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Brückenstatik gestern und heute – Nachrechnung...

Date post: 08-Oct-2020
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V13 - 1 Brückenstatik gestern und heute – Nachrechnung Straßenbrücke über DB Mannheimer Straße in Weinheim Prof. Dr.-Ing. Walter Pauli, Hochschule Darmstadt Zusammenfassung: In Deutschland gibt es ca. 120 000 Brücken. Im Zusammenhang mit einem immer höher werdenden Verkehrsaufkommen und der Änderungen der grundlegenden Regelwerke wird in den kommenden Jahren im Zuge der Instandhaltung verstärkt die Nachrechnung einzelner Brücken erforderlich werden. In diesem Beitrag wird anhand der Nachrechnung einer Straßenbrücke auf mögliche unterschiedliche Berechnungsmethoden eingegangen. Summary: In Germany there are about 120 000 bridges. Due to ever-increasing traffic volumes and changes in the Design Codes in the coming years, the recalculation of individual bridges will be more required as part of scheduled maintenance. In this article different methods of calculations are discussed on the basis of the recalculation of a road bridge.
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V13 - 1

Brückenstatik gestern und heute –

Nachrechnung Straßenbrücke über DB Mannheimer Straße in Weinheim

Prof. Dr.-Ing. Walter Pauli, Hochschule Darmstadt

Zusammenfassung: In Deutschland gibt es ca. 120 000 Brücken. Im Zusammenhang mit einem

immer höher werdenden Verkehrsaufkommen und der Änderungen der grundlegenden Regelwerke

wird in den kommenden Jahren im Zuge der Instandhaltung verstärkt die Nachrechnung einzelner

Brücken erforderlich werden. In diesem Beitrag wird anhand der Nachrechnung einer

Straßenbrücke auf mögliche unterschiedliche Berechnungsmethoden eingegangen.

Summary: In Germany there are about 120 000 bridges. Due to ever-increasing traffic volumes and

changes in the Design Codes in the coming years, the recalculation of individual bridges will be

more required as part of scheduled maintenance. In this article different methods of calculations are

discussed on the basis of the recalculation of a road bridge.

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V13 - 2

1 EINFÜHRUNG

1.1 Straßenbrücken in Deutschland

Das deutsche Straßennetz umfasst ca. 650.000 km, davon sind 11.427 km Autobahnen und 41.386

km Bundesstraßen, über 86.000 km Landes- und Staatsstraßen sowie 91.000 km Kreisstraßen. Die

ca. restlichen 420.000 km sind nicht klassifizierte befestigte Straßen im Verantwortungsbereich der

Kommunen. Die Zahl der Brücken in Deutschland dürfte bundesweit bei ca. 120.000 liegen, das

heißt auf 5,4 km Straße kommt eine Brücke. Das deutsche Brückenvermögen wird von Fachleuten

auf 80 Mrd. Euro geschätzt [1].

Alle Brücken werden vierteljährlich auf ihre Verkehrssicherheit hin überprüft. Dabei wird vor allem

die Funktionssicherheit von Einbauteilen, wie Fahrbahnübergängen und Entwässerungseinrichtun-

gen sowie der Schutzvorrichtungen, wie Geländer und Lärmschutzwänden kontrolliert. Einmal

jährlich wird jede Brücke intensiv besichtigt, im Falle von Hochwassern oder Unfallbeschädigun-

gen auch häufiger. Alle drei Jahre folgt eine genaue Prüfung hinsichtlich der Tragfähigkeit,

Standsicherheit und des baulichen Zustandes. Alle Über- und Unterbauten werden untersucht, alle

funktionellen Einbauteile, Brückenausrüstungen, Sicherheitsmaßnahmen und überführte Leitungen

geprüft. Im Rhythmus von sechs Jahren erfolgt eine Hauptprüfung, die erste direkt nach

Fertigstellung des Bauwerkes. Dabei werden alle Bauwerksteile untersucht, die Spannweite der

Maßnahmen reicht vom Abklopfen der Betonflächen und der Kontrolle des festen Sitzes von

Verbindungsmitteln bis zum Messen von Rissen oder Verformungen. Hinzu kommen chemischen

Untersuchungen um z. B. das Korrosionsrisiko abzuschätzen. Ziel dieser Untersuchungen ist es, den

Erhalt der Funktionstüchtigkeit und der Standsicherheit von Brückenbauwerken zu gewährleisten.

