3 Feldtheorie - Gleichungen
Eine Grundaufgabe der Feldtheorie ist die Ermittlung elektrischer und magnetischer Felder, z.B. E(x,y,z), H(x,y,z) oder J(x,y,z), als Losungen der Gleichungen, die diese Variablen untereinander oder mit weiteren Variablen der Feldtheorie verkniipfen.
Zu den Feldtheorie-Gleichungen gehoren
- die Maxwellschen Gleichungen,
- die Kontinuitatsgesetze,
- die Materialgleichungen.
Letztere wurden bereits im Abschnitt 1.2 vorgestellt, die Maxwellschen Gleichungen und die KontinuWitsgesetze sind Gegenstand dieses Kapitels.
Die Maxwellschen Gleichungen beschreiben elektromagnetische Felder und ihre Wechselwirkungen mit Materie. Gewohnlich begegnet man diesen Gleichungen im Zeitbereich, und zwar wahlweise in Integral- oder Differentialform. Erstere beinhaltet Bestimmte Integrale (hiersog. Bereichsintegrale) , deren Auswertung fur vorgegebene Integrationsgrenzen bzw. -gebiete auf der rechten Gleichungsseite immer einen Zahlenwert ergibt. Letztere beinhaltet Funktionale (Funktionen von Funktionen), die einen funktionalen Zusam-
A. J. Schwab et al., Begriffswelt der Feldtheorie© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1998
26 3 Feldtheorie - Gleichungen
menhang zwischen den auf beiden Gleichungsseiten stehenden Funktionen liefem. Explizit stell en sie sich in Form partieller Differentialgleichungen dar.
Bei der rechnerischen Behandlung von Wechselstrom-Problemen erweist sich fur beide Formen die Darstellung in komplexer Schreibweise als zweckmaBig (Frequenzbereichsdarstellung, s.3.6 und AS). Der Anschaulichkeit wegen betrachten wir zuna.chst die Integraldarstellung im Zeitbereich, da sie sich leichter mit physikalischen Gedankenexperimenten verbinden Ia.Bt.
3.1 Maxwellsche Gleichungen in Integralform
MAXWELLSCHE GLEICHUNGEN INTEGRALFORM
d'l> 0
=--=Ue dt tcH.dr =I=Um
tAB.cIA =0 (3-1)
Bei oberfla.chlicher Betrachtung dieses Gleichungssystems iiberfdllt manchen Eleven der Elektrotechnik mange1s ausreichender Vertrautheit mit der Vektoranalysis eine gewisse Resignation und Ia.Bt Bedenken aufkommen, ob er diese Gleichungen jemals in ihrer voUen Bedeutung verstehen werde. Die Angst ist unbegriindet, da es zuna.chst nur auf den physikalischen Inhalt dieser Gleichungen ankommt. Die mathematische Durchfiihrung ihrer vektoriellen Integration ist seltener gefragt, da die rechnerische Behandlung realer Probleme meist mit Hilfe der MaxweUschen Gleichungen in Differentialform erfolgt. Ha.ufig erha.lt man die Losungen der Maxwellschen Differentialgleichungen - die elektrischen und magnetischen Feldsta.rken im betrachteten Gebiet - unter Verwendung mathematischer Hilfsfunktionen, sogenannter Potentiale (s. KapiteI4).
Wir werden die einzelnen Gleichungen na.her erla.utern und betrachten zuna.chst die obere Reihe des Gleichungssystems (3-1).
3 . 1 Maxwellsche Gleichungen in Integralform
3.1.1 Induktionsgesetz in Integralform (Faradaysches Gesetz) Wirbelstiirke elektrischer Wirbelfelder
27
Ein sich zeitlich andemder magnetischer FluE, beispielsweise im Eisenkem eines Transformators, erzeugt (induziert) in einer ihn umgebenden Leiterschleife eine Spannung Ue. Die Spannung laBt sich messen, wenn man die Leiterschleife auftrennt, Bild 3.1a.
a)
d$ • -=$ dt
d$ • -=$ dt
Bild 3.1: Eisenkern mit zeitlich vedinderlichem FluB und Leiterschleife, a) Veranschaulichung des Induktionseffekts, b) Berechnung der induzierten Spannung. E ist <i> bzw. :8 linkswendig (Linke-Hand-Regel), -$ bzw. -:8 rechtswendig (Rechte-HandRegel) zugeordnet.
Die Induktionswirkung kommt zustande, weil ein zeitlich sich andemder FluB <1> von einem elektrischen Wirbelfeld mit geschlossenen Feldlinien umgeben ist, ahnlich wie ein Strom(fluB) I von einem magnetischen Wirbelfeld (s. 2.2).
Multipliziert man an einer beliebigen Stelle der Leiterschleife die Tangentialkomponente der Feldstarke des e1ektrischen Wirbelfelds mit dem zugehorigen Wegelement dr, so erhaIt man die langs dr induzierte Spannung
(3-2)
28 3 Feldtheorie-Gleichungen
Formal erhalt man dUe als Ergebnis des Skalarprodukts aus Feldstarkevektor E und vektoriellem Wegelement dr,
dUe = E· dr = Ecosadr = Etan dr (3-3)
Die Summation aller infinitesimalen Spannungen dUe langs eines Konturelements von rA bis rB ergibt die zwischen P(rA) und P(rB) induzierte Spannung
(3-4)
Ftihrt man die Punkte P A (rA) und PB(rB) immer enger zusammen, strebt die gesamte induzierte Spannung nach der in einer geschlossenen Schleife
o
(rA = rB, Kontur C) induzierten Umlaufspannung Ue ,
(3-5)
Sie ist identisch mit der bei Transformatorberechnungen verwendeten Windungsspannung.
Der Kreis tiber dem Spannungssymbol und im Integralzeichen symbolisiert den geschlossenen Integrationsweg. Die induzierte Umlaufspannung ist der zeitlichen Anderung des magnetischen Flusses proportional und somit ein Mag fur die Starke der Wirbel des Felds ($ bzw. B-Linien im Eisenkreis), sie wird deshalb auch Wirbelstiirke des elektrischen Wirbelfelds genannt (vergleiche auch Stromstiirke). Die Induktionswirkung wird nicht magnetisch, sondern elektrisch tibertragen. Die Wirbel des elektrischen Wirbelfelds sind auf den Transformatorschenkel beschrankt, augerhalb des Eisenkerns existiert nur das mit ihnen verlmtipfte elektrische Wirbelfeld (Streuung vernachlassigt) .
Das negative Vorzeichen ergibt sich aus der Lenzschen Regel. Die induzierte Feldstarke ist immer so gerichtet, dag eine von ihr in leiWihigen Medien bewirkte Stromanderung (wie auch die zugehorige Magnetfeldanderung) der verursachenden Strom- bzw. Magnetfeldanderung entgegenwirkt. Die Richtungen von E und -$ sind einander nach der Rechte-Hand-Regel (d.h. rechtswendig) zugeordnet. Die Richtung von <I> ist willktirlich.
3.1 Maxwellsche Gleichungen in Integralform 29
Die praktische Bedeutung der Umlaufspannung liegt darin begrundet, daB sich mit ihrer Hilfe die in den Windungen elektrischer Maschinenwicklun gen induzierten Spannungen aus $ berechnen lassen.
Die am Ort der Leiterschleife vorhandene elektrische Wirbelstarke ist eingepragt (vgl. Konstantspannungsquelle), sie wird nicht von der Leiterschleife kurzgeschlossen. Je nach Leitwert der Schleife konnen heliebig hohe KurzschluBstrome flieBen (falls B eingepragt ist!).
Haufig druckt man den FluB <jl durch die FluBdichte B gemaB
<jl= fB.dA (3-6)
aus, so daB das lnduktionsgesetz folgende Form annimmt
(3-7)
Fur ruhende Leiter spielt die Reihenfolge der Differential- bzw. Integraloperatoren keine Rolle, so daB man auch schreiben kann
o fc f aB Ue = E·dr = - _·dA C A at (3-8)
Geschlossene elektrische Feldlinien existieren auch im Innern des Eisenkerns. Sie verursachen dort auf Grund der Leitfahigkeit des Eisens Wirbelstrome. Urn diese zu verhindern bzw. auf kleine Bereiche zu beschranken (Verluste, Erwarmung), werden Eisenkreise aus dunnen, gegeneinander isoHerten Blechen zusammengesetzt.
3.1.2 Durchflutungsgesetz in Integralform (Amperesches Gesetz) Wirbelstiirke magnetischer Wirbelfelder
Ein Strom treibt durch die Flache der von ihm durchflossenen Leiterschleife einen magnetischen FluB mit geschlossenen FluBdichtelinien. Strompfade
30 3 Feldtheorie-Gleichungen
sind daher von einem magnetischen Wirbelfeld umgeben, Bild 3.2a. Die Feldlinien lassen sich durch einen Eisenkreis dank dessen hoher Leitfiihigkeit fUr magnetische Flusse in gewiinschter Weise fiihren, Bild 3.2b.
dr
a) b)
Bild 3.2: Magnetisches Wirbelfeld urn eine Stromschleife ohne und mit Eisenkreis (schematisch). Die Rich!ungen von lund H sind einander rechtswendig zugeordnet (Rechte-Hand-Regel). Urn: Magnetische Umlaufspannung
Die lokale Starke des magnetischen Feldes laBt sich in Analogie zum elektrischen Feld durch die magnetische Feldstarke H des Wirbelfelds kennzeichnen.
