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Campus Delicti #314

Date post: 14-Jun-2015
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DIE WOCHENZEITUNG FÜR DIE HEINRICH HEINE UNIVERSITÄT DÜSSELDORF AUSGABE NR. 314Campus DelictiINHALT SEITE 2 Hörsaal 3D nach einer Woche mit Polizei geräumt! SEITE 5 Bildungsstreik - Kurzübersicht SEITE 7 Bildungsstreik - und jetzt? SEITE 9 Dunkle Wolken über Hamstan SEITE12 Raketen auf die Schweiz SEITE 14 7. Veranstaltung Heinrich Heine Heute: Thorsten Palzhoff liest Tasmon SEITE 17 Kultur in NRW: Von Jesus bis David Lynch – Von Afrika bis Kanada SEITE 19 Dinge, die die Welt bew
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Campus Delicti DIE WOCHENZEITUNG FÜR DIE HEINRICH HEINE UNIVERSITÄT DÜSSELDORF AUSGABE NR. 314 INHALT SEITE 2 Hörsaal 3D nach einer Woche mit Polizei geräumt! SEITE 5 Bildungsstreik - Kurz- übersicht SEITE 7 Bildungsstreik - und jetzt? SEITE 9 Dunkle Wolken über Hamstan SEITE12 Raketen auf die Schweiz SEITE 14 7. Veranstaltung Heinrich Heine Heute: Thorsten Palzhoff liest Tasmon SEITE 17 Kultur in NRW: Von Jesus bis David Lynch – Von Afrika bis Kanada SEITE 19 Dinge, die die Welt bewegen Information durch das Netz? SEITE 20 Leserbriefe SEITE 23 Veranstaltungskalender / Im- pressum Bildungsstreik zum Letzten
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Page 1: Campus Delicti #314

CAMPUS DELICTI 1

Campus DelictiDIE WOCHENZEITUNG FÜR DIE HEINRICH HEINE UNIVERSITÄT DÜSSELDORF AUSGABE NR. 314

INHALT

SEITE 2Hörsaal 3D nach einer Woche mit Polizei geräumt!

SEITE 5Bildungsstreik - Kurz-übersicht

SEITE 7Bildungsstreik - und jetzt?

SEITE 9Dunkle Wolken über Hamstan

SEITE12Raketen auf die Schweiz

SEITE 147. Veranstaltung Heinrich Heine Heute: Thorsten Palzhoff liest Tasmon

SEITE 17Kultur in NRW:Von Jesus bis David Lynch –Von Afrika bis Kanada

SEITE 19Dinge, die die Welt bewegenInformation durch das Netz?

SEITE 20Leserbriefe

SEITE 23Veranstaltungskalender / Im-pressum

Bildungsstreik zum Letzten

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DIE WOCHENZEITUNG FÜR DIE HEINRICH HEINE UNIVERSITÄT DÜSSELDORF AUSGABE NR. 314

Viel Mühe hatten sich die Besetzer am Mitt-woch in der letzten Woche gegeben, den Bo-den des besetzten Hörsaals 3D mit Luftbal-lons zu bedecken, um Rektor Piper und die für die Räumung angekündigten Polizeibe-amten mit einem kleinen „Überraschungsge-schenk“ zu begrüßen.

Foto: Herbert Schedlbauer

Montag vor einer Woche hatte Rektor Piper während einer Dis-kussion mit den Besetzern ange-droht, den besetzten Hörsaal 3D räumen zu lassen, wenn nötig sogar unter Polizeieinsatz (Cam-pus Delicti berichtete). Schließ-lich, so Piper, könne man es nicht mehr dulden, dass weitere Veran-staltungen durch die Besetzung ausfielen. Problematisch bei sei-ner Argumentation: Es fiel keine Veranstaltung aus, alle Vorlesun-gen wurden rechtzeitig in andere Hörsäle verlegt. Nun sollte an besagtem Mittwoch ab 8:15 Uhr wieder rechtzeitig der Lehrbe-trieb in 3D aufgenommen wer-den, wofür die Polizei sorgen soll-

te. Die Besetzer hatten schon in der Nacht kein Auge zugetan und warteten gespannt auf das Ein-treffen der Beamten. Mit ihnen warteten zahlreiche Medienver-treter, darunter unter Anderem Journalisten vom WDR, von center.tv, der RP, der NRZ, sowie der Jungen Welt. Um 6:30 Uhr sollte es eigentlich so weit sein, doch sowohl Rektor als auch Po-lizisten ließen auf sich warten. Der nächste Räumungstermin wurde anschließend von offiziel-ler Seite auf 8 Uhr angesetzt (Anm. d. Red.: Wohlgemerkt, um 8:15 Uhr sollte die Vorlesung be-ginnen). „Wenn sie dann nicht kommen, haben sie Pech gehabt.

Dann feiern wir allein weiter!“, meinten einige der Besetzer und machten es sich auf der Bühne mit Gitarre und guter Laune ge-mütlich.

Hurra, Hurra, der Rektor ist da!

Nach etwa zwei Stunden tauchte dann auch gegen 8 Uhr Rektor Piper auf und musste durch ein Meer aus Luftballons waten, um zur Bühne zu gelangen. Dort ver-las er das Hausrecht und forderte die im Hörsaal befindlichen Stu-dierenden dazu auf, diesen zu verlassen. Nachdem die Studie-renden darauf nicht reagierten,

Hörsaal 3D nach einer Woche mit Polizei geräumt!

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DIE WOCHENZEITUNG FÜR DIE HEINRICH HEINE UNIVERSITÄT DÜSSELDORF AUSGABE NR. 314

Inmitten von Studierenden und Luftballons verlas Rektor Piper das Hausrecht, bevor die Räumung offiziell gestartet werden konnte.

Foto: Herbert Schedlbauer

setzte Piper ihnen mehrere Fris-ten und verwies erneut auf die Alternative, in das Foyer der Phi-losophischen Fakultät umzuzie-hen. „Sie würden wunderbar ins Foyer reinpassen!“, versuchte er die Besetzer von den Vorzügen des Umzugs zu überzeugen. Dies rief Gelächter hervor und brach-te die Besetzer auf ganz andere Ideen: „Wie wäre es, wenn wir das Büro des Rektors kriegen, und er dafür ins Foyer geht?“ Währenddessen hatten auch be-reits einige der Medizinstudie-renden, die eigentlich eine Ana-tomievorlesung gehabt hätten, in Hörsaal 3D Platz genommen. Auch der Dozent tauchte auf. Die Besetzer luden den Dozenten und die Medizinstudierenden dazu ein, ihre Vorlesung in Hörsaal 3D abzuhalten, doch der Dozent lehnte ab und verwies auf Platz-probleme sowie den bevorste-henden Polizeieinsatz. Diese Um-

stände hätten leicht behoben werden können, doch der Dozent blieb bei seiner Haltung, und die Vorlesung fiel aus. Dafür kam eine angeregte Diskussion zwi-schen den Medizinstudierenden und den Besetzern in Gang, bei der die Mediziner einmal von ihren Problemen berichten konn-ten. In den Medien von protestie-renden Bachelorstudierenden überschattet, werden Medizin-studierende mit ihren Problemen kaum wahrgenommen. So kämp-fen auch sie mit Zeit- und Leis-tungsdruck, und dies teilweise in einem stärkeren Maße als Bach-elorstudierende. „Es ist wirklich ein Problem, dass man zeitlich so eingebunden ist und kaum Zeit zum Arbeiten hat. Und dann kommen noch die Studiengebüh-ren dazu.“, sprach eine Medizin-studentin in das Mikro der Beset-zer. Auch, so die Mediziner, seien die meisten der Probleme schon

seit Jahren bekannt, doch die Studierenden könnten sich auf Grund von Leistungsdruck und Zeitmangel nicht gegen die zu starken Interessengruppen, die die Probleme verursachen, durchsetzen.

Tatü, Tata, die Polizei ist da!

Die Diskussion mit den Medizin-studierenden wurde jäh unter-brochen, als die Polizei um kurz vor 9 Uhr eintraf. Mit rund 25 Einsatzwagen waren die Geset-zeshüter angerückt, um der ein-wöchigen Besetzung in Hörsaal 3D, ein Ende zu bereiten. Vor der Bühne postierte sich eine Hun-dertschaft, ausgerüstet mit Hel-men, Schlagstöcken und Kabel-bindern, während ein Polizei-sprecher alle Anwesenden im Hörsaal mehrmals dazu auffor-derte, zu gehen. Die Besetzer sowie die Medizinstudierenden

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blieben sitzen, und aus den Rei-hen der Besetzer rief man zu ei-ner friedlichen Räumung auf. Schließlich begann die Polizei mit ihrer Arbeit und forderte die Ersten direkt auf, mitzu-kommen und den Raum zu verlassen. Einige gingen frei-willig mit, andere ließen sich selbst und ihre Taschen von den Polizeibeamten hinaus-tragen. Ganz nach rheini-scher Karnevalsmanier wur-den die Polizisten dabei mit Konfetti berieselt, während sie mit den letzten Besetzern in den Armen durch die Luftballons hinausstiefelten. Die Räumung selbst verlief fried-lich, es gab sowohl von Sei-ten der Besetzer als auch von Seiten der Polizei keine Ge-walt. Pluspunkt für den Rek-tor: Er stellte keine Anzeige wegen Hausfriedensbruchs, und so wurden von nieman-dem die Personalien aufge-nommen. Minuspunkte für den Rektor: Zum ersten Mal seit Bestehen der Heinrich-Heine-Universität setzte ein Rektor Polizei gegen seine eigenen Studierenden ein, um eine Besetzung aufzulösen. Und die Vorlesung, die dem Rektor als Vorwand für die Räumung diente, fiel letzend-lich wegen eben dieser Räu-mung aus. Dies ist insbesonde-re für die Medizinerstsemester von Nachteil, die durch den Ausfall klausurrelevanten Stoff verpasst haben.

