+ All Categories
Home > Documents > Archivar 03 2008 Internet

Archivar 03 2008 Internet

Date post: 01-Jan-2016
Category:
Upload: medium67
View: 232 times
Download: 1 times
Share this document with a friend
Description:
Zeitschrift für Archivwesen
114
AR CHI VAR 03 61. Jahrgang G 4914 Juli 2008 Heft Herausgeber Landesarchiv Nordrhein-Westfalen VdA – Verband deutscher Archivarinnen und Archivare e.V. Zeitschrift für Archivwesen Archive in Erfurt Controlling leicht gemacht Archivgut als Vermögen? Die Pressedokumentation des Deutschen Bundestages
Transcript

ARCHIVAR

0361. Jahrgang G 4914

Juli 2008 Heft

Herausgeber Landesarchiv Nordrhein-Westfalen VdA – Verband deutscher Archivarinnen und Archivare e.V.

Zeitschrift für Archivwesen

Archive in Erfurt

Controlling leicht gemacht

Archivgut als Vermögen?

Die Pressedokumentation des DeutschenBundestages

226

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

EDITORIAL 227

AUFSÄTZE 228Archive in Erfurt 228Controlling leicht gemacht 237Archivgut als Vermögen? 248Die Pressedokumentation des Deutschen Bundestages 254

ARCHIVTHEORIE UND PRAXIS 26240 Jahre Hochschularchiv der RWTH Aachen . Die Novellierung des Hessischen Archiv-gesetzes . Paradigmenwechsel: Von Papritz zu ISAD(G) und EAD . Überlieferungsbildungbei personenbezogenen Unterlagen . SED-Bezirksparteiarchive Schwerin und Neubranden-burg . EU-Projekt MICHAEL Plus . Kooperationsprojekt „Digitales Archiv Thüringen“ .

Einführung eines Geographischen Informationssystems (GIS) im Landesarchiv Baden-Württemberg . Das Landesarchiv Baden-Württemberg als Kooperationspartner im EU-ProjektBernstein – The Memory of Papers . DFG-Projekt „LBA online“ . Aus den Akten auf die Bühne .

Workshop „Archivfachliche Zeitschriften“ . 65. Fachtagung Rheinland-Pfälzischer und Saar-ländischer Archivarinnen und Archivare . Mitteldeutscher Archivworkshop im UniversitätsarchivLeipzig . Das Japanische Nationalarchiv

LITERATURBERICHTE 300

MITTEILUNGEN UND BEITRÄGE DES LANDESARCHIVS NRW 310Erschließung - Bereitstellung - MagazinverwaltungEntwicklung und Einsatz von V.E.R.A. im Landesarchiv NRW 310Verwaltungsmodernisierung im Landesarchiv Nordrhein-Westfalen 318

MITTEILUNGEN DES VdA 326Frühjahrstagungen der Fachgruppe 8 im VdA 2005 - 2008 32679. Deutscher Archivtag 2009 Call for Papers 329Aktuelle Mitteilungen des VdA 331

PERSONALNACHRICHTEN 332

NACHRUFE 335

KURZINFORMATIONEN, VERSCHIEDENES 336

IMPRESSUM 338

INHALT

227

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

EDITORIALLLiebe LLeserinnen uund LLeser, lliebe KKolleginnen uund KKollegen,

beim Aufblättern der ersten Seiten dieses Heftes stoßen Sie auf eine gute, alte Tradition, die wir auch im neuenARCHIVAR fortführen möchten: Hier wird den Erfurter Archiven als Gastgebern des diesjährigen deutschen Archiv-tags die Gelegenheit gegeben, sich in Wort und Bild vorzustellen. Wir hoffen, dass die Lektüre Ihr Interesse an einemBesuch des Archivtags in der thüringischen Landeshauptstadt weckt.

Daneben ist natürlich auch das Juli-Heft einem Schwerpunktthema gewidmet, das in diesem Fall Archivarinnen undArchivare in doppelter Weise betrifft. In ihrer täglichen Arbeit müssen sie sich in vielfältiger Weise mit Modernisie-rungsprozessen auseinandersetzen: Etwa im Hinblick auf Organisations- und Aufgabenveränderungen bei ihremArchivträger, deren Folgen das Archiv dann in Form zunehmender Anforderungen im Bereich Bewertung undÜbernahme erreichen, oder angesichts einer stetig zunehmenden Zahl elektronischer und elektronisch unterstützterVerwaltungsverfahren.

Zugleich sind Archive aber auch selbst als Teil einer größeren Organisation, einer Verwaltung oder eines Unterneh-mens beispielsweise, in Modernisierungsprozesse eingebunden. Sie wirken z. B. als Pilotbehörden bei der Einführungneuer Steuerungsinstrumente mit oder nutzen für ihre Aufgabenerledigung die verschiedenen Formen elektronischerVorgangsbearbeitung. Speziell mit dieser zweiten, aktiven Rolle der Archive auf dem Gebiet der Verwaltungsmoderni-sierung beschäftigt sich das vorliegende Heft.

„Controlling leicht gemacht“ lautet der Titel des Beitrags von Burkhard Nolte, in dem er den Nutzen der Prozess-kostenrechnung und der Balanced Scorecard für Archive beschreibt. Mit der Frage „Archivgut als Vermögen?“, diesich vielen Archiven im Zusammenhang mit der Einführung einer Vermögensrechnung stellt, befasst sich MelanieBücker. Auch der Überblick über Entwicklung und Perspektiven in der Pressedokumentation des Deutschen Bundes-tages von Gerhard Deter weist angesichts der darin geschilderten, z. T. komplett elektronischen Workflows Bezügezum Schwerpunktthema auf. In den Mitteilungen und Beiträgen des Landesarchivs NRW berichten Kordula Atter-meyer sowie Anke Hönnig, Johannes Burkardt und Mechthild Black-Veldtrup über Projekte und Instrumente derVerwaltungsmodernisierung im Landesarchiv.

Bei genauerem Hinsehen werden Sie feststellen, dass auch die Mehrzahl der Beiträge in der Rubrik „Archivtheorieund Praxis“ in irgendeiner Weise Bezüge zum gewählten Schwerpunktthema bietet: Aus unserer Sicht ein deutlicherHinweis darauf, wie wichtig die aktive wie passive Einbindung in diese Prozesse für Archive geworden ist.

Herzlichst, Barbara Hoen, Robert Kretzschmar, Wilfried Reininghaus,

Ulrich Soénius, Martina Wiech, Klaus Wisotzky

228

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

AUFSÄTZE

DAS STADTARCHIV ERFURT

Im August 2008 wird eine neue Beständeübersicht des StadtarchivsErfurt, die die von Fritz Wiegand stammende aus dem Jahre 1962ablöst, erscheinen. Darin wird neben der Beschreibung der Bestän-de eine ausführliche Geschichte des Archivs bzw. der Archive derStadt Erfurt enthalten sein. Das Folgende bietet einen gerafftenÜberblick.In einem Notariatsinstrument aus dem Jahre 1481 ist erstmals vonsecretario sive archivis consulatus Erffordensis die Rede. Als Archivim eigentlichen Sinne wurden damals wohl nur die besonderswertvollen Privilegien, die Kaiser, Könige und Landesherren ausge-stellt hatten, betrachtet. Diese Urkunden dürften sich schon im 15.Jahrhundert in dem großen Rathausturm befunden haben. ErsteVerluste scheinen im „Tollen Jahr“ 1509/10 eingetreten zu sein. Um1590 ließ der Rat das Ratsarchiv im Kämmereiturm neu verzeich-nen. Gleichzeitig entstand ein noch heute vorhandenes Findbuch,das im Wesentlichen Urkunden, aber auch Schriftverkehr undandere Akten verzeichnet. Von den umfänglichen Amtsbuchserienbefand sich damals nichts in diesem Archiv. Die Unterwerfung der Stadt unter die Landesherrschaft von Kur-mainz im Jahre 1664 bedeutete für das Archiv der Stadt einenerneuten Einschnitt. 1671 ließ die kurmainzische Regierung diestädtischen Urkunden verzeichnen. Aus den letzten Jahrzehnten des17. Jahrhunderts und den ersten Jahrzehnten des 18. Jahrhundertserfahren wir fast nichts über das alte Archiv des Rates und dieanderen Reposituren, in denen alte städtische Unterlagen verwahrtwurden. Dadurch dass nach 1664 viele Kompetenzen von kurmain-zischen Behörden übernommen worden waren und sich der Stadt-rat das Rathaus mit den kurmainzischen Behörden teilen musste,trat eine erste Vermischung von städtischen und landesherrlichenVerwaltungsunterlagen ein.Erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts widmete man sich in verstärk-tem Maße den Fragen der Schriftgutverwaltung. Die Abgrenzungzwischen lebenden Registraturen und archivischen Ablagen warjedoch, wie die Quellen erkennen lassen, verwischt, auch bestand

im Erfurter Rathaus keine räumliche und keine ausgeprägte sachli-che Scheidung zwischen kurfürstlichen und rätlichen Dienststellen. Die Jahre nach 1800 bedeuteten einen schwerwiegenden Einschnittin die ohnehin geradezu verschwimmenden Züge des ErfurterArchivwesens. Die Auflösung zahlreicher kurmainzischer undstädtischer Dienststellen war von der Verschiebung großer Akten-massen begleitet, was manche Unordnung auslöste. Das, was alskurmainzisches Regierungsarchiv einschließlich vieler städtischerArchivalien im Rathaus lag, wurde 1803 nach Heiligenstadt ge-schafft und 1808 in heillosem Zustande nach Erfurt zurückge-bracht.Die von der Regierung zu Erfurt 1818 erlassene Geschäftsanweisungfür den Magistrat legte fest, dass der Magistrat das städtische Archivund die Grund- und Lagerbücher, Geschoß-, Erbzins- und sonstigenHeberegister und Contobücher zu bewahren habe. Der Ordnungszu-stand war noch zu diesem Zeitpunkt beklagenswert.1822 ließ die Regierung zu Erfurt Rechnungsbände und Rech-nungsbelege, vorwiegend kurmainzischer, teilweise auch städtischerProvenienz, die bis dahin teils im Rathause, teils im Regierungsge-bäude gelegen hatten, als Makulatur verkaufen. Große Teile dessogenannten Regierungsarchivs, des Archivs der KöniglichenRegierung zu Erfurt, wurden 1827 ins Provinzialarchiv nach Mag-deburg verbracht. Darunter befand sich viel Schriftgut städtischerProvenienz, vor allem zahlreiche Urkunden und Amtsbücher. Mehr und mehr wuchs nun auch beim Magistrat der Sinn fürGeschichtliches und damit die Hinwendung zu seinem Archiv.Einen positiven Einschnitt bedeutete 1864 der Beginn des Wirkensdes ehemaligen Direktors des Provinzialarchivs zu Koblenz, Hein-rich Beyer, eines gebürtigen Erfurters. Im Rückblick erscheint diesals Beginn des seither nicht unterbrochenen Bestehens des Stadtar-chivs in seiner im wesentlichen auch heutigen Gestalt. BeyersVerzeichnungstätigkeit mündete in ein Findbuch zu den Urkundenund ein Findbuch zu den Akten. Unter den Akten hatte Beyerallerdings weitgehende Kassationen vorgenommen. Mit sehr vielgrößerer Zielstrebigkeit als in früheren Zeiten wurden nun Über-nahmen getätigt, auch von privater Seite. Nach Beyers Weggang

ARCHIVE IN ERFURT

Stadtansichten und Negative auf. Nachdem 1943 Dr. Erich Wie-mann, der Nachfolger des 1940 gefallenen Schnellenkamp, eingezo-gen worden war, folgten acht Übergangsjahre mit provisorischenLösungen. Diese endeten, als 1951 Fritz Wiegand das Archiv über-nahm.Wiegand (1951-1970/75) traf auf einen erheblichen Verzeichnungs-stau. Auch harrten große Aktenmengen der Übernahme. Wiegandübernahm in den ersten Jahren die umfangreiche Altregistratur. Ein1951 innerhalb des Stadtarchivs eingerichtetes „Verwaltungsarchiv“wurde schon 1954 wieder ausgegliedert. Die 1934 gegründete„Stadtbildstelle“ hatte seit 1941 konsequent Erfurt-Bilder gesam-melt. 1953 wurde dieses Bildarchiv ins Stadtarchiv eingegliedert.Die unter Wiegand eifrig betriebene Verzeichnungstätigkeit ließzahlreiche Findmittel entstehen. Die Tektonik, die bis dahin unklarund verschwommen war, wurde 1957 endgültig festgelegt. In den Jahren 1975 bis 1990 standen Verzeichnungsarbeiten an nach1945 erwachsenem Schriftgut im Vordergrund. Das 1954 aus demStadtarchiv Erfurt herausgelöste Verwaltungsarchiv wurde 1979wiederum mit diesem vereinigt. Die Umwälzung der städtischen Verwaltungsstrukturen ab 1989führte innerhalb kurzer Zeit Unmassen von Schriftgut ins Stadtar-chiv. Später versetzte die Neigung der städtischen Dienststellen, sichihrer Akten sehr rasch zu entledigen, das Sachgebiet Verwaltungsar-chiv des Stadtarchivs mehr und mehr in die Rolle einer zentralenstädtischen Altregistratur. Das Ende der staatlich gelenkten Wirt-schaft ließ Schriftgut mehrerer Betriebe und Genossenschaften insStadtarchiv gelangen, wofür ein eigener Wirtschaftsbestand ange-legt wurde. Insgesamt gesehen hat weniger Wirtschaftsschriftgutins Stadtarchiv gefunden als wünschenswert gewesen wäre, auchanderes als das, was gemäß der zu DDR-Zeiten aufgestellten No-menklatur dem Stadtarchiv als Endarchiv zugedacht war. BewussteVernichtung hatte 1989/1990 insbesondere im Bereich der Massen-organisationen „reinen Tisch“ gemacht. Die Eingemeindung von 18Gemeinden des bisherigen Kreises Erfurt-Land brachte 1994 und inden Jahren danach große Mengen von Schriftgut ins Stadtarchiv.Nach der Aufhebung der Medizinischen Akademie Erfurt zum 1.

229

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

Stadtarchiv Erfurt

nach Stolberg und einer Übergangszeit übernahm 1882 mit Dr. CarlBeyer einer von Heinrich Beyers Söhnen die Archivleitung. Seinewissenschaftliche Tätigkeit, vor allem die Edition der beiden Bändedes „Urkundenbuchs der Stadt Erfurt“, ließ ihn jedoch kaum zuOrdnungs- und Verzeichnungsarbeiten gelangen. Nach Beyers frühem Tode übernahm 1901 Dr. Alfred Overmann dieArchivleitung. Overmann hatte im elsaß-lothringischen, dann impreußischen Archivdienst gestanden, zuletzt am Staatsarchiv Mün-ster. In den ersten Jahren seiner Amtstätigkeit stand der Bestands-ausgleich mit dem Staatsarchiv Magdeburg im Vordergrund. DerAusgleich wurde auf der Grundlage des Provenienzprinzips durch-geführt und brachte gegen 3.000 Urkunden, zahlreiche Amtsbücherund auch Akten nach Erfurt zurück. Der Archivalienaustausch warerst 1919 beendet. Im Gegenzug musste das Stadtarchiv Erfurt allesvon ihm besessene Schriftgut aus der erzbischöflichen (kurmainzi-schen), der französischen und der preußischen Verwaltung undalles Schriftgut aus Erfurter Klöstern und Stiften nach Magdeburgausfolgen. Bezüglich des archivalischen Schriftguts der ErfurterUniversität wurde das Jahr 1664 als Trennjahr zwischen städtischerund landesherrlicher Provenienz anerkannt. In wie starkem MaßeErfurter Archivgut entfremdet worden war, ersieht man daran, dassOvermann Schriftgut aus den Staatsarchiven Weimar, Arnstadt undWolfenbüttel und aus der Wolfenbütteler Bibliothek erwerbenkonnte. 1933 fand ein Bestandsausgleich mit dem Domarchiv zuErfurt statt: Das Domarchiv gab unter anderem Schriftgut derErfurter Universität ab und erhielt dafür ins Stadtarchiv Erfurtversprengtes Schriftgut des Marienstiftes und des GeistlichenGerichts Erfurt. In der Zeit von Overmanns Amtsführung wurdefast alles bildliche Material, das ins Stadtarchiv gelangt war, ansstädtische Museum abgegeben. Die Folge davon war, dass man 25Jahre später mit dem Sammeln von Bildgut neu ansetzen musste.Die Amtszeit von Dr. Werner Schnellenkamp (1935-1940) war durchumfangreiche Übernahmen aus städtischen Registraturen unddurch Erwerb von Innungs- und Vereinsschriftgut geprägt. EineAbteilung „Stadtaufnahme“ wurde 1936/37 neu angelegt. Sie nahmLichtbildaufnahmen beseitigter bzw. gefährdeter Baudenkmäler,

230

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

AUFSÄTZE

(Internationale Zusammenarbeit) in einem gemeinsamen Referatvereinigt sind. In der Landtagsbibliothek sind drei Mitarbeiterinnendes gehobenen Dienstes und ein Azubi beschäftigt. Es werden zurZeit ca. 37.200 Bände, 161 laufende Zeitschriften sowie 260 Lose-blattwerke für die Parlamentsarbeit vorgehalten.Die Arbeiten der Parlamentsdokumentation und des Landtagsar-chivs bewältigen neben dem Referatsleiter, Herrn Dr. Mittelsdorf,zwei Mitarbeiterinnen des gehobenen Dienstes.Die folgenden Ausführungen beziehen sich, speziell für dieseVeröffentlichung, auf die beiden letztgenannten Arbeitsgebiete:

Archiv Das Thüringer Landtagsarchiv ist ein sehr junges Archiv, beganndoch die Übernahme der ersten Akten erst 1990/1991 (die Unterla-gen der Vorläufer-Landtage zwischen 1919/20 und 1933 sowiezwischen 1946 und 1952 befinden sich im Thüringischen Haupt-staatsarchiv Weimar).Grundlage der Arbeit des Thüringer Landtagsarchivs bildet dasThüringer Archivgesetz vom 23. April 1992 (GVBl. Thür. 1992, Nr. 10,S. 139-143). Darin heißt es in § 8 Abs. 2: „Der Thüringer Landtagunterhält ein eigenes Archiv und regelt die Archivierung undBenutzung der bei ihm entstandenen archivwürdigen Unterlageneigenständig nach Maßgabe dieses Gesetzes.“ Dies bedeutet, dass –im Gegensatz zu den o. a.Vorgängerarchiven – dem heutigen Land-tagsarchiv der Status eines „Endarchives“ zugewiesen wurde. Eine Archivordnung des Landtags vom 21. November 1994 regelt inerster Linie die Benutzung, abgestimmt mit der Geschäftsordnungdes Thüringer Landtags vom 19. Juli 1994 (Neubekanntmachung inDrucksache 4/2). Grundlage für die Schriftgutverwaltung resp.Archivierung bildet ein verbindlicher Aktenplan.Übernommen sind bisher nahezu vollständig das dienstlicheSchriftgut der Landtagsverwaltung aus den ersten drei Wahlperi-oden resp. Teile der gegenwärtigen 4. Wahlperiode. Das Schriftgutder im Landtag vertretenen Fraktionen ist davon unberührt, dennes wird von ihnen eigenständig in Altregistraturen verwahrt, umspäter in die zuständigen Stiftungsarchive einzufließen.Der Gesamtumfang, der tektonisch nach Wahlperioden geglieder-ten Bestände, beläuft sich momentan auf 576 lfm. Zwei größereMagazinräume, eingerichtet nach modernen Lagerungs- undBrandschutzgesichtspunkten, nehmen das Schriftgut in Rollregal-anlagen mit Archivgutbehältern zur stehenden Ablage auf.Eine innere Bestandsbearbeitung durch Bewertung des Aktenmate-rials hat bisher noch nicht begonnen, ist aber ab 2009 in der 5.Wahlperiode geplant. Die Bestandsdaten sind im Thüringer Archiv-portal (www.archive-in-thueringen.de) eingestellt (vgl. Archive inThüringen, Mitteilungsblatt 2/2007, S. 28).

