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Bayrisches Gesetz, die Bildung eines Ausgleichs- und Tilgungsfonds der Staatseisenbahnverwaltung...

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Bayrisches Gesetz, die Bildung eines Ausgleichs- und Tilgungsfonds der Staatseisenbahnverwaltung betreffend. Vom 13. August 1910 Source: FinanzArchiv / Public Finance Analysis, 29. Jahrg., H. 1 (1912), pp. 433-464 Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KG Stable URL: http://www.jstor.org/stable/40906650 . Accessed: 14/06/2014 16:41 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . Mohr Siebeck GmbH & Co. KG is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to FinanzArchiv / Public Finance Analysis. http://www.jstor.org This content downloaded from 195.78.109.44 on Sat, 14 Jun 2014 16:41:06 PM All use subject to JSTOR Terms and Conditions
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Bayrisches Gesetz, die Bildung eines Ausgleichs- und Tilgungsfonds derStaatseisenbahnverwaltung betreffend. Vom 13. August 1910Source: FinanzArchiv / Public Finance Analysis, 29. Jahrg., H. 1 (1912), pp. 433-464Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KGStable URL: http://www.jstor.org/stable/40906650 .

Accessed: 14/06/2014 16:41

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Bayrisches Gesetz, die Bildung eines Ausgleichs- und Tilgungsfonds der Staatseisenbahnverwaltung betreffend.

Vom 13. August 1910.

(Ges.- u. Verordnungsbl. f. d. Königr. Bayern 1910 Nr. 51 S. 623.)

Artikel 1. Aus den Erträgnissen der Staatseisenbahnen wird bei der Staatsschulden-

Verwaltung ein Ausgleichs- und Tilgungsfonds gebildet.

Artikel 2. In den Fonds sind einzulegen: 1. ein Teil der Verkehrseinnahmen, der für das Jahr

1912 mit 20 vom Hundert 1913 „ 30 „ 1914 „ 40 , „ d M lvienr- h iqic; «SO d M lvienr- h iqic; 'l}ï

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berechnet wird; 2. die durch die Tilgung der Vorjahre ersparten Zinsen mit 4 vom Hundert

der getilgten Beträge; 3. der Ueberschuss, der nach Bestreitung der Gesamtausgaben (Betriebs-

kosten, Pensionen. Aufwand für Verzinsung und Verwaltung der Schuld, Ein- lagen in den Fonds nach Ziff. 1 u. 2) sowie nach einer Ablieferung von 3 Mill. M. für das Jahr der Finanzperiode an den allgemeinen Staatshaushalt noch verbleibt ;

4. die Rückzahlungen auf Darlehen, welche die Staatseisenbahnverwaltung zu Zwecken der Wohnungsfürsorge oder zu sonstigen Zwecken aus Anlehens- mitteln gegeben hat;

5. die Zinsen aus den Beständen des Fonds. Ergibt sich in einer Finanzperiode für den allgemeinen Staatshaushalt ein

Ueberschuss, so wird die nach Abs. 1 Ziff. 3 zu leistende Ablieferung bis zur Höhe des Ueberschusses nachträglich dem Fonds zugeführt.

In den Fonds muss wenigstens die für die vertragsmässige Schuldentilgung <les Rechnungsjahres erforderliche Summe eingelegt werden.

Artikel 3. Aus dem Fonds sind zunächst zu bestreiten : 1. die vertragsinässige Tilgung;

Finanzarchiv. XXIX. Jahrg. 433 28

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434 Bayrisches Gesetz vom 13. August 1910, betr. Eisenbalmausgleichs- u. Tilgungsfonds.

2. Fehlbeträge der Staatseisenbahnen, die sich nach Leistung der in dem Art. 2 Abs. 1 Ziff. 3 bezeichneten Ausgaben bei der Etat auf Stellung oder nach den Rechnungen einer Finanzperiode ergeben sollten.

Ueberschreiten die nach Abschluss einer Finanzperiode verfügbaren Be- stände des Fonds den Betrag von 20 Mill. M., so ist der Mehrbetrag gleich- falls für die Tilgung der Staatseisenbahnschuld zu verwenden.

Artikel 4. Die verfügbaren Mittel der Fonds sind, soweit sie nicht für die vertrags-

mässige Schuldentilgung in Anspruch genommen werden, auf bewilligte An- lehen zu verrechnen oder zum Ankauf von Staatseisenbahnschuldverschreibungen zu verwenden oder verzinslich anzulegen.

Artikel 5. Das Gesetz tritt mit dem Jahre 1912 in Kraft. Ergibt sich nach den Rechnungen der Finanzperiode 1910/11 ein Rein-

ertrag der Staatseisenbahnen von mehr als 6 Mil!. M., so ist der Mehrbetrag dem Ausgleichs- und Tilgungsfonds zuzuführen. Die Bestimmung in Art. 2 Abs. 2 findet entsprechende Anwendung.

Artikel 6. Die Staatsministerien der Finanzen und für Verkehrsangelegenheiten haben

die zum Vollzuge dieses Gesetzes erforderlichen Anordnungen zu treffen.

Begründung des Gesetzentwurfs vom 11. Juni 1910 *)•

Á. Allgemeines. I. Ueberblick über die finanzielle Entwicklung der bayrischen Staatseisenbahnen

während der letzten 20 Jahre. Wie bei allen deutschen Staatsbahnverwaltungen, so sind auch bei den

bayrischen Staatseisenbahnen seit Ende der 1880er Jahre die Betriebsausgaben mächtig gestiegen.

Der Betriebskoeffizient (die Gesamtausgabe ausgedrückt in Prozenten der Gesamteinnahme), der noch

1889 55,00 Proz. betrug, ist z. B. 1900 auf 72,78 Proz. gestiegen.

Die Ursachen dieses Ansteigens des Ausgabenprozentes lagen zum Teil darin, dass die Verwaltung den Bedürfnissen des Verkehrs durch die fortge- setzte Ermässigung der Tarife2), die Anlage zahlreicher Lokalbahnen, die Ver- mehrung der Verkehrsstellen, die Erhöhung des Komforts und der Geschwindig- keit im Schnell- und Personenzugverkehr, durch die reichliche Ausstattung des Personenzugfahrplans mit Fahrgelegenheiten in weitem Masse Rechnung zu tragen bemüht war.

Hierzu kam als weitere Ursache die grosse Zunahme der Personalkostenr namentlich durch die Einführung der Grundsätze über die Bemessung der täg-

i) K. d. Abg. XXXV. Landtags vers. II. Session 19O9|1O, Beil. Nr. 1028. 2) So betrug

die Einnahme die Einnahme für für das das Tonnenkilometer

Personenkilometer im Güterverkehr 1889 3,62 Pf. 4,46 Pf. 1900 3,24 Pf. 3,84 Pf.

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Begründung z. bayrischen Gesetz v. 13. August 1910, betr. Eisenbahnausgleichsfonds. 435

liehen Dienstzeit, durch die Vermehrung des etatmässigen Personals, durch die Schaffung von Vorrückungsstellen in allen Dienstzweigen und durch mannig- fache Gehalts- und Lohnerhöhungen.

Die gleichzeitige Steigerung von Kopfzahl und Kopfbezug erhöhte die gesamten Personalausgaben, in Prozent der Verkehrseinnahmen ausgedrückt,

von 34,0 Proz. im Jahre 1889 auf 47,6 Proz. im Jahre 1901.

Das Staatsministerium des königl. Hauses und des Aeussern als die da- malige oberste Verwaltungsstelle der Verkehrs ans tal ten ergriff eine Reihe von Massregeln zur Verbesserung der finanziellen Lage des Staatsbahnunternehmens, so die vereinfachte Besetzung der Stationen von geringerer Betriebs- und Ver- kehrsbedeutung, die Vereinigung des Wagenwärter- und Schaffnerdienstes bei den Schnell- und Personenzügen, die vorläufige Sperrung der Aufnahme von Anwärtern für den mittleren Betriebs- und Verwaltungsdienst, die Auflassung von nicht weniger als 6000 täglichen Personenzugkilometern.

Allein die an sich sehr günstigen Wirkungen dieser Massnahmen wurden zum grössten Teil wieder dadurch ausgeglichen, dass die grossen Massen jungen Personals, das während des ausserordentlichen Verkehrsaufschwunges der 1890er Jahre aufgenommen worden war, mit ihren Ansprüchen auf Anstellung und auf Bewilligung von Vorrückungsstellen und Lohnerhöhungen hervorzutreten begannen.

Bei der Beratung des Eisenbahnetats für die Finanzperiode 1904/05 wurde daher sowohl von der Staatsregierung wie auch vom Landtag (Stenogr. Ber. Bd. XV S. 675 u. 693) darauf hingewiesen, dass es notwendig sein werde, durchgreifende Massnahmen ins Auge zu fassen, um die Ausgaben zu vermin- dern, freilich ohne dass damit eine Verschlechterung der Lage des Personals verbunden sein dürfte. Auch wurde damals schon die Notwendigkeit einer planmässigen Tilgung der Eisenbahnschuld stark betont.

Zunächst wurde eine umfassende Neuordnung des gesamten Verwaltungs- dienstes vorbereitet, im Jahre 1906 dem Landtag eine Denkschrift (Verh. d. K. d. Abg. 1906, Beil. Bd. II, Beil. 232) vorgelegt, in der die Zahl des durch die Neuordnung entbehrlich werdenden Personals der allgemeinen Verwaltung auf etwa 1000 Köpfe veranschlagt wurde. Bei der Durchführung der Neuordnung am 1. April 1907 konnten tatsächlich 1125 Dienstposten eingezogen werden.

Die finanziellen Wirkungen der Neuordnung des Verwaltungsdienstes dürfen auf jährlich über 3,000,000 M. veranschlagt werden.

Um das fernere Ansteigen des Kopfaufwandes wenigstens zu verlangsamen, wurden bei der Neuordnung der Verkehrsverwaltung in weitem Umfange Funktionen, die bisher durch Personal des höheren Dienstes wahrgenommen wurden, an mittleres Personal, und Funktionen des mittleren Personals an unteres Personal übertragen. Das Organisationsprogramm konnte infolgedessen im Personalstande des höheren Dienstes eine Minderung von 51 Proz. und im Personalstande des mittleren Dienstes eine Minderung um 42 Proz. vorsehen.

Dadurch wurde es möglich, die Sperrung der Aufnahme für den mittleren Betriebs- und Verwaltungsdienst aufrecht zu erhalten. Sie wird voraussichtlich noch auf Jahre hinaus aufrecht erhalten werden.

In allen Personalgruppen des höheren, mittleren und unteren Dienstes wurden durch planmässige Regelung des Zuganges auf Grund wissenschaftlich berechneter Programme für den Personalersatz und für die Regelung der Be- förderungsverhältnisse, dann durch sorgfältige Feststellung des Bedarfs an Dienstposten für den äusseren Dienst, endlich durch eine Reihe von organisa- torischen und sonstigen Massnahmen zur Minderung des Personalaufwandes (Vereinigung bisher getrennter Dienstverrichtungen in einer Hand, Auflösung der Lokalbahnbetriebsleitungen, Einführung des Staatsbahnwagenverbandes, Zentralisierung von Stationen, Beseitigung schienengleicher Wegübergänge usw.) weitere erhebliche Kostenminderungen herbeigeführt. Die in Aussicht genom- mene Reform des Güterzugfahrplans lässt weitere Einsparungen erwarten.

Allerdings sind in der Folge auch wieder neue Anforderungen an die 435

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436 Begründung z. bayrischen Gesetz v. 13. August 1910, betr. Eiscnbalmausgleichsfonds.

Staatseisenbahnverwaltung herangetreten. Für die grossen Massen jungen Per- sonals, insbesondere im mittleren Dienst, mussten Stellen vorgesehen werden. Die gesteigerte Fahrgeschwindigkeit der Schnellzüge machte es nötig, mit dem Umbau der Schnellzuglinien auf schweres Profil rasch voranzugehen. Hierfür, dann für Stationserweiterungen, Beseitigung schienengleicher Wegübergänge und Vermehrung des Fahrmaterials sind allein in den letzten 6 Jahren 65 Mill. M. aus Etatsmitteln aufgewendet worden. Hierin lag bereits eine nicht unbeträchtliche Schuldentilgung, da diese Aufwendungen auch auf An- lehen hätten genommen werden dürfen. Den gleichen Zweck hatte die Anord- nung, dass seit dem Jahre 1908 die während der Bauzeit anfallenden Anlehens- zinsen nicht mehr durch Erhöhung des Anlehensbedarfes zu decken , sondern auf den Etat zu übernehmen seien, denn sie bewirkte in den wenigen Jahren ihres Bestehens eine Minderbelastung mit Anlehen von 3,5 Mill. M.

Zu der vermehrten Bestreitung ausserord entlicher Ausgaben aus laufenden Mitteln kamen dauernde Mehrbelastungen de3 Etats durch Lohnerhöhungen und Lohnvorrückungen im Betrage von etwa 0 Mill. M., dann für die neue Gehaltsordnung im rechtsrheinischen und pfälzi-

schen Netz ein Gesamtaufwand von über 9 Mill. M., endlich ein Zuwachs an Zinsen der Eisenbahnschuld um rund . .15 Mill. M.

Veranlasst wurde diese bedeutende Vermehrung der Zinslast durch den Bau grosser neuer Hauptbahnlinien (Donauwörth - Treuchtlingen , Mühldorf - Freilassing), ferner von Doppelbahnen und Lokalbahnen sowie von grossen mo- dernen Rangierbahnhöfen (Nürnberg, Würzburg, Kempten, Augsburg), endlich durch die Verstärkung der Betriebsfonds und durch die Massnahmen zur Ver- besserung der Wohnungsverhältnisse. Dadurch ist eine dauernde Mehrbelastung des Etats um jährlich . . 30 Mill. M. entstanden. Ausserdem hat die Staatseisenbahnverwaltung eine starke Mehr- leistung bei der Durchführung der Personentarifreform übernommen.

Wenn nun auch die Notwendigkeit, die planmässige Schuldentilgung wieder aufzunehmen, schon im Jahre 1904 anerkannt und betont wurde, so geht doch aus der geschilderten Entwicklung hervor, dass es nicht möglich war, neben den umfassenden administrativen Massnahmen der letzten Jahre, zu denen die Uebernahme der Pfälzischen Eisenbahnen am 1. Januar 1909 hinzukam, auch noch die Wiederaufnahme der planmässigen Schuldentilgung durchzu- führen. Ueberdies musste durch die Neuordnung und durch die verschiedenen anderen zur Verminderung der Ausgaben getroffenen Massregeln überhaupt erst die Möglichkeit einer verstärkten Schuldentilgung, d. h. die Möglichkeit, eine neue Mehrausgabe auf den Eisenbahnetat zu übernehmen, geschaffen werden.

Diese Grundlage ist nunmehr gewonnen. Gleichwohl kann der Uebergang zu einer ausreichenden, planmässigen Tilgung nicht mit einem Schritte er- folgen. Da nämlich nach der geschilderten Entwicklung gerade die letzten Jahre eine besonders starke Belastung des Eisenbahnetats mit dauernden Aus- gaben gebracht haben, von denen die neue Gehaltsordnung noch nicht einmal zur vollen Wirkung gelangt ist, so muss die Mehrausgabe der verstärkten Schuldentilgung derart auf eine längere Uebergangszeit verteilt werden, dass die neue Last nicht plötzlich in vollem Umfang, sondern nur allmählich über- nommen zu werden braucht.

Aber nicht nur die planmässige Schuldentilgung, sondern auch die Bil- dung eines Ausgleichsfonds der Staatseisenbahnverwaltung musste in Aussicht genommen werden.

Die beiden Fragen der Schuldentilgung und des Ausgleichs wurden bereits in der Budgetrede des Staatsministers der Finanzen vom 29. September 1909 (Verh. d. K. d. Abg. Stenogr. Ber. Bd. VII, S. 12/13) kurz besprochen. Es ist damals ausgeführt worden, dass kein Etat auch nur annähernd solchen Schwan- kungen unterliege wie der Eisenbahnetat. Diese Schwankungen müssten mit der Grosse des Eisenbahnnetzes wachsen und die Stabilität des bayrischen Budgets in zunehmendem Masse beeinflussen. Es werde zu erwägen sein, ob diesen störenden Einwirkungen des Eisenbahnetats auf den gesamten Staats-

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Begründung z. bayrischen Gesetz v. 13. August 1910, betr. Eisenbahnausgleichsfonds. 437

haushält nicht dadurch vorgebeugt werden könne, dass die Eisenbahnverwaltung in Zukunft alle Mittel, die ihr nach Bestreitung der ihr obliegenden Ausgaben verbleiben, zunächst zur Bildung eines Ausgleich s fonds, sodann zur Til- gung ihrer Schuld verwendet. Eine regelmässige Tilgung der Eisenbahn- schuld sei nicht nur aus finanziellen, sondern auch aus politischen Gründen eine so hervorragend wichtige Angelegenheit, dass sie wieder zur Diskussion gestellt werden müsse. Die Eisenbahnverwaltung beabsichtige denn auch, den Landtag durch Einbringung einer Vorlage noch eingehender mit dieser Frage zu beschäftigen.

Der vorliegende Gesetzentwurf sucht die Aufgabe durch Bildung eines Ausgleichs- und Tilgungsfonds zu lösen.

