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Begriffswelt der Feldtheorie || Inverse Operatoren div-1, rot-1, grad-1

Date post: 08-Dec-2016
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7 Inverse Operatoren div -1, rot -1, grad- 1 Eine Grundaufgabe der Elektrodynamik ist die Ermittlung der FeldgroBen E, D, H und B durch Losen der Maxwellschen Gleichungen in Differential- form, aB rotE =-- at divD =p rotH = J divB =0 (7-1) fUr vorgegebene Quellendichten p(r) und Wirbeldichten aB/at bzw. J(r). Wiinschenswert ware die Verfiigbarkeit inverser Integraloperatoren div- 1 und rot -1, die, angewandt auf (7-1), direkt die Felder liefem. Diese Opera- toren existieren tatsachlich. Sie stellen eine willkommene Erweiterung des Nablakalkiils dar und bediirfen selbstverstandlich, wie die bekannten Diffe- rentialoperatoren rot, div und grad auch, im konkreten Einzelfall der explizi- ten AusfUhrung der Integration in einem problemangepaBten Koordinaten- system. Operatoren sind ausreichend definiert, wenn ihre Abbildungs- bzw. Zuwei- sungsvorschrift, ihr Definitionsbereich (Menge der zulassigen Operanden auf die ein Operator angewandt wird) und ihr Wertebereich (Menge der Bil- der bzw. Bildfunktionen die der Operator erzeugt, engl.: range) angegeben wird, soweit letztere nicht aus dem Zusammenhang hervorgehen. 1m folgenden werden die neuen inversen Operatoren div- 1 , rot -1 und grad- 1 vorgestellt und ihre Niitzlichkeit an jeweils einem Beispiel aufgezeigt. Wei- A. J. Schwab et al., Begriffswelt der Feldtheorie © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1998
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Page 1: Begriffswelt der Feldtheorie || Inverse Operatoren div-1, rot-1, grad-1

7 Inverse Operatoren div -1, rot -1, grad-1

Eine Grundaufgabe der Elektrodynamik ist die Ermittlung der FeldgroBen E, D, H und B durch Losen der Maxwellschen Gleichungen in Differential­form,

aB rotE =-­at

divD =p

rotH = J

divB =0 (7-1)

fUr vorgegebene Quellendichten p(r) und Wirbeldichten aB/at bzw. J(r).

Wiinschenswert ware die Verfiigbarkeit inverser Integraloperatoren div-1

und rot -1, die, angewandt auf (7-1), direkt die Felder liefem. Diese Opera­toren existieren tatsachlich. Sie stellen eine willkommene Erweiterung des Nablakalkiils dar und bediirfen selbstverstandlich, wie die bekannten Diffe­rentialoperatoren rot, div und grad auch, im konkreten Einzelfall der explizi­ten AusfUhrung der Integration in einem problemangepaBten Koordinaten­system.

Operatoren sind ausreichend definiert, wenn ihre Abbildungs- bzw. Zuwei­sungsvorschrift, ihr Definitionsbereich (Menge der zulassigen Operanden auf die ein Operator angewandt wird) und ihr Wertebereich (Menge der Bil­der bzw. Bildfunktionen die der Operator erzeugt, engl.: range) angegeben wird, soweit letztere nicht aus dem Zusammenhang hervorgehen.

1m folgenden werden die neuen inversen Operatoren div-1, rot -1 und grad-1

vorgestellt und ihre Niitzlichkeit an jeweils einem Beispiel aufgezeigt. Wei-

A. J. Schwab et al., Begriffswelt der Feldtheorie© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1998

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154 7 Integraloperatoren div-1, rot-1, grad-1

tere Beispiele finden sich im gesamten Text, beispielsweise bei der Einfuh­rung des elektrischen Skalarpotentials (4.1), der Herleitung der Diffusions­gleichung (6.2.4), der Wellengleichungen fur elektrische und magnetische Felder (6.3.1) sowie des magnetischen Vektorpotentials (5.4).

7.1 Integraloperator div-1

Die Abbildungsvorschrift lautet grundsatzlich

I div-1 := gradA-1 I (7-2)

Abhangig von der Problemklasse nimmt A-1 unterschiedliche Formen an (s. 4.4.3).

