BeobachtungInhaltsanalyse
Gabriele Doblhammer: Empirische Sozialforschung Teil II, SS 2004 1/30
(1)Verfahren der direkten Beobachtung(2)Entwicklung eines Beobachtungsinstrumentes(3)Beobachterfehler/Schwierigkeiten
(1) Inhaltsanalytische Techniken(2) Phasen einer Inhaltsanalyse(3) Zuverlässigkeit von Inhaltsanalysen
Beobachtung
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2. Beobachtung in der Sozialforschung
= „systematische Beobachtung“
• Menschliche Handlungen
• Sprachliche Äußerungen
• Nonverbale Reaktionen
(Körpersprache)
• Soziale Merkmale (Kleidung,
Symbole, Gebräuche,
Wohnformen, usw.)
1. Alltaegliche naïve Beobachtung
Beobachtung
Funktion der Beobachtung:
• In explorativen Studien (erstes/ er-
gänzendes Datenmaterial) zur Ge-
nerierung von Forschungshypothe-
sen
• In deskriptiven Studien zur Daten-
sammlung
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Beobachtungsverfahren
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Direkte Beobachtung:
Verhaltensbeobachtung im engeren
Sinne
Indirekte Beobachtung:
Auf Spuren, Auswirkungen,
Objektivationen des Verhaltens gerichtet
(Inhaltsanalyse, Befragung)
Verfahren der direktenBeobachtung
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Kenntnis vom Beobachtungsvorgang
Offene
Beobachtung
�� Verdeckte
Beobachtung
Interaktion
Nicht-
teilnehmende
�� Teilnehmende
Beobachtung
Beobachtungsschema
Strukturierte
Beobachtung
�
� Unstrukturierte
Beobachtung
Verfahren der direktenBeobachtung
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Feld- oder Laborbedingungen
Natürliche
Beobachtungs-
situation
��Künstliche
Situation
Beobachtungsobjekt
Fremdbeobach-
tung ��
Selbstbeobach-
tung
(selten in SoWi)
Beobachtungsverfahren
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Distanz zur Untersuchungssituation
Strukturie-rungsgrad
nicht-teilnehmend teilnehmend
Unstruktu- riert
nicht-wissenschaftl.
Alltags beobachtung
Anthropolo- gische/
ethnolog. Beobachtung
(1) (2)
Beobachtungsverfahren der empirischen Sozialforschung Strukturiert
(3) (4) Schnell, Hill, Esser 1999, S. 360
-
Beobachtungsverfahren
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Nichtteilnehmende Beobachtung:
Vorteil: Beobachtungen sind distanziert
zum Geschehen möglich und direkt
protokollierbar; z.B.
Gruppendiskussionen
Teilnehmende Beobachtung:
Nachteil: (1) Gefahr des „going native“
(Vertrautheit und Identifizierung mit dem
beobachteten Geschehen); (2) keine
simultane Aufzeichnung, dadurch
Verzerrung durch Gedächtnisfehler; (3)
Zugang zum sozialen Feld kann
problematisch sein; (4) Beeinflussung
des „normalen“ Geschehens
z.B. Milieustudien
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BeobachtungReaktivitaetseffekt
bei offenen(teilnehmenden oder nicht-teilnehmenden)Beobachtungen,wenn Beobachteten das Forschungsinteressebewusst ist
Soziale Geschehen wird durch denBeobachtungsvorgang beeinflusst
Offene Beobachtung ist reaktiv
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Verdeckte Beobachtung
Verdeckt teilnehmende Beobachtung:
Vorteil: nicht reaktiv
Nachteil: Beobachter kann
unkontrollierte Einflüsse ausüben
z.B.Anwendung im Journalismus (z.B.