Die Uni brennt weiter!

Durch die Räumung ließen sich die Studierenden nicht ein-schüchtern. Direkt danach ging es weiter zur Mobilisierung für

die nächsten Aktivitäten. Einige Studierende zogen durch Hörsäle und Seminarräume, um von der gerade erfolgten Räumung zu

berichten und ernteten dabei viel Zustimmung und Solidaritätsbe-

kundungen sowohl von Studie-renden als auch Dozierenden. So meinte ein Dozent: „Also mal ehrlich: Zu einem guten akade-mischen Studium gehört es, dass

mindestens einmal eine Vorle-sung wegen einer Hörsaalbeset-zung ausfällt!“. Bezüglich der Räumungsaktion konnte er nur

den Kopf schütteln. „Wer Wind sät, wird Sturm ernten.“, zitierte er passend. Auch der Großteil der Medizi-nerstsemester, deren Anatomievorlesung auf Grund der Räumung ausgefallen war, zeigte sich solidarisch mit den inzwischen Ex-Beset-zern. Nun soll ent-schieden werden, wie es

weitergeht. Nachdem es bereits einige Plenen gab, in de-

nen zunächst einmal Möglichkeiten disku-tiert wurden, gibt es heute um 13 Uhr eine Vollversammlung in Hörsaal 3D, zu der alle Studierenden und Dozierenden herz-lich eingeladen sind!

Wenn ihr in Sachen „Uni brennt“ auf dem Laufenden sein wollt, dann tragt euch in den Mail-Newsletter ein: Einfach eine leere Mail an

[email protected] schreiben, und schon seid ihr dabei!

Maret Zepernick

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Alle drei Fotos: AStA-Channel Düsseldorf

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DIE WOCHENZEITUNG FÜR DIE HEINRICH HEINE UNIVERSITÄT DÜSSELDORF AUSGABE NR. 314

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Bildungs-streik:Kurz-

übersicht

Nein, das Thema ist noch nicht totgeredet ;-). Die Campus D gibt euch die wichtigsten Facts an die Hand, mit denen Ihr in 20 Minu-ten alles Wissenswerte erfahrt über eine der mächtigsten Lob-bys Europas, mögliche Forde-rungen an Piper, die Bildungs-streik-Gegner und eine nicht un-wichtige Stellungnahme eines Politikers. Schaut euch die Links dazu im Web an!

① Hintergrundwissen:

Woran krankt das Bildungs-system? Seit mehr als 20 Jahren gab es in Deutschland keinen so ausge-prägten Aktivismus der Politik, der den Universitäten pausenlos Vorschriften macht, Leistungskri-terien einführt (die halbjährlichen Evaluationsfragebögen zB.), das Exzellenzranking erfindet und Vieles mehr. Im Mittelpunkt des Ganzen steht die Ökonomisie-rung des Studiums. Wir sind Zeitzeugen einer Gesellschaft, in der die Universitäten zu „stand-ortgerechten Dienstleistungshoch-schulen“ umfunktioniert werden. Doch wer steckt hinter dem Gan-zen? Der neoliberale Bertelsmann Konzern ist einer der mächtigsten

Konzerne in ganz Europa, und „berät“ die Bundesregierung in Sachen Bildung. Um den Einfluss dieses Megakonzerns zu verdeut-lichen: Das 1994 gegründe-te  Centrum für Hochschul-entwicklung (CHE) ist für den Umschwung in der Bildungspoli-tik verantwortlich und ist eine gemeinsame Institution der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) und der Bertelsmannstif-tung, die das nötige Geld beisteu-ert. Ob es jedoch wirklich der richtige Weg ist, statt Bildung nur „fachliche Qualifikation“ zu for-dern und statt wirklich innovative Ideen zu entwickeln, eigentlich Sparpolitik zu betreiben, wird an uns sichtbar werden.

- Links zum Thema: http://www.bertelsmannkritik.de/bildung.htmhttp://www.staff.uni-marburg.de/~rillingr/wpl/texte/1bultman.htmhttp://www.che.de/

② Aktion:

Was kann geändert werden – konkrete Vorschläge1. Studentische Vertreter in den Hochschulräten2. Wieder aktuelle Angaben zur Verwendung der Studiengebüh-ren auf der HHU-Seite3. Regelstudienzeit verlängern auf 8 Semester Bachelor (intern. An-erkennung d. Abschlusses)4. Studiengebühren: Wenn über-

Foto: flickr-user: koalazymonkey

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haupt, erst nach der Regelstudi-enzeit?5. Inter-/nationale Anerkennung der Kurse beim Studienplatz-wechsel6. Modulübergreifende Anträge zwecks besserer Profilbildung7. Kritische Auseinandersetzung mit Effizienz des Studiums Uni-versale8. Ausbau der Masterplätze9. Verbesserung der Bedingungen für Nicht -Nor m-Studenten (Halbzeit-Studium uvm.)10. Rangliste der wichtigsten Pro-jekte, Studentenmeinung zur Verwendung der Gebühren11. Große Veränderungen mit studentischer Mithilfe beim Ak-kreditierungsverfahren 2010.Sind euch weitere Punkte w i c h t i g ? S c h r e i b t u n s ([email protected]), ein Interview mit dem Rektor ist in Pla-nung.

③ Contra:

Die Beschwerde der Bil-dungsstreik-GegnerIn den letzten Ausgaben haben wir euch über die Motivation hin-ter dem Bildungsstreik aufgeklärt und über Neues von der „Front“ berichtet. Es geht aber natürlich auch anders. In den Studivz-Gruppen „GEGEN DEN BIL-DUNGSSTREIK“ (2847 Mit-glieder) und „GEGEN DEN BILDUNGSSTREIK – Düssel-dorf“ (7 Mitglieder) äußern ver-ärgerte Studenten lauthals ihre Kritik am Vorgehen im Bildungs-streik. Bezweifelt wird hier zwar nicht, dass es akute Probleme in der Umsetzung der Bologna-Re-form gibt, die gelöst werden müs-sen, aber das „Wie“ steht zur De-batte. Dass lernwillige Studenten

durch die Besetzungen von ihren Kursen ferngehalten werden und die Streikenden nicht repräsenta-tiv für die Auffassung der meisten Studierenden seien, wird kriti-siert. Aber auch die angeblich politische Färbung der Proteste stört die Gegner: Im Rahmen des Bildungsstreiks hätten linksradi-kale „Krawallmacher“ immer wieder Unruhe gestiftet. Die kri-tisch gesonnenen Studenten for-dern in den Gruppen vor allem zu „realistischeren“ Verhandlun-gen mit den Politikern und dem Rektorat auf.Pro und Contra – richtig brenzlig wurde es im „Anne Will“-Chatinterview mit An-nette Schavan (CDU) und B e n S t o t z ( D i e L i n k e ) : http://daserste.ndr.de/annewill/archiv/chatprotokoll206.html

④ Live aus Düsseldorf:

Studenten fragen Staatssek-retär Michael StückradtVon AntenneDüsseldorf für uns zur Verfügung gestellt, ein Kurz-interview kurz vor der Podiums-diskussion „Bologna – wohin ge-hen wir?“ am 18.11. mit Staats-sekretär Michael Stückradt vom Ministerium für Innovation, Wis-senschaft, Forschung und Tech-nologie in NRW.

Studentenfrage 1: Warum habe ich als Erstsemester im neuen Bachelorstudiengang so wenige Wahlmöglichkei-ten?Stückradt: Man sollte Wahlen haben. Man hat das Bachelorstu-dium straffer organisiert als vor-her das Diplomstudium um Stu-denten gerade in der Anfangs-

phase auch eine Leitlinie zu ge-ben. Ich glaube, dass man da an einzelnen Stellen übers Ziel hi-nausgeschossen ist und dass es gut ist, dass man jetzt hier sehr genau schaut, wo man dann wieder Wahlfreiheiten einführt.

S t u d e n t e n f r a ge 2 : Wa s kommt nun Neues in die Bachelorstudiengänge?Stückradt: Ich halte es für rich-tig, dass man sehr konkret schaut, wo in den einzelnen Studienplä-nen Verbesserungen notwendig sind, wo beispielsweise die Prü-fungsdichte zu hoch ist. Wo Din-ge wie Anwesenheitslisten über-flüssig sind, wo möglicherweise ein Bachelorstudium auch länger werden sollte, als es bisher ge-plant ist.

Studentenfrage 3: Warum gibt es nicht für alle Bach-elorstudenten einen Master-platz?Stückradt: Die Hochschulen können selbst entscheiden, wie viele Masterplätze sie bereitstel-len. Bisher habe ich nicht gehört, dass wir hier in Nordrhein-West-falen zuwenig Plätze hätten.

Studentenfrage 4: Ich würde gerne wissen, welchem Bil-dungsstand der Bachelor entspricht?Stückradt: Wenn es die einfa-che Gleichsetzung gegeben hätte, hätte man ja sagen können, Bachelor gleich Vordiplom und Master gleich Diplom. Nein, der Bachelor soll ein erster berufsbe-fähigender Abschluss sein, den es so vorher nicht gegeben hat.

Helena Behle

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Bildungsstreik - und jetzt?Ein Blick zurück und nach vorne

Studierende, Schülerinnen und Schüler, Azubis – Sie al-le gehen seit Wochen und Monaten auf die Straße, be-setzen Hörsäle, diskutieren und debattieren über das deutsche Bildungssystem und haben so eine gesamt-gesellschaftliche Diskussion angestoßen.

Unterstützt werden sie dabei so-wohl von den Gewerkschaften, Parteien und Kirchenverbänden als auch von ganzen Stadträten, so geschehen in Bonn, und Uni-versitätsleitungen.

