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AZ 13217 Erstmalige und nachhaltige Herstellung des ... · 4 3. Projekthintergrund und Zielsetzung...

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0 ABSCHLUSSBERICHT - VERTRAULICH - AZ 13217 Erstmalige und nachhaltige Herstellung des antibiotisch wirkenden Thiamphenicols mittels innovativer Aldolase katalysierter Ein-Schritt-Synthese Inhaltsübersicht 1. Übersicht der Projektpartner 2. Zusammenfassung des bisherigen Projektverlaufs 3. Projekthintergrund und Zielsetzung des Projekts 4. Verwendete Methoden 5. Experimentelle Ergebnisse der Projektpartner 5.1 Analytik und allgemeine Projektunterstützung (Evonik Degussa GmbH) 5.2 Screening und Entwicklung neuer Aldolasen (Evocatal GmbH) 5.3 Technische Herstellung von Aldolasen (Evocatal GmbH) 5.4 Organisch-synthetische Prozessentwicklung (AK Prof. Gröger, Erlangen) 5.5 Immobilisierung von Aldolasen (AK Prof. Bertau, Freiberg) 6. Soll/Ist-Vergleich der Meilensteine und Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen 7. Diskussion der Ergebnisse 8. Kooperation innerhalb des Projekts 9. Literatur / Präsentationen / Patente
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ABSCHLUSSBERICHT

- VERTRAULICH -

AZ 13217

Erstmalige und nachhaltige Herstellung des

antibiotisch wirkenden Thiamphenicols

mittels innovativer Aldolase katalysierter

Ein-Schritt-Synthese

Inhaltsübersicht

1. Übersicht der Projektpartner

2. Zusammenfassung des bisherigen Projektverlaufs

3. Projekthintergrund und Zielsetzung des Projekts

4. Verwendete Methoden

5. Experimentelle Ergebnisse der Projektpartner

5.1 Analytik und allgemeine Projektunterstützung (Evonik Degussa GmbH)

5.2 Screening und Entwicklung neuer Aldolasen (Evocatal GmbH)

5.3 Technische Herstellung von Aldolasen (Evocatal GmbH)

5.4 Organisch-synthetische Prozessentwicklung (AK Prof. Gröger, Erlangen)

5.5 Immobilisierung von Aldolasen (AK Prof. Bertau, Freiberg)

6. Soll/Ist-Vergleich der Meilensteine und Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen

7. Diskussion der Ergebnisse

8. Kooperation innerhalb des Projekts

9. Literatur / Präsentationen / Patente

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1. Übersicht der Projektpartner:

1.1 Antragsteller / Projektkoordinator

Prof. Dr. Harald Gröger

bis 31.3.2011: Department Chemie und Pharmazie

Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

Henkestr. 42, 91054 Erlangen

ab 1.4.2011: Fakultät für Chemie

Universität Bielefeld

Universitätsstr. 25, 33615 Bielefeld

Tel.: 0521-106-2057; Fax: 0521-106-6146

E-mail: [email protected]

1.2 Universitärer Partner

Prof. Dr. Martin Bertau

Technische Universität Bergakademie Freiberg

Institut für Technische Chemie

Leipziger Straße 29, 09596 Freiberg

Tel.: 03731-39-2384; Fax: 03731-39-2324

E-mail: [email protected]

1.3 KMU-Partner

evocatal GmbH

Dr. Thorsten Eggert

Merowingerplatz 1a, 40225 Düsseldorf

Tel.: 0211-1576095-1; Fax: 0211-1576095-9

E-mail: [email protected]

1.4 Großindustrie-Partner

Evonik Degussa GmbH

Dr. Steffen Oßwald

Rodenbacher Chaussee 4, 63457 Hanau-Wolfgang

Tel.: 06181-59-6748; Fax: 06181-59-2968

E-mail: [email protected]

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2. Zusammenfassung

Im Rahmen des Arbeitspakets Analytik und allgemeine Projektunterstützung

(Evonik Degussa GmbH) gelang die Entwicklung eines praktikablen neuen HPLC-

basierten Analyseverfahrens. Zudem bestand eine weitere Hauptaufgabe in der

Evaluierung von Reaktions- und Aufarbeitungsvarianten sowie des jeweiligen

Projektstands anhand prozesstechnischer Kriterien, um entsprechende Abschätzun-

gen der Machbarkeit und Konkurrenzfähigkeit des Verfahrens treffen zu können.

Im Arbeitsabschnitt Screening und Entwicklung neuer Aldolasen (evocatal

GmbH; Bearbeitung dieser Arbeitspakete durch AK Prof. Hummel, Universität

Düsseldorf, im Rahmen eines Unterauftrags) wurde mit verschiedenen Methoden

nach neuen Threoninaldolasen, die zur hochdiastereoselektiven Synthese von

Thiamphencicol-Intermediaten und Derivaten geeignet sind, gesucht. Hierzu wurden

vier Screeningverfahren durchgeführt, so u.a. aus einem limitierten Screening unter

Stämmen einer Stammsammlung, einem Anreicherungsverfahren, einem in silico

Screeningverfahren sowie einem Screening mit einem Benzaldehyd-sensitiven

Selektionsstamm. Während aus dem Durchmustern einer Stammsammlung und dem

in silico-Screening nur Enzyme mit leicht verbesserten Eigenschaften hervorgingen,

ergab als „Highlight“ der Screeningarbeiten das Screening unter Mikroorganismen,

die auf Phenylserin angereichert worden waren, einige Stämme mit hervorragender

Enantio- und Diastereoselektivität. Es konnten mehrere Stämme isoliert werden, die

mit hoher Diastereoselektivität (d.r.>90:10) die threo-Verbindung herstellen. Alle

Stämme des Anreicherungsscreenings wurden mittels Sequenzierung ihrer 16S-

rRNA identifiziert. Eine Isolierung der Gene ist in der verfügbaren Zeit allerdings nicht

mehr gelungen. Auffallend war, dass ein Bodenproben-Isolat erythro-Spezifität

aufwies. Ein solches erythro- und L-spezifisches Enzym ist bislang nicht bekannt.

Im Arbeitsabschnitt Technische Herstellung von Aldolasen (evocatal GmbH) lag

der Fokus zunächst auf der Entwicklung eines für die technische Hochzelldichte-

Fermentation geeigneten E. coli-Expressionssystems sowie allgemeine

Untersuchungen zu technischen Aspekten der evocatal-proprietären Chaperon-

Toolbox als „Werkzeug“ für die industrielle Gewinnung von Biokatalysatoren.

Weiterhin wurde erfolgreich eine Optimierung der Hochzell-Dichte-Fermentation

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eines Aldolase-Modellenzyms in 5L-Fermentern durchgeführt, wobei die Raum/Zeit

Ausbeute signifikant erhöht und eine Aktivität von 26 U/ml erzielt werden konnte.

Im Rahmen der Arbeiten auf dem Gebiet Organisch-synthetische

Prozessentwicklung (AK Prof. Gröger, Universität Erlangen-Nürnberg) gelang

die Entwicklung eines Threoninaldolase-katalysierten Syntheseverfahrens, das nach

unserem Kenntnisstand mit 250 mM Konzentration des aromatischen Aldehyds die

höchsten bislang eingesetzten Substratkonzentrationen bei der Verwendung von

aromatischen Aldehyden aufweist. Zugleich werden hohe, auch aus technischer

Perspektive interessante Umsätze von 90%, teilweise >95%, erzielt. Der

Enantiomerenüberschuss der erhaltenen Produkte ist exzellent mit >99% ee. Zudem

gelang dieser „Proof of Concept“ für solche Reaktionen bei hohen

Substratkonzentrationen von 250 mM unter Einsatz von deutlich verminderten (Bio-

)Katalysatormengen im Vergleich zum Stand der Technik. Auch wurde die

entwickelte Synthese bereits im vergrößerten Labormaßstab von 100 mL erfolgreich

durchgeführt. Eine Herausforderung für zukünftige Arbeiten stellt allerdings die

weitere Verbesserung der Diastereomerenverhältnisse dar, die bislang mit d.r.=80:20

im guten, aber für technische Prozesse noch nicht ausreichendem Bereich liegt.

Im Arbeitsabschnitt Immobilisierung von Aldolasen (AK Prof. Bertau, TU

Bergakademie Freiberg) wurden verschiedene Immobilisierungsmethoden

untersucht, wobei sich Sol-Gel-Verfahren als effektivste Variante herausstellten. Die

Bestimmung der Recyclingzyklen ergab bei 6 Zyklen einen Aktivitätsverlust von bis

zu 48%. Darüber hinaus erwiesen sich die Immobilisate bei einer Temperatur von 4

°C über einen Zeitraum von 10 Wochen als lagerstabil. Das erhaltene Immobilisat

wurde zudem mittels Rasterelektronenmikroskopie untersucht, wobei die Oberfläche

eine stark poröse Struktur zeigte. Darüber hinaus wurde versucht, die allgemein

schlechte Löslichkeit aller verwendeter Aldehyde über verstärkte Vermischung zu

kompensieren, wobei hierbei sowohl die Mikroreaktionstechnik als auch

Ultraschallsonde zum Einsatz kamen. Aus Sicht einer technischen Umsetzung

erwies sich die Verwendung der Ultraschallsonde als der vorteilhafteste Weg. Im

Rahmen des Projektes wurde zudem eine Ökoeffizienzanalyse angefertigt. Die dazu

herangezogene Software Sabento® erlaubte eine ökologische und ökonomische

Bewertung der beiden zum Vergleich zweier Biotransformationsreaktionen.

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3. Projekthintergrund und Zielsetzung des Projekts

Das -Amino--hydroxycarbonsäurederivat „Thiamphenicol“ ist ein bedeutendes

Amphenicol-Antibiotikum. Das jährliche Produktionsvolumen beläuft sich gemäß

Angaben aus dem Jahre 2004 allein für die humane Anwendung auf ca. 45 Tonnen

mit einem Jahresumsatz von ca. 25 Millionen $. Zusätzlich wird Thiamphenicol im

Veterinärbereich verwendet. Darüber hinaus sind eine Reihe strukturell verwandter,

ebenfalls industriell bedeutsamer Produkte bekannt. Die industrielle Synthese von

Thiamphenicol wie auch analogen Verbindungen verläuft heute noch auf

„klassischem“ Wege über eine vielstufige Synthese mit einer Racematspaltung als

Schlüsselschritt (Zambon-Prozess), obwohl die dabei gebildete -Amino--

hydroxycarbonsäure über zwei Stereozentren verfügt und somit vier Stereoisomere

gebildet werden können, von denen allerdings nur eines benötigt wird. Der derzeitige

Prozess weist zahlreiche ökonomische und ökologische Nachteile auf. So fallen u.a.

erhebliche Abfallmengen in diesem Vielstufenverfahren an, so alleine bei der Firma

Zambon innerhalb einer Dekade 1500 Tonnen (!) des ungewünschten Enantiomers

(welches nur in einem aufwändigen Verfahren unter Zerstörung beider Stereozentren

in das Ausgangsmaterial 4-Methylthiobenzaldehyd zurückgeführt werden kann).

Ein alternativer, in hohem Maße atomökonomischer, wirtschaftlich attraktiver und

nachhaltiger Zugang besteht in einer enzymatischen Direktsynthese des

Thiamphenicol-Schlüsselintermediats und allgemein verwandter Verbindungen

gemäß nachfolgend in Abbildung 1 dargestellter Synthesekonzeption:

Abbildung 1. Angestrebtes 1-stufiges Synthesekonzept

Hierbei gelingt in einer Aldolase-katalysierten 1-Stufensynthese ausgehend von

leicht erhältlichem Glycin sowie einem geeigneten Aldehyd direkt die Synthese der

gewünschten Aminosäure. Die Ausbildung von zwei Stereozentren erfolgt somit in

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einem Schritt, wobei als Edukte lediglich prochirale und einfach zugängliche

Substrate benötigt werden. Die Reaktion findet in Wasser statt und ermöglicht eine

theoretische Ausbeute von 100%. Das Erreichen eines E-Faktors von <5 erscheint

möglich (E = kg Abfall pro kg Produkt) im Gegensatz zu typischen E-Werten von >50

und deutlich darüber bei (späten) Pharmaintermediaten bzw. Pharmawirkstoffen. Der

„Proof of Principle“ dieser angestrebten biokatalytischen Aldolreaktion ist zwar

bereits bekannt, allerdings gelang die Realisierung eines kommerziellen Prozessess

auf diesem Wege bislang nicht. Ursachen hierfür sind u.a. für industrielle Bedürfnisse

nicht in ausreichendem Maße geeignete Aldolase-Biokatalysatoren. Zudem besteht

beim Stand der Technik der L-Threoninaldolase-katalysierten Synthesen

Optimierungsbedarf bei der Prozessführung, insbesondere hinsichtlich der

Substratkonzentration, Diastereoselektivität und Raum-Zeit-Ausbeute. Das Ziel des

angestrebten Projektvorhabens ist die Entwicklung eines solchen wirtschaftlich sowie

ökologisch vorteilhaften biokatalytischen Verfahrens zu -Hydroxy--aminosäuren für

die Produktion von insbesondere Thiamphenicol und anderen industriell relevanten,

strukturell verwandten Wirkstoffen. Angestrebte Kennzeichen dieses enzymatischen

1-Stufen-Verfahrens sollen exzellente Diastereo- und Enantioselektivitäten Raum-

Zeit-Ausbeuten und Substratkonzentrationen, und Isolierausbeuten sein. Darüber

hinaus soll das neue Verfahren im Rahmen des Projekts in den technischen Maßstab

überführt und das Projekt durch eine Ökoeffizienzanalyse ergänzt werden.

4. Verwendete Methoden

Die verwendeten Methoden sind im Kapitel „5. Experimentelle Ergebnisse der

Projektpartner“ bei den jeweiligen Abschnitten zu den Arbeitspaketen benannt.

Ebenfalls durchgeführt wurden Arbeiten zur Ökoeffizienzanalyse, die im AK Prof.