II. Die Bildung eines Ausgleichsfonds. 1. Die Aufgabe von Ausgleichsfonds.

Die Aufgabe eines Ausgleichsfonds besteht im allgemeinen darin, Ueber- 8chüsse guter Jahre anzusammeln, um in schlechten Jahren Mindererträgnisse zu ergänzen oder Fehlbeträge aus den angesammelten Beständen des Fonds decken zu können. Ein Ausgleichsfonds hat demnach den Vorteil, der Finanz- gebarung grössere Gleichmässigkeit zu sichern. Diese Sicherheit ist jedoch nur dann gewährleistet, wenn Entnahmen aus dem Fonds nur in solchen Notfällen stattfinden, die sich aus Schwankungen der wirtschaftlichen Lage ergeben, und wenn der durch Entnahmen geschwächte Fonds möglichst rasch wieder auf- gefüllt wird.

Die Ausgleichsfonds von Staatseisenbahnen haben noch einen besonderen Zweck. Wo solche Fonds nicht vorhanden sind, können die schwankenden Er- trägnisse der Staatseisenbahnen grosse Störungen im allgemeinen Staatshaus- halt verursachen. Die Schwankungen in den Eisenbahnerträgnissen lassen sich nicht beseitigen ; sie sind eine natürliche Folge des engen Zusammenhanges, der zwischen den Eisenbahnerträgnissen und den sich immer wiederholenden Schwankungen des Wirtschaftslebens besteht. Die Störungen des allgemeinen Staatshaushaltes können also nur dadurch vermieden werden , dass zwischen Staats- und Eisenbahnfinanzen ein Ausgleichsfonds eingeschaltet wird, der die Erübrigungen der Staatseisenbahnen aufnimmt, um an Stelle des allgemeinen Staatshaushaltes für die Deckung etwaiger Fehlbeträge der Staatsbahnen ein- treten zu können.

Ein Ausgleichsfonds bietet aber nicht nur rein finanzwirtschaftliche, son- dern auch sozialpolitische und ökonomische Vorteile.

Sozialpolitische Vorteile dadurch , dass er die Eisenbahnverwaltung in ihren Leistungen unabhängiger von den Schwankungen des Wirtschaftslebens macht, dass er dadurch eine gleichmässigere Vergebung von Arbeiten und Lie- ferungen gestattet, dass infolgedessen die Industrie gleichmässiger beschäftigt werden kann und in Zeiten wirtschaftlichen Niederganges nicht in dem Masse zu Arbeiterentlassungen genötigt, in Zeiten wirtschaftlicher Hochkonjunktur nicht der- art mit Aufträgen überhäuft wird, wie es sonst der Fall ist. Aehnliche Wirkungen ergeben sich für die Bauarbeiten, welche die Staatsbahnverwaltung selbst ausführt.

Oekonomische Vorteile bietet ein Ausgleichsfonds dadurch, dass die Eisen- bahnverwaltung, wenn sie unabhängiger von den Schwankungen der Finanzlage ist, ihre Anschaffungen nicht auf die Zeiten der Hochkonjunktur, also auf die Zeiten hoher Preise zusammendrängen muss, sondern sie auch in Zeiten wirt- schaftlicher Depression, d. h. in Zeiten niedriger Preise vornehmen kann.

2. Das Vorgehen anderer Verwaltungen. Ausgleichsfonds bestehen in Württemberg, Preussen und Hessen.

Württemberg. Württemberg hat durch das Gesetz vom 29. Juli 1899, betr. die Einrich-

tung eines Reservefonds der Staatseisenbahnen, einen Fonds geschaffen, der die Aufgabe eines Ausgleichsfonds zu erfüllen hat1).

') Siehe Finanzarchiv 16 (1899) S. 884 f. 437

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438 Begründung z. bayrischen Gesetz v. 13. August 1910, betr. Eisenbahnausgleichsfonds.

Dieses Gesetz verfügt unter anderem: Artikel 1.

Zum Zwecke der Bildung eines in der Verwaltung der Staatshauptkasse stehenden Reservefonds der Staatseisenbahnen wird bestimmt :

1. Der nach den Voranschlägen im Spezialetat der Staatseisenbahnen zu erwartende Reinertrag wird in den Hauptfinanzetat nur bis zu der Höhe ein- gestellt, welche in runder Summe dem Durchschnitt der Ablieferungen der Eisen- bahnhauptkasse während der letzten 10, zur Zeit der Einbringung des Haupt- finanzetats rechnung8mässig abgeschlossenen Etatsjahre entspricht.

2. Die Ablieferungen der Eisenbahnhauptkasse vom wirklichen Reinertrag eines Etatsjahres sind von der Staatshauptkasse bis zur Höhe des in Ziff. 1 genannten Durchschnitts für die laufende Verwaltung, der Mehrbetrag für den Reservefonds der Staatseisenbahnen zu verrechnen. Bleiben aber die Abliefe- rungen hinter dem nach Ziff. 1 in den Hauptfinanzetat eingestellten Etatssatz zurück, so hat der Reservefonds das Fehlende, soweit seine jeweiligen Mittel reichen, zur laufenden Verwaltung abzugeben.

, Artikel 2, Die jeweiligen Bestände des Reservefonds sollen zur Leistung von Vor-

schüssen auf noch nicht vollzogene, für Eisenbahnzwecke bewilligte Anlehens- kredite verwendet werden. Die Berechnung von Zinsen aus den Beständen findet nicht statt.

Uebersteigt der Reservefonds den Betrag von 5 Mill. M., so unterliegt die Verwendung des überschiessenden Betrags der jeweiligen Verabschiedung mit den Ständen (Verfassungsurkunde § 181).

Da dieses Gesetz nach seinem Art. 3 nur bis zum 31. März 1909 galt, hat die württembergische Regierung den Ständen im Jahre 1909 einen neuen Gesetz- entwurf vorgelegt, der die Grundgedanken des Gesetzes von 1899 beibehielt (Beilage 328 der Zweiten Kammer vom 31. März 1909).

Ueber die Wirkung des Gesetzes vom 29. Juli 1899 ist in der Begründung des neuen Gesetzentwurfs gesagt:

„Kann somit dank der eingetretenen Steigerung der Eisenbahn- erträge das finanzielle Ergebnis als ein befriedigendes bezeichnet werden, so ist auch der weitere Zweck, welcher bei der Einrichtung des Eisenbahnreservefonds verfolgt wurde, nämlich die Ermöglichung einer richtigeren Einstellung der mutmasslichen Eisenbahnerträge in den Etat, sowie die tunlichste Vermeidung von Abmängeln bei den wirklichen Eisenbahnerträgen und, wenn solche eintreten, die Aus- schaltung ihrer Wirkungen auf den Staatshaushalt, nach den bisherigen Erfahrungen erreicht worden."

Der Fonds war im Jahre 1908 auf 680,000 M. zusammengeschmolzen, er- hielt aber aus dem Jahre 1908 einen Zugang von rund 1.300,000 M. Sein Bestand wurde im Jahre 1910 auf rund 2,000,000 M. angegeben.

Der Entwurf des neuen Gesetzes erfuhr bei der Beratung durch die Zweite Kammer verschiedene Aenderungen. Nach deren Beschlussfassung vom 2. April 1910 (Stenogr. Ber. S. 6370 ff) unterscheidet er sich von dem früheren Gesetz in fol- genden Punkten: Der eiserne Bestand des Fonds soll von 5 auf 10 Millionen erhöht werden; hat der Fonds die Höhe von 5 Millionen erreicht, so soll ihm nur mehr die Hälfte von den Betriebsüberschüssen der Eisenbahnverwaltung zufliessen, die andere Hälfte dieser Ueberschüsse soll der laufenden Verwaltung zugewiesen werden. Hat der Fonds den Bestand von 10 Millionen erreicht, so erhält die laufende Verwaltung die gesamten Betriebsüberschüsse. Das Gesetz soll wieder auf 10 Jahre befristet werden.

Preussen. Durch das Gesetz vom 3. Mai 1903, betr. die Bildung eines Ausgleichs-

fonds für die Eisenbahn Verwaltung, wurde in der Hauptsache folgend es angeordnet1) : ]) Siehe Finanzarchiv 20 (1903) S. 859 f.

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Begründung z. bayrischen Gesetz v. 13. August 1910, betr. Eisenbahnausgleichsfonds. 439

1. § 3 des Gesetzes vom 8. März 1897 wird aufgehoben. Dieser Paragraph hatte bestimmt, dass Ueberschüsse des Staatshaushaltes, die sich nach Durch- führung der gesetzlichen Zwangstilgung der Staatsschuld (ab 1898/99 jährlich wenigstens 3/s Proz.) ergeben, im vollen Betrage zur weiteren Tilgung von Staats- schulden bzw. Verrechnung auf bewilligte Anlehen zu verwenden sind.

2. Solche Ueberschüsse sind nunmehr zunächst zur Bildung oder Ergänzung eines Ausgleichsfonds bis zur Höhe von 200,000,000 M. zu verwenden, erst der darüber hinausgehende Betrag des Ueberschusses wird zur weiteren Tilgung von Staatsschulden bzw. Verrechnung auf bewilligte Anlehen verwendet.

3. Der Ausgleichsfonds ist in nachstehender Reihenfolge zu verwenden: Zur Bildung oder Ergänzung eines Dispositionsfonds der Eisenbahnverwal-

tung bis zur Höhe von 30,000,000 M., zur Vermehrung der Betriebsmittel, Er- weiterung und Ergänzung der Bahnanlagen sowie zu Grunderwerbungen behufs Vorbereitung derartiger Erweiterungen im Falle eines nicht vorherzusehenden Bedürfnisses der Staatsbahnen bei zu erwartender Verkehrssteigerung;

zur Ausgleichung eines rechnungsmässigen Minderüberschusses der Eisen- bahnverwaltung, insoweit derselbe nicht durch einen etwaigen Ueber3chuss im gesamten übrigen Staatshaushalte gedeckt wird;

zur Verstärkung der Deckungsmittel im Staatshaushaltsetat behufs an- gemessener Ausgestaltung des Extraordinariums der Eisenbahnverwaltung nach näherer Bestimmung des jeweiligen Staatshaushaltsetats.

4. Für den Dispositionsfonds werden einmal 30,000,000 M. bereitgestellt, die durch Ausgabe von Staatsschuld verschreibungen beschafft werden.

Ueber den Erfolg dieses Gesetzes äusserte sich der preussische Finanz- minister am 12. Januar 1909 im Abgeordnetenhause (Stenogr. Ber. S. 826 ff.) wie folgt:

„Schwankungen des Wirtschaftslebens seien unvermeidlich, aber man müsse darnach streben, diese Schwankungen nach Möglichkeit zu mildern, eine grössere Stabilität, namentlich auch in der Ausgestal- tung des Eisenbahnetats herbeizuführen und zu diesem Behufe die Ueberschüsse der guten Jahre zur Deckung der Fehlbeträge in mageren Jahren zu verwenden. Aus diesen Gründen sei der Ausgleichsfonds geschaffen worden. Der Fonds habe an sich richtig gewirkt, aber er habe sich zu viele Ziele auf einmal gesteckt, indem er nicht nur den Ausgleich gedanken verwirklichen , sondern zugleich auch den Dis- positionsfonds dotieren wollte. 154,8 Mill. M. seien dem Ausgleichs- fonds zugeflossen, aber 104,4 Mill. M. seien davon wieder an den Dispositionsfonds abgegeben worden."

Das Abgeordnetenhaus ersuchte daher durch Beschluss vom 19. März 1909 die Staatsregierung, behufs wirksamerer Ausgestaltung des Ausgleichsfonds dafür Sorge zu tragen, dass dem Fonds nicht nur der rechnungsmässige Ueberschuss des Staatshaushaltes, sondern schon durch den Staatshaushaltsetat ein Betrag des Reinüberschusses der Eisenbahnverwaltung zugeführt werde, der einen be- stimmten Prozentsatz des jeweiligen statistischen Anlagekapitals der preussischen Staatsbahnen übersteigt.

Die weiteren Verhandlungen, die wegen ihres Zusammenhanges mit der Schuldentilgung auf S. 20 ff. dieser Begründung zusammengefasst sind, ins- besondere der Beschluss des Abgeordnetenhauses vom 11. April 1910 führten dazu, folgende Verwendung des Betriebsübersehusses der Staatseisenbahnen versuchsweise auf die Dauer von 5 Jahren in Aussicht zu nehmen:

a) für die Zinsen und Tilgungsbeträge der Eisenbahnschuld; b) sodann mit dem Betrage von 1,15 Proz. des statistischen Anlagekapitals,

wenigstens aber mit dem Betrage von 120 Mill. M. zur Dotierung des Extra- ordinariums, d. h. zur Bestreitung einmaliger und ausserordentlicher Ausgaben der Staatseisenbahnverwaltung ;

c) weiterhin mit dem Betrage von 2,1 Proz. des statistischen Anlage- kapitals für die allgemeine Finanzverwaltung;

d) mit dem Reste zur Verstärkung des Ausgleichsfonds, auch über den Betrag von 200 Mill. M. hinaus.

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440 Begründung z. bayrischen Gesetz v. 13. August 1910, betr. Eisenbahnausgleichsfonds.

Hessen. Für Hessen wurde durch das Gesetz vom 26. März 1904, die Bildung

eines Ausgleichsfonds betreffend (R.B1. S. 110 ff.), im wesentlichen folgendes angeordnet *) :

Artikel 1. Aus den Anteilen des Grossherzogtums am Ueberschuss der hessisch-

preussischen Eisenbahngemeinschaftsverwaltung und der hessisch-thüringischen Staatslotterie ist ein Ausgleichsfonds mit dem Zwecke zu bilden, den Staats- haushalt von den Schwankungen der Ueberschüsse aus der Eisenbahn- und der Lotterieverwaltung, sowie der Leistungen an das Reich möglichst unabhängig zu machen.

Artikel 2

verfügt die Bildung des Fonds in der Weise, dass von den Ueberschussanteilen nach Art. 1 abgezogen werden:

I. Die auf der Eisenbahneinnahme ruhenden Lasten; II. Die durch Ueberweisungen nicht gedeckten Leistungen an das Reich; Ili. Ein Betrag von 2 Millionen für Bedürfnisse der allgemeinen Staats-

verwaltung. Artikel 3

zählt die auf der Eisenbahneinnahme ruhenden Lasten - in der Hauptsache Verzinsung und Tilgung - auf.

Artikel 4 und 5

regeln die rechnerische Behandlung.

Artikel 6 trifft Vorsorge für den Fall, dass die Ueberschussanteile (Art. 1) nicht aus- reichen, um der allgemeinen Staatsverwaltung den Betrag von 2 Millionen (Art. 2, III) zu liefern. Der fehlende Betrag ist, soweit die Bestände des Aus- gleichsfonds ausreichen, durch Entnahme aus dem Fonds zu decken.

Nach Artikel 7

sind die Beträge, welche dem Fonds über die Summe von 6 Mill. M. hinaus zufliessen, zur Deckung ausserordentlicher, andernfalls durch Anleihe zu deckender Ausgaben der Eisenbahnverwaltungen zu verwenden.

Die Artikel 8 und 9

enthalten VollzugsvorscliFiften.

Das Gesetz vom 28. März 1907, die Abänderung des Gesetzes über die Bildung eines Ausgleichsfonds vom 26. März 1904 betreffend, fügte den bis- herigen Einnahmequellen des Fonds noch die dem Grossherzogtum verbleibende Reineinnahme an Erbschaftssteuer hinzu und erhöhte die Ablieferung an die allgemeine Staatsverwaltung von 2 auf 3,5 Mill. M.2)

Die Begründung zu dem Gesetzentwurf über die Tilgung der Staatsschuld vom 29. November 1909 (Drucksache Nr. 298 der Zweiten Kammer der Stände) weist nach, dass dem hessischen Ausgleichsfonds

1903/06 5,919,487 M. 49 Pf. zugeflossen, 1907/08 2,953,768 M. 72 Pf. entnommen worden sind.

i) Siehe Finanzarchiv 22 (1905) S. 331 f. 2) Siehe Finanzarchiv '24 (1907) ss. 8õ8 î.

440

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Begründung z. bayrischen Gesetz v. 13. August 1910, betr. Eisenbahnausgleichsfonds. 44 Î

Die Begründung sagt hierzu (S. 12): „Während dem Fonds, entsprechend der günstigen Gestaltung der

Eisenbahnüberschüsse in den Etatsjahren 1903/04 bis einschliesslich 1906 insgesamt nahezu 6,000,000 M. zugeführt werden konnten, haben ihm die Jahre 1907 und 1908 mit ihren geringen Eisenbahnüberschüssen starke Entnahmen gebracht und es steht zu erwarten, dass seine Mittel auch im laufenden Etatsjahr derart in Anspruch genommen werden müssen, dass sein Bestand zu Ende dieses Jahres nur noch etwa 1,000,000 M. beträgt. Bei der unsicheren Gestaltung der Reinüber- schüsse der Staatseisenbahnen in künftigen Jahren darf füglich be- zweifelt werden, ob an den Fonds, dem nach obigem gewissermassen ebenfalls die Aufgabe einer, wenn auch nur mittelbaren Schulden- tilgung zugewiesen ist, in absehbarer Zeit überhaupt Einnahmen in einer diese Aufgabe ermöglichenden Höhe abgeführt werden könnten.

Es ist bereits bei Einbringung des Entwurfs des Gesetzes vom 28. März 1907 wegen Abänderung des Gesetzes über den Ausgleichs- fonds darauf hingewiesen worden, dass bei Anwendung der Grundsätze solider Finanzgebarung die dem Fonds zufliessenden Beträge unter Einschluss der für die Tilgung der Staatsschuld bestimmten ordent- lichen Mittel keineswegs hinter den Beträgen zurückbleiben sollten, die anderwärts, so z. B. im Reich und in Preussen, für den Zweck der Schuldentilgung verwendet würden. Dieser Forderung ist der Ausgleichsfonds nur in den Jahren 1903/04-1906 gerecht geworden; dagegen war dies nicht der Fall in den Etatsjahren 1907 und 1908, in welchen nicht nur keine Abführungen an den Fonds, sondern sogar erhebliche Entnahmen aus ihm stattgefunden haben. Auch in 1909 werden dem Fonds neue Einnahmen nicht zufliessen, es müssen ihm vielmehr voraussichtlich die noch vorhandenen Bestände zum grossen Teil zwecks Deckung laufender Verwaltungsausgaben entnommen werden.