Mit den für den Brückenbau gültigen Teilen der EN 1991-3 (Eurocode 1, Teil 3), „Verkehrslasten

für Brücken“ liegen Lastannahmen für Brücken vor, die in naher Zukunft für die Berechnung von

Brücken in ganz Europa verbindlich sein werden. Bis zu einer vollständigen Harmonisierung sind

zusätzlich die nationalen Anwendungsdokumente mit nationalen Festlegungen, Ergänzungen und

Änderungen zu beachten. Für Deutschland gilt hier der DIN Fachbericht 101. Die dort vereinbarten

Lastmodelle berücksichtigen bereits das aktuell wachsende Verkehrsaufkommen insbesondere im

Hinblick auf den Schwerlastverkehr.

Dem Großteil der bestehenden Brücken in Deutschland liegen jedoch die Lastmodelle der DIN

1072 zugrunde. Damit wird in aller Regel bei der Nachrechnung bestehender Brücke eine

Diskrepanz zwischen dem seinerzeit verwendeten und dem aktuell gültigen Lastmodel bestehen.

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V13 - 3

Die Nachweise bezüglich der Trag- und Gebrauchsfähigkeit sind bei einer Großzahl der

Bestandsbrücken aus Stahlbeton und Spannbeton gemäß DIN 1045 und DIN 4227 geführt. Im

Vergleich zur aktuellen Norm DIN 1045-1 bzw. der in naher Zukunft gültigen europäischen Norm

EN 1992 (Eurocode 2) hat sich das Sicherheits- und Nachweiskonzept grundlegend geändert.

Beide Punkte – Lastannahmen und Nachweiskonzept – bedingen, dass die Nachrechnung eines

Brückenbauwerks punktuell kaum noch vergleichbar ist. Einzig die Beurteilung der Bemessungser-

gebnisse und daraus abgeleitete Aussagen hinsichtlich der Gebrauchs- und Tragfähigkeit erlauben

eine Wertung.

Über die normativen Unterschiede hinaus lässt sich die Berechnungsmethode als ein weiteres

Kriterium bezüglich der Vergleichbarkeit anführen. Wurde eine statische Berechnung vor ca. 30

Jahren noch mehr oder weniger als Handrechnung erstellt, so steht dem heute meist eine

elektronische Komplettberechnung entgegen. Die Handrechnung bedingte eine Vereinfachung der

statischen Systeme, bei einer elektronischen Berechnung versucht man eher möglichst genau zu

rechnen. Diese Schere bei den Berechnungsmethoden macht die Vergleichbarkeit der Ergebnisse

nicht einfacher. Es könnte sogar soweit kommen, dass man die seinerzeit vorgenommen

Vereinfachungen als nicht mehr zutreffend erachtet und somit bereits infolge der Berechnungs-

methoden Differenzen zwischen einer Ursprungsstatik und einer Nachrechung erhält, die sich auf

die Beurteilung der Standsicherheit auswirken.

2 BAUWERK

2.1 Bauwerksbeschreibung

Bei dem hier vorgestellten Bauwerk handelt es sich um einen fünfzelligen Hohlkasten, der über

zwei Felder zur Überführung der Bundesstraße 38 (Mannheimer Straße in Weinheim) über die

Gleisanlagen der DB dient. Der Überbau ist auf zwei Widerlagern und einem Mittelpfeiler gelagert.

Die Stützweiten betragen 27.60 m und 23.10 m. Der Hohlkasten hat eine Querschnittshöhe von

1.22 m und eine Breite von 11.245 m. Die Dicke der Fahrbahnplatte beträgt 24 cm und die

Bodenplatte hat eine Dicke von 12 cm. Die Außenstege sind mit einer Breite von 40 cm und die

Innenstege mit einer Breite von 35 cm ausgeführt.