Was fordern die Protestie-renden überhaupt?Die Kernkritikpunkte sind die als unsozial angesehenen Studienge-bühren, die Unterfinanzierung des Bildungssystems, die starke Einflussnahme der Wirtschaft auf die Bildung und die schleppende Umsetzung des Bologna-Prozes-ses sowie die Verschulung des Hochschulstudiums.

Nachdem im Sommer über 270000 Protestierende in allen großen deutschen Städten auf der Straße waren, um ihrem Unmut lautstark Luft zu machen, erreichten die Proteste in den letzten Wochen einen neuen Hö-hepunkt. Ausgehend von der U-niversität Wien wurden erst in

Österreich und später auch in Deutschland, Europa und aller Welt Hörsäle besetzt, um auf die Missstände aufmerksam zu ma-chen und Platz für Diskussionen zu schaffen. So wurde am 18. November auch der Hörsaal 3D an der Heinrich-Heine-Universi-tät besetzt. (Wir berichteten.)

Doch was haben die Proteste bewirkt?Zunächst haben sie das geschafft, was die Politik nicht geschafft hat, nämlich auf die bestehenden Probleme öffentlichkeitswirksam hinzuweisen. Nachdem die Bil-dungspolitik in den letzten Jah-ren von den Verantwortlichen eher stiefmütterlich behandelt worden war, informieren nun

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Foto: flickr-user: björnkietzmann

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täglich sämtliche Medien die Be-völkerung über die Proteste. Auch bei den zuständigen Politi-kern scheint die Kritik endlich angekommen zu sein. Bundesbil-dungsministerin Annette Scha-van, die die Proteste im Sommer noch „gestrig“ nannte, verschob die Anhebung des BAföGs in Ab-sprache mit Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble auf 2010. Am letzten Sonntag nun stellte sie sich der Diskussion im Polittalk von Anne Will. Hier zeigte sie zwar viel Verständnis für die Kritik der Studierenden, relativierte den Protest aber mit der Aussage, dass jedes Jahrzehnt seine Demonstra-tionen habe.Landeswissenschaftsminister Andreas Pinkwart, der in der vor-letzten Woche zusammen mit einer Delegation Universitätsrek-toren China bereiste, forderte im Hinblick auf die Proteste eine Versachlichung der Diskussion. Er wolle den „intensiven Dialog mit den Studierenden fortsetzen“, gab er in einer Pressemitteilung bekannt.

Der Schwarze Peter wird hin- und hergereichtSoweit scheinen sich die Ent-scheidungsträger einig zu sein: Es läuft etwas schief. Doch wer ge-nau schuld ist an dieser Misere, dazu gibt es keine klare Antwort. Die Hochschulleitungen werfen der Politik vor, sie habe die Re-formen nicht genug durchdacht und zu überhastet eingeführt. Zudem seien die Universitäten durch zu wenig monetäre staatli-che Mittel gezwungen, Studien-gebühren zu erheben.Die Politik wiederum sieht die Verantwortung an den Universi-täten. Die Politik könne nur die Rahmenbedingungen schaffen.

Zudem seien Entscheidungen wie die Frage der Studiengebühren oder die Länge des Bachelorstu-diums Sache der Hochschulen. Das Bachelorstudium soll 3-4 Jahre dauern, die meisten Uni-versitäten haben sich aber auf die kurze Variante von 3 Jahren ent-schieden.So ergibt sich ein Kreis von Schuldzuweisungen. Leidtragen-de sind die Studierenden.

Doch trotz des allgemeinen Kon-sens, dass etwas schief läuft im deutschen Bildungssystem, gibt es große Differenzen auch innerhalb der Studierendenschaft. Während sich ein Teil aktiv an Demonstra-tionen und Besetzungen beteiligt oder in Plena mitdiskutiert, meh-ren sich mittlerweile die Wi-derstände. Einige Studierende halten die Besetzungen für das falsche Mittel und fordern die Wiederaufnahme des normalen Lehrbetriebes.

Ähnliches fordern auch die Hochschulrektoren. Sie rufen die Protestierenden auf, sich in den Hochschulgremien aktiv einzu-bringen. Dies greift vielen aber zu kurz. Durch die politische Ent-machtung der Studierenden auf dem Campus, Stichwort Hoch-schulrat, sehen sie kaum Chan-cen, auf diesem Wege ihre Ziele zu erreichen.Zudem nehmen einige Organisa-tionen und Parteien des linken Randes die Chance wahr, sich durch Solidaritätsbekundungen mit den Protesten öffentlich zu profilieren. Dies wirft ein zweifel-haftes Licht auf die Protestieren-den und stellt sie in eine Ecke, in die sie mit großer Mehrheit nicht gehören. Der Bildungsstreik ist

und darf keine Plattform für ext-reme Propaganda sein.

Wie geht es weiter?Mit den Besetzungen als nächste Stufe des Protestes haben die Studierenden sich eine campusin-terne Plattform geschaffen. Diese füllten und füllen sie mit einem alternativen Seminarprogramm, offenen Diskussionen und ver-schiedenen Kulturangeboten. Aber auch mit kreativen Mitteln wird der Protest weitergetragen. In mehreren Städten wurde die Bildung symbolisch begraben oder Studierende zeigten sich als „Gefangene des Bildungssystems“ http://www.Bildungsfratzen.de

Nach massiven Protesten wäh-rend der Hochschulrektorenkon-ferenz in Leipzig ist die nächste große Demonstration für den 12. Dezember geplant. Dann findet die Kultusministerkonferenz in Bonn statt. Diese hat in der Ver-gangenheit beispielsweise die Rechtschreibreform sowie eine Bildungsreform als Antwort auf das schlechte Abschneiden der Schülerinnen und Schüler bei der PISA-Studie auf den Weg ge-bracht.Somit haben die Studierenden die wichtigsten Entscheidungsträ-ger der Bildungspolitik an einem Ort versammelt und haben so die Möglichkeit, ihrem Protest ein weiteres Mal lautstark eine Stim-me zu geben.

Robin Pütz

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Universitäres |

Am vergangenen Donnerstag durfte das Düsseldorfer Institut für Außen- und Sicherheitspolitik (DIAS) erneut einen hochkaräti-gen und international gefragten Referenten zum sechsten Uni-Talk begrüßen. Der in Israel ge-borene und in Deutschland auf-gewachsene Arzt und Journalist Dr. Gil Yaron stellte im großen Vortragsraum der Universitäts- und Landesbibliothek die Frage „Fresh Start or just a Reload? Germany's New Government and the Middle East.” Dr. Yaron, der selbst das Abitur in Düsseldorf absolvierte, studierte Medizin, arabisch und Geschichte, wobei zu seinen Studienorten sowohl die zur Ivy-league gehörende Brown University, Rhode Island, als auch Hadassah Medical School, Jerusalem, Israel gehören.

Gleich zu Beginn erkannte der Referent, dass die Zuhörer eine kurze Stellungnahme zum An-trittsbesuch des neuen Bundesau-ßenministers Dr. Guido Wester-welle wünschten, wurde dieses Thema in den deutschen Nach-richten doch sehr genau verfolgt. Aufgrund des historischen Kon-textes sei ein solcher Besuch aus deutscher Sicht zwar stets eine sensible und aufsehenerregende Begegnung. Für „newssüchtige Israelis“ jedoch, gelte die Visite eines deutschen Außenministers längst als Routine. Um in die Thematik einzusteigen wählte Herr Dr. Yaron einen auf-schlussreichen und interessanten Weg. Vom generellen zum spezi-ellen führend, begann er seine Ausführungen mit der derzeitigen politischen und sozialen Situation in Israel und Palästina. Dabei

bezeichnete er die jüngsten Zuge-ständnisse des israelischen Pre-mierministers Benjamin Netanja-hu als historisch, stelle diese An-ordnung des Siedlungsbaustops im Westjordanland als die seit 1967 weitreichendste dar. Derzeit sei noch nicht absehbar welche Ziele Netanjahu verfolgt. Es müssten aber gewichtige Gründe sein, die angesichts seiner Partei-zugehörigkeit zu konservativen Likud, einen solchen Schachzug insbesondere seinen Wählern gegenüber rechtfertigen könnten. Ein möglicher Grund könnte da-rin liegen, dass Israel sich dem Druck Amerikas in dieser Frage beuge, um im Gegenzug ein schärferes Vorgehen der USA gegen Iran zu verlangen. Andere würden in seinem Entgegen-kommen einen psychologisch weitsichtigen Schachzug sehen.

