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BESCHLUSS -...

Date post: 28-Oct-2019
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ECLI:DE:BGH:2019:140219BIZB34.17.0 BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS I ZB 34/17 vom 14. Februar 2019 in der Rechtsbeschwerdesache betreffend die Marke Nr. 30 2010 062 575 Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja KNEIPP MarkenG § 9 Abs. 1 Nr. 2, § 42 Abs. 2 a) Die Feststellung, dass ein Name als Synonym für eine bestimmte Methode benutzt wird und sich zu einer Gattungsbezeichnung entwickelt hat, unterliegt strengen Anforderungen. So- lange noch ein beteiligter Verkehrskreis an der Bedeutung des Wortes als Hinweis auf die Herkunft der Ware oder Dienstleistung aus einem bestimmten Betrieb festhält, kann von ei- ner solchen Entwicklung nicht ausgegangen werden. b) Wird ein mit einer älteren Marke identisches Zeichen in ein jüngeres Kombinationszeichen aufgenommen, kann die durch Benutzung gesteigerte Kennzeichnungskraft der älteren Mar- ke bei der Ermittlung der prägenden Bestandteile eines jüngeren Zeichens berücksichtigt werden. Es kann jedoch nicht generell der Schluss gezogen werden, dass ein in ein Ge- samtzeichen aufgenommenes Zeichen dieses stets prägt, wenn es infolge Benutzung über gesteigerte oder zumindest durchschnittliche Kennzeichnungskraft verfügt. Es ist vielmehr das jeweils in Rede stehende Gesamtzeichen in den Blick zu nehmen und im Einzelfall zu prüfen, ob alle anderen Bestandteile dieses Gesamtzeichens weitgehend in den Hintergrund treten (Klarstellung zu BGH, Urteil vom 5. Dezember 2012 - I ZR 85/11, GRUR 2013, 833 Rn. 48 = WRP 2013, 1038 - Culinaria/Villa Culinaria). BGH, Beschluss vom 14. Februar 2019 - I ZB 34/17 - Bundespatentgericht
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ECLI:DE:BGH:2019:140219BIZB34.17.0

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS

I ZB 34/17

vom

14. Februar 2019

in der Rechtsbeschwerdesache

betreffend die Marke Nr. 30 2010 062 575 Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja

KNEIPP

MarkenG § 9 Abs. 1 Nr. 2, § 42 Abs. 2

a) Die Feststellung, dass ein Name als Synonym für eine bestimmte Methode benutzt wird und sich zu einer Gattungsbezeichnung entwickelt hat, unterliegt strengen Anforderungen. So-lange noch ein beteiligter Verkehrskreis an der Bedeutung des Wortes als Hinweis auf die Herkunft der Ware oder Dienstleistung aus einem bestimmten Betrieb festhält, kann von ei-ner solchen Entwicklung nicht ausgegangen werden.

b) Wird ein mit einer älteren Marke identisches Zeichen in ein jüngeres Kombinationszeichen aufgenommen, kann die durch Benutzung gesteigerte Kennzeichnungskraft der älteren Mar-ke bei der Ermittlung der prägenden Bestandteile eines jüngeren Zeichens berücksichtigt werden. Es kann jedoch nicht generell der Schluss gezogen werden, dass ein in ein Ge-samtzeichen aufgenommenes Zeichen dieses stets prägt, wenn es infolge Benutzung über gesteigerte oder zumindest durchschnittliche Kennzeichnungskraft verfügt. Es ist vielmehr das jeweils in Rede stehende Gesamtzeichen in den Blick zu nehmen und im Einzelfall zu prüfen, ob alle anderen Bestandteile dieses Gesamtzeichens weitgehend in den Hintergrund treten (Klarstellung zu BGH, Urteil vom 5. Dezember 2012 - I ZR 85/11, GRUR 2013, 833 Rn. 48 = WRP 2013, 1038 - Culinaria/Villa Culinaria).

BGH, Beschluss vom 14. Februar 2019 - I ZB 34/17 - Bundespatentgericht

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Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Februar 2019 durch

den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Koch, die Richter Prof. Dr. Schaffert, Prof.

Dr. Kirchhoff, Dr. Löffler und die Richterin Dr. Schwonke

beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde der Widersprechenden wird der Be-

schluss des 30. Senats (Marken- und Design-Beschwerdesenats)

des Bundespatentgerichts vom 23. März 2017 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung

an das Bundespatentgericht zurückverwiesen.

Gründe:

A. Die Markeninhaberin hat am 26. Oktober 2010 die Wortmarke "Inter-

nationale Kneipp-Aktionstage" Nr. 30 2010 062 575 beim Deutschen Patent-

und Markenamt für die Dienstleistungen der Klasse 41 "Erziehung, Ausbildung,

Unterhaltung, sportliche und kulturelle Aktivitäten", der Klasse 43 "Dienstleis-

tungen zur Verpflegung und Beherbergung von Gästen" und der Klasse 44

"Medizinische Dienstleistungen; Gesundheits- und Schönheitspflege für Men-

schen" angemeldet. Die Marke ist am 14. Februar 2011 in das Register einge-

tragen und die Eintragung am 18. März 2011 veröffentlicht worden.

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Die Widersprechende hat am 30. Mai 2011 Widerspruch aus ihrer am

30. Mai 1996 angemeldeten und am 7. April 1998 eingetragenen Wortmarke

Nr. 396 24 268 "KNEIPP" erhoben, deren Schutzbereich unter anderem die

Dienstleistungen der Klasse 41 "Erziehung; Ausbildung; Unterhaltung; sportli-

che und kulturelle Aktivitäten", der Klasse 43 "Verpflegung; Beherbergung von

Gästen" und der Klasse 44

Information und Beratung über Arzneipflanzen und Diät sowie Wasser- und Heil-kräuterkuren durch die Herausgabe von Texten; Aus- und Fortbildung auf dem Gebiet der Hydro­, Phyto-, Bewegungs-, Ernährungs- und Ordnungstherapie, insbesondere für Ärzte, Heilpersonen, Heilhilfspersonen und Bademeister; ärztli-che Versorgung, Gesundheits- und Schönheitspflege; Kurdienstleistungen in Ba-de- und Kuranstalten sowie Sanatorien; Heilbehandlung zur Prävention, Rehabili-tation, sowie Wasseranwendung, Verabreichung von Bädern, insbesondere Kräu-terbädern, Trinkkuren mit Kräuter-, Tee- und Pflanzensäften; Bewegungsthera-pie, Ernährungs- und Diättherapie, Ordnungstherapie; Sammeln von Informati-onsmaterial über Therapieerfahrungen mit Wasser- und Heilkräuter-Kuren insbe-sondere für Kurärzte, Ärzte für Naturheilverfahren, Kuranstalten; Information und Beratung über Arzneipflanzen und Diät sowie Wasser- und Heilkräuterkuren; Dienstleistungen auf dem Gebiet der Tiermedizin und der Landwirtschaft

umfasst.

