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Beschluß des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 3. April 1992 über die Einstellung eines...

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Beschluß des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 3. April 1992 über die Einstellung eines Strafverfahrens wegen eines libanesischen Amnestiegesetzes Source: Archiv des Völkerrechts, 31. Bd., 3. H. (1993), pp. 258-264 Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KG Stable URL: http://www.jstor.org/stable/40798782 . Accessed: 13/06/2014 04:37 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . Mohr Siebeck GmbH & Co. KG is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to Archiv des Völkerrechts. http://www.jstor.org This content downloaded from 188.72.126.55 on Fri, 13 Jun 2014 04:37:09 AM All use subject to JSTOR Terms and Conditions
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Page 1: Beschluß des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 3. April 1992 über die Einstellung eines Strafverfahrens wegen eines libanesischen Amnestiegesetzes

Beschluß des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 3. April 1992 über die Einstellung einesStrafverfahrens wegen eines libanesischen AmnestiegesetzesSource: Archiv des Völkerrechts, 31. Bd., 3. H. (1993), pp. 258-264Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KGStable URL: http://www.jstor.org/stable/40798782 .

Accessed: 13/06/2014 04:37

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ENTSCHEIDUNGEN

Beschluß des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 3. April 1992

über die Einstellung eines Strafverfahrens wegen eines libanesischen Amnestiegesetzes*

/. Das Prinzip der stellvertretenden Straf rechtspflege, das lediglich der subsi- diaren Ergänzung der Strafgewalt anderer Staaten dienty wenn die nach dem Territorialitätsprinzip an sich zuständige ausländische Strafgewalt nicht tätig werden kann, weil der Beschuldigte im Inland ergriffen worden ist, aber aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht in das Inland - weder an den Staat des Tatortes noch an den Heimatstaat - ausgeliefert wird.

2. Etwaige Verfolgungs- und Verfahrenshindernisse des Tatortrechts sind hier- bei beachtlich.

3. Nach internationaler Rechtsüberzeugung sollte stellvertretende Strafrechts- pflege den Gedanken der Subsidiarität, der hierin zum Ausdruck kommt, streng beachten.

4. Strafeinstellungen werden traditionellerweise aus einer Vielfalt von Anlässen und Gründen völkerrechtlich toleriert.

Entscheid un gs formel: 1. Das Verfahren wird nadi § 206 a StPO eingestellt, soweit der Angeklagten

in der Anklage des Generalbundesanwalts vom 15. Dezember 1988 - 1 StE 11/88 - gemeinschaftlidier Mord in zwei Fällen zur Last gelegt wird (Abschnitt 2 des Anklagesatzes).

2. Die insoweit entstandenen Kosten des Verfahrens und die der Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

3. Im übrigen wird das Verfahren nach § 205 StPO vorläufig eingestellt.

Aus den Entscheidungsgründen: Soweit der Angeklagten K. mit der Anklage vom 15. Dezember 1988 zur Last

gelegt wird, am 10. Juni 1987 in dem PKK-Ausbildungscamp Helvi nahe der Stadt Barlias/Libanon gemeinschaftlich mit anderen in zwei Fällen einen Menschen aus niedrigen Beweggründen getötet zu haben, ist das Verfahren nach § 206 a StPO einzustellen, da sich nach Eröffnung des Hauptverfahrens das Verfahrens- hindernis des Fehlens der deutschen Gerichtsbarkeit herausgestellt hat (dazu BGHSt 34, S. 3 m. w. N.; Schönke-Scbröder-Eser, Vorbemerkung §§ 3 bis 7, Rdnr. 2). Das am 27. August 1991 in einer Sonderbeilage des amtlichen Gesetzblattes der Libanesischen Republik veröffentlichte Gesetz Nr. 84 vom 26. August 1991 be- treffend eine „Allgemeine Amnestie für alle vor dem 28. März 1991 begangenen

* Text nach dem vom Oberlandesgericht Düsseldorf zur Verfügung gestellten Abdruck - A2; V 1/82, 1 StE 11/88 -. Den Beschluß faßte der 5. Strafsenat.