Bertau (TU Bergakademie Freiberg). Zur Bewertung des biokatalytischen Verfahrens

gegenüber dem bisherigen Prozess wurde das Programm Sabento beschafft. Nach

erfolgreicher Einarbeitung in die Ökoeffizienzsoftware wurden bereits feststehende

Verfahrensparameter eingearbeitet, so dass eine erste Abschätzung des Verfahrens

vorgenommen werden konnte.

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5. Experimentelle Ergebnisse der Projektpartner und Ökoeffizienzanalyse

5.1 Analytik und allgemeine Projektunterstützung (Evonik Degussa GmbH)

Für die effektive Zusammenarbeit mehrerer Arbeitsgruppen, bei der verschiedene

Enzympräparationen ausgetauscht werden, war die Einführung eines einheitlichen

standardisierten Aktivitätstests essentiell. Ursprünglich wurde die Aktivität der

Aldolasepräparationen über einen gekoppelten Assay bestimmt, bei dem die

Aldolase Benzaldehyd aus dem Substrat freisetzt und eine im Überschuss

zugesetzte Alkoholdehydrogenase diesen zum Alkohol reduziert. Das hierbei

freigesetzte NADH wird wiederum über eine Farbreaktion quantifiziert. Dieser Assay

funktioniert gut und ist hochdurchsatzfähig, allerdings ist er zugleich relativ komplex

und stellt zudem nur einen „indirekten Nachweis“ dar. Außerdem ist eine vorteilhafte

(stabile) Alkoholdehydrogenase nicht kommerziell verfügbar. Aus diesem Grund

wurde ein HPLC-basierter Assay als „Standard-Assay“ entwickelt, der direkt den

freigesetzten Benzaldehyd nachweist und zudem relativ einfach durchführbar ist.

Abbildung 2: Reaktionsschema und Beispiel-Chromatogramm

Die Trennung des Reaktionsedukts bzw. –produkts kann mit allen gängigen reversed

phase-HPLC-Säulen erfolgen. Die Reaktionszeit beträgt 15 min, der Maßstab 1 ml.

Die Nachweisgrenze liegt bei ca. 0,1 mM woraus sich ein Detektionslimit von ca. 1

mU/ml ergibt. Ein typisches HPLC-Chromatogramm ist in Abbildung 2 gezeigt.

OH

OH

NH2

O

+ OH

OH O

NH2

O

+ H2NOH

O

D,L-threo-Phenylserin

Threonin-aldolase

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Projektbegleitende Arbeiten bei Evonik

Eine der Hauptaufgaben von Evonik während des Projekts war die Evaluierung von

Reaktions- und Aufarbeitungsvarianten anhand prozesstechnischer Kriterien. Das

Ziel hierbei waren frühzeitige Abschätzungen der Machbarkeit aufgrund von

realistischen Annahmen, bevor ein substantieller Entwicklungsaufwand in die

entsprechenden Arbeitspakete gesteckt wurde.

Im Einzelnen wurden u.a. die folgenden Prozessvarianten evaluiert.

Verwendung von rekombinanten Ganzzellkatalysatoren im Vergleich zu isolierten

Enzympräparationen: Beide Varianten sind potentiell anwendbar, wobei zellfreie

Systeme vor allem in immobilisierter Form attraktiv sein können, falls hohe

Aktivitätsausbeuten bei der Immobilisierung in Kombination mit Standzeiten

entsprechend >20 Reaktionszyklen erreicht werden.

Abtrennung und Recycling von Glycin von den als Rohprodukt erhaltenen

Phenylglycinpräparaten via Ionenaustauschchromatographie: Die Komponenten

sind ausreichend gut trennbar, allerdings sind die Kosten bei einem fünffachen

Glycinüberschuss aufgrund der dann benötigten Austauscherkapazität in

Verbindung mit der Regenerierung nicht attraktiv.

Analyse der kommerziellen Relevanz von weiteren Phenylserin-Derivaten: Neben

den bekannten para-substituierten Verbindungen wie Thiamphenicol sind vor

allem ortho-substituierte Verbindungen recht verbreitete Bausteine für

Wirkstoffkandidaten.

Verbesserung der Diastereomerenreinheit durch Kristallisation: Zur Isolierung und

Aufreinigung des Produkts nach der Biotransformation ist eine Kristallisation

ohnehin eingeplant. Eine zusätzliche Umkristallisation wäre aus Kostensicht

akzeptabel.

Der Stand der Arbeiten zum Ende des Projekts wurde detailliert analysiert und eine

Abschätzung der Konkurrenzfähigkeit des Verfahrens wurde durchgeführt. Vor allem

aufgrund der nicht optimalen Diastereomerenreinheit des Produkts sind jedoch

weitere Arbeiten notwendig, um einen effizienten Prozess etablieren zu können. Auf

eine Pilotierung wurde deshalb zum jetzigen Zeitpunkt verzichtet.

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5.2 Screening und Entwicklung neuer Aldolasen (evocatal GmbH; Bearbeitung

dieser Arbeitspakete durch AK Prof. Hummel, Universität Düsseldorf, im

Rahmen eines Unterauftrags)

Ausgangspunkt der Arbeiten („Stand der Technik“)

Aldolasen, die die C-C-Verknüpfung von Benzaldehyd und Glycin unter Bildung von

L-Phenylserin katalysieren, sind im Prinzip literaturbekannt. Typischerweise handelt

es sich dabei um L-Threoninaldolasen. Da bei dieser Synthese zwei neue

Stereozentren (in α- und -Position) gebildet werden, werden allerdings hohe

Anforderungen an die Enantio- und Diastereoselektivität dieser Enzyme gestellt.

Bei Auswertung der Literaturdaten zeigt sich, dass die bislang beschriebenen

Enzyme Produkte bilden, die durchweg in α-Position eine hohe Enantioselektivität mit

einem Enantiomerenüberschuss der Produkte von typischerweise >99% ee zeigen,

während alle bislang bekannten Enzyme nur eine niedrige Diastereoselektivität

aufweisen. Maximal wird ein d.r.-Wert von ca. 65:35 erreicht, wodurch diese Enzyme

für industrielle Anwendungen nicht anwendbar sind.

Herstellung der „Benchmark-Enzyme“

Zwei dieser literaturbekannten Threoninaldolasen aus E. coli (ltaE) und

Saccharomyces cerevisiae (Gly1) sind für dieses Projekt rekombinant verfügbar

gemacht worden, da sie als Referenzenzyme für methodische Ausarbeitungen

(Analytik) sowie die Arbeiten bei den Projektpartnern AK Prof. Gröger

(Prozessentwicklung) und AK Prof. Bertau (Immobilisierung) gut einsetzbar sind.

Damit wurde auch sichergestellt, dass alle Partner direkt zu Beginn des Projekts mit

Projektarbeiten starten konnten.

Zugleich wurden die Sequenzen dieser Enzyme als Vorlage für das In Silico-

Screening verwendet. Der d.r.-Wert beider Enzyme ist allerdings gering und man

erhält ein Gemisch von threo- und erythro-L-Phenylserin, das nur eine leichte

Präferenz für das threo-Isomere aufweist. Dies dokumentiert auch das zugehörige

NMR-Spektrum (und darin z.B. der Bereich zwischen 3.5 und 4.0 ppm, in dem

jeweils Protonen der Diastereomere enthalten sind; Abbildung 3).

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Abbildung 3. NMR-Spektrum des Reaktionsprodukts mit Gly1 aus S. cerevisiae

Auch hat man mit diesen beiden verfügbaren Enzymen die Möglichkeit, Volumen-

und spezifische Aktivitäten zu bestimmen, die Expressionsbedingungen zu

optimieren und die Enzyme aus den Rohextrakten säulenchromatographisch

aufzureinigen. Zur Bestimmung der volumetrischen und spezifischen Enzym-

aktivitäten der beiden Threoninaldolasen aus E. coli und S. cerevisiae wurde

zunächst in LB-Selektivmedium (Ampicillin) kultiviert, die Zellen durch Zentrifugation

geerntet und anschließend mechanisch aufgeschlossen.

Für beide Aldolasen wurde ein literaturbekannter gekoppelter photometrischer

Enzymtest mit Threonin als Standardsubstrat durchgeführt unter Verwendung einer

Hefe-ADH, die Acetaldehyd quantitativ nachweist. Die Ergebnisse für diese beiden

Threoninaldolasen aus S. cerevisiae (Gly1) und aus E. coli (ltaE) sind in Tabelle 1

dargestellt.

Tabelle 1. Volumetrische und spezifische Enzymaktivitäten

Gly1 ltaE

Aktivität 25 U/ml 35 U/ml

Proteingehalt 20 mg/ml 25 mg/ml

spez. Aktivität 1.25 U/mg 1.4 U/mg

Strategien zur Gewinnung neuer Aldolasen mit erhöhter Diastereoselektivität

Ein wichtiges Ziel der Projektarbeiten bestand in der Gewinnung neuer Enzyme mit

verbesserter Diastereoselektivität. Dazu wurden die folgenden Methoden eingesetzt:

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Limitiertes Screening mit verschiedenen Stämmen einer Stammsammlung,

Anreicherungs-Screening auf Phenylserin-Abbauer durch Verwendung von

Bodenproben,

In silico Screening basierend auf den beiden bekannten Threoninaldolasen aus

E. coli und S. cerevisiae,

Screening mit Selektions-Stamm (P. putida-Mutante), der in der Lage ist, auf

Benzaldehyd zu wachsen. Benzaldehyd entsteht bei Spaltung von Phenylserin

durch eine Threoninaldolase.

Mutagenese des „Benchmark“-Enzyms aus E. coli.

Screening mit Stämmen einer Stammsammlung

Die Suche nach neuen Threoninaldolasen erfolgte zunächst durch Nachweis des

Spaltprodukts Benzaldehyd, ausgehend von D,L-threo-Phenylserin (retro-

Aldolreaktion). Das Prinzip ist in Abbildung 4 dargestellt. Dieses Produkt ist relativ

einfach gaschromatografisch nachweisbar. Alternativ kann es auch über einen

gekoppelten Enzymtest mit einer Alkoholdehydrogenase durch photometrische

Detektion des Cofaktors NADH nachgewiesen werden.

Abbildung 4. Aldolase katalysierte Reaktion von D,L-threo-Phenylserin

Bisher wurden ca. 250 verschiedene Mikroorganismen getestet und mittels Gas-

Chromatographie analysiert. Dabei wurden 42 Stämme gefunden, die positive

Ergebnisse bezüglich einer Bildung von Benzaldehyd zeigten. Die Analyse mittels

NMR und die Bestimmung des d.r.-Werts lieferten 11 Stämme aus der IMET-

Stammsammlung, die positiv bezüglich der Bildung von Phenylserin waren, wobei

acht Stämme ein threo-spezifisches Enzym aufwiesen.

Zu den positiven Stämmen sowohl aus dem Stammsammlungs- als auch dem

Anreicherungs-Screening gehörten Stämme der Gattung Arthrobacter. Diese

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Gattung wurde daher umfangreich durchgetestet, wobei sich deutliche Unterschiede

sowohl im Umsatz als auch im d.r.-Wert ergaben (Tabelle 2).

Tabelle 2: Screening nach Threoninaldolase-Aktivität unter Arthrobacter-Stämmen (zellfreie Rohextrakte). Aufgeführt sind Umsätze und dr-Werte, wobei die Umsätze

photometrisch (Threonin-Spaltung) und die dr-Werte mittels NMR (Phenylserin-Synthese ausgehend von Benzaldehyd und Glycin) bestimmt wurden.

Arthrobacter Stamm Umsatz

[%]

d.r.

(threo:erythro)

Arthrobacter ardleyensis 30 70:30

Arthrobacter agilis < 5 64:36

Arthrobacter nicotianeae 54 62:38

Arthrobacter ureafaciens 55 62:38

Arthrobacter sulfonivorans 58 62:38

Arthrobacter protophormiae 61 62:38

Arthrobacter kerguelensis 73 62:38

Tabelle 2 zeigt, dass die Aktivitäten (Umsätze) sehr unterschiedlich sind und sich im

Bereich von < 5% bis über 70% bewegen, während die d.r.-Werte alle in derselben

Größenordnung liegen und im besten Fall bis zu einem Wert von 70:30 gehen. Alle

getesteten Arthrobacter-Stämme zeigten für die Aldolreaktion threo-Präferenz.

Anreicherung von Phenylserin-abbauenden Stämmen

Gewinnung neuer Threoninaldolase-Bildner

Eine weitere Möglichkeit zur Gewinnung neuer Threoninaldolasen bieten

Anreicherungskulturen. Dabei wird ein Minimalmedium mit D,L-threo-Phenylserin als

alleiniger C-Quelle eingesetzt. Vorteilhaft ist, dass Phenylserin im Wesentlichen nur

über Threoninaldolasen abgebaut werden kann, andere Stoffwechselwege sind nicht

bekannt. Für das Screening wurden Bodenproben verschiedener Standorte

eingesetzt, nach Wachstum dann die Kolonien vereinzelt, in Reinkultur angezogen

und der zellfreie Rohextrakt einerseits mit D,L-threo-Phenylserin umgesetzt

(Benzaldehyd-Bildung mittels GC), andererseits mittels NMR der d.r.-Wert bestimmt.

Für die Anreicherung wurden 16 verschiedene Bodenproben im Minimalmedium mit

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Phenylserin als Kohlenstoffquelle eingesetzt. Die folgende Tabelle 2 gibt einen

Überblick über die somit erhaltenen Isolate aus den verschiedenen Bodenproben

und den Erfolg der Umsetzungen mittels Gaschromatographie und NMR. Für die

Proben B2, B8, B9, B14, B15, B16 konnten keine Isolate erhalten werden.

