen Griinden zu einer erheblichen Minderung des Steuerertrages. In dieser Richtung wirkt zunachst einmal die Abschwachung der Tarifprogression. Wie hoch sich - auf alle Steuer- pfh'chtigen bezogen - insgesamt die Ausfalle infolge dieser Abschwachung der Tarifprogression belaufen wiirden, laBt sich ziffernmaBig auch nur mit einiger Sicherheit nicht sagen. Im Referat des Ministerialdirektors Hog sind die Aus-

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f&lle bei buchfiihrenden und nichtbuchfiihrenden Gewerbetreibenden zusammen auf 44 - 62 Millionen RM. geschatzt worden. Dazu kommen, das ist im Referat ausdriicklich betont worden, aber noch die Ausfalle, die sich durch das Nach- hinken der Steuererhebung hinter dem Einkommensbezug ergeben. Da bei steigen- der wirtschaftlicher Konjunktur die Steuer nach dem hinter dem tatsachlichen Einkommen zuriickbleibenden Durchschnittseinkommen zu entrichten ware, so hatte der Fiskus in Zeiten aufsteigender Konjunktur erheblich geringere Ein- nahmen als nach dem jetzigen System. Bei steigender Konjunktur wiirden eben die Steuereingange nur langsam dem Konjunkturanstieg folgen. In Zeiten ab- steigender Konjunktur miiBte freilich rein theoretisch der Fiskus den bereits mehrfach erwahnten Vorteil haben, daB dann die zuriickliegenden guten Jahre noch auf den Durchschnitt erhohend einwirken. Vom praktischen Standpunkt aus betrachtet, ist dieser Vorteil aber sehr problematischer Natur. Bei der Erorterung der wirtschaftlichen Gesichtspunkte wurde bereits gezeigt, daB die Durchschnitts- besteuerung bei absteigender Konjunktur vielfach eine fiir den Pflichtigen un- ertragliche Belastung bleiben wurde; diese miiBte dazu fiihren, daB die Steuer- betrage in vielen Fallen einfach nicht gezahlt wiirden und hiernach groBe Ausfalle entstanden. Das wird auch von den Verfechtern des dreijahrigen Durchschnitts zugegeben. Sie schlagen, um dem Pflichtigen die Zahlung zu ermoglichen und beim Fiskus die Ausfalle zu vermeiden, vor, daB die Steuer stets nach dem dreijahrigen Durchschnitt berechnet wird, daB die Zahlung sich aber dem tatsachlichen Ein- kommen eines Jahres anschlieBt. Zuzugeben ist, daB hierdurch Ausfalle vermieden wiirden. Freilich fuhrt der Vorschlag zu auBerordentlichen technischen Schwierig- keiten, insbesondere fiir die Kassen, die ein Abrechnungsverfahren iiber drei Jahre einrichten miiBten. Neben den ziffernmaBig nicht schatzbaren Ausfallen, die durch das Nachhinken eintreten, und den Ausfallen bei buchfiihrenden und nichtbuch- fiihrenden Gewerbetreibenden, die von Ministerialdirektor Hog auf 44 - 62 Mill lionen RM. geschatzt worden sind, sind aber noch die Ausfalle zu beriicksichtigen, die bei anderen Berufsangehorigen, Landwirten, Hausbesitzern und aus den oben angef iihrten steuerpolitischen Griinden durch Entgegenkommen bei den Arbeit- nehmern eintreten. Wenn in den Ausf iihrungen des Ministerialdirektors Dr. Zar- d e n in der Kommissionssitzung vom 26. Oktober 1928 (Anlage 1 S. 101) als An- naherungsbetrag einmal 100 Millionen RM. genannt worden sind, so durfte diese Zahl hiernach nicht zu niedrig sein.