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Entscheidungen 259

Taten unter bestimmten Bedingungen" führt dazu, daß die unter die Amnestie fallenden Taten nicht (mehr) im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB „am Tatort mit Strafe bedroht" sind (A.). Die der Angeklagten K. zur Last gelegten Taten fallen auch unter den Anwendungsbereich des libanesischen Amnestiegesetzes (B.).

Die Regelung des § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB ist nach einhelliger Auffassung des Prinzips der stellvertretenden Strafrechtspflege (z. B. Dreh er ¡7 rändle, § 7, Rdnr. 1). Dieses Prinzip, das lediglich der subsidiaren Ergänzung der Strafgewalt anderer Staaten dient, greift ein, wenn die nach dem Territorialitätsprinzip an sich zu- ständige ausländische Strafgewalt nicht tätig werden kann, weil der Beschuldigte im Inland ergriffen worden ist, aber aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht an das Ausland (weder an den Staat des Tatortes noch an den Heimatstaat, siehe BGH NJW 1985, S. 545) ausgeliefert wird. Das Prinzip der stellvertreten- den Strafrechtspflege schließt die im internationalen Strafrecht unvermeidlichen Lücken und stellt dadurch sicher, daß kein flüchtiger Straftäter im Zufluchtsstaat straflos bleiben muß, weil es an einem Anknüpfungspunkt für dessen Strafgewalt fehlt. Ihrem Sinne nach erfordert stellvertretende Strafrechtspflege zunächst das Bestehen einer identischen Norm im Tatortstaat (zum ganzen vgl. Jescheck, Lehr- buch des Strafrechts, Allgemeiner Teil, 4. Aufl. 1988, § 18 II 6, S. 153).

1. In diesem Zusammenhang sind, „nimmt man das . . . Stellvertretungsprin- zip . . . wirklich ernst" (Formulierung bei Schönke-Schröder-Eser, § 7, Rdnr. 17), auch etwaige Verfolgungs- und Verfahrenshindernisse des Tatortrechts (z. B. Ver- jährung, Amnestie) beachtlich. Tritt - aus Gründen des Subsidiarität - der inlän- dische Richter an die Stelle des ausländischen (wobei er allerdings die Strafgewalt des eigenen Staates ausübt, vgl. J escheck aaO.), kann dieses Eingreifen nicht zu einer - gegenüber dem Tatortrecht - weitergehenden strafrechtlichen Verfolgbar- keit führen, den Bereich der strafrechtlichen Verfolgung also, verglichen mit dem Tatortrecht, ausdehnen. Der Gesichtspunkt der Subsidiarität des Prinzips der stell- vertretenden Strafrechtspflege erlaubt lediglich, die Strafverfolgung durch ein in- ländisches Gericht anstelle des ausländischen Richters im Umfang des Tatortrechts vorzunehmen, schon um bereits dem Anschein einer unzulässigen „Anmaßung" weitergehender Strafverfolgungsbefugnisse der inländischen Strafverfolgungsbehör- den zu entgehen. Aus dem Grundgedanken des Prinzips der stellvertretenden Strafrechtspflege sind auch Verfolgungs- und Verfahrenshindernisse des ausländi- schen Rechts vom inländischen Richter zu beachten (im Ergebnis ebenso Schönke- Schröder-Eser, aaO., Rdnr. 22, 17; Alternativkommentar - Lemke - , § 7, Rdnr. 23, 17; Jeschek, aaO., § 18 III 5 am Ende S. 157, Oehler, Internationales Straf- recht, 2. Auflage 1983, RN 151 e, S. 154; wohl auch Schröder JZ 1968, S. 243 unter III 1; widersprüchlich Lackner, § 7, Rdnr. 2 am Ende gegenüber Rdnr. 5).