Multipliziert man die Tangentialkomponente dieses magnetischen Wirbelfelds mit einem Wegelement dr, so erhaIt man die langs dr herrschende magnetische Spannung (vgl. 3.1.1)
dUm = H· dr = Hcosadr = Htan dr (3-9)
Die Summation aller infinitesimalen Spannungen dUm langs einer geschlossenen Kontur C ergibt die magnetische Umlaufspannung Urn bzw. fUhrt auf das Durchflutungsgesetz,
(3-10)
3 . 1 Maxwellsche Gleichungen in Integralform 31
Die magnetische Umlaufspannung ist bei einer Windung mit dem Strom I identisch und somit ein MaB fur die Starke der Wirbel des Felds (StromfluBlinien I), sie wird deshalb auch Wirbelstiirke des magnetischen Wirbelfelds genannt (die bekannte Stromstiirke). Bei N Windungen (Spule) ist die magnetische Umlaufspannung gleich der Durchflutung NI=9=Urn . Die magnetische Spannung besitzt die Einheit Ampere bzw. Amperewindungen.
Die praktische Bedeutung der magnetischen Umlaufspannung liegt in der Tatsache, daB sie aus der Durchflutung 9 = NI berechnet werden kann und bei bekannter Lange des FluBpfades die magnetische Feldstarke H zu ermitteln gestattet. Es sei hier daran erinnert, daB Feldstarken grundsatzlich die Dimension SpannunglLiinge besitzen, speziell im magnetischen Feld AmperewindungenlLiinge (wegen Urn = NI = 9).
Die von einer Stromschleife umschlossene Flache A bestimmt den magnetischen FluB, den ein eingepragter Strom bzw. die mit ihm synonyme magnetische Umlaufspannung Urn durch die Stromschleife treiben kann.
Ahnlich wie die induzierte elektrische Umlaufspannung Ue (s. 3.1.1), ist die magnetische Umlaufspannung Urn eine eingepragte GroBe. Das heiBt, je hoher die Leitfcihigkeit eines Eisenkreises, desto groBer der FluB.
Geschlossene magnetische Feldlinien existieren auch urn die einzelnen Stromfaden im Innern eines Leiters. Bei veranderlichen Stromen andert sich das mit den Stromfaden verkniipfte MagnetfeId, was gemaB Abschnitt 3.1.1 ein elektrisches Wirbeifeid auch im Innern des Leiters zur Foige hat. Das elektrische Wirbelfeld bewirkt auf Grund der vorhandenen Leitfahigkeit Wirbeistrome, die in der Seele des Leiters der normalen StromfluBrichtung entgegengerichtet sind, am Umfang mit ihr iibereinstimmen, was effektiv auf eine Verdrangung des Stroms zum Umfang hinausiauft, (eng!.: skin effect, s.a. 6.2.4). Die Stromverdrangung ist urn so ausgepragter, je hoher die Frequenz (bei harmonischen Vorgangen) bzw. zeitliche Stromanderungsgeschwindigkeit dildt (bei nichtsinusformigen Vorgangen) ist. Sie hangt nicht von der Stromstiirke abo
SchlieBlich ist zu bemerken, daB im Durchflutungsgesetz (3-10) der totale Strom gemeint ist, d.h. die Summe aus Leitungsstrom und Verschiebungsstrom (eng!.: true current oder total current),
I=h+Iv . (3-11)
32 3 Feldtheorie-Gleichungen
Bine Stromdichte besteht grundsatzlich aus den beiden Komponenten Leitungsstromdichte und Verschiebungsstromdichte, die sog. wahre elektrische Stromung (eng!.: true current density, total current density),
I J = Jc + Jv = crE+Eil= crE+~ (3-12)
I 1..-1 ----,1
Leitungsstromdichte Verschiebungsstromdichte
1m bisherigen Text haben wir unter J allein die Leitungsstromdichte verstanden. Ab hier wird dies durch den Index L explizit zum Ausdruck gebracht.
Leitungsstrome beruhen auf der Stromung von Ladungstragern, Verschiebungsstrome auf der zeitlichen Anderung elektrischer Felder E bzw. i:>. In Leitern ist i:> bis zu Frequenzen im Rontgenbereich gegen die Leitungsstromdichte, in Isolierstoffen die Leitungsstromdichte gegen i:> vernachlassigbar,
Leiter
Isolierstoffe
Vakuum
IJd » IJvl = ltil IJd « IJvl = ltil
= 0 (3-13)
Bild 3.3 zeigt einen Ausschnitt eines Stromkreises, der durch einen LuftspaIt unterbrochen ist.
Luftspalt Leiter
BUd 3.3: Stromkreis mit Luftspalt zur ErHiuterung der wahren elektrischen Stromung.
An der Stirnflache der Leiter gehen Leitungsstrom und Verschiebungsstrom stetig ineinander tiber. Bei sinusfOrmigen Vorgangen sind der Leitungsstrom im Leiter und seine Fortsetzung als Verschiebungsstrom im Nichtleiter in
3 . 1 Maxwellsche Gleichungen in Integralform 33
Phase, im gleichen Medium sind sie gegeneinander urn 90° phasenverschoben.
Die Entscheidung tiber die Grenzfrequenz 00, ober- oder unterhalb der die Verschiebungsstromdichte gegentiber der Leitungsstromdichte vernachlassigt werden kann, flillt leichter, wenn man die Stromdichten komplex darstellt (s. A.S)
1 = O'~ + jOOE~ = (0' + jooEm
Es gilt dann unabhangig von der Feldstarke
0'» OOE
0' « OOE
Leitungsstrom dominant, Verschiebungsstrom dominant.
(3-14)
Wahrend typische Leiter (z.B. Kupfer, Aluminium) und typische Isolierstoffe (z.B. PVC oder PE) unabhangig von der Frequenz ihre charakteristischen Leitflihigkeitseigenschaften bewahren, kann es in der Grauzone (z.B. Bio-Organismen, Erdboden, Meerwasser usw.) von der Frequenz abhangen, ob man einen Stoff zu den Leitern oder Nichtleitern zahlen wird.
Der Verschiebungsstrom ist eine physikalische Realitat, nur nicht notwendigerweise im ursprtinglichen Sinn (verschobene Ladungen), da sich seine Wirkungen auch im Vakuum nachweisen lassen. Ohne Verschiebungsstrom gabe es keine Kondensatoren. Haufig ist es treffender, den Verschiebungsstrom ausschlieElich als zeitliche Anderung des elektrischen Flusses zu interpretieren, die die Einheit Ampere besitzt, wie der Leitungsstrom auch.
Oft driickt man den totalen StromfluE I durch die FluEdichte der wahren elektrischen Stromung aus, gemaE
(3-15)
so daE das Durchflutungsgesetz folgende Form annimmt
(3-16)
34 3 Feldtheorie-Gleichungen
Zusammenfassend HiBt sich feststellen, daB die linken Seiten der ersten Zeile der Maxwellschen Gleichungen groBe formale Ahnlichkeit besitzen und einen Integraltyp darstellen, der auch in vielen anderen Disziplinen zu finden ist. Dieser Integraltyp wird fachubergreifend Wirbelstarke genannt, ublich sind auch Umlaufspannung oder Zirkulation.
Aligemein gilt fur ein Vektorfeld X:
{Wirbelstarke f X · dr = Umlaufspannung
C Zirkulation (3-17)
Die Begriffe der rechten Seite sind synonym.
fc X . dr = 0 bedeutet:
fc X . dr ::f. 0 bedeutet:
I =i J 'd A AI-
Die Umlaufspannung der Kontur C besitzt den Wert Null bzw. die Summe aller Wirbel durch die Kontur ergibt den Wert Null,
Die Umlaufspannung der Kontur ist ungleich Null bzw. die Kontur C ist wirbelbehaftet, Bild 3.4.
" H· d r :j:O 'fc'
~cH.dr =o "" r---f----,
~-1---..L
c H
a) b)
Bild 3.4: Wirbelfreie und wirbelbehaftete Bereiche von Wirbelfeldern, a) magnetisches Wirbelfeld (AL: Leiterquerschnitt), b) elektrisches Wirbelfeld.
3 . 1 Maxwellsche Gleichungen in Integralform 35
Wirbelfreiheit punktuell oder in einern Bereich nachgewiesen, sagt nicht, daB es sich urn ein Quellenfeld handelt, sondem lediglich, daB irn untersuchten Gebiet keine Wirbel sind, bestenfalls entgegengesetzt gleich groBe, die sich aber in ihrer Gesarntheit gegenseitig aufheben (s.a. 3.5).
Irnpliziert die Problernstellung eo ipso ein reines Quellenfeld XQ(r), gilt liberall und immer
3.1.3 GauBsches Gesetz des elektrischen Felds Quellenstiirke elektrischer Felder
(3-18)
Wir betrachten eine offene Raumflache A und eine geschlossene Hullfliiche A in einern Vektorfeld der elektrischen FluBdichte D, Bild 3.5.
D ,D
b)
Bild 3.5: Zum GauBschen Gesetz des elektrischen Felds a) offene FUiche, b) geschlossene Hiillflache.