Je Fahrtrichtung sind zwei identische nebeneinander liegende Überbauten vorhanden. Die beiden

Überbauten sind mit einer Schleppplatte miteinander verbunden. Jeweils seitlich der Schleppplatte

bzw. innerhalb der innen liegenden Hohlkastenzellen sind Schienen für den Straßenbahnverkehr

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V13 - 4

vorhanden. Jede Brückenhälfte ist für zweispurigen Straßenverkehr und auf den außen liegenden

Kragarmen mit einem Fußweg ausgelegt.

Der Überbau ist ein gedrungener Hohlkasten mit sechs Stegen in Längsrichtung. Die Längsträger

sind mittels einer dem Momentverlauf angepassten Spanngliedlage vorgespannt. Die Vorspannung

in den Längsträgern erfolgt nach dem Spannverfahren von Bauer-Leonhardt mit 7-drähtigen Litzen

St 155/180. Vorgespannt wird von dem freien Auflager des längeren Feldes aus. Der Überbau ist in

der Längsrichtung voll vorgespannt. Die obere sowie die untere Platte ist in Querrichtung

beschränkt vorgespannt. Zur Vorspannung wurden Leoba Spannstäbe St 60/90 mit Ø 26 mm

verwendet. Querstege sind jeweils in den Drittelspunkten sowie am Anfang, in der Mitte und am

Ende angeordnet.

Abbildung 1: Straßenbrücke über die Gleisanlagen der DB, Mannheimer Straße in Weinheim

2.2 Unterlagen

Die Ursprungsstatik des Brückenbauwerks stammt aus dem Jahre 1956. Der Überbau wurde als

Zweifeldträger komplett per Hand nachgewiesen. Weitere Planunterlagen stammen aus dem Jahre

1990, die im Zuge der Erneuerung der Gehwege erstellt wurden.

2.3 Veranlassung

Im Juni 2008 wurden am Überbau Umbaumaßnahmen in Erwägung gezogen, die eine statische

Untersuchung erforderlich machten. In einem ersten Ansatz wurde der fünfzellige Stahlbetonhohl-

kasten als Trägerrost abgebildet und mit den Lastannahmen der Ursprungsstatik nachgerechnet.

Zusätzlich wurden die erhöhten Eigengewichtslasten aus einer Erneuerungsmaßnahme des

Gehwegs aus dem Jahre 1990 und die daraus resultierenden Lastexzentrizitäten berücksichtigt. Im

ersten Vergleich wurden die Schnittgrößen der Ursprungsstatik mit der Trägerrostberechnung

verglichen. Die Ergebnisse der Trägerrostberechnung führten zu dem Schluss, dass aktuell

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V13 - 5

Tragfähigkeitsdefizite nicht ausgeschlossen werden konnten, so dass als vorübergehende

Maßnahmen eine Rückstufung in Brückenklasse 16 veranlasst wurde.

Abbildung 2: Ursprungsstatik aus dem Jahre 1956

Abbildung 3: Längsschnitt Überbau

Abbildung 4: Querschnitt Überbau

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V13 - 6

3 NACHRECHNUNG

3.1 Mögliche statische Systeme

Im Wesentlichen bieten sich drei Möglichkeiten bezüglich der Abbildung als statisches System an.

Statisches System

Grad der

statischen

Unbestimmtheit

1. Stabwerk

n = 1

2. Trägerrost

n = 252

3. Faltwerk

n ≈ 100 000

Tabelle 1: Mögliche statische Systeme

3.2 Nachrechnung als Stabwerk

Die Abbildung als Stabwerk, stellte zum Zeitpunkt als die Ursprungsstatik erstellt wurde, die

nahezu einzig realisierbare Variante dar. Die Möglichkeiten hochgradig statisch unbestimmte

Systeme zu berechnen waren 1956 mangels rechentechnischer Möglichkeiten begrenzt. Die

Ursprungsstatik für den Überbau umfasste ca. 50 Seiten Handrechnung.

3.3 Nachrechnung als Trägerrost

Die sechs Stege in Brückenlängsrichtung sowie die über den Auflagern und in den Drittelspunkten

angeordneten Querträger suggerieren geradezu ein statisches System als Trägerrost, zumal der

Aufwand hinsichtlich einer EDV-Eingabe überschaubar bleibt. Die Auswertung der Ergebnisse

kann im Wesentlichen anhand von Stabschnittgrößen der Längsträger erfolgen.