Wolken über Hamastan

Foto: flickr-user: Zoriah

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Denn je mehr Bereitschaft zu Ge-sprächen von israelischer Seite herrscht, desto geringer sei die Legitimation Mahmud Abbas, der jene stets von der starren Haltung Israels ableitete. In jedem Fall sei es ein mutiger Schritt. Einer, der keinem seiner Vor-gänger eingefallen wä-re. Netanjahu leugne nicht, dass es „eine schmerzhaf te Ent-scheidung“ sei. Indes könne der Baustopp dazu verhelfen zum Verhandlungstisch zu-rückzukehren, um das Problem ein für alle-mal zu lösen. Verlässt man aber die Allge-meinplätze oberflächli-cher Berichterstattung, so wird augenschein-lich, dass „das Prob-lem“ zwischen Palästi-nensern und Israelis gar nicht besteht. Nur dann, wenn man sei-nen Blick tiefer richte-te, würde deutlich, warum selbst diese his tor i schen Zuge-ständnisse Netanjahus von Palästinensern als unzureichend zurück-g e w i e s e n w u rd e n . Würde man das Angebot der Is-raelis annehmen, käme dies einer Anerkennung einer Annektierung von Ostjerusalems gleich. Denn der Baustopp umfasse ebendieses Gebiet, nicht in welchem 500000 israelische Siedler wohnen nicht. Hingegen beansprucht die paläs-tinensische Führung das Westjor-danland für ihren Staat, wobei Ostjerusalem zur Hauptstadt ge-kürt werden soll. Welch „Pulver-fasspolitik“ Netanjahu treibt,

werde erst deutlich, wenn man sich vor Augen führt, dass das Entgegenkommen für Empörung im eigenen Lager sorgte. Zuge-ständnisse einer Seite werden entweder von der eigenen Gefolg-

schaft bestraft oder von der ande-ren als „Täuschungsmanöver“ deklariert. Während der Referent spricht, hat man als Zuhörer das Gefühl, man hätte sich schon damit abge-funden, dass die Stühle am Ver-handlungstisch noch länger kalt-bleiben werden. Und dieser Ein-druck erstarkt umso mehr, als Dr. Yaron die Streitfäden dieser Re-gion noch weiter zieht. Innerhalb der Palästinenser sei eine solch

Starke Spaltung entstanden, dass von einer Einheit nicht gespro-chen werden könne. „Würde man einen Fünfjährigen fragen, ob er Palästinenser sei, so würde er den Kopf schütteln“. Eine palästinen-

sische Identifikation sei nicht länger vor-handen. „Man kommt entwe-der aus Fatahland oder aus Hamastan“, so Yaron. Entweder man gehört zu Abbas oder zur sunnitisch-is-lamistisch paramilitä-rischen Terrororgani-sation der Hamas. Während des Fast-enmonats Ramadan habe man auf der „Hamas-Seite“ die Uhrzeit verstellt, so dass man nicht ein-heitlich Fasten bre-chen konnte. „Wenn es nicht möglich ist, sich über eine ge-meinsame Zeitzone zu einigen, wie solle man sich unisono an einen Verhandlungs-tisch setzen?“. Lang-sam wird deutlich, warum es absurd wä-re von „dem Prob-lem“ zu sprechen,

stellt die heutige Situation das Ergebnis eines Geschichtsverlau-fes dar, der seinen eigen Gesetzen folgt und tausende Menschen zum Opfer verlangt. „Nun könn-te man aus westlicher Sicht Fra-gen, warum es nicht endlich zum Frieden kommt“, warf der Arzt und Nahostexperte ein. Die Ver-handlungen mit Israel seien nicht das Hauptproblem. Es gehe viel-mehr um die Frage der religiösen Zugehörigkeit und damit einher-

Universitäres |

Foto: flickr-user: Zoriah

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gehend das Spektrum politischen Handlungsspielraums. Es ist ein Machtkampf bei welchem, der Historie zum Trotz, die Glau-benszugehörigkeit zur Schaffung von Verbündeten instrumentali-siert würde. Sunniten bezichtigen Shiiten nur der verlängerte Arm des sog. schiitischen Halbmonds zugehörigen Irans und Libanons zu sein. Indem Iran und Syrien die Hisbollah zur stärksten para-militärischen Terrororganisation hochrüstet, will es Schrecken ver-breiten und speziell das sunniti-sche Palästina vereinnahmen. Iran will seinen „Gottesstaat“ expandieren - und Gegner ist je-der, der sich einmischt. Der mitt-lere Osten sei ein explosives Ge-misch aus schwerüberschaubaren und doch allesamten gleichge-wichtigen Faktoren. Die Frage die sich inmitten dieses „Chaos“ stellt ist, was Deutschland zur Aussöh-nung leisten kann und ob inmit-ten dieses Terrors, eine Politik des „Händereichens“ nicht als gänz-lich illusioniert im Angesicht des unerbittlichen Kampfes wirkt. Doch „gerade darin liege die Stärke der deutschen Nahost-Po-litik“, so Yaron. Der „Faktor Menschlichkeit“ sei gleichsam ein

deutsches Importgut in dieser Region. Diesem Umstand habe Deutschland seine Beliebtheit zu verdanken. Dies sei ein „diploma-tisches Ass im Ärmel“, was der Grund dafür sei, dass beide Sei-ten Deutschland Vertrauen schenkten. Des Weiteren stelle eine Zusammenarbeit für alle, insbesondere sunnitischen Natio-nen, einen Sicherheitstrumpf ge-gen den Iran dar, sei doch allen bekannt, dass Deutschland eine der wichtigsten wirtschaftlichen Stützen Irans ist. Aber auch ne-ben dieser Möglichkeit zum wirt-schaftlichen Embargo, würden durch den Bau einer Schule viel-leicht 10 künftige Gotteskrieger von der Anziehungskraft des Wis-sens, statt der Waffen erfasst. Nur so könne man den ständig wech-selnden Gesichtern auf dem Kampffeld entgegenwirken. Ins-besondere deshalb, weil diese ste-tig jünger würden. Schließlich gestand Dr. Yaron dennoch, dass auch diese Hilfe ihre Grenze ha-be. Denn das Problem könne nur von den Palästinensern, gleich-sam von innen heraus gelöst wer-den. In den letzten Minuten seines Vortrags wurde der Referent lau-

ter und sein Blick ernster. Der wahre Grund warum der Konflikt nicht gelöst werden könne, liege indes woanders. Der Journalist strebte einen Vergleich zwischen Europa vor 2000 Jahren und dem heutigen Gebiet der Palästinenser an. „Vor tausend Jahren wurde auch in Europa um jeden Fleck Erde gekämpft. Und diese Denk-weise zog sich bis ins 20. Jahr-hundert fort. Man müsse das Re-sultat des zweiten Weltkrieg als Wendepunkt eines tollen Treibens der Menschheitsgeschichte se-hen.“ Erst diese Lektion habe zu einem anderen Kurs geführt. Es brauche viele Opfer, um diese Lektion zu erhalten und den Kurs zu wechseln. Wie viele genau sag-te Dr. Gil Yaron zwar nicht. Je-doch kam er zu einem denkwür-digen Resümee. „Für diese Ein-sichten, die Europa nach dem zweiten Weltkrieg erlangt hat, haben die Menschen im mittleren Osten einfach noch nicht genug gelitten“.

David Shaverdov

Universitäres |

Foto: flickr-user: illuminating9_11

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Aktuelles |

Das Volksvotum gegen den Bau von Minaretten wirbelt einen alten außenpoliti-schen Streit neu auf.

Auf der Schweizer Nationalflag-ge hat sich eine Armee von schwarzen Türmen aufgebaut. Im Vordergrund eine schwarz verschleierte Frau, von der nicht mehr als ein paar Augen zu er-kennen ist. Das Werbeplakat der Anti-Minarett-Initiative stieß schon vor der Volksabstimmung der Schweiz auf Aufmerksamkeit im Ausland. Es wirkt bedrohlich

und soll es auch. Die Minarett-Türme gleichen Raketen.

Ein Szenario, dass sich nicht nur die Schweizer Bevölkerung der hohen Zustimmung zum Mina-rett-Verbot nach lebhaft vorstel-len kann. „Hätte ich eine Atom-bombe, würde ich die Schweiz von der Landkarte entfernen“, sagte Hannibal Gaddafi im Au-gust dieses Jahres laut Angabe der Sunday Times im August dieses Jahres zu einem arabi-schen Diplomaten. Er ist der Sohn des ehemaligen libyschen

Staatschefs und Revolutionsfüh-rer Muammar al-Gaddafi, der seit 1969 die nationale Politik bestimmt. Eben dieser Muam-mar al-Gaddafi, der im Septem-ber dieses Jahres bei der Vollver-sammlung der Vereinten Natio-nen die UN-Charta wutent-brannt zerriss. Wenige Wochen zuvor hatte der libysche Macht-haber im Rahmen des G8-Gip-fe ls die Zerschlagung der Schweiz gefordert und einen ent-sprechenden Antrag an die UN gestellt.

Raketen auf die Schweiz

Fotos: flickr-user: micbaun und Shabbir Siraj

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Aktuelles |

Auge um Auge, Zahn um Zahn

Der Streit zwischen der Familie Gaddafi und der Schweiz hält seit anderthalb Jahren an. Im Juli 2008 verhaftete die Schweizer Polizei Hannibal und seine Frau im Hotel „Président Wilson“. Das Ehepaar soll zwei Hausan-gestellte verprügelt haben. Das Ehepaar kam gegen Kaution frei, die Bediensteten zogen ihre Anzeige wegen Misshandlung zurück. Als Folge stoppte Libyen die Rohöllieferungen an die Schweiz und zog über 5 Milliar-den Franken von Konten der Nationalbank zurück. Seit Juli 2008 verweigert Libyen zusätz-lich noch zwei Schweizer Ge-schäftsmännern die Ausreise, „wegen Verstoß gegen die Auf-enthaltsbestimmungen“. Alle bisherigen Bemühungen des Bundespräsidenten Merz die Geiseln zu befreien liefen ins Leere.

Eine Situation, die durch die Volksabstimmung nicht gerade vereinfacht worden ist. Für Gad-dafi ist dies nur ein weiteres Zei-chen der Islamfeindlichkeit der sonst so neutralen Schweiz. Der Koran ist die Rechtsgrundlage der libyschen Verfassung. Hier beißt sich der Hund selbst in den Schwanz. Die Überzeugung Gaddafis, die Schweiz an ihre Nachbarnationen aufzuteilen, wird nicht weniger für die Popu-larität der von der rechtskonser-vativen Schweizerischen Volks-partei (SVP) unterstützte Initiati-ve „gegen den Bau von Minaret-ten“, als ihre eigenen Werbepla-kate. Über 57 % der Wähler stimmten für die Verfassungsän-derung; die Wahlbeteiligung liegt mit 54 % unerwartet hoch. Als

Begründung wird nicht zuletzt die Angst vor der fortschreiten-den Islamisierung der Schweiz genannt.