GernaB Gleichung (1-14) aus Kapitel1 berechnet sich der durch die Flachen tretende FluB 'II zu
L--._'II_=_Jp_._dA_---'1 bzw. I >it = £,.0 . dA: Q ~O I . (3-19a,b)
36 3 Feldtheorie-Gleichungen
Die Beziehung (3-19b) zwischen dem elektrischen HiillenfluB \jJ durch eine geschlossene Hiillflache A und dem Vektorfeld der elektrischen FluBdichte D bzw. seinen von der Hiille umschlossenen elektrischen Ladungen Q wird Gaufl'sches Gesetz des elektrischen Feldes $enannt (Satz vom HiillenfluB). Fiir eine beliebige geschlossene Hiillflache A, beispielsweise die in Bild 3.5 b gezeichnete Kalotte zusammen mit der ebenen schraffierten Begrenzungsflache, nimmt das Integral (3-19b) den Wert Null an, wenn die Hiille keine oder gleich viele positive und negative Ladungen enthalt. Der in die Hiille eintretende FluB ist gleich dem aus der Hiille austretenden FluB. Bereits am einfachen Beispiel eines in einen Gartenschlauch eintretenden Wasserflusses laBt sich diese Aussage leicht einsehen. Ergibt die Integration einen von Null verschiedenen FluB, so ist dieser gleich der von der Hiille eingeschlossenen Ladung Q bzw. einem etwaigen LadungsiiberschuB einer Polaritat.
Ergibt das Integral einen von Null verschiedenen Wert, muB im betrachteten Integrationsgebiet eine Quelle bzw. ein Quellenfeld existieren (unbeschadet eines etwa zusatzlich vorhandenen elektrischen Wirbelfelds). Den durch eine geschlossene Hiille tretenden elektrischen HiillenfluB (NettofluB) \jJ = Q nennt man Quellenstiirke des elektrischen Felds im betrachteten Gebiet.
3.1.4 GauBsches Gesetz des magnetischen Felds Quellenstiirke magnetischer Felder
Wir betrachten eine offene Raumflache A und eine geschlossene Hii.llfliiche A in einem Vektorfeld der magnetischen FluBdichte B, Bild 3.6.
B B
a) b)
BiId 3.6: Zum GauBschen Gesetz des magnetischen Felds a) offene Flache, b) geschlossene Hiillenflache.
3 . 1 Maxwellsche Gleichungen in Integralform 37
GemaB Gleichung (1-17) aus Kapitell berechnet sich der durch die Flachen tretende Plug <1> zu
(3-20a,b)
Die Beziehung (3-20b) zwischen dem magnetischen HiillenfluB ~ durch eine geschlossene Hiillflache A und dem Vektorfeld der magnetischen Flugdichte B bzw. seinen von der Hiille umschlossenen "magnetischen Ladungen" wird Gau/5'sches Gesetz des magnetischen Feldes genannt.
Fiir eine beliebige geschlossene Hiillflache A, beispielsweise die in Bild 3.6 b gezeichnete Kalotte zusammen mit der ebenen schraffierten Querschnittsflache, nimmt das Hiillenintegral (3-20b) in einem magnetischen Vektorfeld immer den Wert Null an. Dies bedeutet, daB der aus einer geschlossenen Hiille austretende magnetische FluB gleich dem in die Hiille eintretenden FluB sein muB (Kontinuitatsgesetz). Wegen der Kontinuitat des magnetischen Flusses konnen die FluBdichtelinien keinen Anfang und kein Ende besitzen, sie miissen in sich geschlossen sein. Da es keine magnetischen Monopole (magnetische Ladungen) sondern nur Dipole gibt, sind magnetische Felder grundsatzlich Wirbelfelder. Die Quellenstiirke magnetischer Felder besitzt grundsatzlich den Wert Null. Die Tatsache, dag man augerhalb stromfiihrender Gebiete magnetische Felder mit Hilfe eines magnetischen Skalarpotentials (s. 5.2) berechnen kann, verfiihrt immer wieder, magnetische Monopole experimentell nachweisen oder theoretisch begriinden zu wollen.
3.2 KontinuiHitsgesetz in Integralform Quellenstiirke elektrischer Stromung
Eine Wechselspannungsquelle treibt durch die Zuleitungen des in Bild 3.7 dargestellten Kondensators einen Leitungsstrom
(3-21)
38
o
A I ,---I
1 1 1 1
1 1 1 1 1 1 1 '-1 __ 1
AK
Jv --1---..,
3 Feldtheorie-Gleichungen
Bild 3.7: Veranschaulichung des KontinuiUitsgesetzes der wahren elektrischen Stromung am Beispiel eines Kondensators (A L: Leitungsquerschnitt; AK : Belagflache; A: geschlossene Hiillflache; Randeffekte vernachlassigt) .
Zwischen den BeUigen setzt sich der Leitungsstrom als Verschiebungsstrom
Iv = f Jv ·dA AK
(3-22)
fort (s. 3.l.2). Legt man urn einen der Belage eine geschlossene Hiillflache (Integrationsflache) A und ermittelt die Quelienstiirke der wahren elektrischen Stromung J = JL + Jv , ergibt sich
(3-23)
Dies ist das Kontinuitiitsgesetz der wahren elektrischen Stromung in Integralform. Es besagt, daB die in eine geschlossene Hiille eintretende wahre elektrische Stromung gleich der aus der Hiille austretenden wahren elektrischen Stromung ist. Mit anderen Worten, das Hillienintegral (3-23) besitzt immer den Wert Null. UmschlieBt die Hiille eine Grenzflache zwischen einem Leiter und einem Nichtleiter (s. Bild 3.7 oder 3.3), setzt sich der Leitungsstrom an der Grenzflache wegen der Kontinuitat der wahren elektrischen Stromung stetig als Verschiebungsstrom fort. Die Stromlinien der wahren elektrischen Stromung besitzen keinen Anfang und kein Ende, sie sind in sich geschlossen wie die Feldlinien magnetischer Felder. Das Vektorfeld der wahren elektrischen Stromung ist ein Wirbelfeld.
Denkt man sich in einem anderen Gedankenexperiment die Hillie in einem leitfahigen Medium befindlich, beispielsweise im Innern eines Kupferdrahtes, gilt dort wegen der Vernachlassigung des Verschiebungsstroms, das heiBt J v : = 0,
3 . 2 Kontinuitatsgesetz in Integralform 39
(3-24)
Dies ist der Spezialfall des Kontinuitatsgesetzes fur Anordnungen, die nur Leitungsstromdichten involvieren. Er ist ein MaB fur die Quellenstiirke des Stromungsfelds.
Stellt man sich in einem weiteren Experiment die Hiille in einem Nichtleiter liegend vor, beispielsweise in der Umgebung einer Sendeantenne, gilt dort wegen der Abwesenheit eines Leitungsstroms, das heiBt JL:= 0,
f}vdA=O I . (3-25)
Dieses Integral beschreibt die Quelienstiirke des Verschiebungsfelds (Feld der Verschiebungsstromdichte Jv , vgl. Stromungsfeld h).
Haufig findet man in der Integralform des Kontinuitatsgesetzes der wahren elektrischen Stromung an Stelle der Verschiebungsstromdichte Jv die zeitliche Anderung der in der Hiille eingeschlossenen Ladung dQ/dt. Urn diese Darstellung zu erhalten, bringt man zunachst die Verschiebungskomponente auf die rechte Seite und zieht die zeitliche Differentiation vor das Integral,
,( JL'dA=-,( }y.dA=-,( dD .dA=-.!,(D.dA jA jA jA dt dtjA
(3-26)
Mit fp· dA = Q erhalt man
(3-27)
Dies ist die integrale Form des Satzes von der Erhaltung der Ladung (engl.: conservation of charge).
Gemeint ist, daB eine Ladungsanderung innerhalb eines abgeschlossenen Volumens zwangsweise einen Strom IL durch die Oberflache zur Folge haben muB, da ein Leitungsstrom ja als Ladungstransport definiert ist. Dieser "be-
40 3 Feldtheorie-Gleichungen
wahrt" die aus der Hiille verschwindende Ladung in dem er sie woanders wieder auftauchen HiBt. Einsichtiger geht die Erhaltung der Ladung aus der haufig beobachteten Tatsache hervor, daB Ladungen immer nur paarweise entstehen oder verschwinden (z.B. StoBionisation eines Atoms, Elektrostatische Ladungstrennung, Ladungsausgleich beim KurzschlieBen eines Kondensators usw.).
Offensichtlich kann man das Kontinuitatsgesetz der wahren elektrischen Stromung in Integralform sowohl von der Vorstellung einer zeitlich veranderlichen Ladung ausgehend formulieren als auch unter Verwendung des Begriffs Verschiebungsstrom, der ja fiir die zeitliche Anderung des elektrischen Flusses 'I' steht. Es gilt
d'l' Iv =-dt
bzw. dD Jv=- . dt
(3-28)
Die Anderung des von einer elektrischen Ladung ausgehenden elektrischen Flusses und der Verschiebungsstrom sind daher lediglich unterschiedliche Modelle fUr ein und dasselbe physikalische Phanomen.
Der Satz von der Erhaltung der Ladung ignoriert die Existenz des Verschiebungsstroms. Dies ist nicht verwunderlich, da der Begriff Verschiebungsstrom erst spater von Maxwell eingefUhrt wurde.