Zu III. Dreijahriger Durchschnitt ohne Verlustabzug. Fiir den dreijahrigen Durchschnitt ohne Verlustabzug gilt in den meisten

Punkten das gleiche, was oben fiir und gegen den dreijahrigen Durchschnitt mit Verlustabzug gesagt ist. Unterschiede ergeben sich nur daraus, daB dieses System nur in einer Richtung, namlich progressionsabschwachend, wirkt, dagegen nicht in der Richtung auf den Verlustausgleich. Schon aus diesem Grunde sind die wirtschaftlichen Vorziige des Systems fiir die Pflichtigen kleiner und die Zahl der Kreise, die Interesse daran haben, geringer. Insbesondere bietet das System iiberall da, wo keine Progression, sondern ein proportionaler Steuersatz gilt, keine Verbesserung. Wollte man mit Einfiihrung des Systems etwa den Verlustvortrag auf Grund von Unterbilanzen nach § 15 Nr. 3 des Korperschaftsteuergesetzes auf- geben, so wiirde das System fur die Korperschaften sogar zu einer Verschlechte- rung fiihren. Wegen der steuerpolitischen und steuertechnischen Gesichtspunkte kann im allgemeinen auf die Stellungnahme zur Durchschnittsbesteuerung mit Verlustabzug Bezug genommen werden. Die Wirkung auf die verschiedenen Per- sonenkreise ist im wesentlichen die gleiche, es besteht nur der Unterschied, daB die Verlustfalle auBer acht gelassen werden. Wie oben gezeigt, ergeben sich steuer- technische Schwierigkeiten aber vor allem bei der groBen Zahl von Pflichtigen, deren Einkommen bald die Freibetrage iibersteigt, bald hinter ihnen zuriickbleibt. Sind die steuertechnischen Bedenken gegen das System hiernach sehr schwer- wiegend, so kommt als steuerpolitisches Bedenken hinzu, daB fiir Verlustfalle kein Ausgleich gewahrt wird und daB daher die MaBnahme vorzugsweise Pflich- tigen mit hohem Einkommen zugute kommen wurde. Vom fiskalischen Stand-

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Denkschrift des deutschen Reichsfinanzministeriums. 221

punkt aus ist zuzugeben, daB die Ausfalle beim dreijahrigen Durchschnitt ohne Verlustabzug wesentlich geringer sein wiirden als beim dreijahrigen Durchschnitt mit Verlustabzug; die Ausfalle sind hier wohl nur halb so hoch zu schatzen als oben angegeben. Immerhin sind die Ausfalle so erheblich, daB ich mich - vom Steuer- politischen und Steuertechnischen einmal abgesehen - auch vom steuerfiskali- schen Standpunkt aus fur die Durchschnittsbesteuerung ohne Verlustabzug nicht aussprechen kann.

Zu IV§ Verlustvortrag. Wahrend der dreijahrige Durchschnitt ohne Verlustabzug nur progressions-

abschwachend wirkt, liegt die Bedeutung des Verlustvortrages in dem Ausgleich von Verlusten tiber 2 oder mehrere Jahre. Vom wirtschaftlichen Gesichtspunkt aus erscheint die verlustausgleichende Wirkung aber wichtiger als die progressions- abschwachende. Wenn ein Pflichtiger im ersten Jahre 20 000 RM. Gewinn, im zweiten Jahre 20 000 RM. Verlust und im dritten Jahre 90 000 RM. Gewinn hat, so sind, wirtschaftlich betrachtet, wahrend dieser 3 Jahre nur 90 000RM. ver- dient worden. Nach dem geltenden Recht muB der Pflichtige im ersten Jahre 20 000RM. und im dritten Jahre 90 000RM., also zusammen 110 000 RM., ver- steuern. Wenn ein Pflichtiger in einem Jahre 100 000 RM. Verlust und im nach- sten Jahre 100 000 RM. Gewinn erzielt, also im Enderfolg in beiden Jahren nichts verdient hat, so muB er aber nach dem geltenden Recht 30 000RM. Steuern zahlen. Es laBt sich nicht bestreiten, daB hierin eine Harte liegt. Diese Harte wird besonders schwer empfunden, wenn der Verlust durch besondere auBere Einfliisse entstanden ist, man denke z. B. an Witterungseinfliisse, die beim Landwirt oder Winzer in bestimmten Jahren zu hohen Verlusten f uhren, man denke an besondere Preisbewegungen bei einzelnen Waren, man denke vor allem an Falle, in denen ein Kaufmann, um z. B. einen bestimmten auslandischen Markt nicht zu ver- lieren, langere Zeit mit Verlust verkaufen muB. Die Verfechter des Verlustvortrages weisen auch darauf hin, daB das Gesetz den Verlustvortrag, soweit das Grund- oder Stammvermogen von Erwerbsgesellschaften und Betrieben oder Verwal- tungen angegriffen ist, im § 15 Nr. 3 des Korperschaftsteuergesetzes zugelassen hat. Diese Unterscheidung, ob ein Stammkapital angegriffen ist oder nicht, sei aber zum mindesten in den ersten Jahren nach der Auf stellung der Goldbilanz in gewissem Umfange von Zufalligkeiten abhangig; die Vorschrift des § 15 Nr. 3 des Korperschaftsteuergesetzes komme heute vor allem den Korperschaften zu- gute, die bei der Goldbilanz ihr Kapital besonders hoch angesetzt haben. Eine entsprechende Anwendung dieses Grundsatzes des Korperschaftsteuergesetzes auf einen gewissermaBen als Grundkapital anzusetzenden Teil des Kapitals von offenen Handelsgesellschaften oder Einzelfirmen, z. B. auf das in der Goldbilanz festgestellte Kapital, ist mehrfach verlangt worden; dies Verlangen laBt sich vom Standpunkt der GleichmaBigkeit der Besteuerung nicht ganz abweisen.