Der Ausgleichsfonds hat hiernach zwar die ihm zugewiesene Auf- gabe, in bestimmtem Masse als Reservefonds für die Deckung von Ausgaben des ordentlichen Etats zu dienen, in den voraufgegangenen Jahren erfüllt. Dagegen sind die Erwartungen, die man bei seiner Begründung bezüglich der Möglichkeit einer verstärkten Schulden- tilgung auf ihn setzte, nicht in Erfüllung gegangen. Der Fonds konnte während seines nunmehr über 6jährigen üestehens weder unmittelbar zur Bestreitung ausserordentlicher Ausgaben der Eisenbahnverwaltung herangezogen werden, noch ist es gelungen, ihm dauernd diejenigen Beträge zuzuführen, die zusammen mit den durch Art. 6 des Gesetzes vom 3. Oktober 1896 dazu bestimmten Mitteln zu einer angemessenen Tilgung der Staatsschuld ausgereicht haben würden."

3. Bayern. Es ist vor allem zu prüfen, ob und wie es möglich ist, gleichzeitig Vor-

sorge für einen Ausgleich zwischen guten und schlechten Jahren sowie für die verstärkte Tilgung der Eisenbahnschuld zu treffen. Da sich diese Fragen erst dann übersehen lassen, wenn wenigstens ein allgemeines Bild auch von der Notwendigkeit und von dem Bedarf für die verstärkte Schuldentilgung gewonnen ist, soll ihre nähere Besprechung dem IV. Abschnitt des allgemeinen Teiles der Begründung vorbehalten werden.

Dagegen ist es jetzt schon möglich, nach den Beständen, welche ander- wärts für die Ausgleichsfonds als notwendig erachtet werden, den für Bayern erforderlichen Betrag zu beurteilen. Wenn

Preussen einen Ausgleichsfonds von mehr als 200 Millionen, Württemberg „ „ „ „ 10 Hessen „ „ s n ß fl für notwendig hält, so wird Bayern einen Betrag von wenigstens 20 Mill. M.

vorzusehen haben. 411

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442 Begründung z. bayrischen Gesetz v. 13. August 1910, betr. Eisenbahnausgleichsfonds.

III. Die verstärkte Tilgung der Staatseisenbahnschnld.

1. Die Stellung der finanzwissenschaftlichen Theorie zur Frage der Schuldentilgung.

Die Anschauungen der Finanzwissenschaft über die Notwendigkeit der Tilgung von Staatsschulden haben manche Wandlung erfahren.

Bei kündbaren Schulden war die Zurückzahlung etwas Selbstverständliches. Seitdem jedoch die Form der fundierten, nicht kündbaren Schuld aufkam und in den beiden Arten der zurückzuzahlenden Tilgungsschuld und der nicht zurück- zuzahlenden Rentenschuld Anwendung fand, eutstand die Streitfrage, ob die Tilgung der Staatsschulden notwendig sei oder nicht.

In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts waren die Meinungen hierüber geteilt. Angesehene Vertreter der Finanzwissenschaft hielten die Tilgung der Staatsschulden nicht für notwendig; überwiegend jedoch fand die Auffassung Beifall, dass eine gewisse Tilgung zwar geboten oder doch zweckmässig sei, dass man aber nicht zu stark tilgen dürfe, weil das zu einer schlechten Ver- wendung der zurückbezahlten Beträge führe (Nebenius1), Lotz). K. H. Rau2) trat grundsätzlich für die Tilgung ein, verwarf aber die starren Tilgungspläne und sprach sich für die freie Tilgung aus.

Um die Mitte des 19. Jahrhunderts erregte die Theorie von C. Dietzel8) grosses Aufsehen. Nach ihm bedeuten Anlehen keine Schädigung der arbeiten- den Klasse; denn sie werden für die Beschaffung von Gütern, also direkt oder indirekt für Lohn verwendet. Sie führen sogar zu einer vermehrten Produktion und dadurch zu vermehrter Kapitalbildung. Das Anleihesystem werde so zur Grundlage neuer Segnungen für die Zukunft. Die Schuld sei gleichsam eine Assoziationsanstalt der Kapitalbesitzer. Jeder schiebe sein Kapital in die Masse ein, sobald er es nicht besser gebrauchen könne, jeder ziehe es wieder daraus zurück, sobald er es selbst notwendig habe. Sie sei das grosse Zentralorgan, das alle Kapitalien in Zusammenhang erhalte und jederzeit zweckmässig ver- teilen helfe. So sei das System der Staatsanleihen die oberste Stufe für die Entwicklung der Volkswirtschaft, die unter unseren Verhältnissen denkbar sei. Je grosser der Teil der Staatsausgaben sei, den die Zinsen der Staatsanleihen erfassen, desto reicher sei ein Volk und desto blühender sei seine Volkswirt- schaft. Immerhin will auch Dietzel eine Grenze eingehalten wissen, und zwar dadurch, dass die Steuern zur Aufbringung der Schuldzinsen nicht zu einer schweren Last werden dürfen. Solange dies nicht der Fall sei, dauere die produktive Wirkung der Staatsanleihen fort. Die Tilgung um ihrer selbst willen sei unnötig; nur ein teilweiser Rückkauf sei geboten, um den Staats- kredit zu halten oder eine zweckmässige Verwendung aller vorhandenen Kapi- talien herbeizuführen.

Theorie und Praxis wandten sich jedoch bald wieder strengeren Auf- fassungen zu. Grossen Eindruck machte es, als England 1866 und die Ver- einigten Staaten nach dem Bürgerkriege mit grossem Erfolge die Tilgung aufnahmen und den Beweis lieferten, dass ernste, beharrliche Durchführung der Tilgung selbst bei sehr hohen Schuldsummen grosse wirtschaftliche Erfolge hat. Die angesehensten Vertreter der Theorie, insbesondere Soetbeer, A.Wagner, Schaff le und andere suchten einem allzu starken Anschwellen der Staatsschulden entgegenzuwirken. Besonders wurde geltend gemacht, dass es unzulässig sei, durch Schuldaufnahmen die Zukunft zu den Lasten der Gegenwart heranzu- ziehen. Je grosser der Teil der ordentlichen Einnahme sei, den die Verzinsung und Tilgung der Schuld verschlinge, desto schwieriger werde es, die anderen Aufgaben zu lösen.

Schanz4) fasst die Rückkehr zur Erkenntnis von der Notwendigkeit

i) Nebenius, Der öffentliche Kredit. 1820. 2) K. H. Rau, Grundsätze der Finanzwissenschaft. 1837. 3) Carl Dietzel, Das System der Staatsanleihen. 1855. ♦) (ieorg schanz, uenentiicnes »cnuiaenwesen. aus „Lniwicmuug uci ucmswicu

Volkswirtschaftslehre im 19. Jahrhundert", Leipzig 1908. 442

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Begründung z. bayrischen Gesetz v. 13. August 1910, betr. Eisenbahnausgleichsfonds. 443

des Tilgens in einem Ueberblick über die ganze Entwicklung etwa wie folgt zusammen :

„Es sei darauf hingewiesen worden, dass die staatswirtschaftlichen Kapitalanlagen sich aufzehren und dass die privatwirtschaftlichen Anlagen des Staates der Abnutzung und den technischen Wandlungen unterliegen, dass manche der letzteren in ihren Erträgnissen überdies noch durch andere Umstände, wie die Eisenbahnen durch Ermässigung der Tarife, durch Herstellung unrentabler Linien, durch Kriegszustände beeinträchtigt werden können. Selbst wenn also die Mittel zur ge- wöhnlichen Erneuerung der privatwirtschaftlichen Anlagen des Staates aus den ordentlichen Staatseinkünften bereitgestellt werden, so bleibe doch die Notwendigkeit der Tilgung bestehen. Was die Tilgungs- methoden anlange, so habe man bald erkannt, dass die freie Tilgung zwar der Idee nach richtig sei, in Wirklichkeit jedoch immer mehr auf ein Nichttilgen hinauslaufe; denn Parlamente und Regierungen seien nur zu sehr geneigt, jede Ausgabe für wichtiger zu halten als die für Tilgung. Relativ gut sei der Modus, ein bestimmtes Tilgungs- prozent gesetzlich festzulegen, wodurch der Staat, ohne sich den Gläubigern gegenüber zu verpflichten, sich selbst binde, jährlich eine in bestimmtem Verhältnis zur Schuld stehende Summe zur Tilgung zu verwenden. Eine Schwäche dieses Verfahrens liege darin, dass eine Verrechnung auf bewilligte Anlehen der Tilgung gleichzuachten sei; denn dadurch könne die Tilgung illusorisch werden. Das Tilgungs- prozent hänge von der Grosse der Schuld, des Nationaleinkommens, der Steuerkraft, des notwendigen Staatsaufwandes einschiiesslich der Verzinsung und von den politischen Verhältnissen ab. Die Erfahrung zeige, dass die meist übliche Grosse des Tilgungsprozentes von 0,5 bis 1,0 Proz. der Schuld ziemlich richtig gegriffen sei."

2. Die Praxis in Bayern und den Nach bar gebieten. Württemberg.

Die wirkliche Entwicklung entsprach im allgemeinen den geschilderten Wandlungen der finanzwissenschaftlichen Theorie. Besonders deutlich tritt dies in Württemberg hervor, das eine sehr lehrreiche Entwicklung zeigt.

Die älteren Staatsschuldenstatute von 1816, 1817, 1820 und 1837 beruhten auf dem Grundsatze der Zwangstilgung in strengster Form. Um die Tilgung der ganzen Schuld innerhalb eines Zeitraumes von etwa 45 Jahren zu gewährleisten, sollte jährlich hierzu verwendet werden :

a) 0,5 Proz. der Staatsschuld nach ihrem höchsten Stand ; b) die Jahreszinsen aus den getilgten Schulden; c) etwaige Ersparnisse am Zinsenzahlungsfonds. Diesen starren Zwang für Regierung und Stände gab das Gesetz vom

4. September 1853, betr. die Abänderung einiger Bestimmungen des revi- dierten Staatsschuldenstatuts vom 22. Februar 1837, auf. Es bestimmte nämlich, dass der für jedes Jahr auszusetzende Kapitaltilgungsfonds für die kündbare Schuld nach den den einzelnen Bestandteilen dieser Schuld zugrunde liegenden vertragsmässigen Bestimmungen über deren Tilgung zu bemessen sei.

Die Zwangstilgung blieb also bestehen, aber die Art der Tilgung wurde dadurch beweglicher gemacht, dass die näheren Bestimmungen der vertrags- mässigen Regelung überlassen wurden. In der Tat wurde auch die Tilgungs- dauer und der Beginn der Tilgung bei den Tilgungsplänen der einzelnen An- lehen ganz verschieden festgesetzt. Durchwegs wurde bestimmt, dass die Gläubiger ein Recht zur Kündigung nicht haben und dass die Rückzahlung durch die im Tilgungsplane berechneten Annuitäten erfolgen solle. Die heimzuzahlenden Schuldverschreibungen wurden im Wege der Verlosung bestimmt.

Um dieselbe Zeit, zu welcher Bayern durch den Uebergang zur freien Tilgung die Schuldentilgung fast ganz aufgab, empfand auch Württemberg das Bedürfnis, der Staatsschuldenverwaltung noch mehr freie Hand zu verschaffen.

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444 Begründung z. bayrischen Gesetz v. 13. August 1910, betr. Eisenbahnausgleichsfonds.

Die Regierung legte Ende 1880 einen Gesetzentwurf vor, welcher es der Schulden- verwaltung überlassen wollte, hinsichtlich der Tilgung entweder wie vorher zu verfahren, nach Umständen aber von der Vereinbarung eines Tilgungsplanes ganz abzusehen und die Tilgung den vorhandenen Mitteln anzupassen.

Zur Begründung war angeführt: Die Beschaffung des zur Tilgung der Staatsschuld erforderlichen, stets wachsenden Geldbedarfs sei, zumal bei der dermaligen Finanzlage, für die Staatskasse und die Steuerpflichtigen, wo nicht lästig und drückend, so doch sehr unbequem und dieses Verhältnis werde sich steigern, wenn erst die Tilgung der Anlehen voa 1876, 1877, 1878 und 1879 (in den Jahren 1887, 1890 und 1891) in Vollzug treten werde. Auch von seiten der Staatsgläubiger werde erfahrungsgemäss, wenigstens bei solchen Anlehen, welche sich dem Parikurse nähern, auf die vertragsmässige Tilgungspflicht des Staates kein oder kein besonderer Wert gelegt. Die Aussicht, in näher oder ferner liegender Zeit wieder in den Vollbesitz des Kapitals zu gelangen, tret£ gegen die Sicherheit eines länger dauernden Zinsengenusses entschieden in den Hintergrund. Mit der vorgeschlagenen Neuerung werde Württemberg nur den Weg betreten, welchen das Reich, Preussen, Bayern und Sachsen schon länger, wie die Begründung meint, ohne Nachteil eingeschlagen hätten. Dabei wurde ausdrücklich betont, dass der Grundsatz der Kündbarkeit durch den Staat un- verändert beibehalten, die Schaffung einer unkündbaren Schuld oder Rente also vorweg ausgeschlossen sei. Der Landtag stimmte im wesentlichen zu, verlangte jedoch, dass bei den einzelnen Anlehen für die im übrigen freie Tilgung wenig- stens eine bestimmte, wenn auch längere Tilgungsdauer festgesetzt werde.

Aus diesen Erwägungen entstand das Gesetz vom 20. März 188 lr betr. die Staatsschuld. Es bestimmte in Art. 1 :

„Zu Art. 1 des Gesetzes vom 4. September 1853, betr. die Ab- änderung einiger Bestimmungen des revidierten Staatsschuldenstatuts vom 22. Februar 1837 (R.B1. S. 360), wird bestimmt, dass bei den von nun an bis zum Ablauf der Finanzperiode 1881/83 aufzunehmenden Staatsanlehen rücksichtlich der Tilgung vertragsmässig festgesetzt werden darf, dass diese Tilgung entweder in jährlichen Raten nach einem zum voraus festgestellten Plane stattzufinden, oder dass sie sich nach den Bestimmungen zu richten hat, welche im Wege der Gesetz- gebung werden getroffen werden.

Jedoch ist auch im letzteren Falle der Schlusstermin der Heim- zahlung zum voraus festzusetzen. u

Damit war der Uebergang zur freien Tilgung, allerdings nicht ohne zeitliche Schranken, vollzogen.

Diese Erleichterung wurde wegen der schwierigen Finanzlage durch das Finanzgesetz für die Periode 1883/85 auch auf die Anlehen dieser Finanzperiode ausgedehnt.

Die Regierung versuchte auch für die Finanzperiode 1885/87 die gleiche Erleichterung zu erlangen; sie machte geltend, dass die Geldgeber keine Be- denken hegen , dass sie mehr auf sicheren Zinsgenuss , als auf Heimzahlung sehen, dass der Uebergang zur freien Tilgung nicht ungünstig auf den Kurs- stand eingewirkt habe. Für die Schuldenverwaltung sei die grössere Bewegungs- freiheit von entschiedenem Werte, da sie es möglich mache, innerhalb der be- stimmten Zeit die Tilgung so vorzunehmen, wie es die Finanzlage gestattet. Der Regierungsantrag wurde jedoch abgelehnt und die Regierung hat Anträge in dieser Richtung nicht mehr gestellt. Es war offenbar bereits eine gewisse Abkehr von dem System der freien Tilgung in der Entwicklung begriffen.

Das Gesetz vom 18. Mai 1903, betr. die Tilgung der Staatschuld und die Umwandlung des 4prozentigen Staatsanlehens von 1891/92 in eine Slf2-pro- zentige Schuld (R.B1. S. 201), kehrte teilweise wieder zu den vorsichtigen Grund- sätzen der alten Schulden statute zurück, nahm sie allerdings nur in sehr ge- milderter Form auf1). Es bestimmte unter anderem:

i) Siehe noch Finanzarchiv 21 (1904) S. 430 f. 444

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Begründung z. bayrischen Gesetz v. 13. August 1910, betr. Eisenbahnausgleichsfonds. 445

Artikel 1. Vom 1. April 1903 ab ist in jedem Rechnungsjahr eine Tilgung in Höhe

von mindestens 3/j> Prozent der am Anfang des Rechnungsjahres bestehenden • verzinslichen Staatsschuld vorzunehmen. Die Tilgung findet entweder durch Rückkauf oder durch Kündigung oder teils durch Rückkauf, teils durch Kündi- gung statt. Eine Verrechnung auf verwilligte Anlehen ist einer Tilgung gleich- zuachten. Die Tilgung auf dem Weg der Verlosung einzelner Schuldverschrei- bungen ist für künftige Anlehen ausgeschlossen.

Die erforderlichen Beträge sind durch den Hauptfinanzetat unter Einrech- nung der für eine Vertrags massige Tilgung von Staatsschulden bestimmten Summen bereitzustellen. Soweit die vertragsmässigen Tilgungsbeträge den in Abs. 1 bestimmten Tilgungsbetrag übersteigen, bleibt es bei den vertragsmässigen Tilgungsbeträgen .

