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Chemische Energetik - sellentin.homepage.t-online.desellentin.homepage.t-online.de/Energetik.pdf ·...

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Chemische Energetik 1
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Chemische Energetik

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Inhaltsverzeichnis

1 Wärme 3

2 Exotherme und endotherme Reaktionen 5

2.1 Reaktionswärme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52.2 Bestimmung der Reaktionswärme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

3 Reaktionsenthalpie 9

3.1 Schmelz- und Verdampfungsenthalpie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113.2 Satz von Hess — Gesetz der konstanten Wärmesummen . . . . . . . . . . . . . 123.3 Bildungsenthalpie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133.4 Berechnung von Reaktionsenthalpien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153.5 Verbrennungsenthalpie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173.6 Bindungsenthalpie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20

4 Entropie als Maß für die Wahrscheinlichkeit eines Zustandes 21

4.1 Entropieänderung am Beispiel der Knallgasreaktion . . . . . . . . . . . . . . . . 234.2 Warum gefriert Wasser zu Eis? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24

5 Freie Reaktionsenthalpie 26

6 Grenzen der energetischen Betrachtungsweise 29

A Thermodynamische Daten bei 25 °C 30

B Bindungsenergien 32

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1 Wärme

Lavoisier1 zeigte, dass die Verbrennung eine Aufnahme von Sauerstoff ist und keine Abgabe

von Phlogiston2. Die hervorragende Begleiterscheinung, nämlich die Entstehung von Wärme,interpretierte er aber völlig falsch: die Wärme sei eine unwägbare Flüssigkeit, die die Atome derSubstanzen umgibt und bei Reaktionen, die Wärme abgeben, von den Stoffen freigesetzt wird.1789 prägte Lavoisier dafür den Begriff Kaloricum, mit Licht als zweitem Element ersetztensie das antike Element Feuer.

Diese in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts allgemein akzeptierte Meinung ist nachzulesenin einem physicalischen Wörterbuch von 1798:

“Nachdem aber Wilke ... durch eine Reihe schöner Versuche gefunden hatte,daß beym Schmelzen des Schnees eine gewisse beständige Menge fühlbarer Wärmeverlohren gehe, ... und D. Black ... ebenfalls durch Versuche bewieß, daß sich beymGefrieren des Wassers diese verlohrne Wärme wieder einfinde, ... so entstandendurch diese wichtigen Entdeckungen die Begriffe von freyer und gebundner Wärme.Ihnen zufolge sieht man jetzt den Wärmestof als etwas an, das sich mit den Körpernnach seiner verschiedenen Verwandtschaft chymisch verbinden, und dadurch dieWirksamkeit, die es im freyen Zustande zeigt, verlieren kan, d. h. man betrachtetihn als ein Auflösungsmittel der Körper.

Dies hat sich nun ... so wohl bestätiget, daß wenige Physiker mehr das Daseyneines eignen Wärmestofs bezweifeln werden. ... Dennoch läßt er sich nicht dem Augedarstellen, in Gefäße einschließen, und unmittelbaren Versuchen unterwerfen. Wirmüssen daher seine Eigenschaften blos durch Schlüsse aus den Wirkungen seinerVerbindung mit andern Körpern, und seiner Trennung von selbigen erkennen.

Die freye Wärme, welche auf Gefühl und Thermometer wirkt, und daher auchfühlbare, empfindbare (chaleur sensible), Thermometerwärme genannt wird, breitetsich nach allen Seiten aus, durchdringt alle Körper und Gefäße, dehnt dieselben aus,macht feste Substanzen flüßig, verflüchtigt die Theile der Körper und verwandeltsie in elastische Materien. Hieraus läßt sich folgern, daß der Wärmestof in seinemfreyen Zustande ein äußerst feines elastisches Fluidum sey, und gegen alle Stoffe einestarke Verwandtschaft habe oder ein Bestreben äußere, sich mit ihnen zu vereinigen.

1Antoine Laurent de Lavoisier (1743 – 1794), französischer Chemiker, erkannte Wasser als Verbindung derElemente Wasserstoff und Sauerstoff, prägte den Oxidationsbegriff, formulierte das Gesetz der Massenerhal-tung.

2Phlogistontheorie: im 18. Jahrhundert glaubte man, alle brennbare Materie enthalte Phlogiston, eine Substanzmit keiner oder negativer Masse. Beim Verbrennen entweicht sie, deshalb werden die Reste leichter. BeimErwärmen dringt Phlogiston in den Stoff ein, deshalb dehnt er sich aus; Gas wird beim Zusammenpressenwärmer, weil das Phlogiston herausgedrückt wird. Nahmhafte Vertreter: Joseph Priestley und Georg ErnstStahl.

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1 Wärme

Dieser Wärmestof ist auf unserer Erde überall verbreitet. Da er alle Stoffe durch-dringt, ... ist es also unmöglich, eine absolute Kälte hervorzubringen, und jederKörper behält bey allen möglichen Verminderungen seiner Wärme immer nocheinen ihm eignen Wärmegehalt. Es kan hier nur vom Mehrern und Mindern dieRede seyn, von Zuständen, die unaufhörlich wechseln, da bey der großen Beweg-lichkeit des Wärmestofs, seinem steten Streben nach Mittheilung ... die Temperaturder Körper alle Augenblicke geändert wird.

Dennoch ist der Wärmestof eine irdische Materie. ... Mithin werden ihm wohlauch die Eigenschaften aller irdischen Stoffe, unter andern Schwere und Anziehung,zukommen.”nach [1]

Die Vorstellung eines Wärmestoffes wurde beim Ausbohren von bayrischen Kanonenläufen imJahre 1798 in München unter Aufsicht des Briten Benjamin Thompson – dem späteren GrafRumford – widerlegt: große Stahlbohrer wurden von Pferden über Holzgetriebe in den bron-zenen Kanonenrohlingen gedreht, die dabei entstehende Wärme musste mit Wasser abgeführtwerden. Und solange die Pferde sich bewegten, entstand diese Wärme ohne Ende! Die Metall-rohre schienen unendlich viel Wärmestoff zu enthalten, dabei sollte ein wie auch im gearteterStoff irgendwann zur Neige gehen. Thompson zog den richtigen Schluß:

“Es ist kaum nötig, hinzuzufügen, daß das, was einem isolierten Körper oderSystem von Körpern kontinuierlich und ohne Grenzen zugeführt werden kann, un-möglich eine materielle Substanz sein kann, und es erscheint äußerst schwierig,wenn nicht gar unmöglich zu sein, irgendwelche klaren Vorstellungen von Irgend-was zu entwickeln, das in der Lage ist, so angeregt und übertragen zu werden, wiedie Wärme bei diesen Experimenten angeregt und übertragen wurde, ausgenom-men es sei Bewegung”.Thompson nach [2], S.695.

Doch niemand hörte zu, auch James Joule wurde nicht gehört, als er experimentell dasmechanische Wärmeäquivalent durch Umrühren von Wasser bestimmte. Erst H. v.Helmholtz

überzeugte 1847 schließliche die Naturwissenschaftler mit seinem Prinzip von der Erhaltungder Energie und der Äquivalenz von Arbeit und Wärme.