Die Griinde der GleichmaBigkeit und Gerechtigkeit der Besteuerung sprechen rein auBerlich zunachst dafiir, den Verlustvortrag bei alien Steuerpflichtigen an- zuwenden. Bei naherer Nachpnifung sind indessen die Bedenken, die gegen die Beschrankung des dreijahrigen Durchschnitts auf einen Teil der Steuerpflichtigen bestehen (vgl. oben S. 217 ff.), beim Verlustvortrag wesentlich geringer.

Wie oben dargelegt, haben gegenwartig mehr als 1 Million Landwirte, ein nicht unerheblicher Teil von Kleingewerbetreibenden und ein groBer Teil von Hausbesitzern Einkommen, die unter den Freibetragen, also unter 960 RM., liegen. Bei dem System des dreijahrigen Durchschnitts, und zwar mit oder ohne Verlust- vortrag, miissen diese Einkommen fur die Ermittlung des Durchschnittseinkom- mens ziffernmaBig festgestellt werden. Beim Verlustvortrag konnen sie, soweit sie zwischen 1 RM. und 960 RM. (zuzuglich der FamilienermaBigungen) liegen, unberucksichtigt bleiben. Auch beim Verlustvortrag sind die Einkommen der genannten Gruppen von Steuerpflichtigen also nur dann ziffernmaBig zu ermitteln, wenn tatsachliche Verluste vorliegen. Bei Wirtschaftsverhaltnissen, die durch- schnittlich als normal anzusprechen sind, kommen effektive Verluste bei kleineren Gewerbetreibenden und Landwirten erfahrungsgemaB nicht sehr haufig in Frage.

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222 Denkschrift des deutschen Reichsfinanzmiiiisteriums.

Oft mag bei diesen Gruppen das Einkommen nur der Entlohnung fur die Arbeit des Betriebsinhabers und seiner Familienangehorigen entsprechen und bei nicht normalen Wirtschaftsverhaltnissen, wie sie gegenwartig vielfach bestehen, haufig sogar unter dem durchschnittlichen Jahresarbeitslohn entsprechender Arbeit- nehmer zuriickbleiben. Steuerlich anerkannte Verluste liegen aber erst dann vor, wenn die Ausgaben zuziiglich des Anfangsbestandes die Einnahmen zuziiglich des Endbestandes iibersteigen. Das kann sich, da die Entnahme fur den eigenen Bedarf bei der Berechnung des steuerpflichtigen Einkommens nicht abgezogen werden darf, nur dadurch auswirken, daB entweder das Aktiwermogen am Ende des Jahres geringer ist als am Anfang des J&hres, oder daB die Schulden am Schlusse des Jahres groBer geworden sind als am Anfang des Jahres. Das laBt sich, zumal wo es eine laufende Vermogensteuerveranlagung mit Neu- und Nach- veranlagung gibt, feststellen, spielt aber, wie bereits gesagt, keine so sehr erheb- liche Rolle, da in der groBen Zahl der Falle der Lebensunterhalt, und wenn er auch noch so karglich sein mag, verdient wird und dadurch ein effektiver Ver- lust nicht in Frage kommt. Verluste kommen im allgemeinen nur da vor, wo wert- volle Gegenstande des Betriebsvermogens vernichtet worden sind, wie bei Brand- und Viehschaden, die nicht durch Versicherung gedeckt sind, bei Naturereignissen und anderen Unglucksfallen. Solche Verlustfalle werden aber und zwar gerade bei der Landwirtschaft, heute schon weitgehend festgestellt. Die Feststellungen werden bei bestimmten Witterungsschaden von den Landes- und Reichsbehorden vorgenommen und finden dann bei der Steuerveranlagung, Steuerstundung und bei Erlassen Beriicksichtigung. Weiter wird der Verlust auch in den Fallen fest- gestellt, wo anderes Einkommen vorhanden ist und deshalb ein Ausgleich vor- genommen werden muB. Technisch wiirde bei diesen Gruppen von Steuerpflich- tigen der Verlustvortrag, wenn er selbstverstandlich auch eine gewisse Mehrarbeit mit sich bringen wird, erheblich leichter durchzufuhren sein als der dreijahrige Durchschnitt.