Artikel 2. Ergibt sich nach der Jahresrechnung ein Ueberschuss des Staatshaushalts,

so sind im folgenden Rechnungsjahre neben der nach Art. 1 erfolgenden Tilgung zwei Fünftel des Ueberschusses zur Schuldentilgung bzw. Verrechnung auf ver- willigte Anlehen zu verwenden.

Damit war die Rückkehr zur gesetzlichen Zwangstilgung voll- zogen.

Die Begründung des württembergischen Gesetzes von 1903 lässt erkennen, dass man es vorgezogen hätte, anstatt des Mindestsatzes von 35 Proz. eine Tilgung von wenigstens 4/s Proz. der Schuld im Gesetze vorzuschreiben, dass man aber aus finanziellen Erwägungen von dieser strengeren Vorschrift Ab- stand nahm.

Eine rasch zunehmende Verschärfung der Anschauungen über das Mass des erforderlichen Tilgungsprozentes lässt die Entwicklung der neuesten Zeit erkennen.

Deutsches Reich. Die Begründung zum Entwurf des Reichsgesetzes vom 15. Juli 1909, betr.

Aenderungen im Finanzwesen, sagt (Reichstagsverhandlungen 1908/09; Anlagen- band 10 Anlage 992 S. 10) über die Reform des Schuldenwesens:

„Feste Normen hinsichtlich der Schuldentilgung seien erst durch das Gesetz vom 3. Juni 1906 (R.G.B1. S. 620) geschaffen worden. Vorher habe nur vorübergehend in einzelnen Jahren eine Tilgung stattgefun- den, und zwar lediglich durch Herabsetzung des Anleihesolls. u

Dieses Gesetz vom 3. Juni 1906, betr. die Ordnung des Reichshaushalts und die Tilgung der Reichsschuld, bestimmt in § 4, dass die Reichsanleihe- schuld vom Jahre 1908 ab jährlich mit wenigstens z¡& Proz. des sich jeweils nach der Denkschrift über die Ausführung der Anleihegesetze ergebenden »Schuld- betrages - also mit dem gleichen Satze, wie ihn das württembergische Gesetz vom 18. Mai 1903 vorschreibt - zu tilgen ist, dass eine Absetzung vom Anleihe- soll, d. h. eine Verrechnung auf bewilligte Anlehen, der Tilgung gleichmachten ist, und dass die zur Tilgung erforderlichen Beträge im Etat bereitzustellen sind 1).

Diese Bestimmungen haben mangels ausreichender Mittel keine Verwirk- lichung gefunden.

Viel strenger sind die Vorschriften, welche das Reichsgesetz vom 15. Juli 1909, betr. Aenderungen im Finanzwesen (R.G.B1. S. 743), hinsichtlich der Schuldentilgung gibt2).

§ 2 bestimmt, dass die Anleihe zur Deckung der gestundeten Matrikular- beiträge der Jahre 1906, 1907 und 1908, sowie der Fehlbeträge der Jahre 1907 und 1908 von der Begebung ab jährlich mit wenigstens 1,9 Proz. unter Hinzu- rechnung der ersparten Zinsen zu tilgen ist, und dass als ersparte Zinsen ■31/« Proz. der zur Tilgung aufgewendeten Summen vorzusehen sind.

]) Vgl. auch Finanzarchiv 23 (1906) S. 642, 782. -; ' gi. aucli Finanzarchiv 27 (1910) s. 246.

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446 Begründung z. bayrischen Gesetz v. 13. August 1910, betr. Eiseiibahnausgleichsfonds-

§ 3 schreibt vor: 1. dass die geltenden Bestimmungen über die Tilgung der zu werbenden

Zwecken bereits ausgegebenen Anleihen in Kraft bleiben. - Nach der Begrün- dung (S. 28/29) bezieht sich dies auf Anleihen, die für Kleinwohnungszwecke (1901), für Fernsprechanlagen (1908), für Kolonialbahnen (1904 und 1908) und für Reichs- eisenbahnen (1907) bewilligt worden sind. Für das einschlägige Reichseisenbahn- anlehen von 18,500,000 M. stellte die Denkschrift zum Reichshaushaltsetat 1907 einen Plan auf, wonach diese Schuld durch Einsetzung einer Tilgungsrate von 1,937 Proz. unter Zuwachs der ersparten Zinsbeträge (von 3,5 Proz.) in 30 Jahren abgetragen werden soll; (Anlagenband 10 Anlage 992 S. 11);

2. dass die sonstigen, bis 30. September 1910 begebenen Anlehen mit jährlich wenigstens 1 Proz. des an diesem Tage vorhandenen Schuldkapitals unter Hinzurechnung der ersparten Zinsen zu tilgen sind, was einer Tilgung in 43 Jahren entspricht;

3. dass die vom 1. Oktober 1910 ab begebenen Anlehen unter Hinzu- rechnung der ersparten Zinsen (372 Proz. der getilgten Beträge) bei werbenden Zwecken mit wenigstens 1,9 Proz. (Tilgungsdauer 30 Jahre), im übrigen mit wenigstens 3,0 Proz. (Tilgungsdauer 22 Jahre) jährlich zu tilgen sind;

4. dass Abschreibungen vom Anleihesoll und Anrechnungen auf bewilligte Anlehen einer Tilgung gleichzuachten sind.

Die beiden Reichsgesetze vom 3. Juni 1906 und vom 15. Juli 1909 lassen die grosse Verschärfung, welche die Anschauungen über die Bemessung des Tilgungssolls gerade während der letzten Jahre erfahren haben, deutlich er- kennen. Während die Vorschrift vom Jahre 1906 - jährlicher Tilgungsbetrag wenigstens 0,6 Proz. der Schuld - selbst dann, wenn der Satz nach der ur- sprünglichen Schuldsumme berechnet wird, eine Tilgungsdauer bis zu 167 Jahren, bei Berechnung des Tilgungssolls nach der Restschuld eine noch viel längere Tilgungsdauer zulässt, verlangt die Vorschrift vom Jahre 1909 die Tilgung innerhalb der verhältnismässig kurzen Zeiträume von 22-43 Jahren. Das be- deutet eine Verschärfung der früheren Vorschrift wenigstens um das Vier- bis Achtfache.

Aus den vorstehenden Darlegungen ergibt sich, dass die Schuld der Reichs- eisenbahnen in folgender Weise getilgt wird:

a) die älteren Anlehen im allgemeinen mit 1 Proz. der ursprünglichen Schuldsumme,

b) die vom 1. Oktober 1910 ab begebenen und ein älteres Anlehen von 1907 mit 1,9 Proz. der ursprünglichen Schuld- summe,

in allen Fällen unter Einrechnung der ersparten Zinsen.

P reu s s en. Auch in Preussen lässt die Entwicklung der Tilgungsvorschriften und der

mit der Schuldentilgung in Zusammenhang stehenden Massnahmen eine zu- nehmende Verstärkung des Tilgungsgedankens erkennen.

Preussen hat durch das Gesetz vom 27. März 1882, betr. die Ver- wendung der Jahresüberschüsse der Verwaltung der Eisenbahnangelegenheiten, das sog. Eisenbahngarantiegesetz, die Zwangstilgung seiner Eisenbahnschuld eingeführt1). Das Gesetz bestimmte unter anderem, dass die Ueberschüsse der Einnahmen über die ordentlichen Ausgaben der Eisenbahnverwaltung in fol- gender Reihenfolge zu verwenden sind :

1. zur Verzinsung der Staatseisenbahnschuld; 2. zur Ausgleichung eines etwaigen Fehlbetrages im Staatshaushalt bis

zum Betrage von 2,200,000 M.; 3. zur Tilgung der Staatseisenbahnschuld durch eine jährliche Quote bis

zu 3/4 Proz. des jeweiligen Standes dieser Schuld. Bestimmungen über weitere Tilgung blieben der Festsetzung durch den Etat vorbehalten.

i) Vgl. auch Finanzarchiv 9 (1892) S. 131; 14 (1897) S. 487. 446

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Begründung z. bayrischen Gesetz v. 13. August 1910, betr. Eisenbahnausgleichsfonds. 447

Die Zurechnung ersparter Zinsen zum Tilgungssoll war nicht vorgeschrieben. Ein Beschluss des Abgeordnetenhauses vom 10. Mai 1892 sprach

sich dahin aus, dass die Kosten zweiter und weiterer Gleise, der Um- und Er- weiterungsbauten von Bahnhöfen, der Vermehrung von Betriebsmitteln tunlichst bald aus den Betriebseinnahmen der Staatseisenbahnen zu bestreiten seien.

Das Gesetz vom 8. März 1897, betr. die Tilgung von Staatsschulden, bestimmte in

§ 1: dass die Tilgung der Staatskapitalschuld zu betragen habe 1897/98 wenigstens V2 Proz., ab 1898/99 wenigstens 3'5 Proz.,

§ 3 : dass Ueberschüsse des Staatshaushaltes in vollem Betrage zur weiteren Tilgung zu verwenden seien.

Das Gesetz vom 8. Mai 1903, betr. die Bildung eines Ausgleichsfonds für die Eisenbahnverwaltung, ersetzt in Art. I den § 3 des Gesetzes vom 8. März 1897 durch die Bestimmung, dass ein Ueberschuss des Staatshaushaltes zunächst zur Bildung oder Ergänzung eines Ausgleichsfonds bis zur Höhe von 200 Mill. M., der darüber hinausgehende Betrag des Ueberschusses zur weiteren Tilgung von Staatsschulden bzw. Verrechnung auf bewilligte Anleihen zu ver- wenden ist.

Ein Beschluss des Abgeordnetenhauses vom 15. Mai 1906 er- sucht die Staatsregierung, alljährlich in das Ordinarium des Etats der Eisen- bahnverwaltung aus deren Mitteln diejenigen Beträge einzustellen, welche er- forderlich sind, um den vollen Ersatz der ausgemusterten Betriebsmittel und die der Verkehrsentwicklung entsprechende Vermehrung der Betriebsmittel zu sichern.

Ein Beschluss des Abgeordnetenhauses vom 19. März 1909 ersucht die Staatsregierung,

1. bei der Aufstellung des Eisenbahnetats von 1910 ab darauf Bedacht zu nehmen, dass behufs wirksamerer Ausgestaltung des Ausgleichsfonds diesem Fonds ausser den rechnungsmässigen Ueberschüssen des Staatshaushaltes ein Betrag des Reinüberschusses der Eisenbahnverwaltung durch den Staatshaus- haltsetat zugeführt wird, welcher einen bestimmten Prozentsatz des jeweiligen statistischen Anlagekapitals der preussischen Staatsbahnen übersteigt,

2. eine materielle und ziffermässige Begrenzung des Extraordinariums in Aussicht zu nehmen.

Auf Grund dieses Beschlusses machte die preussische Staatsregierung bei Vorlage des Eisenbahnetats für 1910 bestimmte Vorschläge, die in der Budget- kommission eingehend beraten wurden und unter Zustimmung der beteiligten Minister zu folgenden bereits auf S. 11 kurz angegebenen Beschlüssen führten (Drucksache Nr. 140 H. d. Abg. 1910 S. 33):

I. Das Haus der Abgeordneten wolle beschliessen : Gemäss der in dem Vorbericht zum Staatshaushaltsetat 1910 versuchsweise

auf die Dauer von 5 Jahren (1910-1914 einschliesslich) in Aussicht genommenen Regelung an Stelle des im Etat der Eisenbahnverwaltung hinter Kap. 33 a Tit. 2 vorgesehenen Vermerks am Schlüsse dieses Etats nachstehenden Vermerk ein- zuschalten :

Vermerk zu Kap. 33a Tit. 2 >) und Kap. 92): 1. Bei Kap. 33 a Tit. 2 ist derjenige Betrag des Reinüberschusses zu ver-

ausgaben, welcher 2,10 Proz. des statistischen Anlagekapitals der preussischen Staatseisenbahnen übersteigt. Dieser Betrag ist an den Ausgleichsfonds abzu- führen, auch wenn dieser Fonds bereits aus Rechnungsüberschüssen die Höhe von 200,000,000 M. erreicht hat. Er ist zusammen mit den Mitteln des Aus- gleichsfonds für die diesem obliegenden Zwecke zu verwenden. Die Bestimmungen der §§ 3 b und c im Art. I des Gesetzes vom 3. Mai 1903 (Gesetzsamml. S. 155) sind auf die Fondsverstärkung sinngemäss anzuwenden.

!) Verstärkung des Ausgleichsfonds. 2) Einmalige und außerordentliche Ausgaben (Extraordinarium).

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448 Begründung z. bayrischen Gesetz v. 13. August 1910, betr. Eisenbahnausgleichsfonds.

2. Bei der Ermittlung des Reinüberschusses sind die einmaligen und ausser- ordentlichen Ausgaben (Kap. 9) nur bis zu 1,15 Proz. des statistischen Anlage- kapitals und, solange sich hierbei ein geringerer Betrag als 120,000,000 M. er- geben sollte, nur bis zu diesem Betrage in Rechnung zu stellen.

3. Von den einmaligen und ausserordentlichen Ausgaben sind die Kosten für Anlage zweiter und weiterer Gleise, für Vermehrung des Fuhrparks für die bestehenden Bahnen über den

Ersatz der Wertverminderung hinaus, für den Ausbau von Nebenbahnen zu Hauptbahnen, für den Ausbau und die erstmalige Ausrüstung der Bahnanlagen beim

Uebergang zu anderer Betriebsweise auf die Eisenbahnanleihegesetze zu übernehmen, wenn und insoweit damit die einmaligen und ausserordentlichen Ausgaben nicht unter die in Ziff. 2 ange- gebenen Sätze herabsinken.

4. Bei Ermittlung der den vorstehenden Prozentsätzen entsprechenden Be- träge ist das statistische Anlagekapital nach dem Stande am Schlüsse des zweit- letzten Etatsjahres zugrunde zu legen; die hiernach ermittelten Beträge sind auf volle 100,000 M. nach oben abzurunden.

II. Das Haus der Abgeordneten wolle beschliessen : 1. Die Königl. Staatsregierung zu ersuchen, dem Etat der Eisenbahnverwal-

tung für 1911 eine Denkschrift über die Grundsätze beizufügen, nach denen bei Aufstellung des Betriebsetats (Kap. 10 der Einnahme und Kap. 23 der Ausgabe) und insbesondere bei der Entschliessung darüber verfahren wird, welche Aus- gaben für Bauausführungen und Beschaffungen auf das Ordinarium (Tit. 8 und 9) und welche auf das Extraordinarium zu übernehmen sind.

2. Unter Beachtung der zu 1 festgestellten Grundsätze ist der Eisenbahn- etat unabhängig und unbeeinflusst von den Rücksichten auf den gesamten Staatshaushalt, allein den Wirklichkeitsverhältnissen entsprechend aufzustellen.

Diese Beschlüsse wurden am 11. April 1910 vom Plenum des Abgeordneten- hauses angenommen.

Da eine Verwendung laufender Mittel für das Extraordinarium, d. h. für iiusserordentliche, fast ausschliesslich werbende Anlagen, für die sonst Anleihen zulässig wären, einer Schuldentilgung vollständig gleichwertig ist, so tilgt die preussische Staatseisenbahnverwaltung nunmehr jährlich: 0,6 Proz. der Schuld auf Grund der Gesetze von 1882/97 und 1,15 Proz. des Anlagekapitals, wenig- stens aber 120 Millionen auf Grund der vorstehenden Beschlüsse, zusammen rund 1,55 Proz. des Anlagekapitals oder rund 2,3 Proz. der Schuld.

Baden. In Baden ist die Tilgung der Eisenbahnanlehen einer besonderen Eisen-

bahnschuldentilgungskasse übertragen, welche im Jahre 1842 errichtet wurde. Ihre Verfassung und Verwaltung ist durch das Gesetz vom 10. September 1842 über die Errichtung der Eisenbahnschuldentilgungskasse (Staats- und Rgsbl. 1842 S. 241) geregelt. Nach diesem Gesetze, welches einen Teil der Verfassung bildet, darf der Reinertrag der Eisenbahnbetriebsverwaltung nur zur Verzinsung und Tilgung der Eisenbahnschuld und zugunsten des Eisenbahnbaues verwendet werden, ist also eine Nutzbarmachung der Ueberschüsse des Eisenbahnbetriebes für Zwecke der allgemeinen Staatsverwaltung ausgeschlossen. Zur Sicherung der Durchführung dieses Grundsatzes bilden die Eisenbahnverwaltung und die Eisenbahnschuldentilgungskasse sog. ausgeschiedene Verwaltungszweige. Ihr Budget wird getrennt von dem der allgemeinen Staatsverwaltung aufgestellt und vollzogen. Der Staatskasse ist jedoch die Verpflichtung auferlegt, etwaige Fehlbeträge, die bei der Verwaltung der Eisenbahnschuldentilgungskasse sich ergeben, zu übernehmen.

Ueber die Art, wie die Tilgung der Eisenbahnanlehen durchzuführen ist, sind keine gesetzlichen Vorschriften erlassen. Bei fast sämtlichen Anlehen hat die Eisenbahnschuldentilgungskasse die Verpflichtung übernommen, die Tilgung

443

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Begründung z. bayrischen Gesetz v. 13. August 1910, betr. Eisenbahnausgleichsfonds. 4.4.9

nach einem festen Plane regelmässig zu vollziehen. Dabei ist jeweils bestimmt worden, dass jährlich ein bestimmter, nach der Tilgungsdauer des Anlehens bemessener Prozentsatz des ursprünglichen Anlehensbetrages zuzüglich der er- sparten Zinsen zur Tilgung zu verwenden ist. Die Tilgungsdauer der zurzeit noch nicht heimgezahlten Anlehen beträgt der Regel nach 50 Jahre; es ist jedoch bei einer Anzahl von Anlehen der Beginn der Tilgung noch um einige Jahre - bei den neueren gewöhnlich um 8 Jahre - hinausgeschoben worden. Alle vor dem Jahre 1859 aufgenommenen Anlehen, sowie die Anlehen von den Jahren 1866, 1868, 1870/71, 1874 und 1876 sind durch Heimzahlung oder Kon- vertierung erledigt.