Die heute übliche Darstellung dieses Sachverhaltes wurde von Rudolf Clausius 1850 formuliert:

Erster Hauptsatz der Thermodynamik:Bei jedem beliebigen Prozess kann Energie von einer Form in eine andere umgewandelt werden(Wärme und Arbeit eingeschlossen); aber niemals wird Energie geschaffen oder vernichtet.

Folgerichtig gibt es heute für Arbeit und Wärme nur eine Energieeinheit: das Joule.

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2 Exotherme und endotherme Reaktionen

2.1 Reaktionswärme

Jeder chemische Vorgang ist mit einem Energieumsatz verknüpft, der oft in Form von Wärmeauftritt und deshalb als Reaktionswärme ∆H1 bezeichnet wird. Bei exothermen Reaktionenist ∆H < 0, d.h. Wärme wird abgegeben, der Energieinhalt der Produkte U2 ist kleiner als derEnergieinhalt der Ausgangsstoffe U1. Bei endothermen Reaktionen ist ∆H > 0, Wärme wirdaufgenommen, der Energieinhalt der Produkte U2 ist höher als der Energieinhalt der EdukteU1.

∆U

Ener

gieU

Zeit t

U1

U2

exotherme Reaktion

∆U

Ener

gieU

Zeit t

U1

U2

endotherme Reaktion

Wichtig, damit das Vorzeichen stimmt: ∆U = U2 − U1

Dieser Energieinhalt der Stoffe, die innere Energie, setzt sich aus mehreren Teilen zusammen:

• thermische Energie der Teilchen: Bewegungs-, Schwingungs- und Rotationsenergie,

• Energie der chemischen Bindung: Gitterenergie, Bindungsenergie,

• Energie, die auf zwischenmolekulare Kräfte beruht,

• Energie der freien Elektronen,

• Energie der Atomkerne.

Bei chemischen Reaktionen werden Atome umgeordnet, also Bindungen gelöst und neu ge-knüpft. Die Energiebilanz einer chemischen Reaktion wird deshalb in erster Linie vom zweitenund dritten Punkt bestimmt.

1H vom englischen heat content: Wärmeinhalt; so habt ihr es in Klasse 9 gesagt bekommen. Wir werden ∆Hbald neu benennen.

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2 Exotherme und endotherme Reaktionen

2.2 Bestimmung der Reaktionswärme

Chemische Systeme

offenesSystem

Energie-austausch

Stoff-austausch

geschlossenesSystem

Energie-austausch

isoliertesSystem

Reaktionswärmen werden in Kalorimetern gemessen.

Die gesamte Reaktionswärme Q wird vom umgebenden System aufgenommen. Dieses bestehtaus dem Kalorimetergefäss, welches die Wärme QK aufnimmt, und dem Wasser, das die Wär-me QW aufnimmt.

QR = QW +QK (1)

Die aufgenommene Wärmemenge ist proportional der Temperaturerhöhung ∆ϑ und der Wär-mekapazität C. Diese ist spezifisch für einen Stoff und dessen Masse proportional:

Q = C ·∆ϑ

= c ·m ·∆ϑ (2)

Eingesetzt in (1) ergibt sich:

QR = cW ·mW ·∆ϑ+ CK ·∆ϑ

= (cW ·mW + CK) ·∆ϑ (3)

cW = 4, 1868 J · g−1 ·K−1 : spezifische Wärmekapazität des WassersmW : Masse des Wassers∆ϑ = ϑ2 − ϑ1 : Temperaturdifferenz zwischen Endtemperatur ϑ2 und Anfangstemperatur ϑ1

CK : Wärmekapazität des Kalorimeters,wird experimentell ermittelt

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2 Exotherme und endotherme Reaktionen

Bestimmung der Wärmekapazität eine Kalorimeters.

Theorie:

Man gieße 100 g Wasser von 60 ℃ in ein mit 100 g Wasser von 20 ℃ befülltes Kalorimeter. DieMischungstemperatur liegt unter 40 ℃, da das Kalorimeter einen Teil der Wärme aufnimmt.

Das warme Wasser gibt Wärme ab, Q2 ist negativ:

Q2 = cW ·m2 · (ϑmisch − ϑ2)

Das kältere Wasser und das Gefäß nehmen die Wärme auf:

Q1 = (cW ·m1 + CK) · (ϑmisch − ϑ1)

Energieerhaltung Q1 +Q2 = 0, nach CK aufgelöst:

CK = −cW ·m2 · (ϑmisch − ϑ2)

(ϑmisch − ϑ1)− cW ·m1 (4)

Experimentelle Ermittlung:

Spezifische Wärmekapazität von Wasser cW = 4, 19 J · g−1 ·K−1

V1 V2 V3 V4 V5

m1

ϑ1

m2

ϑ2

ϑmischCK

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2 Exotherme und endotherme Reaktionen

Experimentelle Bestimmung von Reaktionswärmen

V Reaktionswärme der Redoxreaktion Ag⊕/Cu bzw Cu2+/Zn

V Reaktionswärme der Neutralisationsreaktion HCl/NaOHZitt Sichtkalorimeter Z13

Gegeben:c(NaOH) = 1 mol/L; V(NaOH) = 0, 025 Lc(HCl) = 1 mol/L; V(HCl) = 0, 025 LcW = 4, 19 J · g−1 ·K−1

CK = 20 J ·K−1

∆ϑ = 6, 2 K

H⊕ + OH⊖ H2O

Berechnen der Reaktionswärme:

QUmg = (cW ·mW + CK) ·∆ϑ

= (4, 19J

g ·K· 50 g + 20

J

K) · 6, 2 K

= 1422, 9 J

QSys +QUmg = 0

QSys = −1, 423 kJ

Für Vergleichszwecke ist die molare Reaktionswärme interessanter, sie bezieht sich auf 1 Moldes Produktes. Dazu berechnet man zuerst die eingesetzte Stoffmenge:

Konzentration [mol/L] =Stoffmenge [mol]

Volumen der Lösung [L]

c =n

Vn = c · V

= 1 mol/L · 0, 025 L

= 0, 025 mol

Berechnen der molare Reaktionswärme Qn:

Qn =Qexp

nexp

=−1, 423 kJ

0, 025 mol

= −56, 92 kJ Literatur: − 56 kJ

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3 Reaktionsenthalpie

Reaktionen bei konstantem Volumen V haben den Vorteil, dass die umgesetzte Wärmemen-ge QV gleich der Änderung der inneren Energie des Systems ist:

∆U = QV

Die meisten Reaktionen aber finden bei Atmosphärendruck, also bei konstantem Druck p statt.Neben der Reaktionswärme Qp kann zusätzliche Volumenarbeit W verrichtet werden. DieÄnderung der inneren Energie ∆U ist demnach:

∆U = Qp +W (1)

Die Volumenarbeit ist das Produkt aus dem Druck p und der Volumenänderung ∆V . Volu-menarbeit wird geleistet, wenn eine Volumenzunahme stattfindet, ∆V also positiv ist. Da diesaber einer Energieabgabe entspricht, erhält die Volumenarbeit ein negatives Vorzeichen:

W = −p ·∆V

Eingesetzt in (1) ergibt sich:

∆U = Qp − p ·∆V (2)

Gemessen wird in einem Kalorimeter die Reaktionswärme Qp, durch Umformen von (2) ergibtsie sich zu:

Qp = ∆U + p ·∆V

Mit ∆U = U2 − U1 und ∆V = V2 − V1 folgt:

Qp = U2 − U1 + p(V2 − V1)

= (U2 + p · V2)− (U1 + p · V1) (3)

Die innere Energie U eines Systems und die Volumenarbeit, die das System an seiner Umgebungverrichtet, werden jetzt zu einem neuen Energieterm zusammengesetzt, der Enthalpie1 H:

H = U + p · V

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3 Reaktionsenthalpie

Eingesetzt in (3) folgt:

Qp = H2 −H1 = ∆H

Bei konstantem Druck entspricht die aufgenommene oder abgegebene Reaktionswärme Qpder Änderung der Enthalpie ∆H des Systems:

∆H = ∆U + p ·∆V

Volumenarbeit am Beispiel Nitroglycerin

4 C3H5N3O9(l) 12 CO2(g) + 10 H2O(g) + 6 N2(g) + O2(g)Nitroglycerin

Welche Volumenarbeit wird geleistet, wenn 1 mol Nitroglycerin in 10−5 s bei 3000 K explodiert?

Aus der Reaktionsgleichung erkennt man, daß aus 4 mol Nitroglycerin 29 mol Gas entstehen,aus 1 mol Nitroglycerin entstehen also 29/4 = 7, 25 mol Gas.

Nun berechnet man das Volumen dieser Gase: nach Avogadro besitzt bei Standardbedingun-gen (p=101,3 kPa und ϑ=25 °C) ein Mol eines x-beliebigen Gases ein Volumen von 24,5 Liter2.Die Detonationstemperatur beträgt aber 3000 K, das zugehörige Volumen liefert das Volu-men/Temperaturgesetz für ideale Gase:

ϑ1

ϑ0

=V1

V0

auflösen nach V1:

V1 =ϑ1

ϑ0

· V0

mit ϑ1 = 3000 K, ϑ0 = (273 + 25) K und V0 = 7, 25 · 24, 5 L ergibt sich V1 zu:

V1 =3000 K

298 K· 177, 625L

= 1788 L

Mit 1 Pa = 1 N m−2 und 1 N m = 1 J ergibt sich die geleistete Volumenarbeit zu:

p ·∆V = 101, 3 · 103 N

m2· 1, 788 m3

= 181, 1 kJ

1griechisch: en=darin, thalpos=Wärme2Man merke sich dieses Molvolumen!

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3 Reaktionsenthalpie

Wieviel Energie sind aber 181 kJ, ist das viel oder wenig? Angesichts der Wirkung von Nitrogly-cerin ist man geneigt, das als viel einzuschätzen. Vergleichen wir deshalb mit einer bekanntenEnergiemenge: wieviel Wärme ist nötig, um 1 L Wasser von 25 °C auf 100 °C zu erhitzen?

Q = C ·∆ϑ

= cW ·mW ·∆ϑ

= 4, 19J

g ·K· 1000 g · 75 K

= 314 kJ

Ergebnis: Mit der Volumenarbeit, die bei der Explosion von 1 mol Nitroglycerin geleistet wird,könnte man gerade mal etwas mehr als einen halben Liter Wasser bis zum Siedepukt erhitzen.Die Wirkung von Nitroglycerin muß also noch einen anderen Grund haben.

3.1 Schmelz- und Verdampfungsenthalpie

V Bestimmung der Schmelzenthalpie von Wasser

Zitt Sichtkalorimeter mit CK=20 J/K, Magnetrührer, Temperaturfühler

mK = 158, 3 g,mK+W = 201, 9 g,mK+W+E = 209, 6 g

4

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19

20

0 15 30 45 60 75 90 105 120 135 150 165 180

b b b

b

b

b

b

b

bb

b b b b

für A1 = A2 ist:∆ϑ = 19, 4 ℃− 6, 2 ℃ = 13, 2 ℃

t(s)

ϑ(℃)

A2

A1

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3 Reaktionsenthalpie

Das Wasser und das Kalorimeter geben Wärme ab:

Qab = (CK + cW ·mW) · (ϑmisch − ϑ1)

Diese Wärme nimmt das Eis beim Schmelzen und der weiteren Erwärmung auf:

Qauf = ∆SH + cW ·mE · (ϑmisch − ϑ2)

ϑ2 ist die Schmelztemperatur von Wasser, also 0 °C. Mit Qab +Qauf = 0 folgt für ∆SH:

∆SH = −(CK + cW ·mW) · (ϑmisch − ϑ1)− cW ·mE · ϑmisch

= 2475 J

Die molare Schmelzenthalpie beträgt dann:

∆SHm =M(H2O)

mE

·∆SH

= 5, 78 kJ/mol Literaturwert : 6 kJ/mol

Bei Aggregatszustandsänderungen wird zusätzliche Wärme verbraucht bzw. frei gesetzt. DieAggregatzustände sind deshalb in den Reaktionsgleichungen und den Tabellenwerten anzuge-ben.

Die Schmelz- und Verdampfungsenthalpien spiegeln die zwischenmolekularen Kräfte wider.

3.2 Satz von Hess — Gesetz der konstanten Wärmesummen

Experimentelle Schwierigkeiten erschweren gelegentlich die direkte Messung der Reaktions-enthalpie, aber oft führen besser messbare Umwege zum gewünschten Endzustand. Mit derAnalyse von Wärmentwicklungen bei chemischen Reaktionen beschäftigte sich in den 1830erJahren G. H. Heß

3 in St. Petersburg. 1840 formulierte er, “dass bei verschiedenartigen chemi-schen Umsätzen eines Stoffes A mit einem anderen Stoff B die ausgetauschten Wärmemengenjeweils konstant und unabhängig vom Wege seien, auf dem die entsprechenden Reaktionendurchgeführt wurden.”

Die Reaktionsenthalpie eines chemischen Vorganges hängt nicht vom Weg ab, sondern wirdnur durch den Ausgangs- und Endzustand des Systems bestimmt.

3Germain Henri Heß, geboren 1802 in Genf. Mit 3 Jahren zog er mit der Familie in die Nähe von Moskau.Studium in Dorpat/Estland, Zusammenarbeit mit Berzelius in Stockholm. Dann Chemiker an der St. Pe-tersburger Akademie der Wissenschaften (Leningrad), führte sehr viele Messungen von Reaktionsenthalpiendurch, veröffentlichte das Standardwerk “Grundlagen der reinen Chemie”. Verstorben 1850 in St. Petersburg.

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3 Reaktionsenthalpie

Ein bekanntes Beispiel für mögliche experimentelle Schwierigkeiten, eine Reaktionsenthalpie zubestimmen, ist die Herstellung von Kohlenmonoxid. Hierbei entsteht leider immer eine gewisseMenge an Kohlendioxid.