2. Für diese Auslegung spricht zum einen auch der Inhalt der Erörterungen während des Gesetzgebungsverfahrens zu § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB in seiner heuti- gen Fassung.

Eine Niederschlagung des Verfahrens im Tatortstaat wurde als Schranke für die stellvertretende Strafverfolgung grundsätzlich anerkannt. Eine dahingehende Klarstellung unterblieb letztlich nur, weil man sich über den Regelungsort nicht einig werden konnte und die Erwartungen auf vorgesehene Ersatzlösungen - durch eine entsprechende Ergänzung der StPO - später unerfüllt blieben; die Vorschrift des § 153 c StPO in ihrer jetzigen Fassung berührt das hier angesprochene Problem nur in allgemeiner Form (Nachweise in dem vom Senat eingeholten Rechtsgut- achten des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht vom 12. März 1992, dort Seite 15).

Für die oben dargelegte Auslegung sprechen zum anderen aktuelle völkerrecht- liche Tendenzen.

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260 Entscheidungen

In dem vom Minister-Komitee des Europarats autorisierten Report „Extra- Territorial Criminal Jurisdiction" (1990) wird gegenüber Ländern, die sich beim Prinzip der Stellvertretung allein mit der Feststellung materieller Strafbarkeit zufriedengeben, festgestellt, dies sei zu einem gewissen Grad „eine Aufgabe des Konzepts der „Repräsentation" im reinen Sinne" (Übersetzung durch den Senat). In der Resolution der UN-Vollversammlung vom 3. April 1991 betreffend einen UN-Modellvertrag über „Transfers of proceedings in criminal matters" heißt es u.a.: „Soweit vereinbar mit dem Recht des ersuchten Staates soll jede Handlung im Hinblick auf gerichtliche Verfahren oder verfahrensmäßige Anforderungen ausgeführt im ersuchenden Staat in Übereinstimmung mit seinem Recht dieselbe Gültigkeit im ersuchten Staat haben, als wäre die Handlung in jenem Staat oder durch die Behörde jenes Staates durchgeführt worden" (Übersetzung durch den Senat; Nachweise im Rechtsgutachten, dort S. 22).

In beiden Papieren kommt eine internationale Rechtsüberzeugung zum Aus- druck, wonach stellvertretende Strafrechtspflege den Gedanken der Subsidiarität streng beachten sollte. Dies muß auch für die Frage gelten, ob die angeklagte Tat im Tatortstaat auch verfolgbar ist.

3. Diesem Ergebnis stehen bisherige Entscheidungen der höchst- und ober gericht- lichen Rechtsprechung nicht entgegen. Diese betreffen - bis auf eine noch zu er- örternde Ausnahme - entweder den Regelungsbereich des § 7 Abs. 1 StGB (so OLG Düsseldorf NJW 1983, S. 1277, 1278) oder § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB (so OLG Düsseldorf NStZ 1985, S. 268, zur ersten Alternative; in OLG Düsseldorf NJW 1979, S. 59, 62, unter 2 c, und KG JR 1988, S. 345, 346, wird offengelassen, welche Alternative Anwendung findet; beide Entscheidungen ergingen zu Bürgern der früheren DDR, die in der Bundesrepublik angeklagt waren; RGSt 40, S. 402 betrifft nach dem Leitsatz die Tat eines Deutschen; ebenso BGH NJW 1954, S. 1086, siehe den dortigen Hinweis auf § 3 StGB a. F.; knapper Hinweis auf § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB in BGH NJW 1978, S. 113, 115 - Fall Weinhold) oder be- handeln die hier relevante Problematik ohnehin nur beiläufig, ohne Entscheidungs- relevanz (so BGHSt 2, S. 160, 161).