Die regelmässig durchgeführte Tilgung hat den Erfolg gehabt, dass bis 1900 rund 32 Proz. des gesamten Anlehensbestandes getilgt waren. Dieses Er- gebnis ist allerdings nur dadurch erreicht worden, dass vom Jahre 1880 ab der Eisenbahnschuldentilgungskasse jährlich aus Mitteln der allgemeinen Staats- verwaltung ein Zuschuss in wechselnder Höhe geleistet worden ist.

Der ehemalige badische Finanzminister ßuchenberger sagt in seinem Werk: „ Finanzpolitik und Staatshaushalt im Grossherzogtum Baden" (S. 123):

„In dem im Vergleich mit dem Anlagekapital verhältnismässig günstigen Stande der Eisenbahnschuld tritt die Wirkung einer Politik, welche die Ueberschüsse des Bahnbetriebes uneingeschränkt den Eisen- bahnzwecken selber widmete und in günstigen Betriebsjahren sie auch nicht teilweise den Zwecken des allgemeinen Staatshaushaltes zuführte, in vollem Masse zutage.

Jenes Mass wirtschaftlicher Vorsicht, welches jedes auf gesunder Grundlage ruhende wirtschaftliche Unternehmen betätigt, wenn es Jahr für Jahr Rücklagen und Abschreibungen macht, um daraus die Mittel für die nötigen Ergänzungs- und Erneuerungsarbeiten zu schöpfen, kann auch der Staat bei seinen wirtschaftlichen Unternehmungen nicht ungestraft ausser acht lassen. Am allerwenigsten auf dem Gebiet des Eisenbahnwesens, wo die unberechenbaren und unvorherzusehenden Fortschritte der Technik zu einer plötzlichen Entwertung vorhandener Anlagen und Einrichtungen und zu neuen Kapitalaufwendungen nötigen können und weil schliesslich der Kredit des Staates, den er für seine Eisenbahnzwecke in Anspruch nimmt, zwar nicht ausschliesslich, aber doch zu einem gewissen Teil auch von der Durchschnittshöhe der Eisenbahnrente mit abhängig ist."

Im letzten Jahrzehnt haben sich die Verhältnisse verschlechtert. Eine Denkschrift des badischen Finanzministeriums vom 27. No- vember 1909, die Lage der Eisenbahnschuldentilgungskasse betreffend (Zweite Kammer der badischen Landstände, 44. Landtag 1909/10 Drucksache Nr. 5), erklärt, dass die derzeitige Lage der Eisenbahnschuldentilgungskasse recht un- günstig ist. Den Nachweis hierfür liefert sie unter anderem durch folgende Zusammenstellung über die Ergebnisse der Kasse (S. 5):

Fehlbeträge Janre TqVi Ueber-

~; Staats- Janre TqVi schüsse der der im ganzen Zuschüsse

Zinsen Tilgung (Sp. 3 u. 4) ~

jn Mill> M

1870-79 6,690 2,046 19,595 21,641 - 1880-89 1,263 1,625 38,019 39,644 19,5 1890-99 27,497 - 7,029 7,029 26,5 1900-08 18,182 2,813 18,946 21,759 16

1870-1908 53,632 6,484 83,589 90,073 62

Finanzarchiv. XXIX. Jahrg. 449 29

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450 Begründung z. bayrischen Gesetz v. 13. August 1910, betr. Eisenbahnausgleichsfonds.

Die Denkschrift gibt (S. 7) weiter an, dass von 1870-1908 Zinsen im Betrag von 6,4 Millionen und Tilgungsbetreffnisse im Betrag von 60,4 Millionen aus neuen Anlehen bestritten werden niussten. Wenn dies auch grossenteils dadurch ausgeglichen wird, dass die in der Uebersicht ausgewiesenen Ueber- schüsse von 53,632 Millionen zu Eisenbahnbauten, d. h. an Stelle von Anlehen verwendet wurden - was einer Schuldentilgung gleichwertig ist - , so zeigen die badischen Erfahrungen doch sehr deutlich, dass bei den Ertragsverhältnissen süddeutscher Eisenbahnverwaltungen starre Tilgungsvorschriften, welche die Tilgung innerhalb eines Zeitraumes von 50 - 60 Jahren durchführen wollen, sehr leicht zu Schwierigkeiten führen.

Als Mittel gegen eine weitere Verschlechterung in der Lage der Schulden- tilgungskasse nimmt die Denkschrift in Aussicht:

1. Erhöhung des jährlichen Staatszuschusses auf wenigstens 4 Mill. M., 2. weitgehende Einschränkung der Anlehensaufnahmen. Ausserdem scheint eine Verstärkung der Schuldentilgung beabsichtigt zu

sein. Denn die Denkschrift nimmt für die Zeit 1910-1919 (S. 8) an, dass bei den neueren Anlehen jährlich gleichraässig 21/-2 Proz. des ursprünglichen An- lehensbetrages getilgt werden, während, wie die Begründung zu dem hessischen Gesetzentwurf über die Tilgung der Staatsschuld vom 29. November 1909 (S. 9) ersehen lässt, die bisherige Tilgung in Baden jährlich durchschnittlich 1,87 Proz. betrug.

Sachsen. Im Königreich Sachsen wird die ältere Staatsschuld planmässig getilgt-

Die Tilgungsquoten betragen bis zu 1,5 Proz. des ursprünglichen Schuldbetrages. Für die neueren Anlehen ist die Tilgung durch die einschlägigen Gesetze auf mindestens 1 Proz. des ursprünglichen Kapital betrages festgesetzt.

Im ganzen beträgt die Tilgung der Staatsschuld, aus der die Eisenbahn- schuld nicht besonders ausgeschieden ist, durchschnittlich etwa 1,25 Proz.

Hessen. Der hessische Gesetzentwurf vom 29. November 1909 über die Tilgung der

Staatsschuld (Drucksache Nr. 298 der Zweiten Kammer der Stände des Gross- herzogtums Hessen, 1908/11) sieht ähnlich wie das Reichsgesetz vom 15. Juli 1909, betr. Aenderungen im Finanzwesen, für die verschiedenen Arten von Schulden verschiedene Tilgungsquoten vor. Es soll unter Hinzurechnung der durch die Tilgung ersparten Zinsen

a) die vorhandene und künftige Staatseisenbahnschuld . mit 3/5 Proz.,. b) die sonstige am 1. April 1910 vorhandene Staatsschuld „ 1 „ c) die vom 1. April 1910 ab für andere als Eisenbahnzwecke

zugehende Schuld, wenn sie werbend ist, mit wenigstens 1,9 „ wenn sie nicht werbend ist, „ „ 3,0 „

getilgt werden.

Oeste r reich. Was die Tilgung bei den kaiserl. königl. Staatsbahnen anlangt, so ist

dort zwischen zwei Hauptgruppen des Staatsbahnanlagekapitals (Ende 1907 rund 3832 Mill. K) zu unterscheiden:

1. den Aufwendungen, welche vom Staate selbst für den Bahnbau, für nachträgliche Investitionen u. dgl. gemacht wurden, Ende 1907 1376 Mill. K,

2. den bei den Privatbahnverstaatlichungen übernommenen Verpflichtungen. Die Summe der hier übernommenen Anlehen und der Kapitalwert der zeitlich begrenzten Renten betrug Ende 1907 2456 „ .

8832 Mill. K. 450

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Begründung z. bayrischen Gesetz v. 13. August 1910, betr. Eisenbahnausgleichsfonds. 4.5]^

Gruppe 1 bildet einen Bestandteil der allgemeinen Staatsschuld, über deren Tilgung keine gesetzlichen Vorschriften bestehen und bei der eine regelmässige Tilgung nicht stattfindet.

Bei Gruppe 2 dagegen findet eine ziemlich starke Amortisation statt, da mit Ablauf der ursprünglichen Konzessionsdauer der eingelösten Bahnen, d. i. zwischen den Jahren 1940 und 1960, alle Zahlungen beendet sein müssen.

Schweiz. Die Schweiz hat mit Durchführung des Staatsbahnprinzips sofort auch

die Zwangstilgung der Eisenbahnschuld eingeführt. Das Bundesgesetz vom 15. Oktober 1897, betr. die Erwerbung und den Betrieb von Eisenbahnen für Rechnung des Bundes und die Organisation der Verwaltung der schweizerischen Bundesbahnen, bestimmt hierüber wie folgt:

Artikel 7. Die für die Erwerbung, den Bau und den Betrieb der Bahnen erforder-

lichen Geldmittel sind durch Emission von Anleihen mittelst Ausgabe von Ob- ligationen oder Rententiteln zu beschaffen.

Die bezüglichen Anleihen sind nach einem festen Amortisationsplane läng- stens binnen 60 Jahren zu amortisieren.

Auf dem Wege der freien Verständigung mit den Eigentümern der Bahnen und unter Festhaltung des Grundsatzes der Schuldenamortisation binnen läng- stens 60 Jahren kann auch eine andere Zahlungsmodalität für die Erwerbung der Bahnen gewählt werden.

Die Genehmigung der Anleihensoperationen und des Amortisationsplanes bleibt der Bundesversammlung vorbehalten.

Die plan massige Tilgung einer Schuld in 60 Jahren wird in der Regel dadurch erreicht, dass

bei 3,5 Proz. Anlehen jährlich 0,5 Proz. der ursprünglichen Schuldsumme . 4,0 , „ „ 0,42 ,

und die durch die fortschreitende Tilgung ersparten Zinsen zur Tilgung ver- wendet werden.

Bayern 1). Aehnlich wie in Württemberg hat sich auch in Bayern während des

19. Jahrhunderts ein allmählicher Uebergang von strengen zu weniger strengen, dann zu leichten Tilgungsvorschriften vollzogen.

Durch die königl. Verordnung vom 20. August 1811, die Errich- tung einer Schuldentilgungskommission in Bayern, ihren Geschäftskreis und ihre Formation betreffend (Rgsbl. S. 1063) , wurde eine besondere Schuldentilgungs- kasse errichtet. Sie sollte die Schuldenverwaltung führen und die gesamte Staatsschuld innerhalb eines Zeitraumes von 30 Jahren tilgen. Zur Durch- führung der Tilgung wurden ihr bestimmte Fonds, vor allem der gesamte Rein- ertrag des Malzaufschlages überwiesen. Staatsschulden sollen künftighin nicht mehr aufgenommen werden, wenn nicht vorher neue Fonds zur Verzinsung und Tilgung ermittelt waren. Die Verwaltung der Kasse wurde der gleichzeitig errichteten Staatsschuldenkommission übertragen.

Das Gesetz vom 11. September 1825, das Staatsschuldenwesen be- treffend (Ges. Bl. S. 191 ff.), traf unter anderem dafür Vorsorge, dass der Schulden- tilgungskasse noch weitere Fonds zuflössen. Bei Bemessung des Jahresbedarfes war angenommen worden, dass die Kasse ihr gesamtes Zinsenerfordernis und aus8erdem für Tilgung einen Betrag von 1 Proz. der Gesamtschuld er- halten solle.

Eine Tilgungsquote von 1 Proz. der Schuld verlängert, wenn keine er- sparten Zinsen angerechnet werden, die Dauer der Tilgung auf 100 Jahre.

Das Gesetz über das Staatsschuldenwesen vom 28. Dezember

i) Vgl. auch Finanzarchiv 20 (1903) S. 676 f.; 21 (1904) S. 314 f. 451

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452 Begründung z. bayrischen Gesetz v. 13. August 1910, betr. Eisenbahnausgleichsfonds.

1831 (Ges.Bl. S. 217 ff.) hob die Schuldentilgungsanstalt für den Untermainkreis auf und vereinigte die Verwaltung der gesamten Staatsschuld bei der Haupt- schuldentilgungsanstalt. Der Tilgungskasse wies das Gesetz als Tilgungsfonds von 2/8 Proz. der gesamten Staatsschuld für die Folge die jährliche Aversal- summe von 878,000 fl. zu. Der Tilgungssatz von 2/3 Proz. der Schuld ver- längerte die Dauer der Tilgung auf rund 167 Jahre. Das Jahresaversum von 878,000 fl. wurde später auf 880,000 fl. aufgerundet und bis zum Jahre 1872 in dieser Höhe beibehalten. Von diesem Jahre ab wechselt die Höhe des Til- gungsbetrages.

Neben der allgemeinen Staatsschuld entstand mit dem Bau der Staats- eisenbahnen eine besondere Eisenbahnschuld.

Das Gesetz vom 25. August 1843, den Bau einer Eisenbahn aus Staatsmitteln von der Reichsgrenze bei Hof nach Lindau betreffend (Ges. Bl. S. 89 ff.) , verfügte die Bildung einer eigenen Kasse bei der Staatsschuldentilgungsanstalt, nämlich der Eisenbahnbaudotationskasse, welche alle auf die Verzinsung und Rückzahlung der Eisenbahnanlehen bezüg- lichen Geschäfte zu übernehmen hatte. Die Eisenbahnanlehen wurden im all- gemeinen auf den Staatsschuldentilgungsfonds, im besonderen auf die Dotation des Eisenbahnbaues aus laufenden Staatsgefällen und auf die Reineinnahmen aus dem Eisenbahnbetriebe versichert. Vorsorge für die Bildung eines beson- deren Amortisationsfonds sollte vor Ablauf des Jahres 1845/46 getroffen werden.

Die Gesetze vom 23. Mai 1846 über die Fortführung der Bahnlinie Lindau - Hof (Ges. Bl. S. 57 ff.) , sodann den Bau einer Eisenbahn von Lichten- fels an die Reichsgrenze bei Koburg (Ges. Bl. S. 61 ff), ferner den Bau einer Eisenbahn von Bamberg über Würzburg und Aschaffenburg an die Reichsgrenze (Ges. Bl. S. 65) , endlich den Ankauf und Ausbau der München- Augsburger Eisenbahn betreffend (Ges. Bl. S. 73) enthalten sämtlich die im wesentlichen gleichlautende Bestimmung :

„Als Tilgungsfonds der aufzunehmenden Anlehen werden schon jetzt, gleichwie bei der bereits bestehenden Staatsschuld, 2/3 Proz. der jeweiligen Anlehensgrösse bestimmt, und die Mittel hierzu aus den jederzeit im Budget für Eisenbahnen auszuwerfenden Summen ent- nommen werden."

Die Bestimmung wurde auch mit rückwirkender Kraft ausgestattet für das Anlehen, welches durch das Gesetz vom 25. August 1843 bewilligt worden war.

Das Gesetz vom 30. November 1847, den Zinsfuss der Eisenbahn- anlehen und die Verzinsung der Staatsschuld betreffend (Ges. Bl. S. 10 ff.), sorgte für die Aufbringung der weiteren Mittel, die zum Bau der genehmigten Bahn- linien notwendig waren; es genehmigte unter anderem die Aufnahme eines 4proz. Arrosierung8anlehens. Ferner wurde die bis dahin aufgenommene „alte" Staatsschuld von der für den Eisenbahnbau fernerhin aufzunehmenden neuen Schuld vollständig geschieden. Die Dotation (878,000 fl.), welche der Tilgungs- kasse durch die früheren Gesetze , insbesondere das Gesetz vom 28. Dezember 1831, zugewiesen war, wurde zur Sicherung der älteren Staatsgläubiger von nun an ausschliesslich für die Tilgung der alten Schuld bestimmt.

Da nun zwischen der »alten", d. i. der späteren allgemeinen Staatsschuld und der Eisenbahnschuld Beziehungen bestehen, darf davon abgesehen werden, hier auch auf die beiden anderen Gattungen der Staatsschuld, die Grundrenten- ablösungsschuld und die Landeskulturrentenschuld einzugehen.

Das Gesetz vom 25. Juli 1850 über das Staatsschulden wesen (Ges.Bl. S. 417 ff.) wies der Tilgungskasse für die alte Schuld wie bisher 2/s Proz. der Schuld, d. h. die Aversalsumme von 880,000 fl. zu, ferner der Eisenbahnbau- dotationskasse den Nettoertrag der Bahnrente mit dem voranschlägigen Jahres- betrag von 800,000 fl.

Von diesem Betrage war zunächst die Verzinsung sämtlicher für den Eisenbahnbau bei Privaten aufgenommenen und noch aufzunehmenden Darlehen, dann die Tilgung dieser Anlehen mit 2/s Proz. der jeweiligen Anlehensgrösse zu bestreiten.

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Begründung z. bayrischen Gesetz v. 13. August 1910, betr. Eisenbahnausgleichsfonds. 453

Ferner wurde die Eisenbahnbaudotationskasse im Vollzuge einer Bestim- mung des Gesetzes vom 30. November 1847 angewiesen, die Verzinsung und Tilgung eines Anlehens von 9,770,000 fl. zu übernehmen, welches aus Beständen der Staatsschuldentilgungskasse (alte Schuld) entnommen und für den Eisen- bahnbau verwendet worden war.

Das Finanzgesetz vom 1. Juli 1856 für die VII. Finanzperiode 1855/61 (Ges.Bl. S. 411) verfügte in Tit. II § 5 unter anderem, dass die Aktiv- kapitalien der Schuldentilgungsanstalt (1,380,461 fl.) der Eisenbahnbaudotations- kasse zugewiesen, d. h. dass dieser Betrag von dem Guthaben der alten Schuld an diese Kasse abgeschrieben werde. Das Restguthaben der alten Schuld (8,000,000 fl.) sollte durch eine Annuität von 4 Ve Proz., davon 2/3 Proz. für Tilgung, heimbezahlt werden.