G. Wallraff), Sektenstudien
Verdeckt nichtteilnehmende
Beobachtung:
Vorteil: nicht reaktiv;
Nachteil: ethische Bedenken
z.B. Beobachtung durch Einwegspiegel
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Laborsituation:
Vorteil: gezielte Vorgabe
experimenteller Stimuli und Kontrolle
von Störfaktoren
Nachteil: viele interessierende
Merkmale lassen sich im Labor nicht
erzeugen
z.B.Filmvorfuehrung mit Gewaltszenen
Laborbeobachtung
Fragestellung, Hypothesen
Datenübertragung und Auswertung
Durchführung der Haupterhebung, „Feldphase“
Pretest, Beobachtungsschulung, Revision desBeobachtungsprotokolls in Abhängigkeit von den
Pretest-Ergebnissen
Stichprobe, Auswahl der Beobachtungssituation
Konstruktion eines strukturiertenBeobachtungsprotokolls
Auswahl von Indikatoren, Operationalisierungder Variablen unter Bezugnahme auf die
Beobachtungstechnik
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Beobachtungsprozess
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BeobachtungsinstrumentZeichen-Systeme:
Aufzuzeichnende Ereignisse bzw.
Verhaltensweisen sind festgelegt
Größter Teil des Handlungsprozesses ist
uninteressant
Kategorieren-Systeme:
Handlungen werden im Zeitablauf nach
festgelegten Kategorien klassifiziert
Schätz-Skalen („Rating-Verfahren“)
Beobachter bewertet den
Ausprägungsgrad eines Verhaltens nach
Werten/ Begriffen (schwach, mittel, stark)
auf einer Skala
BeobachtungsinstrumentZeichen-Systeme
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Diekmann 1999, S477
BeobachtungsinstrumentKategorienschema
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Schnell, Hill, Esser 1999, S365
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BeobachtungsinstrumentKriterien für Kategoriensysteme:
- Eindimensionalität der Messung
- Ausschließlichkeit der Kategorien:
jedes Ereignis darf nur einer Kategorie
zugeordnet werden
- Vollständigkeit der Kategorien: alle
möglichen Beobachtungen müssen
erfassbar sein
- Konkretion der Kategorien: Kategorien
müssen beobachtbaren Sachverhalten
zugeordnet werden können
- Begrenzung der Anzahl von Kategorien
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Beobachtungssysteme
Fehler bei Erstellung von
Kategoriensystemen:
- Unvollständigkeit
- Unanwendbarkeit
- Auseinanderklaffen von Kategorien und
zu beobachtenden Einheiten
(Kategoriensystem passt nicht auf die
Struktur der Einheiten)
PRETEST
Beobachtertätigkeit
- Aufnahm e, Beurte ilung und
Vercodung, P ro toko llie rung von D aten
-
- Fehler können be i W ahrnehm ung,
Se lektion und R eduktion der D aten
durch Beobachter entstehen
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PRETEST und BEOBACHTERSCHULUNG
Beobachterfehler/Schwierigkeiten
- Schwierigkeit, eine Rolle im sozialen
Kontext des Beobachtungsfeldes
einzunehmen
- Kein Zugang zu zuverlässigen
Informationen
- Intra-Rollenkonflikte (Trennung von
Teilnahme und Beobachtung)
- Ungenaue Beobachtung und
unzureichende Aufzeichnungen
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BEOBACHTERSCHULUNG
Häufigste Fehler der Verarbeitungspha-
se:
- Zentrale Tendenz (es werden häufig
Mittelkategorien angegeben)
- Neigung zu mild oder großzügig zu
beurteilen
- Halo-Effekte
- Tendenz nach der „Logik“ der Zu-
sammengehörigkeit oder Maßgabe
des Beobachters zu beurteilen
Beobachterfehler/Schwierigkeiten
Gabriele Doblhammer: Empirische Sozialforschung Teil II, SS 2004 12/1220/30
Beobachterfehler/Schwierigkeiten
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Gegenmaßnahmen:
- Den Beobachtern wenig
Entscheidungen überlassen
- Einsatz mehrerer unabhängiger
Beobachter
- Beobachterschulung, um „Intercoder-
Reliabilität“ zu erreichen (damit sich
Kategorienzuordnungen durch die
Beobachter nicht zu stark
unterscheiden)
- Kontrolle der Aufzeichnungen in
zeitlichen Abständen und Überwachung
der Beobachter
- Durchführung von Pretest-Phasen
Inhaltsanalyse
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- Quantifizierende Analyse von Texten
- Systematisch und objektiv
- Methode ist nicht-reaktiv
- Vielfältigkeit des zur Verfügung ste-
henden Materials
- Schriftliche Dokumente über lange
Zeiträume erhalten
- Disziplinübergreifende Methode (Lite-
ratur, Psychologie, Musik u.a.)