Das Deutsche Patent- und Markenamt hat mit Beschluss vom

5. Dezember 2014 den Widerspruch zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete

Beschwerde der Widersprechenden ist ohne Erfolg geblieben (BPatG,

GRUR 2018, 529 = WRP 2018, 578).

Mit der vom Bundespatentgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde ver-

folgt die Widersprechende ihr Löschungsbegehren weiter.

B. Das Bundespatentgericht hat angenommen, das Deutsche Patent-

und Markenamt habe den Widerspruch aus der Wortmarke "KNEIPP" zu Recht

gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 MarkenG zurückgewiesen.

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Die Vergleichsmarken beanspruchten allerdings Schutz für identische

Dienstleistungen. Jedoch sei die originäre Kennzeichnungskraft der Wider-

spruchsmarke bezogen auf die in Rede stehenden Dienstleistungen weit unter-

durchschnittlich. Der Name Kneipp habe für die in Rede stehenden Dienstleis-

tungen eine beschreibende Funktion, weil er auf die vom Pfarrer Kneipp im

19. Jahrhundert entwickelten Therapien und Lehren hinweise. Es könne zu-

gunsten der Widersprechenden unterstellt werden, dass ihre Marke "KNEIPP"

durch intensive Benutzung über gesteigerte Verkehrsbekanntheit und Kenn-

zeichnungskraft verfüge. Dies führe lediglich dazu, dass der Widerspruchsmar-

ke ein durchschnittlicher Schutzumfang zuzumessen wäre.

Eine Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG

scheide jedenfalls mangels Zeichenähnlichkeit aus. Der Zeichenbestandteil

"Kneipp" präge den Gesamteindruck der angegriffenen Marke "Internationale

Kneipp-Aktionstage" nicht derart, dass ihre weiteren Bestandteile in den Hinter-

grund träten. Der Verkehr habe keine Veranlassung, die ältere Marke in der

jüngeren Zeichenkombination als Hinweis auf den älteren Markeninhaber wie-

derzuerkennen, weil das ältere Zeichen "KNEIPP" in der jüngeren Kombination

auf seinen beschreibenden Kern zurückgeführt werde und die jüngere Kombi-

nationsmarke als Teil einer einheitlichen Aussage erscheine. Es sei auch nicht

ersichtlich, dass der Bestandteil "Kneipp" innerhalb der angegriffenen Marke

eine selbständig kennzeichnende Stellung einnehme und deshalb eine Ver-

wechslungsgefahr im weiteren Sinne zu bejahen sei.

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Die Widersprechende könne sich auch nicht mit Erfolg auf den Schutz

der bekannten Marke gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG stützen. Der Verkehr,

der die angegriffene Marke als einheitlichen, beschreibenden Gesamtbegriff

wahrnehme, habe keine Veranlassung, eine gedankliche Verknüpfung zu der -

unterstellt - bekannten Marke der Widersprechenden herzustellen.

C. Die zulässige Rechtsbeschwerde der Widersprechenden hat Erfolg.

I. Die ohne Beschränkung auf einen abgrenzbaren Teil zugelassene

Rechtsbeschwerde eröffnet dem Rechtsbeschwerdegericht die volle rechtliche

Nachprüfung des angefochtenen Beschlusses, ohne dass diese auf die Ent-

scheidung der als Zulassungsgrund angeführten Rechtsfragen beschränkt ist

(vgl. Beschluss vom 9. Juli 2015 - I ZB 65/13, GRUR 2015, 1012 Rn. 7 = WRP

2015, 1108 - Nivea-Blau; Beschluss vom 11. Februar 2016 - I ZB 87/14, GRUR

2016, 500 Rn. 6 = WRP 2016, 592 - Fünf-Streifen-Schuh).

II. Während des Rechtsbeschwerdeverfahrens ist das im Streitfall maß-

gebliche Recht durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2015/2436

des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2015 zur An-

gleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (BGBl. I

2018, S. 2357) mit Wirkung vom 14. Januar 2019 novelliert worden. Eine für die

Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Änderung der Rechtslage folgt daraus

jedoch nicht.

1. Da die Anmeldung der angegriffenen Marke zwischen dem 1. Oktober

2009 und dem 14. Januar 2019 eingereicht worden ist, ist für den gegen die

Eintragung erhobenen Widerspruch gemäß § 158 Abs. 3 MarkenG in der seit

dem 14. Januar 2019 geltenden Fassung (MarkenG nF) weiterhin § 42 Abs. 1

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und 2 MarkenG in der bis zum 14. Januar 2019 geltenden Fassung (MarkenG

aF) anzuwenden.

Nach § 42 Abs. 1 MarkenG aF kann innerhalb einer Frist von drei Mona-

ten nach dem Tag der Veröffentlichung der Eintragung der Marke gemäß § 41

Abs. 2 MarkenG von dem Inhaber einer Marke oder einer geschäftlichen Be-

zeichnung mit älterem Zeitrang gegen die Eintragung der Marke Widerspruch

erhoben werden. Der Widerspruch kann darauf gestützt werden, dass die Mar-

ke wegen einer angemeldeten oder eingetragenen Marke mit älterem Zeitrang

nach § 9 MarkenG gelöscht werden kann (§ 42 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG aF).

2. Das nach § 42 Abs. 2 MarkenG aF auf Löschung der angegriffenen

Marke gerichtete Widerspruchsverfahren hat das Ziel, einen bestehenden Stö-

rungszustand zu beseitigen. Der Löschungsgrund muss danach sowohl im Kol-

lisionszeitpunkt, das heißt zum Zeitpunkt der Anmeldung der angegriffenen jün-

geren Marke, als auch im Zeitpunkt der Entscheidung über den Widerspruch

vorliegen (BPatG, Beschluss vom 4. Oktober 2017 - 27 W [pat] 38/14, juris

Rn. 43; Hacker in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Aufl., § 9 Rn. 224).