Das Problem des Verlustvortrags muB endlich auch in seiner Wirkung auf die Arbeitnehmer gepruft werden. Hier erhebt sich zunachst die Frage, warm bei ihnen ein Verlust vorliegt. Wenn die Werbungskosten, Sonderleistungen und Schuldzinsen den Arbeitslohn tibersteigen, so liegt selbstverstandlich ein Verlust vor, der bereits heute fur das betreff ende Jahr berucksichtigt wird. Diese Falle sind aber selten. Wenn dagegen ein Arbeitnehmer in einem Jahr arbeitslos war und zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes ein kleines Sparguthaben auf- gebraucht hat, so liegt in solchen Fallen weder nach deutschem noch nach aus- landischem Recht ein Verlust vor; es kann daher auch vom Einkommen des nach- sten Jahres nichts abgezogen werden. Der Fall liegt hier ebenso wie bei einem Gewerbetreibenden, der in einem Jahre keinen Gewinn erzielt hat und seinen Lebensunterhalt aus seinem Kapital (z. B. durch Verkauf von Betriebsgegen- standen, Aufnahme von Schulden oder durch die Aufzehrung seines Guthabens) bestritten hat. Solche Verluste werden, wie die Entnahme iiberhaupt, nicht als steuerlicher Verlust anerkannt. Wollte man entsprechend den Ausfuhrungen einiger Mitglieder der Kommission bei dem Arbeitnehmer das Aufbrauchen von Sparguthaben im Jahre, in dem Einkommen nicht erzielt worden ist, als Verlust anerkennen, so mtiBte man f olgerichtig auch die Kapitalentnahmen der Gewerbe- treibenden und Landwirte steuerlich als Verlust anerkennen, was selbstverstand- lich nicht in Frage kommen kann. Im Rahmen des Problems der Abzugsfahigkeit des Verlustvortrags spielt diese Frage also keine Rolle. Eine ganz andere, mit dem Verlustvortrag aber nicht im Zusammenhang stehende Frage ist die, ob man steuerlich in einzelnen solchen Fallen entgegenkommen will. Dazu bieten schon heute die §§ 56 des Einkommensteuergesetzes und 108 der Reichsabgabenordnung eine ausreichende Handhabe.

Der fiskalische Ausfall bei Einfuhrung des Verlustvortrages ist wesentlich geringer als bei Einfuhrung der Durchschnittsbesteuerung. Die Progressions- abschwachung, die bei der Durchschnittsbesteuerung bei alien Einkommen liber 8000 RM. die Steuer wesentlich senkt, tritt grundsatzlich nicht ein; mit der ver- lustausgleichenden Wirkung in den Verlustfallen ist meist auch eine gewisse Pro- gressionsabschwachung verbunden. Vor allem werden auch die Ausfalle infolge

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Page 22: Denkschrift des Reichsfinanzministeriums vom 23. März 1929 über die Besteuerung nach dem dreijährigen Durchschnitt und die Abzugsfähigkeit des Verlustvortrags bei der Einkommensteuer