Die Regelung in § 7 Abs. 1 StGB ist jedoch vorherrschend Ausdruck des Schutz- prinzips (siehe DreherlTröndle, § 7 Rdnr. 1) - Schutz inländischer Rechtsgüter gegen Rechtsverletzungen im Ausland (vgl. Dreher/Tröndle, § 5, Rdnr. 1) - ; die Vorschrift des § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB folgt nach wohl überwiegender Auffassung vorrangig dem (eingeschränkten) aktiven Personalitätsprinzip (z.B. LK-Tröndle, § 7; Rdnr. 1; Schönke-Schröder-Eser § 7, Rdnr. 1), das heißt dem Prinzip der grundsätzlichen Inpflichtnahme aller inländischen Täter, selbst wenn sie zur Zeit der Tat noch keine Inlandsbindungen hatten (OLG Düsseldorf NJW 1979, S. 59, 63). Beide Prinzipien verfolgen damit andere Ziele als der Grundsatz der stell- vertretenden Strafrechtspflege. Im Falle des § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB fehlt jeg- liche Verbindung des Beschuldigten und seiner Tat zur inländischen Rechtsordnung; abgestellt wird insoweit allein auf den Umstand, daß der Täter im Inland „be- troffen" worden ist.

Der Bundesgerichtshof hat allein in der Entscheidung vom 7. April 1976 (GA 1976, S. 242) zur Anwendung des § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB ausdrücklich Stellung genommen. In dieser Entscheidung ist zwar unter Bezugnahme auf BGHSt 2, 161 beiläufig erwähnt, daß es nach der Rechtsprechung des BGH unerheblich sei, ob der Strafverfolgung auch nach dem Recht des Tatortes das Verfahrenshindernis der Verjährung entgegenstehe, es wurde dabei aber ausdrücklich darauf hingewie- sen, daß es auf diese Rechtsfrage letztlich nicht ankomme, weil im konkreten Fall auch nach dem Recht des Tatortes Verjährung nicht eingetreten sei.

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Entscheidungen 261

4. Auch die Stellungnahmen der Literatur sind durchweg dadurch gekennzeich- net, daß sie, ohne nach den Besonderheiten der verfolgten Strafrechtsprinzipien zu unterscheiden, Ausführungen grundsätzlicher Art zu allen Alternativen des § 7 StGB machen.

So verweist Tröndle bei der Kommentierung des § 7 Abs. 2 StGB (in Dreher/Tröndle, Rdn. 9) unterschiedslos auf die Ausführungen zu § 7 Abs. 1 StGB (in Rdn. 7) ähnlich verfährt derselbe Bearbeiter im Leipziger Kommentar, wo in Rdnr. 16 auf den einleitenden Abschnitt „Allgemeines" u. a. in Rdnr. 3 verwiesen wird. Samson (im Systematischen Kommentar) erörtert „Allgemeine Grundsätze" (u. a. in Rdn. 2), die bei der Besprechung der „Einzelheiten" (in Rdn. 6) nicht wieder aufgegriffen werden. Lackner verweist (in Rdnr. 5) für seine Meinung, es komme nicht darauf an, ob die Tat im Ausland noch verfolgbar sei, auf die vorgenannte Entscheidung des BGH vom 7. April 1976, führt aller- dings (unter Bezugnahme auf die Darstellung bei Lemke Rdn. 17) in Rdn. 2 am Ende aus, Hindernisse, die nur der Verfolgung am Tatort rechtlich oder tatsächlich entgegenstünden, seien in den Fällen des Absatz 2 nicht ohne Bedeutung.

Die Stellungnahme von Eser in dem vom Senat eingeholten Rechtsgutachten vom 12. 3. 1992 entspricht der Rechtsauffassung des Senats.

5. Es kann dahinstehen, ob der Ansicht von Lemke (aaO., Rdn. 23, 17) gefolgt werden kann, wonach Verfolgungs- und Verfahrenshindernisse des Tatortrechts uneingeschränkt, also ohne Rücksicht auf ordre public-Erwägungen, Geltung ha- ben (s. dagegen, allerdings für den Bereich des § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB, OLG Düsseldorf NJW 1979, S. 59, 63), denn Bedenken gegen die Wirksamkeit der libanesischen Straffreiheitsregelung unter dem Gesichtspunkt des ordre public be- stehen auch nicht insoweit, als das libanesische Gesetz in Artikel 2 Nr. 3 c unter bestimmten Voraussetzungen eine Straffreiheit selbst für Tötungsdelikte vorsieht.