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V13 - 7

3.4 Nachrechnung als Faltwerk

Der Aufwand bezüglich der Abbildung als Faltwerk ist ungleich höher gegenüber einer

Trägerrostberechnung. Höhere Rechenzeiten und insbesondere ein deutlicher Mehraufwand bei der

Ergebnisauswertung addieren sich hinzu.

3.5 Vergleich der Ergebnisse

In Tabelle 2 bis Tabelle 5 sind die Schnittgrößen drei unterschiedlichen statischen Systeme

gegenübergestellt. In den Tabellen sind jeweils die Feldmomente und das Stützmoment für die

Achsen 1 bis 6 und zusätzlich für den gesamten Querschnitt (quasi Summe der Einzelergebnisse)

angegeben. Bei der Faltwerksberechnung wurden die Elementspannungen in Schnitten quer zur

Längsachse zu Schnittgrößen aufintegriert. Diese Vorgehensweise wurde einmal an den einzelnen

Längsträgern getrennt für jede Achse und einmal am Gesamtquerschnitt durchgeführt.

In Tabelle 4 und Tabelle 5 sind die Eigengewichtslasten einschließlich der daraus resultierenden

Lastexzentrizitäten infolge des auskragenden Fußweges, einmal mit den Lastansätzen aus dem Jahre

1956 und ein zweites mal mit einem erhöhten Lastansatz, der den Erneuerungsmaßnahmen aus dem

Jahr 1990 Rechnung trägt, gegenüber gestellt. Dabei wirken sich die insgesamt ca. 7 % größeren

Eigengewichtslasten hinsichtlich der Gesamtschnittgrößen nur unbedeutend aus. Die Schnittgrößen

bei der Trägerrostberechnung auf den äußeren Randträger in Achse 1 weisen jedoch erhebliche

Abweichungen gegenüber einer Stabwerksberechnung und einer gleichmäßigen Verteilung auf.

Lastfall System Schnittkraft Achse 6 Achse 5 Achse 4 Achse 3 Achse 2 Achse 1 gesamt

max M1 12402min Mb -17400max M2 6498

max M1 1337 2129 2201 2363 2665 2164 12859min Mb -1955 -2932 -2946 -3146 -3651 -3325 -17955max M2 745 1178 1188 1281 1506 1251 7149

max M1 1454 2360 2385 2436 2530 1617 12782min Mb -1970 -3015 -3087 -3206 -3425 -2512 -17215max M2 788 1260 1278 1320 1399 917 6962

max M1 12799min Mb -17228max M2 6924

2133-28711154

2067

LF 1

: E

igen

gew

icht

Faltw

erk

Faltw

erk

kom

plet

tR

ost

orig

inal

Sta

tik

1083-2900

Tabelle 2: Gegenüberstellung der Schnittgrößen infolge Eigengewicht

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V13 - 8

Lastfall System Schnittkraft Achse 6 Achse 5 Achse 4 Achse 3 Achse 2 Achse 1 gesamt

max M1 -15000min Mb 21600max M2 -9948

max M1 -1946 -2771 -2680 -2675 -2757 -1970 -14799min Mb 3087 4206 3996 3988 4181 3120 22578max M2 -1423 -1979 -1883 -1879 -1967 -1439 -10570

max M1 -1725 -2837 -2813 -2810 -2859 -1749 -14793min Mb 2794 4239 4186 4182 4261 2824 22486max M2 -1231 -2018 -1986 -1984 -2032 -1263 -10514

max M1 -14812min Mb 22498max M2 -10082

-25003600-1658

LF 4

: V

orsp

annu

ng

orig

inal

Sta

tikFa

ltwer

kR

ost

Faltw

erk

kom

plet

t -24693750-1680

Tabelle 3: Gegenüberstellung der Schnittgrößen infolge Vorspannung

Lastfall System Schnittkraft Achse 6 Achse 5 Achse 4 Achse 3 Achse 2 Achse 1 gesamt