Parlamentsdokumentation Noch bevor die erste Akte an das Landtagsarchiv abgeliefert wurde,musste das fachlich nahe liegende Arbeitsgebiet „Parlamentsdoku-mentation“ aufgebaut werden. Hierbei ging es von Beginn an(1990) um die komplette digitale Erfassung sowohl der Parlaments-dokumente (Parlamentaria) als auch der Erschließungsdaten. Dienach formalen und inhaltlichen Kriterien zu bearbeitenden Doku-mentenarten sind:– Gesetz- und Verordnungsblatt für Thüringen– Drucksachen– Plenarprotokolle– Ausschussprotokolle und– Ausschuss-Vorlagen.

Januar 1994 wurde deren Archiv vom Stadtarchiv Erfurt übernom-men. Daneben floss nun in viel stärkerem Maße, als dies zuvormöglich gewesen war, Schriftgut aus privater Hand dem Stadtarchivzu. Vor allem die Zahl der Nachlässe wuchs stark an. Die Öffentlichkeitsarbeit wurde insbesondere durch Ausweitungder Ausstellungstätigkeit geprägt. Für die Mehrzahl der Beständeliegen heute digitale Findmittel vor. Das Stadtarchiv Erfurt verwahrt derzeit (Stand: 31. Dezember 2006)8.775 – vorwiegend mittelalterliche – Urkunden, 5.346 laufendeMeter Akten- und Amtsbuchschriftgut (davon 1.626 lfm, teilweisebis vor 1939 zurückreichend, im Verwaltungsarchiv), darunterbefinden sich etwa 85 Nachlässe, 73 lfm Wirtschaftsschriftgut imEndarchiv, 30 lfm Vereinsschriftgut. Etwa 20.113 Bauzeichnungensind vorhanden. Die Dienstbibliothek umfasst 23.683 Bände.Nach fast 130-jähriger Nutzung seiner 1876 bezogenen Rathausräu-me hat das Stadtarchiv 1994 das Rathaus verlassen und ist in dasGebäude Gotthardtstraße 21 umgezogen. Dort war erstmals seitlangem alles Archivgut wieder unter einem Dach vereinigt.

DIE ENTWICKLUNG DES THÜRINGERLANDTAGSARCHIVS IM RAHMEN DERPARLAMENTARISCHENINFORMATIONSDIENSTE (1990 - 2008)

Ein Ergebnis der „friedlichen Revolution“ im Osten unseres Vater-landes war auch die Wiedergründung des Freistaats Thüringen perEinigungsvertrag und Ländereinführungsgesetz vom 22. Juli 1990(GVBl. Teil I, Nr. 51).Diesem dritten Anlauf zur Bildung eines Landes Thüringen im 20.Jahrhundert (nach 1920 und 1946) folgt am 14. Oktober 1990 dieerste demokratische Landtagswahl seit vielen Jahrzehnten undgemäß den damaligen Wahlergebnissen die Konstituierung am 25.Oktober 1990 an historischer Stätte im Weimarer Nationaltheater.Die damit beginnende parlamentarische Arbeit wurde in der Folgeaber in der Landeshauptstadt Erfurt, Jürgen-Fuchs-Straße 1, fortge-setzt. Gegenwärtig arbeitet das Landesparlament in der 4. Wahlpe-riode ca. 1 Jahr vor den Wahlen zum 5. Thüringer Landtag.Den 88 gewählten Volksvertretern (45 CDU, 28 DIE LINKE, 15SPD) zur Seite gestellt ist, wie in den anderen 15 Landesparlamen-ten, eine Landtagsverwaltung. Als deren Bestandteil wurden vonBeginn an, auch die sog. drei „klassischen Säulen“ der Parlaments-Informationsdienste aufgebaut:1. Landtags-Bibliothek2. Parlamentsdokumentation3. Landtags-Archiv.Diese drei Arbeitsgebiete sind organisatorisch in zwei Sachgebietegegliedert, die seit 1. August 2007 mit einem dritten Sachgebiet

Rudolf Benl

Stadtarchiv ErfurtGotthardtstraße 21, 99084 ErfurtTel. 0361-655-2901, Fax 0361-655-2909E-Mail: [email protected]: www.erfurt.de (dort umfangreiche Beständeübersicht).

Mit Ausnahme der Ausschuss-Vorlagen existieren alle anderengenannten Dokumentenarten in elektronischer Fassung. Für diedokumentarische Erschließung haben die Landtage Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen gemeinsam mit der HamburgischenBürgerschaft im „Dreierverbund“ ein gemeinsames Softwarepro-gramm „Dokrates“ entwickelt und betreiben dieses nunmehr in derachten überarbeiteten Version schon seit mehreren Jahren erfolg-reich. Die dadurch ereichten Synergieeffekte – in fachlich/dokumen-tarischer und nicht zuletzt finanzieller Hinsicht – liegen auf derHand. Seit Februar 2002 ist auch eine gemeinsam entwickelteInternetversion in Dienst gestellt worden (www.parldok.thuerin-gen.de). Damit ist für externe Nutzer weltweit die Möglichkeitgeschaffen worden, sowohl Einzeldokumente als auch parlamenta-rische Vorgänge einsehen und nachvollziehen zu können.Welcher immense Arbeitsaufwand bei der Formal- und Inhaltser-schließung der Parlamentaria zu bewerkstelligen ist, verdeutlichendie, in nachfolgender Zusammenstellung ausgewählten, statisti-schen Daten:

Für jedes Dokument werden ca. 10 Formaldaten (z. B. Dok.-Nr.,Titel, Datum, Autor, Umfang etc.) und max. vier verschiedeneInhaltskriterien erfasst und in die Software-Datenmaske einge-speist. Hauptinhaltskriterium ist dabei die Vergabe von Deskripto-ren. Diese Deskriptoren werden aus einem für alle 16 Bundesländer

vorgegebenen einheitlichen Thesaurus „Parthes“ ausgewählt. Fürregionalbezogenes Wortgut können sog. „Anthes-Begriffe“ verwen-det werden.Ein wesentlicher Gesichtspunkt für die Parlamentsdokumentationist die vorgangsorientierte Erschließung, d. h. der parlamentarische„Schicksals“- Weg von der Einbringung bis zur Verabschiedung,kann im Nachhinein genauestens nachvollzogen werden. FürRecherchen können alle o. a. Datenfelder wahlweise miteinanderkombiniert werden. Nicht zuletzt ist durch die Parlamentsdoku-mentation eine tagaktuelle Statistik (siehe Tabelle oben) möglich.Am Ende jeder Wahlperiode wird ein Register (Sachregister alpha-betisch nach vergebenen Deskriptoren und Sprechregister alphabe-tisch nach Abgeordneten) hergestellt.Perspektivisch stellen sich für die Arbeitsgebiete Parlamentsdoku-mentation und Landtagsarchiv – neben dem Beginn der innerenBestandsbearbeitung – weitere Aufgaben, von denen hier genanntwerden sollen:– Überführung der ältesten Teile der zentralen Registratur

in das Landtagsarchiv, sowohl „körperlich“ der Papierdokumen-te als auch elektronisch der Nachweisdaten.

– Aufbau einer Abgeordneten-Datenbank – rückwirkend bis zur1. Wahlperiode.

Ergänzend ist noch zu erwähnen, dass im Rahmen dieser Vorstel-lung einer Erfurter Bibliotheks-, Archiv- und Dokumentationsein-richtung dem Referatsleiter die Redaktionsleitung der Landtagsrei-he: „Schriften zur Geschichte des Parlamentarismus in Thüringen“(bisher sind 26 Bände erschienen) obliegt.

231

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

Harald MittelsdorfThüringer Landtag, Verwaltung, Referat B 5Jürgen-Fuchs-Str. 1, 99096 ErfurtTel. 0361-377 2060, Fax 0361-377 2016E-Mail: [email protected]: www.parldok.thueringen.de

Landtagsarchiv

232

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

AUFSÄTZE

melden, wo es sich anfangs befand, darf seine Unterbringung inden Klostergebäuden, wohl in unmittelbarer Nachbarschaft zumSitzungszimmer des Ministeriums, ab der zweiten Hälfte des 16.Jahrhunderts als sicher gelten.1646 stiftete die evangelische Geistlichkeit zu ihrem eigenen Ge-brauch eine vornehmlich mit Titeln aus der Theologie, Philosophie,Geschichte und den Philologien bestückte Büchersammlung, diekurz nach ihrer Gründung in das Obergeschoss des Bibliotheksge-bäudes im Augustinerkloster einzog.4 Wie ein aus dem Jahr 1750stammendes Verzeichnis der Documente und Briefschaften, welche inder Ministerialbibliothek zu finden sind,5 ausweist, wurden in denRäumlichkeiten der Bibliothek auch die Akten des EvangelischenMinisteriums aufbewahrt. Diese Einheit von Bibliothek und Archivbestätigt 1820 ein preußischer Inspektionsbericht,6 dem zufolge sichdie auf das evangelische Kirchen- und Schulwesen Erfurts bezügli-chen Akten und Urkunden in der Bibliothek des EvangelischenMinisteriums befanden. Bis zur kriegsbedingten Auslagerung vonArchiv- und Bibliotheksbestand 1944 blieb diese Situation unverän-dert. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die beiden Institutionenwieder unter dem Dach des Augustinerklosters vereint.Während die Struktur des Bibliotheksbestandes anhand der alpha-betischen und systematischen Kataloge vor Ort, gedruckter Ver-zeichnisse aus dem 19. Jahrhundert7 sowie von Überblicks- undEinzeldarstellungen zu verschiedenen Sachgruppen8 leicht nachvoll-ziehbar ist, fehlen – von einem 1934 durch Alfred Overmann ange-legten und von Heinrich Behr 2002 ergänzten und aktualisiertenFindbuch abgesehen – derartige erschließende Beschreibungen zumArchiv.9

Den Bestand untergliederte Overmann in ein Altes (16.-18. Jahrhun-dert) und ein Neues Archiv (ab dem 19. Jahrhundert), wobei sichdie Einteilung an der historischen Zäsur des Reichsdeputations-hauptschlusses orientiert, in dessen Folge auch die Verfassung unddie Kompetenzen des Evangelischen Ministeriums Veränderungenunterworfen waren.10 Die im älteren Archivteil zusammengefasstenAkten beziehen sich u. a. auf Visitationen, Personalia, Angelegenhei-ten in casus matrimonialibus, die Geschäftsführung des Evangeli-

Ev. Ministerium, Bibliothek

ARCHIV UND BIBLIOTHEK DESEVANGELISCHEN MINISTERIUMS INERFURT

Archiv und Bibliothek des Evangelischen Ministeriums in Erfurtsind, obwohl zu unterschiedlichen Zeitpunkten entstanden, als engaufeinander bezogene Einrichtungen konzipiert und verstandenworden. Dafür spricht nicht nur die bis in die jüngste Vergangen-heit gewahrte räumliche Nähe beider Institutionen an ihremGündungsort, sondern auch die Beobachtung, dass seit dem 17.Jahrhundert zwar Dokumente zur Tätigkeit von Bibliothekarenüberliefert sind,1 Nachrichten über die Dienstgeschäfte einesArchivars jedoch fehlen – offensichtlich fielen das Sammeln, Ord-nen und Verwahren der Akten, zumindest seit der Stiftung derBüchersammlung, in den Zuständigkeitsbereich der jeweiligenBibliotheksaufseher. Erst vor wenigen Jahren erfolgte aufgrundbaulicher Veränderungen eine räumliche Trennung von Archiv undBibliothek und damit zwangsläufig auch die Aufhebung der bisdahin üblichen Personalunion in der Leitung beider Institute.Während die Buchbestände des Evangelischen Ministeriumsunverändert im Augustinerkloster aufgestellt sind, wurden dieArchivalien bis zur Entscheidung über ihre dauerhafte Unterbrin-gung vorübergehend an einen anderen Ort verlagert.Wenige Jahre nach dem Augsburger Religionsfrieden entstand ausdem in seinen Anfängen bis in die Zeit um 1523/24 zurückreichen-den „collegium ministrorum“ der reformatorischen Geistlichkeitdie Institution des Evangelischen Ministeriums als kirchlicheBehörde mit konsistorialen Befugnissen.2 Zum Versammlungsortwurde ihr vom Stadtrat ein Raum im 1559 säkularisierten Augusti-ner-Eremiten-Kloster, Luthers ehemaliger Wirkungsstätte,3 ange-wiesen. Die Entstehungszeit der ältesten überlieferten Dokumenteaus dem Geschäftsbereich des Evangelischen Ministeriums, Visita-tionsprotokolle aus dem Jahr 1557, deutet darauf hin, dass baldschon ein Archiv zur Aufbewahrung des sich ansammelndenSchriftgutes eingerichtet wurde. Wenngleich die Quellen nicht

schen Ministeriums, das Verhältnis der evangelischen Kirche zumLandesherrn und zu anderen Konfessionen, Lehre, Gottesdienst,Amtshandlungen, Zensur, Pfarrgemeinden, Bildungsanstalten,Stiftungen und Legate. Grundsätzlich ähnliche Strukturen weist derseit dem 19. Jahrhundert gebildete Aktenbestand auf, dessen Inhaltin zehn Abteilungen aufgegliedert ist: I) Das Evangelische Ministe-rium im Allgemeinen, II) Weltliche Angelegenheiten, III) KirchlicheAngelegenheiten, IV) Die Geistlichkeit, V) Schule und Unterricht,VI) Finanzwesen, VII) Bauwesen, VIII) Unterstützungen, Kollekten,milde Stiftungen, IX) Pfarreien in Erfurt und X) Pfarreien auf demLande. Hinzu kommen die Archive des Evangelischen Waisenhau-ses (1669-1956) und des Martinsstifts (1821-1958/59), die nach derSchließung dieser Institutionen ins Archiv des EvangelischenMinisteriums gelangten.Die historisch gewachsene Verbindung von Archiv und Bibliothekdes Evangelischen Ministeriums ist auch nach der lokalen Sonde-rung beider Einrichtungen insofern aufrechterhalten worden, alsdie Bereitstellung und Benutzung der Archivalien gegenwärtig nochim Lesesaal der Bibliothek des Evangelischen Ministeriums erfolgt.

233

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

1 Michael Ludscheidt: Bibliothekare an der Bibliothek des Evangelischen Mi-nisteriums in Erfurt im 17. und 18. Jahrhundert. Ein Beitrag zur Personen-und Verwaltungsgeschichte einer frühneuzeitlichen Bibliothek. In: Ders./Ka-thrin Paasch (Hg.): Bücher und Bibliotheken in Erfurt, Erfurt 2000, S. 123-142.

2 Carl Martens: Wann ist das Erfurter Evangelische Ministerium als geistli-che Behörde entstanden? In: Jahrbücher der Königlichen Akademie gem-einnütziger Wissenschaften zu Erfurt, N. F. XXIV (1898), S. 69-110; RudolfKohlschmidt: Das Evangelische Ministerium zu Erfurt, seine Entstehung,Entwicklung und Bedeutung, Typoskript Erfurt 1941.

3 Lothar Schmelz/Michael Ludscheidt (Hg.): Luthers Erfurter Kloster. DasAugustinerkloster im Spannungsfeld von monastischer Tradition und pro-testantischem Geist, Erfurt 2005.

4 Michael Ludscheidt (Hg.): Die Bibliothek des Evangelischen Ministeriumszu Erfurt. Geschichte, Bestände, Forschungsbereiche, Bucha bei Jena 1998(Palmbaum Texte. Kulturgeschichte, 2); Katharina Feige et al.: Bibliothekdes Evangelischen Ministeriums mit Bibliothek des Martinsstiftes. In:Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Bd. 19: Thürin-gen A-G. Hg. von Friedhilde Krause. Bearb. von Felicitas Marwinski, Hil-desheim/Zürich/New York 1998, S. 206-213. Der Bestand der Ministerial-bibliothek umfasst derzeit 60.000 Bände aus dem Zeitraum vom 12.Jahrhundert bis zur Gegenwart.

5 Archiv des Evangelischen Ministeriums Erfurt [im Folgenden: AEM], A II e 1.

6 AEM, B I e 1.7 Stellvertretend: Katalog der Ministerial-Bibliothek zu Erfurt. Bearb. von

Heinrich Winkler. Erfurt 1876.8 Michael Ludscheidt: Barockliteratur in der Bibliothek des Evangelischen

Ministeriums. In: Die Bibliothek des Evangelischen Ministeriums (wieAnm. 4), S. 133-146; Ders.: Handschriften und Alte Drucke der Bibliothekdes Evangelischen Ministeriums Erfurt, Erfurt 1999 (Erfurter Bibliotheken,2); Ders.: Die Flugschriftensammlung der Martinsbibliothek in der Biblio-thek des Evangelischen Ministeriums. In: Ulman Weiß (Hg.): Flugschrif-ten der Reformationszeit. Colloquium im Erfurter Augustinerkloster 1999,Tübingen 2001, S. 9-16; Ders.: Numismatica im Bestand der Bibliothek desEvangelischen Ministeriums Erfurt. In: Erfurter Münzblätter XIV/XV(2008), S. 13-27.

9 Aus Anlass der Verlagerung des Archivs erschienen mehrere Artikel zu sei-ner Geschichte, vgl. Bettina Fischer: Archiv des Evangelischen Ministeriumsin Erfurt. In: Archive in Thüringen 1/2003, S. 31-33; Heinrich Behr: Ge-schichte des Archivs des Evangelischen Ministeriums. In: Archive in Thürin-gen 2/2003, S. 15-17, der Beitrag erschien, leicht abgewandelt und um An-merkungen ergänzt auch in: Verein für die Geschichte und Altertumskundevon Erfurt. Nachrichten-Blatt 1/2004, S. 9-12.

10 Vgl. AEM, A I a 5: Aufhebung der geistlichen Gerichtsbarkeit des Ev. Mi-nisteriums (1803); A I a 6: Neues Verfassungsstatut für das Ev. Ministeri-um (1803/04).

Michael LudscheidtBibliothek des Evangelischen MinisteriumsEvangelisches Augustinerkloster zu ErfurtAugustinerstraße 10, 99084 ErfurtTel. 0361-5766022, Fax 0361/5766099E-Mail: [email protected]

ARCHIV DER AUßENSTELLE ERFURT DERBUNDESBEAUFTRAGTEN FÜR DIEUNTERLAGEN DESSTAATSSICHERHEITSDIENSTES DER EHE-MALIGEN DEUTSCHEN DEMOKRATISCHENREPUBLIK (BSTU)

Das Archiv der Außenstelle Erfurt umfasst ca. 5.000 lfm Unterlagenaus der Überlieferung der Bezirksverwaltung des Ministeriums fürStaatssicherheit (MfS) Erfurt und den in ihrem Gebiet tätig gewese-nen 13 Kreisdienststellen (KD). Die Überlieferung umfasst den Zeitraum von 1948 bis 1990.

Entstehung Am 4.12.1989 wurde in Erfurt die erste der 15 Bezirksverwaltungen(BV) des Staatssicherheitsdienstes von Bürgern besetzt. Auslöser wardie Vermutung, dass Akten und andere Unterlagen vernichtetwurden.1 Dies erwies sich als Initialzündung zur Besetzung allerweiteren Dienstellen des MfS. Nach zähen Verhandlungen zwischen dem Leiter der Bezirksverwal-tung und Vertretern der Bürger wurde unter anderem beschlossen,zehn Bürgern den Zutritt zu gestatten. Daraufhin drängten 200weitere Personen in das Gebäude. Im Keller befand sich eine Kohle-heizung, die im Spannungsfall die installierte Gasheizung ersetzensollte. Um sie herum lagen Aktendullis, leere Aktenordner, zerrisse-ne Papiere und Asche.2 In einem anderen Raum stand eine Verkolle-rungsanlage, welche noch in Betrieb war.Nach mehreren Begehungen des Gebäudes mit dem Militärstaats-anwalt wurden die Räume versiegelt. Ein Bürgerkomitee wurdegebildet, um die Sicherung von Akten in Zusammenarbeit mit demMilitärstaatsanwalt als Beweismaterial zu gewährleisten. Allerdingshatten Mitarbeiter der Bezirksverwaltung noch bis Ende DezemberZugang zu ihren Arbeitsplätzen, so dass weitere Unterlagen ver-schwanden.Im Zuge der Sicherstellung wurden die Akten mehrere Male gesich-tet, umgeräumt und so weiter verunordnet. Daran konnten auchdie Mitarbeiter des Thüringischen Staatsarchivs Weimar3 nichtsändern. Diese kennzeichneten und ordneten die Akten nach archi-varischen Grundsätzen. In der Untersuchungshaftanstalt des MfSlagerten ebenfalls Akten. Sie waren dort aus den verschiedenenKreisdienststellen zur weiteren Verwendung deponiert worden,4

ebenfalls verunordnet und durch schlechte Lagerung beschädigt.Die Akten enthielten u. a. Personendossiers von etwa 200.000Einwohnern des Bezirks Erfurt. Dazu kamen Auswertungen,Berichte, Anweisungen und Richtlinien, die für die innere Verwal-tung der Staatssicherheit notwendig waren. Die Umlagerungwurde, wiederum unter Anleitung der Archivare des Staatsarchivsund Kontrolle durch das Bürgerkomitee, durchgeführt. Stichproben

1 Vgl. Die Geschichte des Bürgerkomitees in Erfurt – Zeitzeugenberichte.Hrsg: TLStU; Gesellschaft für Zeitgeschichte, Erfurt 2004.