Denksehrift des deutschen Reichsfinanzministeriums. 223

Nachhinkens der Steuerzahlung hinter dem Einkommensbezug vermieden. Die Hohe der Ausfalle infolge des Verlustausgleichs hangt wesentlich von der Kon- junktur ab. In dem wirtschaftlich sehr giinstigen Jahr 1926 sind in 1172 von 12 273 gezahlten Fallen buchfuhrender Gewerbetreibender, d. h. also in 9,56 v. H. der Falle, Verluste festgestellt worden. In dem besseren Jahr 1927 dagegen nur in 762 Fallen von 13 085 buchfiihrenden Gewerbetreibenden, das sind also 5,80 v. H. der Falle (zu vgl. Anlage 9). Die Hohe des Ausfalls kann man wohl auf etwa 2 bis 2 y2 v. H. der Steuer der buchfiihrenden Gewerbetreibenden schatzen. In ahnlichen Grenzen halt sich auch die Ausfallschatzung der franzosischen Regie- rung bei Einfuhrung des Verlustvortrags im Haushaltsgesetz 1929; sie kommt auf einen Ausfall von hochstens 100 Millionen Franken = 16,5 Millionen RM. (zu vgl. S. 102). Rechnet man die Ausfalle bei den nichtbuchfiinrenden Gewerbe- treibenden, Landwirten und Hausbesitzern und gewisse Erstattungen wegen einer entgegenkommenden Behandlung der Lohnsteuerpflichtigen hinzu, so kann man die Ausfalle bei einer Einfuhrung des Verlustvortrages in Deutschland vielleicht auf 30 - 40 Millionen RM. schatzen. Jedenfalls sind die Ausfalle zweifellos wesent- lich geringer als beim dreijahrigen Durchschnitt mit Verlustabzug.

Zusammenfassende Stellnngnahme. Meine vorstehend im einzehien dargelegte Stellungnahme zu dem Problem

der Durchschnittsbesteuerung und des Verlustabzuges f asse ich wie f olgt zusammen. Soweit mit der Durchschnittsbesteuerung ein die Progression senkender Aus-

gleich erstrebt wird, halte ich eine Auseinanderziehung des Tarifs fur richtiger. Jedes der Systeme: - dreijahriger Durchschnitt mit oder ohne Verlustabzug sowie Verlustvortrag ohne Durchschnittsbesteuerung - miiBte zudem - und darauf lege ich aus steuerpolitischen Griinden besonderen Wert - so gestaltet werden, daB es fur alle Steuerpflichtigen in gleicher oder doch moglichst ent- sprechender Weise Anwendung fande. Diese Einfuhrung der Durchschnittsbesteue- rung wxirde bei den Kleinbetrieben in Landwirtschaft, Gewerbe und Hausbesitz und vor allem bei den Arbeitnehmern zu technischen Schwierigkeiten fuhren. Diese Schwierigkeiten wtirden in der gegenwartigen Zeit angesichts der schwanken- den Wirtschaftsverhaltnisse und insbesondere der ungiinstigen Lage der Land- wirtschaft in weitaus verstarktem MaBe auftreten. Fiskalisch verbietet augen- blicklich schon der Stand der Finanzen von Reich, Landern und Gemeinden die Einfuhrung des dreijahrigen Durchschnitts mit Verlustabzug. Der dreijahrige Durchschnitt ohne Verlustabzug ist fiskalisch zwar weniger gefahrlich, in steuer- politischer und steuertechnischer Beziehung bestehen gegen ihn aber die gleichen Bedenken wie gegen die Durchschnittsbesteuerung mit Verlustabzug. Auch gegen das System des Verlustvortrages sprechen gewisse Bedenken steuerpolitischer und steuertechnischer Art. Nicht nur seine unmittelbare Anwendung bei alien Pflich- tigen, sondern auch ein entsprechendes Entgegenkommen bei den Arbeitnehmern wiirde zwar technisch durchf uhrbar sein, aber doch zu einer gewissen Mehrbelastung fiir die Finanzverwaltung fuhren, die bei dem gegenwartigen Stande der Verwal- tung nicht zu gering angeschlagen werden darf. Der Ausfall beim Verlustvortrag ist zwar wesentlich geringer als beim dreijahrigen Durchschnitt mit Verlustabzug. Er bleibt aber mit etwa 30 - 40 Millionen RM. so beachtlich, daB die gespannte Finanzlage im gegenwartigen Augenblick seine Einfuhrung verbietet. Sobald es die Verhaltnisse gestatten, wird aber, wie das der Stellungnahme der Reichsregie- rung im Jahre 1925 (zu vgl. oben S. 206, 207) entspricht und wie das selbst in dem am wenigsten weitgehenden Gutachten 4 (S. 178 - 180 der Reichstagsdrucksache Nr. 940) empfohlen ist, die Einfuhrung des Verlustvortrages von neuem in Be- tracht gezogen werden mussen 1).

*) Dafi ihre Binfiihrung doch durch Gesetz vom 29. Juni 1929 erfolgte, ist oben S. 193 f. dar- getao.

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