Straffreistellungen werden traditionellerweise aus einer Vielfalt von Anlässen und Gründen völkerrechtlich toleriert. Angesichts der allgemein bekannten poli- tischen Situation im Libanon widerspricht eine weitgehende Straffreistellung auch für Tötungsdelikte, die das Ziel verfolgt, zur Befriedung eines ganz außergewöhn- lichen politischen und sozialen Zustandes (Situation eines Bürgerkriegs oder bür- gerkriegsähnliche Verhältnisse) beizutragen, einer am rechtsstaatlichen Grund- sätzen ausgerichteten Rechts- und Sittenordnung nicht. Anzeichen für Willkür oder sonstigen Rechtsmißbrauchs sind nicht erkennbar. Auch das deutsche Recht kennt unter besonderen Umständen die Möglichkeit einer weitgehenden Straf- milderung selbst für Fälle des Mordes (vgl. Art. 4 § 3 Satz 2 des Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches, der Strafprozeßordnung und des Versammlungs- gesetzes und zur Einführung einer Kronzeugenregelung bei terroristischen Straf- taten vom 9. Juni 1989; der - nicht Gesetz gewordene - Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung des Terrorismus vom 31. Oktober 1986 - BT-Drucksache 10/ 6286 - sah in Art. 3 die Möglichkeit, von einer Verfolgung bzw. von Strafe abzusehen, für Straftaten jeglicher Art, ohne jede Einschränkung, vor).

6. Der Senat verkennt nicht, daß die vorliegende Auslegung des (einheitlichen) Gesetzes Wortlauts „am Tatort mit Strafe bedroht" in den einzelnen Alternativen des § 7 StGB möglicherweise zu unterschiedlichen Ergebnissen führt. Dies ist je- doch nicht zu beanstanden. Da die Regelungen in den verschiedenen Alternativen des § 7 StGB jedenfalls in ihrer vorherrschenden Ausprägung - unstreitig - Aus- druck unterschiedlicher Rechtsprinzipien sind, kann die Tatsache eines identischen Wortlauts der Gesetzesvorschrift nicht dazu zwingen, gegen den bestimmenden Schutzzweck einzelner Normen die Formulierung „am Tatort mit Strafe bedroht" in allen Alternativen des § 7 StGB in gleicher Weise auszulegen.

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262 Entscheidungen

B. Die der Angeklagten K zur Last gelegten Taten fallen unter den Anwendungs-

bereich des libanesischen Amnestiegesetzes. 1. Die Existenz und der hier maßgebliche Inhalt des libanesischen Amnestie-

gesetzes stehen zur Überzeugung des Senats als gesichert fest. Der Bundesminister der Justiz hat mit Schreiben vom 25. März 1992 eine Ablichtung der Sonderbei- lage zum amtlichen Gesetzblatt der Libanesischen Republik vom 27. August 1991 übersandt, in der das Gesetz bekannt gemacht worden ist. Die von Rechtsanwalt B für den Angeklagten K vorgetragene Übersetzung des hier einschlägigen Ab- schnittes ist nach Überprüfung durch das Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht inhaltlich nicht zu beanstanden, allenfalls in einem Satz zu präzisieren. Auch ein Vergleich mit der von dem Bundesminister der Justiz unter dem 25. März 1992 übersandten französischen Rohübersetzung des Gesetzes läßt Fehler der Übersetzung nicht erkennen.