Verunsicherung siegt im neutralen Land

Eine Angst, die kaum durch die gerade mal 400 000 in der Schweiz lebenden Muslime aus-gelöst worden sein kann. Viel mehr entsteht die Verunsiche-rung durch den nicht beizule-genden außenpolitischen Kon-flikt der Schweiz mit Libyen. Das ist gerade vor dem Hintergrund des Schweizer Selbstverständnis-ses schwer nachzuvollziehen. Ein Land, das stets neutral bleibt und auf Grund dieser Position auch in der internationalen Politik geschätzt wird, soll jetzt jegliche Legitimation zur Existenz aber-kannt werden. Es soll von der Landkarte verbannt werden. Aufgeteilt werden an die Nach-barstaaten. Wegen eines Konflik-tes mit einem Rowdie, der nicht nur die Bekanntschaft der Schweizer Polizei machen durfte. Auch in Pariser Behörden kennt sich Hannibal Gaddafi bestens aus. Ein Raketenritt mit 140 Ki-lometern pro Stunde über die Champs de Elysee machte ver-schaffte ihm dort zweifelhafte Popularität. Trotz Rückzug der Anzeige und der Entschuldigung des Bundespräsidentenen Merz, zeigt Libyen keine Gnade gegen-über der Schweiz oder etwa den beiden fes tgehaltenen Ge-schäftsmännern. Die Angst vor dem Islam und auch der Zorn werden geschürt von der Unsi-cherheit und der Hilflosigkeit der Schweizer Regierung.

Es liegt in der Natur der Angst, die Rationalität einzuschränken.

Und irrational reagiert auch die Schweizer Bevölkerung. Der Streit Libyens mit der Schweiz hat bisher in der internationalen Politik nur wenig Beachtung ge-funden. Würden größere Staa-ten, internationale Organisatio-nen vermehrt Druck auf Libyen ausüben und sich mit stärkerem Engagement für die Freilassung der Geiseln einsetzen, wäre es vielleicht nicht zu diesem Volks-votum gekommen. Es wäre nicht zu Unsicherheit gekommen, nicht zu dieser Angst.

„Religiös-rassistisch“, bezeichne-te Libyen das Ergebnis der Ab-stimmung. Mit dem Votum hat nicht nur Gaddafi ein neues Ar-gument in der Hand, um sich gegen die Schweiz auszuspre-chen. Auch die internationale Ansicht der Schweiz als dieses kleine, bergige Fleckchen Erde, in dem stets Frieden und Neutra-lität herrscht, kann nun nicht ohne Hinterfragungen weiterbes-tehen. „Hannibals Krieg“ gegen die Schweiz ist nicht ohne inter-nationalen Beistand beizulegen. Die Schweiz muss sich besinnen, ihren Verstand wiederfinden und die eigene Unsicherheit bekämp-fen. Umso nicht die eigene Neu-tralität mit Raketen zu beschie-ßen.

Jacqueline Goebel

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Kultur |

Kurzbiografie: Thorsten Palzhoff„Geboren am 16. Merz 1599 auf dem elterlichen Gutshof im hessi-schen Hanau. 1614 Verlust von Mutter und Vater (Schlagfluss und Kummer), 1618 Stiefelknecht von Oberst Johann Klotz in Prag. Im November 1620 gerät Palz-hoff bei der Schlacht am Weißen Berg in die Gefangenschaft Tillys, aus der er sich im Januar 1621 mit Hilfe einer List (Wurst, Pferd, zerbissener Strick) befreien kann (…) 1705 Reitschullehrer in Ma-drid. (…) 1827 Ehe mit Fanny Mendelssohn, Scheidung 1829. (…) Erneute Proteste führen 1878 zu Palzhoff Ausweisung aus dem Land. In Frankreich schließt er sich den Possibilisten unter Paul Brousse an, wenngleich er dessen evolutionären Sozialismus kritisch infrage stellt. (…)Am 1. April 1905 als blinder Pas-sagier mit dem Hapag-Dampfer

Hamburg der n a c h d e m Ta n g e r- B e-such Wilhelms I I . i n S e e s t i ch t , über Gibraltar und Hamburg zu-rück nach Ber-lin. 1906 er-neute Auswei-sung aus Preu-ßen und Über-f a h r t n a c h New York, wo Pa lzhof f an der Börse ein vermögen ge-

winnt und den New York Observer aufkauft.Nach einer Reihe spekulativer Berichte und einer gerichtlichen Niederlage 1921 Verlust der Zei-tung, kompletter Bankrott nach dem Börsenzusammenbruch von 1929. Mit Hilfe einer List (ge-fälschte Unterschrift, verliebte Witwe), Rückkehr nach Deutsch-land. (…) Unterstützung des Ar-beiteraufstandes in Ost- Berlin. (…)Seit 2004 Bürgermeister der Ge-meinden Ruhberg und Tollheim (parteilos).

Bei der 7. Veranstaltung der Rei-he Heinrich Heine heute war ein sehr außergewöhnlicher Schrifts-teller zu Besuch und las im Alter von 410 Jahren aus seinem Buch Tasmon, dass 2006 veröffentlicht wurde.

Somit ist Thorsten Palzhoff si-cher der älteste Lebende Autor, der wie es scheint, recht modern für einen 410 Jahre alten Schrifts-teller schreibt.Doch natürlich ist die Kurzbio-grafie Palzhoffs einer Erfindung seinerseits. Palzhoff kritisiert den Biografismus, sein Lebenslauf ist so sagt er selbst „eine ironische Antwort auf den Biografismus“. Palzhoff wurde in Wahrheit 1974 in Wickede geboren und lebt in Berlin. Er war als Lokalreporter, Musik- und Sprachlehrer tätig und ist seit 2008 freier Schriftstel-ler. Sein Debütband Tasmon wurde im Times Literay Supple-ment von Alberto Manguel zu den „Books of the Year 2007“ gekürt.

Dieter Stolz Germanist und Sprachwissenschaftler moderierte die Veranstaltung motiviert, be-geistert und gekonnt. Stolz ist auch Lektor Palzhoffs. Zunächst sprachen Palzhoff und Stolz über die Verbindung Palzhoffs zu Heinrich Heine.Palzhoff wurde bereits mit dem Preis „ junger Heine Forschung“ ausgezeichnet. Er beschäftigte sich viel mit Heine in seinem Studium der Literaturwissen-schaft und folglich prägt Heine sowohl Palzhoffs Leben, als auch seine Literatur. Auch seine phan-tasierte Kurzbiografie weißt Par-allelen zum Leben Heinrich Hei-nes auf. Beispielsweise gingen sowohl Palzhoff, als auch Heine ins Exil nach Frankreich.

7. Veranstaltung Heinrich Heine Heute: Thorsten Palzhoff liest Tasmon

Foto: bachmannpreis.eu

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Kultur |

Auf die Frage von Stolz, „ wie er sich ohne die Vergangenheit er-lebt zu haben, dies so Geschichts-getreu in seiner Biografie auf-nehmen kann “ antwortet Palz-hoff: „Man muss nicht alles erlebt haben, um sich erinnern zu kön-nen.“Über Meinungen lässt sich be-kanntlich streiten. Sich mit Heine zu vergleichen, sich teils mit ihm auf eine Ebene zu stellen und erfundene Aussagen über ihn zu treffen, beziehungsweise auch ein Treffen Palzhoffs mit Heine in dem Palzhoff sich mit diesem unterhält wirkt teilweise arrogant und ziemlich überheblich. Palz-hoff Humor muss man versuchen zu verstehen, um seine Aussagen amüsant zu finden. Gelingt dies jedoch, sind der Begeisterung keine Grenzen mehr gesetzt. Au-ßerdem muss betont werden, dass er in seiner Kurzbiografie sehr viel geschichtliches Wissen ein-bringt, es ist quasi ein Abriss der neueren Geschichte von 1599 bis 2004

Zu Heine äußert sich Palzhoff, dass dieser nie trocken geschrie-ben habe.. Heine schrieb in einer Umbruchsphase zwischen der Romantik und dem modernen Realismus. Hier zieht Palzhoff erneut eine Parallele. Auch wir befinden uns in einer Um-bruchphase. In einer Phase in der das Buch verschwinden wird. Die zweite Parallele wird inhalt-lich gezogen. Er schreibt sowohl über vergangenes Geschehen als auch über die Gegenwart. Heine schrieb seinerzeit ebenfalls über verschiedene Zeiten. Beispielswei-se über die Antike und über die Moderne.

Im Folgenden betont Palzhoff noch, dass jeder Schriftsteller ein eigenes Schreibtemparament be-säße, folglich könne man Heine nicht nachahmen. Stolz hatte zu-vor gefragt, inwieweit Palzhoff den Schreibstil Heines imitiere. Als letzter Punkt, bevor Palzhoff aus seinem Buch „Tasmon“ las, kam das Thema Heine und die Musik auf. Stolz fragte Palzhoff, inwieweit dieser die musische Sprache in seinem Werk verwen-det habe, wie Heinrich Heine es tat. Darauf antwortete Palzhoff, er sei sich nicht wirklich darüber bewusst in wie weit sein Schrei-ben musisch klänge, darüber ha-

be er sich noch keine richtigen Gedanken gemacht.

Nun nach dem Gespräch über Heine fängt Palzhoff an aus sei-nem Buch „ Tasmon“ zu lesen. Dieses lässt sich in 3 Teile eintei-len.

1)Russland zur Zeit Stalin2)1982: DDR Fluchtgeschichte3)Heute

Doch nun zunächst eine kurze Inhaltsangabe seines Buches.

