+ All Categories
Home > Career > Cyclassics 2013 pdf

Cyclassics 2013 pdf

Date post: 20-Jan-2017
Category:
Upload: kristinajudith
View: 258 times
Download: 0 times
Share this document with a friend
3
VATTENFALL CYCLASSICS HAMBURG 2013 Upsolut/HOCH ZWEI
Transcript

VATTENFALL CYCLASSICS

HAMBURG 2013

Up

solu

t/H

OC

H Z

WE

I

10 Vattenfall Cyclassics Hamburg Vattenfall Cyclassics Hamburg 11

Was um alles in der

Welt mache ich

hier? Um mich her-

um sehe ich Tausende Men-

schen in diesen komischen

Radklamotten, die mit ihren

Schuhen klackend über den

Asphalt eiern. Zum Fahren ist

es ja auch viel zu voll. Und ich

mittendrin – in Radklamotten

und klackenden Schuhen.

Warum habe ich mich bloß

auf diese Schnapsidee meines

vom Rennrad besessenen

Mannes eingelassen?

Vor wenigen Wochen schlug

Felix mir den Rollentausch

vor: „Ich habe mir überlegt,

dass du doch einfach bei den

Cyclassics in Hamburg mit-

fahren kannst. Und ich hüte

die Kinder solange.“ Ein

Scherz, dachte ich. Und sagte

zu. War aber kein Scherz. Und

jetzt stehe ich hier. In den en-

gen Klamotten und mit einem

wahnsinnig hochwertigen

Rennrad fühle ich mich wie

die letzte Hochstaplerin. Muss

doch jeder merken, dass ich

keine Ahnung habe von die-

sen Dingern mit den viel zu

schmalen Reifen.

Dabei könnte es so schön

sein. Ich könnte ganz gemüt-

lich mit den Kindern in einem

netten Café sitzen und warten,

bis mein Mann ins Ziel

kommt. Stattdessen sind wir

auf dem Weg zu Startblock C.

Dem Frauenstartblock. Mei-

nem Startblock. Weit kann es

nicht mehr sein. Und so lang-

sam müsste ich auch mal

dringend für kleine Rennrad-

Anfängerinnen. Dumm nur,

dass vor den einzigen Dixi-

Klos in Sichtweite eine meter-

lange Schlange steht. Und uns

bleiben gerade noch 5 Minu-

ten, bis ich im Startblock sein

muss. Der Klogang hat sich da-

mit wohl erledigt. Mist.

Also schnell die Familie

verabschieden und

rein in den Startblock.

Meine beiden Mädels winken

und wirken leicht irritiert. Ich

wahrscheinlich auch. Im

Block sortiere ich mich ganz

rechts ein. War ein Tipp von

meinem Mann. So kann ich

mich an der Absperrung fest-

halten, falls das mit dem Ein-

klicken nicht so klappt. Habe

ich schließlich gestern Abend

zum ersten Mal probiert.

Langsam kommt Bewegung

in den vorderen Teil des Start-

blocks. Offenbar fahren die

ersten bereits los. Ich mustere

die um mich herumstehenden

Fahrer, um zu sehen, wie sie

sich verhalten. Vielleicht kann

ich mir ja noch etwas Nützli-

ches abgucken.

Dann setzen sich langsam

die Fahrer vier, drei, zwei Rei-

hen vor mir in Bewegung. Es

geht los! Das Einklicken

klappt erstaunlich gut, und

ich starte! Mein erstes Radren-

nen. Und eigentlich auch mein

erstes Mal auf einem Rennrad.

Die 1,5 Versuche zuvor zählen

nicht, finde ich. Der allererste

liegt schließlich schon be-

Aus dem Frauenstartblock ins kalte Wasser des

Hamburger Jedermann-Rennens.

