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Ausgabe SIMEP² 2013

Date post: 26-Mar-2016
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EUROPA, WIR MACHEN MIT! Die Zukunft des Euro Europäischer Datenschutz EU-Außenpolitik im Mittelmeer 16. Dezember 2013 SIMEP 2 spezial Die Junge Europäische Bewegung Berlin-Brandenburg e.V. ist ein gemeinnütziger, unabhängiger, überparteilicher und politischer Jugendverband. Was uns besonders am Herzen liegt, ist der europäische Gedanke. Europa ist unsere Zukunft und da wollen wir mitreden und mitgestalten. Wir fordern zu kritischem Denken auf. Mit jugendlicher Energie bringen wir frischen Wind in europapolitische Debatten. Mit zahlreichen Veranstaltungen und Projekten in Berlin und Brandenburg setzen wir uns für ein geeintes, demokratisches und solidarisches Europa ein. Junge Europäische Bewegung www.jeb-bb.de 1 move Magazin Simulation Europäisches Parlament 2013 www.move-magazin.eu
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Page 1: Ausgabe SIMEP² 2013

EUROPA, WIR MACHEN MIT!

Die Zukunft des Euro

Europäischer Datenschutz

EU-Außenpolitik im Mittelmeer

16. Dezember 2013SIMEP2 spezial

Die Junge Europäische Bewegung Berlin-Brandenburg e.V. ist ein gemeinnütziger, unabhängiger, überparteilicher und politischer Jugendverband. Was uns besonders am Herzen liegt, ist der europäische Gedanke.

Europa ist unsere Zukunft und da wollen wir mitreden und mitgestalten. Wir fordern zu kritischem Denken auf. Mit jugendlicher Energie bringen wir frischen Wind in europapolitische Debatten. Mit zahlreichen Veranstaltungen und Projekten in Berlin und Brandenburg setzen wir uns für ein geeintes, demokratisches und solidarisches Europa ein.

Junge Europäische Bewegung www.jeb-bb.de

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Simulation Europäisches Parlament 2013

www.move-magazin.eu

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SIMEP spezial

“Europa, wir machen mit!” lautet das Motto der diesjährigen Simulation Europäisches Parlament (Simep). Und es ist kaum zu übersehen, dass Europas Jugend Lust hat, mitzubestimmen und mitzugestalten. Im 15. Jahr der Simep schlüpfen wieder 200 Schülerinnen und Schüler in die Rolle eines Abgeordneten des Europäischen Parlaments und nehmen dabei die Perspektiven verschiedener politischer Fraktionen und europäischer Länder ein, um über Themen zu diskutieren, die Europa bewegen: die Zukunft des Euro, Datenschutz der Europäischen Union und die EU-Außenpolitik im Mittelmeer.

Die vielen Anmeldungen haben gezeigt, dass junge Menschen in Berlin und in ganz Deutschland verstehen wollen, wie Politik in Europa funktioniert, um sich dann besser einmischen zu können. Dass Politiker des Europäischen Parlaments, der Europäischen Kommission und des Deutschen Bundestages als

Gastredner für die Simep zugesagt haben, zeigt, dass unsere Stimme wahr- und ernst genommen wird. Die Verleihung des Europäischen Bürgerpreises in diesem Jahr gilt uns daher als ganz besondere Auszeichnung.

Dieses Magazin entstand aus den gemeinsamen Kräften der move-Redaktion und der Teilnehmer, die als Journalisten die Simep begleiten. Wir hoffen, dass die Berichte über die Simep und die Hintergrundberichte zu den diskutierten Themen Euch auch nach diesen zwei Tagen Inspiration und Motivation sein werden, Euch über politische Themen zu informieren, selbst eine Meinung zu bilden und in Europa mitzumachen.

Viel Spaß beim Lesen wünscht

Alexander SteinfeldtChefredakteur des move Magazins

Doris Pack: „Wir sind nicht alle blau mit goldenen Sternen“Von Christine Zeides

Euro-Express - Die Reise ins UnbekannteVon Isabel Berki

Die Eurokrise ist da! Von Adrian Pehle

Ohne Laute eine laute Meinung Von Clara List

Legal, illegal, scheißegalVon Lena Schubert

Merkel: „Mir selber ist nicht be-kannt, wo ich abgehört wurde“ Von Eileen Schüler

Flüchten ist menschlich Von Laís Castro Reis

Festung EuropaVon Esther Hemmens

„Wir sind zwar tolerant, aber Flüchtlinge wollen wir nicht“Von Charlotte Gemmeke

Europa, ich mache mit! Austausch fördert den Glauben an EuropaVon Julia Nauck

Kulinarische VerständigungVon Daniela Stoltenberg

Inhalt

Editorial

Die Redaktion im Europasaal.

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SIMEP spezial

Der europäische Gedanke be-gegnete ihr schon in der Kind-heit, als Frankreich das Saarland freigab und so „die kleine Wie-dervereinigung“ Deutschlands ermöglichte. Von dort aus füh-rte für Dr. Doris Pack (EVP, Deutschland) ein gerader Weg über die Junge Union, ein regio-nales Parlament, schließlich über den Deutschen Bundestag hin zum Europäischen Parlament – zu der Institution, die sie schon immer fasziniert und angezogen hat, wie Christine Zeides im Interview herausfand.

Seit 1989 sind Sie im EU-Parla-ment vertreten, vorher sind Sie

Mitglied des Deutschen Bund-estags gewesen. Welche Unter-schiede ergeben sich zwischen einem nationalen und dem Europäischen Parlament? Was war Ihre Motivation für den Wechsel? Dr. Doris Pack: Die europäische Arbeit hat mich immer schon fasziniert – bereits damals bei der symbolischen Geste Frankreichs ans Saarland 1955. Im Europa-parlament ist die Arbeit insofern befriedigend, da wir dort keine Regierung, keinen Fraktionszwang und keine klassischen Mehrheiten haben. Es ist somit ein hochpoli-tisches Arbeiten, weil wir schli-chtweg überzeugen müssen: erst unsere Parteifreunde, dann die

anderen. Schließlich kommt ein Kompromiss zustande, der uns alle weiterbringt. Das ist die Idee Europas – gemeinsam Lösungen zu finden. Hier kann man als einzelner Abgeordneter sehr viel bewegen.