Der Definitionsbereich des Operators ist die Menge aller Quellendichten divX(r) = y(r), sein Wertebereich die Menge aller Vektorfelder X(r) mit nicht existierender Wirbelfeldkomponente Xw(r).

SinngemaE entspricht der Operator div-1 dem Integraloperator J:. dx der Analysis, dessen Wertebereich bekanntlich die Menge aller Stammfunktionen mit verschwindender Integrationskonstante C reprasentiert.

Angewandt auf eine Quellendichte divX(r) = y(r) liefert der Operator div-1 eindeutig das zu y(r) gehorende Quellenfeld,

div-1 div X(r) := XQ(r) = grad A-1 y(r) (7-3)

Beispielsweise erhalt man unter Verwendung des in 4.4.3 vorgestellten In­tegraloperators A-1 fur ein Newton-Feld:

(7-4)

Unbeschadet der etwaigen gleichzeitigen Existenz eines Wirbelfelds Xw(r) laEt sich immer eindeutig das zur gegebenen Quellendichte y(r) gehorige

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7.1 Integraloperator div-1 155

Quellenfeld XQ (r) bestimmen. Ein etwaiges gleichzeitig vorhandenes Quel­lenfeld eines Randwertproblems ist bei der Verwendung des inversen La­place-Operators L\-l gemaB (4-79) automatisch in XQ beriicksichtigt.

Wir wollen die Niitzlichkeit des Integraloperators div-1 an einem Beispiel demonstrieren.

Berechnung eines elektrischen Quellenfelds E(r) aus seiner Quellendichte div D(r) = p(r):

Gesucht sei das elektrische Feld E(r) in der Umgebung einer Linienladung mit der Quellendichte divD(r) = pdrq), Bild 7.1 (vgl. auch Bild 4.4).

Z

<p (r) = <p (x,y,z)

y BUd 7.1: Zur Berechnung der Poten­tialfunktion einer Linienladungsdichte PL(r). Der Quellen-Ortsvektor rq ist die Integrationsvariable.

Bei der klassischen Vorgehensweise (s. 4.2.2) berechnet man zunachst das von Green eingefiihrte Skalarpotential <pdr), aus dem dann durch Gradient­bildung die e1ektrische Feldstarke ermittelt wird. Hierfiir ordnet man einem infinitesimal kurzen Linienelement dLq die Punktladung dQ zu und berech­net dessen Potentialfunktion <pdr) in Anlehnung an die Berechnung des Potentials einer Punktladung zu

d<p = dQ = pdrq)dLq 41tE Ir - rql 41tE Ir - rql

(7-5)

Aufsummieren der Potentialfunktion aller infinitesimalen Punktladungen mit­tels einer Integration fiihrt auf die gesuchte Potentialfunktion einer Linienla­dung

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156 7 Integraioperatoren div-1 , rot-I, grad-1

(7-6)

Zur Berechnung des Integrals muB man sich auf ein bestimmtes Koordina­tensystem festlegen und erhaIt dann beispielsweise in kartesischen Koordi­naten, wie im Kapitel 4.2.2 gezeigt,

(7-7)

SchlieBlich erhaIt man durch Gradientenbildung das elektrische Feld zu

E(x,y,z) = -grad <pdx, y,z) (7-8)

Der Integraloperator div-1 = grad A-I erlaubt ohne Umweg tiber eine Hilfs­funktion direkt die Auflosung der gegebenen Quellendichte divD = PL(r) nach der gesuchten Feldstarke E(r). Angewandt auf

div D(r) = p(r) bzw. divE(r) = p(r) e

(7-9)

erhalten wir unter Verwendung des inversen Laplace-Operators (s. Kap. 4.4.3)

(7-10)

direkt die gesuchte Feldstarke E(r) (vgl. Gl. 4-35):

div-1 divE(r) =E(r) =.gradA-lpdr)/e=-grad~ r pdrq ) dLq 41te JLq Ir - rql

L-__________________ ----I .(7-11)

Selbstversilindlich muB auch hier noch in einem problemangepaBten Koor­dinatensystem die Auswertung des Linienintegrals erfolgen. Die Einfiihrung

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7.1 Integraloperator div-1 157

der Hilfsfunktion <pdr) ist jedoch entbehrlich, womit keineswegs ihre grund­satzliche Nutzlichkeit in Frage geste11t werden sol1. Ein etwa gleichzeitig vor­handenes Randwertproblem ist gemaB (4-79) automatisch beriicksichtigt.