Zusammenfassend laBt sich feststellen, daB auch die beiden linken Seiten der zweiten Zeile der Maxwellschen Gleichungen (siehe 3.1) und die zuletzt genannten analogen Gleichungen der Kontinuitat der elektrischen Stromung groBe formale Ahnlichkeit besitzen und einen Integraltyp darstellen, der in vielen anderen Disziplinen zu finden ist. Dieser Integraltyp wird fachiibergreifend Quellenstarke genannt, iiblich sind auch Quellung, Hiillenflull oder Ergiebigkeit.
Aligemein gilt fUr ein Vektorfeld X:
{
QUellenstarke
,( X . dA = Quellung JA HiillenfluB
Ergiebigkeit
Die Begriffe der rechten Seite sind synonym.
(3-29)
3 . 2 Kontinuitatsgesetz in Integralform 41
fAX . dA = 0 bedeutet: Der NettofluB aus der Hiille besitzt den Wert Null bzw. die Summe aller Ladungen in der Hiille ergibt den Wert Null,
fAX . dA i= 0 bedeutet: Der NettofluB aus der Hiille ist von Null verschieden bzw. die Hiille A enthalt eine positive oder negative Nettoladung.
Quellenfreiheit, punktuell oder in einem Bereich nachgewiesen, sagt nicht, daB es sich urn ein Wirbelfeld handelt, lediglich, daB im untersuchten Bereich keine Quellen sind, bestenfalls entgegengesetzt gleich groBe, die sich aber in ihrer Gesamtwirkung gegenseitig aufheben (s.a. 3.1.2 und 3.5). Die Quellenstarke eines Wirbelfelds ist immer Null, da die Feldlinien geschlossen sind. Der aus einer Hiille austretende FluB ist dann gleich dem eintretenden FluB.
AbschlieBend veranschaulicht Bild 3.8 den Satz vom HiillenfluB fur einen magnetischen Dipol, eine positive Ladung und einen Strompfad mit dielektrischem Spalt (Kondensator).
~B ·dA =0 A
,,/
~D ' dA =+Q A
I
/ / D/
Bild 3.8: Zur Veranschaulichung des GaufSschen Gesetzes fUr das elektrische und das magnetische Feld sowie fUr das Stromungsfeld bzw. die wahre elektrische Stromung.
42 3 Feldtheorie-Gleichungen
Impliziert die Problemstellung eo ipso ein reines Wirbelfeld Xw (r), gilt tiberall und immer
(3-30)
3.3 Maxwellsche Gleichungen in Differentialform
Die Maxwellschen Gleichungen in Integralform machen tiber die Eigenschaften eines Feldgebiets eine integrale bzw. globale Aussage, die sowohl vom Feld als auch VOn GroBe und Form des betrachteten Gebiets (Integrationsweg) abhangt. So ergibt sich rur die Wirbelstarke innerhalb einer Kontur C in einem ausgedehnten Feld gewohnlich ein urn so groBerer Wert, je groBer die Kontur gewahlt wird, d.h. je mehr Wirbel umfaBt werden. In ahnlicher Weise erhalt man rur die QuellensUirke einen umso groBeren Wert, je groBer die Htille gewahlt wird (sofern dabei mehr gleichnamige Ladungen umfaBt werden). Bezieht man die Wirbelstarken auf eine Flache, bzw. die Quellenstiirken auf ein Volumen, so erhalt man spezifische Wirbel- bzw. Quellenstarken, die eine Exklusivaussage tiber das Feld erlauben. LaBt man weiter die Flachen bzw. Volumina gegen Null streb en, so erhalt man Dichten, m.a.W. lokale Aussagen tiber einzelne Feldpunkte - die Maxwellschen Gleichungen in Differential- bzw. Punkt/orm.
MAXWELLSCHE GLEICHUNGEN DIFFERENTIALFORM
aB rotE =-
at divD = P
rotH = J = JL + Jv
divB =0 (3-31)
Dieses Gleichungssystem sieht gewiB nicht einladender aus als das System der Maxwellschen Gleichungen in Integralform (s. 3.1), es wird sich jedoch alles in Wohlgefallen aufiosen. Die Oberfiihrung der Maxwellschen Gleichungen von der Integralform in die Differentialform bedeutet nichts anderes als die Uberftihrung der globalen GroBen Wirbel- und Quellenstarke in lokale, diskrete Feldpunkte beschreibende GroBen, die sog. Wirbel- und Quellendichten. Wahrend die Quellen- bzw. Wirbelstarken der Integralform dimensionsbehaftete Zahlenwerte reprasentieren, stehen bei der Differentialform auf beiden Gleichungsseiten Funktionen im Sinne der Analysis bzw. Funktionsanalysis.
3 . 3 Maxwellsche Gleichungen in Differentialform
3.3.1 Induktionsgesetz in Differentialform Wirbeldichte elektrischer Wirbelfelder
43
Wir gehen aus von der Integralform des Induktionsgesetzes fUr ruhende Korper (s.a.Abschnitt 3.1.1, Gl. 3-8),
,( E . dr = - d<j> = -f aB. dA jc dt A at
(3-32)
FUr eine bestimmte Kontur C ergibt diese Gleichung den zugehorigen Wert der Wirbelstarke. Will man die Wirbelstarke in einem bestimmten Feldpunkt ermitteln und laBt die Flache der Kontur gegen Null streben, strebt leider auch die zugehorige Wirbelstarke gegen Null. Urn diese Schwierigkeit zu umgehen, bildet man das Verhaltnis Wirbelstarke zu berandeter Flache, dessen Wert endlich bleibt und offensichtlich eine charakteristische Eigenschaft des untersuchten Peldpunkts sein muB. Zunachst berechnen wir die Wirbelstarke fur die Kontur C eines sehr klein en Flachenelements M, dessen Normalenvektor nM in FlieBrichtung zeigt (bei dieser Orientierung nimmt die Wirbelstarke ihren Maximalwert an)
,( E . dr = -J aB. dA jc dA at
(3-33)
Beziehen wir diese Wirbelstarke auf die berandete Flache ~A = ~AndA (wobei man aus den in Kapitel 1 bereits genannten GrUnden nur durch den Betrag dividiert), ergibt sich
,(E ·dr -} aB. dA -~f BdA n jc = ndA dA at = ndA at dA
dA M M M (3-34)
Bei der Bildung des Grenzwerts dieses Verhaltnisses fur M ~ 0 entfallt die Integration durch das Flachenintegral. Mit dA = nA dA und nAnA = 1 sowie dem Fundamentalsatz der Differential- und Integralrechnung erhalten wir fUr die Wirbeldichte des elektrischen Felds
,( a,( a :rc E ·dr -at! B ·dA --~<j>. -a ~th aB
limn c limn dA limn at hmndA--'t' = __ M->O dA M M->O M M M->O dA M M->O at M at
(3-35)
44 3 Feldtheorie-Gleichungen
Die Sequenz der Operationen Integration, Division und Grenzwertbildung beschreibt man zusammengefaBt bzw. abgekurzt durch den Operator "rot",
rotE = _ aB I at . (3-36)
Die Wirbeldichte rot E des elektrischen Felds ist in jedem Punkt gleich der negativen zeitIichen Anderung der lokalen magnetischen FluBdichte. Die Wirbeldichte eines diskreten Raumpunkts P(ry) ist ein Vektor W(ry). Die Wirbeldichtevektoren aller Raumpunkte bilden ein Wirbelfeld W(r).
Berechnet man nach obiger Rechenvorschrift die Wirbeldichte fur ein nicht in FlieBrichtung orientiertes FHichenelement My, erhalt man die in Richtung der Flachennormalen ny liegende Koordinate (rot E)y der Wirbeldichte.
An dieser Stelle wird der Leser zwar zustimmen, W ohlgefallen empfindet er jedoch noch nicht. Dies liegt daran, daB obige Definition der Wirbeldichte unabhangig von einem bestimmten Koordinatensystem hergeleitet wurde und noch offen ist, wie der eher anschaulich vollzogene Grenzubergang in praxi realisiert wird. Die Situation entspannt sich, wenn man erfahrt, daB der Operator rot schlicht auf die Differentiation der elektrischen Feldstarke nach einer yom gewahlten Koordinatensystem abhangigen Rechenvorschrift hinauslauft (wegen der Begriindung wird auf Standard-Textbucher verwiesen). Die Koordinaten eines Vektors W berechnen sich beispielsweise fur ein kartesisches Koordinatensystem zu
aE aE Wx = (rotE)x = ayZ - a:
w. = (rotE) = aEx _ aEz y y az ax
aE aE w. =(rotE) =_Y __ x Z Z ax ay (3-37)
und damit die Wirbeldichte zu
W = rotE = (rotE)x ax + (rotE)y ay + (rotE)z az (3-38)
bzw.
3 . 3 Maxwellsche Gleichungen in Differentialform 45
W = rotE = [ClEz _ ClEy )ax + (ClEx _ ClEz)a + [ClEy _ ClEx )az . Cly Clz Clz Clx y Clx Cly
(3-39)
Man beachte, daB erst die Multiplikation mit dem Einheitsvektor den zu einer Koordinate gehorenden Komponentenvektor ergibt.