Eine Stärkung der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke muss deshalb

schon im Prioritätszeitpunkt der angegriffenen Marke vorgelegen haben und im

Zeitpunkt der Entscheidung noch vorliegen. Eine nach dem Anmeldezeitpunkt

eingetretene Schwächung der Kennzeichnungskraft ist zu berücksichtigen (vgl.

BGH, Beschluss vom 3. April 2008 - I ZB 61/07, GRUR 2008, 903 Rn. 14 =

WRP 2008, 1342 - SIERRA ANTIGUO; Beschluss vom 2. Juni 2016 - I ZR

75/15, GRUR 2017, 75 Rn. 31 = WRP 2017, 74 - Wunderbaum II).

3. Die mit Wirkung ab dem 14. Januar 2019 in Kraft getretenen Änderun-

gen des § 9 MarkenG sind für die Entscheidung im Streitfall ohne Bedeutung.

Die seit dem 14. Januar 2019 geltende Fassung des § 9 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG

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stellt eine Anpassung der Vorschrift an die Rechtsprechung des Gerichtshofs

der Europäischen Union dar, mit der dieser den Bekanntheitsschutz nach Maß-

gabe der Richtlinie 89/104/EWG auf den Bereich ähnlicher Waren und Dienst-

leistungen ausgeweitet hatte (vgl. EuGH, Urteil vom 9. Januar 2003 - C-292/00,

Slg. 2003, I-389 = GRUR 2003, 240 Rn. 30 - Davidoff [Davidoff/Durfee]). Dies

entspricht der Senatsrechtsprechung (vgl. BGH, Urteil vom 23. September 2015

- I ZR 78/14, GRUR 2015, 1201 Rn. 76 = WRP 2015, 1487 - Sparkassen-Rot/

Santander-Rot). Die neu eingeführte Regelung in § 9 Abs. 3 MarkenG nF dient

der Umsetzung von Art. 39 Abs. 7 der Richtlinie (EU) 2015/2436. Danach wer-

den Waren und Dienstleistungen nicht deswegen als ähnlich angesehen, weil

sie in derselben Klasse der Nizza-Klassifikation erscheinen. Andererseits wer-

den Waren und Dienstleistungen nicht deswegen als verschieden angesehen,

weil sie in verschiedenen Klassen der Nizza-Klassifikation erscheinen. Dass

Klasseneinteilungen keine unmittelbare Bedeutung für die Beurteilung der Ähn-

lichkeit von Waren oder Dienstleistungen zukommt, entspricht bereits der deut-

schen Rechtspraxis (Büscher in Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechts-

schutz Urheberrecht Medienrecht, 3. Aufl., § 14 MarkenG Rn. 221; Hacker in

Ströbele/Hacker/

Thiering aaO § 9 Rn. 100 mwN).

III. Die Beurteilung des Bundespatentgerichts, zwischen der Wortmarke

"KNEIPP", auf die der Widerspruch gestützt wird, und der angegriffenen Marke

"Internationale Kneipp-Aktionstage" bestehe keine Verwechslungsgefahr ge-

mäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG, hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1. Die Frage, ob Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2

MarkenG vorliegt, ist - ebenso wie bei § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG - unter Her-

anziehung aller relevanten Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen.

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Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen der Identität oder der Ähnlichkeit

der Waren oder Dienstleistungen, dem Grad der Ähnlichkeit der Marken und

der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke in der Weise auszugehen,

dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen

durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine gestei-

gerte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und

umgekehrt (st. Rspr.; vgl. nur EuGH, Urteil vom 18. Dezember 2008 - C-

16/06 P, Slg. 2008, I­10053 = GRUR-RR 2009, 356 Rn. 45 f. - Les Éditions Al-

bert René/HABM [OBELIX/MOBILIX]; BGH, Beschluss vom 9. Juli 2015 - I ZB

16/14, GRUR 2016, 283 Rn. 7 = WRP 2016, 210 - BSA/DSA DEUTSCHE

SPORTMANAGEMENTAKADEMIE; Beschluss vom 14. Januar 2016 - I ZB

56/14, GRUR 2016, 382 Rn. 19 = WRP 2016, 336 - BioGourmet; Beschluss

vom 9. November 2017 - I ZB 45/16, GRUR 2018, 79 Rn. 7 = WRP 2018, 82 -

OXFORD/Oxford Club).

2. Das Bundespatentgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die

Widerspruchsmarke und die angegriffene Marke für identische Dienstleistungen

Schutz beanspruchen. Das Bundespatentgericht hat angenommen, die Dienst-

leistungen der Klasse 41 "Erziehung; Ausbildung; Unterhaltung; sportliche und

kulturelle Aktivitäten" und der Klasse 43 "Dienstleistungen zur Verpflegung und

Beherbergung von Gästen" seien identisch in den jeweiligen Verzeichnissen der

einander gegenüberstehenden Marken enthalten. In Klasse 44 ließen sich die

von der angegriffenen Marke beanspruchten Dienstleistungen "Gesundheits-

und Schönheitspflege für Menschen" unter den von der Widerspruchsmarke

beanspruchten Oberbegriff der "Gesundheits- und Schönheitspflege" einord-

nen. Der von der angegriffenen Marke beanspruchte Schutz der Dienstleistun-

gen der Klasse 44 "Medizinische Dienstleistungen" umfasse die Dienstleistun-

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gen der Widerspruchsmarke zur "ärztlichen Versorgung" und zur "Gesundheits-

pflege". Diese Beurteilung lässt keinen Rechtsfehler erkennen.

3. Die Annahme des Bundespatentgerichts, die Widerspruchsmarke ver-

füge für die in Anspruch genommenen Dienstleistungen originär über eine ledig-

lich unterdurchschnittliche Kennzeichnungskraft, die infolge ihrer Benutzung

gesteigert und deshalb als durchschnittlich anzusehen sei, hält der rechtlichen

Nachprüfung nicht stand.

a) Die Widerspruchsmarke ist in dem beim Deutschen Patent- und Mar-

kenamt geführten Register eingetragen worden. Ihr kann deshalb nicht jeglicher

Schutz mit der Begründung versagt werden, sie sei originär nicht unterschei-

dungskräftig. Eine Schutzversagung mit dieser Begründung ist sowohl im Ver-

letzungsverfahren (vgl. BGH, Urteil vom 24. November 2011 - I ZR 175/09,

GRUR 2012, 618 Rn. 15 = WRP 2012, 813 - Medusa) als auch im Wider-

spruchsverfahren (vgl. EuGH, Urteil vom 24. Mai 2012 - C-196/11 P, GRUR

2012, 825 Rn. 38 f. ­ Formula One Licensing/HABM [F1-LIVE]; BGH, GRUR

2016, 382 Rn. 38 - BioGourmet; GRUR 2017, 75 Rn. 19 - Wunderbaum II) un-

zulässig.