Identifizierung der Bodenproben-Isolate

Zur Identifizierung der verschiedenen Mikroorganismen der Bodenproben wurde eine

Analyse der Stämme über ihre 16S-rRNA vorgenommen. Die für jeden Organismus

spezifische 16S-rRNA wurde mit universellen Primern mittels PCR amplifiziert und

sequenziert. Die erhaltenen Sequenzen dienten dann zur in silico-Identifizierung über

eine Datenbank, wobei die Gattungen mit 99% Sicherheit bestimmt werden konnten.

Tabelle 3 fasst die Daten der Stammidentifizierung und die mit den Rohextrakten

erhaltenen Werte für die Umsätze und d.r.-Werte zusammen.

Tabelle 3: NMR-Analyse ausgewählter Bodenproben Isolate

Bodenproben-

Isolate

Gattung nach

16S-rRNA-Analyse

Umsatz d.r.-Wert

(threo:erythro)

B10a 1), B10c) Pseudomonas sp. 55 63:37

B10a 2) Pseudomonas sp. 22 60:40

B10b1) Pseudomonas sp. n.b. > 90:10

B10b2) Paenibacillus sp. 10 28:72

B11a2) Pseudomonas sp. 10 68:32

B11a3) Pseudomonas sp. 51 >90:10

B11a4) Sphingobacterium sp./

Alcaligens sp.

38 76:24

B11b1) Pseudomonas sp. 59 66:34

B11c1) Arthrobacter sp. 49 69:31

B11c2) Acinetobacter sp. n.b. 95:5

B13a 1) Arthrobacter sp. 29 >85:10

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B13a 2) Pseudomonas sp. 81 >90:10

B13b) Pseudomonas sp. 6 >90:10

B13c) 14 >95:5

Tabelle 3 zeigt, dass sich unter den Bodenproben-Isolaten mehrere hoch

interessante neuartige Threoninaldolasen befinden. Mehrere Isolate weisen – zum

Teil bei hohen Umsätzen – Diastereomeren-Verhältnisse von über 90:10 auf. Dabei

weisen nahezu alle Isolate threo-Spezifität auf. Eine Ausnahme bildet das Isolat

B10b2) mit erythro-Spezifität. Dies ist insofern verwunderlich, da alle Bodenproben

mit reinem threo-Phenylserin angereichert wurden. Für einige Proben wurde zudem

mittels chiraler HPLC der Enantiomerenüberschuss (ee-Wert) bestimmt. Alle

gemessenen Proben waren hoch spezifisch für das L-Isomer, die folgende Tabelle

(Tabelle 4) gibt dies exemplarisch für vier Isolate wieder. Hier nimmt wieder

Bodenproben-Isolat B10b2) eine spezielle Rolle ein, da es zusätzlich zur erythro-

Spezifität auch noch L-Enantiospezifität aufweist, da bislang kein Enzym in der

Literatur beschrieben ist, das sowohl erythro- als auch L-spezifisch ist.

Tabelle 4 : Enantiomerenüberschuss einiger Bodenproben-Isolate

Bodenproben-

Isolat

ee-Wert

(bestimmt mit HPLC)

B10b2) L 96%

B11a3) L >99%

B13a 1) L 91%

B13a 2) L >99%

Die Weiterbearbeitung, die das rekombinante Enzym zum Ziel haben sollte, würde

bedeuten, dass man entweder eine Reinigung dieser neuen Enzyme bis zur

Homogenität mit nachfolgender Sequenzierung durchführt oder versucht, das

entsprechende Gen direkt zu erhalten. Die Enzymreinigung wurde aus Zeitgründen

nicht in Betracht gezogen, da dies ein sehr aufwändiger Weg ist, der

erfahrungsgemäß für jedes einzelne Isolat mehrere Monate umfasst. Auch eine

Genisolierung ist nur sinnvoll, wenn ein Hochdurchsatz-fähiger Assay zum

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Durchmustern von Genbanken verfügbar ist. Diese Möglichkeit bietet prinzipiell die

im Folgenden näher beschriebene Methode der Nutzung eines Selektionsstamms,

der bis zum Projektende allerdings nicht voll funktionsfähig zur Verfügung stand.

In silico-Screening ausgehend von bekannten TA-Sequenzen

Das in silico-Screening nach neuen L-Threoninaldolasen wurde ausgehend von den

Sequenzen der beiden Benchmark-Enzyme (E. coli und S. cerevisiae) durchgeführt.

Diese beiden Enzyme weisen untereinander nur eine Identität von 39% auf.

Ausgewählt wurden ausgehend von der Threoninaldolase (ltaE) aus E. coli:

Photobacterium profundum, Shewanella baltica, Desulfotalea psychrophila,

Pseudomonas syringae und ausgehend vom Enzym aus S. cerevisiae (gly1): Ashbya

gossypii, Pichia stipitis, Lodderomyces elongisporus, Kluyveromyces polyspora,

Candida glabrata. Da die Sequenzen dieser Enzyme in der Datenbank beschrieben

verfügbar sind, konnten mit genspezifischen Primern aus allen Organismen

entsprechende Threoninaldolase-Gene isoliert werden. Die Klonierung und

anschließende Transformation und Überexpression in E. coli BL21 lieferte fünf neue

rekombinante Threoninaldolasen aus den Organismen Lodderomyces elongisporus,

Ashbya gossypii, Pichia stipitis, Desulfotalea psychrophila und Kluyveromyces

polysporus (Tabelle 5). Die Biotransformationen mit diesen neuen, rekombinanten

Enzymen ergaben, dass alle fünf Enzyme hohe Umsätze in Syntheserichtung

aufweisen, die enzymatisch gebildeten Produkte threo-Spezifität besitzen, zugleich

sich allerdings die Diastereomeren-Verhältnisse durchweg im Bereich der Werte der

Benchmark-Enzyme bewegen (Tabelle 5).

Tabelle 5: Übersicht über Aktivitäten (Photometer-Assay), Umsätze (NMR-Daten) und d.r.-Werte (NMR-Daten) der Enzyme aus dem in silico-Screening.

Stamm Aktivität

[U/mL] Proteingehalt

[mg/mL] spez.

Aktivität [U/mg]

Umsatz [%]

d.r.-Wert (threo:erythro)

D. psychrophila 80 41 2 90 60:40

L. elongisporus 35 n.b. - >95 63:37

A. gossypii 97 20 5 >95 60:40

K. polysporus 10 n.b. - 93 62:38

P. stipitis 20 38 0.5 61 60:40

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Identifizierung der Aldolase-Gene mithilfe eines Selektions-Stammes

Der Stamm Pseudomonas putida KT2440 ist in der Lage, Benzaldehyd, der in

diesem Organismus über den Mandelatweg verstoffwechselt wird, als alleinige C-

Quelle zu nutzen. Damit kann er prinzipiell als Selektionsstamm eingesetzt werden,

sofern durch eine Enzymreaktion Benzaldehyd gebildet wird. Im Rahmen dieses

Projekts wurde ein solcher Stamm genutzt, um Threoninaldolase-Produzenten zu

identifizieren, die in der Retro-Aldolreaktion aus Phenylserin Benzaldehyd freisetzen.

Wachstumstests in Minimalmedium mit verschiedenen Konzentrationen an

Benzaldehyd als C-Quelle haben gezeigt, dass der Stamm schon bei sehr geringen

Konzentrationen von 0.5 mM Benzaldehyd anwuchs. Eine weitere wichtige

Voraussetzung, den Stamm als Selektionssystem einsetzen zu können, ist, dass

Phenylserin selbst von P. putida KT2440 nicht verstoffwechselt wird. Erste

Wachstumsversuche auf Minimalmedium mit Phenylserin als C-Quelle haben

gezeigt, dass der Stamm kein Wachstum mit dieser Verbindung zeigt.

Verwendung des Selektionsstamms am Beispiel eines „Benchmark“-Enzyms

Unter Einsatz der Threoninaldolase aus E. coli (LTAE) als Referenzenzym wurde die

Tauglichkeit des Selektionsstamms überprüft.

M          1           2           3

LTAE,1002 bp1 kb

Abbildung 5: Agarose-Gel der PCR aus P. putida Plasmid-DNA nach Transformation der DNA-Bank aus E. coli XL1 im Vektor pBBR1MCS2.

Dazu wurde von diesem Stamm eine Gen-Bank angelegt und diese in P. putida

kloniert. Dieser Test zur Überprüfung des Selektions-Systems am Beispiel der LTAE

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verlief erfolgreich (Abbildung 5) und es konnte ein für die Größe der LTAE (1002 bp)

spezifisches PCR-Produkt ausgehend von der P. putida Plasmid-DNA über eine

PCR mit gen-spezifischen Primern amplifiziert werden. Dieses PCR Produkt von ca.

1 kb wurde aus dem Gel isoliert und anschließend sequenziert. Die Sequenzierung

lieferte eine 100%-ige Sequenz-Übereinstimmung zur LTAE. Das Ergebnis dieser

Überprüfung zeigt, dass prinzipiell alle Einzel-Schritte im Selektions-Stamm P. putida

KT2440 funktionieren und nach einem partiellen Verdau der genomischen DNA in 6-

10 kb Fragmente mit Bsp143I das LTAE-Gen intakt geblieben ist.

In späteren Wiederholungen musste dieser Befund, dass der Stamm kein Wachstum

auf Phenylserin zeigt, allerdings revidiert werden. Es hat sich gezeigt, dass es

Wachstumsbedingungen gibt, unter denen eine P. putida-eigene Threoninaldolase

induziert wird. Dieses Enzym (PpTA) konnte in der Folge auch identifiziert,

rekombinant hergestellt und charakterisiert werden. Im gekoppelten Enzymtest mit

Threonin als Substrat zeigte es eine Aktivität von 35 U/mL. Die Synthese von

Phenylserin ergab bei einem Umsatz von 62% ein Diastereomerenverhältnis von

57:43 (threo:erythro). Die Daten zeigen, dass dieses Enzym unter präparativen

Aspekten den bereits bekannten schwach-selektiven Enzymen ähnelt. Allerdings

zeigt dieses Ergebnis vor allem, dass dieses Enzym die Funktionsfähigkeit des P.

putida-Stamm beeinträchtigen kann und es für die Entwicklung eines

Selektionsstamms erforderlich ist, für zukünftige Arbeiten dieses Gen zu deletieren.

Mutagenese des „Benchmark“-Enzyms (LTAE) aus E. coli.

Bislang ist nur die Proteinstruktur einer einzigen Threoninaldolase bekannt. Im Jahre

2002 wurde von Kielkopf et al. die Struktur der Threoninaldolase aus Thermotoga

maritima (Tm-TA) veröffentlicht. Strukturvergleiche mit anderen ähnlichen Enzymen

in Verbindung mit der 3D-Struktur der Tm-TA weisen darauf hin, dass die Aminosäu-

re an Position 87 für die Diastereoselektivität des Enzyms von Bedeutung sein

könnte. Wir haben daher in der Threoninaldolase aus E. coli die äquivalente

Aminosäure mittels „Quick-Change“ PCR gegen Leucin, Serin, Histidin, Asparagin,

Asparaginsäure und Tryptophan ausgetauscht, diese Mutanten gereinigt und ihre

Aktivitäten und Diastereoselektivitäten für die Phenylserin-Synthese bestimmt. Diese

Versuche mit den mutierten Enzymen zeigen (Tabelle 6), dass mit dieser Position 87

tatsächlich eine für Aktivität und Diastereoselektivität sensitive Position vorliegt.

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Tabelle 6: Enzymaktivitäten und Diastereoselektivitäten der LtaE-Mutanten. Die Enzymaktivitäten wurden mithilfe des gekoppelten Enzymtests bestimmt, der dr-Wert

mittels NMR. Der dr-Wert für die Trp-Mutante konnte wegen zu geringer Enzymmenge nicht ermittelt werden.

. Probe Vol. Aktivität

[U/mL] Protein [mg/mL]

Spez. Aktivität [U/mg]

d.r. (threo:erythro)

WT 43.3 14.7 2.95 54:46 Ser87 5.5 8.1 0.68 58:42 Asp87 4.2 37.7 0.11 59:41 Asn87 17.5 22.8 0.77 63:37 His87 25.2 24.8 1.02 55:45 Trp87 118.9 34.9 3.41 Nicht bestimmt Asp96 0 31.3 0 Nicht bestimmt Trp87/Asp96 0.49 10.6 0.05 67:33

Die bislang beste Mutante (Trp87) wurde bezüglich des Temperatur- und pH-

Optimums sowie der kinetischen Konstanten (Km- und vmax-Wert) näher biochemisch

charakterisiert. Es zeigte sich, dass das Temperaturoptimum bei 60°C liegt, dies

entspricht dem Wert für das Wildtyp-Enzym. Das pH-Optimum der Mutante liegt bei

pH 9,3. Das gereinigte Enzym weist einen Vmax-Wert von 5.48 U/mg auf, für das

Wildtyp-Enzym liegt dieser Wert bei 1.70 U/mg. Der Km-Wert der Mutante liegt bei

1.48 mM, während er beim Wildtyp-Enzym bei 2.85 mM liegt. Aktivität und Affinität

des Enzyms haben sich also in der Mutante signifikant verbessert.

Kristallisation und Strukturaufklärung der Threoninaldolase (LTAE) aus E. coli

Die Aufreinigung der rekombinanten Threoninaldolase aus E. coli (LTAE) mittels Ni-

NTA-Affinitätschromatographie über den N-terminalen His6-tag führte zu einem

Enzympräparat mit hoher Reinheit, so dass das aufgereinigte Enzympräparat direkt

für die Kristallisation eingesetzt werden konnte. Der His6-tag hat keinen Einfluss auf

die Enzymaktivität oder die Synthese von Phenylserin, so dass dieser auch für die

Kristallisation nicht im Nachhinein abgespalten werden musste.