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Inhaltsanalyse
- Hauptanwendungsbereiche: haupt-
sächlich Erforschung politischer Kom-
munikation
- Massenmedien (Analyse von Einstel-
lungen, Lebensstilen), Kriegspropa-
ganda
- Quellen: Bücher, Artikel, Annoncen,
Briefe, Urkunden, Programme usw.
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InhaltsanalytischeTechniken
Frequenzanalyse: Klassifizierung von
Textelementen; Häufigkeitsauszählung
Valenzanalysen: Bewertungen (negativ,
neutral, positiv) der interessierenden
Begriffe wird erhoben
Intensitätsanalysen: erfassen zusätzlich
die Intensitäten von Bewertungen
Kontingenzanalysen: Auftreten bestimmter
sprachlicher Elemente im Zusammenhang
mit anderen Begriffen
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Phasen einerInhaltsanalyse
• Festlegung der Art/Klasse von Tex-
ten für die Analyse (z.B. Zeitschriften-
artikel); müssen tatsächlich existieren
und zugänglich sein
• Aus relevanten Texten eine Stich-
probe (Zufall) ziehen
• Vorgabe der Zähleinheiten: Worte,
Fremdworte, Wortgruppen, Substan-
tive, Adjektive, Verben, Sätze, Artikel,
Seiten, Überschriften u.a.
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Phasen einerInhaltsanalyse
• Präzisierung einer Hypothese oder
Formulierung einer klaren Fragestel-
lung
• Entwicklung eines „Kategoriensche-
mas“ (ist selektiv in Bezug auf be-
stimmte Fragestellungen); Pretest ist
ratsam
• Codierung des Inhalts
• Statistische Auswertung (Frequenz-,
Valenz-, Intensitäts- oder Kontingenz-
analyse)
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Phasen einerInhaltsanalyse
Kategorien:
- Bezug nur auf eine Bedeutungsdimension
- Müssen sich ausschließen, erschöpfend
und unabhängig voneinander sein
- Kategorien = Oberbegriffe
Z B. Freiheit, Gleichheit
- Unterkategorien =
Merkmalsausprägungen von Variablen
- Z.B.(1) Freiheit allgemein (2) nationale
Unabhaengigkeit (3) Freiheit der
Religionen und Meinungen,.. (Diekmann 1999 S490)
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Inhaltsanalyse-Wörterbücher:
z.B. „Harvard IV Psychosocial Dictiona-
ry“, „Lasswell Value Dictionary (LVD)“
- Enthalten Kategoriennamen, Definiti-
onsregeln für Zuweisung von Worten
zu Kategorien und Musterzuweisun-
gen für bestimmte Worte
- verkürzt Arbeitsschritte
- Klassifizierungen werden standard-
isiert, Vergleiche zwischen Unter-
suchen möglich
Phasen einerInhaltsanalyse
Gabriele Doblhammer: Empirische Sozialforschung Teil II, SS 2004 29/30
Zuverlässigkeit beiInhaltsanalysen
Stabilität:
Inhaltsklassifikationen sollen stabil und
unverändert bleiben
„Intracoder-Reliabilität“: ein Coder
vercodet den gleichen Inhalt gleich
Wiederholbarkeit:
„Intercoder-Reliabilität“: mehrere Coder
vercoden einen Text mit gleichen Klas-
sifikationen
� Unterschiede durch kognitive Unter-
schiede, mehrdeutige Codieranweisun-
gen, Fehler der Coder
Zuverlässigkeit beiInhaltsanalysen
Genauigkeit:
Übereinstimmung hand-codierter Fra-
gebogen mit „Standardcodierungen“
oder „Codierungsnormen“
Diese Reliabilitätsprüfung selten an-
wendbar
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