Personennamen sind wegen ihrer Eignung, den Namensträger individuell

zu bezeichnen und damit von anderen Personen zu unterscheiden, ein klassi-

sches Kennzeichnungsmittel (vgl. zu § 5 MarkenG: BGH, Urteil vom 30. Januar

2008 - I ZR 134/05, GRUR 2008, 801 Rn. 13 = WRP 2008, 1189 - Hansen-

Bau). Die Frage, ob ein Personenname eine auf die Herkunft von Waren oder

Dienstleistungen hinweisende Funktion hat, ist nach den für sämtliche Marken

geltenden Grundsätzen zu beurteilen (vgl. EuGH, Urteil vom 16. September

2004 ­ C­404/02, Slg. 2004, I-8499 = GRUR 2004, 946 Rn. 25 ff. - Nichols).

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Versteht der Verkehr eine Personenbezeichnung lediglich als eine Waren

oder Dienstleistungen beschreibende Sachangabe, fehlt es an der für die Un-

terscheidungskraft erforderlichen Funktion, die Ursprungsidentität der gekenn-

zeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. BGH, Be-

schluss vom 5. Oktober 2017 - I ZB 97/16, GRUR 2018, 301 Rn. 12 = WRP

2018, 459 - Pippi-Langstrumpf-Marke, mwN; Beschluss vom 13. September

2018 - I ZB 25/17, MD 2019, 134 Rn. 15). Maßgeblich für die Beurteilung der

Frage, ob sich ein Name zu einer gebräuchlichen Bezeichnung entwickelt hat,

ist die Auffassung der angesprochenen Verkehrskreise. Zu ihnen zählen nicht

nur Verbraucher und Endabnehmer, sondern je nach Marktmerkmalen auch die

am Vertrieb einer Ware oder Dienstleistung beteiligten Gewerbetreibenden wie

Händler, Hersteller und Zwischenhändler (vgl. EuGH, Urteil vom 29. April 2004 -

C-371/02, Slg. 2004, I-5791 = GRUR Int. 2004, 630 f. Rn. 23 bis 26 - Björnekul-

la Fruktindustrier [Bostongurka]). Die Feststellung der Entwicklung einer Marke

oder eines Namens zu einer Gattungsbezeichnung unterliegt strengen Anforde-

rungen. Solange noch ein beteiligter Verkehrskreis, sei es auch nur ein Teil der

mit der Herstellung oder dem Vertrieb ähnlicher Waren oder Dienstleistungen

befassten Personen, an der Bedeutung des Wortes als Hinweis auf die Herkunft

der Ware oder Dienstleistung aus einem bestimmten Betrieb festhält, kann von

einer solchen Entwicklung nicht ausgegangen werden (vgl. BGH, Urteil vom

12. Juli 1963 - Ib ZR 174/61, GRUR 1964, 82, 85 f. - Lesering). Ist ein Begriff

als Gattungsbegriff in ein Lexikon aufgenommen, spricht dies für das Vorliegen

einer Gattungsbezeichnung; diese Vermutung ist jedoch widerlegbar (Kopacek

in BeckOK Markenrecht, 17. Edition, Stand: 1. April 2019, § 49 MarkenG

Rn. 43). Wird ein Name als Synonym für eine bestimmte Methode benutzt, ent-

faltet er im Zusammenhang mit den entsprechenden Dienstleistungen - auch

schon ohne im Verkehr durchgesetzt zu sein - eine beschreibende Funktion

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(BGH, Urteil vom 27. Juni 2002 - I ZR 103/00, GRUR 2003, 436, 439 [juris

Rn. 70] = WRP 2003, 384 - Feldenkrais).

b) Das Bundespatentgericht hat diese Grundsätze seiner Beurteilung zu-

grunde gelegt. Es hat angenommen, die Kennzeichnungskraft der Wider-

spruchsmarke sei von Haus aus weit unterdurchschnittlich, weil der Name

"KNEIPP" eine beschreibende Funktion habe. Bei dem Markenwort "KNEIPP"

handele es sich zwar um einen für sich gesehen von Haus aus unterschei-

dungskräftigen Namen. Der Verkehr verbinde mit diesem Namen jedoch vor

allem den bekannten Pfarrer Sebastian Kneipp, der im 19. Jahrhundert die

schon im Altertum praktizierte Wasserbehandlung wieder aufgenommen und

hierzu ein eigenes System entwickelt habe. Die nach ihm benannte Kneipp-

Medizin oder Kneipp-Therapie sei ein Behandlungsverfahren, das Wasseran-

wendungen, Pflanzenwirkstoffe sowie Bewegungs- und Ernährungsempfehlun-

gen umfasse. Diese Therapien fänden häufig im Rahmen sogenannter Kneipp-

Kuren in darauf spezialisierten Kurorten statt. Die Widerspruchsmarke bean-

spruche in den im Streitfall maßgeblichen Klassen 41 und 44 Schutz für Dienst-

leistungen, welche sich ihrem Gegenstand und Inhalt nach mit den Lehren und

Therapien des Pfarrers Kneipp befassen könnten und für die sich der Name

"KNEIPP" zu einer Gattungsbezeichnung entwickelt habe. Die von der Wider-

spruchsmarke beanspruchten Dienstleistungen "Verpflegung" und "Beherber-

gung von Gästen" der Klasse 43 hätten zwar nicht diese Verfahren oder Thera-

pien zum Gegenstand. Sie könnten jedoch in unmittelbarem Zusammenhang

mit diesen Behandlungsverfahren stehen, soweit sie auf entsprechende Kurthe-

rapien ausgerichtet oder in diese integriert seien. Sofern der medizinische

Fachverkehr das Wort "Kneipp" sachbezogen verstehe, reiche dies für die An-

nahme einer fehlenden oder minimalen Kennzeichnungskraft aus. Es sei au-

ßerdem davon auszugehen, dass auch der angesprochene allgemeine Verkehr

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das Markenwort ausschließlich beschreibend im Sinne einer gattungsbegriffli-

chen Bezeichnung verstehen werde. Gegen diese Beurteilung wendet sich die

Rechtsbeschwerde mit Erfolg.