Die LTAE ließ sich sowohl als Apoenzym mit dem Cofaktor Pyridoxalphosphat, als

auch mit Glycin als Substrat problemlos kristallisieren. Nachteilig war, dass die

Kristalle unter den gewählten Bedingungen relativ schnell wuchsen und damit relativ

brüchig waren, so dass die Präparation für die Röntgenstrukturanalyse recht

schwierig war. In wiederholten Ansätzen konnten aber letztendlich ausreichende

Mengen an Kristallen erzeugt werden, aus denen sich Einzel-Kristalle für

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Optimierungsansätze und die anschließende Röntgenstrukturanalyse isolieren

ließen. Die Struktur ließ sich für das Apoenzym mithilfe der Thermotoga-Struktur

problemlos lösen. Für die Kristalle von LTAE mit Substrat Glycin erwies sich die

Strukturaufklärung als schwieriger, da nur ein geringer Teil der Enzyme Glycin

tatsächlich im Kristallgitter gebunden hat und der Besetzungsgrad stark variiert.

Dieses Problem konnte jedoch durch die „Soaking“-Methode überwunden werden, da

durch diese Methode eine höhere Anfangskonzentration an Glycin verwendet wird

und dem fertigen Kristall über das Cryomittel noch weiteres Glycin zugefügt werden

kann. Auf diese Art und Weise konnte ein Datensatz mit gebundenem Glycin

erhalten werden, welches eindeutig über die Elektronendichteverteilung im

Kristallgitter nachweisbar war.

Das Glycin scheint jedoch kooperativ gebunden zu sein, im kristallisierten

Thermotoga-Enzym ist Glycin nicht in jedem Monomer gebunden vorzufinden,

sondern sicher nur in einem Monomer des Tetramers über die

Elektronendichteverteilung auszumachen. In zwei weiteren Monomeren scheint es

einen Zustand zwischen via Schiff’scher Base mit am Lysin 197 gebundenem PLP

und gebundenem Glycin zu geben und im weiteren Monomer ist kein gebundenes

Glycin nachweisbar.

Während die TA aus Thermotoga maritima als Tetramer kristallisiert, liegt die LTAE

kristallisiert allerdings als Dimer vor. Dies könnte an den unterschiedlichen

Ausgangskonzentrationen vor Kristallisation der beiden Proteine liegen.

Die Strukturen von LTAE und Thermotoga TA sind sich jedoch im Wesentlichen sehr

ähnlich, es gibt lediglich zwei kleine Unterschiede (Abbildungen 6 und 7). In der

Thermotoga-Struktur gibt es eine zusätzliche Insertion von Aminosäuren in Form

einer „Schlaufe“ (Abbildung 6a) und in der LTAE gibt es ein oxidiertes Cystein, das

wahrscheinlich durch die Kristallisationsbedingung geschaffen wurde. Im Gegensatz

dazu wurde bei der Kristallisierung der Thermotoga-TA dem Kristallisationsansatz ein

Reduktionsmittel hinzugegeben, um dies zu verhindern.

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a) b)

Abbildung 6: a) Vergleich der Monomere von LTAE aus E. coli (türkis) und der LTA

aus Thermotoga maritima (grau). Die in der Thermotoga-Struktur zusätzlich auftauchende Aminosäure-Schlaufe ist rot umrandet. b) Vergleich des Dimers der

LTAE aus E. coli (türkis) mit dem Tetramer der LTA aus Thermotoga maritima (grau).

R229

R169

H83

T59

S6

R308

Abbildung 7: Vergleich des aktiven Zentrums der Thermotoga-LTA (grau) und der

LTAE aus E. coli (türkis). Glycin ist über PLP als externes Aldimin gebunden (schwarz). Wasserstoffbrückenbindungen sind durch gestrichelte Linien unter den

verschiedenen Aminosäuren und Wassermolekülen (x) dargestellt.

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Die im Kristallisationsansatz befindlichen Ca2+-Ionen und Cl--Ionen, die innerhalb der

Struktur gebunden sind, scheinen jedoch nicht nur Kristallisationsartefakte zu sein,

sondern vielmehr notwendig und somit Voraussetzung für die Kristallisation der

Threoninaldolase zu sein. Diese werden fest gebunden und sind somit wichtig für die

Stabilität der Struktur, besonders für die Stabilisierung zwischen den einzelnen

Monomeren innerhalb der Struktur, da Cl--Ionen vorrangig an der Grenzfläche

zwischen den Monomeren anzutreffen sind. Da die LTAE aus E. coli eine low

specificity-TA darstellt und die d.r.-Werte für die Synthese von Phenylserin nur in der

Größenordnung von 60:40 (threo:erythro) sind wäre es als Vergleich von Bedeutung,

ein Enzym, das die gewünschten Aldolreaktionen hoch diastereoselektiv katalysiert,

zu kristallisieren und die Struktur aufzuklären, um durch etwaige Unterschiede im

aktiven Zentrum Rückschlüsse auf die Spezifität für ein bestimmtes Substrat ziehen

zu können. Hier sind besonders die neuen Enzyme aus den Bodenproben-Isolaten

mit hohen d.r.-Werten von bis zu >95:5 für die threo-Komponente von großem

Interesse, ebenso wie deren rekombinanter Zugang.

Zusammenfassung

In diesem Arbeitsabschnitt wurde mit verschiedenen Methoden nach neuen

Threoninaldolasen, die zur hochdiastereoselektiven Synthese von Thiamphencicol-

intermediaten und Derivaten geeignet sind, gesucht. So wurde ein limitiertes

Screening unter Stämmen einer Stammsammlung, ein Anreicherungsverfahren und

ein in silico Screeningverfahren eingesetzt. Des weiteren wurde ein Screening mit

einem Benzaldehyd-sensitiven Selektionsstamm durchgeführt und Mutanten der

schwach diastereoselektiven Threoninaldolase aus E. coli erzeugt. Während aus

dem Durchmustern einer Stammsammlung und dem in silico-Screening nur Enzyme

mit leicht verbesserten Eigenschaften hervorgingen, ergab das Screening unter

Mikroorganismen, die auf Phenylserin angereichert worden waren, einige Stämme

mit hervorragender Enantio- und Diastereoselektivität. Es konnten mehrere Stämme

isoliert werden, deren Threoninaldolasen hohe Diastereoslektivitäten mit

Diastereomernverhältnissen d.r. von über 90:10 zeigten. Alle Stämme des

Anreicherungs-Screenings wurden mittels Sequenzierung ihrer 16S-rRNA

identifiziert. Eine Isolierung der Gene ist in der verfügbaren Zeit allerdings nicht mehr

gelungen. Auffallend war, dass ein Bodenproben-Isolat erythro-Spezifität aufwies.

Ein solches erythro- und L-spezifisches Enzym ist bislang nicht bekannt.

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5.3 Technische Herstellung von Aldolasen (evocatal GmbH)

Ausgangspunkt der Arbeiten

Im Arbeitspaket der evocatal GmbH lag der Fokus auf der Entwicklung eines für die

technische Hochzelldichte-Fermentation geeigneten E. coli-Expressionssystems

(aufbauend auf den Ergebnissen des Arbeitsabschnittes „Screening“). Dabei wird ein

hoher Anteil des gelösten Aldolase-Proteinanteils am Gesamtprotein angestrebt. Am

Beginn der Arbeiten standen allgemeine Untersuchungen zu technischen Aspekten

der evocatal-proprietären Chaperon-Toolbox als „Werkzeug“ für die industrielle

Gewinnung von Biokatalysatoren. Weiterhin wurde eine Optimierung der Hochzell-

Dichte-Fermentation eines Aldolase-Modellenzyms in 5L-Fermentern durchgeführt,

wobei die aktiven Zellen, bzw. Zellextrakte den Partnern zur Prozessentwicklung (AK

Prof. Gröger) und zur Entwicklung von Immobilisierungsstrategien (AK Prof. Bertau)

übergeben wurden.

Expressionsoptimierung unter Einsatz der Chaperon-Toolbox

Eine wichtige Voraussetzung für eine effiziente Biokatalyse ist die Produktion

ausreichender Mengen katalytisch aktiver Enzyme. Die Herstellung in mikrobiellen

Expressionssystemen ist allerdings nicht immer unproblematisch, so kann es gerade

bei der heterologen Synthese von Enzymen in Bakterien (z. B. Escherichia coli) zu

verschiedenen Engpässen kommen, welche die Ausbeute gravierend

beeinträchtigen. Wichtige Faktoren sind dabei zelluläre Prozesse wie Degradation,

Faltung und Stabilität des heterologen Proteins in der Wirtszelle. Eines der

häufigsten Probleme bei der rekombinanten Produktion von Biokatalysatoren ist die

Bildung von unlöslichen Protein-Aggregaten, sogenannten inclusion bodies. In den

letzten Jahren konnte gezeigt werden, dass die Co-expression von Chaperon- oder

Faltungskatalysatorgenen eine Lösung für das Problem der Bildung von Aggregaten

bei der Produktion rekombinanter Proteine darstellen kann. Logische

Schlussfolgerung ist die Entwicklung einer generellen Strategie, die es erlaubt,

möglichst viele Faltungshelfergene auf ihren Einfluss bei der Erzeugung des

jeweiligen Proteins zu untersuchen. Die Firma evocatal verfügt über eine derartige

Technologie in Form einer Toolbox aus verschiedenen Faltungshelfergenen, die

einzeln oder in Kombination von drei unterschiedlichen Helferproteinen co-exprimiert

werden können (Abbildung 8).

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Abbildung 8. Schematische Darstellung der generellen Vorgehensweise bei der Co-

expression von Faltungshelfern

Diese Toolbox wurde im Berichtszeitraum stetig weiterentwickelt, so dass nun 73

Faltungshelfer aus drei verschiedenen Bakterien zur Co-expression von Aldolasen

zur Verfügung stehen (Tabelle 7). Hierbei kann auf sieben verschiedene

Expressionssysteme zurückgegriffen werden, so dass insgesamt 169

unterschiedliche Konstrukte mit Einzelchaperonen zur Expressionsoptimierung

untersucht werden können. Da die meisten Chaperone allerdings Synergieeffekte

benötigen, wurden weiterhin auch 18 Chaperonkombinationen konstruiert.

Tabelle 7. Übersicht der bereits klonierten Chaperon-Gene

Chaperon-Gene gesamt (sequenziert) 73

Organismen (Ursprung der Chaperone) 3 (P. aeruginosa, E. coli, B. subtilis)

Anzahl verschiedener Expressionsvektoren

7 (mit unterschiedlicher Expressionsstärke)

Einzel-Chaperone in Expressionsvektoren 169 verschiedene Konstrukte

Chaperon-Kombinationen in Expressionsvektoren

18 (in zwei unterschiedlichen Vektoren)

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Diese Toolbox wurde mit verschiedenen Modellenzymen getestet und insbesondere

mit den Kombinationen konnte eine signifikante Produktionsverbesserung erzielt

werden. Diese Technologie steht bereit, um Aldolasen aus dem Arbeitspaket

Screening mit Hilfe der Co-expression von Faltungshelfern in der Produktion zu

optimieren, wie in Abbildung 8 schematisch dargestellt.

Fermentationsoptimierung von Aldolasen

Im Rahmen dieses Projekts wurden durch den AK Prof. Hummel zwei Aldolasen in

pET28 Vektoren kloniert und im Schüttelkolben exprimiert. Hierbei handelt es sich

um die Enzyme Gly1 aus Saccharomyces cerevisiae und ItaE aus E. coli. Das

Enzym LtaE wurde fermentativ im 5L Maßstab hergestellt, wobei in ersten Versuchen

eine Aktivität von 15 U/ml gegenüber dem Substrat Threonin erzielt wurde. Um die

Raum/Zeit Ausbeute der Fermentation zu steigern, wurde das

Fermentationsprotokoll optimiert. So wurde in verschiedenen Versuchsreihen v.a. die

Feed-Rate, die Medienzusammensetzung sowie der Induktions- und Erntezeitpunkt

für eine effiziente Produktion angepasst, so dass ein effizienter Prozess zur

Produktion von LtaE entwickelt wurde (Abbildung 9).

Abbildung 9. Optimiertes Fermentationsprotokoll der Expression von LtaE in E. coli

BL21 (DE3)

Mit dieser Prozessoptimierung konnte die Raum/Zeit Ausbeute signifikant erhöht und

eine Aktivität von 26 U/mL erzielt werden, was einer Steigerung von gut 70%

entspricht. Dieser Prozess kann nach diesem Scale-up nun auch in einem größeren

Maßstab effizient durchgeführt werden. Die aktiven Zellen bzw. Zellextrakte wurden

wie vorgesehen dem AK Prof. Gröger zur Prozessentwicklung und dem AK Prof.

Bertau zur Entwicklung von Immobilisierungsstrategien zur Verfügung gestellt.

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5.4 Organisch-synthetische Prozessentwicklung (AK Prof. Gröger, Universität

Erlangen-Nürnberg)

Ausgangspunkt der Arbeiten („Stand der Technik“)

Der Fokus der Arbeiten im Arbeitskreis Prof. Gröger lag auf der Prozessentwicklung

von biokatalysierten Syntheseprozessen in Gegenwart von L-Threoninaldolasen. Das

Ziel bestand in der Entwicklung eines Syntheseverfahrens, das durch (1) ökonomi-

schen (Bio-)Katalysatorverbrauch, (2) hohe Substratkonzentration bei (3) attraktiven

Umsätzen sowie (4) exzellenten Diastereo- und Enantioselektivitäten gekennzeichnet

ist. Auch eine detaillierte Untersuchung der Substratbreite sollte im Hinblick auf die

Etablierung einer breit einsetzbaren Technologieplattform zur diastereo- und

enantioselektiven Herstellung von 3-Aryl-3-hydroxy-2-aminosäuren durchgeführt

werden. Als Modellverbindung wurde zunächst L-Phenylserin ausgewählt, da für

dessen Synthese mit Threoninaldolasen eine Reihe experimenteller Daten in der

Literatur bekannt ist und zudem diese Verbindung die relevanten Strukturelemente

von Thiamphenicol-relevanten Intermediaten enthält. Generelles Kennzeichen der

Threoninaldolase-katalysierten Aldolreaktion in bisherigen Literaturverfahren sind

neben hohen ee-Werten allerdings maximal eingesetzte Substratkonzentrationen von

100 mM des Aldehyds für die entsprechende Synthesereaktion mit Glycin sowie

limitierte Diastereoselektivitäten. Darüber hinaus wurden bei den bislang

effizientesten Literaturverfahren hohe Enzymmengen von 770 U/mmol Aldehyd

benötigt. Die Limitierungen sind in nachfolgender Abbildung 10 dargestellt.