Das Finanzgesetz für die VIII. Finanzperiode 1861/67 vom 10. November 1861 (Ges.Bl. S. 89 ff.) wies in § 7 Ziff. 4 der Eisenbahnbau- dotationskasse den veranschlagten Reinertrag der Bahnrente mit 5,003,256 fl. zu. Der nach Bestreitung des Bedarfes für die Zinsen und die gesetzliche Tilgung verbleibende Ueberschuss der Bahnrente war bis zum Betrage von 326,090 fl. zur allmählichen Heimzahlung des nach dem Gesetz vom 25. Juli 1850 auf die Staatsbahnen übernommenen Teiles der alten Schuld zu verwen- den (Aufhebung der hierüber bis dahin geltenden Bestimmungen des Finanz- gesetzes vom 1. Juli 1856, Tit. II § 5).

Weitere Ueberschüsse aus dem Betriebe der Staatsbahnen sollten zunächst zur Deckung von Bauzinsen und Geldbeschaffungskosten, sodann bis zum Be- trage von 5 Mill. fl. für Vermehrung des Fahrparkes verwendet werden. End- lich wurde bestimmt, dass die Tilgung des Anlehens von 1856 vorerst ausge- setzt und der hierdurch frei werdende Betrag zur verstärkten Tilgung der älteren Eisenbahnschuld verwendet werden solle.

Auf die Bestimmungen dieses Finanzgesetzes nehmen verschiedene Dota- tionsgesetze Bezug, so dass vom 10. November 1861 , den Bau einer Eisenbahn von Würzburg an die badische Grenze betreffend (Ges. Bl. S. 309 ff.), vom 23. September 1861 (Ges.Bl. S. 25 ff.) und vom 5. Oktober 1863 (Ges.Bl.S.29ff.), die Vervollständigung und Ausdehnung der bayrischen Staatseisenbahnen betreffend.

Das Finanzgesetz für die IX. Finan z période 1868/69 (Ges.Bl. S. 421 ff.) und vom 16. Mai 1868 brachte eine wichtige grundsätzliche Aenderung.

Bisher war der ganze Reinertrag der Staatsbahnen, auch dann, wenn er den Zins- und Zwangstilgungsbedarf überstieg, dem Dienste der Eisenbahnschuld zugeführt worden und hatte in manchen Jahren sehr kräftige Tilgungen, bis über 3 Proz. der Schuld ermöglicht. Seit 1868 trat nun eine Beschränkung der Tilgungsdotation dadurch ein, dass der über den Bedarf für Zins- und Zwangstilgung sich ergebende Ueberschuss des Staatsbahnreinertrages für den laufenden Dienst der Finanzverwaltung bestimmt wurde.

§ 11 Abs. 2 des Finanzgesetzes vom 16. Mai 1868 verfügt hierüber: „Die den Bedarf der Staatsschuldentilgungsanstalt übersteigenden

Einnahmen an Aufschlagsgefallen und der Eisenbahnrente, sowie Minderausgaben an dem voranschlägigen Bedarf dieser Anstalt wer- den zur Bestreitung der Bedürfnisse des laufenden Dienstes bestimmt."

Diese Einschränkung der Dotation für die Schuldentilgung war durch Schwierigkeiten der Finanzlage (Steuererhöhung) veranlasst, welche dazu zwang, in allen Dingen möglichst zu sparen.

Auch die X. Finanz période 1870/71 brachte eine vom Standpunkte der Eisenbahnfinanzen nicht erfreuliche Neuerung. Von nun ab wurden den genehmigten Anlehen nicht nur die Kosten der Geldbeschaffung, sondern auch die Zinsen der ersten 3 Jahre (Bauzinsen), die seit 1861 aus Ueberschüssen des Bahnbetriebes Deckung fanden, zugeschlagen. Die Begründung zu dem Ent- wurf des Finanzgesetzes für die X. Finanzperiode (Verh. d. K. d. Abg. 1870 Beil.-Bd. I S. 547) verweist zur Rechtfertigung dieses Vorgehens auf die allge- meine Finanzlage, welche es wünschenswert erscheinen lasse, die Ueberschüsse

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454 Begründung z. bayrischen Gesetz v. 13. August lôio, betr. Eisenbahnausgleichsfonds.

des Bahnbetriebes wenigstens teilweise dem laufenden Dienst zuzuwenden. Sie beruft sich ferner auf das Gesetz vom 29. April 1869, die Ausdehnung und Vervollständigung der bayrischen Staatseisenbahnen, dann die Erbauung von Vizinalbahnen betreffend (Ges. Bl. S. 1129 ff.)» welches in Art. 5 bestimmt, dass die Mittel für Verzinsung der Baukapitalien während der Bauzeit und die Geldaufbringungskosten durch Erhöhung der gewährten Anlehenskredite zu be- schaffen sind.

Die Wirkung der Finanzgesetze für die IX. und X. Finanzperiode auf die Entwicklung des Schuldenstandes lässt sich kurz dahin zusammenfassen: Einer- seits Verminderung der Schuldentilgung, anderseits Erhöhung der Schuld- aufnahme.

Im Jahre 1870 wuchs die Eisenbahnschuld dadurch ungewöhnlich stark an, dass die Eisenbahnbau dotationskasse einen grossen Betrag des Militär- anlehens übernehmen musste. Diesem Anwachsen stand jedoch in den nächsten Jahren eine verstärkte Tilgung aus dem Anteil an der französischen Kriegs- entschädigung gegenüber. (Gesetz vom 28. April 1872, die Verwendung des Anteils Bayerns an der französischen Kriegsentschädigung betreffend. Ges. Bl. S. 345 ff.)

Der vorstehende Auszug aus den wichtigeren einschlägigen Gesetzen dürfte die Entwicklung der allgemeinen Vorschriften über die Tilgung der Eisenbahnschuld im wesentlichen ersehen lassen.

Was die Durchführung dieser Vorschriften anlangt, so hat in der Zeit vor 1850 der Betriebsüberschuss der Staatseisenbahnen nicht zur Verzinsung der Eisenbahnschuld ausgereicht, in den fünfziger Jahren war einmal ein Zuschuss aus allgemeinen Staatsmitteln zur Verzinsung, einige Male waren solche Zu- schüsse zur Tilgung notwendig. Von 1861/62 bis 1877 überstieg der Betriebs- überschuss stets den Bedarf für Verzinsung und Tilgung. Gegen Ende der siebziger Jahre gestalteten sich aber die Erträgnisse der Staatsbahnen mehr und mehr ungünstig; nicht nur die Tilgung, sondern sogar ein Teil der Zinsen musste aus allgemeinen Staatsmitteln gedeckt werden.

Dieser Rückgang der Eisenbahnerträgnisse und die allmähliche Abkehr von der strengeren Auffassung über die Notwendigkeit der Schuldentilgung führten dazu, dass bei der Umwandlung der auf Gulden lautenden Eisenbahn- schuld in eine auf die neue Reichswährung lautende Schuld (seit 1876) die bei den früheren Anlehen ausdrücklich garantierte Tilgungspflicht nicht mehr aus- gesprochen, d. h. den Schuldverschreibungen nicht mehr aufgedruckt wurde.

Damit war der Uebergang von dem System der Zwangstilgung zu dem System der freien Tilgung vollzogen.

Die Wirkung des Ueberganges von der Zwangs- zur freien Tilgung zeigt sich nur zu deutlich in den folgenden Angaben über die durch Auslosung ge- tilgten Schuldbeträge:

1876 1,693,374 M. 1877 1,496,059 M. 1878 493,800 M. 1879 550,543 M.

Seit 1880 wurden Auslosungen der Eisenbahnschuld überhaupt nicht mehr vorgenommen.

Ueber die erstmalige Unterlassung sagt die Begründung zu dem Entwurf des Finanzgesetzes 1880/81 (Verh. d. K. d. Abg. 1879 Beil.-Bd. Vili S. 5) folgendes:

„Mit Rücksicht auf den Umstand, dass die 4V2proz. Eisenbahn- schuld zur Heimzahlung gekündigt wurde und die Konvertierung der 4proz. Eisenbahnschuld im Guldenfuss noch fortwährend im Gange ist, wurde für die Tilgung der Eisenbahnschuld in der XV. Finanz- periode eine Tilgung nicht vorgesehen."

Die Begründung zu dem Entwurf des Finanzgesetzes für die XVI. Finanz- periode (Verh. d. K. d. Abg. 1881 Beil.-Bd. I Beil. 2 S. 5) sagt,

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Begründung z. bayrischen Gesetz v. 13. August 1910, betr. Eisenbahnausgleichsfonds. 455

„dass mit Rücksicht auf die zurzeit noch immer im Gange befind- liche Konvertierung der noch im Guldenfuss bestehenden Eisenbahn- schuld und auf den hohen Stand des Kurses der 4proz. Staatspapiere für die Tilgung der Eisenbahnschuld eine Dotation nicht vorgesehen wurde."

Die Begründung zum Finanzgesetzentwurf für die XVII. Finanzperiode (Verh. d. K. d. Abg. 1883/84 Beil.-Bd. Ill S. 5) führt nur den hohen Kursstand als Grund für die Unterlassung der Tilgung an.

Weiterhin werden überhaupt keine Gründe mehr für die Unterlassung der Tilgung angegeben.

Tilgungsverpflichtungen besondere i- Art entstanden: a) Durch die sogenannten Pachtbahnen (BeiJ. 1). Es handelt sich hier

um Bahnlinien, welche seit den fünfziger Jahren, in der Zeit eines gewissen Staatsbahnpessimismus dadurch zustande kamen, dass Städte und andere Inter- essenten sich die von ihnen für notwendig erachteten Bahnen konzessionieren Hessen und sie erbauten, während die Staatseisenbahnverwaltung diese Linien übernahm und den Unternehmern eine bestimmte Anzahl von Annuitäten ent- richtete, welche Zins und Tilgung enthalten.

Diese vertragsmässigen Tilgungen wurden stets durchgeführt; sie laufen noch bis zum Jahre 1930.

Die noch fälligen Tilgungsquoten lässt Beil. 2 ersehen. b) Eine weitere Tilgungsverpflichtung entstand durch das Gesetz vom

15. April 1875, die Erwerbung der Ostbahnen für das königl. bayr. Staatsärar, betreffend (Ges. u. Ver. BI. S. 365 ff.). Die Staatsregierung wurde durch dieses Gesetz ermächtigt, für die Ostbahnaktien bestimmte Vergütungen zu gewähren und die mit Genehmigung der Staatsregierung; von der Ostbahngesellschaft aus- gegebenen Prioritäten zur Verzinsung und Tilgung nach den von der Gesell- schaft eingegangenen Verpflichtungen zu übernehmen. Aber auch diese Til- gungsverpflichtung wurde bei der Umwandlung der Ostbahn-Guldenprioritäten in Eisenbahnobligationen der Markwährung nicht mehr ausgesprochen.

c) Nach Art. 2 des Gesetzes vom 7. Dezember 1905, die Erwerbung der Pfälzischen Eisenbahnen für das königl. bayr. Staatsärar betreffend (Ges. u. Ver. BI. S. 689 ff.) , wurden die von den pfälzischen Eisenbahngesellschaften ausgegebenen Prioritätsschuldverschreibungen zur Verzinsung und Tilgung nach den von den Gesellschaften eingegangenen Verpflichtungen übernommen.

Diese Verpflichtungen bestehen hinsichtlich der Tilgung darin, die Ab- tragung der Schuld innerhalb eines Zeitraumes durchzuführen, der bei den ein- zelnen Anlehen zwischen 50 und 60 Jahren beträgt.

Diese vertragsmässigen Tilgungen laufen bis zum Jahre 1968. Die noch fälligen Tilgungsquoten lässt die Beil. 2 ersehen.

Die vertragsmiissigen Tilgungen betragen zurzeit jährlich zusammen rund 3,6 Mill. M. = rund 0,2 Proz. der Staatseisenbahnschuïd.

Sonstige unmittelbare Tilgungen fanden seit dem Uebergang zum System der freien Tilgung nicht mehr statt. Immerhin wurde die Frage der Schulden- tilgung nicht aus dem Auge verloren. Wiederholt hat sich der Landtag mit der Angelegenheit beschäftigt. Auch fand eine mittelbare Schuldentilgung da- durch statt, dass Ueberschüsse des Staatshaushaltes in erheblichen Beträgen an Stelle bewilligter Eisenbahnanlehen verwendet wurden.

Diese mittelbare freiwillige Tilgung, sodann die vertragsmässige Tilgung und die frühere Zwangstilgung haben im Vereine mit dem Umstand, dass auch grosse Beträge aus Mitteln des allgemeinen Staatshaushaltes und des Eisen- bahnbetriebes , sowie aus Leistungen Dritter (hier insbesondere durch die Leistungen der Lokalbahninteressenten für Grunderwerbung) zur Vermehrung der Substanz de3 Eisenbahnunternehmens verwendet wurden, die Wirkung ge- habt, dass trotz der jahrzehntelangen Unterlassung einer planmässigen Tilgung der Eisenbahnschuld Ende 1908 das zu verzinsende Anlehen (Beil. 3, welche auch die durch die Erwerbung der Pfälzischen Eisenbahnen am 1. Januar 1909

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eingetretene Erhöhung der Eisenbahnschuld ausweist) von . 1,551,419,486 M. und der noch nicht getilgte Kapitalrest der Pachtbahnen

(Beil. 1) von 15,370,697 M. also die Gesanitschuld von 1,566,790,183 M. um den Betrag von 255,870,909 M. hinter dem Anlagekapital (Beil. 4) von 1,822,661,092 M, zurückblieb.

Da jedoch bei anderen deutschen Staatsbahnverwaltungen das Verhältnis von Schuld und Anlagekapital wesentlich besser ist, so kam die Ueberzeugung von der Notwendigkeit der Wiederaufnahme einer verstärkten Schuldentilgung auch in Bayern mehr und mehr zum Durchbruch. Sowohl auf seiten der königl. Staatsregierung wie auch in beiden Kammern des Landtages wurden mahnende Stimmen laut. Die königl. Staatsregierung hat daher, sobald sich der Staatseisenbahnverwaltung nach Durchführung ihrer administrativen Neu- ordnung die Möglichkeit hierzu eröffnete, auch diese Frage in Angriff ge- nommen.

3. Die grossen Unterschiede in den Tilgungsvorschriften der verschiedenen Staatsbahnverwaltungen.

Die für deutsche Staatsbahnverwaltungen zurzeit geltenden gesetzlichen Tilgungsvorschriften fordern, was das Mass der Tilgung anlangt, jährliche Tilgungssätze, die zwischen 0,6 Proz. der Schuld ohne Zurechnung der ersparten Zinsen und 1,9 Proz. der Schuld mit Zurechnung der ersparten Zinsen liegen.

Die Tilgungsdauer beträgt im ersten Fall 167 Jahre, im zweiten Fall bei 3,5 Proz. Verzinsung 30 Jahre.

Eine Ursache dieses grossen Unterschiedes liegt in dem Alter der Vor- schriften. Da gerade die letzten Jahre eine wesentliche Verschärfung der An- schauungen über die Notwendigkeit der Schuldentilgung gebracht haben, sa mu8ste das die Folge haben, dass die neuesten Tilgungsvorschriften wesentlich strengere Forderungen aufstellen.

Um die weiteren Ursachen des Unterschiedes zu erklären, ist es notwendig, zunächst zu untersuchen, welches Mass von Tilgung bei Staatseisenbahnen notwendig ist.

Würde das Mass und die Notwendigkeit der Tilgung nur davon abhängen, dass durch die Tilgung Entwertungen im Sinne des § 261 des Handelsgesetz- buches ausgeglichen werden, so würde eine ganz geringe Tilgung ausreichen.

Bekanntlich unterliegen gewisse Teile der Bahnanlagen (Grund und Boden) überhaupt keiner Entwertung, während andere Teile (Oberbau, Fahrzeuge, bau- liche Anlagen bis zu einer gewissen Kostenhöhe) durch Ersatz aus laufenden Betriebsmitteln nicht nur in ihrem Wertbestande erhalten, sondern vielfach sogar im Werte erhöht werden.

So hat z. B. die bayrische Staatsbahnverwaltung bis Ende 1908 aus Be- triebsmitteln die Summe von 66,129,200 M. zur Verbesserung der Bahnanlagen und zur Vermehrung der Fahrzeuge aufgewendet.

Versucht man auf Grund solcher Betrachtungen Anhaltspunkte dafür zu gewinnen , welche Beträge zum Ausgleich etwaiger Wertminderungen an jenen Teilen der Bahnanlage, deren Erneuerung nicht aus Betriebsmitteln erfolgt, entweder zu tilgen oder in einen Erneuerungsfonds einzulegen oder - bei Unternehmungen mit kaufmännischer Buchführung - abzuschreiben wären, so lassen sich Ziffern berechnen, die kaum den Betrag von 0,4-0,6 Proz. des An- lagekapitals erreichen.

Würden alle grösseren Bahnverwaltungen sich darauf beschränken, durch die Bestreitung aller Erneuerungen aus Betriebsmitteln oder durch eine massige Tilgung oder auch durch eine Verbindung beider Massnahmen ihre Anlagen vor Entwertung zu schützen, so könnte von unzureichender Fürsorge für die finanzielle Lage nicht gesprochen werden.