ALS RADSPORT- NOVIZE BEI DEN CYCLASSICS

DAS ERSTE MAL

TEXT | KRISTINA JUDITH

Rund um Hamburg Mit einem 27er-

Schnitt ging es 55 km lang um die

Hansestadt. Gar nicht mal so

schlecht – für das erste Mal.Abschied vor dem Rollentausch: Während Mann sich um den Nachwuchs kümmert, schwingt sich Frau aufs Rennrad und erkundet die Straßen der Hansestadt. Fe

lix K

rako

w (

1), H

OC

H Z

WEI

/H

enn

ing

An

gere

r (1

), m

arat

ho

n-p

ho

tos.

com

(1)

12 Vattenfall Cyclassics Hamburg Vattenfall Cyclassics Hamburg 13

aus dem Leib gestrampelt,

jetzt komme ich endlich vor-

wärts. Sofort scheint die Son-

ne wieder heller. Zum ersten

Mal nehme ich etwas von mei-

ner Umgebung wahr: Wir fah-

ren an grünen Wiesen und Fel-

dern vorbei. Sieht gar nicht

aus wie Hamburg.

Nach etwa 20 Kilometern

merke ich, dass ich zu wenig

gefrühstückt und getrunken

habe. Beim Griff zur Flasche

fühle ich mich noch sehr

wacklig. Ich traue mich nicht

zu trinken, wenn ich überholt

werde – also fast ständig. Gut,

dass es eine Verpflegungssta-

tion gibt. „Da solltest du auf je-

den Fall anhalten“, hatte mir

mein Mann geraten. „Dann

musst du auch nichts zu essen

für unterwegs mitnehmen. Du

fährst ja nicht solange.“

Ich beginne die Kilometer

herunterzuzählen. Vor allem

müsste ich jetzt wirklich mal

aufs Klo. Noch 10 Kilometer

bis zur Station. Noch 8. 6. 5. 4.

Noch 200 Meter. 100. Oh. Da

war sie. Vorbeigefahren. 50

Meter weiter biege ich in die

Ausfahrt und frage den Stre-

ckenposten, ob ich da reinfah-

ren darf. Er schaut sich um

und meint dann: „Na gut,

rechts fahren und ganz vor-

sichtig. Ist ja grad nicht viel

los.“ Zum Glück! Sonst wäre

ich jetzt wohl zusammenge-

brochen.

Als ich die ersten Schrit-

te zu Fuß gehe, fühle

ich mich etwas zittrig.

Aber nach einer Stärkung aus

Banane, Energieriegel und viel

Wasser geht’s mir wieder rich-

tig gut. Vor allem habe ich

jetzt wahnsinnige Lust, wieder

aufs Rad zu steigen. Irgendwo

auf den letzten Kilometern hat

die Sache offensichtlich still

und heimlich angefangen, mir

Spaß zu machen.

Die nächsten Kilometer ver-

fliegen nur so. Was für ein

schöner Tag. Die Sonne

scheint, es ist warm und fast

windstill. Außerdem jubeln

uns immer wieder Zuschauer

vom Straßenrand aus zu. Dann

sehe ich das Schild: Start der

Bergwertung. Ach ja, da war ja

noch was. Erst finde ich es tat-

sächlich ziemlich anstrengend

und ich befürchte, dass mir

der Anstieg die letzten Kräfte

raubt. Aber nach einigen Me-

tern läuft’s gut und ich über-

hole sogar andere Fahrer, die

nörgeln und keuchen, als wür-

den sie durch die Alpen fah-

ren. Luschis. Leider gleichen

die das bei der Abfahrt direkt

wieder aus. Da nörgle ich.

Schließlich kenne ich die

Strecke nicht und überhaupt:

Das ist doch viel zu schnell!

Nach der Bergstrecke

wird es städtischer.

Plötzlich riecht es

stark nach Bier. Ich sehe mich

um: Wir fahren durch St. Pau-

li. Hatte ich doch irgendwo ge-

lesen, dass es über die Reeper-

bahn geht. Jetzt sehe ich auch

die einschlägigen Kneipen.

Aber dass man am Geruch er-

kennt, wo man sich befindet ...