c) Die Feststellung der Kennzeichnungskraft der älteren Marke obliegt im

Wesentlichen dem Tatrichter. In der Rechtsbeschwerdeinstanz ist daher nur zu

prüfen, ob der Tatrichter den Rechtsbegriff zutreffend erfasst und ohne Wider-

spruch zu Denkgesetzen und Erfahrungssätzen geurteilt hat und ob das ge-

wonnene Ergebnis von den getroffenen Feststellungen getragen wird (st. Rspr.;

vgl. nur BGH, Urteil vom 21. Oktober 2015 - I ZR 23/14, GRUR 2016, 197

Rn. 28 = WRP 2016, 199 - Bounty; Urteil vom 28. April 2016 - I ZR 254/14,

GRUR 2016, 1301 Rn. 36 = WRP 2016, 1510 - Kinderstube; Urteil vom

10. November 2016 - I ZR 191/15, GRUR 2017, 730 Rn. 23 = WRP 2017, 811 -

Sierpinski-Dreieck). Solche Rechtsfehler sind dem Bundespatentgericht unter-

laufen. Die Rechtsbeschwerde beanstandet mit Recht, dass der Wider-

spruchsmarke mit der vom Bundespatentgericht gegebenen Begründung nicht

lediglich die schwächste Kennzeichnungskraft für sämtliche in Rede stehenden

Dienstleistungen zugemessen werden kann.

aa) Das Bundespatentgericht hat gemeint, die im vorliegenden Verfahren

maßgeblichen Dienstleistungen könnten sich ihrem Gegenstand und Inhalt

nach mit den Lehren oder Therapien des Pfarrers Kneipp befassen. Es hat dies

nicht nur für solche Dienstleistungen angenommen, für die seiner Auffassung

nach der Name "Kneipp" als Synonym steht, sondern auch für solche Dienst-

leistungen, die mit einer durch den Eigennamen "Kneipp" bezeichneten Metho-

de lediglich in Zusammenhang stehen können. Dies beanstandet die Rechtsbe-

schwerde mit Recht. Das Bundespatentgericht hat nicht hinreichend berück-

sichtigt, dass die Kennzeichnungskraft bezogen auf die jeweils in Rede stehen-

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den Waren und Dienstleistungen ermittelt werden muss und abhängig vom Wa-

ren- oder Dienstleistungsbereich variieren kann (vgl. BGH, Urteil vom

30. Oktober 2003 - I ZR 236/97, GRUR 2004, 235, 237 [juris Rn. 33] = WRP

2004, 360 - Davidoff II; Urteil vom 29. April 2004 - I ZR 191/01, GRUR 2004,

779, 782 [juris Rn. 55] = WRP 2004, 1046 - Zwilling/Zweibrüder; Urteil vom

5. Februar 2009, GRUR 2009, 484 Rn. 83 = WRP 2009, 616 - METROBUS).

(1) Die Dienstleistungen der Klasse 41 - Erziehung; Ausbildung; Unter-

haltung; sportliche und kulturelle Aktivitäten - umfassen ein weites Spektrum

von Dienstleistungen im Ausbildungs- und Freizeitbereich, bei denen zumindest

teilweise kein auf den ersten Blick erkennbarer Bezug zu den Therapien und

Behandlungen besteht, für die nach Ansicht des Bundespatentgerichts der Na-

me "Kneipp" als Synonym steht. Dies gilt jedenfalls für Dienstleistungen im Be-

reich Unterhaltung und kulturelle Aktivitäten.

(2) Bei den maßgeblichen Dienstleistungen der Klasse 44 - ärztliche Ver-

sorgung, Gesundheits- und Schönheitspflege - besteht zwar ein engerer Zu-

sammenhang mit den Kneipp-Therapien und -Behandlungen. Diese Dienstleis-

tungen umfassen jedoch auch Dienstleistungen, die nicht unmittelbar Gegen-

stand und Inhalt der durch den Namen "Kneipp" beschriebenen Methode sind.

Dies gilt für den Bereich der Schönheitspflege. Das Bundespatentgericht hat

nicht festgestellt, dass die angesprochenen Verkehrskreise den Namen

"Kneipp" als beschreibend auch für solche Dienstleistungen ansehen, die nicht

mit den durch den Namen "Kneipp" bezeichneten Behandlungsmethoden iden-

tisch sind, sondern lediglich im Zusammenhang mit der Durchführung dieser

Therapien und Methoden erbracht werden könnten.

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(3) Entsprechendes gilt für die in Rede stehenden Dienstleistungen der

Klasse 43 (Verpflegung und Beherbergung von Gästen). In diesem Zusammen-

hang hat das Bundespatentgericht ebenfalls nicht festgestellt, dass der ange-

sprochene Verkehr den Namen "Kneipp" für diese Dienstleistungen in einem

Maße als beschreibend ansieht, dass das Wort "Kneipp" als Synonym für Be-

herbergungs- oder Verpflegungsleistungen verwendet wird.

bb) Die Beurteilung des Bundespatentgerichts, der originär kennzeich-

nungskräftige Name "Kneipp" habe sich zum Gattungsbegriff entwickelt, hält

der rechtlichen Nachprüfung ebenfalls nicht stand. Das Bundespatentgericht hat

zwar angenommen, sowohl der medizinische Fachverkehr als auch der allge-

meine Verkehr verstehe diesen Begriff - bezogen auf alle in Rede stehenden

Dienstleistungen - als Gattungsbezeichnung. Der angegriffene Beschluss lässt

jedoch nicht erkennen, auf welcher tatsächlichen Grundlage das Bundespatent-

gericht zu dieser Feststellung gelangt ist.

(1) Der vom Bundespatentgericht zur Begründung herangezogene Be-

schluss des Deutschen Patent- und Markenamts aus einem anderen Verfahren

enthält keine Feststellung des Inhalts, dass die medizinischen Fachkreise den

Namen "Kneipp" als Gattungsbezeichnung verstehen. In diesem Beschluss

heißt es lediglich, das Wort "Kneipp" könne vom Fachverkehr sachlich verstan-

den werden. Dabei handele es sich jedoch gleichzeitig um den Namen einer

bekannten Person. Aus diesen Ausführungen des Deutschen Patent- und Mar-

kenamts ergibt sich nicht, dass die medizinischen Fachkreise den Namen

"Kneipp" ausschließlich als Sachangabe verstehen. Selbst wenn dies der Fall

wäre, genügte dies entgegen der Auffassung des Bundespatentgerichts nicht

den strengen Anforderungen für die Annahme, der originär unterscheidungs-

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kräftige Name "Kneipp" sei eine Gattungsbezeichnung für ein spezielles Be-

handlungsverfahren geworden.