In Ihrem Ausschuss „Kultur und Bildung“ betonen Sie re-gelmäßig, wie wichtig Ihnen der Erhalt der kulturellen Vielfalt Europas ist. Warum plädieren Sie für einen „Kulturföderalis-mus“? Wir in Europa sind ja nicht alle blau mit goldenen Sternen – wir sind ganz unterschiedlich und haben in Europa so viele kulturelle Ausprägungen, die erhalten blei-

Doris Pack: „Wir sind nicht alle blau mit goldenen Sternen“Ein Interview von Christine Zeides

Foto: Christine Zeides

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ben müssen. Das ist das, was den Reiz an der Europäischen Union ausmacht: dass sie die Stelle ist, wo alle kulturellen Identitäten sicht-bar gemacht, erhalten und unter-stützt werden.

Sie waren in den letzten Jahren in die Entwicklung zahlreicher Programme zur Förderung der Jugendbildung involviert. Wie beurteilen Sie die bisherigen Erfolge dieser Programme?Wir haben viele junge Men-schen bewegt, die dank dieser Programme erfahren haben, was Europa ist. Ich finde, wir haben da eine großartige Möglichkeit geschaffen, einander kennen zu lernen, die Unterschiedlichkeit zu würdigen und damit die Akzep-tanz zu vergrößern. Insofern müs-sen wir lernen, uns gegenseitig anzuerkennen – und dazu tragen unsere Programme mit Erfolg bei.

Ihre Arbeit im Kulturausschuss wird in den Medien häufig ge-lobt. Warum engagieren Sie sich gerade für die Kultur?Ich glaube, dass ohne Kultur alles nichts ist – und wenn wir Kultur vernachlässigen, dann verges-sen wir unsere Vergangenheit

und werden auch keine Zukunft gewinnen. Kultur ist viel mehr als nur Malerei, Choräle oder Opern. Sie ist auch das men-schliche Zusammenleben, dieses Miteinander gut zu gestalten, den anderen zu verstehen. Kultur ist eigentlich alles. Deshalb glaube ich, dass man sie nicht auf bestim-mte Teile im Bereich der Kunst verkürzen kann. Vielmehr ist sie auch im zivilgesellschaftlichen Be-reich der Grundstein. Deswegen: Wenn man für die Gesellschaft lebt, dann muss man sich um die Kultur kümmern.

In der kommenden Wahl werden Sie nicht noch einmal kandidie-ren. Welche Eigenschaften bezie-hungsweise welche Maßnahmen wünschen Sie sich von Ihrem Amtsnachfolger? Ich wünsche mir, dass die neuen Abgeordneten des Parlaments den Drang haben, diese Europäische Union wirklich zu erhalten, sie weiterzuentwickeln. Es ist die Zukunft unserer Kinder. Hier müssen aber auch die jungen Menschen selbst aktiv werden, ansonsten verspielen sie die eigene Zukunft! Man muss sich nur ein-mal vorstellen, wie es wäre, wenn

wir die Europäische Union nicht hätten. Noch leben wir auf der Insel der Glückseligen. Eigentlich schade, dass wir uns auf so ho-hem Niveau beschweren – da sind wir wohl Opfer unseres eigenen Erfolges. Uns geht es aber nur so gut, weil wir diese Union nach schrecklichen Kriegserfahrungen geschaffen haben. Und wer nicht versteht, was für ein Juwel er in der Hand hält, dem ist nicht zu helfen.

Entspricht auch die Simep Ihrem Ideal von politischer Bildung im europäischen Sinne?Von solchen Projekten kann es nicht genug geben! Ich glaube, dass gerade auf diese Weise Be-wusstsein für die Notwendigkeit und Wichtigkeit der Europäischen Union geschaffen wird. Wenn wir das als Erwachsene predigen, dann hört man vielleicht hin – aber wenn die jungen Menschen das Parlament selbst austragen, dann klingt es glaubwürdiger – und dann können wir sicherlich auch die Zukunft gewinnen.

Vielen herzlichen Dank für das Gespräch, Frau Dr. Pack!

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SIMEP spezial

Die Zukunft des EuroKarikatur:

Christine Zeides

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SIMEP spezial

Noch im Juni 2008 - zum 10. Geburtstag des Euro - war unsere Bundeskanzlerin Angela Merkel fest davon überzeugt, dass die einheitliche Währung für die Europäische Union „Symbol und Motor des Zusammenwachsens und Zusammenlebens in Eu-ropa“ sei. In den letzten 5 Jahren gab es dann für den Euro eine Talfahrt und mittlerweile steht eher die Frage im Mittelpunkt, was aus diesem einst starken Mo-tor in der Zukunft wird. Woher kam der Euro-Express – also die Währungsunion – und wohin fährt er seither?

Die bisherige Fahrt Zurück zum Anfang: Bereits in den 1970er Jahren gab es erste Denkübungen zu einer einheitlichen Währung für die Europäische Wirtschaftsgemein-schaft. Neun Jahre später unternahmen dann Bundeskanzler Helmut Schmidt und der französische Staatspräsident Valery Giscard d’Estaing den ersten Anlauf für ein Europäisches Währungs-system. Dieses bewirkte innerhalb von zehn Jahren eine große Sta-bilität zwischen den europäischen Währungen. Beim Drei-Stufen-Plan des Vertrags von Maastricht (1992) sollte mit Vollendung der letzten Stufe eine vollständige Wirtschafts- und Währungsunion erreicht werden. Der Name für

unsere Währung wurde letzt-endlich im Jahr 1995 vom Eu-ropäischen Rat bestimmt. Im Jahr 1999 verwendete man den Euro dann erstmalig für Über-weisungen zwischen den Mitglied-staaten und im Aktienhandel als Währung. Zum Jahreswechsel 2001/2002 führte man den Euro offiziell in Belgien, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechen-land, Irland, Italien, Luxemburg, den Niederlanden, Österreich, Portugal und Spanien ein. Auch in anderen Mitgliedstaaten wurde die einheitliche Währung in den Folgejahren gültig, andere Länder weigerten sich und behielten ihre eigene. Die weltweite Finanz-krise 2007 brachte einigen Län-dern in der Europäischen Union wirtschaftliche Schwierigkeiten. Die Währungsunion wurde stark geschwächt und das einstige Symbol der Stärke und Einheit, der Euro, wird seitdem in Frage gestellt.