Grenzüberschreitungen:"Lewkin" beginnt am 24. Januar 1942 im bitterkalten Leningrad

Foto: Heinrich-Heine Institut

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Kultur |

während der Blockade durch deutsche Truppen. Brennstoff-mangel, Hunger und Kanniba-lismus prägen den Alltag. Eine Gruppe Intellektueller trifft sich trotz allem, um das Werk des verstorbenen Schriftstellers Ob-wyjow zu würdigen. Alles dreht sich um eine verschollene Erzäh-lung. Was hat es mit dieser Ge-schichte auf sich?In "Tasmon" dient der hohe Ton des dubiosen Märchenerzählers zur Maskierung seiner Identität. Gerichtet ist dieses Bekenntnis an Frank Alba, einen Mann aus Thüringen, der nun in Brasilien lebt. Nach und nach verdichtet sich der Verdacht, dass das spur-lose Verschwinden seines Vaters mit einer DDR-Fluchtgeschichte zusammenhängt."Laura", eine ironisch gebroche-ne Dreieckspassion, spielt 2006 in Berlin. Jonas schreibt Petra von seiner als dämonische Heimsu-chung erlebten Liebe zu Laura. Plötzlich wird er tot aufgefunden, kurz danach nimmt Laura sich das Leben. Doch Totgesagte le-ben länger.Am Anfang steht stets ein schmerzhafter Verlust. Unter-schiedlich motivierte Erzähler legen den Finger in die Wunden. So gelingt es dem Autor dank dieser atmosphärisch dichten Pro-sastücke - sprachliche Souveräni-

tät, intellektuelle Heraus-forderung und Emotionali-tät gehen Hand in Hand -, seine Leser zu fesseln. Nachwelten tun sich auf. Am Ende stehen drei eben-so sinnenfrohe wie poeti-sche Erzählungen über die Ohn-macht der Fiktion.Der Zuhörer war von der Stimme Palzhoffs wie ge-bannt. Es lag eine überwäl-tigende Stille und Span-nung im Raum während Palzhoff aus seinem De-bütband „ Tasmon“ las. Er benutzte sehr viele Sprach-liche Mittel, viele Meta-phern und Bilder. Der Zu-hörer hatte das Gefühl von ihm in eine andere Welt mitgenommen worden zu sein. Sein Debütband ist eine Mischung aus realem Leben und einer Märchenwelt. So verwendet auch viele Sprach-wendungen aus typischen Mär-chen und eine ist besonders hän-gengeblieben, in einer Textpassa-ge baute er passend das Zitat aus Hänsel und Gretel ein „ Der Wind, der Wind, Das himmlische Kind“. Tasmon ist sehr farben-reich geschrieben, jedoch sind diese Farben fast durchweg dun-kel und teils beängstigend, aber passend zu der Stimmung die im Buch vermittelt wird.

Seine Anwendung jedes sprachlichen Mittels, scheint ge-konnt eingesetzt wor-den zu sein.Nachdem Palzhoff seine Lesung beende-te und der Zuschauer langsam in die Reali-t ä t z u r ü c k g e h o l t wurde, wurde noch über die Verbindung

Palzhoffs und Heines in Tasmon gesprochen. So erfuhr der Zu-schauer dann, ohne vorher beim Zuhören gemerkt zu haben , dass Palzhoff Zeilen Heines (bei-spielsweise aus Heines Seege-spenst (Nordseezyklus)) mit in sein Werk eingebaut hatte.Abschließend las Palzhoff noch aus einem Roman, der noch im entstehen ist und aus dem er noch nie irgendwo einen Ausschnitt gelesen. Es war also nahezu eine Ehre als erstes aus seinem neuen Werk zu hören. Für die Premiere war es ausgezeichnet und der Zuhörer kann kaum erwarten, dass das Buch in einigen Jahren veröffentlicht werden wird.Insgesamt eine hochinteressante Veranstaltung!Nähere Infos unter: www.duesseldorf.de/heineinstitut

Korinna Lutz

Foto: bachmannpreis.eu

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Kultur |

Kultur in NRW:Von Jesus bis David Lynch –

Von Afrika bis Kanada

Der Dezember hat begonnen. Das Weihnachtsfest steht vor der Tür. Seit etlichen Wochen hat der Einzelhandel den äußerst ge-winnbringenden Charakter der Schokoladen-Nikoläuse entdeckt. Das ereignisreiche Jahr 2009 neigt sich dem Ende zu. Doch die Kultur in NRW erlebt einen Frühling nach dem anderen. Die folgenden vier Kultur-Highlights vereinen Visionen aus verschie-densten geographischen und ide-ellen Richtungen. Ein kleiner Ü-berblick des etwas anderen Ver-anstaltungskalenders:

Düsseldorf, Tanzhaus NRW, 4. und 5. Dezember 2009Die 51-jährige Louise Lecavalier bringt dieses Wochenende zeitge-nössischen Tanz aus Kanada auf die Bühne des Tanzhaus NRW. Mit der Weltpremiere von "A Few Minutes of Lock" sowie der deut-schen Erstaufführung von "Child-ren" führt die Starchoreografin zwei ihrer jüngsten Duette in Düsseldorf auf. Dabei steht je-weils ein männlicher Tanzpartner an ihrer Seite, welcher die Kana-dierin in ihrer Doppelrolle unter-stützt: Zum Einen ihre so charak-teristische visuelle Intensität der charismatischen Aussagekraft und zum Anderen ihre nicht zu über-sehende physischer Kraft. Vor dreißig Jahren kam sie zu der Tanzformation “La La La Hu-man Steps“ und den Choreogra-fen Édouard Lock, um schließlich in den achtziger Jahren mit dem sehr eigenen energiegeladenen,

akrobatischen, mit pirouettenbe-ladenen Stil Tanzgeschichte zu schreiben. Sie begleitete etwa den Musiker David Bowie auf Tour und spielte im Musik Video zum Megahit „Fame“ mit.Mit der Uhraufführung von „A Few Minutes of Lock“ begibt sich die Kanadierin mit dem Tänzer Elijah Brown auf eine innere Spurensuche: „Begleitet von Songfragmenten der amerikani-schen Punk-Ikone Iggy Pop, spürt sie darin den Bezügen zur Ge-genwart nach, irgendwo verord-net zwischen persönlicher Bio-grafie, bewegungsästhetischer Recherche und Körpergedächt-nis“, kündigt das Tanzhaus die 13-minütige Veranstaltung an. Die Verwandtschaft mit dem mo-dernen Roadmovie findet sich auch im zweiten Arrangement des Wochenendes. Der britische Choreograf Nigel Charnock lässt die beiden Duettpartner im 50-minütigen Stück "Children", das im Sommer 2009 im italienischen Rovereto uraufgeführt wurde, „eine intensive Begegnung zwi-schen Mann und Frau, Himmel und Hölle, Hingabe und Dom-inanz, Widerstand und Nähe“ durchleben. Oder besser gesagt: durchtanzen.

http://www.louiselecavalier.comhttp://www.tanzhaus-nrw.de

Mülheim, Theater an der Ruhr, bis 6. DezemberWas kann ein Philosophie-, BWL-, oder Jurastudent mit Afri-

kanischem Theater anfangen? Vermutlich relativ wenig. Erste Aufschlüsse darüber vermag die Produktion "Auf Leben und Tod/A la vie, à la mort" des bur-kinischen Regisseurs Etienne Mi-noungou vermitteln. In französi-scher Sprache und mit deutschen Übertiteln soll das Stück des aus Ouagadougou stammenden Lei-ters einen Reflex auf die politi-sche Situation im westlichen Afri-ka darstellen. Der sechzigminüti-ge Dialog zweier Häftlinge – der eine zu lebenslänglicher Strafe, der andere zum Tode verurteilt – zeigt auf zugleich bedrückende und humorvolle Art und Weise die Suche zweier Verbrecher nach Freiheit: Wenn schon nicht in der physischen Welt, dann doch zumindest in der Seele. Der Schauspieler Bienvenu Bonkian, selbst unheilbar erblindet, verleiht dieser Suche im Innern eine ge-spenstisch realistische Kompo-nente.

Der gute Rat „die Schöne Aus-sicht genießen!“ prangt auf der Internetpräsenz des internationa-len Festivals „Theater der Welt 2010“, welches im Sommer star-tet. Als Vorbereitung auf die alle drei Jahre stattfindende Veran-staltung startet nun die Pro-grammreihe „Schöne Aussicht: Am Schauspiel Essen wird ge-kocht und philosophiert, bei PACT Zollverein gibt es Vorträge zu hören. Ab Dezember veran-staltet das Theater an der Ruhr Gespräche mit Künstlern, im Ja-

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Kultur |

nuar wird zu einer Diskussion zu Kulturmetropolen im Ringlok-schuppen geladen und ab Febru-ar werden internationale Filme in Originalversion in der Licht-burg gezeigt.“Mülheim ist mit dem RE6 in 26 Minuten erreichbar. http://www.theater-an-der-ruhr.de/de/repertoire/5358/detail/http://www.theaterderwelt.de

Oberhausen, Theater, Pre-miere: 20. November 2009„Jesus Christ Superstar!“ Das wäre wohl ein möglicher Kom-mentar, den Passanten laut aus-riefen, ginge da der wahrhaftige Sohn Gottes über die Straßen Oberhausens. Der Frage, was denn sonst noch alles passieren würde, geht der Regisseur Joan Anton Rechi in seiner "Oberhau-sener Johannes-Passion" nach. Der Dramatiker Lothar Trolle schreibt die Szenen und Texte zur bekannten Musik von Johann Sebastian Bach.„Ich folge dir gleichfalls mit freu-digen Schritten und lasse dich nicht, mein Leben mein Licht. Befördre den Lauf und höre nicht auf, selbst an mir zu ziehen, zu schieben, zu bitten.“ – Am Karfreitag im Frühling des Jahres 1724 wurde Bachs Johannes-Pas-sion in der Leipziger Nicolai-Kirche uraufgeführt. Der Pass-ionsgeschichte, also dem bibli-schen Bericht vom Leiden und Tod Jesu Christi, wurde schon seit jeher eine besondere Bedeu-tung beigemessen. Aber auch ein besonderer Unterhaltungswert? Der Schriftsteller Trolle nahm sich der Sache an und beschreibt den wandelnden jüdischen Wan-derprediger, der unter Zeitnot sich in der urbanen Welt zu-rechtzufinden versucht: „Kaum

biegt man von der Marktstraße nach links ab, dann kurz über den Bach Kidron zur kleinen palästinensischen Parkanlage, kaum hingesetzt, kommt auch schon wieder die Polizei. Kon-trolle. Ausweise bitte. „Wen aber suchet ihr?“ Schon klar: Jesum von Nazareth. „Na, dann komm mal mit, Je-sus.“ Verhaftung.“ Die Straßen Oberhausens wie auch die Uni-formierten müssen sich wohl an diesen Anblick gewöhnen. Zu-mindest im Stück.Oberhausen ist mit dem RE5 in 23 Minuten erreich-bar.