Abbildung 10.

Einleitende Synthesearbeiten – „Benchmark“-Synthese

Als „Referenzenzym“ wurde die rekombinante L-Threoninaldolase aus E. coli (LTA)

eingesetzt. Als Standardreaktion („Benchmark“-Synthese) analog den in der Literatur

als Stand der Technik beschriebenen (bis dato optimalen) Bedingungen wurde

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Benzaldehyd (BA) in einer Konzentration von 100 mM mit 10 Äquivalenten Glycin

umgesetzt. Die Bestimmung des Umsatzes sowie des Diastereomerenverhältnisses

erfolgte mittels 1H-NMR-Spektroskopie nach Derivatisierung mit Benzoylchlorid

gemäß einem eigens hierfür entwickelten Derivatisierungs- und Analysenverfahren.

Hierbei wird das Produkt im basischen Reaktionsmedium mit Benzoylchlorid

umgesetzt und die aus Glycin sowie dem gewünschten Reaktionsprodukt

resultierenden N-Benzoylaminosäuren anschließend analysiert. Dieses

Analysenverfahren wurde auch bei den Biotransformationen der nachfolgenden

Arbeitsabschnitte angewandt.

Tabelle 8. „Benchmark“-Synthese von L-Phenylserin und zugehörige Analytik

Eintrag t [h] Umsatz [%] d.r. (syn:anti)

1 1 20 44 : 56

2 8 41 71 : 29

3 20 71 68 : 32

Bereits bei den einleitenden Versuchen wurde die Enzymmenge auf 88 U/mmol

Aldehyd vermindert. Unter diesen Reaktionsbedingungen lag nach einer Stunde

Reaktionszeit der Umsatz bei 20% und das Diastereomerenverhältnis noch auf

Seiten des kinetisch begünstigten anti-Isomers mit d.r.=44:56 (syn:anti) (Tabelle 8).

Nach 8 h Reaktionszeit erhielt man ein Diastereomerenverhältnis von d.r.=71:29

(syn:anti) bei einem Umsatz von 42%. Nach 20 h Reaktionszeit wurde ein Umsatz

von 70% bei nahezu konstantem Diastereomerenverhältnis erreicht.

Bestimmung der Enantiospezifität und Enantioselektivität

Es ist bekannt, dass Threoninaldolasen eine hohe Selektivität für das Stereozentrum

in -Position haben. Es war also zu erwarten, dass die von uns verwendete L-

Threoninaldolase aus E. coli ebenfalls hochselektiv diese Position bei der

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Herstellung von Phenylserin aufbaut. Überprüft wurde die Enantioselektivität der

derivatisierten Reaktionsprodukte mittels chiraler HPLC.

In Abbildung 11a sind die zwei Peaks der derivatisierten D,L-threo-Referenzver-

bindung dargestellt, während in Abbildung 11b das derivatisierte racemische

Diastereomerengemisch D,L-threo- und D,L-erythro-Phenylserin dargestellt ist. In

Abbildung 11c ist das derivatisierte Rohprodukt der enzymatischen Umsetzung mit

der L-Threoninaldolase aus E. coli gezeigt, wobei (neben Glycin) lediglich die Peaks

der L-threo- und L-erythro-Verbindung beobachtet werden. Im Bereich der D-

spezifischen Verbindungen (rot eingekreist) ist dagegen kein Signal zu erkennen.

Somit ist die von uns eingesetzte Aldolase aus E. coli hochenantioselektiv (>99% ee)

und hochspezifisch betreffend der Ausbildung des Stereozentrums an der -Position.

Abbildung 11. Chirale HPLC-Spektren zur Enantioselektivtätsbestimmung

Optimierung der Biokatalysatormenge

In diesem Arbeitsabschnitt wurde der Einfluss der Enzymmenge auf die Aldolreaktion

im präparativen Maßstab untersucht mit dem Ziel der Minimierung der im Stand der

Technik benötigten Enzymmengen. In Abbildung 3 sind die Ergebnisse von zwei

Synthesen dargestellt, bei denen jeweils ein guter Umsatz von 91% bei lediglich

einer Enzymmenge von 88 U/mmol bzw. 176 U/mmol Benzaldehyd (BA) erhalten

werden (Abbildung 12). Das Diastereomerenverhältnis der erhaltenen Produkte lag

bei beiden Versuchen bei d.r.=65:35 bzw. d.r=68:32.

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Abbildung 12. Enzymatische Aldolreaktion in Abhängigkeit von der Enzymmenge

Untersuchungen zum Einfluss des Glycin-Überschusses

Anschließend wurde der Einfluss der Äquivalente an Glycinmenge (bezogen auf

Benzaldehyd) auf die enzymatische Aldolreaktion untersucht. In Abbildung 13 sind

die Ergebnisse dieser Versuche, die bei einer Enzymmenge von 176 U/mmol und 0.1

M Benzaldehydkonzentration (20 h Reaktionszeit) durchgeführt wurden, dargestellt.

Abbildung 13. Einfluss der Äquivalente an Glycin (bezogen auf Benzaldehyd)

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Hierbei zeigte sich, dass ein signifikanter Überschuss an Glycin zum Erreichen hoher

Umsätze notwendig ist. Während bei einem molaren Verhältnis von Glycin zu

Aldehyd von 1:1 der Umsatz lediglich bei 8% liegt, steigt dieser mit Erhöhung der

Glycinkonzentration kontinuierlich auf bis zu 91% bei einem Glycin:Aldehyd-

Verhältnis von 10:1 an (Abbildung 13). Dieser benötigte Überschuss von Glycin

konnte im späteren Projektverlauf für die entsprechenden Aldolreaktionen noch auf 8

Äquivalente optimiert werden. Aufgrund der Möglichkeit einer Abtrennung von Glycin

und L-Phenylserin auf der späteren Stufe der Produktaufarbeitung erscheint der

Einsatz einer erhöhten Glycinmenge im Hinblick auf das Erreichen hoher Umsätze

gerechtfertigt.

Optimierung der Reaktionstemperatur

Da die bisherigen Versuche unisono bei Raumtemperatur (RT) durchgeführt wurden,

erfolgte in diesem Arbeitsabschnitt die Untersuchung des Einflusses der Reaktions-

temperatur. Hierbei zeigte sich beim Einsatz der L-Threoninaldolase aus E.coli eine

deutliche Abnahme des Umsatzes bei einer erhöhten Reaktionstemperatur von 40°C.

Hierbei wurde lediglich ein Umsatz von 13% erhalten (Diastereomerenverhältnis:

d.r.(syn:anti)=77:23). Bei einer verminderten Reaktionstemperatur von 4°C wurde

ebenfalls ein niedriger Umsatz erhalten (Umsatz: 20%; Diastereomerenverhältnis:

d.r.(syn:anti)=44:56). Da bei Raumtemperatur somit die höchsten Umsätze erhalten

wurden, erfolgte die Durchführung der weiteren Versuche entsprechend bei

Raumtemperatur bzw. bei 25 °C.

Optimierung der Substratkonzentration

Ein wichtiges Kennzeichen effizienter technischer Syntheseprozesse stellen i.A.

hohe Substratkonzentrationen dar, unter denen die (Bio-)Transformationen

durchgeführt werden können. Im bisherigen Stand der Technik wurden

Aldolreaktionen in Gegenwart von Threoninaldolasen und aromatischen Aldehyden

bei maximalen Substratkonzentrationen von 100 mM durchgeführt. Entsprechend lag

der Fokus dieses Arbeitsabschnitts auf der Entwicklung eines Syntheseverfahrens,

das eine hohe Umsetzung auch bei erhöhten Substratkonzentrationen gewährleistet.

Erfreulicherweise gelang hierbei die Steigerung der Substratkonzentration des

aromatischen Aldehyds von 100 mM auf 250 mM, wobei nach einer Reaktionszeit

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von 17h im Vergleich zu >95% bei einer Substratkonzentration von 100 mM ein nur

leicht verminderter, unverändert hoher Umsatz von 91% bei 250 mM

Substratkonzentration erhalten wurde (Abbildung 14). Die verwendete Enzymmenge

lag hierbei bei 50 U/mmol Aldehyd. Somit konnte beim Einsatz einer attraktiven

Enzymmenge ein guter Umsatz auch in Gegenwart deutlich erhöhter

Substratkonzentrationen von 250 mM erzielt werden.

Abbildung 14. Umsatz bei verschiedenen Substratkonzentrationen (Aldehyd)

Einfluss von Additiven

In bisherigen Versuchen wurde die L-Threoninaldolase als Rohextrakt verwendet,

wobei die Lagerung bei -20°C erfolgte. Um das Gefrieren des Rohextraktes zu

verhindern, wurde dieser mit Glycerin verdünnt (50%(v/v)). Entsprechend wurde in

diesem Arbeitsabschnitt untersucht, inwieweit Glycerin einen Einfluss auf den

Reaktionsverlauf der enzymatischen Aldolreaktion hat. Zugleich wurde auch der

Einfluss von anderen Additiven im Hinblick auf die Reaktivität untersucht. Die

Ergebnisse sind in anschließender Tabelle 9 aufgeführt.

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Tabelle 9. Einfluss weiterer Additive

Eintrag Additiv (50 Vol.-%) Umsatz d.r. (syn:anti)

1 Puffer 68 65 : 35

2 Glycerin 71 65 : 35

3 DMSO 11 58 : 42

4 Aceton 16 60 : 40

5 iso-Propanol 19 60 : 40

Interessanterweise wurde hierbei in Gegenwart von Glycerin als Additiv mit einem

Anteil von 50% der höchste Umsatz von 71% erhalten, der sogar noch über den in

reinem Phosphatpuffer (68% Umsatz) erhaltenen Umsatz lag. Auf das

Diastereomerenverhältnis hat dagegen die Anwesenheit von Glycerin keinen Einfluss

(d.r.=65:35 in beiden Reaktionen).

Dagegen verlief die Biotransformation in Gegenwart von DMSO, Aceton und iso-

Propanol als Additiven mit einem Anteil von 50% weniger erfolgreich und führte zu

niedrigen Umsätzen von unter 20%. Die Diastereoselektivität wird durch Zugabe

dieser Solventien nicht positiv beeinflusst (d.r.=58:22 bis d.r.=60:40). Somit stellt

bislang von den getesteten lediglich Glycerin ein geeignetes Additiv dar.

Untersuchung des Substratspektrums und Prozessoptimierung

In diesem Arbeitsabschnitt wurden weitere Substrate neben Benzaldehyd getestet.

Hierbei wurde zunächst in Biotransformationen mit einer Substratkonzentration von

100 mM evaluiert, inwieweit die ortho-, meta- und para-Position am aromatischen

Ring einen unterschiedlichen Einfluss auf die Diastereoselektivität ausüben. Diese

Versuche wurden ausgehend von den entsprechenden Chlor-substituierten

Benzaldehyden durchgeführt, wobei zunächst die L-Threoninaldolase aus E. coli als

Biokatalysator eingesetzt wurde. Erfreulicherweise wurden zunächst alle drei

Substrate unabhängig von der Position des Chlor-Substituenten umgesetzt

(Abbildung 15). Dies stellt ein wertvolles Ergebnis gerade im Hinblick auf den Aufbau

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einer Technologieplattform dar. Überraschenderweise wurde der höchste Umsatz mit

>95% beim Einsatz des ortho-Substrats erzielt, wohingegen meta-Chlorbenzaldehyd

(64%) und para-Chlorbenzaldehyd (26%) niedrigere Umsätze unter den gleichen

Reaktionsbedingungen ergaben. Darüber hinaus zeigte sich ein besonders

interessantes Ergebnis bei der Auswertung der Diastereomerenverhält-nisse der

erzielten Produkte: Überraschenderweise wurde die höchste Diastereo-selektivität

beim Einsatz von 2-Chlorbenzaldehyd gefunden, wobei hierbei ein gutes

Diastereomerenverhältnis von d.r.=80:20 erzielt wurde. Nach unserem Kenntnisstand

gehört diese Diastereoselektivität von d.r.=80:20 zu den höchsten jemals für diese

Enzym- und Reaktionsklasse beobachteten Diastereoselektivitäten bei einem

zugleich hohen Umsatz (in unserem Fall von >95%).

100 mM 10 Äquiv. Diastereomerengemisch ausL-syn- / L-anti-Diastereomeren

OH O

OHCl

NH2

*

O O

OHCl

NH2

+

L-Threoninaldolase(70 U/mmol),

PLP, pH 8, rt, 18h

Synthetische Ergebnisse

L-TA aus E. coli:>95% Umsatz,

d.r.(syn/anti)=80:20

L-TA aus S. cerevisiae:92% Umsatz,

d.r.(syn/anti)=82:18

OH O

OH

NH2

*

L-TA aus E. coli:26% Umsatz,

d.r.(syn/anti)=66:34

L-TA aus S. cerevisiae:30% Umsatz,

d.r.(syn/anti)=75:25

OH O

OH

NH2

*

L-TA aus E. coli:64% Umsatz,

d.r.(syn/anti)=67:33

L-TA aus S. cerevisiae:85% Umsatz,

d.r.(syn/anti)=76:24

OH O

OH

NH2

*

ClCl

Cl

Abbildung 15. Einfluss des Substitutionsmusters am aromatischen Aldehyd auf

Umsatz und Diastereoselektivität

Darüber hinaus wurde ein vergleichbarer Einfluss des Substitutionsmusters auch bei

Einsatz einer L-Threoninaldolase aus Saccharomyces cerevisiae als Biokatalysator

festgestellt. Auch hier wurde bei Einsatz des ortho-substituierten Benzaldehyds das

beste Ergebnis erzielt. Ausgehend von 2-Chlorbenzaldehyd wurde das gewünschte

Produkt mit hohem Umsatz von 92% und einem für diese Enzymklasse hohen

Diastereomerenüberschuss von d.r.=82:18 gebildet.