Irgendwann steht „5 Kilome-

ter“ auf einem Schild. Wirk-

lich? Was dann? Ist das Ren-

nen dann schon zu Ende?

Habe ich es etwa wirklich ge-

schafft? Aber: Ist dann alles

vorbei? Jetzt könnte ich mir

gerade vorstellen, noch ein

bisschen weiter zu fahren.

75 Meter. 50. 25. Die Ziellinie!

I did it! Ich bin bei einem Rad-

rennen mitgefahren. Und ich

bin nicht als letzte Sportlerin

direkt vor dem Besenwagen

ins Ziel gekommen. Wahn-

sinn! Hinter der Linie nimmt

mich meine Familie in Emp-

fang. Die Kinder freuen sich,

als hätten sie mich ewig nicht

gesehen. Dann streiten sie sich

um die Finisher-Medaille. Ich

bin überglücklich, stolz auf

mich, habe einen Riesenhun-

ger – und würde mich am

liebsten noch vor dem Du-

schen für die Cyclassics 2014

anmelden. Aber dann für die

100 Kilometer. RB

stimmt 5 Jahre zurück und

war ein 10-Kilometer-Desaster,

das mich davon überzeugt hat,

dass das kein Sport für mich

ist. Beim zweiten Versuch vor

wenigen Wochen waren wir

mit Straßenschuhen und Kin-

dern im Gepäck unterwegs.

Die Durchschnittsgeschwin-

digkeit lag wahrscheinlich un-

ter 10 km/h. Aber immerhin

hatte die Tour zur Folge, dass

ich mir ein eigenes Rennrad

bestellt habe.

Eigentlich sollte ich jetzt

schon auf meinem eige-

nen Flitzer sitzen, der

verschläft die Veranstaltung

aber auf irgendeinem Contai-

nerschiff. Zur Entschädigung

gab es für mich ein Leihrad –

ein sündhaft teures, wie ich

erst später erfahre. Ob ich es

darauf 55 Kilometer lang

durchhalte, muss sich erst

noch zeigen, aber nach den

ersten Metern bin ich optimis-

tisch: „Das könnte doch ganz

nett werden.“

Langsam entzerrt sich das

Feld. Ein Fahrer nach dem an-

deren rast an mir vorbei. Sind

die schnell! Ich hatte ver-

drängt, dass das Ganze ein

Rennen ist – nicht einfach ei-

ne Ausfahrt. Da höre ich mei-

ne Tochter vom Straßenrand

rufen: „Mami! Schwung ho-

len!“ Ich winke und versuche,

schneller zu fahren, werde

aber trotzdem ständig über-

holt. Gut, das war am Anfang

ja zu erwarten. Nach einer

ganzen Weile schaue ich das

erste Mal auf den Tacho. 878

Meter. Bitte? Ich habe noch

nicht mal einen Kilometer ge-

schafft? Und ich habe davon

noch 54 vor mir? Oh je, wie

soll ich das bloß schaffen?

Die nächsten Kilometer

läuft es trotzdem ganz gut. Ich

schließe zu einer Frau auf, die

mich gleich anspricht: „Ja,

schön die Kräfte einteilen, ne?

Mache ich auch so.“ Äh, na ja.

Ich eigentlich nicht, aber das

muss ich ihr ja nicht auf die

Nase binden. Wir unterhalten

uns ein bisschen. Dann zieht

sie mir davon. Ich fahre doch

nicht langsamer als vorher?

Aber irgendwie überholen

mich immer mehr Fahrer. Ich

falle zurück, versuche es,

durch mehr Druck auf die Pe-

dale auszugleichen. Doch ich

komme kaum vom Fleck. Da-

bei fahre ich doch im höchs-

ten Gang? Ich strample inzwi-

schen wie wild und werde

doch nur überholt – während

alle anderen so geschmeidig

dahingleiten. So halte ich kei-

ne 5 Kilometer mehr durch.

Wer hatte bloß diese blöde

Idee? Ich glaube, ich lasse das

Rad gleich einfach stehen und

laufe zurück.