(2) Nach den vom Bundespatentgericht getroffenen Feststellungen gehö-

ren zu den maßgeblichen Verkehrskreisen nicht nur die Fachkreise, sondern

auch der allgemeine Verkehr. Danach kann der Name "Kneipp" nur dann als

Gattungsbezeichnung angesehen werden, wenn ihn auch der angesprochene

allgemeine Verkehr als Sachbezeichnung versteht. Hiervon ist das Bundespa-

tentgericht zwar ausgegangen. Allerdings ist nicht erkennbar, worauf diese An-

nahme beruht. Es hätten in diesem Zusammenhang Feststellungen dazu getrof-

fen werden müssen, ob der allgemeine Verkehr den Namen "Kneipp" als

Sachangabe oder - wie die Fachkreise - auch als Hinweis auf eine berühmte

Person versteht. Im zweiten Fall kann nicht davon ausgegangen werden, dass

der allgemeine Verkehr die Widerspruchsmarke als Synonym für die vom Pfar-

rer Kneipp entwickelten Therapien auffasst.

d) Nach alledem kann nicht davon ausgegangen werden, die Wider-

spruchsmarke verfüge in allen relevanten Dienstleistungsbereichen lediglich

über weit unterdurchschnittliche Kennzeichnungskraft. Es kann nicht ausge-

schlossen werden, dass sie durchschnittliche Kennzeichnungskraft besitzt. Das

Bundespatentgericht hat zugunsten der Widersprechenden eine durch intensive

Benutzung gesteigerte Verkehrsbekanntheit und Kennzeichnungskraft der Wi-

derspruchsmarke unterstellt. Im Rechtsbeschwerdeverfahren ist zugunsten der

Widersprechenden deshalb davon auszugehen, dass die Widerspruchsmarke

über durch Benutzung gesteigerte überdurchschnittliche Kennzeichnungskraft

verfügt.

4. Die Rechtsbeschwerde wendet sich außerdem mit Erfolg gegen die

Beurteilung des Bundespatentgerichts, es bestehe keine Zeichenähnlichkeit.

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a) Bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit sind die sich gegenüber-

stehenden Kennzeichen jeweils als Ganzes zu berücksichtigen und in ihrem

Gesamteindruck miteinander zu vergleichen. Das schließt nicht aus, dass unter

Umständen ein oder mehrere Bestandteile eines komplexen Kennzeichens für

den Gesamteindruck prägend sein können, den das Kennzeichen im Gedächt-

nis der angesprochenen Verkehrskreise hervorruft (vgl. EuGH, Urteil vom

6. Oktober 2005 - C-120/04, Slg. 2005, I-8551 = GRUR 2005, 1042 Rn. 28 f. -

Medien [THOMSON LIFE]; Urteil vom 12. Juni 2007 - C-334/05 P, Slg. 2007, I-

4529 = GRUR 2007, 700 Rn. 41 - HABM/Shaker [Limoncello/LIMONCHELO];

BGH, Urteil vom 28. Juni 2007 - I ZR 132/04, GRUR 2008, 258 Rn. 28 = WRP

2008, 232 - INTERCONNECT/T-InterConnect; Urteil vom 22. Januar 2014 -

I ZR 71/12, GRUR 2014, 382 Rn. 14 = WRP 2014, 452 - REAL-Chips). Weiter

ist es möglich, dass ein Zeichen, das als Bestandteil in eine zusammengesetzte

Marke oder eine komplexe Kennzeichnung aufgenommen wird, eine selbstän-

dig kennzeichnende Stellung behält, ohne dass es das Erscheinungsbild der

zusammengesetzten Marke oder komplexen Kennzeichnung dominiert oder

prägt (BGH, Urteil vom 5. Dezember 2012 - I ZR 85/11, GRUR 2013, 833 Rn.

45 = WRP 2013, 1038 - Culinaria/Villa Culinaria). Allein der Umstand, dass

sämtliche Bestandteile einer zusammengesetzten Marke oder komplexen

Kennzeichnung den Gesamteindruck der Marke oder Kennzeichnung gleicher-

maßen bestimmen, weil keiner dieser Bestandteile das Erscheinungsbild der

Marke oder Kennzeichnung dominiert oder prägt, führt allerdings nicht dazu,

dass diese Bestandteile eine selbständig kennzeichnende Stellung haben.

Vielmehr müssen besondere Umstände vorliegen, die es rechtfertigen, in einem

zusammengesetzten Zeichen einzelne oder mehrere Bestandteile als selbstän-

dig kennzeichnend anzusehen (BGH, GRUR 2013, 833 Rn. 45 - Culinaria/Villa

Culinaria; GRUR 2018, 79 Rn. 37 - OXFORD/Oxford Club).

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b) Das Bundespatentgericht hat angenommen, zwischen der Wider-

spruchsmarke "KNEIPP" und der angegriffenen Marke "Internationale Kneipp-

Aktionstage" bestehe keine hinreichende Zeichenähnlichkeit in klanglicher,

schriftbildlicher oder begrifflicher Hinsicht. Die angegriffene Marke werde durch

den Bestandteil "Kneipp" nicht geprägt. Sie werde vom Verkehr als geschlosse-

ner Gesamtbegriff wahrgenommen, der auf eine internationale Veranstaltung

hinweise. Der Verkehr nehme an, das Element "Kneipp" beschreibe hiermit in

Zusammenhang stehende Dienstleistungen in der Weise, dass sie sich mit den

Lehren des Pfarrers Kneipp und den von ihm entwickelten Behandlungsmetho-

den befassten. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs komme zwar

in Betracht, eine kraft Benutzung erworbene Kennzeichnungskraft auch bei der

Prüfung zu berücksichtigen, welche Bestandteile den Gesamteindruck der an-

gegriffenen Marke bestimmten. Zwar handele es sich bei dem Begriff "Kneipp"