Der Euro-Express unter der Lupe Hier auf der Simep haben sich verschiedene Abgeordnete des EU-Parlaments unterschiedlicher EU-Mitgliedsländer geäußert. Sie sprachen über den Euro in ihrem Land und über dessen Zukunft.So erklärte der finnische Parla-mentarier Dominik Sturm, dass Finnland, ähnlich wie Deutsch-land, anfangs stark vom Euro profitierte. Dennoch litt das Land stark unter der Weltwirtschafts-

krise und befand sich im Jahr 2012 sogar kurz vor dem Aus-tritt aus der Währung. Generell, so erklärt Sturm, befürworten Finnen stärkere Sparmaßnahmen in den Südländern, wollen aber keine Rettungspakete finanzieren.Die britischen Abgeordneten Ali Ceyhanli und Tina Schmaucks argumentierten gegen den Euro und für ihre eigene Währung, das Pfund. Ceyhanli meinte, dass die Briten nicht bereit seien, krisen-geschädigte Länder finanziell zu unterstützen, da sie nicht ihren „Kopf dafür hinhalten möchten“. Seine Kollegin Schmaucks rela-tivierte, dass Großbritannien zwar mit seiner eigenen Währung stärker und flexibler sei, meinte jedoch, dass auch für die Briten der Euro in Zukunft als einheit-liche Währung eine Option bleibe. Parlamentarier kleinerer EU-Mit-gliedsländer, wie der Ungar Moritz Reichmuth, haben hingegen vor, die Entwicklung des Euro im Auge zu behalten und erst später Kon-sequenzen für das eigene Land zu ziehen.

Sollte es zu Austritten von Mitgliedstaaten aus der Währungsunion kommen, würde der „Motor Europas“ definitiv geschwächt. Möglicherweise muss sich die Europäische Union auch mit dem Gedanken anfreunden, dass der Euro als Währung in Zukunft nicht weiterhin bestehen kann. Der Präsident der Simep, Felix Brannaschk, kontert solche Gedanken jedoch und prophezeit „rosige Zeiten, sofern man den Aufwand betreibt, die derzeitige Krise zu beenden“.

Es bleibt also abzuwarten, wo die Reise des Euro-Express hinführt!

Euro-Express – Die Reise ins UnbekannteVon Isabel Berki

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SIMEP spezial

Adrian Pehle hat die Abgeord-neten Moritz Reichmuth, Martin Kohler (beide EKR) sowie Her-mann Winter (ALDE) getroffen und gefragt: Hat der Euro noch eine Zukunft?

Die Zukunft der Gemeinschafts-währung ist unsicher. Einige meinen, dass der Euro keine Zukunft besitze und bald zer-brechen werde, andere dagegen behaupten, der Euro werde weiter funktio-nieren und man solle erst einmal abwarten. Sollten alle Län-der wegen der Eurokrise wieder ihre nationale Währung bekom-men? Experten vermuten, dass es in diesem Fall in Europa große wirtschaftliche und politische Probleme gebe – sollte man ihnen glauben und um den Euro kämp-fen, oder nicht?

Unionsstaaten uneins

Das move-Team interviewte Politiker aus Ungarn, Italien und Polen, die alle verschiedene Antworten auf die Frage hatten, ob der Euro eine Zukunft habe: So will Ungarn auf absehbare Zeit nicht den Euro einführen. Moritz Reichmuth (EKR) zufolge werde Ungarn mindestens bis 2020 wei-terhin den Forint nutzen, da ihnen die momentan kritische Lage des Euro ein Dorn im Auge sei. Auch war er der Meinung, dass der Euro nicht mehr ewig da sein werde.Ganz anders war die Meinung von Hermann Winter (ALDE) aus Italien: „Die EU muss zusam-menhalten, um diese Krise zu überwinden. Und Italien wird den Euro auch weiter nutzen.“Martin Kohler (EKR) stellte für seine Heimat Polen klar: „Wir wollen beim Złoty bleiben, denn wir haben Angst davor, eine Krise

wie in Irland zu erleben.“ Die Po-len würden den Euro nicht haben wollen und so sei es ihnen „auch egal, wie das mit dem Euro weiter geht“.

Hilfsgelder noch einmal überdenken

Das Problem: Momentan benöti-gen immer mehr Länder Geld. So soll Zypern innerhalb der näch-sten drei Jahre zehn Milliarden Euro, Spanien sogar 100 Mil-liarden Euro bekommen. Dadurch könnte sich die Krise vergrößern und dann schwänden auch die Möglichkeiten, den Euro zu retten. Deswegen sind die Abgeordneten des Europäischen Parlaments be-müht, eine tragfähige und lang-fristige Lösung zu finden, um den Euro zu retten.Winter regt an, die Hilfsgelder noch einmal zu überdenken – ob man wirklich so viel Geld den anderen Ländern geben sollte: „Spanien könnte auch mit 80 Mil-liarden Euro auskommen“, glaubt der Parlamentarier, „denn so könnte man die 20 Milliarden in andere Dinge investieren.“

Ein Austritt Deutschlands aus dem Euro – und dann?

Die Simep-Parlamentarier zeigen sich hinsichtlich der Zukunftsaus-sichten des Euro also vorsichtig optimistisch. Was aber wäre, wenn der Worst Case einträte und der Euro in Deutschland nicht mehr zu halten wäre? Das größte Land der Europäischen Union, würde dann wieder die

D-Mark als Währung einführen. Dies hätte Experten zufolge vier Hauptwirkungen:Firmen müssten sich wieder gegen Wechselkursschwankungen absi-chern und hätten somit höhere Transaktionskosten.Preisvergleiche würden wegen sich täglich ändernder Wechselkurse schwerer fallen und so den Wett-bewerbsdruck reduzieren.Während sich die D-Mark bei einem Austritt Deutschlands um 23 Prozent verteuerte, würde der Euro um sieben Prozent ab-werten und somit die deutsche Exportwirtschaft erheblich bena-chteiligen.Einziger Vorteil: Mehr Investi-tionen wären möglich, da Kredite ohne den Euro wahrscheinlich günstiger wären.Auch die Identifikationsfunktion der Gemeinschaftswährung würde in Deutschland wegbrechen – ein großer ideeller Verlust für Europa und ein Rückschritt im eu-ropäischen Einigungsprozess.