2 Vgl. Gieseke, Jens: Die DDR-Staatssicherheit. Schild und Schwert der Par-tei; Hrsg: Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2000 S. 96 ff.

3 In der Archivorganisation der DDR war es ab 1965 Thüringisches Staats-archiv für den Bezirk Erfurt (mit unterstellten Historischen Staatsarchivenbzw. Außenstellen Altenburg, Gotha, Greiz) und firmiert nach der Neugrün-dung des Freistaates seit 1991 als Thüringisches Hauptstaatsarchiv.Vgl. www.thueringen.de/de/staatsarchive/weimar, 07.04.08.

4 Vgl. Stein, Eberhardt: Sorgt dafür, dass sie die Mehrheit nicht hinter sichkriegen. MfS und SED im Bezirk Erfurt. BStU BF informiert Nr. 22, Berlin1999.

ergaben, dass das Aktenmaterial schon zu diesem Zeitpunkt nichtmehr vollständig war. Als erste Erschließungsmaßnahme wurdendie Unterlagen aus den Büros von Fremdkörpern gereinigt und inSichtungsprotokollen erfasst. Dies geschah nach dem Provenienz-prinzip. Für diese Akten lagen durch diese Art der „Übergabe“keine Übergabelisten und keine Findhilfsmittel vor. Anders verhieltes sich bei den vom MfS archivierten Akten, die über Personen-merkmale zugriffsfähig sind.

Rechtsgrundlage Der Zugang zu den Archivalien der BStU ist durch das Stasi-Unterlagen-Gesetz (StUG) geregelt. Das StUG trat am 29.12.1991 inKraft und wurde seitdem mehrmals novelliert, zuletzt am18.02.2007. Es regelt den Umgang mit der Überlieferung des MfS, diesich bei öffentlichen Stellen des Bundes, der Länder sowie beinatürlichen Personen oder sonstigen nicht-öffentlichen Stellenbefindet.5 Es regelt auch die Herausgabe von Material, welches sichdas MfS widerrechtlich angeeignet hatte. Das Gesetz wurde geschaf-fen, um Einzelnen Zugang zu den vom Staatssicherheitsdienst zuihrer Person gespeicherten Informationen zu ermöglichen und diehistorische, politische und juristische Aufarbeitung der Tätigkeitdes Staatssicherheitsdienstes zu ermöglichen. Dies beinhaltet auch,dass öffentlichen und nichtöffentlichen Stellen die erforderlichenInformationen für die in diesem Gesetz genannten Zwecke zurVerfügung gestellt werden. Das StUG ist ein Verbotsgesetz mitErlaubnisvorbehalt, d. h. gestattet werden nur die im Gesetz ge-nannten Möglichkeiten der Nutzung (Verwendungszwecke), z. B.Akteneinsicht, Rentenangelegenheiten, Forschungsvorhaben usw.Dies steht im Gegensatz zum Bundesarchivgesetz, das den Zugangzu Informationen über noch lebende Personen verwehrt. Darüberhinaus ist das StUG ein „Vorranggesetz“, das heißt es bricht inbestimmten Fällen Bestimmungen des Datenschutzgesetzes. Zu-gleich trägt das StUG aber auch für den Schutz der Persönlichkeits-rechte Betroffener Sorge.

Karteien Ein wesentlicher Teil der Überlieferung sind die umfangreichen

234

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

AUFSÄTZE

Karteien des MfS. Auf ca. 600 lfm, das sind ca. 2,5 Millionen Kartei-karten, wurden von der Staatssicherheit ca. 1,1 Millionen Personenerfasst. Die Karteien fungierten einerseits als Findhilfsmittel,andererseits wurden Informationen zu Personen aufgezeichnet, fürdie nicht immer Akten angelegt wurden. Je nachdem, ob sie von derAbt. XII der BV Erfurt oder den einzelnen Abteilungen und Kreis-dienststellen angelegt und geführt wurden, wird zwischen zentralenund dezentralen Karteien unterschieden. Zentrale Karteien sindzum Beispiel F16 und F22. Die F16, die sogenannte Klarnamenkar-tei, beinhaltet alle Grunddaten der erfassten Personen, ist phone-tisch6 sortiert und enthält lediglich eine Registriernummer. Die F22,die Vorgangskartei, enthält dagegen Informationen, welcher Vorgangsich dahinter verbirgt, z. B. operative Personenkontrolle (OPK),Inoffizieller Mitarbeiter (IM), Sicherungsvorgang (SVG) usw. Ent-halten sind in der Regel der Deckname, das „Delikt“, der verant-wortliche Mitarbeiter des MfS, das Erfassungsdatum, die Bezeich-nung der anlegenden Stelle (Kreisdienststelle oder Abteilung) unddie Archivsignatur.Die dezentralen Karteien dienten als Hilfsmittel der Abteilungenund Kreisdienststellen. Sie verweisen zum Beispiel auf Erfassungenin der Zentralen-Personen-Datenbank, auch bezogen auf Strafsa-chen in der Justizkartei. Daten zur Postüberwachung findet man inder sogenannten M-Kartei (Abt. M Postkontrolle).

Das Magazin Die Archivalien sind in zwölf Magazinräumen in Stand- undRollregalen untergebracht. Die Aufbewahrung erfolgt stehend inJurismappen, verpackt in Archivkartons. Angeforderte Aktenwerden paginiert, von Metallteilen befreit und auf Vollständigkeitkontrolliert. Bei Bedarf (verblichene Thermokopien) werden Siche-rungskopien angefertigt. Wegen der sensiblen personengebundenenDaten wird der Zutritt zu den Magazinräumen restriktiv gehand-habt: Es gilt das „4-Augen-Prinzip.“7

Bestand Die Gliederung der Teilbestände orientiert sich an der Organisati-onsstruktur des MfS. Grundsätzlich sind dabei zwei Unterlagen-

BStU Erfurt

gruppen zu unterscheiden. Zum einen gibt es das bereits vom MfSarchivierte und in der Abteilung XII (Auskunft und Speicher)verwahrte Schriftgut. Dabei handelt es sich vorwiegend um perso-nenbezogene Akten. Sie sind über die F22 zugriffsfähig (ca. 2.000lfm).8 Darunter befinden sich auch Akten von Staatsanwaltschaftenund des Arbeitsgebietes I der Kriminalpolizei. Der zweite Teil setztsich aus jenen Unterlagen zusammen, die im Jahr 1989 noch inBearbeitung waren und bei der Besetzung in den Dienstzimmernder BV und den KD sichergestellt wurden. Diese Unterlagen sindbisher etwa zu 83% erschlossen.Ein Teil der Unterlagen war vom MfS zur Vernichtung vorgesehenund manuell zerrissen worden. Sie füllen 250 Säcke, die aus Platz-gründen in der BSTU-Außenstelle Suhl lagern. Gegenwärtig läuftein Pilotprojekt zur IT-gestützten virtuellen Rekonstruktion dervorvernichteten Unterlagen.In den verschiedenen Teilbeständen befand sich auch eine Vielzahlspezieller Informationsträger, beispielsweise 2.050 Tonträger, 21Magnetplatten, 25 Videos, 15 Filme und 256 Disketten verschiedenerModelle und Standards. Zudem fanden sich ca. 53.000 Positive,Negative und Dias.

Kristin SeifertBStU-Außenstelle ErfurtPetersberg Haus 19, 99084 ErfurtTel. 0361-5519-0, Fax 0361/5519-4719E-Mail: [email protected]: www.bstu.de

235

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

rektor im Ruhestand Alfred Overmann neu verzeichnet werdenkonnte. Damals wurde die profanierte Kilianikapelle an der Südsei-te des Domkreuzganges für das Archiv zur Verfügung gestellt.Den Platz dort musste sich das Archiv später mit der AkademischenBibliothek des 1952 gegründeten Philosophisch-TheologischenStudiums (der heutigen Katholisch-Theologischen Fakultät derUniversität Erfurt) teilen. Als für diese 1985 mit Hilfe von Transfer-mitteln der katholischen Kirche der Bundesrepublik (Limex-Bauprogramm) ein eigenes Gebäude erhielt, konnte auch dasDomarchiv darin neue Räume beziehen.Wenige Jahre später folgte auch das seit 1983 im Aufbau befindlicheArchiv des Bischöflichen Amtes Erfurt-Meiningen, das auf demDachboden Platz fand. Nachdem der größte Teil des heutigenDiözesangebietes seit 1821/26 bis 1930 zur Diözese Paderborngehört hatte, vor allem die preußischen und fürstlich schwarzburgi-schen Gebiete, ging dieser 1930 in der Folge des Preußenkonkorda-tes an das Bistum Fulda über, zu dem bis dahin schon ein andererTeil Thüringens gehört hatte. 1946 richtete der Bischof von Fuldafür den thüringischen Teil seiner Diözese wegen der Einschrän-kung, die die Zonengrenze für die direkte Verbindung bewirkte, eineigenes Generalvikariat in Erfurt ein, während bis dahin das alteGeistliche Gericht als Mittelbehörde fungiert hatte, dem in derFolge bis zu seiner Aufhebung 1995 im Wesentlichen nur die Stif-tungsaufsicht verblieb. Der Erfurter Generalvikar war seit 1953 auchWeihbischof, wurde 1973 zum Apostolischen Administrator inErfurt und Meiningen ernannt und übte hinfort in päpstlichemAuftrag die Jurisdiktion in den thüringischen Teilen der DiözesenFulda und Würzburg aus. Aus dem Generalvikariat Erfurt desBischofs von Fulda wurde das Bischöfliche Amt Erfurt-Meiningen,das 1994 mit der Bistumsgründung zum Bischöflichen OrdinariatErfurt wurde.Bereits Anfang 1994 waren das Domarchiv und das Archiv desBischöflichen Amtes Erfurt-Meiningen vereinigt worden; hinzukam damals als Depositum des Verbandes Deutscher Diözesen dieBestandsgruppe „Regionalarchiv Ordinarien Ost“, nämlich dasSchrift- und Dokumentationsgut der „Berliner Bischofskonferenz“ –der 1990 aufgelösten katholischen Bischofskonferenz der DDR – undder überdiözesanen Einrichtungen und Gremien, die in ihremAuftrag tätig waren. Diese Bestände werden für Forschungen zurkatholischen Kirche in der DDR häufig genutzt, nicht zuletzt durchStudenten und Promovenden der Katholisch-Theologischen Fakul-tät der Universität Erfurt. Mit Sondergenehmigung kann dafürauch noch der Sperrfrist unterliegendes Archivgut genutzt werden.Nach einer Erweiterung durch einen Umbau 1999 wurden vomBistumsarchiv Fulda die Akten der Generalvikariate Paderborn undFulda über die Pfarrstellen, kirchlichen Behörden, Einrichtungen,Stiftungen etc. im Bereich des heutigen Bistums Erfurt an dasBistumsarchiv Erfurt abgegeben. Gleiches ist von Seiten desBistumsarchivs Würzburg nicht geschehen, vielmehr wurden auchdie Akten des Bischöflichen Kommissariates Meiningen (Südthürin-gen) aus der Zeit vor 1973 im Jahre 1992 ins Diözesanarchiv Würz-burg überführt.Trotz des Umbaus war der größere Teil des Regionalarchivs Ordina-rien Ost zunächst weiterhin im Keller des Priesterseminars ausgela-gert und es konnten erst 2005, als nach Eingliederung der Akademi-schen Bibliothek der Theologischen Fakultät in die Erfurter Uni-versitätsbibliothek der bisher von ihr belegte, größere Flügel desGebäudes für das Bistumsarchiv frei wurde, alle Bestände untereinem Dach vereinigt werden; die Magazine des ursprünglich nichtnach fachlichen Grundsätzen des Archivbaus errichteten Gebäudes

5 §1, Abs. 1, 2 StUG, Zweck und Anwendungsbereich des Gesetzes.6 Dabei werden die Namen nach Aussprache abgelegt, nicht nach Alphabet,

z.B. Meier wird abgelegt unter Maier, Meyer, Mayer.7 Es müssen sich immer zwei Mitarbeiter gleichzeitig im Raum befinden.8 Vgl. Achter Tätigkeitsbericht der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des

Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Re-publik, 2007.

DAS BISTUMSARCHIV ERFURT: NEUESBISTUM, ALTES ARCHIV Als das Bistum Erfurt, das den größten Teil Thüringens außer denehemals preußischen und sachsen-altenburgischen Gebieten imOsten (Bistum Dresden-Meißen) und dem Dekanat Geisa in derRhön im Westen (Bistum Fulda) umfasst, am 8. Juli 1994 durch dieErrichtungsurkunde von Papst Johannes Paul II. gegründet wurde,blickte Erfurt als kirchliches Zentrum bereits auf eine lange Ge-schichte zurück. Der erste Versuch einer Bistumsgründung in Erfurtdurch Bonifatius im Jahre 742 scheiterte spätestens mit seinerErmordung 754. Über 1000 Jahre gehörten Erfurt und der größteTeil des heutigen Bistumsgebietes dann zur Erzdiözese Mainz. Aufdem Domberg bestand spätestens seit dem 11. Jahrhundert dasKollegiatstift St. Marien („Dom“), das zum Mittelpunkt des größtenArchidiakonats der Mainzer Erzdiözese, der vor allem Mittel-thüringen umfasste, und auch zum Anknüpfungspunkt für daserzbischöfliche Generalgericht (später „Geistliches Gericht“) unddas mit diesem schließlich in Personalunion verbundene General-kommissariat wurde. Da das Stift nicht in den Jahren nach 1803säkularisiert, sondern erst 1837 aufgehoben wurde, verblieb seinArchivbestand bis heute in kirchlichem Besitz und bildete zusam-men mit dem Bestand des Geistlichen Gerichtes den Kern desDomarchivs, das in den Jahren seit 1933 durch den Stadtarchivdi-

aber im Bistumsarchiv in Form von Mikrofilmen vor, etliche auchin Form von Datenbanken.Der Gesamtumfang der Archivbestände des Bistumsarchivs liegtgegenwärtig bei etwa 550 bis 600 lfm, wovon die weit über 2.000Pergamenturkunden besonders erwähnt werden sollen, und reichtvon 1030 bis in das dritte Jahrtausend. Eine Beständeübersicht(Stand 2006) bietet das Archivportal Thüringen (www.archive-in-thueringen.de).In die Dienstbibliothek des Archivs sind die historischen Buchbe-stände der Dombibliothek integriert, die im Kern auf die Bibliothekdes ehemaligen Kollegiatstiftes St. Marien sowie den Fundus anLiturgica der einzelnen Altäre der Stiftskirche (heute Dom) zurück-gehen. Bestände Erfurter Klöster gelangten vor allem über Samm-lungen einzelner Pfarreien im 20. Jahrhundert an die Dombiblio-thek, solche eichsfeldischer Klöster über das Bischöfliche Kommis-sariat Heiligenstadt. Darunter sind jeweils über 200 mittelalterlicheund frühneuzeitliche Handschriften und Inkunabeldrucke. Bei denHandschriften sind die Grenzen zwischen eigentlichen bibliotheka-rischen Werken und klassischem Archivgut fließend. Der Schwer-punkt ihrer Entstehungszeit liegt im 15. Jahrhundert. �

Michael MatschaBistumsarchiv ErfurtHermannsplatz 9, 99084 ErfurtTel. 0361-6572-400, Fax 0361-6572-444E-Mail: [email protected]

236

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

AUFSÄTZE

sind – bis auf eines ohne Fenster im Dachgeschoss – nicht klimati-siert und haben meist große Außenfenster. Die Temperaturschwan-kungen konnten aber durch Beklebung der Scheiben der Magazin-fenster an den Sonnenseiten mit UV-Filter-Folie begrenzt werden.Auch im Sommer werden 20° C so nur unwesentlich überschritten.Auch die nicht klimatisierten Magazine sind nie zu feucht.Eine Rampe an der Rückseite des Gebäudes zum Parkplatz hinermöglicht den Zugang für Nutzer ins Archiv auch mit dem Roll-stuhl und eine Anlieferung von neu übernommenem Schrift- undDokumentationsgut mit dem Handwagen bis zur Haustür, zumalfast alle Dienststellen des Bischöflichen Ordinariates nur guteinhundert bis einhundertundfünfzig Meter entfernt liegen. Auchder Parkplatz, obgleich er nicht zum Archiv gehört, kann bei Bedarfgenutzt werden, wenn er nicht von den Berechtigten gebrauchtwird. Ein Lastenaufzug erleichtert den Transport von übernomme-nen Unterlagen in die Magazine und die Aushebung von Archivgutfür Benutzer.Zudem steht seit dem Umzug den Nutzern des Archivs ein ausrei-chend großer Benutzersaal mit drei Filmlesegeräten (davon zweielektrisch laufend) und künftig auch einem PC zur selbständigenAbfrage genealogischer Datenbanken zur Verfügung. KleinereSchüler- oder andere Gruppen können für archivpädagogischeVeranstaltungen und Bildungsarbeit dort empfangen werden. Fürgrößere Gruppen bieten sich die Seminarräume 3 und 4 der Katho-lisch-Theologischen Fakultät an, die, soweit möglich, vom Dekangerne zur Verfügung gestellt werden.Dem Leiter des Bistumsarchivs obliegt auch die Fachaufsicht überdie Archive der Kirchengemeiden, die sich auch nach den Struktur-veränderungen der letzten Jahre mit wenigen Ausnahmengrundsätzlich in den Pfarreien befinden, und das Archiv desBischöflichen Kommissariates Heiligenstadt, dessen Bestände bis inden Anfang des 16. Jahrhunderts, mit Deposita aus Stiften undKlöstern sogar bis ins Mittelalter zurückreichen. Das Kommissariatist bis heute für das (Ober-) Eichsfeld zuständig, die einzige fastgeschlossen katholische Region des Bistums im NordwestenThüringens. Die Hälfte der älteren Kirchenbücher des Bistums liegt

Bistumsarchiv

ARCHIVES AT ERFURT

The archives of Erfurt are characterized by three particular features.Although the city has always been the largest and most importantone in Thuringia, "metropolis Thuringiae", and although it is nowthe state capital, none of the Thuringian state archives are situated inErfurt, which is due to the particular way in which this Thuringiancity has developed. Secondly, the impact of the city's dual confessio-nality, which dates back to the years of the Reformation, is symboli-sed by the presence of two important ecclesiastical archives: thecurrent Archives of the Diocese and the Evangelical Ministry Archi-ves. Thirdly, two of the archives only date back as far as the years ofrecent political developments: the BstU Archives (the archives of theErfurt branch of the Federal Commissioner for the Records of theState Security Service of the former GDR) and the archives of theThuringian Parliament. The Erfurt City Archives enjoy comparablyongoing expansion. Yet it is also the lively, seesaw nature of thetown's history that has influenced their stock.