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In weiteren Arbeiten fokussierten wir uns auf die Prozessentwicklung, wobei diese

mit 2-Chlorbenzaldehyd als ausgewählte (Modell-)Substratkomponente durchgeführt

wurden. Erfreulicherweise gelang auch mit 2-Chlorbenzaldehyd die Entwicklung

eines effizienten Syntheseverfahrens auch bei erhöhter Substratkonzentration von

250 mM. Diese Substratkonzentration stellt – wie bereits in obigem Abschnitt

„Optimierung der Substratkonzentration“ erwähnt – die höchste bislang für diesen

Biotransformationstyp der diastereo- und enantioselektiven L-Threoninaldolase-

katalysierten Synthesen beschriebene Substratkonzentration dar. Nach erfolgter

Prozessentwicklung wurde unter optimierten Bedingungen (8 Äquiv. Glycin, L-TA:

70U/mmol, pH 8, 25 °C, 6 h) die resultierende -Amino--hydroxycarbonsäure mit

exzellentem Umsatz von >95% und hohem Diastereomerenverhältnis mit d.r.=80:20

(syn/anti) erhalten (Abbildung 16). Allerdings bleibt einschränkend anzumerken, dass

hier eine weitere Erhöhung auf d.r. >95:5 im Hinblick auf ein technisch geeignetes

Verfahren wünschenswert bzw. erforderlich wäre, bislang aber mit den vorhandenen

rekombinanten Enzymen nicht erzielt werden konnte. Der Enantiomerenüberschuss

wiederum ist mit >99% ee (syn) hervorragend und dieses Kriterium ist somit bereits

jetzt für technische Biotransformationen erfüllt. Auch der erhaltene Umsatz (>95%)

sowie die Substratkonzentration von 250 mM bieten ebenfalls eine Perspektive für

technische Anwendungen.

Abbildung 16. Prozessentwicklung und Biotransformation unter optimierten

Bedingungen

Eine Absenkung der eingesetzten Mengen an Katalysator auf 30 U/mmol war mit

einem Rückgang des Umsatzes auf 81% verknüpft, während die Diastereoselektivität

mit d.r.=82:18 in einem unverändert hohen Bereich lag (Tabelle 10). Beim Einsatz

einer L-Threoninaldolase aus S. cerevisiae mit 50 U/mmol wurde das gewünschte

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Produkt ebenfalls mit hohem Umsatz (93%) und einer Diastereoselektivität von

d.r.=80:20 erhalten.

Tabelle 10. Ausgewählte Substrate in der L-TA-katalysierten Aldolreaktion

250 mM 10 Äquiv.Diastereomerengemisch aus

L-syn- / L-anti-Diastereomeren

OH O

OH

NH2

*

O O

OH

NH2

+

L-Threoninaldolase (L-TA)(50 U/mmol),

PLP, pH 8, rt, 18h

R R

Versuch

1

2

3

4

5

6

Umsatz [%]

81

93

51

24

69

9

R

Cl

Cl

Br

CH3

OCH3

OH

[f]

a) Die Derivatisierung der Produkte für analytische Zwecke erfolgte mit 1.5 Äquiv. Benzoylchlorid;b) In diesem Versuch wurden 8 Äquiv. Glycin und 30 U/mmol an L-TA eingesetzt (t=6h; T=25 °C);c) In diesem Versuch wurden 70 U/mmol an L-TA eingesetzt; d) Die Enzyme wurden in nichtgereinigter, rekombinanter Form als Rohextrakt eingesetzt; e) Die Umsatzbestimmung erfolgte ausdem Rohprodukt; f) Die Bestimmung des Diastereomerenverhältnisses erfolgte aus demRohprodukt; g) n.b. = nicht bestimmt.

[a] [e][d]Typ des L-TA-Enzyms

L-TA aus E. coli

L-TA aus S. cerevisiae

L-TA aus E. coli

L-TA aus E. coli

L-TA aus E. coli

L-TA aus E. coli

d.r.(syn/anti)

82:18

80:20

73:27

78:22

75:25

n.b.

[b]

[c]

[g]

Nachdem gezeigt werden konnte, dass auch bei erhöhter Substratkonzentration von

250 mM Biotransformationen mit L-TA und aromatischen Aldehyden mit hohem

Umsatz und guter Diastereoelektivität durchgeführt werden können, erfolgte eine

Untersuchung weiterer Substrate, insbesondere ein ortho-Substitutonsmuster

aufweisend, in entsprechenden Biotransformationen mit einer Substratkonzentration

von 250 mM (Tabelle 10). Hierbei zeigte sich eine signifikante Abhängigkeit der

erhaltenen Diastereoselektivität aber auch des Umsatzes von der jeweiligen

Substratkomponente und entsprechend von der Art des jeweiligen Substituenten.

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In weiteren Versuchen zum Substratspektrum konnte u.a. bei der Umsetzung mit

verschiedenen in para-Position substituierten Schwefel-substituierten Benzaldehyden

als Schwefel-haltige Vorstufen für Thiamphenicol deren grundsätzliche Eignung als

Substrate für die L-Threoninaldolase aus E. coli gezeigt werden. Die Umsätze lagen

bislang allerdings niedriger als bei der Verwendung von Benzaldehyd. So wurde

ausgehend von 4-Methylsulfonylbenzaldehyd bei 250 mM Substratkonzentration die

resultierende -Hydroxy--aminosäure mit einem Umsatz von 24% gebildet. Das

Diastereomerenverhältnis lag bei d.r.(syn:anti)=65:35. Auf das Diastereomeren-

verhältnis hat der Substituent somit nur geringen Einfluss. Bei Einsatz der L-

Threoninaldolase aus S. cerevisiae und 4-Methylsulfonylbenzaldehyd bei 250 mM

Substratkonzentration wurde ein vergleichbares Ergebnis erzielt.

Synthesen im vergrößerten Labormaßstab und Downstream-Processing

Aufgrund der erfreulichen Ergebnisse der Prozessentwicklung wurde mit dem

ausgewählten Modellsubstrat 2-Chlorbenzaldehyd der Maßstab der Ansatzgröße

zunächst auf 12.5 mL und anschließend auf 100 mL erhöht. Die hierbei erzielten

Ergebnisse sind in Abbildung 17 zusammengefasst. Hierbei zeigte sich

erfreulicherweise, dass selbst im 100 mL-Maßstab die Biotransformation mit nahezu

unveränderter Effizienz verlief. Dies wird anhand des erzielten Umsatzes von 90%

sowie dem nahezu unveränderten Diastereomerenverhältnis von d.r.=79:21 sichtbar.

Abbildung 17. Versuche im vergrößerten Labormaßstab

Im Rahmen dieses Arbeitsabschnitts stand auch die Aufarbeitung der bei der

Biotransformation erhaltenen Reaktionsmischungen im Mittelpunkt, wobei

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insbesondere (i) die Abtrennung von Glycin von der -Hydroxy--aminosäure (als

Diastereomerengemisch) sowie (ii) die anschließende Trennung der threo- und

erythro-Diastereomere der -Hydroxy--aminosäure besondere Herausforderungen

bildeten.

Die Abtrennung von Glycin gelang durch zunächst Ausfällung von Glycin nach

Ethanolzugabe sowie anschließendem Einengen des Filtrats, wobei in diesem Schritt

die gewünschte -Hydroxy--aminosäure als Feststoff anfällt. Anschließendes

Abfiltieren und Waschen mit Wasser/Ethanol (1:4) lieferte dann ausgehend vom

Reaktionsgemisch des 100 mL-Ansatzes die gewünschte -Hydroxy--aminosäure

als Diastereomerengemisch (d.r.=78:22) in 62% Ausbeute (Abbildung 17). Bei der

Trennung der Diastereomeren zeigte sich zunächst ein erfreuliches Ergebnis beim

Einsatz der ausgehend von 2-Chlorbenzaldehyd erhaltenen racemischen -Hydroxy-

-aminosäure mit d.r.=82:18 als Modellsubstrat. Hierbei gelang durch Umkristallisa-

tion in Wasser eine effiziente Trennung der Diastereomeren. Das gewünschte threo-

Diastereomer wurde in 43% Ausbeute und mit einer exzellenten Diastereomeren-

reinheit von d.r.>25:1 erhalten. Diese präparativ einfache und elegante

Diastereomerentrennung ließ sich allerdings nicht auf die Anwendung auf ein L-

threo-/-erythro-Diastereomerengemisch, das bei der Biotransformation anfällt,

übertragen. Hierbei erfolgte trotz unterschiedlicher Trennversuche und

Kristallisationsbedingungen bislang keine Trennung der beiden L-Diastereomeren.

Entsprechend wird es zukünftig von Bedeutung sein, ein hochdiastereoselektives

Syntheseverfahren zur Verfügung zu haben, um diese Fragestellung der

Diastereomerentrennung und die dabei bislang aufgetretenen Probleme dadurch

vermeiden zu können.

In Ergänzung zum Downstream-Processing wurden auch Versuche zur Folgechemie

durchgeführt, um (i) ggf. diese Biotransformation neben der Synthese von -Hydroxy-

-aminosäuren auch für andere pharmazeutisch relevante Bausteine nutzen zu

können und (ii) durch Umwandlung in Derivate der -Hydroxy--aminosäuren eine

einfachere Trennung der Diastereomeren erreichen zu können. Hierbei gelang

betreffend der Folgeprodukte (gemäß (i)) als „Proof of Concept“ die Umwandlung der

-Hydroxy--aminosäuren in -Epoxycarbonsäuren, wobei weitere Optimierung bei

dieser Synthese im Hinblick auf eine effiziente synthetische Nutzung noch

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erforderlich ist. Bei der Umwandlung zu Derivaten der L--Hydroxy--aminosäure,

insbesondere N-geschützten Derivaten mit typischen in der Aminosäure-Chemie

verwendeten Schutzgruppen, wurden einleitende Versuche zur Herstellung dieser

Verbindungen durchgeführt, deren Trennung Gegenstand zukünftiger

Untersuchungen sein soll.

Zusammenfassung

Zusammenfassend ist in der Projektlaufzeit die Entwicklung eines L-Threonin-

aldolase-katalysierten Syntheseverfahrens gelungen, das nach unserem Kenntnis-

stand beim Einsatz aromatischer Aldehyde mit 250 mM Aldehyd-Konzentration die

bislang höchsten Substratkonzentrationen aufweist. Zugleich werden hohe, auch aus

technischer Perspektive interessante Umsätze von 90%, teilweise >95%, erzielt. Der

erhaltene Enantiomerenüberschuss ist exzellent mit >99% ee. Zudem gelang dieser

„Proof of Concept“ für solche Reaktionen bei hohen Substratkonzentrationen von 250

mM unter Einsatz von deutlich verminderten (Bio-)Katalysatormengen im Vergleich

zum Stand der Technik. Auch wurde die entwickelte Synthese bereits im

vergrößerten Labormaßstab von 100 mL erfolgreich durchgeführt. Diese Synthese ist

– zusammen mit den Verbesserungen gegenüber dem Stand der Technik – in

Abbildung 18 gezeigt. Eine Herausforderung für zukünftige Arbeiten stellt die weitere

Verbesserung der Diastereomerenverhätlnisse dar, die bislang mit d.r.=80:20 im

guten, aber für technische Prozesse noch nicht ausreichendem Bereich liegt (Ziel:

d.r.>95:5).

O

H

Cl

+ OH

O

NH2

L-TA (E. coli)44 U/mmol,

(8 Äq.)(0.25 M)

OH

O

NH2

OHCl

90% Umsatzd.r. 79:21 (syn/anti);

62% Ausbeuted.r. 78:22 (syn/anti)

>99% ee

Erhöhung derSubstratkonzentration

um den Faktor 2.5

Hoher Umsatz undhohe Diastereoselektivität

Verringerung von10 Äq. auf 8 Äq.

Verringerung derEnzymmenge von

770 U/mmol auf 44 U/mmol

Reaktionsvolumen100 mL

Ausbeute 3.3 g

Puffer pH 8,PLP (50 M),

7 h, 25°C

Abbildung 18. Projektzusammenfassung und Vergleich mit Stand der Technik

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5.5 Immobilisierung von Aldolasen und Ökoeffizienanalyse (AK Prof. Bertau,

TU Bergakademie Freiberg)

Ausgangspunkt der Arbeiten

Am Institut für Technische Chemie der TU Bergakademie Freiberg wurden im

Rahmen des Projektvorhabens Untersuchungen zur Immobilisierung der von den

Projektpartnern zur Verfügung gestellten Aldolase durchgeführt. Die Aufgabe

bestand darin, zu diesem Zweck verschiedene Immobilisierungstechniken

heranzuziehen um eine Vielzahl an Methoden abzudecken. Im Falle einer

erfolgreichen Immobilisierung mit vorhandener Restaktivität sollte das erhaltene

Immobilisat bezüglich seiner Stabilität charakterisiert, in der angestrebten Synthese

eingesetzt und dementsprechend auch eine Analyse der entstandenen

Reaktionsprodukte hinsichtlich deren Diastereomeren- sowie Enantiomeren-

zusammensetzung durchgeführt werden. Einen weiteren Bestandteil der Arbeit sollte

die schematische Entwicklung eines technischen Verfahrens sowie dessen

Bewertung hinsichtlich seiner Ökoeffizienz darstellen.