max M1 1917min Mb -2681max M2 1012

max M1 -90 8 147 372 717 925 2079min Mb 109 68 -65 -344 -897 -1547 -2676max M2 -33 -21 34 164 413 592 1149

max M1 137 273 331 396 462 334 1933min Mb -86 -228 -349 -500 -724 -731 -2618max M2 58 119 168 231 301 239 1116

max M1 1850min Mb -2620max M2 1017

320-447169

308-437170

LF 2

: E

igen

gew

icht

aus

Kra

garm

mit

orig

inal

Las

ten

orig

inal

Sta

tikR

ost

Faltw

erk

Faltw

erk

kom

plet

t

Tabelle 4: Gegenüberstellung der Schnittgrößen aus Eigengewicht auf den Kragarm (original)

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V13 - 9

Lastfall System Schnittkraft Achse 6 Achse 5 Achse 4 Achse 3 Achse 2 Achse 1 gesamt

max M1 2039min Mb -2853max M2 1077

max M1 -101 -2 146 388 766 1012 2209min Mb 120 84 -52 -349 -954 -1696 -2847max M2 -36 -28 28 166 439 651 1220

max M1 144 287 350 421 495 358 2055min Mb -86 -236 -369 -534 -778 -789 -2792max M2 61 124 177 245 323 256 1186

max M1 1965min Mb -2795max M2 1079

180

328-466180

340-476

LF 2

: E

igen

gew

icht

aus

Kra

garm

mit

aktu

elle

n La

sten

Ros

tFa

ltwer

kor

igin

alS

tatik

Faltw

erk

kom

plet

t

Tabelle 5: Gegenüberstellung der Schnittgrößen aus Eigengewicht auf den Kragarm (aktuell)

Diese Beobachtung war dann letztendlich der Grund, dass man den Ergebnissen aus der Träger-

rostberechnung, zumindest für den Randträger nicht traute und sich entschloss eine verfeinerte

Berechnung vorzunehmen.

4 SEITENEFFEKTE BEI DER TRÄGERROSTBERECHNUNG

4.1 Steifigkeiten der Längsträger

Die Biegesteifigkeiten des Gesamtquerschnittes bzw. die Summe der aufgelösten Querschnitte der

Längsträger bei dem Trägerrostsystem sind nahezu identisch. Bei den Torsionssteifigkeiten ergeben

sich jedoch erhebliche Unterschiede.

( )4

333

026.0

35.004.112.017.224.017.231

m

I t

=

=⋅+⋅+⋅⋅≈ ( )4

333

029.0

4.004.112.028.124.028.131

m

I t

=

⋅+⋅+⋅⋅≈

Abbildung 5: Einzelquerschnitte je Längsachse

0.00 -1.00

1.22

1.28

SM

2.00 1.00 0.00

1.22

2.17

SM

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V13 - 10

Berechnet man zunächst die Einzelquerschnitte Näherungsweise als dünnwandige offene Profile mit

∑ ⋅⋅≈ 3

31 tbI t , so erhält man als Summe 416.0029.02026.04 mIges t =⋅+⋅≈ .

Eine Abschätzung mit der zweiten Bredt’schen Formel ∫ ⋅

⋅=

dst

AI mt 1

4 2

als einfacher Hohlkasten liefert

dagegen ein deutlich höheres Torsionsträgheitsmoment (vgl. Abbildung 5 und Abbildung 6). Damit

lässt sich unmittelbar erklären, dass der Lastabtrag, insbesondere bei exzentrischen Lastanteilen,

unterschiedlich vonstatten geht.

42

2

61.3

4.004.12

12.085.10

24.085.10

28.114

28.1104.185.10

04.12/12.02/24.022.185.104.025.11

mI

mAmh

mb

t

m

m

m

=⋅

++

⋅=

=⋅=

=−−=

=−=

Abbildung 6: Hohlkasten als Gesamtquerschnitt

4.2 Geometrische Form des Randträgers bei der Trägerrostberechnung

Der wesentliche Problempunkt bei der Trägerrostberechnung und zwar hinsichtlich der Abbildung

des statischen Systems und der Ergebnisauswertung war der Randträger. Die Vereinfachung des

Querschnitts führt unmittelbar zu den in Abbildung 7 aufgeführten Schwierigkeiten hinsichtlich

einer Berechnung nach der technischen Biegelehre.