237

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

Archivare müssen „in der Lage sein, ihre Arbeitsleistungen, Arbeits-rückstände und künftigen Aufgaben weitestgehend in Kosten undPersonalaufwand umzurechnen.“1

In Anbetracht der Finanzkrise im öffentlichen Sektor und derForderung nach mehr Effizienz und Kundenorientierung ergebensich im Rahmen des Neuen Steuerungsmodells2 umfangreichebetriebswirtschaftliche Anforderungen an ein Archiv: für einenachhaltige Existenzsicherung wird es künftig zunehmend wichti-ger sein, die zur Verfügung stehenden Ressourcen optimal zunutzen und dabei im Hinblick auf die Kernaufgaben auch produk-tiver zu werden. Im Vordergrund wird dabei die interne Steuerungder Prozesse auf der Basis eines aussagefähigen Controlling vonzentraler Bedeutung sein. Hierin liegt die Chance „für eine eigen-ständige Facharbeit, die sich gegenüber Öffentlichkeit und insbe-sondere dem Haushaltsgesetzgeber für den erheblichen Kostenauf-wand ihrer Aufgabenerledigung rechtfertigen kann.“3

Der vorliegende Beitrag knüpft hier an und richtet sich auf grund-legende Aspekte der Entwicklung einer Controlling-Konzeption fürein Archiv. Das Controlling hat in der betriebswirtschaftlichenDiskussion seit jeher besondere Aufmerksamkeit gefunden.4

Geschlossene konzeptionelle Vorstellungen über Aufbau, Instru-mente und Funktionsweise einer Controlling-Konzeption für dasArchivwesen liegen bislang allerdings nicht vor.5 Dem Controllingkommt hier aufgrund des fehlenden Wettbewerbs, der nichtvorhan-denen Preise für die Produkte eines Archivs und der damit einher-gehenden Notwendigkeit, die Ergebnisse der Leistungsprozesseeindeutig messen zu können, eine besondere Bedeutung zu: ist dasArchiv erfolgreich oder nicht?In dieser Konstellation steht in erster Linie die Frage zur Debatte,inwiefern im Sinne des vorangestellten Schneider-Zitats Instrumen-te aufgezeigt werden können, die eine ganzheitliche Betrachtungund Steuerung grundlegender Leistungsprozesse im Archiv ermög-lichen. Ziel ist die Entwicklung wesentlicher Gesichtspunkte einesKonzepts, das zur wirkungsvollen Steuerung und Optimierungdieser Prozesse dienen kann und somit ein Controlling erlaubt.

1 Schneider, Gerd: „Archivare aufgewacht!“, in: Der Archivar, 57. Jg. (2004),Heft 1, S. 37-44, das Zitat: S. 41.

2 „Neues Steuerungsmodell“ bzw. „New Public Management“ (NPM) stelltseit den 1980er Jahren einen Oberbegriff für Verwaltungsreformen dar, dieauf eine Verbesserung der Performance der öffentlichen Verwaltung abzie-len. Zur Neuausrichtung der öffentlichen Verwaltung im Kontext vonNPM vgl. stellvertretend Budäus, Dietrich: Controlling in öffentlichen Ver-waltungen, in: Horváth, Péter/Reichmann, Thomas (Hg.): Vahlens großesControllinglexikon, 2. neubearbeitete und erweiterte Auflage, München2003, S. 130-133, hier: S. 130; Schedler, Kuno/Proeller, Isabella: New PublicManagement (UTB 2132), 2. überarbeitete Auflage, Bern-Stuttgart-Wien2003, bes. S. 25-30 u. 41-46.

3 Wolf, Jürgen Rainer: Das Sächsische Staatsarchiv: Neuformierung desStaatlichen Archivwesens in Sachsen, in: Der Archivar, 59. Jg. (2006), Heft2, S. 154-159, das Zitat S. 158.

4 Ein Beleg dafür ist die fast unübersehbare Literatur zum Thema Control-ling. Es sei hier daher auf die m. E. wegweisenden Standardwerke von Küp-per, Hans-Ulrich: Controlling. Konzeption, Aufgaben, Instrumente, 4. über-arbeitete Auflage, Stuttgart 2005; Horváth, Péter: Controlling (VahlensHandbücher der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften), 10. vollständigüberarbeitete Auflage, München 2006; Reichmann, Thomas: Controllingmit Kennzahlen und Management-Tools. Die systemgestützte Controlling-Konzeption, 7. überarbeitete und erweiterte Auflage, München 2006; sowieWeber, Jürgen/Schäffer, Utz: Einführung in das Controlling, 11. vollständigüberarbeitete Auflage, Stuttgart 2006, verwiesen.

5 Wie Schedler / Proeller (wie Anm. 2), S. 68, hervorheben, widmeten sichNPM-Modelle (zu) lange der Gestaltung der Rahmenbedingungen und For-men einer neuen Verwaltungsorganisation, ohne jedoch hierbei verwal-tungsinterne Prozesse sowie deren Effektivität und Effizienz als Gegenstandder Modernisierung zu betrachten.

CONTROLLING LEICHTGEMACHT

PROZESSKOSTENRECHNUNG UNDBALANCED SCORECARD IM ARCHIVvon Burkhard Nolte

238

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

AUFSÄTZE

Die aus der zentralen Fragestellung abgeleitete Studie gliedert sichinsgesamt in neun Teile und setzt ein mit einem Überblick überZiele und Aufgaben des Controlling, um aus dieser Perspektive dieBasis für wesentliche, für ein Archiv geeignete Controllinginstru-mente zu schaffen. Dazu zählen Kennzahlen und Kennzahlensyste-me sowie die Prozesskostenrechnung. Danach wird über Grundzügedes Berichtswesens informiert. Anschließend geht es um die Be-schreibung der Prozessstrukturen der archivischen Leistungsprozes-se Überlieferungsbildung und Erschließung, bevor die Vorausset-zungen für den Aufbau einer Controlling-Konzeption kurz erläutertwerden. Als zentrales Instrument der Konzeption wird dann auf dieGestaltung einer Balanced Scorecard eingegangen und abschließenddie Konzeption vorgestellt.

ZIELE UND AUFGABEN DES CONTROLLING

Das Führen eines Archivs vollzieht sich wie im Unternehmen in denTeilprozessen der Zielbildung, Planung, Entscheidung und Kontrol-le. Innerhalb eines idealtypischen Führungssystems kann dabeizwischen einem Planungs- und Kontrollsystem sowie einem Infor-mationsversorgungssystem differenziert werden. Als funktionalemSubsystem der Führung kommt dem Controlling die Aufgabe zu,die „Führungsbereiche Planung, Kontrolle, Organisation, Personal-führung und Information so zu koordinieren, dass die Unterneh-mensziele optimal erreicht werden.“6 In Anbetracht dessen, dasseine „breit akzeptierte Konzeption“7 des Controlling nicht vorliegt,wird im Folgenden unter Controlling die Summe aller Maßnahmenverstanden, die dazu dienen, das Planungs- und Kontrollsystemsowie das Informationsversorgungssystem systembildend undsystemkoppelnd zu koordinieren und damit die zielorientierteAdaption des Gesamtsystems an Umweltveränderungen zu unter-stützen.8

Als Konzept zur Steuerung und Wertschöpfung im Unternehmenbesteht Controlling aus zwei Teilkonzepten: einem operativen mitdem Ziel der Gewinnsicherung und einem strategischen mit demZiel der langfristigen Existenzsicherung (vgl. Tab. 1).Der wesentliche Schwerpunkt des operativen Controlling ist dieKonzentration auf den kurz- und mittelfristigen Zeitraum (ein bisdrei Jahre). Strategisches Controlling plant, kontrolliert und steuertdie Schaffung und Erhaltung von Potenzialen zur Sicherung vonzukünftigen Wettbewerbsvorteilen des Unternehmens und istentsprechend langfristig angelegt. Es ist ein betriebswirtschaftlichesFührungskonzept als Vorstufe und Voraussetzung für ein strategi-sches Management.10

Vergleichbares gilt für den Einsatz des strategischen und operativenControlling in der öffentlichen Verwaltung und damit auch imArchiv. Die Aufgaben des Controlling konzentrieren sich hier imWesentlichen darauf, die Leistungsprozesse mittels geeigneterInstrumente transparenter darzustellen und eine effektive Kontrolleder Prozesse zu gewährleisten. Da der Markt als regulierendesKorrektiv ausfällt,11 ist im Archiv im Hinblick auf die Leistungser-stellung eine noch genauere Planung, Steuerung und Kontrolle alsim Unternehmen erforderlich.Das Controlling sollte sich daher zunächst „auf eine laufendeWirtschaftlichkeitskontrolle der übergreifenden Kostenstrukturenkonzentrieren,“12 als Grundlage zur Erfüllung der Informations-,Planungs- und Kontrollfunktion. Die Wirtschaftlichkeitskontrollekann mit Hilfe einer zweckgerichteten Verdichtung und Bereitstel-lung von Kosten- und Leistungsinformationen durchgeführt wer-den. Dies geschieht mittels der Kosten- und Leistungsrechnung: dieWirtschaftlichkeit wird hier durch einen Vergleich zwischen Kostenund Leistungen und / oder zwischen Kosten und Kosten festgestellt.Die Kostenrechnung gibt zunächst wertfrei Auskunft darüber,welche Kosten ein Produkt verursacht. Die Leistungsrechnunginformiert über Quantität und Qualität der Produkte. In der Kom-

Merkmal Operatives Controlling Strategisches Controlling Zeithorizont Planung für 1 - 3 Jahre,

gegenwarts- und vergangenheitsorientiert

Meist 4 - 10 Jahre, je nach Dynamik der Branche, zukunftsorientiert

Orientierung Unternehmensintern: Wirtschaftlichkeit betrieblicher Prozesse

Umwelt und Unternehmen:Adaption

Zieldimensionen Aufwand / Ertrag, Kosten / Leistung

Chancen / Risiken, Stärken / Schwächen

Zielgrößen Wirtschaftlichkeit, Rentabilität Existenzsicherung, Erfolgspotenziale, Risiken

Hierarchiestufe Vor allem mittlere Führungsebene Vor allem oberste Ebene, teilweise strategische Planung

Planungsstufe Taktische und operative Planung Strategische Planung

Strukturierungs- undFormalisierungsgrad

Stark strukturiertes und formalisiertes Vorgehen

Weitgehend losgelöst von formalerOrganisation

Tab. 1: Abgrenzung zwischen operativem und strategischem Controlling9

239

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

bination von Kosten- und Leistungsrechnung sind Prognosenmöglich, welche Auswirkungen eine Verstärkung oder Verminde-rung des Ressourceneinsatzes für ein Produkt auf die Produktqua-lität hat.13 Die Kosten- und Leistungsrechnung dient der systemati-schen Erfassung, Verteilung und Auswertung von Kosten undLeistungen und macht damit das Controlling wirtschaftlich trans-parent. Während hierbei Einzelkosten (etwa Kosten aufgrund desZeitaufwands für Mitarbeiterschulungen) in der Regel der Kosten-rechnung entnommen werden können, ist dies zur Ermittlung vonGemeinkosten (z. B. Kosten, die durch den Zeitaufwand der Mitar-beiter für Qualitätsprüfungen entstehen - etwa die Kontrolle vonFindbüchern) nicht möglich.14 Es stellt sich daher die Frage, wie derGemeinkostenanteil verursachungsgerecht erfasst werden kann.Darauf wird später noch zurückgekommen.Die Entscheidungsunterstützung sowie die laufende Messung,Bewertung und Steuerung erfordert eine brauchbare Verdichtungvon Informationen mit Hilfe geeigneter Instrumentarien. Da eineeigenständige Entwicklung für den öffentlichen Sektor nicht exi-stiert,15 kommen hier zweckdienliche Controllinginstrumente dergewerblichen Wirtschaft zum Einsatz.16

KENNZAHLEN UNDKENNZAHLENSYSTEME

Für die Beschreibung betrieblicher Sachverhalte sind Kennzahlen –wie z. B. Umsatz oder Gesamtkapitalrentabilität (Return on Invest-ment / RoI) – von substantieller Bedeutung: als Führungsinforma-tionen besitzen sie eine besondere Eignung zur Informationsbe-darfsdeckung. Kennzahlen werden definiert als jene Zahlen, „diequantitativ erfassbare Sachverhalte in konzentrierter Form erfas-sen.“17 Dadurch können laufende Wirtschaftlichkeitskontrollengewährleistet und Entwicklungen deutlich gemacht werden. Dadies weitgehend auch der Aufgabe eines Controlling im Archiventspricht, stellen Kennzahlen hierfür ein geeignetes Hilfsmittel dar.Der Informationscharakter, die Quantifizierbarkeit und die spezifi-sche Form der Information sind die wichtigsten Elemente einerKennzahl. Ihre Aufgabe ist sowohl die Bereitstellung von normati-ven Informationen, die als Zielvorgabe bzw. Maßstab für unterge-ordnete Instanzen gelten, als auch deren deskriptive Beschreibung.Kennzahlen fungieren demnach als Maßstäbe quantitativer Begriffeund bilden ein Werkzeug zur Realisierung aussagekräftiger undwirksamer Kontrollen, indem innerhalb des Kontrollprozesses dieerreichten Werte mit Zielvorgaben verglichen werden. Dies ermög-licht eine Analyse der Ursachen von Abweichungen und darausabgeleitete Korrekturmaßnahmen.18

Angesichts der begrenzten Aussagefähigkeit einzelner Kennzahlen19

bietet sich deren integrative Erfassung auf Basis einer umfassendenSystemkonzeption an. Diese hat das Ziel, eine hinreichend eindeuti-ge Interpretation und die Erfassung von Abhängigkeitsbeziehungenzwischen den Systemelementen zu ermöglichen. Kennzahlensyste-me20 – wie z. B. das bekannte DuPont-Kennzahlensystem, das sichauf die externe Jahresabschlussanalyse bezieht21 – haben als Infor-mationssysteme die Aufgabe, Informationen in knapper, übersichtli-cher und verdichteter Form bereitzustellen. Dadurch ergibt sich dieForderung, Kennzahlensysteme zweckorientiert und auf den Infor-mationsbedarf abgestimmt zusammenzustellen. Eine weitereFunktion eines Kennzahlensystems ist die Ermittlung spezifischerVorgabewerte, die ständig durch den Vergleich von Soll- und Ist-Kennzahlen zu überprüfen sind. Eventuelle Abweichungen zeigen

Störungen im Archivgeschehen an und leiten Anpassungsmaßnah-men ein. Der Zielbezug von Kennzahlensystemen resultiert ausihrem hierarchischen Aufbau und der Ableitung von operationalenSubzielen aus einem quantifizierbaren Oberziel. Damit sind sie zurFormulierung von Zielhierarchien geeignet. Voraussetzung ist, dassdie Kennzahlen in einer echten Mittel-Zweck-Beziehung zu denOberzielen des Archivs stehen und operationale Handlungsziele fürdie Aufgabenträger liefern.22

PROZESSKOSTENRECHNUNG

Eine effektive Erfolgs- und Wirtschaftlichkeitskontrolle erfordert imRahmen des Controlling einen permanenten und systematischenÜberblick über die wichtigsten Kostenrelationen, um Schwachstel-len und unwirtschaftliche Prozesse identifizieren, die Kapazitätsaus-lastung planen, steuern und kontrollieren sowie Informationen fürKostensenkungsmaßnahmen gewinnen zu können.Mit Blick auf die damit einhergehende wachsende Bedeutungindirekter Leistungsbereiche und der daraus resultierenden zuneh-

6 Wöhe, Günter/Döring, Ulrich: Einführung in die Allgemeine Betriebswirt-schaftslehre, 22. neubearbeitete Auflage, München 2005, S. 218. Siehe auchBrede, Helmut: Grundzüge der Öffentlichen Betriebswirtschaftslehre,München-Wien 2001, S. 71.

7 Dyckhoff, Harald/Ahn, Heinz: Sicherstellung der Effektivität und Effizienzder Führung als Kernfunktion des Controlling, in: Kostenrechnungspraxis(KRP), 45. Jg. (2001), Heft 2, S. 111-121, das Zitat S. 111.

8 Die Systembildung bezeichnet den Gestaltungscharakter. Darunter werdensystemdifferenzierende Maßnahmen zur Schaffung einer Systemhierarchieverstanden. Die Systemkopplung bestimmt den Steuerungscharakter der Ko-ordination, d. h. Anpassungsmaßnahmen auf Planabweichungen. Vgl. Hor-váth (wie Anm. 4), S. 97-99.

9 In Anlehnung an Horváth (wie Anm. 4), S. 236; Reichmann (wie Anm. 4), S. 560.10 Siehe Horváth (wie Anm. 4), S. 234-240; Reichmann (wie Anm. 4), S. 559-566.11 Der Bestand der öffentlichen Verwaltung hängt nicht vom Markterfolg ab.

Bei den Produkten eines Archivs handelt es nicht um Individualgüter, dieam Markt in Konkurrenz angeboten werden können, sondern um Kollek-tivgüter, da die öffentliche Verwaltung dem Gemeinwohl verhaftet ist. Vgl.hierzu Brede (wie Anm. 6), S. 161 f.

12 Reichmann (wie Anm. 4), S. 402.13 Zur Erfüllung ihrer Aufgaben gliedert sich die Kosten- und Leistungsrech-

nung in die Kostenarten-, Kostenstellen- und Kostenträgerrechnung.14 Einzelkosten werden unmittelbar, d. h. ohne vorherige Verrechnung über

die Kostenstellen, den Kostenträgern zugerechnet (beispielsweise einer be-stimmten Leistung). Demgegenüber sind Gemeinkosten nicht direkt auf dieLeistung zuzurechnen, da sie für mehrere Leistungen der Kostenbereicheentstanden sind (z. B. Löhne und Gehälter). Siehe stellvertretend Scherrer,Gerhard: Kostenrechnung, in: Bea, Franz Xaver/Friedl, Birgit/Schweitzer,Marcell (Hg.): Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Bd. 2: Führung, 9. neu-bearbeitete und erweiterte Auflage, Stuttgart 2005, S. 668-758, hier: S. 668f., 676-678 u. 714-750; Wöhe/Döring (wie Anm. 6), S. 1077-1132.

15 Vgl. hierzu Budäus (wie Anm. 2).16 Da dieser Beitrag sich nicht zum Ziel setzen kann, alle insgesamt zur Ver-

fügung stehenden Instrumente im Hinblick auf ihre Einsatzfähigkeit in ei-nem Archiv zu untersuchen, erscheint es sinnvoll, die Ausführungen auf sol-che Bereiche zu konzentrieren, bei denen der für die Praxis zu erwartendeNutzen am größten ist. Insofern wird auf Instrumente wie die Conjoint-Analyse oder das Target Costing nicht eingegangen.

17 Reichmann (wie Anm. 4), S. 19.18 Siehe Küpper (wie Anm. 4), S. 359, 362 u. 364 f.; Reichmann (wie Anm. 4),

S. 19 f.19 Der Aussagewert hängt u. a. von der Qualität des zugrunde liegenden In-

formationssystems und der Datenbasis ab, die durch Fehler bei der Date-nerhebung zu unbrauchbaren Kennzahlen führen kann. Zur Wertung ei-nes Sachverhalts sind eine kombinierte Anwendung von qualitativen undquantitativen Informationen und eine Betrachtung von Vergleichswertenund Maßstäben (z. B. Sollwerten) sinnvoll.

20 Horváth (wie Anm. 4), S. 545, definiert ein Kennzahlensystem als „eine ge-ordnete Gesamtheit von Kennzahlen, die in einer Beziehung zueinander ste-hen und so als Gesamtheit über einen Sachverhalt vollständig informieren.“Dabei werden systematische, mathematische oder empirische Beziehungenunterschieden.

21 Die Spitzenkennzahl RoI bildet dabei die Basis des Systems. Daraus wer-den weitere Kennzahlen zur Verdeutlichung von Wirkungszusammenhän-gen und Haupteinflussfaktoren abgeleitet.