Bestimmen lassen sich aber die Reaktionsenthalpien für die Verbrennung von Graphit zu Koh-lendioxid und für die Verbrennung von Kohlenmonoxid zu Kohlendioxid:

C + O2 CO2 ∆rH0 = −394 kJ/mol

CO + 12O2 CO2 ∆rH

0 = −283 kJ/mol

Nach dem Satz von Hess entsteht bei der Verbrennung von 1 mol Kohlenstoff zu Kohlendioxidimmer gleich viel Wärme, egal ob auf direktem Weg oder über die Zwischenstufe Kohlenmon-oxid:

C CO2 ∆rH0II = −394 kJ/mol

C CO CO2 ∆rH0II = −394 kJ/mol

x kJ/mol ∆rH0I = −283 kJ/mol

Die Reaktionsenthalpie für die Verbrennung von Kohlenstoff zu Kohlenmonoxid ist also bere-chenbar:

∆rH0 = ∆rH

0II −∆rH

0I

= −394 kJ/mol − (−283 kJ/mol)

= −111 kJ/mol

Dies bietet einen weiteren, entscheidenden Vorteil: man braucht nicht alle möglichen Reak-tionen zu messen. Es reichen jene, aus denen sich durch geeignete Kombination alle anderenReaktionen ableiten lassen. Und dies sind die Reaktionen zur Bildung der Verbindungen ausden Elementen.

3.3 Bildungsenthalpie

Die Reaktionsenthalpie für die Bildung von Verbindungen aus den Elementen wird Bildungs-enthalpie genannt, bezogen auf ein mol Stoffmenge bei Standardbedingungen bezeichnet mansie als molare Standard-Bildungsenthalpie ∆fH0

m. Der Index f steht für formation, engl: Bil-dung und auf den Standardzustand bezogene Werte werden mit einer hochgestellten Null ge-kennzeichnet.

Da nun weniger die absoluten Enthalpiewerte benötigt werden, sondern unser Interesse denEnthalpiedifferenzen gilt, liegt es an uns, einen vernünftigen Nullpunkt zu wählen:

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3 Reaktionsenthalpie

Unter Standardbedingungen haben die Elementen in ihrer energieärmsten Form4 den Ent-halpiewert Null.

Damit sind auch die Bildungsenthalpien chemischer Verbindungen festgelegt, können tabelliertund verwendet werden.

Enthalpie

Elemente

Produkte

∆fH(Produkte)

Edukte

∆fH(Edukte)

∆rH

Enthalpie

C, 2 H2, 2 O2

CH4 + 2 O2

∆fH(CH4)

CO2 + 2 H2O

∆fH(CO2,H2O)

∆rH

a) endotherme Reaktion b) Verbrennung von Methan

Zusammenhang von Bildungsenthalpie und Reaktionsenthalpie

Für Verbindungen, die nicht aus den Elementen hergestellt werden können, hilft zur Ermittlungder Standard-Bildungsenthalpie der Satz von Hess weiter. So kann beispielsweise Methan nichtaus Graphit und Kohlenstoff hergestellt werden, folgende Gleichungen führen aber trotzdemzum Ziel:

Ausgangspunkt ist die Verbrennung von Methan, hierfür ist die molare Verbrennungsenthalpieexperimentell bestimmt worden:

CH4(g) + 2 O2(g) CO2(g) + 2 H2O(l) ∆H = −890, 4 kJ/mol (4)

Gesucht wird die Bildungsenthalpie von Methan:

CGraphit + 2 H2(g) CH4(g) ∆H =?

Bekannt sind die Bildungsenthalpien von CO2 und H2O:

CGraphit + O2(g) CO2(g) ∆H = −393, 5 kJ/mol (5)

2 H2(g) + O2(g) 2 H2O(l) ∆H = −571, 8 kJ/mol (6)

4Dies ist von Bedeutung für Elemente, die in mehreren Modifikationen vorkommen. Beispielsweise existiert derKohlenstoff als Graphit, Diamant oder Fullerit. Graphit ist die energieärmste Form.

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3 Reaktionsenthalpie

Und nun ein kleiner Kunsttrick: wir schreiben die Gleichung (4) umgekehrt, also von rechtsnach links. Dazu muss dann das Vorzeichen von ∆H ebenfalls umgekehrt werden:

CO2(g) + 2 H2O(l) CH4(g) + 2 O2(g) ∆H = +890, 4 kJ/mol (7)

Jetzt werden die Gleichungen (5), (6) und (7) addiert. Der Deutlichkeit wegen das ganze inaller Ausführlichkeit:

CGraphit +�

��O2(g) ����CO2(g) ∆H = −393, 5 kJ/mol

2 H2(g) +�

��O2(g) �����2 H2O(l) ∆H = −571, 8 kJ/mol

����CO2(g) +�����2 H2O(l) CH4(g) +����2 O2(g) ∆H = +890, 4 kJ/mol

CGraphit + 2 H2(g) CH4(g) ∆H = −74, 9 kJ/mol

3.4 Berechnung von Reaktionsenthalpien

∆rH0 =∑

(

nr(Produkte) ·∆H0f (Produkte)

)

−∑

(

nr(Edukte) ·∆H0f (Edukte)

)

Die Bildungsenthalpie von Glucose kann nicht direkt bestimmt werden, weil sich Glucosenicht aus den Elementen herstellen lässt. Daher ist ein Rückrechnen über die Verbrennungs-enthalpie nötig. ∆cH0(C6H12O6) = −2802 kJ/mol

C6H12O6(s) + 6 O2(g) 6 CO2(g) + 6 H2O(g)

∆rH0 =(

6 mol ·∆fH0(CO2) + 6 mol ·∆fH

0(H2O))

−(

1 mol ·∆fH0(C6H12O6) + 6 mol ·∆fH

0(O2))

Auflösen nach ∆fH0(C6H12O6) und mit ∆fH0(O2) = 0:

∆fH0(C6H12O6) =

(

6 mol ·∆fH0(CO2) + 6 mol ·∆fH0(H2O))

−∆rH0

1 mol

=6 mol · (−393, 5 kJ/mol) + 6 mol · (−241, 8 kJ/mol)− (−2802 kJ)

1 mol= − 1009, 8 kJ/mol

Bildungsenthalpie von Nitroglycerin Auch im Standardnachschlagewerk der Chemiker, demRömpp[3], ist die Standarbildungsenthalpie von Nitroglycerin nicht angegeben, dafür aber dieReaktionswärme mit 1485 kcal/kg. Es gilt also ∆fH0 zu berechnen:

4 C3H5(ONO2)3(l) 12 CO2(g) + 10 H2O(g) + 6 N2(g) + O2(g)

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3 Reaktionsenthalpie

Zuerst wird die nicht mehr zu verwendende Einheit Kalorie in Joule umgerechnet:

∆rHexp = 4, 184kJ

kcal· (−1485) kcal

= −6213 kJ

Dann wird die zur Reaktionsgleichung gehörige Reaktionsenthalpie berechnet:

∆rH0 = ∆rHexp ·

4 ·M(C3H5N3O9)

m(C3H5N3O9

= −6213 kJ ·4 · 227 g

1000 g

= −5641 kJ

Nun wird die Gleichung zur Berechnung der Reaktionsenthalpien nach der Bildungsenthalpievon Nitroglycerin aufgelöst:

∆rH0 = 12 mol ·∆fH

0(CO2) + 10 mol ·∆fH0(H2O)− 4 mol ·∆fH

0(C3H5N3O9)

∆fH0(C3H5N3O9) =

12 mol ·∆fH0(CO2) + 10 mol ·∆fH0(H2O)−∆rH0

4 mol

=−4716 kJ − 2420 kJ + 5641 kJ

4 mol= −374 kJ/mol

An dieser Stelle soll nochmal ein Vergleich von Energiebeträgen gemacht werden. Auf Seite 10haben wir die Volumenarbeit bei der Detonation eines Mols Nitroglycerin mit 181 kJ berechnet.Die Reaktionsenthalpie eines Mols Nitroglycerin beträgt:

∆nH0 =−5641 kJ

4 mol= −1410 kJ/mol

Der weitaus größte Teil der Reaktionenthalpie stammt also aus der Änderung der InnerenEnergie ∆U .