Daraus stellt sich ein Tragverhalten ein, das in der Form nicht gewollt ist und im Hinblick auf den

Gesamtquerschnitt unrealistisch ist. In Abbildung 8 sind diverse Möglichkeiten angeführt, die rein

rechnerisch eine Verbesserung der Ergebnisse bewirken und zumindest teilweise eine

Kompensation der in Abbildung 7 aufgezählten Seiteneffekte bewirken. Es bleibt das ungute

Gefühl, dass im Gegenzug mit den erzwungenen Vereinfachungen die Wirklichkeit wiederum ein

Stück weit zurecht gebogen wird.

10.85

1.04

Y 10.00 8.00 6.00 4.00 2.00 m

Z0.

00

1.22

11.25

SM

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V13 - 11

Abbildung 7: Querschnitt Randträger für die Trägerrostberechnung

Abbildung 8: Vereinfachte Querschnittsabbildung des Randträgers

5 FALTWERKSBERECHNUNG

5.1 Vorgehensweise zur Ermittlung von Stabschnittgrößen

Um die in Kapitel 0 angeführten Bedenken hinsichtlich einer Trägerrostabbildung genauer zu

verifizieren wurde das Tragwerk als räumliches Faltwerk berechnet. Dazu wurden jeweils die

Boden- und Fahrbahnplatte sowie die Stege des Hohlkastens und die Querträger mit QUAD-

Elementen abgebildet. Damit sollte das Tragverhalten des Hohlkastens, insbesondere im Hinblick

auf Lastexzentrizitäten, realitätsgetreuer erfasst werden.

M 1 : 10X

YZ

Y 0.50 0.00 -0.5 0 -1 .00 -1.50 m

Z1

.00

0.50

0.00

Querschnitt Nr 3 Längsträger Achse 6

SMO O

8

7

65

4

3

2

1

M 1 : 10X

YZ

Y 0.50 0.00 -0.50 -1.00 -1.50 m

Z1.

000.

500.

00

Querschnitt Nr 3 Längsträger Achse 6

SMO O

8

7

65

4

3

2

1

M 1 : 10X

YZ

Y 1.50 1.00 0.50 0.00 -0.50 m

Z1.

000.

500.

00

Querschnitt Nr 3 Längsträger Achse 6

S

M

OO

2

3

4

56

7

8

9

10

11 12

1

1. erzwingen einer Zwangssymmetrie

2. zentrische Vorspannung bezüglich

der z-Achse

3. Querschnitt vereinfacht

1. Drehung der Hauptachsen

2. Unterschiedliche Lage von

Schwerpunkt und Schubmittelpunkt

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V13 - 12

Für eine sinnvolle Auswertung der Ergebnisse und insbesondere um einen direkten Vergleich mit

der Trägerrostberechnung bzw. der Stabwerksberechnung der Ursprungsstatik vornehmen zu

können, ist es zweckmäßig die Spannungen der QUAD-Elemente zu Stabschnittgrößen

aufzusummieren. Im Zusammenspiel mit WinGRAF und SIR lässt sich dieser Arbeitsschritt sehr

elegant erledigen [2]. Zum einen kann man einen Schnitt durch den kompletten Überbau quer zur

Fahrbahnlängsachse legen und erhält so die Gesamtschnittgrößen, zum anderen lassen sich

zusätzlich mehrere Schnitte je Längsträger anordnen, sodass man direkt vergleichbare

Schnittgrößen zur Trägerrostberechnung erhält. In Abbildung 9 sind links exemplarisch die

Biegemomente infolge Eigengewicht am Gesamtquerschnitt dargestellt. Hierzu wurde in

Brückenlängsachse je Feld jeweils in den 10 tels Punkten ein Schnitt quer zur Längsachse gesetzt

und in diesem Schnitt sind die Elementspannungen mit SIR zu Stabschnittgrößen aufsummiert. In

der rechten Bildhälfte wurden in Brückenlängsrichtung identische Schnitte gesetzt, jedoch beim

Aufsummieren wurde in Querrichtung jeweils nur der Anteil berücksichtigt, der zu einem

Längssteg des Hohlkastens gehört. Die so gefunden Ergebnisse sind zahlenmäßig auch in Tabelle 2

bis Tabelle 5 aufgeführt.