Obige Gleichungen sollte der Leser sich an folgendem einfachen Beispiel klarmachen.
Gegeben sei ein elektrisches Feld (die Einheit V 1m wird der Ubersichtlichkeit halber weggelassen)
E(x,y, z) = Ex ax + Ey ay + Ez az
= 2X2 ax + y2xay + 2zyaz (3-40)
Durch Differentiation der Komponenten nach obiger Rechenvorschrift liiBt sich rot E(x,y,z) sofort anschreiben
rotE(x, y, z) = 2zax + y2az (3-41)
Die Wirbeldichte in einem bestimmten Punkt (Xy,yy,Zy) erhiilt man durch Einsetzen seiner Koordinaten.
Alternativ kann man die Wirbeldichte eines Vektorfelds auch als Determi-nante schreiben
ax ay a z
rot E(x, y, z) = Cl Cl Cl
Clx Cly oz Ex Ey Ez (3-42)
Die Berechnung der Determinante fiihrt dann zu obiger Komponentendarstellung der Wirbeldichte.
SchlieBlich findet man hiiufig die Schreibweise:
rotE=VxE (V: sprich "Nabla", engl.: "del") , (3-43)
46 3 Feldtheorie-Gleichungen
in der die Wirbeldichte als Kreuzprodukt des Vektors (Differentialoperators) Nabla
a a a V=a -+a -+a -
x ax Yay z az (3-44)
und dem betrachteten Feld berechnet wird, wobei man ebenfalls die bekannte Koordinatendarstellung erhalt.
Andere Koordinatensysteme verlangen die Berticksichtigung von eins verschiedener metrischer Koeffizienten (s. A3).
AbschlieBend sei erwahnt, daB ein Integraloperator rot-1 existiert, der bei ausschlieBlicher Existenz von Wirbelfeldern (s. Kapitel 2) streng der zu rot inverse Operator ist. Dieser Operator wird in Kapitel 7 zusammen mit anderen Integraloperatoren ausfiihrlich erlautert.
3.3.2 Durchflutungsgesetz in Differentialform Wirbeldichte magnetischer Wirbelfelder
Wir gehen aus von der Integralform des Durchflutungsgesetzes
(3-45)
Aufgrund der gleichen Uberlegungen wie beim Induktionsgesetz erhalt man auch hier durch Bildung des Grenzwerts des Verhaltnisses von Wirbelstarke zu berandeter Flache
. fH . dr . rot H = hmnM = hmnM
M-->O M M-->O
f J·cIA MM =J , (3-46)
(3-47)
3 . 3 Maxwellsche Gleichungen in Differentialform 47
Die Wirbeldichte des magnetischen Feldes ist in jedem Punkt gleich der 10-kalen wahren Stromdichte. In Komponentendarstellung erhalt man in formaIer Analogie zum elektrischen Feld
rot H = (aHz _ aHY)a + (aHx _ aHz)a + (aHy _ aHx)a ay az x az ax y ax ay z (3-48)
1m iibrigen gelten alle am Ende des vorigen Abschnitts gemachten Aussagen in gleicher Weise fur die Wirbeldichte des magnetischen Feldes.
Zusammenfassend laBt sich feststellen, daB die linken Seiten der beiden Differentialgleichungen flir die Wirbeldichten elektrischer und magnetischer Wirbelfelder groBe formale Ahnlichkeit besitzen und auch in vielen anderen Disziplinen zu finden sind. Allgemein gilt flir ein Vektorfeld X:
{Wirbeldichte
rotX = V x X Rotation engl.: curl X (3-49)
Die Aussage rot X (x,y,z) = 0 flir alle Punkte des Anschauungsraumes bedeutet, daB das Vektorfeld X wirbelfrei ist, mit anderen Worten ein Quellenfeld sein muE.
Die Aussage rot X (xv,yv,zv) = 0 bedeutet, daB im Punkt P(xv,yv,zv) kein Wirbel sitzt, Bild 3.9.
rotE :1=0
Bild 3.9: Erlauterung des Begriffs "wirbelfrei"; auBerhalb des Eisens ist das elektrische Wirbelfeld wirbel- und quellenfrei.
48 3 Feldtheorie-Gleichungen
Wirbelfreiheit, punktuell oder in einem begrenzten Gebiet nachgewiesen, besagt nicht, daG es sich urn ein Quellenfe1d handelt, sondern lediglich, daG in dem untersuchten Gebiet keine Wirbel sind.
Impliziert die Problemstellung eo ipso ein reines Quellenfeld XQ (r), gilt uberall und immer rot XQ(r)=O (s.a.3.5).
3.3.3 Divergenz des elektrischen Felds Quellendichte elektrischer Felder
Wir gehen aus von der Integralform des GaulSschen Gesetzes fur e1ektrische Felder
(3-50)
Diese Gleichung sagt aus, daG der durch eine geschlossene FHiche aus- bzw. eintretende FluG gleich der im umschlossenen Volumen enthaltenen Ladung ist. Der Wert des Integrals ist ein MaG fur die Quellenstiirke eines elektrischen Felds. Will man die Quellenstarke eines Feldes in einem bestimmten Punkt ermitteln und HiGt das umhullte Volumen gegen Null streb en, strebt leider auch ein etwa vorhandener, umhullter FluG gegen Null. Urn diese Schwierigkeit zu umgehen, bildet man das Verhaltnis FluG zu Volumen, dessen Wert endlich bleibt und offensichtlich eine charakteristische Eigenschaft des untersuchten Feldpunkts sein muG. Wir berechnen zunachst den HullenfluG fur ein kleines Volumen !l.V mit der Hullflache M und bilden das Verhaltnis dieses Flusses zum umhullten Volumen. Den Grenzwert dieses Verhaltnisses fur !l.V~ 0 nennt man die Quellendichte bzw. Divergenz des Feldes im untersuchten Punkt,
divD = lim Il.V-->O
fD.dA M = lim !l.Q =p !l.V Il.V-->O !l.V
(3-51)
Die Sequenz der Operationen Integration, Division und Grenzwertbildung beschreibt man zusammengefaGt bzw. abgekurzt durch den Operator "div".
divD = P (3-52)
3.3 Maxwellsche Gleichungen in Differentialform 49
Die Quellendichte divD eines elektrischen Felds ist in jedem Punkt gleich der lokalen Ladungsdichte. Die Quellendichte eines diskreten Raumpunkts P(rv) ist ein Skalar, Pv==divDv' Die Quellendichten aller Raumpunkte bilden ein Skalarfeld per).
Inzwischen hat der Leser so viel Zutrauen gewonnen, daB er zu Recht eine einfache Rechenvorschrift zur Berechnung der Divergenz erwartet.
Es gilt im kartesischen Koordinatensystem
bzw.
divD == aD a + aD a + aD a ax x ay Y az z
. aD aD aD dlVD == __ x + __ y + __ z == p(x,y,z) ax ay az
Beispiel fur p = 0,
D(x,y, z) == Dxax + Dyay + Dzaz == Oax + xyay - xzaz
divD == x-x == 0
Alternative Schreibweise fur die Divergenz:
divD== V·D (V: sprich "Nabla"; engl.: "del")
(3-53)
(3-54)
(3-55)
(3-56)
Die Divergenz berechnet sich als Skalarprodukt des vektoriellen Differentialoperators Nabla
a a a V==a -+a -+a -x ax y ay z az
(3-57)
und dem betrachteten Feld.
Andere Koordinatensysteme erfordern andere Rechenvorschriften (s. A3).
AbschlieBend sei erwiihnt, daB ein Integraloperator div-1 existiert, der bei ausschlieBlicher Existenz von Quellenfeldern (s. Kapitel 2) streng der zu div
50 3 Feldtheorie-Gleichungen
inverse Operator ist. Dieser Operator wird in Kapitel 7 zusammen mit anderen Integraloperatoren ausfUhrlich erHiutert.
3.3.4 Divergenz des magnetischen Felds Quellendichte magnetischer Felder
Wir gehen aus von der Integralform des GauBschen Gesetzes fur das magnetische Feld
(3-58)
Diese Gleichung sagt aus, daB durch eine geschlossene OberfHiche gleich viele FluBlinien in das umschlossene Volumen ein- bzw. austreten, der NettofluB durch die Oberflache also Null ist. Der umschlossene Raum enthalt keine Quellen des magnetischen Felds, die magnetischen FluElinien schlieBen sich in sich selbst. Mit anderen Worten, es gibt keine monopolaren magnetischen Ladungen, von denen strahlenformig nach allen Seiten Feldlinien ausgehen.
Will man die Quellenfreiheit des Feldes in einem bestimmten Punkt nachweisen und laBt das umhUllte Volumen gegen Null streben, treten die gleichen Schwierigkeiten wie beim elektrischen FluB auf (s. 3.3.3). Wir bilden daher wieder das VerhaItnis FluB pro Volumen und bestimmen seinen Grenzwert fur ~ V ~o. Damit erhalten wir fur die Quellendichte bzw. Divergenz des magnetischen Felds
f B·dA divB = lim M = lim -...2..... = 0
&v-->o ~V &v-->o ~V (3-59)
divB = 0 (3-60)
Es gilt im kartesischen Koordinatensystem
. aB aB aB dIVB=--X +-_Y +_z =0 ax ay az (3-61)
3 . 3 Maxwellsche Gleichungen in Differentialfonn 51
1m tibrigen gelten alle im vorigen Kapitel gemachten Aussagen in gleicher Weise.