Die Eurokrise ist da!Von Adrian Pehle

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SIMEP spezial

Europäischer Datenschutz

Karikatur: Carolin Hagenmaier

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SIMEP spezial

Ohne Laute eine laute Meinung Von Clara List

Niemand weiß richtig, was mit den eigenen Daten im Internet passiert. Bei den sozialen Netzwerken heißt es: Ganz oder gar nicht. Entweder man ist mit der Weitergabe seiner Daten einverstanden oder man meldet sich nicht an – so die schwe-dische grüne Abgeordnete Clara Belz. Aber ist man wirklich so machtlos bezüglich der eigenen Daten? Mit ihren schlanken Fingern formt sie gekonnt Zeichen und bewegt lautlos ihren Mund dazu. Clara Belz ist taubstumm, doch das hält sie nicht davon ab, bei der Simep teilzunehmen. Auch im letzten Jahr war sie bei der Simulation des Europäischen Parlaments dabei. Ich sitze mit ihr an einem Tisch und befrage sie. Zwei Frauen begleiten sie und übersetzen meine Fragen und ihre Antworten in die Gebärdensprache. Als ich mich vorstelle, lächelt sie mich an. „Wir haben den gleichen Namen“, stellt Clara freudig fest. Ihr Blick ist auf-geweckt und sie sieht mich inter-essiert an, während ich ihr erkläre, dass ich sie gerne zu dem Thema Datenschutz befragen würde. Sie formt ihren Daumen und Zeigefinger zu einem Kreis, was in der Gebärdensprache „okay“ bedeutet und ich lege los.

Schwedens Daten sind wie Ikea – für alle zugänglich Clara vertritt das Land Schweden und ist Mitglied der Fraktion Grüne/EFA. Wenn es um den Datenschutz geht, hat sie auch eine klare Meinung von ihrem Land: „Der Datenschutz ist in Schweden viel zu locker, das wurde auch durch die NSA-

Affäre deutlich.“ Die Schweden befürworten Transparenz und Offenheit, deswegen haben sie bis jetzt freien Zugang zu al-len behördlichen Akten. Das Öffentlichkeitsprinzip ist seit 1766 festgeschrieben. Clara sagt, dass es durch die NSA-Affäre einen großen Vertrauensverlust gab, dieser müsse gestoppt werden. Sie wirkt ein bisschen aufgebracht, es scheint, als würde sie etwas an dem Thema sehr stören. Sie fordert, dass die Öffentlichkeit Bescheid wissen solle, was mit den Daten passiert. Außerdem solle begründet werden, warum der Einblick in die Daten so notwen-dig ist.

Das Internet spielt dabei eine große Rolle und auch Clara gibt zu, dass sie gerne Dinge online bestellt. Ihr ist dabei nur wichtig, dass ihre Daten nur im direkten Bezug angewendet werden und nicht an Dritte für Werbezwecke weiterverkauft werden. Aber diese Sicherheit ist nicht gegeben – und genau das soll sich ändern.

Die Entweder-ganz-oder-gar-nicht-Sache Auf meine Frage, ob sie bei ei-nem sozialen Netzwerk Mitglied ist, huscht ein Lächeln über ihr Gesicht. Schließlich bejaht sie meine Frage. Trotz allem gibt sie ihren richtigen Namen bei Facebook an. Clara fährt fort: „Ich habe eingestellt, dass nur meine Freunde mein Profil sehen können.“ Ihr ist der Schutz ihrer Daten sehr wichtig. Ihr Gesicht ist ernst, während sie sagt, dass man verantwortungsbewusst mit seinen Daten im Internet umge-hen sollte. Facebook stellt sie als eine Entweder-Oder-Sache dar,

Foto: Clara List

man muss damit leben können, dass das soziale Netzwerk mit seinen Daten machen kann, was es will, oder man melde sich eben nicht an. Ich kann Claras Meinung dazu nachvollziehen, da auch ich Mitglied bei Facebook bin.

Schließlich bedanke ich mich bei ihr und bei ihren Übersetzerinnen und frage sie, ob ich noch ein Foto von ihr machen kann. Sie ist einverstanden. Bevor ich mich verabschiede, versichere ich ihr noch grinsend, dass ich es auch nicht an Dritte weitergeben werde, woraufhin sie mich anlacht.

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SIMEP spezial

In der Vergangenheit sorgte das soziale Netzwerk Facebook für viele Diskussionen: unter anderem mit dem Gerücht, es würde angeblich die Daten seiner Nutzer verkaufen. Auch auf der Simep war deshalb der Datenschutz ein wichtiges Thema. In einer Befragung stellte sich heraus, dass einige Schüler relativ gedankenlos mit ihrer Privatsphäre umgehen. So herrscht auch auf politischer Ebene noch Uneinigkeit darüber, ob und wie mit dem Schutz persönlichen Daten umgegangen werden sollte.

19 Millionen Deutsche verfügen über ein Profil bei Facebook. Besonders für viele junge Men-schen ist das soziale Netzwerk ein zentraler Ort ihrer Kommunika-tion. Die Angst, sozial ausge-schlossen zu sein, eventuell etwas zu verpassen oder nicht informi-ert zu sein, ist deshalb enorm. Viele Nutzer veröffentlichen unter anderem auch rufschädigende Bilder und persönliche Angaben, ohne die datenschutzrechtlichen Konsequenzen für die betreffen-den Personen zu bedenken. Dass in diesem Zuge möglicherweise

Urheberrechte übertragen werden, verdrängen viele Nutzer oft. Erst wenn es zu spät ist, kommt die Einsicht – oder oft gar nicht.