22 Vgl. Küpper (wie Anm. 4), S. 360 u. 364-368; Reichmann (wie Anm. 4), S.23 f. u. 29.

Abb. 1: Aufspaltung und Verdichtung der Unternehmensaktivitäten im Rahmen der Prozesskostenrechnung29

240

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

AUFSÄTZE

menden Gemeinkostenintensität stellt die Prozesskostenrechnung23

einen geeigneten Ansatz dar, die Mängel traditioneller Kostenrech-nungssysteme in Hinsicht auf „die verursachungsgerechte Abbil-dung und Verrechnung der Kosten in indirekten Leistungsbereichenauszugleichen.“24 Die Prozesskostenrechnung kann mit der Grund -idee beschrieben werden, Gemeinkosten nicht mehr nach freiwähl-baren Zuschlagssätzen, sondern nach der realen, verursachungsge-rechten Inanspruchnahme zuzuordnen. Das Archivgeschehen wirdals ein System von Prozessen interpretiert, die eigenständig undbereichsübergreifend ablaufen. Prozesse25 werden in der klassischenKostenrechnung zwar seit jeher abgebildet, allerdings in der Regelnur innerhalb einzelner Kostenstellen. Problematisch ist, dass sichdie Kosten der Prozesse „in den traditionellen Kostenrechnungssy-stemen mit ihren funktional orientierten Kostenstellen kaumermitteln“26 lassen.27

Ziel der Prozesskostenrechnung ist eine leistungsorientierte Zurech-nung von Gemeinkosten durch die Erfassung und Bewertung vonProzessen. Dabei orientiert sich die Prozesskostenrechnung an einerfunktionsübergreifenden Querschnittsbetrachtung der Wertschöp-fungsprozesse. Die Prozesskostenrechnung ermöglicht eine kontinu-ierliche Unterstützung der Wirtschaftlichkeitskontrolle in zweifa-cher Hinsicht: zum einen im Hinblick auf die Kostenstellen überdie Ermittlung von Soll- und Ist-Kosten und zum anderen in Bezugauf den Gesamtprozess über Kostenstellengrenzen hinweg. Dietraditionelle kostenrechnerische Einteilung in Kostenstellen wirddaher in der Prozesskostenrechnung durch eine modifizierte Kos-tenschlüsselung verfeinert. Letztlich führt dies zu einer höherenKosten- und Leistungstransparenz, die die Möglichkeit einerWirtschaftlichkeits- und Effizienzsteigerung in den indirektenLeistungsbereichen bietet. Dabei sollen direkte Bezugsgrößengefunden werden, die die Leistung der Kostenstelle abbilden undzugleich einer verursachungsgerechten Kostenzuordnung dienen.

Eine solche Vorgehensweise kann die Kapazitätsauslastung inVerwaltungsbereichen aufzeigen und einen effizienten Ressourcen-verbrauch sicherstellen. In der praktischen Durchführung derProzesskostenrechnung werden daher die in den einzelnen Kosten-stellen erbrachten Aktivitäten zunächst einer Analyse unterzogen,danach die Einflussfaktoren der Kostenverursachung in der Prozess-kostenstellenrechnung erarbeitet und dann die Teilprozesse zuHauptprozessen verdichtet (vgl. Abb. 1).28

Nachdem die zu untersuchenden Bereiche abgegrenzt und Hypo-thesen über die Hauptprozesse und deren Kosteneinflussgrößenaufgestellt sind, erfolgt in der Prozessanalyse eine Untersuchungund Strukturierung der Aktivitäten, die Gemeinkosten verursachen.Dazu werden die einer Kostenstelle zugeordneten Leistungen bzw.Aktivitäten definiert und deren Inanspruchnahme von Ressourcenbewertet. Bedeutsam ist hierbei, dass nur die kosten- und leistungs-wirtschaftlichen Aktivitäten herausgefiltert werden, die im Sinneder ABC-Analyse30 einen erheblichen Teil der Kostenstellenkostenverursachen. Der Archivprozess wird dabei in Teilprozesse geglie-dert, die im Anschluss der durchführenden Kostenstelle und demkostenstellenübergreifenden Hauptprozess zugeordnet werden.31

In der daran anschließenden Prozesskostenstellenrechung wirdzunächst der Frage nachgegangen, welche Faktoren hauptsächlichfür die Entstehung der Kosten in den Gemeinkostenbereichenverantwortlich sind. Es geht also um die Bestimmung der Bezugs-bzw. Maßgrößen. Nachdem alle Prozesse einer Kostenstelle erfasstsind, werden diese dahingehend untersucht, wie sie sich in Abhän-gigkeit von dem zu erbringenden Leistungsvolumen in der Kosten-stelle verhalten. Dabei werden die Kosten – vereinfacht dargestellt –in leistungsmengeninduzierte (lmi) und in leitungsmengenneutrale(lmn) Kosten systematisiert. Fixe Kosten, d. h. die in der Regel beigegebener Kapazität von der Beschäftigung unabhängigen Kosten32,werden als leistungsmengeninduziert definiert, wenn die Prozesse

Gesamtunternehmung

Vertrieb Verwaltung Produktion

Bereichs-/ Kosten- stellen- ebene

A1 A2 B1 B2 C2 C1 Aktivitäts-

ebene

Unter-nehmens-

ebene

Produkt- einführung

sicherstellen

Aufgaben- abwicklung

gewährleisten

Bestellungendurchführen

Operatives Geschäft abwickeln

Prozess- ebene

Haupt- prozess-ebene

241

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

von der Leistungserstellung beeinflusst werden. Lmn-Kosten fallendemgegenüber unabhängig von der Leistungsmenge an und lassensich nicht durch Maßgrößen abbilden. Für jeden lmi-Prozess sindKosteneinflussgrößen – so genannte Kostentreiber (Cost Driver) – zuerfassen, die analog zu den Bezugsgrößen der Grenzplankosten-rechnung33 als Maßgrößen der Kostenverursachung interpretiertwerden können und mit deren Hilfe die Prozesse mengenmäßigquantifizierbar sind. Durch die Festlegung von Planprozessmengenals Ausprägung einer Maßgröße wird hierbei bestimmt, wie häufigsich ein Vorgang innerhalb eines bestimmten Zeitraumes voraus-sichtlich wiederholen wird. Anschließend sind die verbleibendenlmn-Kosten über prozentuale Zuschlags- bzw. Umlagesätze auf dieProdukte zu verrechnen, die Teilprozesse zu Hauptprozessen zuverdichten und die Prozesskostensätze für die Hauptprozesse zuermitteln.34

Ebenso wie die erwerbswirtschaftliche Wertschöpfung ist auch dieLeistungserstellung im Archiv als ein zeitlich koordiniertes Ineinan-dergreifen verschiedener Teilprozesse zu interpretieren. Die Prozess-kostenrechnung erscheint daher für die Integration in eine Control-ling-Konzeption für ein Archiv besonders geeignet.35

GRUNDZÜGE DES BERICHTSWESENS

Nachdem die Zweckmäßigkeit von Kennzahlen zur Deckung desInformationsbedarfs im Rahmen des Controlling betrachtet wurde,stellt sich die Frage nach der personenspezifischen Präsentation derInformationen, die durch die Kennzahlen übermittelt werdensollen. Diese Informationsaufbereitung kann durch Berichte36

erfolgen, die eine Möglichkeit zur Deckung personen- und aufga-benspezifischer Informationsnachfrage bieten, indem sie einebeliebige Zusammenstellung von Kennzahlen in übersichtlicherForm zur Verfügung stellen (z. B. als Tabelle, Schaubild oder Dia-gramm).37 Hierbei ergeben sich Fragen nach der inhaltlichen (was?),formalen (wie?), zeitlichen (wann?) und personellen (wer?) Ausge-staltung. Diese orientieren sich an der zentralen Fragestellung nachden Berichtszwecken.38 Zur Steigerung der Aussagefähigkeit ist einekombinierte Angabe von mengen- und wertmäßigen Zahlen sowievon Vergleichsinformationen aus vergangenen Perioden oderanderen Bereichen sinnvoll.39 Es wird interessant sein zu untersu-chen, wie die Informationsverdichtung und empfängerorientierteInformationsbereitstellung über ein entsprechend eingerichtetesBerichtswesen in einer Controlling-Konzeption für ein Archivadäquat ausgestaltet werden könnte.

LEISTUNGSPROZESSE ÜBERLIEFERUNGS-BILDUNG UND ERSCHLIEßUNG

Der rechtliche Rahmen für den Prozess der Überlieferungsbildungwird insbesondere durch das jeweils gültige Archivgesetz und dievorhandenen Verwaltungsvorschriften bestimmt. Der Prozess

Abb. 2: Prozess der Überlieferungsbildung

gliedert sich allgemein in die drei Teilprozesse Anbietung, Bewer-tung und Übernahme (vgl. Abb. 2):40

Der Teilprozess der Anbietung umfasst die Registrierung eingehen-der Anbietungen von Unterlagen durch die anbietungspflichtigenStellen und implizit die Zuschreibung der Anbietung durch dieArchivleitung auf den bearbeitenden Archivar. Erfolgt eine Anbie-23

Innerhalb der Prozesskostenrechnung können im Wesentlichen zwei ver-schiedene Ansätze unterschieden werden: das ursprünglich von Kaplan undCooper entwickelte Activity Based Costing und die darauf basierende Me-thodik der Prozesskostenrechnung von Horváth und Mayer. Siehe Cooper,Robin/Kaplan, Robert S.: Measure costs right - make the right decision, in:Havard Business Review, 66. Jg. (1988), Heft 1, S. 96-103; Horváth, Péter/May-er, Reinhold: Prozesskostenrechnung. Der neue Weg zu mehr Kostentrans-parenz und wirkungsvolleren Unternehmensstrategien, in: Controlling, 1. Jg.(1989), Heft 4, S. 214-219. An dieser Stelle soll nur der differenziertere Ansatzvon Horváth und Mayer erläutert werden.

24 Reichmann (wie Anm. 4), S. 160.25 Der Begriff „Prozess“ wird hier als „eine auf die Erbringung eines Leistungs-

outputs gerichtete Kette von Aktivitäten“ verstanden; Mayer, Reinhold:Konzeption und Anwendungsgebiete der Prozesskostenrechnung, in: KRP,45. Jg. (2001), Sonderheft 3, S. 29-31, das Zitat S. 29.

26 Horvàth (wie Anm. 4), S. 527.27 Vgl. Brede, Hauke: Prozessorientiertes Controlling – Ansatz zu einem neuen

Controllingverständnis im Rahmen wandelbarer Prozessstrukturen (Con-trolling-Praxis), München 1998, S. 7-12; Müller, Armin: Gemeinkosten-Man-agement: Vorteile der Prozesskostenrechnung, 2. vollständig überarbeitete underweiterte Auflage, Wiesbaden 1998, S. 26-53; Michel, Rudolf/Torspecken,Hans-Dieter/Jandt, Jürgen: Neuere Formen der Kostenrechnung mit Prozess-kostenrechnung. Kostenrechnung 2 (Studienbücher der Wirtschaft), 5. über-arbeitete und erweiterte Auflage, München-Wien 2004, S. 256 f. u. 264.

28 Siehe Michel/Torspecken/Jandt (wie Anm. 27), S. 258 f. u. 262-266; Küpper(wie Anm. 4), S. 445 f.; Horvàth (wie Anm. 4), S. 529-531 u. 536 f.

29 Aus Reichmann (wie Anm. 4), S. 163.30 Die ABC-Analyse ist ein häufig genutztes Instrument des operativen Control-

ling, das vor allem in der Materialwirtschaft Verwendung findet. Auf Basis dererrechneten Konzentrationswerte erfolgt eine Einteilung in drei Klassen A, B,C. Ziel der ABC-Analyse ist es herauszufinden, welchem Bereich besondereAufmerksamkeit geschenkt werden sollte. Die ABC-Analyse ist somit ein Selek-tionsverfahren, das im Rahmen von Planungsprozessen einen effizienten Ein-satz knapper Ressourcen gewährleistet. Vgl. Deyhle, Albrecht: Controller-Hand-buch. Enzyklopädisches Lexikon für die Controller-Praxis, Bd. 1: ABC-Analysebis Controlling-Panorama (Controlling Pockets 11), 5. neu geschriebene Auflage,Offenburg-Wörthsee 2003, S. 1-3; Wöhe/Döring (wie Anm. 6), S. 396-398.

31 Siehe Müller (wie Anm. 27), S. 102-129; Michel / Torspecken/Jandt (wie Anm.27), S. 264 f. u. 268-272; Horváth (wie Anm. 4), S. 527-529.

32 Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass Fixkosten unter Umständenauch abhängig von der Beschäftigung sein können – z. B. im Kontext derFixkostendegression.

33 Die Grenzplankostenrechnung verteilt wie die Plankostenrechnung die gesam-ten (vollen) Kosten einer Planungsperiode auf die in dieser Periode abzuset-zenden Kostenträger (Produkte, Aufträge etc.). Im Unterschied zur Plankosten-rechnung enthält der Plankostenverrechnungssatz bei der Grenzplankosten-rechnung nur die variablen, d. h. von der Beschäftigung abhängige Kosten.

34 Vgl. Coenenberg, Adolf G.: Kostenrechnung und Kostenanalyse, 5. überar-beitete und erweiterte Auflage, Stuttgart 2003, S. 211-216; Michel/Torspeck-en/Jandt (wie Anm. 27), S. 272-287; Scherrer (wie Anm. 14), S. 668-758.

35 Siehe in diesem Sinne stellvertretend Horváth (wie Anm. 4), S. 526.36 Ein Bericht wird definiert als eine Zusammenfassung von Informationen,

die einer übergeordneten Zielsetzung folgt und einem Unterrichtungszweckdient. Die Erstellung der Berichte liegt dabei in der Verantwortung des Con-trollers, der die Objektivität der Berichterstattung zu gewährleisten hat.

37 Zur Auswertung der Berichte dienen Planungs- und Kontrollrechnungen, die hieraber nicht weiter konkretisiert werden. Vgl. dazu Reichmann (wie Anm. 4), S. 12.

38 Der Dokumentationszweck dient der Erfüllung der gesetzlichen Vorschrif-ten für das Rechnungswesen. Er ergibt sich aus der Notwendigkeit, Datenfür die Planung und Kontrolle zu dokumentieren, um z. B. die Ausgangs-größen für Prognosen zu liefern. Durch Berichte können zudem Gegenmaß-nahmen ausgelöst werden, etwa als Reaktionen auf sich verändernde Kenn-zahlenwerte bzw. Soll/Ist-Abweichungen. Zu beachten ist hierbei, dass insolchen Fällen tatsächlich Reaktionen erfolgen. Die Berichte haben keinenNutzen, wenn ihre Informationen keine Handlungen herbeiführen. ZumZweck der Kontrolle präsentiert ein Bericht die realisierten Werte, die mitden vorher festgelegten Sollwerten verglichen werden.

39 Siehe Küpper (wie Anm. 4), S. 170-177; Horváth (wie Anm. 4), S. 583-587 u. 591-597.40 Vgl. stellvertretend Kretzschmar, Robert: Die „neue archivische Bewertungs-

diskussion“ und ihre Fußnoten. Zur Standortbestimmung einer fast zehn-jährigen Kontroverse, in: Archivalische Zeitschrift, 82. Jg. (1999), S. 7-40;Ders. (Hg.): Methoden und Ergebnisse archivübergreifender Bewertung(Beiträge der ersten Frühjahrstagung der Fachgruppe 1: Archivare an staat-lichen Archiven im VdA - Verband deutscher Archivarinnen und Archivaree.V. in Zusammenarbeit mit dem Hauptstaatsarchiv Stuttgart am 20. März2001 im Hauptstaatsarchiv Stuttgart), Tübingen 2002.

ÜÜberlieferungsbildung

Anbietung Bewertung Übernahme

tung, hat das Archiv die Archivwürdigkeit der Unterlagen in ihremhistorischen, rechtlichen und administrativen Kontext zu bewerten.Die Bewertungsentscheidung wird gewöhnlich in einem Aktenver-merk festgehalten und der anbietungspflichtigen Stelle schriftlichmitgeteilt. Die Verwaltung registriert abschließend den Ausgang desSchreibens. Der Teilprozess der Übernahme von Unterlagen beginntmit der Registrierung der von der anbietungspflichtigen Stelleabgegebenen Unterlagen in der Verwaltung. Im Anschluss werdenvom Magazindienst die wesentlichen Übernahmeinformationen indas Zugangsbuch eingetragen, die Unterlagen revidiert und ggf.technisch bearbeitet. Der für die anbietungspflichtige Stelle zustän-dige Archivar erstellt eine Übernahmebestätigung, deren Postaus-gang in der Verwaltung wieder registriert wird.Wenngleich Messgrößen für diesen Prozess bestimmt werdenkönnen,41 bleibt die Frage offen, wie die entstehenden Kostenverursachungsgerecht auf die Kostenstellen abgebildet und dieTeilprozesse gesteuert werden können, um Zielvorgaben zu erfüllen.Vergleichbares gilt für den Prozess der Erschließung.

Abb. 3: Prozess der Erschließung

242

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

AUFSÄTZE

tungsprozess erfolgt die Transformation von Inputfaktoren inOutputkomponenten, die die Ergebnisse der Prozesse darstellen:die Übernahme der als archivwürdig bewerteten Unterlagen sowiederen Erschließung. Entsprechend dem zweistufigen Prozess deröffentlichen Dienstleistungsproduktion gilt es dabei, zwischen derSchaffung der Leistungsbereitschaft (z. B. der Bereitstellung vonPersonal) und der eigentlichen Leistungsabgabe (etwa der Bewer-tung bzw. der Erschließung von Unterlagen) zu unterscheiden.43

Der Outcome stellt die zielbezogene Wirkung der produziertenarchivischen Leistungen auf die Kunden und letztlich die Basis fürdie Ermittlung der gesetzmäßigen Zielerreichung dar.44

Sollen Kennzahlensysteme im Rahmen eines Controlling im Archiveingesetzt werden, müssen sie neben der finanzwirtschaftlichenPerspektive auch die Prozess-, Kunden- und Mitarbeiterperspektivebeinhalten. Neben der Unterstützung von Lernprozessen hat einKennzahlensystem auch die langfristige Transparenz dieser Prozessezu gewährleisten. Für die Zielstellung reicht es daher nicht aus,nichtfinanzielle Messgrößen in bestehende Systeme zu integrieren.Denn diese Größen müssen auch maßgeblich für die langfristigeEntwicklungsfähigkeit eines Archivs sein. Mit zunehmender Kom-plexität der Leistungsprozesse ist es für die Steuerbarkeit derProzesse von zentraler Bedeutung, die Ziele in konkrete, praxisrele-vante Zielvorgaben und korrespondierende Messgrößen zu opera-tionalisieren.Benötigt wird daher ein Instrument, das als geeignetes „Bindeglied“zwischen den Zielen eines Archivs und dessen operationalisiertenZielvorgaben sowie Leistungsbeurteilungsgrößen fungieren kann.Ein möglicher Ansatzpunkt hierfür stellt das 1992 von Kaplan undNorton entwickelte strategische Kennzahlen- und Managementsy-stem der Balanced Scorecard dar, das es in seinen Grundsätzen aufein Archiv zu übertragen gilt.45

PERSPEKTIVEN DER BALANCEDSCORECARD

Das Herzstück der Balanced Scorecard bilden vier Perspektiven: dieFinanz-, Kunden-, Prozess- und Lern- bzw. Innovationsperspektive.Sie ermöglichen ein Gleichgewicht von kurz- und langfristigenZielen, gewünschten Ergebnissen und deren „Leistungstreibern“sowie zwischen „harten“ Kennzahlen und subjektiveren Messwer-ten. Insofern wird deutlich, dass die Balanced Scorecard ein über-greifendes Management- und Kennzahlensystem zur Koordinationund Steuerung darstellt, das Bestandteile unterschiedlicherFührungsdimensionen umfasst.46

Die Balanced Scorecard enthält eine Finanzperspektive, da klassi-sche finanzielle Kennzahlen für einen Überblick über die wirt-schaftlichen Konsequenzen früherer Aktionen wertvoll sind. Fi-nanzkennzahlen zeigen an, ob die Archivstrategie sowie ihre Umset-zung und Durchführung überhaupt eine grundsätzliche Ergebnis-verbesserung bewirkt.47 Von der strategischen Zielausrichtungwerden zur Befriedigung von Kundenerwartungen die Ziele undKennzahlen für die Prozessperspektive abgeleitet. Dieser top-down-Prozess soll völlig neue verbesserungsbedürftige Geschäftsprozesseoffen legen.48

Wie wird das Archiv aus Sicht der Kunden eingeschätzt? Die Kun-denperspektive beinhaltet einige allgemeine, segmentübergreifendeZiele und Kennzahlen für den Erfolg einer gut formulierten undumgesetzten strategischen Zielausrichtung. Hier werden somit dieKundensegmente des Archivs untersucht.49

Die Bewertung von Unterlagen hinsichtlich ihrer dauernden Aufbe-wahrung ist Basis der kontrollierten Vernichtung und nachhaltigenAuswahl von Information durch positive Auslese. Damit die archiv-würdigen Unterlagen heutigen und künftigen Nutzern für ihreForschungszwecke offen stehen, werden sie im Archiv durch dieErschließung nutzbar gemacht. Der Prozess der Erschließungunterteilt sich in die drei Teilprozesse Vorbereitung/Ordnung,Verzeichnung und Findmittelerstellung:42

Vor der Erschließung erstellt der Bestandsverantwortliche einenBearbeitungsplan, führt ggf. eine Bestandsanalyse durch und ordnetdie Unterlagen nach ihrer Provenienz. Als Produkt der Erschließungdienen Findbücher, die in der Regel die wichtigsten Verzeichnungs-angaben zu den Unterlagen eines Bestandes umfassen.Auch für diesen Prozess können erste Messgrößen zur Beurteilungder Zielerreichung entwickelt werden (z. B. Zeitaufwand, Anzahlder erschlossenen Unterlagen und Anzahl der eingegebenen Da-tensätze), die als Planungsinstrument für den Personaleinsatzgeeignet erscheinen. Erschließungsrichtlinien haben in diesemKontext gleichsam den Status von Qualitätsstandards. Mit ihnenlässt sich relativ einfach die Prozessqualität erhöhen, da Qualitäts-standards für transparente Abläufe sorgen und die Prozessqualitätanhand der vereinbarten Kennzahlen beurteilt werden kann. Aller-dings stellt sich auch hier das Problem, wie die Kosten verursa-chungsgerecht auf die Kostenstellen abgebildet werden können.