Abbildung 9: Momente infolge Eigengewicht a) Gesamtquerschnitt b) je Hohlkasten-Längsträger

5.2 Beurteilung der Ergebnisse

Bei einer annähernd kontinuierlichen Lasteinleitung (Eigengewicht und Vorspannung, Tabelle 2

und Tabelle 3) sind die Schnittgrößen ingenieurmäßig vergleichbar. Die unterschiedlichen

statischen Systeme führen bei den Schnittgrößen bezogen auf die Mittenträger zu nahezu

identischen Ergebnissen, während die Randträger zahlenmäßige Unterschiede aufweisen. Diese

Unterschiede sind jedoch in einem noch vertretbar vernachlässigbaren Bereich.

Bei den exzentrisch wirkenden Lastanteilen ist ein zahlenmäßiger Vergleich der Schnittgrößen

jedoch nicht mehr möglich. Bei der Trägerrostberechnung ziehen insbesondere die direkt belasteten

Randträger die Schnittgrößen unmittelbar an. Geht man dann noch einen Schritt weiter und führt die

Nachweise in den Grenzzuständen der Gebrauchstauglichkeit bzw. der Tragfähigkeit separat an den

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V13 - 13

einzelnen Längsträgern gemäß dem Trägerrostmodell, so werden nicht vertretbare Tragfähigkeits-

defizite suggeriert.

5.3 Stille Reserven

Speziell in der ursprünglichen statischen Berechnung der Straßenbrücke in Weinheim wurden, für

damals vermutlich schwer abzuschätzende Effekte, diverse stille Reserven vorgehalten. So war man

sich der Problematik exzentrischer Lasten bewusst und hatte infolge einer Abschätzung gemäß der

Querverteilung für Fahrbahnplatten nach Rüsch einen globalen Zuschlag von 26 % bei den

Verkehrslasten angesetzt. Zusätzlich wirkte sich die damalige Bauweise, Brücken voll

vorzuspannen, positiv aus. Dadurch wurde die Dimensionierung im Wesentlichen durch die

Gebrauchstauglichkeit bestimmt und es verblieben deutliche Reserven hinsichtlich der Bruch-

sicherheit.

6 ZUSAMMENFASSUNG

Eine Trägerrostberechnung bei einem mehrzelligen geschlossenen Hohlkasten ist vorsichtig und

kritisch zu bewerten. Insbesondere bei den Randträgern treten Seiteneffekte auf, die in ihren

Auswirkungen nur schwer durch geeignete Gegenmaßnahmen zu kompensieren sind.

Bei der genaueren Betrachtung hat sich gezeigt, dass die Berechnungsansätze der Ursprungsstatik

aus dem Jahre 1956 basierend auf den damals gültigen Lastannahmen weitgehend zutreffend waren.

Zusätzliche damals getroffene Annahmen hinsichtlich einer globalen Lasterhöhung der

Verkehrslasten zur Berücksichtigung der Lastexzentrizitäten stellen heute stille Reserven dar. Die

Ausführung des Überbaus mit „voller Vorspannung“ erweist sich im Hinblick auf den Zustand der

Brücke als ausgesprochen robust. Der Überbau ist quasi frei von Rissen und die Bruchsicherheit

verfügt über Reserven. Bei den Brückenuntersuchungen vor Ort konnte dem Bauwerk für sein Alter

ein erstaunlich guter Zustand bestätigt werden und aufgrund der genaueren Berechnung wurden die

zunächst vermuteten Bedenken bezüglich vorhandener Tragfähigkeitsdefizite entkräftet.

7 LITERATUR

[1] www.deutsche-bruecken.de

[2] WINGRAF – Grafische Darstellung Finiter Elemente und Stabwerke, SOFiSTiK AG


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