http://www.theater-oberhausen.de/

Brühl, Max Ernst Museum, 22.11.2009 bis 21. Merz 2010„Bitte beachten Sie, dass einige der in der Ausstellung gezeigten Kunstwerke Ihre Wert- oder Mo-ralvorstellungen verletzen kön-nen. Dies gilt insbesondere für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren, die deshalb nur in Beglei-tung Erwachsener auf deren Verantwortung die Ausstellung besichtigen sollten.“ Wenn dieser Hinweistext nicht eine Einladung par exellence ist, dann ist der dort vorgestellte OEvre des Re-gisseurs, Malers, Fotografen und Animationskünst lers David Lynch nur ein Frühstücksgericht aus Eiern. Der US-amerikani-sche Meister der Doppeldeutig-keit und des Rätselhaften hat mit Filmen wie "Mulholland Drive", „Lost Highway“, „Blue Velvet“ und der Fernsehserie "Twin Pe-aks" schon Maßstäbe im Myste-ry-Fach gesetzt. Seine Kunstwer-ke sind nun erstmals in Deutsch-

land in der Ausstellung „Dark Splendor“ zu sehen.Im Max Ernst Museum Brühl wird auf beeindruckende Art und Weise gezeigt, dass sich die Themenkomplexe und allegori-schen Ausdrucksformen seiner bildkünstlerischen Arbeiten an vielen Stellen mit seinen mit Preisen überhäuften Filmen ü-berschneiden. In der Ausstellung werden Gemälde, Aquarelle, Li-thographien, Zeichnungen, Foto-grafien sowie eine Rauminstalla-tion zu sehen sein, dazu eine Reihe kaum bekannter Kurzfilme aus der Akademiezeit des Regis-seurs.„In seinen verstörenden Bildern führt er den Betrachter in eine Welt, in der das Abgründige und Unerklärliche regiert. Dunkle, gedeckte Farben, Perspektiv- und Proportionsverschiebungen und die Kombination von Gegen-ständen, die scheinbar nichts miteinander zu tun haben, zu-sammen im Bild jedoch eine neue Aussage ergeben, sind cha-rakteristisch für das bildkünstleri-sche Werk von Lynch.“, kündigt der Landschaftsverband Rhein-land an. Der aus Montana stammende Visionär vereint in seinen düsteren Bildern eigen- und einzigartige, ausdrucksvolle, bisweilen anstrengende Ideen eines lynchschen Bildmotivs, das von in Rost erstickenden Indust-rieanlagen bis hin zu befremden-der Erotik reicht. Ein Erlebnis in einer scheinbar anderen Welt. Ein Glück, dass David Lynch uns Zugang zu dieser Welt gewährt. Brühl ist mit dem RE1 in 47 Minuten erreichbar.

http://www.maxernstmuseum.de

Aktuelle Kulturtermine auf:http://www.kulturserver-nrw.de/

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Wo informiert sich eigentlich der Student im 21. Jahrhundert?Dieser Fragestellung widmen sich nicht nur eifrige Redakteure von großen Zeitungen (mit dem Re-sultat, dass sie dann Online-Platt-formen einrichten), sondern auch der Allgemeine Studierenden Ausschuss (AStA) der Heinrich-Heine-Universität.Mit einer Auflage von 1500 Exemplaren erreichte bisher die Campus Delicti einen Teil der knapp 16000 Stu-dentinnen und Studenten am Campus. Bei Wind und Wetter verteilen eifrige Re-dakteure der Uni-Zeitung jede Woche das neuste E-xemplar an der “Mensa-Brücke”, doch werden da-durch wirklich alle der 16.000 erreicht?Vermutlich nicht.Schließlich ist es kein Ge-heimnis, dass nur wenige Studentinnen und Studenten über die aktuellen Themen in der Hochschulpolitik, das Kul-turprogramm oder sonstige Ver-anstaltungen am Campus Be-scheid wissen.Aber warum? Ist es die Ignoranz, die “Ist-mir-egal”-Haltung der Studentenschaft oder aber die schwere Zugänglichkeit zu den aktuellen Informationen?Bekannte Studien belegen schon seit Langem, dass sich die Stu-denten 2.0 lieber “kurz und bün-dig” im Internet informieren statt sich lange Artikel durchzulesen. Da das Studium seine viele Stu-dentinnen und Studenten ohne-

hin schon mit langen Textpassa-gen konfrontiert, wodurch sie in ihrer Freizeit nur bedingt bereit wären sich durch weitere Texte zu informieren.

Der Allgemeine Studierenden Ausschuss hat dieses Problem nun erkannt: Ab der 2. Januarwoche 2010 soll es eine regelmäßige Nachrichten-

sendung an der Uni geben. Alle zwei Wochen soll jeweils diens-tags ab 20:00 Uhr eine neue Ausgabe der “Campus NEWS” auf dem AStA-Channel im In-ternet abrufbar sein.Im “6-Minuten-Format” soll prä-zise und vielseitig über das aktu-elle Geschehen in der multimedi-alen Form informiert werden.Durch die Einführung der Nach-r i c h t e n s e n d u n g “ C a m p u s NEWS” soll die Öffentlichkeits-arbeit der Campus Delicti im Internet ergänzt werden, um eine größere Bandbreite der Studie-rendenschaft ansprechen zu kön-nen.

Wem die kurz gehaltenen Infor-mationen der Campus NEWS zu knapp sein sollten, der kann sei-nen Wissenshorizont dann durch umfassendere Berichterstattung in der Campus Delicti ergänzen.Für Schwerpunktthemen soll es neben den Campus NEWS auch noch einen AStA-Channel-BRENNPUNKT geben. Darin wird dann im bereits bekannten

“Kurz-Video-Format” ein Schwerpunkt von The-menbereichen behandelt. D e r A S t A - C h a n n e l -BRENNPUNKT soll somit als Art Sondersendung fun-gieren und kommt in unre-gelmäßigen Abständen. Für den Erfolg dieses For-mats ist es unabdingbar, dass die Studentenschaft der Heinrich-Heine-Uni-versität sich ebenfalls aktiv beteiligt: Themenanregun-gen, Verbesserungsvor-

schläge oder auch nur simple Rückmeldungen sind wichtig um den Anforderungen der Studie-renden gerecht werden zu kön-nen.

Abschließend bleibt festzuhalten, dass nur ein verbesserter Infor-mationszugang es den Studen-tinnen und Studenten ermög-licht, sich aktiv am “Campus-Le-ben” einzubringen. Dies ist die Zielsetzung des neuen AStA-Channels:Kurz. Sachgerecht. Präzise....Die Campus NEWS

Jan Schönrock

Dinge, die die Welt bewegenInformation durch das Netz?!

Foto: flickr-user: Oberazzi

Kultur |

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DIE WOCHENZEITUNG FÜR DIE HEINRICH HEINE UNIVERSITÄT DÜSSELDORF AUSGABE NR. 314

Liebe Redaktion der Campus Delicti,

vielen Dank zunächst dafür, dass Ihr jede Woche wieder so viel Zeit und Arbeit in unsere Wochenzeitung inves-tiert. Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie stressig und undankbar eine solche Aufgabe ist, und weiß es somit um-so mehr zu schätzen.

Der aktuell erschienene Artikel zur Schweinegrippe hat mich jedoch ziemlich enttäuscht. Mit dem Ziel, die aktu-elle Lage sachlich zusammenzufassen und ein möglichst breites Meinungsbild zur Thematik abzubilden, hat der Autor sich meiner Meinung nach selbst ein wenig verheddert. So wurde mir letztendlich nicht klar, welche Positi-on er selbst vertritt und was er dem Leser nun wirklich empfiehlt. Zu Beginn heißt es, das wenig panische Um-frageergebnis des StudiVZ müsse hinterfragt werden, die Impfkritiker werden in Zusammenhang mit BILD ge-bracht und - wenn auch in indirekter Rede - als "idiologisch verdreht" bezeichnet, es kommt ein Experte in gro-ßem Umfang zu Wort, der die Schweinegrippe als Gefahr bezeichnet und eine Impfung unbedingt befürwortet. Auf der anderen Seite wird mehrfach betont, dass man sich definitiv nicht in Panik versetzen lassen solle und die Entscheidung, ob Impfung oder nicht, bei einem jeden selbst liege.

Ich hätte mir hier erst einmal ein wenig mehr Ausgewogenheit gewünscht, wenn es doch um einen Überblick über die aktuelle Lage geht und man sich als Campus Delicti nicht ebenfalls auf der Panikwelle wiederfinden möchte. Warum wurde nicht auch jemand befragt, der der Hysterie und auch der Impfung kritisch gegen-übersteht? Auch auf Seiten von Medizinern gibt es davon etliche und es wäre Quatsch zu behaupten, Kritik kä-me nur von "ideologisch verdrehten Personen".