VORAUSSETZUNGEN FÜR EINECONTROLLING-KONZEPTION

Zur Erfüllung der Leistungsprozesse Überlieferungsbildung undErschließung – und damit letztlich zur Erreichung der festgelegtenZiele – ist der Einsatz von Ressourcen (Input) notwendig. Im Leis-

EErschließung

Vorbereitung //Ordnung

Verzeich-nung

Findmittel-erstellung

243

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

Die Prozessperspektive identifiziert die internen, kritischen Prozes-se, in denen das Archiv seine Verbesserungsschwerpunkte setzt.Diese Prozesse befähigen ein Archiv dazu, sowohl die Wertvorgabenzu liefern, die von Kunden gewünscht werden und daher zurKundentreue beitragen, als auch die Erwartungen des Haushaltsge-setzgebers zu befriedigen. Herkömmliche Ansätze richten ihrHauptaugenmerk normalerweise auf die Verbesserung und Über-wachung existierender Prozesse. Die Balanced Scorecard identifi-ziert jedoch auch neue Prozesse, die eine Organisation zur Errei-chung optimaler Kundenzufriedenheit schaffen muss.50

Wie kann sich ein Archiv verbessern und Innovationen einführen?Die Lern- und Innovationsperspektive als vierte Perspektive derBalanced Scorecard identifiziert diejenige Infrastruktur, die dasArchiv schaffen muss, um langfristig Verbesserung zu sichern.Hierbei wird die Einbindung der Mitarbeiter in die Leistungspro-zesse und somit das tatsächliche Ergebnis der Prozesse überprüft.Wichtige Aspekte sind dabei die Mitarbeiterzufriedenheit und-produktivität sowie die Weiterbildung.51

Wenn allen Mitarbeitern die von der Archivleitung formuliertenZiele und Maßnahmen bekannt sind, können abteilungsinterneZiele festgelegt werden, d. h. Ziele, die die strategische Zielausrich-tung einer Abteilung unterstützen und vorantreiben. Auf dieseWeise werden die Ziele von oben nach unten im Archiv herunterge-brochen. Die strategische Zielausrichtung ist ein Bündel vonUrsache- und Wirkungsbeziehungen (vgl. Abb. 4).Jede für eine Balanced Scorecard ausgewählte Kennzahl sollte einElement der Kette von Ursache- und Wirkungsbeziehungen seinund die Bedeutung der strategischen Ziele kommunizieren. Durchdiese Kette von Ursache- und Wirkungsbeziehungen, die letztlichdie Zusammenhänge zwischen den Zielen verdeutlichen, tragen dieVerbesserungen schließlich zu einer stärkeren finanziellen Leistungbei.53

Abb. 4: Beispiel für eine Ursache-Wirkungskette einer Balanced Scorecard für die Leistungsprozesse Überlieferungsbildung und Erschließung52

41 Kennzahlen wären etwa die Kosten pro anbietungspflichtige Stelle und derKostenanteil der Übernahmen an den Gesamtkosten des Archivs. Kosten-treiber sind hierbei z. B. die Prozesszeiten sowie die Anzahl der anbietendenStellen und der bewerteten Unterlagen.

42 Siehe stellvertretend Menne-Haritz, Angelika (Hg.): Archivische Er-schließung – Methodische Aspekte einer Fachkompetenz: Beiträge des Drit-ten Archivwissenschaftlichen Kolloquiums (Veröffentlichungen derArchivschule Marburg 30), Marburg 1999.

43 Die Dienstleistungsproduktion gliedert sich in eine Vorkombination, diezum Aufbau des Leistungspotenzials dient, und eine Endkombination mitdem Ziel der Leistungsabgabe durch den Einsatz der Leistungsbereitschaft.Vgl. Budäus, Dietrich/Buchholtz, Klaus: Konzeptionelle Grundlagen desControlling in öffentlichen Verwaltungen, in: Die Betriebswirtschaft, 57. Jg.(1997), Heft 3, S. 322-337, hier: S. 325 u. 330.

44 Siehe Bea, Franz Xaver/Friedl, Birgit/Schweitzer, Marcell: Einleitung: Leis-tungsprozess, in: Dies. (Hg.): Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Bd. 3:Leistungsprozess, 9. neu bearbeitete und erweiterte Auflage, Stuttgart 2006,S. 1-7, hier: S. 4 f. Ein Beispiel hierfür ist der von den Kunden des Archivserfahrene Nutzen aus der Gewährleistung einer fachlich fundierten Er-schließung von Archivgut.

45 Vgl. Kaplan, Robert S./Norton, David P.: Balanced Scorecard. Strategien er-folgreich umsetzen, Stuttgart 1997, S. 18; Weber, Jürgen/Schäffer, Utz: Bal-anced Scorecard - Gedanken zur Einordnung des Konzepts in das bisherigeControlling-Instrumentarium, in: Zeitschrift für Planung, 9. Jg. (1998), Heft9, S. 341-365, hier: S. 344. Im Folgenden wird die Balanced Scorecard alsstrategisches Kennzahlen- und Managementsystem definiert.

46 In diesem Sinne Kaplan/Norton (wie Anm. 45), S. 24; Reichmann (wie Anm.4), S. 601-603.

47 Beispielsweise im Hinblick auf Rentabilität oder Maßnahmen zurKostensenkung.

48 Siehe Kaplan/Norton (wie Anm. 45), S. 46 u. 90.49 Vgl. Reichmann (wie Anm. 4), S. 603 f.50 Siehe Kaplan/Norton (wie Anm. 45), S. 24 f.51 Vgl. ebenda, S. 27; Reichmann (wie Anm. 4), S. 605-607. Mögliche Zielfor-

mulierungen sind: Verringerung der Fluktuation um 3 % innerhalb dernächsten 5 Jahre (bei Nichtberücksichtigung von Stellenabbauverpflichtun-gen) oder Steigerung der Mitarbeiterzufriedenheit.

52 In Anlehnung an Kaplan/Norton (wie Anm. 45), S. 29.53 Siehe ebenda, S. 13 f. u 28-30; Reichmann (wie Anm. 4), S. 610-612.

KKundenperspektive

Prozessperspektive

Lern- uundInnovationsperspektive

Finanzperspektive Prozesskosten

Kundenzufriedenheit

Prozessqualität Prozesszeit

Qualifikation dderMitarbeiter

Nach der Erfassung der Tätigkeiten und deren Analyse sind gemäßden Prämissen der Prozesskostenrechnung die Kosten dahingehendzu untersuchen, ob die Kostenhöhe von dem im jeweiligen Bereichzu erbringenden Arbeits- und Leistungsvolumen abhängt (lmi-Tätigkeiten) oder ob sie sich unabhängig vom Leistungsvolumenals fix charakterisieren lassen (lmn-Tätigkeiten).60

Für die Prozesse sind dann Maßgrößen zu identifizieren, mit denendie Prozesshäufigkeit quantifizierbar ist. Wie die Kostenstellen-Prozessbögen in einem Archiv anhand der beiden Leistungsprozesse

244

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

AUFSÄTZE

MESSGRÖßEN ZUR BEWERTUNG DESERREICHUNGSGRADES In der Prozessperspektive ist vor allem die Prozesskostenrechnungdie Informationsbasis. Strategisch geeignete Messgrößen sindzudem die Relation von Teilprozess- zu Prozesszeiten und dieErfolgsrate im ersten Durchlauf. Die Teilprozesszeiten umfassen denZeitraum, der für die Teilprozesse der Prozesse Überlieferungsbil-dung und Erschließung benötigt wird. Dagegen kennzeichnet dieProzesszeit die Gesamtzeitdauer für die Leistungserstellung. DieRelation von Teilprozess- zur Prozesszeit ist ein wirksamer Frühindi-kator. Eine Verschlechterung der Relation deutet früh auf Problemeim Arbeitsablauf hin, die letztlich Mehrkosten und Terminverzöge-rungen zur Folge haben können. Insbesondere diese Relation eignetsich für Archive: „allein die Berechnung der Ist-Daten und ihr […](Vergleich) wird erhebliche Rationalisierungspotenziale sichtbarwerden lassen.“54 Mit der Kennzahl „Erfolgsrate im ersten Durch-lauf“ wird der Anteil der Leistungen oder Teilleistungen gemessen,die in Bezug auf die Leistungserstellung bereits im ersten Durchlaufder geforderten Qualität gerecht werden.Entscheidende Voraussetzung für die Erhöhung der Zufriedenheitder Kunden ist das Erfassen ihrer Bedürfnisse. Zur Messung derKundenzufriedenheit bieten sich Umfragen in zeitlichen Abständenan. In diesem Zusammenhang könnten auch Kennzahlen ermitteltwerden, die Auskunft über Produkt- und Serviceeigenschaftengeben, wie z. B. das Serviceangebot und die Serviceverfügbarkeitsowie die Verständlichkeit von Findbuchinformationen. Die perma-nente und systematische Befragung der Kunden ist ein wesentlichesInstrument zur Bestimmung der Kundenzufriedenheit, eine ent-scheidende Voraussetzung für das Erkennen und Lokalisieren vonProblemen und damit für ihre Lösung. Die gewonnenen Ergebnissetragen außerdem dazu bei, ergebnisorientierter zu führen und dieVereinbarung von Zielen zu erleichtern.55

Das wichtigste Instrument zur Feststellung des Grads der Mitarbei-terzufriedenheit sind Mitarbeiterbefragungen. Bei entsprechenderGestaltung der Fragebögen ermöglichen Mitarbeiterbefragungeneine Analyse der gesamten Arbeits- und Führungssituation allerOrganisationsebenen des Archivs. Die Ermittlung der intrinsischenMotivation der Mitarbeiter schließlich kann über indirekte Messun-gen erfolgen.56 Daraus können weitere Kennzahlen abgeleitetwerden, wie die Fluktuationsrate zur Messung der Mitarbeitertreuemit dem Ziel der Sicherung intellektuellen Kapitals57 und dieProduktivität zur Messung des Outputs pro Mitarbeiter.58

Als Datenbasis für die Finanzperspektive kommt in erster Liniewieder die Prozesskostenrechnung in Frage, da sie die Wirtschaft-lichkeitskontrolle des Controlling weitgehend unterstützt. DieProzesskosten stellen hierbei die wesentliche Steuerungsdimensiondar. In der öffentlichen Verwaltung ist die Wirtschaftlichkeit vorallem über die entstandenen Kosten zu gewährleisten und kanndaher auch nur durch Kosteneinsparungen verbessert werden. Nurein sehr geringer Kostenanteil lässt sich direkt auf Produkte erfas-sen. Die übrigen Kosten, insbesondere die Personalkosten, werdenzunächst auf Kostenstellen erfasst und von dort weiter an dieProdukte verrechnet. Die einzige Möglichkeit, diese Kosten verursa-chungsgerecht auf Produkte zu verrechnen, sind die Stunden. Umdies zu erreichen, müssen die Mitarbeiter Stunden erfassen. ZurBeurteilung der Effizienz und der Qualität der Leistungsprozesseinteressiert dabei vor allem die Personalkostenintensität der be-trachteten Prozesse.59

DARSTELLUNG DER KONZEPTION Die Kosten- und Leistungsrechnung soll die in den Leistungspro-zessen vorgenommenen Aktivitäten erfassen. Ein wichtiger Aspektfür ihre Gestaltung ist daher die Planung und Kontrolle der ablau-fenden Prozesse. Wie bereits hervorgehoben, eignet sich im Rahmendes Controlling die Prozesskostenrechnung besonders für diegemeinkostenintensiven Verwaltungsaktivitäten, da sie von dendurchzuführenden Tätigkeiten ausgeht und die für sie maßgebli-chen Kostentreiber bestimmt. Durch eine Analyse der Aktivitätenund der für sie benötigten Zeiten kann zumindest annäherndbestimmt werden, welche Kosten für die Leistungsprozesse aufge-bracht werden müssen. Dies ermöglicht nicht nur die präzisereSteuerung und Kontrolle der Prozesse, sondern letztlich auch denErwerb von Informationen zur Beurteilung der Qualität der Prozes-se aus kosten- und leistungswirtschaftlicher Sicht. Die beidennachfolgenden Abbildungen 5 und 6 veranschaulichen die Untersu-chung der Tätigkeiten und deren Zuordnung zu den Kostenstellenfür die beiden Leistungsprozesse Überlieferungsbildung undErschließung:

Abb. 5: Zuordnung der Teilprozesse und Kostenstellen des Prozesses Überlieferungs-bildung

Abb. 6: Zuordnung der Teilprozesse und Kostenstellen des Prozesses Erschließung

ÜÜberlieferungbildung

Archivar Magazindienst

Kostenstellen

Magazin-dienstVerwaltung

Anbietung

Archivar

Kostenstellen

ÜbernahmeBewertung

AAuuffssppaallttuunngg

Zuordnung

Aufspaltung

Zuordnung

Erschließung

Vorbereitung/Ordnung

Verzeich-nung

Findmittel-erstellung

245

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

Tab. 2: Aufbau des Kostenstellen-Prozessbogens für die Kostenstelle Überlieferungs-bildung67

Überlieferungsbildung und Erschließung aussehen könnten, zeigendie Tabellen 2 und 3.Der Umlagesatz dient der Verteilung der Kosten der Archivleitung(43.200 €) auf die lmi-Prozesse, weil nur diese im Rahmen einerProzesskostenkalkulation weiter verrechnet werden.68 Der Zu-schlagssatz wird anschließend auf den Prozesskostensatz bezogen,um den Umlagesatz zu erhalten.69 Im Rahmen der an dieser Stellenicht weiter behandelten Prozesskostenkalkulation ist schließlichnoch der Gesamtprozesskostensatz zu berechnen. Dieser resultiertaus der Addition von Prozesskostensatz (lmi) und Umlagesatz(lmn). Der Gesamtprozesskostensatz wird dann in der Prozessko-stenkalkulation zur Kalkulation des Produktes herangezogen.70

Mit Hilfe der Prozesskostenrechnung können somit Vorgänge undAktivitäten im Archiv erstmals verursachungsgerecht in Kosten-größen ausgedrückt und die Daten im Rahmen des Controlling zurPlanung und Wirtschaftlichkeitskontrolle eingesetzt werden.Demnach lassen sich als erste Schlussfolgerungen folgende Befundeherausstellen. Zur Erreichung übergeordneter Ziele sowie zurSteigerung der Wirtschaftlichkeit und der Qualität sind aussage-fähige Prozesskennzahlen festzulegen. Die Prozesszeiten könntendurch organisatorische Umstrukturierungen und Festlegungen derProzessverantwortlichkeiten verkürzt werden. Die Prozessdatensollten als eine Basis für Zielvereinbarungen genutzt werden. ZurOptimierung des Personaleinsatzes sind die einzelnen Aktivitätender Teilprozesse zu normieren und Laufbahngruppen zuzuordnen.Eine qualifikationsgerechte Verteilung der Aufgaben ermöglichteinen rationellen Einsatz personeller Ressourcen und die Sicherstel-lung einer wirtschaftlichen Bearbeitung, da Überqualifikationausgeschlossen wird. Die Aktivitäten können in einem Ablaufplan73

dokumentiert werden, der damit den Ist-Zustand beschreibt bzw.sich am Regelfall ausrichtet. Mit dem Ablaufplan liegt ein Instru-ment vor, das zur Steuerung und Standardisierung der Prozesseherangezogen werden kann: Standardisierung ist „die beste undeinfachste Weise, die Prozessqualität zu erhöhen.“74 Außerdemkönnen Veränderungen der Abläufe leicht korrigiert und angepasstwerden.

Tab. 3: Aufbau des Kostenstellen-Prozessbogens für die Kostenstelle Erschließung72

54 Friedag, Herwig R./Schmidt, Walter: Balanced Scorecard – mehr als einKennzahlensystem, 2. Auflage, Freiburg i. Br.-Berlin-München 2000, S. 146.

55 Vgl. hierzu stellvertretend Schedler/Proeller (wie Anm. 2), S. 145-160.56 Kennzahlen für Mitarbeitermotivation sind beispielsweise: 1. Anzahl oder

Wachstum von Verbesserungsvorschlägen; 2. Umsetzung von Ver-besserungsvorschlägen. Kennzahlen für außerordentliche Mitarbeitermo-tivation können sein: 1. Beförderung; 2. Übertragung von Verantwortung.

57 Fluktuationsrate = Freiwillig ausgeschiedene Beschäftigte/durchschnitt-licher Personalbestand.

58 Kennzahlen zur Mitarbeiterproduktivität sind z. B. 1. Anzahl offenerVorgänge; 2. Anzahl erstellter Findbücher; 3. Anzahl bewerteter Unterlagen.Siehe Friedag/Schmidt (wie Anm. 54), S. 168 f. u. 171 f.; Domsch, Michel E.:Mitarbeiterbefragungen, in: Rosenstiel, Lutz von/Regnet, Erika/Domsch,Michel E. (Hg.): Führung von Mitarbeitern: Handbuch für erfolgreiches Per-sonalmanagement, 5. überarbeitete Auflage, Stuttgart 2003, S. 651-664,hier: S. 652-658.

59 Die Kennzahl lautet: Verrechnete Personalkosten pro Teilprozess/gesamteProzesskosten x 100. Vgl. Budäus (wie Anm. 2), S. 130-133; Reichmann (wieAnm. 4), S. 179.

60 Lmn-Tätigkeiten, denen keine Kostentreiber zugeordnet werden können,sind beispielsweise Überwachungsfunktionen der Archivleitungen.

61 PK = Prozesskostensatz in €.62 UL = Umlagesatz in €.63 GPK = Gesamtprozesskostensatz in €.64 Die angegebenen Werte sind geschätzt.65 Die Prozesskosten pro Jahr ergeben sich als Produkt (1) des geschätzten Zeit-

aufwands in Minuten pro Prozess multipliziert mit (2) den bei Hedwig,Andreas: Die hessischen Staatsarchive im Umbruch – die Auswirkungender betriebswirtschaftlichen Neuen Verwaltungssteuerung, in: Verbanddeutscher Archivarinnen und Archive e.V. (Hg.): Archive im gesellschaftli-chen Reformprozess. Referate des 74. deutschen Archivtags 2003 in Chem-nitz (Der Archivar Beiband 9), Siegburg 2004, S. 147-157, hier: S. 156, für dieeinzelnen Laufbahngruppen (höherer Dienst = 1,16 €, gehobener Dienst =0,96 €, mittlerer Dienst = 0,78 €) angegebenen Personalkosten pro Minuteund (3) der Prozessmenge pro Jahr.

66 Bei einer Bewertungstätigkeit durch den gehobenen Dienst würden die Pro-zesskosten pro Jahr hier 288.000 € und der GPK entsprechend nur 21,97 €betragen. Eine präzisere Kennzahl ergäbe sich aus dem Quotienten des be-werteten Unterlagenumfangs dividiert durch die Teilprozesszeit.