Eine Kurzumfrage unter den 16-19-jährigen Schülern während der Simep spiegelt diese wenig achtsame Umgangsweise mit persönlichen Daten wieder. „Aber ich passe ja auf, was ich hochlade“, versuchten einige ihre Gedankenlosigkeit zu relativieren. Angesichts dessen, dass das In-ternet bekanntlich nichts vergisst, bleibt Datenschutz in sozialen Netzwerken nichtsdestoweniger problematisch. Zumal: Viele der jungen Leute schätzen die der-zeit geltende Datenschutzricht-linie von 1992 als unzureichend und überholt ein. Reformen des Datenschutzrechts in der EU ste-hen sie deshalb durchaus aufge-schlossen gegenüber. So forderten viele Schüler, die gesetzlichen Beschränkungen zur Speicherung von Informationen und zu ihrer Sammlung zu verschärfen. Oft schlugen die Jugendlichen vor, ein

Recht auf Vergessenwerden im Internet einzuführen. Laut wurde auch der Wunsch nach einer staatlichen Institution, die sich um die Datenweitergabe kümmert und selbst Entschädigungen zahlt, wenn ein Unternehmen die ihr anvertrauten Daten missbraucht. Gleichwohl stellt sich nach wie vor die Frage: Wie soll die Verschärf-ung des Datenschutzes organisiert werden, wenn nicht einmal alle EU-Mitgliedstaaten an dieser in-teressiert sind? So hegt beispiels-weise Irland keinesfalls ein Inter-esse daran, die Datenweitergabe zu stoppen. Damit würde es sich den Ast absägen, auf dem seine Volkswirtschaft sitzt: Immerhin bildet der weitgehend schranken-lose Handel diverser Internet-firmen mit Sitz in Irland die Basis für dessen zeitweise wirtschaftli-che Prosperität. Italien begründet seinen Unwillen, in puncto Daten-schutz tätig zu werden, damit, dass es weitaus wichtigere Probleme gebe.

Legal, illegal, scheißegalEine Kurzumfrage von Lena Schubert

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Wir surfen täglich im Internet, telefonieren und schauen Videos auf YouTube. Wir kommunizie-ren über die Grenzen unseres Heimatlandes hinweg. Wir fühlen uns dabei unbeobachtet und sicher. Doch sind wir in dem weltweiten Netz wirklich sicher? Die Ausmaße der aktuellen Spio-nage- und Abhör-Affäre der NSA und anderer Geheimdienste zeigt die Chronik.

6. Juni 2013Die britische Zeitung „Guardian“ und die „Washington Post“ decken auf, dass die amerikanische Na-tional Security Agency (NSA) seit 2007 die Telekommunikation pri-vater Nutzer und kommerzieller Anbieter im Internet überwacht. Das zentrale Programm ist Prism und bietet weltweiten Datenzug-riff. „Ich will nicht in einer Gesell-schaft leben, die so etwas macht“, begründet der Ex-Geheimdienst-mitarbeiter Edward Snowden seine Enthüllungen gegenüber dem „Guardian“.

7. Juni 2013US-Präsident Barack Obama beruhigt die Öffentlichkeit: Nur Daten zur Dauer der Telekom-munikation würden erhoben. Der Inhalt bleibe geschützt. Die Überwachung diene dem globalen Schutz vor Terroranschlägen.

19. Juni 2013Obama besucht Berlin. Er ver-sucht auch die Deutschen zu beschwichtigen. Merkel bemerkt auf einer Pressekonferenz: „Das Internet ist für uns alle Neuland.“

21. Juni 2013Die USA erheben Anklage gegen Snowden. Ihm drohen möglich-erweise 30 Jahre Haftstrafe. Der britische Geheimdienst überwacht ebenfalls die Telekommunikation.

23. Juni 2013Die USA forderen die Auslief-erung Snowdens. Er bekommt jedoch Asyl in Moskau.

30. Juni 2013Die deutsche Regierung erfährt,

dass sie von den USA abgehört wurde. Der Regierungssprecher Steffen Seibert kommentiert: „Abhören von Freunden, das ist inakzeptabel, das geht gar nicht, wir sind nicht mehr im Kalten Krieg.“

21. Juli 2013Es stellt sich heraus, dass der BND (Bundesnachrichtendienst) und das Bundesamt für Verfassungs-schutz amerikanische Datenpro-gramme benutzen.

12. August 2013Ronald Pofalla erklärt die NSA-Affäre vor dem parlamentarischen Kontrollgremium für beendet.

23. Oktober 2013Merkel und Obama telefonieren. Merkel beschwert sich über die Abhöraktion ihres Handys.

6. Dezember 2013Obama kündigt Beschränkungen in der Praxis der NSA-Aktivitäten an.

Merkel: „Mir selber ist nicht bekannt, wo ich abgehört wurde” Von Eileen Schüler

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Die Außenpolitik der Europäischen Union

Karikatur: Luise Dittrich

“Für Frieden kämpfen”

Schon seit einiger Zeit wird in der Europäischen Union über militärische Kooperationen debattiert: beispielsweise durch die Errichtung einer Europaarmee. Positiv wäre, dass Kosten eingespart werden könnten. Dagegen spricht jedoch, dass sich nicht-europäische Länder bedroht fühlen und dadurch Krieg provoziert werden könnte. Frankreich spricht sich schon seit den 1950er-Jahren für eine Europaarmee aus. Im vergangenen Jahr diskutierten die Außenminister der Mitgliedstaaten erneut darüber. Ein wesentliches Ziel der EU besteht Art. 3 EU-Vertrag zufolge darin, Frieden zu fördern. Eine Europaarmee könnte der Erreichung dieses Ziels jedoch entgegenstehen.

Von Luise Dittrich und Isabel Berki

Page 15: Ausgabe SIMEP² 2013

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SIMEP spezial

Die Europäische Union schreibt sich selbstbewusst De-mokratie, Humanität und Men-schenrechte auf die Fahne, doch ist das wirklich berechtigt? Lais Castro Reis kommentiert die Lage und hört sich bei der Frak-tion Grüne/EFA um.

Seit der Revolution in Syrien herrscht im ganzen Land Krieg, tausende Syrer fliehen nach Europa, wünschen sich eine stabile Regierung und humane Verhältnisse. Staaten wie Griech-enland und Malta können die Flüchtlingsströme logistisch wie finanziell nicht mehr bewältigen und bauen auf Unterstützung der anderen Unionsmitglieder.

Andere EU-Länder berufen sich auf das Dubliner Übereinkom-men, wonach der Staat für den Asylantrag verantwortlich ist, in dem erstmals die EU-Außengren-ze überschritten wurde. So schickt etwa Irland Flüchtlinge einfach nach Italien zurück. Deutschland nimmt zwar Asylbewerber auf, schiebt sie jedoch häufig wieder ab. Länder wie Estland, Lettland und Litauen erklären Demokra-tie und Freiheit aufgrund ihrer Geschichte zu einem Grundstein ihrer Politik, zeigen jedoch wenig Anteilnahme an der Krise im Mit-telmeerraum.