2. Nach Artikel 1 dieses Gesetzes wird eine allgemeine Amnestie nach den Bestimmungen des Gesetzes für alle Delikte gewährt, die vor dem 28. März 1991 begangen worden sind:

Artikel 2 des Gesetzes hat in der Übersetzung folgenden Wortlaut: Folgende Delikte fallen unter die vollständige Amnestie:

1. ... 2. ... 3. Folgende Verbrechen: a) ...

c) Die politischen Verbrechen oder die, die einen allgemeinen oder einen lokalen politischen Charakter haben, einschließlich der Tötungsdelikte aus politischen Gründen, vorausgesetzt, sie sind nicht aus persönlichen Motiven oder zur Er- langung eines persönlichen Vorteils begangen worden. Die diesbezgl. Entscheidung wird von der für die Anklage zuständigen juristischen Instanz gefällt. (Über- setzungsalternative: Über diese Sache/ Angelegenheit entscheidet die zuständige Justizbehörde, die mit dem Prozeß befaßt ist.) Die Entscheidung gilt dann als Entscheidung nach formalen Gründen, gegen die Revision eingelegt werden kann nach Maßgabe der StPO.

3. Die Voraussetzungen der Artikel 1 und 2 Nr. 3 c sind hier gegeben: Der Angeklagten werden Tötungsdelikte zur Last gelegt, begangen vor dem 28. März 1991. Nach dem Inhalt der Anklage sind die Taten aus politischen Gründen, nicht aus persönlichen Motiven oder zur Erlangung eines persönlichen Vorteils be- gangen worden. Die bisherige Beweisaufnahme vor dem Senat hat, ebenso wie das Ermittlungsergebnis, keine Anhaltspunkte dafür ergeben, daß persönliche Motive der Angeklagten (z. B. persönliche Rivalität oder Karrierestreben) bei ihrer möglichen Beteiligung an den angeklagten Taten eine Rolle gespielt haben. Davon geht auch der Generalbundesanwalt nicht aus, der als Gründe für die nach dem Anklage Vorwurf in sog. „Schauprozessen" verhängten Todesurteile, an denen die Angeklagte mitgewirkt haben soll, die Beschuldigungen ansieht, eines der Opfer habe durch einen unmoralischen Lebenswandel in Europa der PKK geschadet, das andere Tatopfer habe unter der Folter eine Zusammenarbeit mit dem türkischen Geheimdienst gestanden. In dieser Fallgestaltung treten etwaige Gesichtspunkte wie persönliche Verachtung gegenüber „Agenten, Verrätern und Kollaborateuren" hinter den politischen Beweggründen der angeklagten Tötungs- delikte vollständig zurück.

4. Auch die formalen Amnestierungsvoraussetzungen liegen vor. Die Formu- lierung in Artikel 2 Nr. 3 c Satz 2 des Gesetzes („Die diesbzgl. Entscheidung

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Entscheidungen 263

wird von der für die Anklage zuständigen juristischen Instanz gefällt."; Ober- setzungsalternative: „Über diese Sache/Angelegenheit entscheidet die zuständige Justizbehörde, die mit dem Prozeß befaßt ist.") ist dahin zu verstehen, daß die zur Entscheidung berufene Justizbehörde lediglich das Vorliegen der in Satz 1 genannten Voraussetzungen festzustellen, nicht hingegen überhaupt erst die Am- nestieentscheidung zu fällen hat (vgl. hierzu und zum folgenden Rechtsgutachten S. 26 bis 28, 29 unter IV 2 B und V 2).

Nach den Grundzügen des französischen Strafrechts, von dem das libanesische Recht stark beeinflußt ist - aufschlußreiche Stellungnahmen zur libanesischen Rechtslage sind nicht zu ermitteln -, ist zu unterscheiden zwischen der „amnistie de droit" und der „amnistie judiciaire". Im ersten Fall, dem heutigen Grund- typus der Amnestie, legt der Gesetzgeber alle Amnestiebedingungen fest; der Justiz verbleibt nur noch die Aufgabe, im Einzelfall festzustellen, ob die im Amnestiegesetz genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Bezeichnend für diese Art der Amnestie ist, daß sie kein rechtskräftiges Urteil voraussetzt, sondern in jedem Stadium zu einer Beendigung des Verfahrens führen kann. Im zweiten Fall tritt eine Amnestie nur ein, wenn die Strafe unter einem bestimmten Straf- maß bleibt (deshalb auch die weitere Bezeichnung als „amnistie au quantum"), was naturgemäß den Erlaß eines rechtskräftigen Urteils voraussetzt.