Immobilisierung von Aldolasen

Untersucht wurde eine in E.coli exprimierte L-Threoninaldolase von technischer

Qualität (Aufschlusslösung), welche von der Firma evocatal® zur Verfügung gestellt

worden war. Die Bestimmung der Aktivität erfolgte dabei als Eingangskontrolle über

einen gekoppelten Assay (Abbildung 19). Das durch die enzymatische Spaltung von

Threonin entstandene Acetaldehyd wurde dabei unter Verwendung einer Alkohol-

dehydrogenase weiter zu Ethanol reduziert. Die damit verbundene Abnahme der

Konzentration des als Reduktionsmittel eingesetzten Kofaktors NADPH wurde

photometrisch über die Abnahme der Absorption bei einer Wellenlänge von 340 nm

verfolgt.

Abbildung 19. Gekoppelter Enzymassay zur Eingangskontrolle der

Threoninaldolase

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Die unter Verwendung dieses Assays bestimmten Enzymaktivitäten variierten

entsprechend den gelieferten Chargen zwischen 10 und 20 U/mL.

Zur Bestimmung der Aktivität der Immobilisate konnte aufgrund des Vorliegens des

Reaktionsgemisches als Suspension jedoch nicht dieses photometrische Verfahren

verwendet werden. Um zusätzlich auch durch die Flüchtigkeit des Acetaldehyds

bedingte Verfälschungen des Ergebnisses vorzubeugen, wurde deshalb auf die

enzymatische Spaltung von Phenylserin zu Benzaldehyd und Glycin zurückgegriffen

(Abbildung 20). Die Bildung von Benzaldehyd wurde dabei mittels

Gaschromatographie verfolgt.

Abbildung 20. Aktivitätsassay auf Basis der Spaltung von Phenylserin

Immobilisierungsverfahren

Zur Immobilisierung der Threoninaldolase wurden verschiedenste Methoden

herangezogen. Es wurde versucht, das Enzym über Einschluss, Adsorption oder

über eine kovalente Bindung in beziehungsweise an einen festen Träger zu fixieren.

Ziel war dabei zum einen, die Stabilität des Enzyms hinsichtlich seines

großtechnischen Einsatzes zu verbessern und zum anderen, auch seine leichte

Abtrennung und Wiederverwendbarkeit zu ermöglichen. Einsatz fanden die im

Folgenden aufgelisteten Techniken:

Einschluss:

- Geleinschluss in Alginat : 5 – 12 % Restaktivität

- Superabsorber Favor® (EVONIK): uneingeschränktes Leaching

- Sol-Gel-Einschluss mittels Alkylorthosilikaten: 10 – 30% Restaktivität

Adsorption:

- Amberlit XAD-2: < 6% Restaktivität

- Al2O3: < 1% Restaktivität

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- CaCO3: < 1% Restaktivität

- Cellulose: < 1% Restaktivität

- Alginit: < 1% Restaktivität

kovalente Fixierung bzw. Vernetzung

- Eupergit C:< 1% Restaktivität

- Chitosan und Glutardialdehyd: 5% Restaktivität

Im Zuge der Untersuchungen zeigten nur die Sol-Gel-Einschlussmethoden

signifikante Restaktivitäten in Abhängigkeit von der Enzymcharge. Das grundlegende

Prinzip dieser Immobilisierungsvariante besteht in einer säurekatalysierten Hydrolyse

von Alkylorthosilikaten (vorzugsweise Tetramethyl- oder Tetraethylorthosilikat) zu

Silanolen mit nachfolgender Kondensation zu dreidimensionalen silikatischen

Netzwerken. Wie mit Abbildung 21 illustriert, kommt es im Zuge dieser zum

Einschluss des Enzyms und zur Herausbildung poriger Strukturen.

Abbildung 21. Schematisch Darstellung der Immobilisierung via Sol-Gel-Einschluss

Als Nebenprodukte entstehen dabei die entsprechenden Alkohole Methanol

beziehungsweise Ethanol. Diese wirken aktivitätsmindernd, weshalb versucht wurde,

sie vor der eigentlichen Immobilisierung zumindest teilweise aus dem System zu

entfernen. Um die Porenbildung zu verstärken und hinsichtlich ihrer Größe zu

kontrollieren, wurde das entstandene Gel in verschiedene organische Lösungsmittel

wie Cyclohexan, Hexan, Oktan und Dekan gegeben. Die besten Resultate bezüglich

der Restaktivität wurden dabei mit Oktan erzielt.

Das so erhaltene Immobilisat zeigte mit einem Aktivitätsverlust über sechs

Recyclingzyklen von höchstens 48% auch eine gute Wiederverwendbarkeit. Ursache

für diesen Aktivitätsverlust ist das Herausspülen von Enzym aus größeren Poren

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(Leaching) ebenso wie ein nicht zu vermeidender langsamer Funktionsverlust des

immobilisierten Enzyms. Auch ein reversibles Blockieren des aktiven Zentrums des

Enzyms oder ein Verschluss der Pore durch Filmbildung des entstandenen

Benzaldehyds können nicht ausgeschlossen werden.

Darüber hinaus erwiesen sich die Immobilisate bei einer Temperatur von 4 °C über

einen Zeitraum von 10 Wochen als lagerstabil; es wurde keine messbare

Aktivitätsabnahme festgestellt. Arbeiten zur Enzymbeladung des Immobilisats

ergaben Werte von 25 - 50 U/g entsprechend den verschiedenen Enzymchargen

Charakterisierung:

Das erhaltene Immobilisat wurde mittels Rasterelektronenmikroskopie untersucht.

Die dabei entstandene Aufnahme ist in nachfolgender Abbildung 22 dargestellt.

Abbildung 22.REM-Aufnahme eines mit Tetraethylorthosilikat erhaltenen

Immobilisates

Wie in der Abbildung gut zu erkennen ist, zeigt die Oberfläche eine stark poröse

Struktur. Man kann davon ausgehen, dass die große äußere und innere Oberfläche

die Transportprozesse zum Enzym hin und vom Enzym weg massiv beeinflusst und

damit auch die Geschwindigkeit der gesamten Umsetzung herabsetzt. Das ist beim

Einsatz von Benzaldehyd beziehungsweise Methylthiobenzaldehyd zusätzlich

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problematisch, da beide Substanzen aufgrund der schlechten Wasserlöslichkeit an

der Oberfläche anhaften und damit schlechter bis zum Enzym bzw. aktiven Zentrum

gelangen, womit die Substratdiffusion geschwindigkeitsbestimmend wird.

Dementsprechend stellt diese Art der Immobilisierung von vornherein direkt weitere

Anforderungen an den Prozess:

Verwendung besser wasserlöslicher oder sehr fein und stabil suspendierbarer

Substrate bzw. regelmäßige Neuvermischung des Reaktionsmediums

Produktentfernung aus dem Reaktionsgemisch zur Beschleunigung der

Desorption während des Prozesses

Diesbezüglich wurde versucht, die allgemein schlechte Löslichkeit aller verwendeter

Aldehyde über verstärkte Vermischung zu kompensieren. Dies sollte durch den

Einsatz von Mikroreaktionstechnik oder Ultraschallsonde erreicht werden. Dabei

musste die Vermischung jeweils in einem separaten Gefäß erfolgen, da sonst Enzym

bzw. Immobilisat infolge Scherkrafteintrag in Mitleidenschaft gezogen würden.

Abbildung 23.Schlitzplattenmischer

Verwendung fand dabei der in der Abbildung 23 dargestellte Schlitzplattenmischer.

Dieser Mischer arbeitet nach dem Prinzip der Multilamination. Dabei werden beide

Flüssigkeiten separat in viele sehr dünne Lamellen aufgespalten und beim

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Einströmen in die Mischkammer in abwechselnder Anordnung wieder

zusammengeführt, was eine starke Vermischung der beiden Ströme bewirkt. Es

wurde also beim Einsatz des Mikromischers permanent Reaktionsmedium von einer

Seite des Immobilisats abgezogen, in zwei Ströme aufgetrennt, wie beschrieben

gemischt und anschließend wieder dem Immobilisat von der anderen Seite

aufgegeben. Als nachteilig erwies sich jedoch die Adsorption des Modellaldehyds

Benzaldehyd als Modellaldehyd an den Wandungen der Reaktionsgefäße sowie des

Mischers, wodurch dem System bis zu 40% an Edukt entzogen wurden. Versuche

dieses Problem unter Einsatz von Vermittlern wie Triton oder DMSO zu mindern,

zeigten keine nennenswerte Verbesserung.

Beim alternativen Einsatz einer Ultraschallsonde wurde Benzaldehyd zwar immer

wieder von der Wandung desorbiert und im Reaktionsmedium damit redispergiert.

Durch Kreislaufführung konnten die Einflüsse der Substratadsorption zwar nicht

vollständig unterdrückt aber doch wesentlich reduziert werden. Stattdessen erwies

sich für diese Zwecke als ideal, die Einsatzstoffmenge entsprechend anzupassen.

Aus Sicht einer technischen Umsetzung ist dies der vorteilhafteste Weg, da er

wirtschaftlich am einfachsten zu realisieren ist. Auch muss die Adsorbatmenge nur

einmal zu Beginn der Reaktion aufgewendet werden. Gerade bei höheren Umsätzen

und langen Produktionszeiten fällt diese Menge also nicht mehr ins Gewicht.

Analytik:

Für genaue Aussagen über die durchgeführten Umsetzungen bezüglich der

gebildeten Produkte ist eine verlässliche Analytik unbedingt erforderlich. Initiale

Versuche mittels Gaschromatographie erwiesen sich trotz Derivatisierung als wenig

zielführend, weshalb der Fokus auf der Entwicklung einer leistungsfähigen

flüssigchromatographischen Methode gelegt wurde.

Vorteilhaft hierbei ist, dass nicht nur Aussagen über Umsätze und

Diastereomerenverhältnisse sondern auch über die Enantiomerenzusammensetzung

erhalten werden. Damit wurde auf einer D-Penicillamin-Phase (Phenomenex) ein

eigens zu diesem Zweck synthetisiertes Diastereo- und Enantiomerengemisch der

Modelsubstanz Phenylserin, wie in Abbildung 24 dargestellt, erfolgreich analysiert.

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Abbildung 24.HPLC-Chromatogramm von D,L-threo/erythro-Phenylserin (Absorption

bei 254 nm)

Das damit etablierte Verfahren wurde dann bereits auf eine Umsetzung mit

nichtimmobilisertem Enzym angewandt um eventuelle Störungen durch im

tatsächlichen Reaktionsmedium enthaltene Substanzen auszuschließen. Das

Messverfahren erwies sich als robust und lieferte ein Diastereomerenverhältnis von

d.r.= 89:11 (threo:erythro) und die bevorzugte Bildung eines Enantiomeren im

Verhältnis e.r.= 67:33 (eine Unterscheidung in D- oder L-Form war nicht möglich).

Ökoeffizienzanalyse

Im Rahmen des Projektes wurde eine Ökoeffizienzanalyse angefertigt. Die dazu

herangezogene Software Sabento® erlaubte eine ökologische und ökonomische

Bewertung der beiden zum Vergleich herangezogenen Systeme. Dabei handelte es

sich einmal um die enzymatische Umsetzung von Glycin und Benzaldehyd zu

Phenylserin als Modellreaktion und zum anderen um die enzymatische Umsetzung

von 2-Chlorobenzaldehyd und Glycin zum entsprechenden 2-Chlorophenylserin

(Abbildung 25).

11,3 15,0 17,5 20,0 22,5 25,0 27,5 30,0 32,5 35,0 37,5 40,0 42,5 45,0 47,5 50,0 52,5 55,0 57,5 60,1

-3,7

5,0 10,0 15,0 20,0 25,0 30,0 35,0 40,0 45,0 50,0 55,0 60,0 65,0 70,0 75,0 80,1 mAU

min

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R O

NH2

O

OH

R OH

NH2

OH

O

+

Abbildung 25. Bewertete enzymatische Umsetzungen (R = H, Cl).

Die Produktkennzahlen für beide Prozesse sind nachfolgend gegenübergestellt. Die

dabei vorgenommene Bewertung basiert auf der Sachbilanz des Modells und den

dafür zusammengetragenen Daten sowie den in den softwareeigenen Datenbanken

hinterlegten Materialeigenschaften (Tabelle 11).

Tabelle 11. Allgemeine Kennzahlen der bewerteten Umsetzungen

Allgemeine

Kennzahl

2-Chlorophenylserin Phenylserin [Einheit]

Produktstrom 6580 925 kg / Jahr

Inputstrom 140037 140037 kg / Jahr

Abfallstrom 133456 139111 kg / Jahr

Energiestrom 353208692 353208692 kJ / Jahr

Inputindex 21 151 kg / kg

Abfallindex 20 150 kg / kg

Energieindex 53678 381670 kJ / kg

Bereits bei diesen allgemeinen Kennzahlen wird deutlich, dass die enzymatische

Synthese von 2-Chlorophenylserin der von Phenylserin überlegen ist. Dies zeigt sich

insbesondere in den drei dargestellten Indizes (Input-, Output- und Energieindex),

welche jeweils ein Maß für den notwendigen Einsatz bzw. den anfallenden Abfall pro

Menge Produkt darstellen.

Das Ergebnis der ökologischen Bewertung wird über die Umweltbewertungszahlen

(UBZ) repräsentiert. Dabei zeigt eine höhere UBZ an, dass ein stärkeres

Umweltwirkungspotential ausgebildet ist (Abbildung 26).

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Auch eine Betrachtung der Umweltbewertungszahlen und damit der

Umweltverträglichkeit zeigt eindeutig die Vorteile der 2-Chlorophenylserin-Synthese

auf. Besonders im Input spiegelt sich hier der deutlich größere Produktstrom wider.

Die abgebildeten UBZ sind allerdings nur im Vergleich der Verfahren aussagekräftig,

da, durch Einschränkungen der Software, zwar jeweils die gleiche allerdings

unvollständige Aufarbeitung des Produktstroms implementiert werden konnte,

sodass zum Beispiel potenzielle Recyclingeffekte vollkommen unberücksichtigt

bleiben mussten.

Abbildung 26. Umweltbewertungszahlen der Umsetzungen.