Reaktionsenthalpie der Knallgasreaktion. Und noch ein Vergleich! Nämlich mit der bei Schü-lern sehr beliebten Knallgasreaktion. Wir füllen in einen Luftballon 1,2 L Wasserstoff und0,6 L Sauerstoff, knoten ihn zu und halten eine Flamme daran — der Knall ist schon ganzordentlich! Aber wieviel Energie wird dabei frei?

H2(g) + 12O2(g) H2O(g)

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3 Reaktionsenthalpie

Diese Reaktion entspricht genau jener, für die die Standard-Bildungsenthalpie von Wasser de-finiert und tabelliert ist. Nehmen wir an, dass das Wasser gasförmig entsteht. Der Vorteil: wirkönnen dann mit dem Molvolumen anstatt mit den Massen rechnen. Der Reaktionsgleichungentnehmen wir, dass pro Mol gasförmigen Wasserstoffs auch ein Mol gasförmiges Wasser ent-steht — aus 1,2 L H2(g) entstehen also 1,2 L H2O(g). Die Reaktionsenthalpie berechnet sichdemnach so:

∆rH0 = ∆fH

0(H2O) ·Vexp

VMol

= −241, 8 kJ/mol ·1, 2 L

24, 5 L/mol

= −11, 8 kJ

Der Vergleich der beiden Reaktionsenthalpien dürfte deutlich machen, welchen Bumms 1 kgNitroglycerin hat.

3.5 Verbrennungsenthalpie

Die Verbrennungsenthalpie ist nichts anderes als eine gewöhnliche Reaktionsenthalpie, nur mitder Häufigkeit und der Bedeutung von Verbrennungen aller möglichen Stoffe ist diese extraBezeichnung zu erklären.

Die Heizwerte und Brennwerte verschiedener Brennstoffe werden dabei häufig auf die Massebzw. das Volumen anstatt auf das Mol bezogen, sie sind so für Nichtchemiker verständlicher.

Verbrennungsenthalpie von Methan

CH4(g) + 2 O2(g) CO2(g) + 2 H2O(g)

∆rH0 =(

1 mol ·∆fH0(CO2) + 2 mol ·∆fH

0(H2O))

−(

1 mol∆fH0(CH4) + 2 mol ·∆fH

0(O2))

=(

1 mol · (−393, 5 kJ/mol) + 2 mol · (−241, 8 kJ/mol))

−(

1 mol · (−74, 9 kJ/mol) + 2 mol · 0 kJ/mol)

= − 802, 2 kJ

17

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3 Reaktionsenthalpie

A1: Ein Mensch produziert durch seinen Stoffwechsel durchschnittlich 10 MJ Wärmemengepro Tag.

1. Unter der Annahme, dass der menschliche Körper ein von der Umgebung völlig isoliertesSystem mit einer Masse von 65 kg und der Wärmekapazität von Wasser sei, wie hochwäre dann der aus dem Stoffwechsel resultierende Temperaturanstieg?

2. In Wirklichkeit ist der menschliche Körper ein offenes System, dessen Wärmeaustauschmit der Umgebung hauptsächlich in Form von Verdampfung von Wasser funktioniert.Welche Masse Wasser muss der Mensch am Tag etwa ausschwitzen, um seine Temperaturkonstant zu halten?

A2: Welches ist die Reaktionsenthalpie bei Standardbedingungen der Reaktion

2 NH3(g) + 3 Cl2(g) N2(g) + 6 HCl(g) ?

A3: In einem Bombenkalorimeter mit einer Kalorimeterkonstante von 641 J/K wurde beiVerbrennung von 0.312 g Glucose ein Temperaturanstieg um 7.793 K gemessen. Berechne diemolare Innere Standardenergie der Verbrennung, die Standardverbrennungsenthalpie und dieStandardbildungsenthalpie des Zuckers. Standardbildungsenthalpie von gasförmigem Kohlen-dioxid: -393.5 kJ/mol, von flüssigem Wasser: -285.8 kJ/mol.

A4: Abitur 2005. Die bei der Synthese einer Verbindung aus den Elementen auftretende Reak-tionsenthalpie entspricht der Bildungsenthalpie dieser Verbindung. Sie ist jedoch häufig nichtauf direktem Weg bestimmbar.

Die molare Standardbildungsenthalpie ∆fH0 von Phenol (Hydroxybenzol)

soll experimentell bestimmt werden.

O H

Dazu wird ein Kalorimeter mit 920 g Wasser gefüllt. In diesem Kalorimeter werden 1,50 gPhenol vollständig verbrannt. Während des Versuchs wird fortlaufend die Wassertemperaturgemessen. Die Messergebnisse sind in folgender Tabelle dargestellt:

Zeit t (min) 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Temp. ϑ (℃) 18,9 18,9 18,9 19,6 21,5 24,5 27,2 29,4 30,4 30,3 30,2

Wärmekapazität des Kalorimeters: CK = 284, 24 J ·K−1

Spezifische Wärmekapazität von Wasser: cW = 4, 18 J · g−1 ·K−1

• Skizzieren und beschriften Sie eine geeignete Versuchsanordnung.

• Formulieren Sie die Reaktionsgleichung für die vollständige Verbrennung von Phenol.

• Zeichnen Sie ein Diagramm, das die Temperatur in Abhängigkeit von der Zeit in einemgeeigneten Maßstab darstellt.Bestimmen Sie daraus die die Änderung der Wassertemperatur.

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3 Reaktionsenthalpie

• Berechnen Sie die molare Standardverbrennungsenthalpie ∆cH0 von Phenol aus diesem

Versuchsergebnis.

• Ermitteln Sie die molare Standardbildungsenthalpie ∆fH0 von Phenol aus der berech-

neten molaren Standardverbrennungsenthalpie ∆cH0 und den in der Tabelle gegebenen

Werten.

H2O (l) CO2 (g)

∆fH0 (kJ ·mol−1) -286 -393

A5: Die Werte von ∆U bei der Verbrennung von Glucose C6H12O6 und Stearinsäure C18H36O2

betragen -2888 kJ/mol bzw. -11360 kJ/mol bei 310 K.