Im vorliegenden Fall wird die Amnestie nicht von einer bestimmten, noch vom Gericht auszusprechenden Strafhöhe abhängig gemacht. Nach dem Gesetzeswort- laut wird die Entscheidung von der „für die Anklage zuständigen juristischen Instanz" gefällt (Obersetzungsalternative : „Zuständige Justizbehörde, die mit dem Prozeß befaßt ist"), nicht hingegen von einem „Gericht", was dafür spricht, daß eine Entscheidung über die Straffreistellung auch schon vor einem Schuld- und Strafausspruch getroffen werden können soll. Schließlich paßt auch die Rege- lung in Artikel 437 der libanesischen StPO, wonach mit der Amnestierung die öffentliche Klage erlischt, in das Muster der „amnistie de droit".

Zwar hatte das libanesische Straffreistellungsgesetz wohl nur Situationen im Auge, in denen Amnestiefeststellungen von einer libanesischen Instanz getroffen werden. In einer internationalen Fallgestaltung wie der vorliegenden wäre es jedoch - in Anwendung des libanesischen Straffreistellungsgesetzes - inkonse- quent, wenn ein Staat unter bestimmten Voraussetzungen auf eine weitere inner- staatliche Strafverfolgung verzichtet, sich jedoch einer Niederschlagung des Ver- fahrens in einem anderen Land entgegenstellt. Mit Rücksicht darauf kann die nach Artikel 2 Nr. 3 c des Gesetzes erforderliche Feststellung, daß die Voraus- setzungen des libanesischen Straffreistellungsgesetzes vorliegen, auch von einer ausländischen „Justizbehörde", hier: dem in der Sache erkennenden Senat, ge- troffen werden; anderenfalls würde eine Nicht-Beachtung der Amnestie auf eine Anmaßung originärer Strafgewalt des Staates hinauslaufen, in dem der Täter „betroffen" worden ist.

5. Der Senat sieht keine Veranlassung, der Anregung des Generalbundesanwalts vom 27. März 1992 nachzugehen, eine „klarstellende Äußerung" zur Zielrichtung der Amnestie bei der libanesischen Botschaft einzuholen, weil es hierauf nicht ankommt. Es mag sein, daß es vorrangiges Ziel und Motiv zum Erlaß des libane- sischen Amnestiegesetzes war, Straftaten „der Bürgerkriegsparteien untereinander" straffrei zu stellen. Dem Wortlaut des Amnestiegesetzes ist jedoch weder eine Differenzierung nach Art der politischen Straftaten zu entnehmen, noch eine Einschränkung des Anwendungsbereiches in persönlicher Hinsicht auf Libanesen noch in räumlicher Hinsicht auf die von den staatlichen Stellen des Libanon auch tatsächlich kontrollierten Gebietsteile oder Landstriche. Der Wortlaut des Ge- setzes ist vielmehr, soweit er hier einschlägig ist, allgemein und uneingeschränkt

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264 Entscheidungen

auf „Tötungsdelikte aus politischen Gründen" gerichtet. Die Regelung im Am- nestiegesetz ist ausschließlich tatbezogen. Eine Differenzierung nach Zielen und Motiven des libanesischen Gesetzgebers würde auch zu unlösbaren Abgrenzungs- schwierigkeiten im Einzelfall führen. Von einer Anwendbarkeit des Gesetzes geht, abgesehen von der allein vom Senat als Tatrichter zu entscheidenden Frage der Motivation, auch das von dem Senat eingeholte Rechtsgutachten als selbstver- ständlich aus.

C. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Aus-

lagen der Angeklagten folgt aus § 467 Abs. 1 StPO.

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