Die Nichtbeachtung des Definitions- und Wertebereichs des Operators div-1

kann zu wi11kiirlichen Ergebnissen fiihren. Diese Vorgehensweise ware aber von gleichem Niveau wie die Nichtberiicksichtigung der Integrationskon­stanten C beim unbestimmten Integral.

7.2 Integraloperator rot-1

Die Abbildungsvorschrift lautet grundsatzlich

I ro(-I:~ -rol,;-I (7-12)

Abhangig von der Problemklasse nimmt Ll-1 unterschiedliche Formen an (4.3).

Der Definitionsbereich des Operators ist die Menge aller Wirbeldichten rot X(r) = Y(r), sein Wertebereich die Menge aller Vektorfelder X(r) mit nicht­existierender Quellenfeldkomponente XQ(r).

SinngemaB enspricht der Operator rot-1 dem Integraloperator J:. dx der Analysis, dessen Wertebereich bekanntlich die Menge aller Stammfunktio­nen mit verschwindender Integrationskonstante C reprasentiert.

Angewandt auf eine Wirbeldichte rotX(r) = Y(r) liefert der Operator rot-1

eindeutig das zu Y(r) gehorende Wirbelfeld,

rot -1 rot X = Xw(r) = -rot Ll-1 Y(r) (7-13)

bzw. unter Verwendung des in 4.4.3 vorgeste11ten Integraloperators Ll-1,

(7-14)

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158 7 Integraioperatoren div- 1 , rof 1, grad-1

Unbeschadet der etwaigen gleichzeitigen Existenz eines Quellenfelds XQ(r) liiEt sich immer eindeutig das zur gegebenen Wirbeldichte VCr) gehorige Wirbelfeld Xw(r) bestimmen. Ein etwa gleichzeitig vorhandenes Wirbelfeld eines Randwertproblems ist bei Verwendung des fur Wirbelfelder definierten inversen Laplace-Operators "y-1 in Anlehnung an (4-79) automatisch be­rticksichtigt.

Wir wollen die Ntitzlichkeit des Integraloperators rot -1 an einem Beispiel demonstrieren.

Berechnung eines magnetischen Wirbelfelds H(r) aus seiner Wirbeldichte rot H(r) = fer):

Gesucht sei das magnetische Feld H(r) in der Umgebung einer Stromdichte J(r). Ohne Einfuhrung einer Hilfsfunktion, hier das magnetische Vektorpo­tential A, erhalt man durch direkte Integration, das heiEt, Multiplikation mit rot-1 = -rot Ll-1 von

rotH(r) = J(r) (7-15)

unter Verwendung des inversen Laplace-Operators Ll-1 (s. Kapitel 4.4.3)

Ll-1 = -~ r -:-' -dV 41dvq Ir - rql q

direkt die gesuchte Feldstarke

1 J J(r) rot-1 rotH(r) = H(r) = -rot Ll-1J(r) = rot- --q-dVq 41t Vq Ir - rql

(7-16)

(7 -17)

Die Auswertung des Volumenintegrals erfolgt wie gewohnt in einem dem Problem angepaEten Koordinatensystem.

Die Nichtbeachtung des Definitions- und Wertebereichs des Operators rot-1

kann zu willktirlichen Ergebnissen fuhren. Diese Vorgehensweise ware aber von gleichem Niveau wie die Nichtberticksichtigung der Integrationskon­stante C beim unbestimmten Integral.