1. Berechne ∆H für beide Prozesse. Diskutiere in dieser Hinsicht die relative Effizienz vonGlycogen (Polymer aus Glucose) und Fettsäuren als Energiereserven im Organismus.

2. Beim Aufwachen aus dem Winterschlaf muss ein Hamster seine Körpertemperatur um30 K erhöhen. Angenommen, die zum Aufwachen nötige Wärmeenergie stammt aus derVerbrennung von Fettsäuren (Stearinsäure). Berechne die Menge an Fettsäuren, die oxi-diert werden muss, um 100 g Hamster aus dem Winterschlaf zu wecken.

Benutze die Daten aus Aufgabe 1 für die Verbrennung von Stearinsäure und nimm an,dass die spezifische Wärme von Hamstergewebe 3,3 J/K·g beträgt.

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3 Reaktionsenthalpie

3.6 Bindungsenthalpie

Berechne die Verbrennungsenthalpie von Glucose über die Bindungsenthalpien.

O

OH

HH

OH

OH

H

H

OH

CH2OH

H

+ 6 O O 6 CO O + 6 OH H

Glucose in der Ringstruktur hat: 7 C-H-Bindungen, 7 C-O-Bindungen, 5 O-H-Bindungen, 5C-C-Bindungen, und reagiert zu 6 Kohlenstoffdioxid- mit 12 C=O-Bindungen6 und 6 Wasser-molekülen mit 12 O-H-Bindungen:

∆cH0m(Glucose) = Σ

(

7 ·∆bH(C−H), 7 ·∆bH(C− 0), 5 ·∆bH(O−H), 5 ·∆bH(C− C), 6 ·∆bH(O = O))

− Σ(12 ·∆bHC = O, 12 ·∆bHO−H)

= 7 · 414 kJ/mol + 7 · 358 kJ/mol + 5 · 464 kJ/mol + 5 · 348 kJ/mol + 6 · 498 kJ/mol

− (12 · 803 kJ/mol + 12 · 464 kJ/mol)

= − 2752 kJ/mol

6Nach Klett: Elemente II in CO2: 803 kJ/mol

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4 Entropie als Maß für die Wahrscheinlichkeit

eines Zustandes

V Löse diese Salze in Wasser und beobachte die Temperaturänderung:

• Kaliumchlorid.

• Ammoniumnitrat.

V Gebe in ein Reagenzglas je 2 cm hoch, mische und beobachte die Temperaturänderung:

• Bariumhydroxid-Octahydrat Ba(OH)2·8 H2O und Ammoniumthiocyanat NH4SCN.

• Natriumcarbonat-Decahydrat Na2CO3·10 H2O und Citronensäure (3-Carboxy-3-hydroxy-pentandisäure).

Das Prinzip von Thomson1 und Berthelot2 von 1880 — vereinfacht ausgedrückt: Reaktionenlaufen dann freiwillig3 ab, wenn sie exotherm sind — kann also nicht stimmen.

Reaktionsgleichungen:

Ba(OH)2·8 H2O(s) + 2 NH4SCN(s) Ba2+(aq) + 2 SCN−(aq) + 2 NH3 + 10 H2O ∆H > 0

3 Na2CO3·10 H2O(s) + 2 H3Zit(s) 3 CO2 + 33 H2O + 6 Na+(aq) + 2 Zit3−(aq) ∆H > 0

Auf der linken Seite stehen nur wenige, im Kristallgitter geordnete Teilchen: 2 bei der erstenReaktion bzw. 5 bei der zweiten. Auf der rechten Seite stehen hingegen wesentlich mehr, inder Flüssigkeit bzw. sogar im Gaszustand sich chaotisch bewegende Teilchen: 13 im ersten,44 im zweiten Fall. Wer nun an sein Zimmer und dessen Zustand denkt, der erkennt denGrund für diese scheinbar überraschende Freiwilligkeit obiger Reaktionen: die Natur strebtnach Unordnung!

Die Unordnung eines chemischen Systems wird mit der Entropie angegeben.

2. Hauptsatz der Thermodynamik:Bei einer spontanen Zustandsänderung vergrößert sich die Entropie.

1William Thomson, der spätere Lord Kelvin2Marcellin Bethelot, neben Wöhler der Begründer der organischen Synthese anhand der Ameisensäure.3Der Chemiker sagt dazu spontan, und meint damit, dass die Reaktion ablaufen kann. Er sagt aber nichts

darüber aus, wann sie abläuft.

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4 Entropie als Maß für die Wahrscheinlichkeit eines Zustandes

W

bcbc

bc bc

1

bc bc

bc bc

bc bc

bc bc

bc

bcbc

bc

bc

bcbc

bc

4

bcbc

bc bc

bc

bc

bc

bc

bc bc

bcbc

bc

bc

bc

bc

bc

bc

bc

bc

bc

bc

bc

bc

6

bcbc

bc bc

bcbc

bc bc

bc

bcbc

bc

bc

bcbc

bc

4

bcbc

bc bc

1

Die Wahrscheinlichkeit eines Makrozustandes nimmt mit der Anzahl an Realisierungsmöglich-keiten zu. In unserem Beispiel hat der Makrozustand mit jeweils zwei Kugeln pro Hälfte sechsund damit die meisten Möglichkeiten zu entstehen, dieser ist der wahrscheinlichste und auchder ungeordnetste.

Häufig kommen Einwände, dass der Zustand 3:1 aber doch mehr, nämlich 2 · 4 = 8 Reali-sierungsmöglichkeiten habe und daher wahrscheinlicher sei. Der Denkfehler ist hier, dass diezwei verschiedenen Zustände 3:1 und 1:3 als gleich angesehen werden. Dem ist aber ganz undgar nicht so! Man stelle sich zwei Personen – nennen wir sie Karl und Otto – vor, die Kartenspielen. Wie beim Grand im Skat seien die vier Asse4 die einzigen Trümpfe. Die beiden werdensich vehement wehren, wenn nun jemand zu ihnen sagt: “Es ist egal, ob Otto drei Asse undKarl nur eines, oder ob Karl drei Asse und Otto nur eines hat. Das ist der gleiche Zustand!”Weder für Karl noch für Otto ist es egal, ob sie mit einem Ass verlieren oder mit drei Assengewinnen. Und die Behauptung, Gewinnen oder Verlieren sei der gleiche Zustand, lässt sie sehram Verstand dieses Jemanden zweifeln.

L. Boltzmann formulierte 1877 den Zusammenhang von Entropie S und Wahrscheinlich-keit W :

S = k · lnW

mit der Boltzmann-Konstanten k = 1, 38 · 10−23 J/K.

Der Makrozustand mit allen vier Kugeln in einer Hälfte ist nur denkbar, wenn diese völligruhig liegen und keine Energie austauschen. Nach der Boltzmann-Formel erhält man für diesenZustand die Entropie S = k · lnW = k · ln 1 = k ·0 = 0. In die Wirklichkeit übertragen bedeutetdas:

4Selbstverständlich sind beim Grand nicht die Asse, sondern die Buben die Trümpfe. Aber das wissen nurSkatspieler, Asse hingegen kennt jeder.