Gemeinsame Lösungen gefragt

Fakt ist: Hierbei handelt es sich um ein akutes Problem, das alle Mitglieder der Europäischen Union betrifft. Daher sollte es nicht hin- und hergeschoben, sondern konkret gelöst werden – beispielsweise mit einem EU-weiten Asylschlüssel, einer Ver-netzung, die die Last unter den Mitgliedern aufteilt und zukunfts-orientierte Maßnahmen ergreift. Nur gemeinsam haben die EU-Mitgliedstaaten spürbares interna-tionales Gewicht und Handlungs-fähigkeit.

Es muss ein gemeinsamer Kurs gefunden werden, der zum einen die Gesetzeslage für die Asylbe-werber klärt, und zum anderen auch die schwächeren Länder entlastet – nur so kann die Zu-kunft der Unionsländer sowie die der Flüchtlinge gesichert werden. Die Flüchtlinge besitzen viel-fach Qualifikationen für den europäischen Arbeitsmarkt, die nicht außer Acht gelassen werden sollten, denn sie sind die Basis für ein menschenwürdiges und selbst-bestimmtes Leben.

Hilfe vor Ort

Der Vorschlag der Fraktion Grüne/EFA zum Umgang der EU mit dem Syrien-Konflikt klingt am

vernünftigsten: Sie befürwortet die Unterstützung der demokratisch-en Kräfte und den Schutz von Zivilisten vor Ort. Eben diese will sie ausschließlich mit lebensnot-wendigen Mitteln, jedoch ohne Waffen, unterstützen. Der Schutz soll mit eigens gestelltem Militär gegeben werden, um den Miss-brauch von Waffen zu vermeiden.

Der Abgeordnete Jonas Laur (Grüne/EFA) zeigte sich verständ-nisvoll: „Würde ein Europäer in solch einer Krisenregion leben, würde er auch fliehen wollen. Demzufolge sehe ich das Flüchten der Syrer als menschlich an und plädiere dafür, dass während des Krieges so viel Schutz wie möglich gewährt wird.“ Darauf sollte sich die Union konzentrieren, so Laur.

Sein Kollege Joris Kanowski springt ihm bei: „Wirklich gelöst werden kann das Flüchtlingspro-blem nur in den Herkunftslän-dern. Trotzdem müssen die Men-schenrechte auch in Auffanglagern eingehalten werden“, fordert er. „Humanitäre Krisen sollten, wenn möglich, vor Ort gelöst werden. Andernfalls fallen die Probleme in Form von illegaler Einwan-derung auf die Europäische Union zurück.“

Flüchten ist menschlichVon Laís Castro Reis

Page 16: Ausgabe SIMEP² 2013

Macht Europa die Schotten dicht? Die EU ist schon seit Jahren bestrebt, den zunehmen-den Wellen an Flüchtlingen Herr zu werden. Tatsache ist auch, dass immer mehr Menschen aus verschiedensten Gründen ihre Heimat verlassen, um in das vermeintliche Paradies Europa zu kommen.

Der Schmelztiegel Mittel-meer sorgt immer wieder für Schlagzeilen von gesunkenen Flüchtlingsbooten: hoffnungslos überfüllt und oft kaum seetaug-lich. Vor allem die Katastrophen vor Lampedusa haben dabei besonders empört und betroffen gemacht. Sicher, das Treiben von Schlepperbanden, die die Notlage der Betroffenen ausnutzen, ist höchst verwerflich und als Ver-brechen an der Menschlichkeit anzusehen. Doch ist es längst bekannt, dass kriminelle Machen-schaften nicht die einzige Ursache für Todesfälle sind.

In dem Zusammenhang ist Fron-tex, die Europäische Agentur für operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, oft in aller Munde. Errichtet 2005 und mit einem Budget ausgestattet, das inzwischen gegen hundert Millionen Euro jährlich geht. Ihre Aufgabe besteht darin, die Mit-gliedstaaten beim Grenzschutz

zu unterstützen. Dabei erweist sie sich mittlerweile vielmehr als autonome Grenzarmee. Berühmt-berüchtigt ist sie insbesondere dafür, Flüchtlinge am Übersch-reiten der EU-Außengrenzen zu hindern. Dass dabei auch einmal ein Schiff in Seenot zur Rückkehr gezwungen wird, bringt die EU-Politiker allerdings nicht dazu, die Grenzsicherung durch Frontex zu überdenken.

Ein weiteres Problem in diesem Zusammenhang ist die soge-nannte Drittstaatenregelung. Ein Asylbewerber muss in dem er-sten Land, das laut EU als sicher gilt, um Asyl werben. Nun gibt

es aber Länder, wie zum Beispiel Griechenland, die aufgrund ihrer geographischen Lage viel größere Flüchtlingsströme zu bewältigen haben als andere. Dass Griech-enland damit überfordert ist, ist anhand der schwachen wirtschaft-lichen Lage wohl einzusehen. Und doch bittet vor allem die deutsche Regierung darum, die Grenz-sicherung zu verstärken. Die seit neuestem diskutierte Lösung: die Flüchtlingsquote. Die Flüchtlinge sollen also solidarisch verteilt werden, was in einer Soli-dargemeinschaft, die die EU nun mal ist, nur logisch klingt. Doch ein Durchbruch dazu ist noch nicht gelungen. Abschottung um jeden Preis, wie sie zur Zeit betrieben wird, scheint allerdings keine Lösung zu sein. Und dennoch ist vor allem Deutschland ein großer Befür-worter von Frontex. Fest steht: Keiner will die Flüchtlinge, jedem sind sie zu teuer. Und wer kein Problem mit ihnen hat, möchte das auch in Zukunft nicht haben. Vor allen ihnen erscheint eine externe Organisation, die sich darum kümmert, schon aus-gesprochen bequem.