Eine ökonomische Bewertung der beiden angedachten Umsetzungen konnte nur in

sehr oberflächlicher Form erfolgen. So mussten unter anderem viele Daten für beide

Prozesse in identischer Form angenommen werden, da keine Realdaten zugänglich

waren. Preise für die Ausgangsstoffe wurden wegen fehlender Alternativen dem

Laborchemikalienkatalog entnommen, was diese als deutlich zu hoch erscheinen

lässt. Der zu erzielende Preis für das erhaltene Produkt Phenylserin stammt ebenso

aus dem Chemikalienkatalog (4190 €/kg), der für 2-Chlorophenylserin ist an diesen

angelegt ungeachtet des deutlich teureren Ausgangsstoffes abgeschätzt

(ca. 4500 €/kg) wurden. Auch die bereits erwähnten Softwareeinschränkungen

kamen hier erneut einschränkend hinzu.

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6. Soll/Ist-Vergleich der Meilensteine und Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen

Der Arbeitsfortschritt der erfolgreich bearbeiteten Arbeitspakete ist in den

vorangegangenen Kapiteln „2. Zusammenfassung des bisherigen Projektverlaufs“

und „5. Experimentelle Ergebnisse der Projektpartner“ im Detail beschrieben. Das

Projektvorhaben war gemäß Projektantrag gekennzeichnet durch zwei Meilensteine,

deren Soll/st-Vergleich im Folgenden beschrieben wird.

Im Meilenstein 1 (nach 12 Monaten) wurde anvisiert, dass „die entwickelten

Aldolasen im Hinblick auf deren Eignung als industriell einsetzbare Biokatalysatoren

priorisiert“ werden. Insbesondere aufgrund der überaus erfreulichen Ergebnisse aus

dem Anreicherungs-Screening, aber auch aus dem Stammsammlung-Screening,

konnte bereits eine solche Priorisierung vorgenommen werden. Hierbei wurden

bereits zu diesem Zeitpunkt erste Stämme identifiziert, auf die in den Folgearbeiten

dann ein Hauptfokus lag. Der Meilenstein 1 konnte somit erfolgreich absolviert

werden.

Der Meilenstein 2 (nach 24 Monaten) wiederum ist durch das Erreichen industriell

relevanter Produktivitätsdaten gekennzeichnet ist (Kriterien: Ökoeffizienz /

Prozessökonomie auf Basis von Raumzeitausbeute, Umsatz, Selektivität,

Enzymverbrauch und Enzymkosten).

Hierbei gelang in der Projektlaufzeit zunächst die Entwicklung eines L-Threonin-

aldolase-katalysierten Syntheseverfahrens, das nach unserem Kenntnisstand beim

Einsatz aromatischer Aldehyde mit 250 mM Aldehyd-Konzentration die bislang

höchsten bekannten Substratkonzentrationen aufweist. Dabei werden hohe, auch

aus technischer Perspektive interessante Umsätze von 90%, teilweise >95%, erzielt.

Der erhaltene Enantiomerenüberschuss ist exzellent mit >99% ee. Zudem gelang

dieser „Proof of Concept“ für solche Reaktionen bei hohen Substratkonzentrationen

von 250 mM unter Einsatz von deutlich verminderten (Bio-)Katalysatormengen im

Vergleich zum Stand der Technik. Auch wurde die entwickelte Synthese bereits im

vergrößerten Labormaßstab von 100 mL erfolgreich durchgeführt. Ebenso erfolgreich

verlief auch die Entwicklung eines Fermentationsverfahrens zur Enzymherstellung,

das bereits im 5L-Maßstab etabliert werden konnte. Auch der „Proof of Concept“ für

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die Immobilisierung einer L-Threoninaldolasen mit Hilfe der Sol-Gel-

Einschlussmethode wurde erfolgreich aufgezeigt.

Aus Sicht des Biotransformationsprozesses mit Blickpunkt der Kriterien (1)

Substratkonzentration, (2) volumetrische Produktivität, (3) Enantioselektivität, (4)

Katalysatorbedarf, (5) Katalysatorzugang und (6) Umsatz liegt somit nun ein auf

Basis des im Projektvorhabens entwickelten Syntheseprozesses bereits jetzt eine

Verfahrensplattform mit technischem Potenzial vor.

Herausforderungen für zukünftige Arbeiten stellen allerdings insbesondere (1) die

Verbesserung des Downstream-Processing (Produktisolierung), (2) die weitere

Verbesserung der Diastereomerenverhätlnisse dar, die bislang mit d.r.=80:20 im

guten, aber für technische Prozesse noch nicht ausreichendem Bereich liegt (Ziel:

d.r.>95:5), sowie (3) gegebenenfalls auch die weitere Optimierung des

Glycinüberschusses (derzeit bei 8 Äquivalenten) dar. Besonders entscheidend für

eine zukünftige Nutzung dieser Syntheseplattform ist die Verbesserung der

Diastereoselektivität, nicht zuletzt da sich eine Diastereomerentrennung während der

anschließenden Aufarbeitung sich bislang nicht realisieren lies.

Genau an diesem Aspekt setzten die Screeningarbeiten (siehe auch obige

Darstellung zum Meilenstein 1) zur Entwicklung eines rekombinanten Enzyms, das

die Aldolreaktion von Glycin an aromatische Aldehyde mit hoher Diastereo- und

Enantioselektivität katalysiert, an.

Im Projektverlauf wurden dabei wurde unter Berücksichtigung auch dieser

Folgearbeiten ein limitiertes Screening unter Stämmen einer Stammsammlung, ein

Anreicherungsverfahren, ein in silico Screeningverfahren, ein Screening mit einem

Benzaldehyd-sensitiven Selektionsstamm und ein Screening von Mutanten der

schwach diastereoselektiven Threoninaldolase aus E. coli durchgeführt.

Zusammenfassend gelang äußerst erfolgreich eine breite Bearbeitung des

Themengebiets „Screening“ mit Identifizierung einer Reihe sehr vielversprechender

Enzyme als „positive Hits“. Besonders bemerkenswert ist die Isolierung mehrerer

Stämme, deren Threoninaldolasen hohe Diastereoslektivitäten mit

Diastereomernverhältnissen d.r. von über 90:10 zeigten. Auch das Auffinden einer

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erythro-spezifischen L-Threoninaldolase ist bemerkenswert. Auch wenn bis dato eine

Isolierung der Gene ist in der verfügbaren Zeit nicht mehr gelungen ist, wurde mit

diesen äußerst erfolgreichen Arbeiten eine starke Basis für zukünftige Folgearbeiten

mit hervorragender Perspektive für die zukünftige Entwicklung dieser

Technologieplattform gelegt.

Zusammenfassend liegt somit bislang noch kein industriell unmittelbar einsatzfähiges

Herstellungsverfahren für die L-Threoninaldolase-katalysierte Synthese von -

Amino--hydroxyaminosäuren ausgehend von aromatischen Aldehyden vor, so dass

bislang auch noch keine Pilotierung im technischen Maßstab erfolgen konnte.

Zugleich sei aber auch herausgestellt, dass auf diesem wissenschaftlich wie

industriell äußerst anspruchsvollen Forschungsgebiet aber äußerst erfolgreich

sowohl die (1) Entwicklung einer Syntheseplattform, die zahlreiche Kriterien bereits

erfüllen (siehe Ausführungen oben), die (2) Etablierung einer technisch bereits jetzt

geeigneten Katalysatorproduktion (demonstriert im 5L-Maßstab) sowie (3) die

Identifizierung einer Reihe für den technischen Einsatz äußerst vielversprechender

Enzyme gelang.

Da die bereits im Projektantrag gemachten Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen

unverändert gelten, stellen diese Ergebnisse nun eine sehr vielversprechende Basis

für weitere Arbeiten dar im Hinblick auf die erstmalige Entwicklung eines industriellen

Syntheseverfahrens dieser Enzym- und Reaktionsklasse. Unverändert gilt, dass im

Erfolgsfall das angestrebte Verfahren aufgrund der genannten Vorteile nicht nur aus

ökologischer Sicht vorteilhaft sein würde, sondern zugleich ein hochattraktives

ökonomisches Syntheseverfahren darstellen würde.

7. Diskussion der Ergebnisse

Die Diskussion der erhaltenen experimentellen Ergebnisse erfolgte gemeinsam mit

der Beschreibung der experimentellen Arbeiten in Kapitel „5. Experimentelle

Ergebnisse der Projektpartner“ sowie zusammenfassend im Kapitel „2.

Zusammenfassung“.

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8. Kooperation innerhalb des Projekts

Aufgrund des hohen Vernetzungsgrades des Projekts erfolgte von Projektbeginn

(Beginn: 1. September 2008) an eine intensive Kooperation aller Projektpartner. Dies

umfasste sowohl die experimentellen Arbeiten (siehe auch Ergebnis-Teil, u.a.

Entwicklung der Analytik bei Evonik Degussa GmbH, Bereitstellung von

Biokatalysatoren durch evocatal GmbH an AKs Prof. Bertau und Prof. Gröger etc.)

als auch den Informationsaustausch über die wissenschaftlichen Arbeiten. In diesem

Zusammenhang wurden folgende neben (z.B. bilateraler) Teilprojekttreffen einzelner

Projektpartner folgende Gesamtprojekttreffen abgehalten:

- 3. November 2008 bei Evonik Degussa GmbH in Hanau-Wolfgang

(Teilnehmer: AK Prof. Gröger, AK Prof. Bertau, AK Prof. Hummel, evocatal GmbH,

Evonik Degussa GmbH);

- 1. Juli 2009 bei evocatal GmbH in Düsseldorf

(Teilnehmer: AK Prof. Gröger, AK Prof. Hummel, evocatal GmbH, Evonik Degussa

GmbH);

- 3. Februar 2010 bei AK Prof. Bertau in Freiberg

(Teilnehmer: AK Prof. Gröger, AK Prof. Bertau AK Prof. Hummel, evocatal GmbH,

Evonik Degussa GmbH)

- 10. Juni 2011 als Telefonkonferenz

(Teilnehmer: AK Prof. Gröger, AK Prof. Bertau AK Prof. Hummel, evocatal GmbH,

Evonik Degussa GmbH).

Darüber hinaus wird die gemeinsame Zusammenarbeit der Kooperationspartner in

besonderer Weise auch durch eine kürzlich erschienene Publikation in Tetrahedron:

Asymmetry unterstrichen, bei der Vertreter von drei der vier Kooperationspartner

(Arbeitskreis Prof. Gröger, evocatal GmbH, Evonik Degussa GmbH) sowie Prof.

Hummel als zusätzlicher im Screening im Rahmen eines Unterauftrags involvierter

Kooperationspartner als Autoren dieses wissenschaftlichen Beitrags aufgeführt sind.

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9. Literatur / Präsentationen / Patente

Publikationen (Reviews und Originalpublikationen):

H. Gröger, F. R. Dietz,

“Biocatalytic Synthesis of Natural and Non-Natural -Amino Acids”

in:

Wiley Encyclopedia of Chemical Biology (Hrsg.: T. P. Begley), Wiley-VCH, Weinheim,

2009.

N. Dückers, K. Baer, S. Simon, H. Gröger, W. Hummel,

„Threonine aldolases—screening, properties and applications in the synthesis of non-

proteinogenic -hydroxy--amino acids“

Appl. Microbiol. Biotechnol. 2010, 88, 409-424.

K. Baer, N. Dückers, W. Hummel, H. Gröger

„Expanding the Application Range of Aldolases: Novel Asymmetric Syntheses of -

Methylated -Hydroxy -Amino Acids and -Amino Alcohols“

ChemCatChem 2010, 2, 939-942

K. Baer, N. Dückers, T. Rosenbaum, C. Leggewie, S. Simon, M. Kraußer, S. Oßwald,

W. Hummel, H. Gröger

„Towards Efficient L-Threonine Aldolase-Catalyzed Enantio- and Diastereoselective

Aldol Reactions of Glycine with Substituted Benzaldehydes: Biocatalyst Production

and Process Development”

Tetrahedron: Asymmetry 2011, 22, 925-928.

Abschlussarbeiten (eingereicht bzw. abgeschlossen):

Katrin Baer

„Die stereoselektive Aldolreaktion in Biotransformationen und chemoenzymatischen

Eintopfsynthesen“

Dissertation, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, 2011.

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Nina Dückers

„Screening, biochemische Charakterisierung und Strukturaufklärung mikrobieller

Threoninaldolasen“

Dissertation, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, 2011.

Sabine Simon

„Stereoselektive Synthese von Aminderivaten und -Hydroxy--aminosäuren unter

Einsatz von Biokatalysatoren“

Eingereichte Dissertation, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, 2011.

Dalia Al-Sultani

„Identifizierung und biochemische Charakterisierung neuer Threoninaldolasen“

Bachelorarbeit, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, 2011.

Präsentationen:

C. Leggewie et al.,

„Identifizierung und Expression von Biokatalysatoren“,

DECHEMA-Jahrestagung der Biotechnologen, 2009, 8.-10. September.

H. Gröger

„Enzyme in der organischen Synthese: Von der Prozessentwicklung biokatalytischer

Reaktionen zu chemoenzymatischen Eintopf-Mehrstufen-Synthesen“

Organisches Kolloquium an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt,

Frankfurt, 2011, 8. Juli.

H. Gröger

„Asymmetric Synthesis Using Enzymes as Catalysts“

Vortrag am Institute of Microbial Chemistry (IMC) der Microbial Chemistry Research

Foundation, Tokio (Japan), 2011, 16. September.

H. Gröger

„Asymmetric Synthesis Using Enzymes as Catalysts“

Vortrag an der Osaka University, Osaka (Japan), 2011, 20. September.

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S. Kurjatschji, M. Bertau

„Biocatalysis and Enzyme Immobilisation as Keys to improve Synthesis of a Chiral

Pharmaceutical Intermediate“,

DECHEMA-Tagung „1st European Congree of Applied Biotechnology“, Berlin, 2011,

25.-29. September.


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