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4 Entropie als Maß für die Wahrscheinlichkeit eines Zustandes

3. Hauptsatz der Thermodynamik:Am Nullpunkt T = 0K ist die Entropie eines ideal kristallisierten Reinstoffes null.

Auf dieser Grundlage können die absoluten Standard-Entropien S0 berechnet und, meist ge-meinsam mit den Standard-Bildungsenthalpien, tabelliert werden. Achtung: die Standard-Entropien der Elemente sind im Gegensatz zu den Standard-Enthalpien nicht gleich Null!

Aber analolg zu den Standard-Reaktionsenthalpien ∆rH0 können nun die Standard-Reaktions-entropien ∆rS0 berechnet werden:

∆rS0 =∑

(

nr(Produkte) · S0(Produkte))

−∑

(

nr(Edukte) · S0(Edukte))

4.1 Entropieänderung am Beispiel der Knallgasreaktion

2 H2(g) + O2(g) 2 H2O(g) ∆H = −484 kJ

∆rS0 = 2 mol · S0(H2O)−

(

2 mol · S0(H2) + 1 mol · S0(O2))

= 2 mol · 188, 7 J/(mol K)− (2 mol · 131 J/(mol K) + 1 mol · 205 J/(mol K))

= −89 J/K

Die Knallgasreaktion ist nun ganz bestimmt eine spontane Reaktion, trotzdem erhalten wireine negative Entropieänderung? Nach dem 2. Hauptsatz sollte das anders sein!

Um diesen scheinbaren Widerspruch zu lösen, ist zwischen der Änderung der Gesamt-, derSystem- und der Umgebungsentropie zu unterscheiden, denn der 2. Hauptsatz bezieht sich aufdie Zunahme der Gesamtentropie:

∆Sgesamt = ∆SSystem + ∆SUmgebung > 0

Für die Knallgasreaktion haben wir bisher nur die Änderung der Systementropie berechnetund noch nicht die Änderung der Umgebungsentropie. Wie macht man das?

Mit zunehmender Temperatur erhöht sich die Entropie. Da die Zufuhr einer bestimmten Wär-memenge bei niedrigen Temperaturen eine höhere Entropieänderung bewirkt als bei hohenTemperaturen, folgt:

∆S =Q

T

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4 Entropie als Maß für die Wahrscheinlichkeit eines Zustandes

Wird der Umgebung die Wärmemenge Q zugeführt, dann vergrößert sich deren Entropie. Dieseaufgenommene Wärmemenge Q entspricht aber der abgegebenen Reaktionsenthalpie ∆rH, d.h.Q = −∆rH:

∆SUmgebung =−∆rH0

T

=484 kJ

298 K= 1624 J/K

Damit ergibt sich ∆S0gesamt zu:

∆S0gesamt = −89 J/K + 1624 J/K

= 1535 J/K

Jetzt stimmt das Ergebnis mit unseren bisherigen Ausführungen überein.

Die Reaktions-Enthalpie trägt über die Änderung der Umgebungsentropie zur gesamtenEntropieänderung ∆Sgesamt bei.

4.2 Warum gefriert Wasser zu Eis?

Warum gefriert eine Substanz bei Temperaturen unterhalb ihres Gefrierpunktes? Die Ordnungnimmt dabei doch zu, die Entropie also ab? Wieder liegt die Antwort in der Betrachtung derÄnderung der Gesamtentropie.

Wasser setzt beim Gefrieren die Schmelzenthalpie ∆SH = 6 kJ/mol frei. Diese wird von derUmgebung aufgenommen und erhöht deren Entropie. Bei 0 °C gilt also:

∆SUmg =−∆rH

T∆SSys =

∆rH

T

=6 kJ

273 K=−6 kJ

273 K= +21, 98 J/K = −21, 98 J/K ∆Sges = 0 J/K

Bei +1 °C würde gefrierendes Wasser auch nur die Schmelzenthalpie an die Umgebung abgeben.Um selber aber überhaupt gefrieren zu können, müsste erstmal die eigene Entropie, die diesererhöhten Temperatur entspricht, erniedrigt werden. Es gilt also:

∆SUmg =−∆rH

T∆SSys =

∆rH − cW ·mW ·∆ϑ

T

=6 kJ

274 K=−6 kJ− 4, 18 J/(g K) · 18 g · 1 K

274 K= +21, 90 J/K = −22, 17 J/K ∆Sges = −0, 27 J/K

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4 Entropie als Maß für die Wahrscheinlichkeit eines Zustandes

Bei -1 °C ist hingegen schon ein Teil der nötigen Entropieänderung erbracht und muss nichtmehr von der Schmelzenthalpie geleistet werden.

∆SUmg =−∆rH

T∆SSys =

∆rH − cW ·mW ·∆ϑ

T

=6 kJ

272 K=−6 kJ− 4, 18 J/(g K) · 18 g · (−1 K)

272 K= +22, 05 J/K = −21, 78 J/K ∆Sges = +0, 27 J/K

Ergebnis: unter 0 °C wird die Änderung der Gesamtentropie für den Phasenwechsel Wasser→Eispositiv, der Vorgang des Gefrierens läuft also spontan ab. Oberhalb von 0 °C wird Eis schmel-zen, für diesen gegenteiligen Vorgang sind in der Rechnung die Vorzeichen umzukehren.

Richtung des Reaktionsablaufs aus Enthalpie- und Entropieänderung

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5 Freie Reaktionsenthalpie

Nach dem 2. Hauptsatz der Thermodynamik sind Reaktion dann spontan, wenn die Gesam-tentropie zunimmt.

∆Sges = ∆SSys + ∆SUmg > 0 (1)

Für die Änderung der Umgebungsentropie bei Zufuhr einer bestimmten Wärmemenge Q gilt:

∆SUmg =Q

T(2)

Diese Wärmemenge Q entspricht der Reaktionsenthalpie, allerdings mit entgegengesetztemVorzeichen:

Q = −∆rHSystem (3)

Mit (2) und (3) eingesetzt in (1) folgt:

∆Sges = ∆SSys +Q

T

= ∆SSys −∆rHSystem

T| ·(−T ) (4)

Hier könnte man bereits zufrieden sein, denn jetzt ist die Änderung der Gesamtentropie nur ausSystemgrößen berechenbar! Allerdings ist die Formel unschön — das mit- und gegeneinandervon Enthalpie und Entropie wird nicht so recht ersichtlich. Außerdem steht die Temperaturbei der Enthalpie und nicht wie gewohnt bei der Entropie. Multiplizieren wir aber (4) mit −T ,dann erhalten wir das gewünschte:

−T ·∆Sges = ∆rHSys − T ·∆SSys

Wenn nun für eine spontane Reaktion ∆Sges > 0 sein muss, dann wird −T ·∆Sges < 0, damithaben wir wieder die bekannten Verhältnisse der Enthalpie. Vereinfachen wir noch weiter: derAusdruck −T ·∆Sges bekommt einen neuen Buchstaben ∆G und eine neue Bezeichnung FreieEnthalpie, denn damit gewinnen wir die Eleganz der Gibbs-Helmholtz-Gleichung:

∆G = ∆H − T ·∆S

Exergonische und endergonische Reaktionen

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5 Freie Reaktionsenthalpie

A6: Berechne die Gibb’sche freie Enthalpie der Reaktion

C6H12O6 + 6 O2 6 CO2 + 6 H2O

∆fG0(Glucose(aq)): -917,2 kJ/mol. Beurteile, ob die Reaktion spontan abläuft oder nicht!(Rechenweg mit Einheiten!)