in dem angegriffenen Zeichen um ein schwaches oder schutzunfähiges Kenn-

zeichen, das erst durch Benutzung oder Verkehrsdurchsetzung durchschnittli-

che Kennzeichnungskraft erlangt habe. Auch sei die ältere Marke in identischer

Form in das jüngere Kombinationszeichen aufgenommen worden. Die Einbe-

ziehung einer durchschnittlichen oder erhöhten Kennzeichnungskraft der älte-

ren Marke bei der Ermittlung der prägenden Bestandteile eines jüngeren Zei-

chens unterliege jedoch Grenzen. Es müsse berücksichtigt werden, wenn die

jüngere Kombinationsmarke als geschlossener Gesamtbegriff mit einer einheit-

lichen begrifflichen Aussage erscheine. Eine Prägung der jüngeren Kombinati-

onsmarke müsse auch dann ausscheiden, wenn das durchgesetzte ältere Zei-

chen in der jüngeren Kombinationsmarke auf seinen beschreibenden Kern zu-

rückgeführt werde. Ähnlich liege es im Streitfall. Der angesprochene Verkehr

habe keine Veranlassung, die ältere Marke in der jüngeren Zeichenkombination

als Hinweis auf die Widersprechende wahrzunehmen. Er werde die Wortfolge

als Hinweis auf eine einem internationalen Teilnehmerkreis geöffnete Veranstal-

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tung und hiermit in Zusammenhang stehende Dienstleistungen verstehen, die

sich mit den Lehren und Therapien des Pfarrers Kneipp befassten. Eine unmit-

telbare Verwechslungsgefahr scheide damit aus.

Es sei auch nicht ersichtlich, dass der Bestandteil "Kneipp" innerhalb der

angegriffenen Marke eine selbständig kennzeichnende Stellung einnehme. Die

weiteren Bestandteile der angegriffenen Marke "Internationale" und "Aktionsta-

ge" legten dem Verkehr keine selbständig kennzeichnende Stellung des Zei-

chenbestandteils "Kneipp" nahe. Dem stehe entgegen, dass die ältere Marke in

der angegriffenen Zeichenkombination auf einen bloß beschreibenden Sinnge-

halt zurückgeführt werde. Deshalb sei auch eine Verwechslungsgefahr im wei-

teren Sinne ausgeschlossen.

c) Die Beurteilung des Bundespatentgerichts, die Widerspruchsmarke

und das angegriffene Zeichen seien einander unähnlich, hält der rechtlichen

Nachprüfung nicht stand. Die Annahme des Bundespatentgerichts, dem Zei-

chenvergleich seien die Widerspruchsmarke "KNEIPP" und das angegriffene

Zeichen "Internationale Kneipp-Aktionstage" zugrunde zu legen, ist von Rechts-

fehlern beeinflusst.

aa) Eine zusammengesetzte Marke wird durch einen oder mehrere Be-

standteile geprägt, wenn aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise alle

anderen Markenbestandteile weitgehend in den Hintergrund treten und den Ge-

samteindruck der Marke daher nicht bestimmen, sondern dafür vernachlässigt

werden können (EuGH, GRUR 2007, 700 Rn. 42 - HABM/Shaker [Limoncello/

LIMONCHELO]; EuGH, Urteil vom 22. Oktober 2015 - C-20/14, GRUR 2016, 80

Rn. 37 - BGW [BGW/BGW Bundesverband der deutschen Gesundheitswirt-

schaft], mwN; BGH, Beschluss vom 1. Juni 2011 - I ZB 52/09, GRUR 2012, 64

Rn. 15 = WRP 2012, 83 - Maalox/Melox-GRY). Die Feststellung, ob ein Be-

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standteil prägende Bedeutung hat, ist grundsätzlich nur anhand der Gestaltung

der Marke selbst zu treffen. Hat jedoch eine nur wenig unterscheidungskräftige

Bezeichnung durch ihre (isolierte) Verwendung im Geschäftsverkehr zuneh-

mend eine herkunftshinweisende Funktion erhalten, wirkt sich dieser Wandel

nicht nur auf die Kennzeichnungskraft des Zeichens selbst aus, sondern bewirkt

gleichzeitig, dass dem Zeichen vom Verkehr auch dann ein stärkerer Her-

kunftshinweis entnommen wird, wenn es ihm nicht isoliert, sondern als Bestand-

teil eines anderen Zeichens begegnet (BGH, Urteil vom 13. März 2003 - I ZR

122/00, GRUR 2003, 880, 881 [juris Rn. 13] = WRP 2003, 1228 - City Plus; Ur-

teil vom 19. Juli 2007 - I ZR 137/04, GRUR 2007, 888 Rn. 24 = WRP 2007,

1193 - Euro-Telekom; BGH, GRUR 2013, 833 Rn. 48 - Culinaria/Villa Culinaria).

Wenn das mit der älteren Marke identische Zeichen in dem zusammengesetz-

ten Zeichen eine selbständig kennzeichnende Stellung behält, kann der von

diesem Zeichen hervorgerufene Gesamteindruck die Verkehrskreise zu der An-

nahme veranlassen, dass die fraglichen Waren oder Dienstleistungen zumin-

dest aus wirtschaftlich verbundenen Unternehmen stammen. In diesem Fall ist

das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr zu bejahen (EuGH, GRUR 2016, 80

Rn. 38 - BGW [BGW/BGW Bundesverband der deutschen Gesundheitswirt-

schaft]). Ein Bestandteil eines zusammengesetzten Zeichens nimmt dagegen

keine selbständig kennzeichnende Stellung ein, wenn dieser Bestandteil mit

dem oder den anderen Bestandteilen des Zeichens in der Gesamtbetrachtung

eine Einheit bildet, die einen anderen Sinn als diese Bestandteile einzeln be-

trachtet hat (EuGH, GRUR 2016, 80 Rn. 39 - BGW [BGW/BGW Bundesverband

der deutschen Gesundheitswirtschaft]; BGH, GRUR 2009, 484 Rn. 34 - MET-

ROBUS).

bb) Das Bundespatentgericht ist davon ausgegangen, dass die Kenn-

zeichnungskraft der älteren Marke infolge Benutzung gesteigert ist. Außerdem

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ist die ältere Marke in identischer Form in das jüngere Kombinationszeichen

aufgenommen worden, weil Unterschiede lediglich in der Groß- oder Klein-

schreibung einer Buchstabenfolge regelmäßig nicht aus dem Identitätsbereich

hinausführen (BGH, Urteil vom 15. Februar 2018 - I ZR 138/16, GRUR 2018,

924 Rn. 40 = WRP 2018, 1074 - ORTLIEB, mwN). In einem solchen Fall liegt es

nahe, dass die angegriffene Marke durch den Bestandteil "Kneipp" geprägt wird

oder zumindest darin eine selbständig kennzeichnende Stellung innehat.

cc) Entgegen der Ansicht des Bundespatentgerichts besteht im Streitfall

keine Veranlassung, die Einbeziehung der durch Benutzung gesteigerten

Kennzeichnungskraft der älteren Marke bei der Ermittlung der prägenden Be-

standteile des jüngeren Zeichens zu begrenzen.