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SIMEP spezial

Festung EuropaVon Esther Hemmens

Page 17: Ausgabe SIMEP² 2013

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SIMEP spezial

Boote zerschellen, Menschen ertrinken, der Traum vom para-diesischen Europa verblasst. Das zeigen die dramatischen Bilder, die uns nahezu täglich erreichen – und dabei doch unglaublich weit weg erscheinen. Es gibt zwar viele unterschiedliche Positionen in Europa, doch immerhin steht das Thema auf der Tagesord-nung.

Grenzen auf oder Grenzen zu, so wird das Thema Flüchtlingspolitik in Europa angegangen. Das aber ist weder gerechtfertigt, noch tag-espolitisch betrachtet ausreichend. Schließe man die Grenzen, so häuften sich Tragödien wie die vor Lampedusa. Öffnete man sie jedoch vollständig, würde ein Großteil der Bevölkerung in Panik vor Überfremdung geraten. Wenn also beides keine Alternative ist: Was macht man nun? Momentan drängt sich mir der Eindruck auf, die Devise laute: Nichts tun. Und um den Anschein aufrecht zu er-halten, man kümmere sich um die Problematik, bekämpft man nur die Symptome. Damit bewältigt man jedoch nicht das eigentli-che Problem, nämlich dass die schlechten Lebensbedingungen vor Ort die Menschen weiterhin zur Flucht zwingen.

Hitzige Debatten bei Falafel

Nun ist bei der aktuellen Simep das Thema Flüchtlingspolitik nicht der einzige Schwerpunkt, der debattiert wird. Auch die Zukunft des Euro und der Daten-schutz sind gewichtige Punkte auf der Agenda. Dass aber vor allem die Außenpolitik der eu-ropäischen Staaten im Mittelmeer-

raum für Zündstoff sorgt, zeigen mir die zahlreichen Diskussionen, die auch außerhalb der Länder- und Fraktionssitzungen geführt werden. Sogar bei Geschnetzeltem und Falafel höre ich erhitzte Gespräche – man stimmt mit der Position, die die eigene Simep-Fraktion vertritt, privat wohl häu-fig ganz und gar nicht überein.

So sind die Dänen der festen Überzeugung, Frieden stiften zu wollen, „aber das Ganze ist auch einfach zu weit weg!“ Die Delega-tion aus Österreich ist da ähn-licher Meinung: „Wir sind zwar tolerant, aber Flüchtlinge wollen wir nicht.“ Die schwedischen Simep-Abgeordneten hingegen haben eine ganz besondere Art, mit der Thematik in ihrer Heimat umzugehen: Flüchtlinge bekom-men eine dauerhafte Aufenthalts-genehmigung, finanzielle und sozialstaatliche Unterstützungen werden jedoch nicht gewährt. Hochqualifizierte Arbeitskräfte aus Drittländern heißt das skandi-navische Land hingegen willkom-men.

Auch Irland ist aufgrund seiner geographischen Lage zwar un-beteiligt, äußert sich dafür aber umso deutlicher: „Die Migrations-politik [im Mittelmeer, Anm. d. Red.] interessiert uns nicht wirklich. Uns laufen die Leute seit Jahren nur davon.“

Bulgarien: „Wir werden gar nicht wahrgenommen“

Entgegen der allgemeinen Si-chtweise, dass nur Italien und Griechenland die „Leidtragen-den“ der Flüchtlingsströme sind, melden sich auch Bulgarien, Malta und Spanien zu Wort: „Wir sind betroffen – nicht nur von den Migranten, sondern auch von der

fehlenden Unterstützung. Wir werden gar nicht wahrgenom-men!“, klagen die bulgarischen Abgeordneten.

Die Aussage, die mit dem meisten Beifall bedacht wurde, kam von den Luxemburgern: „Unserer Größe entsprechend können wir 60 Flüchtlinge aufnehmen.“ Auch einige spanische Ver-treter brachten in inoffiziellen Gesprächen den Vorschlag an, die internationale Verteilung der Flüchtlinge mit einer Quote zu regeln. Doch wie soll eine solche Quote definiert werden? Und die viel wichtigere Frage: Nach welchen Kriterien? Es gibt einige Fragen zu klären. Dass das Thema bei der Simep auf der Tagesord-nung steht, ist ein erster Schritt. Doch nun müssen den Fragen Antworten folgen.

„Wir sind zwar tolerant, aber Flüchtlinge wollen wir nicht“ Von Charlotte Gemmeke

Page 18: Ausgabe SIMEP² 2013

Dass wir heute so viele Möglichkeiten haben, interna-tional zu handeln, ist mir erst durch mein Auslandsjahr be-wusst geworden. Die EU hat mir dabei einiges erleichtert.

Au-pair in Frankreich, danach studieren – natürlich mit Aus-landssemester – und Freunde, die verteilt auf der ganzen Welt leben. Vor drei Jahren war das für mich eine andere Dimension und damit unvorstellbar. Ebenso wie das mühsam erlernte Schulenglisch wirklich anwenden zu können. Ich würde heute noch herumrätseln, was ich nach dem Abi machen könnte und wahrscheinlich nie aus Berlin herauskommen, hätte ich mich nicht für ein Aus-landsjahr entschieden. Seitdem ist für mich klar: so viel Interna-tionalität wie möglich. Und das ist nicht schwer in Europa.

Mein Auslandsjahr in Finnland

Warum also die plötzliche Be-geisterung für diesen politischen, kulturellen, internationalen Kram? Was genau hat mein Auslandsjahr dazu beigetragen? Ich habe mein Auslandsjahr nicht in den USA verbracht. Ich war in Finnland. Ich bin aus der Multikulti-Stadt Berlin für elf Monate in den finn-ischen Wald zu einer Großfamilie gezogen. Kulturschock hoch zehn. Ich habe in einer Familie mit neun Kindern gelebt, die zu einer religiösen Minderheit in Finnland gehören, ich musste jeden Tag

eine Stunde zur Schule fahren und der nächste Supermarkt war zehn Kilometer entfernt. Doch dieses Jahr hat mir so viel gebracht und mir – im wahrsten Sinne des Wortes – die Augen für die Welt geöffnet.