A7: Methanol lässt sich in der Technik über eine katalysierte Reaktion aus Kohlenstoffmo-nooxid und Wasserstoff bei höherer Temperatur und unter Druck herstellen.

a) Formuliere für diese Synthese eine Reaktionsgleichung.b) Berechne die molaren freien Reaktionsenthalpien ∆rG für diese Reaktion bei ϑ1 = 75 ℃

und bei ϑ2 = 400 ℃ unter Verwendung der Tabelle A.c) Gib den Temperaturbereich an, in dem die Reaktion exergonisch verläuft.

A8: Die Gewinnung von Wasserstoff mit Hilfe der Sonnenenergie ist seit langem Gegenstandvieler Forschungsprojekte. Ziel ist es, den so gewonnenen Solar-Wasserstoff als umweltfreund-lichen Energieträger zu nutzen.

Im ersten Schritt wird Schwefelsäure unter Einsatz von Sonnenenergie bei ϑ = 800 ℃ zersetzt.Dabei entsteht Schwefeldioxid, Wasser und Sauerstoff (Reaktion A). Schwefeldioxid reagiertanschließend mit Iod und Wasser zu Iodwasserstoff und Schwefelsäure (Reaktion B). Der Zerfalldes Iodwasserstoffs in die Elemente liefert dann den Wasserstoff (Reaktion C).

a) Formuliere für die Reaktionen A, B und C jeweils eine Reaktionsgleichung und fasse diesezu einer Gesamtgleichung zusammen.

b) Zeige unter Verwendung der Tabelle A, dass Reaktion A bei 800 °C exergonisch verläuft.

A9: Salpetersäure wird auch heute noch nach einem im Jahre 1906 von W. Ostwald entwickel-ten großtechnischen Verfahren hergestellt, das sich im Wesentlichen in drei Schritte gliedert.

In einem ersten Schritt (A) wird Ammoniak mit Luftsauerstoff bei 700 °C am Katalysatorzu Stickstoffmonooxid und Wasser verbrannt. Stickstoffmonooxid reagiert mit überschüssigemSauerstoff nach Abkühlung auf 200 °C sofort weiter zu Stickstoffdioxid (B). Stickstoffdioxidgasreagiert mit weiterem Sauerstoff und Wasser schließlich zur Salpetersäure (C).

Bei der Ammoniakverbrennung kann in einer unerwünschten Nebenreaktion (D) Stickstoffanstelle von Stickstoffmonooxid entstehen.

a) Formuliere für die Verfahrensschritte (A) bis (C) sowie für die Nebenreaktion (D) jeweilseine Reaktionsgleichung unter Angabe der Oxidationszahlen.

b) Berechne die Reaktionsenthalpien der miteinander konkurrierenden Reaktionen (A) und(D) mit Hilfe der Tabelle A.

c) Berechne für die Reaktion (b) die Temperatur, auf die mindestens abgekühlt werdenmuss, um einen exergonischen Reaktionsverlauf zu erhalten.

d) Eine mittelgroße Anlage produziert pro Tag 500 t reine Salpetersäure. Berechne für Stan-dardbedingungen das für eine Tagesproduktion Salpetersäure benötigte Ammoniakvolu-men.

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5 Freie Reaktionsenthalpie

A10: Berechne die Reaktionsenthalpie unter Standardbedingungen und die freie Reaktions-enthalpie für das Brennen von Kalk. Welche Temperatur muss im Ofen mindestens erreichtwerden, damit die Reaktion freiwillig verläuft?

A11: Für die technische Verarbeitung von Lithium ist es wichtig zu wissen, ob dabei Stickstoffals Schutzgas eingesetzt werden kann.

a) Formuliere die Reaktionsgleichung für die Reaktion von Lithium mit Stickstoff zu Lithi-umnitrid Li3N.

b) Prüfe mit den Tabellenwerten, ob dieser Vorgang bei Standardbedingungen exergonischverläuft.

c) Gib eine Erklärung für die Änderung der Entropie bei dieser Reaktion.

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6 Grenzen der energetischen

Betrachtungsweise

Metastabiler Zustand

Unvollständig ablaufende Reaktionen

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A Thermodynamische Daten bei 25 °C

A Thermodynamische Daten bei 25 °C

Substanz ∆fH0 S0 ∆fG0

/kJ mol−1 /J mol−1 K−1 /kJ mol−1

C(Diamant) +1,88 2,43 2,9

C(Graphit) 0,0 5,69 0,0

CH4(g) -74,85 186,2 -59,8

C2H2(g) +226,7 200,8 209,2

C2H4(g) +52,3 219,5 69,1

C2H6(g) -84,68 229,5 -32,9

CH3OH(g) -201,2 237,7 -161,9

CH3OH(l) -238,6 126,8 -166,2

C2H5OH(l) -277,63 160,7 -174,8

CH3COOH(l) -487,9 159,8 -392,5

CH3COOC2H5(l) -479,0 259,5

CO(g) -110,5 197,9 -137,3

CO2(g) -393,5 213,6 -394,4

CaCO3(s) -1206,9 92,9 -1128,8

CaO(s) -635,5 39,8 -604,2

Fe(s) 0,0 27,3 0,0

FeS(s) -101,7 60,3

H2 0,0 130,6 0,0

HCl(g) -92,3 186,7 -95,3

H2O(g) -241,8 188,7 -228,6

H2O(l) -285,9 69,96 -237,2

H2SO4(l) -811,32 156,9 -687,5

Li(s) 0,0 28,0 0,0

Li3N(s) -197, 38,

N2(g) 0,0 191,5 0,0

NH3(g) -46,19 192,5 -16,7

NO(g) +90,36 210,6 +86,7

NO2(g) +33,8 240,5 +51,8

N2O(g) +81,55 220,0 +103,6

O2(g) 0,0 205,03 0,0

SO2(g) -296,9 248,5 -300,431

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B Bindungsenergien

B Bindungsenergien

Bindung Bindungsenergie

/(kJ·mol−1)

Br Br 193

C C 347

C C 619

C C 812

C Br 285

C Cl 339

C F 485

C H 414

C N 293

C N 616

C N 879

C O 335

C O 707

Cl Cl 243

F F 155

H Br 364

H Cl 431

H F 565

H H 435

H I 297

I I 151

N Cl 201

N H 389

N N 159

N N 418

N N 941

O Cl 205

O F 184

O H 463

O O 138

O O 494

P Cl 326

P H 318

S Cl 276

S H 339

S S 21333

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Literaturverzeichnis

[1] Gehler, J.S.T.: Physicalisches Wörterbuch 1798 http://141.14.236.86/cgi-bin/archim/dict/hw?lemma=Wär

[2] Dickerson, Gray, Haight: Prinzipien der Chemie. 1. Aufl. Berlin, New York: de Gruyter,1978

[3] RÖMPP Lexikon Chemie

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