Doch für mich persönlich wäre nicht nur mehr Ausgewohnheit schön gewesen - ich hätte eine generell kritischere Herangehensweise angebracht gefunden. Argumente gegen den nicht ausreichend erprobten Impfstoff und die Impfstoffverstärker werden in indirekter Rede und mit zwei Sätzen kurz abgehandelt. Da wird erläutert, dass das Gesundheitsamt und "einige" Arztpraxen die Impfung anbieten, ohne darauf einzugehen, warum die meisten Arztpraxen sich dagegen entschieden haben. Warum muss man eigentlich vor der Impfung unterschreiben, dass die Behandlung auf eigene Verantwortung geschieht? Warum wurde die Definition der WHO von "Pandemie" erst dieses Jahr noch herabgesetzt? Warum berichten die Medien tagtäglich über Tote und schüren Angst, ob-wohl H1N1 definitiv milder abläuft als die ganz normale saisonale Grippe? Das sind die Fragen, die mich be-schäftigen - und nicht die, welche Möglichkeiten sich anbieten, um Grippen vorzubeugen. Wie in jedem Winter sollte doch jedem klar sein, dass Viren umherschwirren und es hilfreich ist, sich regelmäßig die Hände zu wa-schen. Wer ein geschwächtes Immunsystem hat, lässt sich eben impfen. Alles wie gehabt und nichts, wofür ich einen Experten fragen muss.

Ich kenne mittlerweile schon zwei Personen, die H1N1 hinter sich gebracht haben - beide waren nach kurzer Zeit wieder topfit und haben mich nicht angesteckt, obwohl ich zu beiden kurz vor Ausbrechen der Krankheit noch Kontakt hatte. Das ist für mich das Argument "on top", mich mit Sicherheit nicht impfen zu lassen. Und einen Impfzwang - der auch nur kurz und völlig unkritisch im Artikel angeschnitten wurde - werden sich hoffent-lich viele, viele Menschen hier nicht gefallen lassen.

Viele GrüßeMelissa Schiefer

Berichtigung zur Ausgabe Nr. 313Natürlich heißt der Künstler Beuys und nicht Boys. Vielen Dank an unseren Leser Rudolf Schmitt-Föller für diesen Hinweis.

Leserbriefe

Leserbrief |

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DIE WOCHENZEITUNG FÜR DIE HEINRICH HEINE UNIVERSITÄT DÜSSELDORF AUSGABE NR. 314 DIE WOCHENZEITUNG FÜR DIE HEINRICH HEINE UNIVERSITÄT DÜSSELDORF AUSGABE NR. 314

Streik, keine Zeit! – jetzt aber ran an den Bachelor

Mit Spannung verfolge ich den Studentenstreik hier in Düsseldorf und in der ganzen Bundesrepublik und schulde all diesen Studenten und Kommilitonen meine Solidarität.

Auch viele unserer Professoren, sowohl aus wirtschaftwissenschaftlichen als auch naturwissenschaftlichen Fakul-tät, haben uns Solidarität in Veranstaltungen bekundet. Interessant für mich war, dass dort allerdings im glei-chen Atemzug die Frage nach den „Schuldigen“ des Bologna Prozesses angemahnt wurde. Dies sei nicht die Politik, sondern die Forderung nach Revision der Hochschulpolitik erfolgte aus der Wirtschaft heraus. Es wur-den „junge“, gutausgebildete Nachwuchskräfte geforderte.

Ich möchte diese Proteste jetzt nicht den Wind aus den Segeln nehmen, viele Argumente sprechen dafür; hier für mich die wichtigsten:

• Es gibt zu viele Klausuren. Prüfungsordnungen sind oft fehlerhaft, bzw. üben massiven Druck auf den einzelnen Studenten aus. • Das Komprimieren des Lehrstoffes von acht Semestern auf fünf bis sieben Semester ist in einigen Be-reichen nicht gelungen. Der Student muss mehr leisten, hat größere• „Prüfungsängste“ und steht häufiger unter Stresseinwirkungen.• Das „Verschulen“ nimmt die studentischen Freiheiten, verhinder Kreativität, Innovation und den Selbstfindungsprozess.

Verdeutlichen möchte ich dies daran, dass ich (Wirtschaftschemiestudent, 5. Semester) nicht einmal dazu in der Lage war, den Hörsaal mit zu besetzten. Mein Stundenplan ist voll mit Vorlesungen, (Labor-)Praktika, Übung, Lernzeit und Klausuren.Es stellt sich dann schon die Frage, wie einige Kommilitonen es schafften tagelang einen Hörsaal zu besetzen, ohne im „verschulten“ Studienverlaufsplan hinterherzuhinken.

Für mich steht fest: Zurück zum Diplom möchte ich nicht. Dazu möchte ich ein Beispiel anbringen:

Während der Hörsaal 3D besetzt wurde schrieb ich eine Probeklausur. Eindrucksvoll war für mich die Auswer-tung des Professors in der folgenden Woche: mehr als 80% der Bachelor-Studenten hatten an der Probeklausur teilgenommen (es gab Bonuspunkte(-;)), bei den Diplomern waren es 3% („Wozu eine freiwillige Klausur schrei-ben?“).Das der Professor mit der Probeklausur unseren Wissensstand abfragen wollte um evtl. Seine Vorlesungsorgani-sation anzupassen war wohl vielen nicht klar.

Man wird dazu gezwungen im Stoff voranzukommen, dann folgt die Klausur und das Modul ist im guten Fall bestanden, darauf folgt das nächste Semester mit neuen Modulen und so weiter. Ich sehe da durchaus einen Vorteil: ich studiere schneller aber intensiver (verglichen mit dem Diplom), muss weniger BAföG zurückzahlen und kann schneller anfangen zu Arbeiten.In unserem Fach sind wir die ersten Bachelors, hinzu kommt die Schwierigkeit, dass wir Veranstaltungen zweier Fakultäten belegen. Hier und da fällt die Umstellung sicherlich schwer: zum Beispiel müssen Wahlpflichtmodule in der BWL, die jeder Student individuell belegen kann, mit den Chemieveranstaltungen in der anderen Fakul-tät kollisionsfrei angeordnet werden. Das ist ein sehr bürokratischer Aufwand, doch er wurde im Großen und Ganzen erfolgreich überwunden. Wir Studenten mussten mit dem Lehrapparat reden und manchmal diskutie-ren bis man zu einer passenden Lösung kam. Allerdings haben wir uns nicht bei einem Konfliktpunkt sofort beim Rektor beschwert. Änderungen sind schneller „an der Front“ zu lösen. Verbesserungen werden wirksam,wenn beide Parteien konstruktive im Dialog bleiben.

Leserbrief |

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Mein Tipp: Eine gute Idee stößt nicht auf Professors taube Ohren!

Wir können für unser Recht kämpfen (immerhin bezahlen wir auch Studiengebühren). Beispielsweise kann dann eine überfüllte Übung durch Einstellung eines neuen wissenschaftlichen Mitarbeiters für Entlastung und gute Luft im Hörsaal sorgen.

Das die Weichen politisch gelegt sind ist dafür jedoch Grundlage!

Ich hoffe, dass die vielen Streiks und studentischen Engagements die Politik, die Gesellschaft und ganz besonders die Wirtschaft aufrütteln.

Das Bachelor-/Master-System muss möglichst schnell kritisch überdacht und optimiert werden. Vielleicht bes-teht dann noch die Chance, dass auch wir während unserer Reststudienzeit davon noch profitieren.

Stephan Dörries

Hinweis zu den LeserbriefenWir haben diesmal die Leserbriefe in voller Länge abgedruckt. Ab der nächsten Ausgabe gilt: Der Leserbrief darf maximal eine halbe Seite lang sein. Kürzungen behält sich die Redaktion vor.

Sudoku

Leserbrief |

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AStA der Heinrich-Heine Universität DüsseldorfUniversitätsstrasse 140225 DüsseldorfTel.: +49 (0)211/81-13172E-Mail: [email protected]

REDAKTION

Robin TellerMartin BlümThomas AdamczykHelena BehleMaret ZepernickDavid Karen ShaverdovVictor RothKorinna LutzRobin PützJan SchönrockGünay Muradova

TitelbildHerbert SchedlbauerFlickr-user: Shabir Siraj

LayoutLeonid Shmatenko

DruckTupper, Asten-Druckerei

Auflage1500

V.i.S.d.PDavid Karen Shaverdov

Druckfehler vorbehalten.Wir behalten uns vor Leserbriefe zu kürzen.

Alle Rechte vorbehalten.

Do 3.12.Ganztägig FS Pharma [SP] SP-Saal

Do 03.12.18:00 Uhr Vortragssaal der Universitäts- und Landesbibliothek DüsseldorfVortragsreihe der Graphiksammlung "Mensch und Tod" der HHU DüsseldorfTod in Serie: Der Totentanz in der DruckgraphikDr. Stefanie Knöll, Kustodin der Graphiksammlung "Mensch und Tod", HHU Düsseldorf

Fr 04.12.Vortragsraum der Universitäts- und LandesbibliothekThomas Mann-Gesellschaft Düsseldorf Universitäts- und Landesbiblio-thekProf. Dr. Johannes RoskothenFirma? Ruiniert. Familie? Ausgestorben. Häuser? Weg. Figurationen des Abstiegs in Thomas Manns erstem Roman "Buddenbrooks. Verfall ei-ner Familie".

Fr 4.12.Ganztägig FS Psycho [SP] SP-Saal

Sa 5.12.Ganztägig FS Chemie [SP] SP-Saal

Di 8.12.19:00-21:00 Frauenref Infoveranstaltung In der TeestubeVortrag mit Kooperation mit der Rosa-Luxemburg Stiftung und dem Frauenreferat der FH Düsseldorf: „Wie queer ist queer?“

Mi 9.12.DEUTSCHE OPER AM RHEIN – Mozart „Die Zauberflöte“Opernhaus DüsseldorfPreis: 7€ (begrenztes Kartenkontingent)http://www.rheinoper.de/

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