Deine Trittfrequenz ist

zu hoch“, ruft mir auch

noch einer zu. Danke,

das weiß ich auch. Aber wie

ändere ich das? Wo sind die

Safer Cycling Guides, von de-

nen ich gelesen habe? Die sol-

len doch schwächere Fahrer

motivieren und ihnen bei Pro-

blemen helfen. Weit und breit

nicht zu sehen. Ich teste noch

mal alles, was an Hebeln am

Rad ist. Und auf einmal kann

ich schalten. Hätte ich bei

meiner Mini-Einweisung am

Vortag vielleicht besser zuhö-

ren müssen? Ist aber mit

quengelnden Kindern auf dem

Arm nicht immer so leicht.

Egal, jetzt geht’s ja. 11,5 Kilome-

ter lang habe ich mir die Seele

SPIEGEL DER RADGESELLSCHAFTFrauen und Radsport – das ist auch in Hamburg kein ganz einfaches

Thema. Frank Bertling vom Veranstalter Upsolut im Interview.

F. Bertling, Geschäfts-

führer Upsolut

Wie hat sich die

Zahl der Cyclassics-

Starterinnen über

die vergangenen

Jahre entwickelt?

Wir liegen recht kon-

stant bei etwa 2300

Frauen, die Jahr für

Jahr bei den Vatten-

fall Cyclassics an den

Start gehen. Etwas

mehr als 10 Prozent

aller Teilnehmer sind

also weiblich.

10 Prozent, stellt

Sie das zufrieden?

Nein, absolut nicht.

Zumal wir ja in den

vergangenen Jahren

viele Anstrengungen

unternommen ha-

ben, um Frauen an-

zusprechen.

Was waren das

denn für Anstren-

gungen?

Wir haben zum Bei-

spiel spezielle Trai-

ningskurse angebo-

ten, etwa mit Hanka

Kupfernagel. Und wir

haben die Frauen-

startblöcke einge-

führt. Die werden

zwar auch gut ange-

nommen, aber eben

nur von Frauen, die

sonst wohl aus ei-

nem anderen Block

gestartet wären. Die

Gesamtzahl der Star-

terinnen steigt je-

denfalls nicht.

Wo vermuten Sie

die Ursachen für

das eher zurückhal-

tende Interesse?

Ich glaube, viele Frau-

en suchen einfach

diesen direkten

sportlichen Vergleich

nicht. Die brauchen

kein Ranking, son-

dern wollen einfach

nur gemeinsam

Rennrad fahren.

Und wenn man das

Ranking einfach

weglassen würde?

Dann kommen die

Männer nicht mehr

nach Hamburg. Wir

haben das mal abge-

fragt. 50 Prozent der

Teilnehmer haben die

Idee abgelehnt. Es ist

eben genau dieser di-

rekte Vergleich mitei-

nander, der die Cy-

classics zu einem we-

sentlichen Teil aus-

macht.

Also sehen Sie

kaum noch Chan-

cen, den Frauenan-

teil nennenswert zu

erhöhen?

Na ja, mit unseren

10 Prozent spiegeln

wir einfach ziemlich

genau die Verteilung

zwischen Frauen und

Männern im Renn-

radsport insgesamt

wider.

Und ein eigenes

Event nur für die

Frauen?

Das wäre interessant,

aber finanziell und

organisatorisch

kaum zu stemmen.

Wo, bitte, geht’s zum Start? Dank des aufmerksamen

Lageplan-Studiums war der Weg zum Frauenblock kein

Problem. Und auch das Ziel wurde erfolgreich gefunden.

Zum Lohn gab es die schicke Medaille, glückliche Kinder

und alkoholfreie Gerstenkaltschale.

Arbeitsgerät: Weil das erste eigene

Rennrad noch im Container schlum-

merte, ging es auf einem Leihrenner

ins Abenteuer Vattenfall Cyclassics.

Felix

Kra

kow

(3)

, HO

CH

ZW

EI /

Hen

nin

g A

nge

rer

(1),

Up

solu

t (1

)


Recommended