Erstens beschränkt sich mein so-ziales Umfeld nicht mehr nur auf meine Klassenkameraden. Es sind viele Menschen aus vielen Län-dern, die mir jetzt Inspiration und neue Ideen geben. Meine finn-ischen Bekanntschaften zählen zu meinen besten Freunden und meine Gastfamilie in Finnland ist mir genauso wichtig wie meine eigene hier in Berlin. Außerdem habe ich die Angst verloren, eine andere Sprache zu sprechen. Ich habe gemerkt, wie unglaublich nützlich Englisch sein kann. Denn am Anfang konnte ich kein Wort Finnisch sprechen, musste mich aber irgendwie verständigen. Und wirklich jeder spricht mind-estens ein paar Sätze Englisch und kann sich dadurch ausdrücken. Ein weiterer Vorteil: Gespräch-sthema Nummer Eins ist nicht mehr Schule. Denn was will man einer finnischen Freundin über die arrogante Tussi aus der Paral-lelklasse erzählen, wenn sie nicht mitreden und das Ganze nachvol-lziehen kann?

Und was hat das mit der EU zu tun?

Indirekt fördern Austausche und Treffen innerhalb Europas, aber

auch international, die Ziele und das Verständnis der EU. Dank des Euro, der in 17 EU-Ländern die offizielle Währung ist, wird das Reisen enorm erleichtert. Das Geldtauschen und Umrechnen in eine andere Währung ist für man-chen schon zu viel und stellt ein Problem dar. Beim Reisen in der EU muss man höchstens darauf achten, dass einige Länder teurer sind als andere.

Außerdem ist die Bereitschaft, sich auf etwas Neues einzulassen, höher, wenn man weiß, dass die Grundwerte dieselben wie im ei-genen Heimatland sind. Man fühlt sich automatisch sicherer, wenn man weiß, dass die Leute in an-deren Ländern prinzipiell genauso ticken wie man selbst. Die EU bietet hierfür Sicherheit durch die einheitlichen Werte, zu denen Demokratie, Schutz von Min-derheiten sowie Schutz der Men-schenrechte gehören. Trotzdem ist noch viel Platz für Unterschiede in Denkweise und Weltansichten.

Das Entdecken dieser Unter-schiede macht die bunte, kul-turelle Vielfalt aus und gibt viel Stoff zum Lachen und Nachden-ken. Ein weiterer Vorteil der EU: der Binnenmarkt. Wenn man in einem ausländischen Supermarkt bekannte Produkte entdeckt, ruft das sofort ein heimisches Gefühl hervor. Dadurch entsteht eine offene Haltung Anderem und Neuem gegenüber. Die EU erleich-tert nicht nur die Möglichkeit, sich mit anderen Nationen und Kulturen vertraut zu machen – der Austausch fördert ein ganz wich-tiges Ziel der EU: Frieden. Denn Menschen aus unterschiedlichen Ländern bringt man automatisch mehr Respekt und Toleranz ent-gegen. Dann sind oberflächliche Werte wie das Aussehen nicht

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Europa, ich mache mit! Austausch fördert den Glauben an Europa Von Julia Nauck

Page 19: Ausgabe SIMEP² 2013

move Magazin 19

SIMEP spezial

Von Syrien bis Ghana, von Pakistan bis Mali: In der EU wird Flüchtlingspolitik häufig im Sinne von Abschottung debat-tiert und bürgerliche Gruppen schließen sich den NPD-Pro-testen gegen Asylbewerberheime an. Da haben sich vier Berliner Studenten dem Thema auf un-konventionelle Weise angenom-men: Kulturelle Annäherung geht hier durch den Magen.

„Über den Tellerrand kochen“ heißt ihr Buch, das seit einigen Tagen in ausgewählten Buchhand-lungen erhältlich ist.

Die Autoren haben 21 Flüchtlinge aus 14 Ländern getroffen, um gemeinsam zu kochen. Das so entstandene Buch ist eine Kreu-zung aus Kochbuch und biograf-ischen Porträts. Da ist Tarek aus Syrien, der sein Medizinstudium in Deutschland aufgab, um Hilfs-leistungen für seine Landsleute zu organisieren. Ohne gültige Immatrikulation verlor er seinen Aufenthaltsstatus und musste Asyl beantragen. Und da ist Senija, die mit ihren Kindern aus Bos-nien gekommen ist, um ihrem an Hepatitis erkrankten Sohn eine medizinische Versorgung zu

gewährleisten. Zu Hause fehlen dafür die Möglichkeiten.

Neben seiner Geschichte teilt jeder Flüchtling sein Lieblingsrezept zum Nachkochen – von scharf bis süß, ob Studentenküche oder Festtagsgericht. Dazu bietet das liebevoll illustrierte Buch eine Erk-lärung der in Deutschland weniger bekannten Zutaten – ein kuli-narischer Beitrag zur Völkerver-ständigung.

„Über den Tellerrand kochen“. In ausgewählten Berliner Buch-handlungen. 15 Euro.

Kulinarische VerständigungBuchtipp von Daniela Stoltenberg: „Über den Tellerrand kochen“

mehr so wichtig. Was zählt, ist der Inhalt.

Chancen der Internationalität

Das ist vielleicht das wichtigste, was ich in meinem Auslandsjahr gelernt habe: Respekt gegenüber anderen Menschen. Egal aus

welchem Land, egal welche Reli-gion, egal welche Weltansicht – man kommt mit jedem Menschen klar, kann sich unterhalten und Spaß haben. Deshalb mein Appell an euch: Nutzt die Möglichkeiten, die euch angeboten werden. Nicht nur, weil es das europäische Ver-ständnis fördert, sondern weil für

euch auch unvergessliche persön-liche Erlebnisse dabei heraus springen werden. Und übrigens: Ich habe mindestens genauso viel Neues über Deutschland wie über Finnland erfahren.

Page 20: Ausgabe SIMEP² 2013

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5 move Magazin20

SIMEP spezial

Herausgeber: Junge Europäische Bewegung Berlin-Brandenburg e.V. Sophienstraße 28-29, D-10178 Berlin

Chefredakteur: Alexander Steinfeldt ([email protected])

Redaktion: Isabel Berki, Laís Castro Reis, Luise Dittrich, Charlotte Gemmeke, Carolin Hagenmaier, Esther Hemmens, Clara List, Julia Nauck, Adrian Pehle, Lena Schubert, Daniela Stoltenberg, Heinz Tönnies, Dennis Waltz, Christine Zeides

Fotos ohne Kennzeichnung: Christian Weickhmann

Druck: Copy House/dbusiness.de GmbH

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