(1) Der Umstand, dass ein mit einer älteren Marke identisches Zeichen in

einer zusammengesetzten jüngeren Marke enthalten ist und vom Verkehr in

diesem Zusammenhang als beschreibend verstanden wird, steht der Annahme

nicht entgegen, dass dieses Zeichen die jüngere Marke prägt oder darin eine

selbständig kennzeichnende Stellung innehat. Ein Bestandteil, der nur eine

schwache Kennzeichnungskraft besitzt, kann den Gesamteindruck einer zu-

sammengesetzten Marke prägen oder innerhalb dieser Marke eine selbständig

kennzeichnende Stellung einnehmen, da er sich durch seine Position im Zei-

chen oder durch seine Größe der Wahrnehmung des Verbrauchers aufdrängen

und in sein Gedächtnis einprägen kann (EuGH, GRUR 2016, 80 Rn. 40 - BGW

[BGW/BGW Bundesverband der deutschen Gesundheitswirtschaft]). Der Aner-

kennung eines Wortbestandteils als dominierendes Element im Rahmen der

Beurteilung der Ähnlichkeit einander gegenüberstehender Zeichen steht es

nicht entgegen, wenn er als rein beschreibend anzusehen ist (EuGH, Urteil vom

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19. März 2015 - C-182/14 P, GRUR Int. 2015, 463 Rn. 34 - MEGA Brandes In-

ternational/HABM [MAGNEXT/MAGNET 4]).

(2) Es ist danach nicht ausgeschlossen, einem originär schwach kenn-

zeichnungskräftigen Zeichen, bei dem zu unterstellen ist, dass dessen Kenn-

zeichenkraft durch Warenumsatz und Werbeaufwendungen gesteigert ist, in-

nerhalb eines Gesamtzeichens prägende Bedeutung zuzumessen (BGH,

GRUR 2013, 833 Rn. 36 bis 41, 48 - Culinaria/Villa Culinaria). Soweit der Senat

in der Entscheidung "Culinaria/Villa Culinaria" außerdem ausgeführt hat, es lie-

ge nahe, dass ein Bestandteil ein zusammengesetztes Zeichen präge, wenn

dem Bestandteil im Gesamtzeichen gesteigerte oder zumindest durchschnittli-

che Kennzeichnungskraft zukommt, kann daraus nicht der Schluss gezogen

werden, dass ein in ein Gesamtzeichen aufgenommenes Zeichen dieses stets

prägt, wenn es über gesteigerte oder zumindest durchschnittliche Kennzeich-

nungskraft verfügt. Es ist vielmehr das jeweils in Rede stehende Gesamtzei-

chen in den Blick zu nehmen und im Einzelfall zu prüfen, ob alle anderen Be-

standteile dieses Gesamtzeichens weitgehend in den Hintergrund treten.

dd) Dem Bundespatentgericht kann nicht darin zugestimmt werden, dass

Zeichenunähnlichkeit vorliegt, weil der Verkehr keine Veranlassung habe, die

ältere Marke in der angegriffenen Marke als solche zu erkennen.

(1) Zwar ist es möglich, dass ein mit der älteren Marke identisches Zei-

chen in einem jüngeren Zeichen nicht als solches erkannt wird, weil es durch

die Zusammenschreibung und durch Anfügung eines weiteren Wortbestandteils

eine neue Bedeutung erhält. Sieht zum Beispiel der Verkehr in dem Zeichen

"Metrobus" im Zusammenhang mit der Beförderung von Personen mit Autobus-

sen im Linienverkehr und mit Fahrplaninformationen ein Beförderungsangebot

innerhalb des Verkehrsverbunds einer Großstadt, liegt es fern, dass der Ver-

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kehr den Gesamtbegriff in die Bestandteile "Metro" und "bus" aufspaltet und

den Bestandteil "Metro" mit der dem bekannten Unternehmenskennzeichen

entsprechenden Marke "METRO" gedanklich in Verbindung bringt (BGH, GRUR

2009, 484 Rn. 34 - METROBUS). So liegt der Streitfall jedoch nicht. Nach den

Feststellungen des Bundespatentgerichts wird das Zeichen oder der Zeichen-

bestandteil "Kneipp" sowohl in der älteren als auch in der jüngeren Marke in

identischer Weise als Hinweis auf den Pfarrer Kneipp und die von ihm entwi-

ckelten Lehren und Therapien verstanden.

(2) Das Bundespatentgericht hat außerdem nicht in Erwägung gezogen,

dass die weiteren Bestandteile des angegriffenen Zeichens "Internationale" und

"Aktionstage" jegliche einem internationalen Teilnehmerkreis geöffnete Veran-

staltung bezeichnen können und erst der Zeichenbestandteil "Kneipp" diese

Veranstaltung thematisch und inhaltlich konkretisiert. Da dem Zeichen

"KNEIPP" nach den bislang getroffenen Feststellungen des Bundespatentge-

richts nicht jegliche originäre Kennzeichnungskraft abgesprochen werden kann

und zudem im Rechtsbeschwerdeverfahren eine durch Benutzung gesteigerte

Kennzeichnungskraft der älteren Marke zu unterstellen ist, liegt es deshalb na-

he, dem Zeichenbestandteil "Kneipp" in der jüngeren Marke eine prägende oder

zumindest eine selbständig kennzeichnende Stellung zuzubilligen, weil die übri-

gen Zeichenbestandteile vernachlässigt werden können.

5. Danach kann die Beurteilung des Bundespatentgerichts keinen Be-

stand haben, Verwechslungsgefahr liege nicht vor, weil die angegriffene Marke

nicht durch den Bestandteil "Kneipp" geprägt werde. Aus denselben Gründen

ist auch die Annahme des Bundespatentgerichts von Rechtsfehlern beeinflusst,

es scheide auch eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne und der Sonder-

schutz der bekannten Marke aus.

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IV. Im vorliegenden Verfahren stellen sich keine entscheidungserhebli-

chen Fragen zur Auslegung des Unionsrechts, die ein Vorabentscheidungser-

suchen an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV erfor-

dern.

V. Der angefochtene Beschluss ist somit aufzuheben. Die Sache ist zur

anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht zu-

rückzuverweisen (§ 89 Abs. 4 Satz 1 MarkenG).

Koch Schaffert Kirchhoff

Löffler Schwonke

Vorinstanz:

Bundespatentgericht, Entscheidung vom 23.03.2017 - 30 W(pat) 7/15 -

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