67 In Anlehnung an Michel/Torspecken/Jandt (wie Anm. 27), S. 268-287.68 Der Umlagesatz wird wie folgt über einen Zuschlagssatz berechnet: Zu-

schlagssatz = Lmn-Kosten dividiert durch die Summe der Lmi-Kosten (hier:Zuschlagssatz = 43.200 € / 359.248 € = 0,12025 € => 12,025 %). Jeder Lmi-Prozess muss demnach 12,025 % der jährlichen Prozesskosten als Umlageder Dienststellenkosten tragen.

69 Hier: „Registrierung eingehender Anbietungen“: 3,90 € PK. Davon12,025 % = 0,47 € = UL.

70 Siehe stellvertretend Michel/Torspecken/Jandt (wie Anm. 27), S. 268-287.71 Die angegebenen Werte sind geschätzt.72 In Anlehnung an Michel/Torspecken/Jandt (wie Anm. 27), S. 268-287.73 Vgl. den beispielhaft für den Leistungsprozess Überlieferungsbildung er-

stellten Ablaufplan bei Nolte, Burkhard: Qualitätsmanagement und -siche-rung der archivischen Fachaufgabe Bewertung, in: Unger, Stefanie (Hg.):Archivarbeit zwischen Theorie und Praxis. Ausgewählte Transferarbeiten des35. und 36. Wissenschaftlichen Kurses an der Archivschule Marburg (Ver-öffentlichungen der Archivschule Marburg 41), Marburg 2004, S. 421-458;hier: S. 451.

74 Wildemann, Horst: Qualitätscontrolling. Einführungsleitfaden, München1995, S. 53.

Sowohl der Teilbericht A als auch der Teilbericht B beinhaltenKennzahlenwerte aus den Abteilungen, die in den vier Perspektivender Balanced Scorecard definiert worden sind. Der Teilbericht Cschließt die gleichen Kennzahlen wie der Teilbericht B ein, aller-dings nur auf einzelne Arbeitseinheiten in einem Archiv bezogen.Da Kennzahlen zu den Zieldimensionen Kunden- und Mitarbeiter-zufriedenheit in der Regel nicht auf einzelne Arbeitseinheitenausgewiesen werden können, enthält der Teilbericht C nur Datenzur Auftragserfüllung und Wirtschaftlichkeit. Diese können eineninnerarchivischen Kennzahlenvergleich unterstützen.In Bezug auf die Berichtsverteilung sollte der Standardbericht analle relevanten Empfänger weitergegeben werden, um Transparenzzu gewährleisten und Verbesserungsprozesse zu unterstützen. Alsrelevant sind in diesem Kontext diejenigen Personen zu bezeichnen,die als Partner von Zielvereinbarungen ein berechtigtes Interesse anregelmäßigen Informationen aus dem Standardbericht haben.78 DasMedium zur Berichtsverteilung ist nach Effektivitäts- und Effizienz-kriterien auszuwählen. Eine Bereitstellung der Standardberichteüber das behördeninterne Intranet erscheint hierbei am schnellstenund günstigsten. Schließlich sind die Berichte um problemorientier-te Spezialanalysen zu ergänzen.79

Zur Nutzung von Synergiepotenzialen sollten Prozesse und Inhaltedes Berichtswesens und anderer Steuerungsinstrumente(z. B. Kennzahlen und Prozesskostenrechnung) nicht nur mit derBalanced Scorecard, sondern mit Blick auf eine integrierte Steuer-ung auch mit den bestehenden Steuerungsinstrumenten einesArchivs80 verknüpft werden. Eine integrierte Steuerung ermöglichtdie gemeinsame Verwendung der ermittelten Informationen. Durchdie Kombination strategischer und operativer Steuerung können dieProzesse der Strategieentwicklung und der operativen Jahrespla-nung zeitlich abgestimmt werden. Die strategischen Ziele gebeninhaltlich den Rahmen für die operative Jahresplanung vor. Dabeibesteht das unterjährige Berichtswesen aus einem strategischen Teil(strategische Ziele und Messgrößen in der Balanced Scorecard) undeinem operativen Teil (operative Ziele und Kennzahlen).

246

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

AUFSÄTZE

Die Prozesskostenrechnung kann ihre Potenziale aber nur entfalten,wenn sie eine strategische Ausrichtung erhält. Diese „liefert“ dieBalanced Scorecard, die somit die Prozesskostenrechnung ergänzt.Das Ergebnis einer exemplarischen Ableitung von Messgrößen füreine Balanced Scorecard verdeutlicht Tabelle 4. Genannt ist jeweilsdie Zielgröße, die dazu dient, Vision und strategische Konzeptionzu operationalisieren. Es folgt die Messgröße und danach dieEinheit. Die Auswahl der steuerungsrelevanten Zielvorgaben undder dazu korrespondierenden Messgrößen obliegt der Archivlei-tung.

Parallel zur Balanced Scorecard ist eine Berichtsstruktur zu ent-wickeln. Das Berichtswesen hat verschiedene Anforderungen zuerfüllen, um als Grundlage für ein Controlling im Archiv dienen zukönnen. Zunächst sollten die Kennzahlen im Zusammenhangabgebildet werden, so dass eine ganzheitliche Betrachtung derLeistung möglich erscheint. Anschließend sind die Kennzahlen z. B.einer Abteilung eines Landesarchivs im Vergleich mit den Kennzah-len der anderen Abteilungen darzustellen.76 Damit das Berichtswe-sen in der Lage ist, zeitnahe Steuerungsmaßnahmen zu unterstüt-zen, sind die Berichte jährlich und quartalsweise zu erstellen.Schließlich sollte für jedes Archiv insgesamt ein Standardberichterstellt werden,77 der pyramidenförmig aufgebaut sein kann: miteinem Teilbericht A an der Spitze, einem Teilbericht B in der Mittesowie einem Teilbericht C an der Basis (vgl. Abb. 7):

Prozessperspektive

Ziel Messgröße Einheit Ist-Werte Quartal

Zielwert Jahr

erreicht %

1 2 3 4Optimale Prozess-leistung

Zielabweichung, Anforderungs-übereinstimmung

%, Faktor

Optimale Prozess-effizienz

Relation von Teilprozess- zu Prozesszeit

%, Faktor

Optimale Prozessqualität

Erfolgsrate im ersten Durchlauf (Fehlerfreiheit, Kontrollier- und

Steuerbarkeit)

%, Faktor

Optimales Prozess-Know-How

Prozesszeiten %,

Faktor

Kundenperspektive

Ziel Messgröße Einheit Ist-Werte Quartal

Zielwert Jahr

erreicht %

1 2 3 4Erschließung aller nicht erschlossenen Unterlagen

Anzahl der erschlossenen Unterlagen Zahl

Entlastung derBehörden von abgabereifen Unterlagen

Anzahl der bewerteten Unterlagen Zahl

Kunden-zufriedenheit Umfragen Punkte

Kunden-partnerschaft

Anzahl der Kooperationen mit Kunden Zahl

Aktive Kunden-betreuung Anzahl Behördenbesuche %

Lern- und Innovationsperspektive

Ziel Messgröße Einheit Ist-Werte Quartal

Zielwert Jahr

erreicht %

1 2 3 4Mitarbeiter-zufriedenheit Befragungen Punkte

Mitarbeiter-treue Fluktuationsrate

%, Faktor

Mitarbeiter-motivation

Anzahl von Verbesserungsvor-schlägen, Übertragung von Ver-

antwortung, Bereitschaft zu Überstunden

Zahl, %, Faktor

Mitarbeiter-produktivität

Anzahl offener Vorgänge /ein-gegebener Datensätze / bewerteter Unterlagen

Zahl

kontinuierliche Verbesserung

Kosten der Weiterbildung jeMitarbeiter %

Finanzperspektive

Ziel Messgröße Einheit Ist-Werte Quartal

Zielwert Jahr

erreicht %

1 2 3 4Standardisie-rung von Pro-zessen bzw.Produkten

Relation von Teilprozesskosten zu Prozesskosten

%, Faktor

Minimierung von Prozess-kosten

Kostentreiber, Wirtschaftlichkeit €

Minimierung d. Personalkos-tenintensität

Personalkosten je Teilprozess ⁄Prozesskosten x 100 %

Minimierung der Kosten der Abweichung

Umsetzungsgrad vonRichtlinien

%, Faktor

Jahr 2009 Datum: 01.11.2008 Blatt für Frau/Herrn

Zu vereinbaren ist jeweils eine Jahreszielgröße. Dann sind Ist-Wertezu identifizieren, die sich von Quartal zu Quartal entweder kumu-lieren wie etwa die Anzahl der Anbietungen von Unterlagen durchdie anbietungspflichtigen Stellen oder die von Quartal zu Quartalschwanken wie z. B. die Anzahl erstellter Findbücher.

Tab. 4: Balanced Scorecard für ein Archiv75

Abb. 7: Konzeptioneller Aufbau eines Standardberichts für ein Archiv

247

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

Gleiches gilt für die Prozesse der Strategieentwicklung und derErarbeitung von Qualitätskriterien bei einer Verknüpfung vonstrategischer Steuerung und Qualitätsmanagement. Die Ergebnisseder Evaluierung des Archivs liefern hierbei wertvolle Informationenfür die interne Analyse (Stärken, Schwächen, Kernkompetenzen).Dabei trägt das Qualitätsmanagement durch seine Mobilisierungs-kraft zur Umsetzung der Strategie bei. Im Gegenzug bildet dieStrategie die Basis für die Priorisierung und Auswahl der Maßnah-men, die im Qualitätsmanagement vorgeschlagen werden. Indiesem Kontext unterstützt das Controlling als Brücke zwischenoperativer Steuerung und Qualitätsmanagement die Aktivitäten beider Ermittlung und teilweise bei der Erhebung der Kennzahlen.81

Die Ergebnisse des Controlling tragen dabei zur Absicherung derErgebnisziele bei, da Schwachstellen erkannt und mit Hilfe derInstrumente Schritt für Schritt zumindest reduziert werden kön-nen. Letztlich lassen sich durch den abgestimmten Einsatz derInstrumentarien Synergien statt Reibungsverluste und eine höhereEntscheidungsqualität erreichen, da die Eigenverantwortung undSelbststeuerung der Mitarbeiter gefördert wird. �

CONTROLLING EASY MADE – ACTIVITY BASED COSTINGAND BALANCED SCORECARD IN ARCHIVES

Performance measurement: Concidering the financial crisis on publicsector and the requirement for more efficiency and customer orienta-tion extensive economic demands arise on archives within the scopeof New Public Management. Based on a survey of aims and assign-ments of controlling the author explains suitable controlling instru-ments for archives. Key figures and key figure systems as well as theactivity based costing belong to them. Afterwards the description ofprocess structures of archival valuation and description is at stake.The next part concentrates on the conditions for the structure of acontrolling concept. Subsequently it goes into the development of a

Dr. Burkhard NolteSächsisches StaatsarchivBergarchiv FreibergSchloßplatz 4, 09599 FreibergTel. 03731-394-637, Fax 03731-394-627E-Mail: [email protected]

75 In Anlehnung an Deyhle (wie Anm. 30), S. 74 f. Bei dieser Darstellungtatsächlicher und ergänzter möglicher Zielvorgaben sowie entsprechenderMessgrößen kann es sich nicht um eine abschließende Aufzählung handeln.Vielmehr werden lediglich Ansatzpunkte und Beispiele für eine Operatio-nalisierung der Ziele eines Archivs aufgezeigt.

76 Der innerarchivische Vergleich, sprich: das Benchmarking, kann durch denerweiterten Blickwinkel zur Weiterentwicklung der Wirtschaftlichkeitsana-lyse führen und somit Eingangsinformationen für das Controlling liefern.Siehe Riegler, Christian: Benchmarking, in: Küpper, Hans-Ulrich/Wagen-hofer, Alfred (Hg.): Handwörterbuch Unternehmensrechnung und Control-ling (HWU) (Enzyklopädie der Betriebswirtschaftslehre 3), 4. völlig neugestaltete Auflage, Stuttgart 2002, Sp. 126-134, bes. Sp. 128-131.

77 Dies ist erforderlich, um einerseits auf allen Organisationsebenen Klarheitüber die steuerungsrelevanten Kennzahlen herzustellen und andererseitskeiner Empfängergruppe Kennzahlen vorzuenthalten.

78 Die Empfänger im Archiv sind alle durch den Quartalsbericht betroffenenMitarbeiter und der Personalrat. In der Aufsichtsbehörde sollten der zustän-dige Referatsleiter und der Hauptpersonalrat regelmäßig Standardberich-te erhalten.

79 Vgl. stellvertretend Küpper (wie Anm. 4), S. 182-187.80 Spezifische Leistungsberichte wie Jahresberichte und Indikatorenrech-

nungen zur Messung der Zielerreichung (z. B. Anzahl der pro Jahr erstell-ten Findbücher).

81 Hierbei sollte ein Projektcontrolling zur Steuerung der Umsetzung der Maß-nahmen aus dem Qualitätsmanagement eingesetzt werden. Der Umset-zungsgrad der Projekte fließt dann in das operative Berichtswesen ein. Da-mit könnte als konkreter Nutzen eine strategische Ausrichtung des gesamtenArchivs und eine ganzheitliche Sichtweise durch die Verdichtung vonquantitativen und qualitativen Daten erzielt werden.

Balanced Scorecard as the central instrument of the concept. TheBalanced Scorecard ensures the strategic adjustment of the activitybased costing. In the end a conceivable report structure and synerge-tic potentials of the used control instruments will be shown.

248

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

AUFSÄTZE

Das Landesarchiv Nordrhein-Westfalen ist Pilotbehörde im ProjektEPOS.NRW.1 Dieses Projekt hat die Modernisierung des Haushalts-und Rechnungswesens zum Ziel und ist mit umfassenden Neuerun-gen verbunden. Mit der Kosten- und Leistungsrechnung, dem Pro-dukthaushalt und dem Berichtswesen hat das Landesarchiv NRWseit 2005 bereits erste Erfahrungen gesammelt. Ein noch nichtumgesetzter Bestandteil des Projektes EPOS.NRW ist die Einführungeiner Vermögensrechnung.In der zurzeit noch gültigen Kameralistik werden ausschließlichEinzahlungen und Auszahlungen berücksichtigt. Eine Investitionerscheint nur im Jahr der Anschaffung im Haushalt. Die Höhe desvorhandenen Vermögens kann nicht abgelesen werden. Ein über-mäßiger Verzehr von Vermögenswerten (Substanzverlust) ist infolge-dessen aus dem kameralistischen Haushalt nicht erkennbar. Anschaf-fungen können in folgende Haushaltsjahre verschoben werden, ohnedass die Folgen deutlich werden. Vermögen kann verkauft werden,um kurzfristig die Liquidität zu erhöhen.Die zukünftige Vermögensrechnung wird die Anforderungen einesRessourcenverbrauchskonzeptes erfüllen. Das Anlagevermögen wirdin einer Bilanz aktiviert und über die Nutzungsdauer – also nach demRessourcenverbrauch – abgeschrieben. Das vorhandene Vermögenwird übersichtlich dargestellt. Vermögensverluste werden transparentund haben negative Folgen.Zur Einführung der Vermögensrechnung ist zunächst eine Eröff-nungsbilanz zu erstellen. Dazu muss das gesamte Vermögen bewertetwerden. Bei Vermögensgegenständen wie Möbeln oder Maschinen istdas zwar nicht unbedingt leicht, aber zumindest gibt es Richtwerteund zahlreiche Erfahrungen aus anderen Bereichen. Dieser Teil desVermögens ist in der Anlagenbuchhaltung des Landesarchivs auchjetzt schon u. a. für die Kosten- und Leistungsrechnung erfasst. Aberwas ist mit dem Archivgut? Soll das auch in die Bilanz einfließen?Und wenn ja, wie ist eine mittelalterliche Urkunde oder eine neuzeit-liche Akte zu bewerten?

BILANZIERUNG VON ARCHIVGUT - PROUND KONTRADie Auffassungen über die Bewertung von Archivgut sind sehrunterschiedlich.Viele Archivare befürchten Begehrlichkeiten durch die finanzielleBewertung des Archivguts. Der Kämmerer/Finanzminister könntetheoretisch in schwierigen Haushaltssituationen erwägen, das Archiv-gut zu verkaufen. Auf Landesebene gibt es bereits ein praktischesBeispiel für ein solches Vorgehen. In Baden-Württemberg wollte dieLandesregierung vor Kurzem Handschriften der Badischen Landesbi-bliothek Karlsruhe für ca. 70 Mio. Euro verkaufen. Nach starkenProtesten aus der ganzen Welt wurde von diesen Plänen abgesehen.Theoretisch denkbar wäre auch, Archivbestände an einen privatenInvestor zu verkaufen, der die Bestände als Dauerleihgabe wieder zurVerfügung stellt (Sale-lease-back). Diese Vorgehensweise würde inNordrhein-Westfalen gegen das Archivgesetz verstoßen. Obwohl essehr unwahrscheinlich ist, dass das Archivgesetz in dieser Fragegeändert und tatsächlich über eine Veräußerung nachgedacht wird,bleibt die theoretische Möglichkeit - und damit die Bedenken.Darüber hinaus ist es in der Doppik nicht mehr attraktiv, Vermögenzu verkaufen, um kurzfristig liquide Mittel zu beschaffen (s. o.), sodass ein Verkauf noch unwahrscheinlicher wird als in der Kamerali-stik.Andere Archivare befürchten dagegen, dass der Wert der Archiveunterschätzt werden könnte, wenn das Archivgut in der Bilanzunberücksichtigt bleibt. Auch könnte es schwieriger werden, diehohen Kosten für Restaurierungsmaßnahmen zu rechtfertigen, wennder Wert des Archivgutes nicht erkennbar ist. Dem kann wiederumentgegen gehalten werden, dass dieser grundsätzliche Wert desArchivs und der Archivarbeit mit Einführung der outputorientiertenSteuerung bereits aus den erbrachten Leistungen und Produktenersichtlich wird.2

Das Finanzministerium hat ein Interesse an hohen finanziellenWerten. Wenngleich es ihm nicht darum geht, das Archivgut zuverkaufen, ist es dennoch daran interessiert, hohe Bilanzwerte zu

ARCHIVGUT ALS VERMÖGEN?

ZUR FRAGE DER BEWERTUNG VONKULTURGUT IN DERERÖFFNUNGSBILANZvon Melanie Bücker

249

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

erreichen. Ein hohes Anlagevermögen ist Voraussetzung für einehohe Kreditwürdigkeit des Landes. Die Kreditwürdigkeit der Länderwird nach verschiedenen Kriterien beurteilt. Die Höhe des Anlagever-mögens ist dabei sehr wichtig. Die Kapitalgeber betrachten dasAnlagevermögen als Sicherheit. Kann der Kredit nicht zurückgezahltwerden, besteht die Möglichkeit, Anlagevermögen zu veräußern undso zusätzliche liquide Mittel zu bekommen. Eine hohe Bewertungdes Archivguts würde die Kreditwürdigkeit demnach nur dannpositiv beeinflussen, wenn es auch tatsächlich verkauft werden kann.In der Praxis wird jedoch nicht unterschieden, ob das Anlagevermö-gen tatsächlich veräußerbar ist oder nicht. Wenn das Archivgut ineiner Bilanzprüfung mit seinem finanziellen Wert für richtig befun-den wurde, wird es allgemein als Anlagevermögen anerkannt, das dieKreditwürdigkeit grundsätzlich erhöht.