Grössere Tilgungssätze werden erst dadurch notwendig, dass einzelne Ver- 456

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Begründung z. bayrischen Gesetz v. 13. August 1910, betr. Eisenbahnausgleichsfonds. 457

waltungen ausgiebiger tilgen. Da bei diesen das Verhältnis der Schuld zum Anlagekapital und dadurch die technische und wirtschaftliche Wettbewerbs- fähigkeit sich gegenüber den anderen Verwaltungen verbessert, so zwingt das stärkere Tilgen einzelner Verwaltungen ihre Nachbarn, in der Tilgung auch ihrerseits möglichst weit zu gehen.

Eine kurze Zusammenfassung der Tilgungsvorschriften in der Reihenfolge der früheren Angaben gibt folgendes Bild:

1. Württemberg Staatsschuld)1) wenigstens 0,6 Proz. der bestehenden Schuld,

2. Deutsches Reich (früheres) Gesetz vom 3. Juni 1906 0,6 Proz. der bestehenden Schuld, (geltendes) Gesetz vom 15. Juli 1909 1,0 - 3,0 Proz. der ursprünglichen Schul d

und die ersparten Zinsen, daher Reichseisenbahnen :

die älteren Anlehen im allgemeinen 1 Proz. der ursprünglichen Schuld- summe und die ersparten Zinsen,

die neuen und ein älteres Anlehen 1,9 Proz. der ursprünglichen Schuld- summe und die ersparten Zinsen,

3. Preussi seh -Hessische Staats- 0,6 Proz. der Schuld und 1,15 Proz. eisenbahnen des Anlagekapitals,

4. Badische Staatseisenbahnen bisher durchschnittlich 1,87 Proz. der Schuld,

5. Sachsen (Staatsschuld)1) bisher durchschnittlich 1.25 Proz. der Schuld,

6. Hessische Staatseisenbahnen 0,6 Proz. der ursprünglichen Schuld- (Gesetzentwurf von 1909) summe und die ersparten Zinsen.

4. Schlussfolgerungen für Bayern. Aus der geschilderten Gesamtlage ergibt sich für die bayrische Staats-

eisenbahnverwaltung die Schlussfolgerung, dass auch sie wieder eine verstärkte Tilgung der Eisenbahnschuld durchführen muss. Dabei wird die erhebliche Verschärfung der Tilgungsvorschriften, welche die neueste Zeit gebracht hat, die Wirkung haben müssen, bei der Bemessung des Tilgungssatzes weiter zu gehen, als es noch vor wenig Jahren notwendig erscheinen konnte.

Das Verhältnis der Schuld zum Anlagekapital betrug Ende 1907 in Baden 62 Proz. „ Preussen .... 67 „ „ Württemberg . . 72 „ „ Sachsen 72 „ „ Bayern 84 „

Wie gross die Vorteile sind, die sich für eine Bahnverwaltung daraus er- geben, dass ihre Schuldenlast verhältnismässig leichter ist, als die anderer Ver- waltungen, lässt sich ohne weiteres aus folgendem Beispiele entnehmen.

Die Verzinsung der Eisenbahnschuld hat im Jahre 1908 beansprucht

T fit" S Pr j <« Einnähen. Die bayrische Staatseisenbahnschuld wäre um 416 Mill. M. kleiner, wenn

sie in demselben Verhältnis zum Anlagekapital stehen würde wie in Baden. Die jährliche Zinslast würde um rund 14 Mill. M. leichter sein.

Wie sehr es angezeigt ist, die auftretenden Bedürfnisse soweit als irgend möglich aus laufenden Mitteln und nicht aus Anlehen zu bestreiten, hat Pro- fessor v. Schanz in einer lehrreichen Betrachtung über die Schulden Wirtschaft des Deutschen Reiches während der letzten 30 Jahre (Finanzarchiv XXV. Jahr-

!) In der einheitlichen Staatsschuld ist die Eisenbahnschuld mitenthalten. 457

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458 Begründung z. bayrischen Gesetz v. 13. August 1910, betr. Eisenbahnausgleichsfonds.

gang Bd. 1 S. 255/257) gezeigt. Er weist nach, dass eine jährliche Mehrleistung an Steuern im Betrage von 70 Mill. M. (d. i. im Jahre 1877 rund 8 Proz., im Jahre 1907 rund 3 Proz. der ordentlichen Ausgaben) genügt hätte, das Reich frei von seiner schweren Schuldenlast - 1906 rund 3544 Mill., Ende 1908 rund 4253 Mill. - zu erhalten, während infolge der Schuldenwirtschaft das Volk schon seit 1895 mehr als jene 70 Mill., 1908 aber bereits 155 Mill, jährlich nur für Zinsen aufbringen muss, ohne etwas von der Schuld los zu werden. „Nichts ist leichter," sagt Schanz, „als in eine grosse Schuldenlast hineinzugeraten, nichts ist schwerer, als sich wieder von dieser Last zu befreien."

Wenn die für deutsche Staatsbahnverwaltungen zurzeit geltenden Vor- schriften zwischen 0,6 Proz. der Schuld ohne Zurechnung der ersparten Zinsen und 1,9 Proz. der Schuld, wobei hier noch die ersparten Zinsen zur Tilgung zugeschlagen werden, liegen, so wird sich die bayrische Staatseisenbahnverwal- tung unter den geschilderten Verhältnissen als Ziel setzen müssen, wenigstens eine Tilgung von 1 Proz. des Anlagekapitals, d. i. etwa 1,3 Proz. der Schuld, zu erreichen.

5. Die Systeme der Tilgung. Die Finanzwissenschaft unterscheidet folgende Arten der Tilgung: 1. Die freie Tilgung. Hier wird von festen Tilgungsvorschriften ab-

gesehen und die Tilgung im allgemeinen ganz dem Ermessen anheimgestellt. Dieses Verfahren hat sich, wie auch die Entwicklung in Bayern und Württem- berg gezeigt hat, als wertlos erwiesen, und als gleichbedeutend mit dem Auf- geben jeder Tilgung. Es soll denn auch in Bayern verlassen werden.

2. Die unbedingte Zwangstilgung, welche unter allen Umständen, mag die Finanzlage gut oder schlecht sein, die Durchführung ganz bestimmter Leistungen für Tilgung vorschreibt. Die Forderung lautet häufig dahin , dass jährlich ein bestimmter Prozentsatz, z. B. 0,6 Proz. der Schuld mit oder ohne Hinzurechnung der ersparten Zinsen getilgt werden muss. Die Forderung kann auch in die Form gekleidet werden, dass die Schuld nach einem bestimmten Tilgungsplane abgetragen werden muss. Diese Tilgungspläne werden in der Regel so aufgestellt, dass die Schuld durch Entrichtung gleicher Annuitäten nach einer bestimmten Zeit getilgt ist.

Soll z. B. ein 4proz. Kapital von 1 Mill. M. in 50 Jahren getilgt werden, so beträgt die Annuität rund 46,500 M. Sie enthält den 4proz. Zins und eine Quote für Tilgung. Da die Annuität immer gleichbleibt, während infolge der fortschreitenden Tilgung die Zinsschuld von Jahr zu Jahr kleiner wird, so um- fasst die fortgesetzt anwachsende Tilgungsquote 0,65 Proz. der Schuldsumme, vermehrt um die infolge der Tilgung ersparten Zinsen.

Die unbedingte Zwangstilgung kann bei Unternehmungen, die nicht stets über ausgiebige Mittel verfugen, besonders bei Eisenbahnen, die so sehr den Schwankungen der wirtschaftlichen Konjunktur unterliegen, unter Umständen zu grossen finanziellen Schwierigkeiten fuhren. Sie kann sogar dazu zwingen, da83 die Mittel für die Tilgung durch neue Anlehea aufgebracht werden müssen. Trifft dies mit ungünstiger Lage des Geldmarktes zusammen, so kann die unbedingte Zwangstilgung die Folge haben, dass hochverzinsliche Anlehen aufgenommen werden müssen, um niedriger verzinsliche Schulden zu tilgen. Dieses System kann also sogar zu einer Verschlechterung der Vermögenslage führen.

3. Die bedingte Zwangstilgung lässt den Tilgungszwang nur unter gewissen Bedingungen eintreten, nämlich dann, wenn bestimmte Mittel, z. B. Ueberschüsse oder Mehreinnahmen vorhanden sind. Ist die Voraussetzung ge- geben, dann muss die Tilgung stattfinden. Dieses System verleiht, ohne den Zwang aufzugeben , den Tilgungsvorschriften eine gewisse Elastizität und ver- meidet dadurch die Gefahren sowohl der freien Tilgung wie auch der unbe- dingten Zwangstilgung; es kann jedoch unter Umständen den Nachteil haben, nicht wirksam genug zu sein. Denn die Tilgungspflicht entfällt, wenn ihre Voraussetzung nicht gegeben ist. Ist dies nun öfters der Fall, so hat das

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Begründung z. bayrischen Gesetz v. 13. August 1910, betr. Eisenbahnausgleichsfonds. 459

naturgemäss den Nachteil, die Wirkung dieser Tilgungsart beträchtlich abzu- schwächen.

Dieser Nachteil lässt sich jedoch vermeiden. Zunächst dadurch, dass die Tilgungspflicht von Bedingungen abhängig gemacht wird, die häufig eintreten, z. B. von dem Anfall einer Mehreinnahme. Ferner dadurch, dass die Systeme der bedingten und der unbedingten Zwangstilgung verbunden werden. Diese Verbindung lässt sich in der Weise erreichen, dass für einen massigen Betrag, der unter allen Umständen, auch bei schlechter Finanzlage aufgebracht werden kann, der unbedingte Tilgungszwang, im übrigen der bedingte Zwang ge- schaffen wird.

Dieses gemischte System schlägt der Entwurf vor. Die Einlage in den Fonds soll hiernach in der Hauptsache bestehen

a) aus einem Teile, der sich nach der Mehreinnahme gegenüber dem Vorjahre bemisst. Ist die Mehreinnahme klein oder entfällt sie ganz , so schrumpft dieser Teil des Tilgungssolls entsprechend zusammen. Ist die Mehr- einnahme gross, so wächst das Tilgungssoll entsprechend an;

b) aus einem Teil, der unter allen Umständen zu leisten ist, der anfangs eine nur leichte Belastung bildet, sicli aber allmählich erhöhen darf. Diesen Bedingungen entspricht es wohl am besten, wenn als zweiter Hauptbestandteil der Einlage in den Fonds der durch die Tilgung der Vorjahre ersparte Zins gewählt wird, der mit der fortschreitenden Tilgung allmählich anwächst.

Das Ziel, welches durch diese Vorschriften erreicht werden soll, lässt sich somit dahin zusammenfassen: tunlichst weitgehende, jedoch den finanziellen Verhältnissen des Staatsbahnunternehmens angepasste Schuldentilgung durch die verbundenen Systeme der bedingten und der unbedingten Zwangstilgung. Dieses Ziel soll durch Zurücklegen eines Betrages, der von der Mehreinnahme gegenüber dem Vorjahre abhängt, sowie durch Zurücklegen der ersparten Zinsen erreicht werden.

IV. Verhältnis zwischen Ausgleich und Tilgung. Die gleichzeitige Einführung der planmässigen Schuldentilgung sowie des

Ausgleiches zwischen den Erträgnissen guter und schlechter Jahre erschwert die Erreichung des soeben bezeichneten Zieles und bringt dadurch manche Miss- lichkeit mit sich, die andere Staaten dadurch vermeiden konnten, dass sie diese Massnahmen nacheinander durchgeführt haben. Die gleichzeitige Durchführung der beiden Massnahmen macht es insbesondere notwendig, auf eine möglichst vollkommene Lösung jeder der beiden Aufgaben zu verzichten.

Es lag daher nahe, zunächst zu prüfen, ob nicht von der gleichzeitigen Durchführung überhaupt abgesehen werden könne. Das starke Interesse der allgemeinen Finanzverwaltung an dem Ausgleichsfonds liess dies jedoch untun- lich erscheinen.

Sodann war zu untersuchen, ob ein gemeinsamer Ausgleichs- und Til- gungsfonds oder zur schärferen Scheidung der Zwecke und Mittel ein beson- derer Ausgleichsfonds und ein besonderer Tilgungsfonds zu bilden sei. Auch die Frage wurde geprüft, ob nicht zunächst zur Erleichterung des Ueberganges ein gemeinsamer Fonds gebildet werden könnte, der in zwei besondere Fonds zu teilen wäre, sobald hinreichende Mittel angesammelt sind.

Es hat sich schliesslich gezeigt, dass nur der Vorschlag des Entwurfs zur- zeit durchführbar ist. Dabei ergibt sich allerdings die Notwendigkeit, dass nach einem Sinken des Fonds unter den Betrag von 20 Mill. M. vor allem die Wiederauffüllung auf den Bestand von 20 Mill, zu erfolgen und dass für die Dauer dieser Wiederauffüllung die verstärkte Schuldentilgung zurückzutreten hat. Dies dürfte indessen ohne Bedenken sein, wenn der Ausgleichsfonds nicht als Reserve für alle möglichen Bedürfnisse, sondern nur als äusserstes Hilfs- mittel betrachtet wird, das möglichst wenig angewendet werden darf und nur in solchen Fällen unabweisbaren Bedürfnisses, die sich aus den Schwankungen des Wirtschaftslebens ergeben. Andere Verwendungen der Fondsbestände würden der Bestimmung und der Natur eines Ausgleichsfonds zuwiderlaufen.

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4gO Begründung z. bayrischen Gesetz v. 13. August 1910, betr. Eisenbahnausgleichsfonds.

B. Begründung der einzelnen Artikel. Zu Art. 1. Die Notwendigkeit, für einen Ausgleich zwischen den Erträg-

nissen guter und schlechter Jahre zu sorgen und zugleich die planmässige Schuldentilgung wieder aufzunehmen, ist im allgemeinen Teil der Begründung dargelegt worden.

Art. 1 schreibt daher vor, dass ein Ausgleichs- und Tilgungsfonds zu bilden ist. Die Schaffung eines Fonds erweist sich deshalb als zweckmässig, weil die für den Ausgleich und die Tilgung bereitzustellenden Mittel unter Um- ständen nicht sofort Verwendung finden (s. Begründung zu Art. 4). Die Ver- waltung des Fonds möchte am besten der Staatsschuldenverwaltung zu über- tragen sein, da diese Behörde schon bisher den Dienst für die Eisenbahnschuld besorgte und auch mit der Verwaltung des übrigen Staatsschuldenwesens be- traut ist.

Zu Art. 2 Abs. 1 Ziff. 1. Art. 2 bezeichnet die Mittel, mit denen der Fonds ausgestattet werden soll. Es ist hier für den Fonds eine Reihe von Einnahmequellen eröffnet, wodurch diese Bestimmung auf den ersten Blick den Anschein der Kompliziertheit erweckt. Insbesondere wird es vielleicht nicht ohne weiteres verständlich sein, warum zunächst ein Teil der Verkehrsein- nahmen, der nach einem gewissen Prozentsatz der Mehreinnahme gegenüber dem Vorjahre berechnet wird, in den Fonds gelegt werden soll, wenn schliess- lich doch der gesamte Ueberschuss, der nach Bestreitung aller Ausgaben noch verbleibt, gleichfalls dem Fonds zuzuführen ist. Es ergibt sich nämlich sofort die Frage, weshalb nicht der nächstliegende Weg gewählt und nicht einfach der Reinüberschuss in den Fonds geschüttet wird. Wohlbegründete Erwägungen mussten jedoch dazu führen, auf diesen Weg zu verzichten.

Der Reinüberschuss ist keine von vornherein gegebene Grosse, er ist viel- mehr nur ein Rechnungsergebnis , der Unterschied zwischen den Einnahmen und Ausgaben. Uebersteigen die Ausgaben die Einnahmen, so ist überhaupt kein Reinüberschuss vorhanden. Dieses Ergebnis könnte sogar willkürlich her- beigeführt werden, indem die Ausgabepositionen des Etats so reichlich ausge- stattet werden, dass die Ausgaben die gesamten Einnahmen aufzehren. Wenn ein solches absichtliches Vorgehen auch ausserhalb des Bereiches der Möglich- keit liegt, so birgt doch dieser Umstand, der dem Reinüberschuss mehr den Charakter einer allgemeinen Reserve verleiht, immerhin eine Gefahr für die Wirksamkeit des Gesetzes. Namentlich in Zeiten ungünstiger Wirtschaftslage, in denen die Etatsverhältnisse ohnehin gespannt sein werden, würde es nahe- liegen, auf diese allgemeine Reserve zurückzugreifen und den Zweck, den das Gesetz verfolgt, hinter anderen Forderungen zurücktreten zu lassen. Wenn daher einmal die Tilgung und der Ausgleich, der ja nur die Tilgung ohne Inanspruchnahme allgemeiner Staatsmittel gewährleisten soll, als wichtigste und dringendste Aufgabe einer Staatsverwaltung erkannt ist, wird eine bessere Ge- währ für den wirksamen Vollzug des Gesetzes geschaffen werden müssen, als sie die Erfassung des Reinüberschusses bieten würde.

Es musste somit nach einer Form gesucht werden, die geeignet ist, den Zweck des Gesetzes, Ausgleich uud Tilgung, tunlichst sicherzustellen. Wie in dem vorhergehenden Abschnitte gezeigt ist, sind andere Staaten in dem gleichen Bestreben andere Wege gegangen. Zumeist wurde ein gewisser Prozentsatz der Schuld als jährliche Tilgungsrate bestimmt. Die Nachteile einer solchen un- bedingten Zwangstilgung wurden bereits hervorgehoben (S. 458). Sie bestehen hauptsächlich darin, dass ohne Rücksicht auf den Wechsel von guten und schlechten Jahren eine im grossen ganzen gleichbleibende Summe für Tilgung bereitgestellt werden soll.