Die Divergenz divB des magnetischen Felds ist immer Null, d.h. das magnetische Feld ist quellenfrei. Die magnetischen Feldlinien sind geschlossen.
3.4 Kontinuitatsgesetz in Differentialform Quellendichte elektrischer Stromung
Wir gehen aus von der in Abschnitt 3.2 vorgestellten Integralform des Kontinuitatsgesetzes der wahren elektrischen Stromung
(3-62)
Diese Gleichung sagt aus, daB die Quellenstarke der wahren elektrischen Stromdichte Null ist. Urn eine Aussage tiber die Quellen der wahren elektrischen Stromung in einem bestimmten Peldpunkt zu erhalten, bezieht man die Quellenstiirke eines den besagten Punkt umschlieBenden Volumenelements auf das betrachtete Volumen flV und ermittelt den Grenzwert dieses Verhiiltnisses fur flV~O (s.a. 3.3.3). Diesen Grenzwert, die Quellendichte, nennt man Divergenz der wahren elektrischen Stromdichte in dem besagten Punkt,
I divJ = div(J L + J v) = 0 I (3-63)
Vielfach wird die Gleichung auch Kontinuitiitsgesetz der wahren elektrischen Stromung in Differentialform genannt.
Es gilt im kartesischen Koordinatensystem
divJ = oJx + o}y + oJz = 0 oX ay oz
(3-64)
52 3 Feldtheorie-Gleichungen
Die Divergenz der wahren Stromdichte ist immer identisch 0; die wahre Stromung ist quellenfrei im Sinne des Kapitels 2 (s. a. 3.5). An den Grenzflachen zu Nichtleitem setzen sich die Stromlinien der Leitungsstromdichte als Stromlinien der Vers<:hiebungsstromdichte fort.
Beschranken wir uns auf das Innere eines leitfahigen Mediums, beispielsweise das Innere eines Kupferdrahts, gilt dort wegen der Vemachlassigung des Verschiebungsstroms, das heiSt Jv := 0,
divh =0 (3-65)
Diese Gleichung nennt man Kontinuitiitsgesetz des Stromungsfelds. Sie beschreibt die Quellendichte des Stromungsfelds.
Denkt man sich den betrachteten Punkt in einem Nichtleiter liegend, beispielsweise im idealen Dielektrikum eines Kondensators, gilt dort wegen der Abwesenheit eines Leitungsstroms, das heiSt JL := 0
divJv = 0 (3-66)
Diese Gleichung beschreibt die Quellendichte des Verschiebungsfelds.
Haufig findet man in der Differentialform des Kontinuitatsgesetzes der wahren elektrischen Stromung an Stelle der Quellendichte divJv der Verschiebungsstromdichte die ihr aquivalente zeitlich vedinderliche Ladungsdichte dp/dt. Urn diese Darstellung zu erhalten, bringt man zunachst die Verschiebungskomponente auf die rechte Gleichungsseite und zieht die Differentiation nach der Zeit vor den raumlichen Differentialoperator diY,
divJL = -divJv = -div aD = -~divD at at
(3-67)
Setzt man jetzt divD = p erhalt man den Satz von der Erhaltung der Ladung in Differentialform,
3 . 4 KontinuiHitsgesetz in Differentialform
divh = _ ap at
53
(3-68)
Offensichtlich kann man die Differentialform des Kontinuitatsgesetzes sowohl aus der Vorstellung einer zeitlich veranderlichen Raumladungsdichte formulieren als auch unter Verwendung des Begriffs der Verschiebungsstromdichte, die ja fii.r die zeitliche Anderung der elektrischen FluBdichte steht. Es gilt
bzw. aD Jv=at
(3-69)
Die Anderung der von einer zeitlich veranderlichen Raumladungsdichte ausgehenden elektrischen FluBdichte und die Verschiebungsstromdichte sind daher lediglich unterschiedliche Betrachtungsweisen ein und desselben physikalischen Phanomens.
Der Satz von der Erhaltung der Ladung ignoriert die Existenz des Verschiebungsstroms. Dies ist nicht verwunderlich, da der Begriff des Verschiebungsstroms erst spater durch Maxwell eingefUhrt wurde. In diesem Zusammenhang wird nochmals auf die Abschnitte 3.1.2 und 3.2 verwiesen.
Zusammenfassend laBt sich feststellen, daB die linken Seiten der beiden Differentialgleichungen fUr die Quellendichte elektrischer und magnetischer Felder und die zuletzt genannten analogen Gleichungen fUr die elektrische Stromung groBe formale Ahnlichkeit besitzen und mit anderem physikalischen Inhalt auch in vielen anderen Disziplinen anzutreffen sind. Aligemein gilt fUr ein Vektorfeld X:
divX = V' X { Quellendichte Divergenz (3-70)
Die Aussage divX(x,y,z)=O fUr aIle Punkte des Anschauungsraumes bedeutet, daB das Vektorfeld X quellenfrei ist, mit anderen Worten ein Wirbelfeld sein muE. Die Aussage divX(xv,yv,zv)=O bedeutet, daB im Punkt P(xv,yv,zv) keine Quelle sitzt. Beispielsweise gilt im Innern eines Plattenkondensators iiberall divD=O, trotzdem handelt es sich urn ein Quellenfeld (s. 3.5).
54 3 Feldtheorie-Gleichungen
Quellenfreiheit in einem begrenzten Gebiet nachgewiesen, besagt noch nicht, daB es sich urn ein Wirbelfeld handelt, sondern lediglich, daB im untersuchten Gebiet keine Quellen sind. Impliziert die Problemstellung eo ipso ein reines Wirbelfeld Xw(r), gilt iiberall und immer div Xw(r) = O.
AbschlieBend sind die in den ersten vier Abschnitten dieses Kapitels erarbeiteten Begriffe in Tabelle 3.1 nochmals zusammengefaBt.
Tabelle 301: Vergleichende Darstellung der Begriffspaare QuellenstarkelQuellendichte und WirbelstarkelWirbeldichte
QUELLENSTARKE t D odA=fvPdV QUELLEN-
FELDER QUELLENDICHTE VoD=p
WIRBELSTARKE :PcE °dr= -1f °dA WIRBEL-FELDER
WIRBELDICHTE VxE= -B
3.5 Analyse von Vektorfeldern beznglich ihrer Wirbel- und Quellennatur
tBodA=O
VoB=O
~cH °dr= flodA
VxH=J
Die in den vorangegangenen Abschnitten ausfiihrlich erHiuterten Begriffe Wirbel- bzw. Quellenstarke und Wirbel- bzw. Quellendichte, insbesondere ihre mathematische Formulierung, erlauben eine prazise Charakterisierung eines vorgegebenen Vektorfeldes beziiglich seiner Wirbel- und/oder Quellennatur. Diese Unterscheidung ist nicht trivial und verlangt eine eingehende Befassung mit den nachstehenden Abschnitten. Gewohnlich wird die Thematik unterschatzt, was dann auch prompt zu Ungereimtheiten fiihrt. Der unbefangene Leser mag diesen Abschnitt getrost iiberblattern, der vorbelastete Leser wird ihn zu schatzen wissen.
Urn eine eindeutige Aussage zu erhalten, muB man zwischen Newton-Feldern und Laplace-Feldern unterscheiden (s. Kap. 2).
3 . 5 Analyse von Vektorfeldern 55
Newton-Felder:
Bild 3.10 zeigt ein Schema, das fur Newton-Felder (Felder in der Umgebung von Raumladungsdichten und Verschiebungs- oder Konstantstromdichten) unter Verwendung der algebraischen Logik abhangig vom Zutreffen bestimmter Bedingungen zu einer eindeutigen Aussage tiber die Natur eines gegebenen Vektorfelds fUhrt.
:?:1 Wirbelfrei :?:1
:?:1 & Quellenbehaftet
&
peXdr:t!: 0 :?:1 &
rot X:t!: 0 Wirbelbehaftet
PAXdA=O :?:1
divX=O Quellenfrei
Bild 3.10: Schema zur Charakterisierung einer analytischen Funktion X(r) eines Newton- Feldes als Quellenfeld, Wirbelfeld oder einer Kombination beider. UndVerkniipfung: &; Oder-Verkniipfung: ~ 1.
Treffen beispielsweise fe Xdr=O fur jede beliebige Randkurve Coder rotX=O fur alle Punkte des Anschauungsraums zu, handelt es sich urn ein wirbelfreies Gebiet und X(r) muB zwingend ein Quellenfeld XQ(r) sein. Sowohl Ie Xdr=O als auch rotX(r)=O besitzen die gleiche Aussagekraft, und jede Bedingung ist fur sich genommen, sowohl notwendig als auch hinreichend bzw. ausreichend (beztiglich des Unterschieds zwischen notwendig und hinreichend wird auf den folgenden Abschnitt und Bild 3.11 verwiesen). Dagegen besagt fAX(r)dA:t!:O oder divX(r):t!: 0 nicht zwingend, daB es sich urn ein (reines) Quellenfeld XQ(r) handelt, da hierdurch die Existenz eines
56 3 Feldtheorie-Gleichungen
gleichzeitig existierenden Wirbelfeldes Xw(r) nicht ausgeschlossen wird. Nur in Verbindung mit einer der ersten beiden Aussagen kann man auf X(r)= XQ(r) schlieBen. In gleicher Weise UiBt sich bei Wirbelfeldem vorgehen. Sind andererseits t X(r)dAtO oder divX:tO und fc Xdr:tO oder rotX(r):;tO gegeben, handelt es sich urn ein allgemeines Vektorfeld X(r)=XQ(r) + Xw(r).