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7.3 Integraioperator grad-1 159

7.3 Integraloperator grad-1

Die Abbildungsvorschrift lautet

I grad-I = J dr ! (7-18)

Der Definitionsbereich des Operators ist die Menge aller Gradientenfelder grad <p(r)=X(r), sein Wertebereich die Menge aller Potentialfelder <p(r) mit nichtexistierendem ortsunabhangigem Potential <Po. Mit anderen Worten, der Operator grad-1 liefert eindeutig das zu einem Vektorfeld X(r) mit ver­schwindendem ortsunabhangigem Potential <Po gehorende Potentialfeld <p(r). LaBt man im Wertebereich alle Potentialfelder zu, also auch so1che mit orts­unabhangigem Potential <Po, nimmt grad-1 die Bedeutung des Unbestimmten Integrals in der Analysis an (s. 7-3). In Analogie zu (7-4) liefert dann grad-1 X(r) die Menge aller Potentialfelder <p(r),

grad-1 X(r) = f X(r)dr = <p(r) + <Po (7-19)

Der Integrationskonstanten C entspricht hier ein ortsunabhangiges Potential <PO' SchlieBt man die Existenz dieses Potentials eo ipso aus, ist grad-1 streng der zu grad inverse Operator. Bei Laplace-Problemen ist <Po haufig von Null verschieden, weswegen es sich empfiehlt, die Integrationskonstante <Po so lange mitzuftihren, bis tiber ihren Wert eindeutig entschieden werden kann (s. z.B. 4.4.1).

7.4 Berechnung eines allgemeinen Vektorfelds E(r)

Bei gleichzeitiger Existenz von QuelIen- und Wirbeldichten mtissen beide Operatoren angewandt und die mit ihnen erhaltenen QuelIen- und Wirbel­felder zum gesamten Felcl addiert werden.

Gesucht sei ein elektrisches Vektorfeld E(r) = EQ(r) + Ew(r) mit der Quel­lendichte div~(r) = divEQ(r) = p(r) 1£ und der Wirbeldichte rot E(r) = rot Ew(r) = -B(r). Die Anwendung des Operators div-1 auf die QuelIen­dichte divEQ(r) = p(r) 1£ ergibt sofort

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160 7 Integraloperatoren div-1, rot-1, grad-1

(7-20)

SinngemaB erhalten wir durch Anwendung des Operators rot-1 auf die Wir­beldichte rot Ew(r) = -B(r)

(7-21)

Die vollstandige Losung erhalten wir durch Addition der Gleichungen (7-20) und (7-21), was auf

(7-22)

fiihrt.

Bei vielen technischen Problemen sind nicht Quellen- und Wirbeldichten ge­geben, sondem beispielsweise Hohlleiter- oder Eisenkreiskonturen etc. in de­ren Innerem Quellen und Wirbel in unbekannter Weise verteilt sind. Ohne zusatzliche Quellen- und Wirbel im Definitionsbereich gilt dann immer divX = 0 und rotX = 0, (s. a. 3.5). Man spricht von Randwertproblemen, bei denen das gesamte Feld aus einer gegebenen Kontur (Berandung) und den auf ihr herrschenden Randwerten berechnet wird. Hierzu ist die allge­meine Losung der zugehorigen homogenen Differentialgleichungen an die auf der Berandung herrschenden vorgegebenen Randwerte anzupassen (s. z.B. 4.4.1). In dieser Aufgabe liegt die eigentliche Problematik der Feldbe­rechnung. Bei nicht zusammenhangend analytisch beschreibbaren Randem und wenn die Rander nicht mit Koordinatenflachen speziell an die Aufga­benstellung angepaBter Koordinatensysteme zur Deckung gebracht werden konnen, lassen sich Randbedingungen analytisch nicht beriicksichtigen.

Die umfangreichste Aufgabenstellung bildet schlieBlich die Kombination von Randwertproblemen mit zusatzlich gegebenen Quellen- oder Wirbeldichten, z.B. Wirbelstromprobleme, Simulation von Gasentladungen usw. (s. a. 2.1). In diesem Fall kann man grundsatzlich versuchen, die problemspezifische Greensche Funktion Gv aufzusuchen (s. 4.4.3) und in Gleichung (4-74) ein­setzen. Da dies aber in seltensten Fallen praktikabel ist, wird man einer numerischen Losung den Vorzug geben (s. Kapitell0).


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