Anderseits ist jedoch, wenn ein gewisser Prozentsatz der Schuld oder des Anlagekapitals als jährliche Tilgungsrate bestimmt wird, gegenüber der Bereit- stellung des mehr oder weniger zufälligen Reinüberschusses der grosse Vorteil erreicht, dass im vornherein, d. h. schon bei der Etatsaufstellung eine bestimmte Summe für die Schuldentilgung, und zwar als ordentliche Ausgabe vorge- sehen werden muss.

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Begründung z. bayrischen Gesetz v. 13. August 1910, betr. Eisenbahnausgleichsfonds, £Q'

Der Entwurf sucht diesen Vorteil gleichfalls zu erreichen, ohne die be- rührten Nachteile mit in Kauf nehmen zu müssen. Er stellt auf die Mehrein- nahme gegenüber dem Vorjahre ab. Die Mehreinnahme gegenüber dem Vor- jahre ist kein blosses Rechnungsergebnis, sie ist vielmehr etwas Gegebenes, von der Gestaltung der Ausgaben vollständig Unabhängiges und sie ist noch dazu eine Erscheinung, die mit der guten und schlechten Verkehrskonjunktur in un- mittelbarstem und unzertrennlichem Zusammenhang steht. Kommt ein besseres Jahr für die Staatseisenbahn Verwaltung , als das vorhergehende war, so wird dies in einer entsprechenden Mehreinnahme gegenüber dem Vorjahre zum Aus- druck gelangen und umgekehrt wird eine geringe oder gar keine Mehreinnahme zu verzeichnen oder zu erwarten sein, wenn die Hochkonjunktur abflaut und einem wirtschaftlichen Rückgang Platz macht. Eine Tilgung, die, wie dies im Entwurf geschieht, in erster Linie nach dem Anfall einer Mehreinnahme be- stimmt wird, schmiegt sich ganz von selbst der wechselnden Finanzlage des Staatsbahnunternehmens an, gleichviel welcher Prozentsatz der Mehreinnahme für die Tilgung zur Verfügung zu halten ist. Ist die Einnahme gering, so ist es auch das aus ihr berechnete Tilgungssoll; gibt es keine Mehreinnahme, so entfallt auch die Tilgung; ist die Konjunktur gut und kann infolgedessen eine verhältnismässig hohe Mehreinnahme erzielt werden, dann wird auch verhältnis- mäs8ig mehr für die Tilgung geleistet werden können.

Das Gesagte gilt jedoch in vollem Umfang nur für die Mehreinnahme, die sich aus der Beförderung von Personen, Gütern, Leichen und Tieren ein- schliesslich der zugehörigen Nebenerträgnisse ergibt, also für die Steigerung, die die sogenannten Verkehrseinnahmen aufweisen. Nur die Verkehrseinnahmen stehen in dem geforderten engen Zusammenhang mit der Wirtschafts- und Finanzlage, nicht aber die Gesamteinnahmen, die bedeutende und in ihrer Höhe sehr wechselnde durchlaufende Posten enthalten, die, wie beispielsweise die Einnahmen für Oberbaumaterialien, mit der Konjunktur in keinem Zu- sammenhang stehen und durch Ausgaben von gleicher Grosse aufgewogen werden.

Der Entwurf hat daher nur die Mehreinnahme, die sich bei Kap. 1 u. 2 des Etats ergibt, in Berücksichtigung gezogen.

Nach dem Entwurf soll aber auch nicht die Mehreinnahme als solche, d. h. nicht die wirklich angefallene Mehreinnahme, sondern ein Teil der Ver- kehrseinnahmen in den Fonds gelegt werden, der nach einem gewissen Prozent- satze der Mehreinnahme gegenüber dem Vorjahre berechnet wird. An die Mehreinnahme wird also nur rechnerisch angebunden, wie bei anderen Verwal- tungen an die Schuld.

Es ist bereits auf S. 458 dargelegt, dass sich die bayrische Staatseisenhahn- verwaltung als Ziel setzen muss, wenigstens eine Tilgung von 1 Proz. des An- lagekapitals, d. i. etwa 1,3 Proz. der Schuld, zu erreichen. Dieses als unbe- dingt erforderlich erkannte Mass an Tilgung soll nun durch die Vorschrift des Art. 2 gewährleistet werden.

Aus den angeführten Gründen soll aber weder von der Schuld noch vom Anlagekapital selbst ausgegangen werden, sondern von der Mehreinnahme, da bei dieser Tilgungsart die finanzielle Belastung auf die einzelnen Jahre ent- sprechend der Tragfähigkeit des Etats verteilt wird.

Auf Grund näherer Prüfung kann nun angenommen werden, dass eine Einlage, die im Beharrungszustande mit 120 Proz. der Mehreinnahme berech- net wird, zusammen mit den sonstigen in Art. 2 vorgesehenen Nebeneinlagen, im Durchschnitt der Jahre einer jährlichen Tilgung von 1 Proz. des Anlage- kapitals gleichkommt.

Die Bestimmung, dass der Hauptteil der Einlage nach 120 Proz. der Mehreinnahmen zu berechnen ist, könnte dem Einwände begegnen, dass doch nicht mehr für den Tilgungszweck bereitgestellt werden kann, als überhaupt anfallt, ja dass sogar Quoten von 70 - 100 Proz. der Mehreinnahme schon zu hoch gegriffen seien, da erfahrungsgeinäss Mehreinnahmen nur durch Mehraus- gaben erzielt werden können und deshalb nur die reine Mehreinnahme für

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462 Begründung z. bayrischen Gesetz v. 13. August 1910, betr. Eisenbahnausgleichsfonds.

andere Zwecke zur Verfügung steht. Diesem Einwände wäre jedoch folgendes entgegenzuhalten :

Wie bereits dargetan wurde, handelt es sich bei der Beziehung auf die Mehreinnahme nur um eine Form, in der ein bestimmter finanzieller Erfolg für die Tilgung erreicht werden soll. Dieser finanzielle Erfolg muss erreicht wer- den, und der Etat muss sich auf die entsprechende Ausgabe einrichten, gleich- viel ob sie in Prozenten des Anlagekapitals oder in Prozenten der Schuld oder endlich, wie der Entwurf vorschlägt, in Prozenten einer anderen Grosse, wie der Mehreinnahme, ausgeworfen wird.

Aus den auf S. 461 dargelegten Gründen soll der Satz von 120 Proz. der Mehreinnahme, um den Uebergang zur planmässigen Tilgung zu erleichtern, nicht von Anfang an gelten, sondern der Tilgungssatz soll zunächst nur nach 20 Proz. der Mehreinnahme bemessen werden, sodann von Jahr zu Jahr um 10 Proz. steigen und erst nach einer Uebergangszeit von 10 Jahren den vollen Betrag von 120 Proz. erreichen.

Art. 2 Abs. 1 Ziff. 2. Die Vorschrift, dass die durch die Tilgung er- sparten Zinsen zur Verstärkung der Tilgung verwendet werden müssen, ist in fast allen neueren Tilgungsgesetzen enthalten.

Die Beträge, die in Frage kommen, sind anfangs unbedeutend und wachsen erst allmählich an, verstärken aber die Tilgung im Laufe der Zeit doch sehr beträchtlich.

Art. 2 Abs. 1 Ziff. 3. Zur weiteren Verstärkung der Tilgung soll auch der Ueberschuss verwendet werden, der nach Bestreitung aller Ausgaben, die auf Grund des Etats oder dieses Gesetzes zu leisten sind, noch verbleibt.

Die jährliche Ablieferung von 3 Mill. M. an die allgemeine Finanzver- waltung ist aus folgenden Erwägungen vorgesehen worden : Die bisherigen Ab- lieferungen der Staatseisenbahn Verwaltung an die allgemeine Finanzverwaltung weisen sehr grosse Schwankungen auf; mitunter hatte die Finanzverwaltung sogar für erhebliche Fehlbeträge der Staatsbahnen aufzukommen.

Im ganzen sind die Zuschüsse aus allgemeinen Staatsmitteln höher als die Ablieferungen der Staatseisenbahnverwaltung. Die beiden Verwaltungen haben nun folgende Regelung in Aussicht genommen: Die Staatseisenbahnver- waltung stellt unter ihren Ausgaben zugunsten des allgemeinen Staatshaushaltes regelmässig eine Ablieferung von 3 Mill. M. für das Jahr der Finanzperiode ein. Die Finanz Verwaltung verzichtet dagegen auf alle sonstigen Erübrigungen der Staatseisenbahnen und überlässt diese dem Ausgleichs- und Tilgungsfonds; sie führt ferner, falls sich in einer Finanzperiode für den allgemeinen Staats- haushalt ein rechnungsmässiger Ueberschuss ergibt, wenn sich also nach der Rechnung zeigt, dass die Ablieferung der Staatsbahn Verwaltung für den Staats- haushalt entbehrlich ist, diesen Ueberschuss bis zur Höhe der von der Staats- eisenbahnverwaltung geleisteten Ablieferung nachträglich dem Ausgleichs- und Tilgungsfonds zu (Art. 2 Abs. 2).

Art. 2 Abs. 1 Ziff. 4. Es empfiehlt sich, die Rückzahlungen dieser Art dem Tilgungsfonds zuzuführen, da die Darlehen aus Anlehensmitteln geflossen sind und daher nicht für den Eisenbahnbetrieb vereinnahmt werden dürfen.

Da nicht abzusehen ist, ob sich nicht im Laufe der Zeit die Notwendig- keit ergibt, Darlehen dieser Art auch noch für andere Zwecke als für die Ver- besserung der Wohnungsverhältnisse zu geben, empfiehlt es sich, hier eine all- gemeine Fassung zu wählen.

Art. 2 Abs. 1 Ziff. 5. Es entspricht den Absichten dieses Gesetzes wohl am besten, die Zinsen aus den Beständen des Fonds zur Verstärkung des Fonds zu verwenden.

Art. 2 Abs. 2. Die Bestimmung ergibt sich aus der bei Art. 2 Abs. 1 Ziff. 3 besprochenen Regelung des Verhältnisses zwischen der Finanzverwaltung und der Staatseisenbahnverwaltung.

Art. 2 Abs. 3. Da der Fonds nach Art. 3 Abs. 1 die vertragsmässige Tilgung der Pachtbahnen und der Pfalzbahn-Prioritäten zu bestreiten hat, soll die Einlage wenigstens den Bedarf für diese Tilgung decken. Würde die Be-

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Begründung z. bayrischen Gesetz v. 13. August 1910, betr. Eisenbahnausgleichsfonds. 4_gg

Stimmung fehlen, so könnte die grosse Elastizität der Tilgungsvorschriften bei ungünstiger Wirtschaftslage die Folge haben, dass die Einlage nach Art. 2 Abs. 1 nicht einmal den Bedarf für die vertragsmässige Tilgung deckt.

Zu Art. 3. Aus der Doppelnatur des Fonds als Ausgleichs- und Tilgungs- fonds und aus der auf S. 441 nachgewiesenen Notwendigkeit, den Ausgleichs- fonds für Bayern nicht unter 20 Mill. M. zu bemessen, ergeben sich ohne wei- teres die zwei Folgerungen:

1. dass der Fonds, solange er den Betrag von 20 Mill, nicht übersteigt, vor allem Ausgleichsfonds ist, für eine verstärkte Schuldentilgung also nicht in Anspruch genommen werden kann;

2. dass die Mittel des Fonds, soweit sie den Bestand von 20 Mill, über- steigen, zur verstärkten Schuldentilgung verwendet werden müssen.

Im übrigen darf auf die Ausführungen auf S. 459 Bezug genommen werden.

Zu Art. 4. Zwei Hauptgesichtspunkte kamen hier in Betracht: 1. Ausschluss der regelmässigen Verlosungen, die bei vielen Besitzern

von Staatsschuldverschreibungen wenig beliebt sind, im übrigen sich auch mit dem System elastischer Tilgungsvorschriften schwer in Einklang bringen lassen ;

2. der Fondsverwaltung eine gewisse kaufmännische Beweglichkeit zu wahren, weshalb von näheren Bestimmungen im Gesetze selbst abzusehen war.

Die beste Verwendung verfügbarer Tilgungsbestände ist bei Verwaltungen, die ständig grossen Anlehensbedarf haben, die Verrechnung auf bewilligte An- lehen, d. h. die entsprechende Kürzung des Anlehensbedarfes.. (Ersparnis der Geldbeschaffungskosten, Schonung des Geldmarktes, Verbesserung des Kurses der Staatspapiere.)

Immerhin soll die Möglichkeit gegeben sein, unter Umständen, z. B. in Zeiten geringeren Anleihebedarfes und bei niedrigen Kursen, eine Schulden- tilgung durch Ankauf von Schuldverschreibungen vorzunehmen. Da mit diesem Ankauf unter Umständen, z. B. bei sinkenden Kursen, eine gewisse Zeit zuzu- warten ist, so kann sich auch die Notwendigkeit ergeben, verfügbare Beträge vorübergehend verzinslich anzulegen.

Zu Art. 5 Abs. 1. Die Bestimmung, dass das Gesetz erst mit dem Jahre 1912 in Kraft treten soll, rechtfertigt sich durch die Erwägung, dass die zum Vollzuge dieses Gesetzes nötigen Anordnungen die Aufstellung des Eisen- bahnetats stark beeinflussen werden.

Es ist daher notwendig, das Gesetz geraume Zeit vor dem Inkrafttreten zu erlassen, damit bis zur Aufstellung des Budgets für die erste, unter der Herrschaft des Gesetzes stehende Finanzperiode die erforderlichen Vorberei- tungen getroffen werden können.

Zu Art. 5 Abs. 2. Der Etat der Staatseisenbahnen für die Jahre 1910/11 sieht eine an die Finanzverwaltung abzuliefernde Reineinnahme von rund 6 Mill. vor. Es ist naheliegend, eine weitere Reineinnahme, die sich bei Ab- schluss der Rechnungen für die Jahre 1910/11 etwa ergeben sollte, dem alsdann schon bestehenden Ausgleichs- und Tilgungsfonds zuzuführen.

Zu Art. 6. Die erforderlichen Anordnungen werden in der Hauptsache die Einzelheiten der Fondsverwaltung und Fondsrechnung, sowie jene Aende- rungen des Eisenbahnetats regeln, die in dem folgenden Abschnitt der Be- gründung besprochen sind.

C. Erweiterung des Eisenbahnetats.

Aus der Einführung der planmässigen Schuldentilgung und der Bildung eines Ausgleichs- und Tilgungsfonds der Staatseisenbahnverwaltung ergeben sich in formeller Hinsicht nachstehende Folgen:

a) der Fonds hat alle Ausgaben für Tilgung, sowohl für die vertrags- mässige, wie für die gesetzliche Zwangstilgung zu übernehmen. Die Betriebs- rechnung, welche bisher mit der Ausgabe für die Tilgung der Pachtbahnen belastet war, wird hiervon befreit;

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Page 33: Bayrisches Gesetz, die Bildung eines Ausgleichs- und Tilgungsfonds der Staatseisenbahnverwaltung betreffend. Vom 13. August 1910

464 Begründung z. bayrischen Gesetz v. 13. August 1910, betr. Eisenbahnausgleichsfonds.

b) aus dem Betriebsüberschuss ist nicht nur der Aufwand für die Pen- sionen sowie für die Verwaltung und Verzinsung der Schuld, sondern auch die Einlage in den Ausgleichs- und Tilgungsfonds zu bestreiten.

Es empfiehlt sich, diese Gelegenheit zu einer Erweiterung des Eisenbahn- etats zu benützen derart, dass in den dispositivenTeil dieses Etats nicht nur wie bisher die Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben, sondern auch die übrigen in Art. 2 Abs. 1 Ziff. 3 aufgeführten Ausgaben eingestellt werden, ins- besondere der Aufwand für Pensionen sowie für die Verwaltung, Verzinsung und Tilgung der Eisenbahnschuld.

Diese Erweiterung des Eisenbahnetats hat den Vorteil, dass der Eisen- bahnetat selbst durch die Verwendung des Betriebsüberschusses in wenigen Ziffern die finanzielle Lage der Staatseisenbahnen übersichtlich zum Ausdruck bringt. Auf diese Uebersichtlichkeit der finanziellen Lage ist bei Betriebs- unternehmungen besonderer Wert zu legen.

Wie der Finanzminister am 28. Februar 1912 in der Sitzung der Kammer der Ab- geordneten mitteilte, wird sich für die Jahre 1910 und 1911 der Ueberschuss der Staats- eisenbahnverwaltung auf rund 37 Mill. M. berechnen. Von dieser Summe wären nach dem Budgetvoranschlage für 1910 und 1911 6 Mill. M. an den allgemeinen Staatshaushalt abzu- liefern (Art. 2 Abs. 1 Z. 3 des Ges.). Da indessen die beiden Jahre 1910 und 1911 für den allgemeinen Staatshaushalt noch einen massigen Ueberschuss von etwa l'fe Mill. M. er- geben werden , hat nach dem Gesetz (Art. 2 Abs. 2) die Ablieferung an den allgemeinen Staatshaushalt zu unterbleiben und fliesst das volle Reinerträgnis von 37 Mill. M. in den bezeichneten Fonds. Damit ist es geglückt, dass nicht nur dem Ausgleichsfonds der ge- setzlich bestimmte Bestand von 20 Mill. M. sofort zugeführt werden kann, sondern dass darüber hinaus noch 17 Mill. M. für die verstärkte Tilgung der Eisenbahnschuld zur Ver- fügung stehen.

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