Laplace-Felder (Randwertprobleme):
Bei Randwertproblemen ist der Definitionsbereich, das heiBt die Menge der unabhangigen Variablen r eines Vektorfelds X(r), auf den Raum innerhalb einer Berandung, beispielsweise zwischen Elektroden oder Polschuhen beschrankt. Die Ursachen des Feldes, beispielsweise eine Ladungsdichte p(r) oder eine Stromdichte J(r), liegen auBerhalb der Berandung und werden bei einer analytischen Lasung ignoriert. Stattdessen sind Bedingungen auf den Randem vorgegeben, beispielsweise beim elektrischen Quellenfeld Elektrodenpotentiale <j>v'
Da die Ursa chen eines solchen Vektorfeldes X(r) auBerhalb seines Definitionsbereichs liegen, gilt tiberall im Feldgebiet, unabhangig von der Natur des Feldes, rotX(r)=O und divX(r)=O. Beispielsweise herrscht in einem Plattenkondensator ein quellen- und wirbelfreies Quellenfeld EQ(r), in der Umgebung eines stromdurchflossenen Drahts ein quellen- und wirbelfreies Wirbelfeld Hw(r). Bei Randwertproblemen ist daher rotX=O nur noch eine notwendige Bedingung fur die Existenz eines Quellenfelds bzw. div x=o fur die Existenz eines Wirbelfelds. Das heiBt, rotX=O und div X=O besagen lediglich, daB das Vektorfeld X(r) in seinem Definitionsbereich wirbel- und quellenfrei ist, Bild 3.11.
Wie stell en wir fest, urn was fur ein Feld es sich nun tatsachlich handelt? Die Antwort auf diese Frage liefem die Bedingungen
und (3-71)
die, falls ftir mindestens eine Kontur bzw. ein Gebiet im Definitionsbereich zutreffend, sowohl eine notwendige als auch hinreichende Aussage tiber die Natur eines Feldes machen, da die Integrationsgebiete auch etwaige Elektroden oder Leiter umschlieBen kannen ohne die Berandung bzw. den Definitionsbereich zu verlassen, Bild 3.11.
3.5 Analyse von Vektorfeldern
t,U(r)dr=o C2
57
i€E(r) dA=£ D(r) dA=O A2 A2 '_ ----
Bild 3.11 Typische elementare Randwertprobleme. Links: Magnetisches Wirbelfeld in der Umgebung eines stromdurchflossenen Leiters. Rechts: Elektrisches Quellenfeld zwischen den Platten eines an Gleichspannung liegenden Plattenkondensators.
Sowohl beim stromdurchflossenen Draht als auch beim Plattenkondensator an Gleichspannung gilt fur das Feldgebiet innerhalb der Berandung sowohl rot X(r) = 0 als auch div X(r) = 0, da sich dort offensichtlich weder Wirbel noch Quellen befinden. Trotzdem handelt es sich im ersten Fall urn ein Wirbelfeld, im zweiten Fall urn ein Quellenfeld. Beispielsweise HiBt ein urn den Stromleiter gelegter Integrationsweg C1 wegen fel Xdr =F- 0 die Wirbelnatur des Magnetfeldes erkennen, eine urn eine Elektrode des Plattenkondensators gelegte Hulle wegen fAI XdA =F- 0 die Quellennatur des elektrischen Feldes. Lost man die Differentialgleichung rot X(r)=O bzw. divX(r)=O unter Berucksichtigung der jeweiligen Randbedingungen auf, tritt selbstverstandlich auch hierbei die Wirbel- bzw. Quellennatur in der erhaltenen Losung wieder deutlich zu Tage.
Bei Randwertproblemen taugen rotX=O und div x=o - ohne gleichzeitige Berucksichtigung der Randbedingungen - nicht mehr zur Unterscheidung zwischen Wirbel- und Quellenfeldern. Sie sind lediglich die Bedingung dafur, daB in einem wirbelfreien Gebiet, daB heiBt rotX=O, ein Quellenfeld XQ(r) gemaB XQ=grad<p aus einem Skalarpotential <p(r) (s. 4.3) und daB in einem quellenfreien Gebiet, das heiBt, div X = 0, ein Wirbelfeld Xw(r) gemaB Xw(r)=rotY(r) aus einem Vektorpotential Y(r) hergeleitet werden kann (s. 4.5). 1m Gegensatz zu Newton-Feldern sind bei Laplace-Feldern
+
58 3 Feldtheorie-Gleichungen
die Aussagen fXdA=O und divX=O bzw. fXdr=O und rotX=O nicht mehr gleichwertig. Nur die Integralform ist im jeweiligen Fall sowohl notwendig als auch hinreichend, die Differentialform nur noch eine notwendige Bedingung.
1m Kapitel 6 wird we iter gezeigt werden, daB ein elektrisches Quellenfeld EQ(r) nicht zwingend positive und negative Ladungen als Ursache haben muB, sondern daB auch andere physikalische Modellvorstellungen moglich sind. Zur prazisen Charakterisierung von Quellen- und Wirbelfeldern ist daher das mathematische Vorgehen der Anschauung vorzuziehen, wenngleich letztere fur die meisten praktischen Anwendungen fast immer zu richtigen Ergebnissen fuhrt.
3.6 Die Maxwellschen Gleichungen in komplexer Schreibweise
In zeitlich veranderlichen Feldern sind die Feldvektoren nicht nur Funktionen des arts, sondern auch der Zeit, z.B. E(x,y,z,t) bzw. E(r,t), so daB in den partiellen Differentialgleichungen neben den Ortsvariablen auch die Zeitvariable auf tritt, worauf in Kapitel 6 noch ausfuhrlich eingegangen wird. Zur vereinfachten Losung dieser partiellen Differentialgleichungen beschrankt man sich haufig auf harmonische Vorgange, d.h. sinusformige Anderungen im eingeschwungenen Zustand. Mit Hilfe der komplexen Schreibweise IaBt sich die Zeitabhangigkeit eliminieren, da sich der Zeitfaktor e jrot
heraushebt (s. AS). Die FeldgroBen sind dann komplexe Amplituden und nur noch Funktionen des arts. An die Stelle der partiellen Differentiation nach der Zeit tritt die Multiplikation mit jw. In komplexer Schreibweise lauten die Maxwellschen Gleichungen in Differentialform
KOMPLEXE DIFFERENTIALFORM DER MAXWELLS CHEN GLEICHUNGEN
rot~ = - jw!! rotH =! = (<J+ jWEm
divD = P divB = 0 (3-72)
3 . 7 Integralsatze von Stokes und GauB 59
3.7 Integralsatze von Stokes und GauB
In den vorangangenen Abschnitten wurde versucht, den physikalischen Inhalt der Maxwellschen Gleichungen in Integral- und Differentialform unter Verwendung der Begriffe Wirbelstarke und Wirbeldichte anschaulich zu erUiutern. In der Hoffnung, daB dies teilweise gelungen ist, wagen wir einen schtichternen Blick auf die Integralsatze von Stokes und GauE, die eine Oberfiihrung der Integralform der Maxwellschen Gleichungen in die Differentialform, mit anderen Worten der Wirbelstarken in Wirbeldichten sowie der Quellenstarken in Quellendichten und umgekehrt erlauben.
Satz von Stokes:
Der Satz von Stokes verkntipft Wirbelstarke und Wirbeldichte eines Vektorfelds,
(3-73)
Die Wirbelstarke ist gleich dem Flachenintegral tiber die zugehorige Wirbeldichte, wobei im Rahmen der Integration der Wirbeldichte der Bezug auf die differentielle Flache dA wieder rtickgangig gemacht wird. 1m Fall eines homogenen Felds vereinfacht sich das Integral der rechten Gleichungsseite schlicht zu einer Multiplikation der Wirbeldichte mit der Flache. Setzt man fur X beispielsweise die magnetische Feldstarke H ein, so erhalt man mit der magnetischen Wirbeldichte rot H= J
fCH .dr = J.[otH.dA = f) ·dA =1 , (3-74)
was bereits in 3.1.2 als richtig erkannt wurde.
Satz von Gau/l:
Der Satz von GauB verkntipft Quellenstarke und Quellendichte eines Vektorfelds und beinhaltet oberbegrifflich die in den GauBschen Gesetzen 3.1.3 und 3.1.4 gemachten Aussagen,
60 3 Feldtheorie-Gleichungen
(3-75)
Die Quellenstiirke ist gleich dem Volumenintegral tiber die zugehorige Quellendichte, wobei im Rahmen der Integration der Quellendichte der Bezug auf ein differentielles Volumen dV wieder riickgiingig gemacht wird. 1m Fall einer homogenen Quellenverteilung vereinfacht sich das Integral der rechten Seite schlicht zu einer Multiplikation der Quellendichte mit dem Volumen.
Setzt man fUr X beispielsweise die elektrische FluEdichte D ein, so erhiilt man mit der elektrischen Quellendichte div D=p
tAD .dA = fv divDdV = fv PdV = Q , (3-76)
was in 3.3.3 als richtig erkannt wurde.
Die explizite AusfUhrung der Integration in den Siitzen von Stokes und GauE in einem bestimmten Koordinatensystem liiEt sich ebenfalls anschaulich darstellen, geht jedoch tiber den Rahmen dieser EinfUhrung in die Begriffswelt der Theorie elektrischer und magnetischer Felder hinaus.
3.8 Netzwerkmodell des Induktionsvorgangs
GemaB dem Induktionsgesetz induzieren zeitlich veriinderliche magnetische Felder in Leiterschleifen elektrische Spannungen (s. 3.1.1). Sie berechnen sich
im Zeitbereich (fUr beliebige zeitliche Anderungen) zu
u.(t) = _ d<l>(t) =_,i, 1 dt ~,
- im Frequenzbereich (fUr sinus- bzw. cosinusfOrmige Anderungen, harmonische Vorgiinge, eingeschwungene Zustiinde) zu
(3-77)
3.8 Netzwerkmodell des Induktionsvorgangs 61
(3-78)
In letzterem Fall sind Vj (jco) und ~Gco) komplexe Amplituden (s. AS).
Auch selbstinduzierte Spannungen, die von den Magnetfeldern zeitlich veranderlicher Strome in der Leiterschleife des eigenen Stromkreises induziert werden, berechnen sich nach obigen Gleichungen.
Der Induktionsvorgang ist von fundamentaler Bedeutung fur die gesamte Elektrotechnik, man begegnet deshalb haufig der Aufgabe, die Induktion in einem Ersatzschaltbild darstellen zu mUssen. Da die Netzwerktheorie keine FeldgroBen, z.B. magnetische Fliisse, kennt, gilt es, mit Spannungen und Stromen, Spannungs- und Stromquellen sowie passiven Bauelementen auszukommen.
FUr die Einkopplung von Spannungen in komplexe Leiterstrukturen durch elektromagnetische Felder sowie fUr ein intimes Verstandnis der Wirkungsweise von Transformatoren, Generatoren und Motoren usw. erweist sich die Darstellung des Induktionseffekts durch eine Spannungsquelle mit der Quellenspannung e(t) bzw. E.(jco) als zweckmaBig, Bild 3.12.
0=> ",,(t), !lK (J(j)) =:> I
Feldmodell
i(t) = 0 lOCO) = 0
leExt(t) =_ d:rxt
E.Ext{jCO) = -jCO!.Ext I ~: ~~(j)) L-________________ ~
Netzwerkmodell
Bild 3.12: Feldmodell und Netzwerkmodell des Induktionseffekts. Darstellung der induzierten Spannung im Zeit- und Frequenzbereich als Quellenspannung mit dem Strom entgegengesetzter Ziihlrichtung.
Die Tatsache, daB es sich urn eine vom iiuBeren Feld induzierte Quellenspannung handelt, wird durch den Index "Ext" gekennzeichnet. Ferner werden im folgenden die Definitionen im Zeit- und Frequenzbereich paarweise
62 3 Feldtheorie-Gleichungen
angegeben. Fur den offenen Stromkreis ergibt sich nach Anwendung der Maschenregel LV = 0
(3-79)
bzw.
(3-80)
Induzierte Spannungen wurden fruher als elektromotorische Kriifte (EMK) in Stromrichtung eingezeichnet, was flir eine modifizierte Maschenregel - L EMK = L Ll V (ursprungliche Form des 2. Kirchhoffschen Gesetzes) - zum gleichen Ergebnis flihrt.
Obiges Ersatzschaltbild ist nur flir leerlaufende Systeme giiltig, wenn also der QueUe kein Strom entnommen wird. Bei Belastung flieBt ein Strom i(t) bzw. l(jw), dessen Magnetfeld (!>l(t) bzw. ~I(jW) in der Leiterschleife ebenfaUs eine Spannung induziert. Die Tatsache, daB es sich bei der selbstinduzierten Spannung urn eine vom magnetischen Feld des Stroms induzierte Spannung handelt, wird durch den Index I gekennzeichnet. Die selbstinduzierte Spannung liiBt sich im Ersatzschaltbild entweder als Quellenspannung (wie zuvor) oder als induktiver Spannungsabfall darsteUen. Erstere Darstellung ist unentbehrlich flir das Verstandnis elektrischer Maschinen, letztere ist in der Netzwerktheorie ublich, Bild 3.13.
Selbstinduzierte Quellenspannung
e](t) = _ d<P] = _ L di(t) dt dt
~](jco) = - jco~] = - jcoLlUco)
'---------v~--------/ 1(t), l(jco)
Induktiver SpannungsabJall
UL(t) = d<P] = L di(t)
dt dt
llL(jco) = j co ~I = j COLlUco)
v .. 1(t),IUco)
Bild 3.13: Beriicksichtigung des Selbstinduktionseffekts im Netzwerkmodell, wahlweise als selbstinduzierte Quellenspannung (links) oder als induktiver Spannungsabfall (rechts).
3 . 8 Netzwerkmodell des Induktionsvorgangs 63
Bei der Betrachtung des Netzwerkmodells mit selbstinduzierter Quellenspannung fUhrt die gleiche Richtung der induzierten und selbstinduzierten Quellenspannung zunachst zu Verwunderung, da beide Effekte nach der Lenzschen Regel einander entgegenwirken sollten. Hier ist zu beachten, daB die pfeile an den Symbolen fUr die Spannungsquellen nur Zahlpfeile sind, die physikalische Wirkungsrichtung im Index der Fliisse ~Ext und ~I bzw. im Argument der komplexen Amplituden verborgen ist, Bild 3.14
~Ext - .too..<1> Ext 1 1=--= -<1>Ext-- jroL jm.L - L
Bild 3.14: Zur Phasenlage von ~Ext und ~I bei Belastung mit einer Impedanz Z=o (KurzschluB).
Der FluB ~Ext induziert eine urn 90° nacheilende Spannung ~Ext die einen urn 90° nacheilenden Strom I durch die Induktivitat L treibt. Der mit dem Strom I verkniipfte gleichphasige magnetische FluB ~I induziert die Spannung !h die gegeniiber ~Ext urn 180° verschoben ist. Die den Strom I treibende Spannung ~Ext eilt dem FluB ~I urn 90° voraus.
Die selbstinduzierte Spannung einer Spule ist der den Spulenstrom treibenden Spannung entgegengerichtet bzw. sucht sie zu kompensieren, man nennt sie daher auch haufig Gegenspannung (engl.: counter electromagnetic force). Beispielsweise stellt sich der Magnetisierungsstrom iJ.l eines leerlaufenden Transformators hinsichtlich GroBe bzw. zeitlichem Verlauf so ein, daB die von seinem FluB in der Primarwicklung selbstinduzierte Spannung in jedem Augenblick der angelegten Spannung das Gleichgewicht halt. Unter Vemachlassigung des parasitaren Widerstands der Primarwicklung ergibt die Kirchhoffsche Maschenregel
(3-81)
64 3 Feldtheorie-Gleichungen
Besitzt die anliegende Spannung einen harmonischen Verlauf, muB auch die Gegenspannung und der sie erzeugende FluB <PI harmonisch sein. Aufgrund der mit zunehmendem FluB abnehmenden magnetischen Leitfahigkeit des Eisens (Sattigung), kann t:in harmonischer FluE <PI jedoch nur durch einen im Bereich des Scheitelwerts uberproportional groBen Strom aufgebracht werden. Dies fuhrt zu dem bekannten nichtsinusfOrmigen Verlauf des Magnetisierungsstroms und erhellt die haufig anzutreffende Aussage " ... der FluE folgt der Spannung".
Die Frage, ob ein Transformator in Sattigung kommt oder nicht, entscheidet daher allein die H6he der anliegenden Primarspannung, nicht sein Belastungszustand. Zeigt ein Transformator im Leerlauf keine merklichen Sattigungserscheinungen, so zeigt er sie auch sonst nicht, schon gar nicht im KurzschluE.
In manchen Buchern wird der induktive Spannungsabfall als Selbstinduktionsspannung bezeichnet, in anderen die selbstinduzierte Spannung. Mangels eindeutiger Zuordnung ist vom Begriff der Selbstinduktionsspannung uberhaupt abzuraten, da er haufig zu Verwirrung flihrt. ZweckmaBig spricht man entweder nur von der
- selbstinduzierten Quellenspannung (mit dem Strom entgegengerichtetem Zahlpfeil) und denkt dabei an das Induktionsgesetz, oder vom
- induktiven SpannungsabfaZZ (mit in Richtung des Stroms weisendem Zahlpfeil) und denkt dabei an das Ohmsche Gesetz (wobei man besser vergiBt, daB es ein Induktionsgesetz gibt).
Fur die Entwicklung anschaulicher Modelle komplexer Systeme, z.B. bei der Simulation der Einkopplung elektromagnetischer Felder in Leiterstrukturen oder bei Generatornachbildungen fur Stabilitatsuntersuchungen in Elektroenergiesystemen, sind die Begriffe induzierte und selbstinduzierte Quellenspannung essentiell.