LÖSUNGSANSÄTZE FÜR DIE BEWERTUNGVON ARCHIVGUT

In einigen deutschen Archiven gibt es Überlegungen, Archivgut alsimmaterielles Vermögen gar nicht in der Bilanz auszuweisen. Nach§ 248 Abs. 2 HGB3 dürfen immaterielle Vermögensgegenstände desAnlagevermögens, die nicht entgeltlich erworben wurden, nicht inder Bilanz aktiviert werden. Archivgut wird in der Regel nicht entgelt-lich erworben. Fraglich ist jedoch, ob es sich tatsächlich um immate-rielles Vermögen handelt. Der Wert eines Archivales liegt zu einemgroßen Teil in der Information bzw. dem rechtlichen oder kulturellenNutzen. Andererseits ist das Archivgut zweifellos körperlich fassbar.Anders als beispielsweise bei einem Patent eines Unternehmens, dasimmaterielles Vermögen darstellt, liegt der Wert des Archivgutes auchin dem körperlich fassbaren Gegenstand selbst. Das Papier, auf demein Patent verbrieft ist, kann man vernichten, ohne dass sich der Wertdes Patentes selbst ändert. Wenn dagegen Archivalien beispielsweisedurch ein Feuer vernichtet werden, geht ein Vermögenswert verloren,auch wenn noch Kopien vorhanden sein sollten. Der Wert des Archiv-gutes ist also unmittelbar mit dessen materieller Existenz verbunden.Die Regelung des § 248 Abs. 2 HGB ist daher für Archivgut eher

Typische Massenakten im Staatsarchiv Münster

nicht anwendbar.4

Der Verwaltungskontenrahmen, der von der Finanzministerkonferenzbundeseinheitlich für die Bilanzierung festgelegt wurde, sieht mitdem Konto „062 Kulturgüter, Denkmäler, Sammlungen“ eine Positi-on vor, unter die sich Vermögen ordnen lässt, das oft nicht käuflicherworben wurde und keinen Marktwert hat. Somit schließen dieseKriterien eine Bilanzierung nicht aus.Wenn nun also Archivgut materielles Vermögen darstellt und alssolches in die Bilanz aufgenommen werden soll, stellt sich die Frage,wie das Archivgut bewertet werden kann.Unumstritten ist, dass käuflich erworbene Archivalien mit demAnschaffungswert in die Bilanz eingehen können. Obwohl derMarktwert stark schwankt und gleichartige Archivalien unterschied-lich teuer sein können, zählt der tatsächliche Anschaffungswert einesArchivales als Bilanzwert. Damit ist jedoch nur ein Bruchteil desgesamten Archivgutes abgedeckt. Die meisten Archivalien werdenunentgeltlich erworben.Der Grundsatz der Einzelbewertung gemäß § 252 Abs.1 Nr. 3 HGBsieht vor, dass alle Vermögensgegenstände einzeln bewertet werden.Eine Einzelbewertung für jedes Archivale ist auf Grund der großenMengen an Archivgut jedoch nicht umsetzbar. Für solche Fälle lässtdas HGB aus Gründen der Wirtschaftlichkeit Bewertungsvereinfa-chungsverfahren zu (§§ 240 u. 241 HGB).Eine Möglichkeit, den Wert von Archivgut zu bestimmen, könntenAuktionskataloge sein. Dort sind z. B. einzelne Urkunden enthalten,die mit den Urkunden, die im Landesarchiv NRW verwahrt werden,vergleichbar sind. Diese Vorgehensweise deckt jedoch wieder nur

1 EPOS.NRW steht für „Einführung von Produkthaushalten zur outputori-entierten Steuerung/Neues Rechnungswesen“, weitere Informationen un-ter www.epos.nrw.de.

2 Vgl. Vollbrecht, Steffen: Zielsetzung des Neuen Kommunalen Finanzma-nagements (NKF) - Bilanzierung von Archivgut, in: Archivpflege in West-falen-Lippe 59, 2003, S. 27 f. und Tiemann, Katharina: Neues Kommuna-les Finanzmanagement (NKF), in: Archivpflege in Westfalen-Lippe 63,2006, S. 57 f.

3 Das Handelsgesetzbuch (HGB) wird dort, wo EPOS.NRW keine speziellenRegelungen trifft, analog angewendet.

4 Die Auffassung, dass Archivgut als immaterielles Vermögen behandeltwerden kann, wird vertreten in: Tiemann, Katharina: Bilanzierung von Ar-chivgut, in: Archiv-Nachrichten Niedersachsen, Nr. 10/2006.

250

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

AUFSÄTZE

einen sehr kleinen Teil des Archivgutes ab. Zum einen werden beson-ders alte und wertvolle Archivalien bei Auktionen nur sehr seltenangeboten. Solche Stücke werden in der Regel in öffentlichen Archi-ven aufbewahrt und gelangen kaum auf den freien Markt. Zumanderen besteht für das so genannte Massenschriftgut, das dengrößten Teil der Bestände ausmacht, überhaupt keine Nachfrage aufdem freien Markt. Darunter fallen alle Archivalien, die keinen Samm-lerwert haben, da sie nicht selten oder nicht alt genug sind. Kaumeine Privatperson wird daran interessiert sein, gewöhnliche Behör-denakten zu kaufen. Die Auktionswerte können daher kaum alsOrientierungshilfe dienen. Als konkreter Bewertungsmaßstab sind sieungeeignet.Aus der Feststellung, dass für das Massenschriftgut keine Nachfragebesteht – selbst, wenn es veräußerlich wäre –, könnte man schließen,dass dieses überhaupt nicht in die Bilanz aufgenommen werdensollte. Da aber eine fehlende Nachfrage auf dem freien Markt nichtgleichbedeutend mit Wertlosigkeit ist, ist diese Schlussfolgerung zuvoreilig. Auch Straßen und Kanalnetze, für die sich kein privaterKäufer finden ließe, stehen in den Bilanzen der öffentlichen Hand.Ein ganz anderer Lösungsansatz ist die Einbeziehung der Kosten fürErschließung, Restaurierung, Bestandserhaltung etc. in den Wert desArchivguts. Wenn schon der reine Materialwert nicht aussagefähigist, könnte stattdessen über die geleisteten Aufwendungen ein Wertermittelt werden. Das Landesarchiv NRW wendet jährlich mehrereMillionen Euro für die Pflege und den Erhalt des Archivgutes auf.Um diese Werte in die Bilanz aufzunehmen, müsste man sie auf dieeinzelnen Archivalien umrechnen. Für die Erschließung von Archiv-gut könnten beispielsweise Personalkostendurchschnittssätze multi-pliziert mit der durchschnittlichen Erschließungszeit zu Grundegelegt werden. Diese Kosten könnten auf die Archivalien verteiltwerden, so dass sich ein Bilanzwert ergibt. Dieses Verfahren wärejedoch nicht mit dem Handelsrecht vereinbar. Die Bilanz weist dasVermögen und die Schulden aus (vgl. § 242 Abs.1 HGB). Ausgabenfür Restaurierung oder Erschließung fließen dagegen als Aufwand indie Gewinn- und Verlustrechnung ein und mindern schließlich dasEigenkapital in der Bilanz. Würde man diesen Aufwand zusätzlichauf der Aktivseite der Bilanz verbuchen, ergäbe sich ein falsches Bild.Es muss deutlich zwischen vorhandenem Vermögen und Aufwandzur Erhaltung dieses Vermögens unterschieden werden. Restaurie-rungsmaßnahmen erhalten den Wert des Archivgutes oder stellenden ursprünglichen Wert wieder her. Der Wert wird dadurch jedochnicht erhöht. Bei dieser Variante fiele im Übrigen das übernommeneoder bewertete, aber noch nicht verzeichnete bzw. restaurierte Archiv-gut ganz aus der Bewertung heraus, wodurch das Bild zusätzlichverfälscht werden könnte.Für den kommunalen Bereich gilt nach § 55 Abs. 3 Gemeindehaus-haltsverordnung (GemHVO), dass für die Kulturpflege bedeutsamebewegliche Vermögensgegenstände mit dem Versicherungswertangesetzt werden sollen. Diese Vorschrift könnte für die Bewertungdes staatlichen Archivgutes analog angewendet werden. KonkreteVersicherungswerte liegen nicht vor, da das Land Nordrhein-Westfa-len das Archivgut nicht versichert. Es müssten daher Hilfswertegebildet werden. Die Festlegung von Versicherungswerten für Archiv-gut ist nicht neu. Werden Archivalien z. B. für Ausstellungen ausgelie-hen, verlangen die Archive von dem Entleiher in der Regel einenVersicherungsnachweis. Einige Kommunen versichern das Archivgutauch selbst. In der Vergangenheit wurden dafür eher willkürlicheBeträge zu Grunde gelegt. In den 1960er und 1970er Jahren lagbeispielsweise die Versicherungssumme für einen Aktenband bei 50DM, für eine Urkunde bei 500 DM. Nachvollziehbar ermittelte Werte

für einzelne Archivalien gibt es nicht. Das Westfälische Archivamt hatein neues Verfahren zur Ermittlung von Versicherungswerten ent-wickelt.5 Ausgangspunkt sind die Wiederherstellkosten, da dasArchivgut im Schadensfall nicht wiederbeschafft, sondern bestenfallswiederhergestellt werden kann. Die durchschnittlichen Kosten für dieWiederherstellung betragen 10.000 € pro lfd. Meter Archivgut. DieErfahrung zeigt, dass nur Teile des gesamten Bestandes geschädigtwerden bzw. nur Teile wiederherstellbar sind. Daher wird nur einbestimmter Prozentsatz des gesamten Archivalienbestandes versi-chert. Das Westfälische Archivamt schlägt vor,10 % der Wiederher-stellkosten zu versichern, wenn mehrere Magazine vorhanden sind,20 % bei nur einem Magazin. Durch dieses Verfahren ergäbe sich einVersicherungswert, der in analoger Anwendung von § 55 Abs. 3GemHVO als Bilanzwert dienen könnte. Kritisch anzumerken istdabei, dass auch hier Aufwendungen die Grundlage sind. Es wirdnicht das Vermögen selbst versichert, sondern der möglicherweiseentstehende Aufwand für eine fiktive Wiederherstellung.6

Vermögensgegenstände werden über die geplante Nutzungsdauerabgeschrieben. Bleiben sie nach Ablauf der Nutzungsdauer weiter imBestand, werden sie in der Bilanz mit einem Erinnerungswert von 1 €geführt. Auch für Archivgut wäre es denkbar, einen symbolischenErinnerungswert von 1 € anzusetzen. Dadurch würde deutlich, dassVermögensgegenstände in Form von Archivgut vorhanden sind, wennsie auch nicht finanziell bewertet wurden. Zu klären wäre dann, obder Erinnerungswert für das gesamte Archiv, je Bestand, je Archivale,je laufenden Meter oder je Regalmeter gebildet wird.Gerade für Massenschriftgut stellt die Bewertung mit 1 € eine geeig-nete Methode dar. Zimelien könnten hingegen gesondert bewertetwerden, da sie einen herausragenden Wert haben. Diese Einzelbewer-tung würde sich auf eine relativ kleine Anzahl von Archivalienbeschränken. Schwierig ist dabei die Festlegung von geeignetenBewertungskriterien.Auch könnten die Bestände in Sammlungsgut und übriges Archivgutunterteilt und das Sammlungsgut gesondert bewertet werden. UnterSammlungsgut fallen z. B. Plakate, Karten, Siegelstempel, Fotos –folglich alles, was kein gewöhnliches (Akten-)Schriftgut ist. Samm-lungsgut ist jedoch nicht zwangsläufig wertvoller als das übrigeSchriftgut. Daher ist ein solches Bewertungskriterium kritisch zusehen.Eine archivische Besonderheit stellen Deposita dar. Zunächst scheintes logisch zu sein, dass das öffentliche Archiv Vermögen, das ihmnicht gehört, nicht in die Bilanz aufnimmt. Bei näherer Betrachtungkönnten daran jedoch Zweifel entstehen. Da das Archivgut demArchiv für einen unbestimmten Zeitraum überlassen wird, erhält dasArchiv das wirtschaftliche Eigentum. Nach dem Grundsatz derwirtschaftlichen Betrachtungsweise ist für die Zurechnung in Inven-tar und Bilanz in Zweifelsfällen nicht das juristische, sondern daswirtschaftliche Eigentum maßgebend.7 Deposita könnten demnachin die Bilanz des verwahrenden Archivs aufgenommen werden.Dagegen spricht jedoch, dass die juristischen Eigentümer weiterhineinen starken Einfluss auf den Umgang mit dem Archivgut haben.Deposita werden anders behandelt als eigenes Archivgut. Um bei-spielsweise Kopien anfertigen zu dürfen, ist in vielen Fällen dieZustimmung des juristischen Eigentümers erforderlich. Er hataußerdem das Recht, die Archivalien jederzeit ohne Angabe vonGründen zurückzufordern. Deposita sollten daher nicht in die Bilanzdes verwahrenden Archivs aufgenommen werden.Ein anderes Bewertungsproblem sind die Bibliotheksbestände. Eshandelt sich um Sammlungen der Archive, die ebenfalls einen kultu-rellen Wert haben. Bücher werden häufig käuflich erworben. In

251

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

diesen Fällen ist ein Anschaffungswert ermittelbar, der für die Bewer-tung herangezogen werden kann. Allerdings gibt es eine großeAnzahl von Büchern, deren Anschaffungswert nicht mehr ermittelbarist. Viele der in Archivbibliotheken verwahrten Bücher sind mehrerehundert Jahre alt. Im Übrigen wäre eine Einzelbewertung auf Grundder großen Anzahl der Bücher nicht realisierbar. Eine Möglichkeitwäre, die jährlichen Anschaffungsausgaben für Bücher als Bilanzwerteinzusetzen. Das würde voraussetzen, dass die Bücher keiner Wert-veränderung unterliegen. Dies ist jedoch in der Praxis nicht der Fall.Nicht jedes Buch ließe sich – wenn es verkäuflich wäre – zum An-schaffungswert verkaufen. Viele Bücher haben nur einen dokumenta-rischen Wert, der finanziell kaum bedeutend ist. Außerdem würdenimmer nur die Neuerwerbungen bilanziert, die alten Beständeblieben unberücksichtigt. Deshalb bietet sich auch für Bücher – wenndiese in der Bilanz berücksichtigt werden sollen – die Bewertung miteinem Erinnerungswert von 1 € an.Schließlich stellt sich die Frage, ab welchem Zeitpunkt Registraturgutzu Kulturgut wird und damit Vermögen darstellt. Das Schriftgut, dasin den Registraturen der Behörden lagert und noch nicht von Seitendes Archivs ausgesondert wurde, zählt sicher nicht dazu. Gemäß § 1Abs.1Archivgesetz NRW ist das Archivgut dauerhaft zu verwahren,wenn es als archivwürdig erkannt wird. Diese Bewertungsentschei-dung erfolgt bei der Übernahme des Archivgutes von einer Behörde.Demnach wäre das gesamte Archivgut, das sich in einem Archivbefindet, Vermögen. Auch das Archivgut, das noch nicht erschlossenist, müsste in der Bilanz berücksichtigt werden. Von dem übernom-menen Archivgut wird erfahrungsgemäß noch ein kleiner Teil kas-siert. Daher gibt es auch die Auffassung, dass Archivgut erst dann zuVermögen wird, wenn es erschlossen ist. Sonst würde es sich bei jederKassation um eine unzulässige Vermögensvernichtung handeln.

UMSETZUNG IN STAATLICHEN UND KOM-MUNALEN ARCHIVEN

Bei der Suche nach Bewertungsmöglichkeiten für das Archivgut imLandesarchiv Nordrhein-Westfalen lohnt sich ein Blick in andere

Archive. Obwohl das Instrument der Bilanzierung im öffentlichenBereich noch neu ist, gibt es bereits erste Erfahrungen. In den Archi-ven, die bereits eine Eröffnungsbilanz erstellt haben, haben sich sehrunterschiedliche Vorgehensweisen durchgesetzt.In vielen staatlichen Archiven wird die Bewertung von Archivgutderzeit diskutiert.8 In Sachsen wurde die Entscheidung getroffen, dasArchivgut nicht zu bilanzieren. In Rheinland-Pfalz wurde überlegt,den Reproduktionsaufwand in die Wertermittlungen einzubeziehen.Das Staatsarchiv Hamburg bewertete für die Eröffnungsbilanz zum1.1.2006 nur Ankäufe und Sammlungsgut. Das übrige Archivgut bliebunberücksichtigt. In Niedersachsen wurde zur Einführung derLeistungsorientierten Haushaltswirtschaft Niedersachsen der „Leitfa-den Anlagen und Bewertung“ entwickelt. Danach wurden Kunstge-genstände und Archivgut bis auf weiteres nicht erfasst.9

Umfangreiche Erfahrungen mit der Bilanzierung von Archivguthaben die staatlichen Archive in Hessen gesammelt. Dort wurdebereits zum 1.1.2005 eine Bilanz für die gesamte Landesverwaltungerstellt. Die Bestände der drei hessischen Staatsarchive wurdengrundsätzlich nicht in der Bilanz berücksichtigt. Für Zimelien erfolg-te eine gesonderte Bewertung. Für die finanzielle Bewertung derZimelien wurden verschiedene Wertgruppen zu Grunde gelegt.Für die Kommunen in NRW wird die Bilanz spätestens ab 1.1.2009verpflichtend. Die meisten Kommunen haben inzwischen eineEröffnungsbilanz erstellt. Die Tendenz geht in den kommunalenArchiven zur Bewertung mit 1 €. Das Stadtarchiv Münster hat sichbeispielsweise für die Bewertung mit 1 € pro Archivale entschieden.

5 Kießling, Rickmer: Versicherung von Archivalien in Westfalen, in: Archi-vpflege in Westfalen-Lippe 64, 2006, S. 36 f.

6 Vgl. Tiemann, Katharina: Neues Kommunales Finanzmanagement (NKF),in: Ar-chivpflege in Westfalen-Lippe 63, 2006, S. 57 f.

7 Brixner/Harms/Noe: Verwaltungskontenrahmen, München 2003, S. 166,Rdnr. 65.

8 Vgl. Protokoll der 102. Konferenz der Archivreferenten bzw. der Leiter derArchivverwaltungen des Bundes und der Länder vom 21. bis 22. März 2006in Schleswig, S. 11 f.

9 Vgl. Dietsch: Leistungsorientierte Haushaltswirtschaft Niedersachsen - Leit-faden Anlagen und Bewertung, S. 11 und S. 22

Beispiel für eine wertvolle Urkunde

252

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

AUFSÄTZE

Die kommunalen Archive im Kreis Siegen-Wittgenstein planen,jeweils das ganze Archiv (ohne Bibliothek) mit 1 € zu bewerten.Es gibt aber auch andere Lösungen, wie sie beispielsweise im Stadtar-chiv Nürnberg realisiert wurden.10 Die Stadt Nürnberg hat ihrenHaushalt bereits zum 1.1.2005 auf die Doppelte Buchführung umge-stellt. Für die Bewertung von Archivgut wurden folgende Beträge fürdie verschiedenen Archivalientypen festgelegt:2.500 € für Amtsbücher vor 1800250 € für Rechnungsbände vor 1800 sowie für Karten und Pläne200 € für Urkunden, Aktenfaszikel vor 1800 und Druckgraphik50 € für Aktenfaszikel des 19./20. Jhs. sowie für Mandate und Ein-blattdrucke40 € für Filme, Videos und sonstige audiovisuelle Träger25 € für Plakate20 € für Fotos10 € für Postkarten.Die Beträge ergaben sich aus so genannten Accessionsbüchern, indenen Ankaufswerte für Archivalien sowie Werte für städtischeAktenübernahmen enthalten sind. Um die Zahl der Archivalien zuermitteln, wurden Einheiten in Form von Mittelwerten angesetzt.Beispielsweise wurden für Akten des 19./20. Jahrhundert 60 Aktenpro laufendem Regalmeter berechnet. Die Menge der laufendenRegalmeter pro Archivalientyp war bekannt. So konnten die Beständesystematisch bewertet werden. Einzelstücke über 250.000 € wurdenseparat bewertet. Hier konnten Versicherungswerte herangezogenwerden, die aus früheren Versicherungen auf Grund von Ausstellun-gen vorlagen. Deposita wurden nicht bewertet. Die Dienstbibliothekmit 40.000 Bänden wurde mit Hilfe der Anschaffungsausgaben seit1958 bewertet. Insgesamt entstand ein Bilanzwert von fast 90 Mio. €.Davon entfielen 36 Mio. € auf die Archivalien der reichsstädtischenZeit, 24 Mio. € auf die Archivalien des 19/20. Jahrhunderts, 26,5 Mio. €auf das Sammlungsgut, 2,5 Mio. € auf die gesondert bewertetenZimelien und 400.000 € auf die Bibliothek.

BEWERTUNGSMÖGLICHKEITEN AMBEISPIEL DES LANDESARCHIVS NRWSTAATSARCHIV MÜNSTER

Wie die Bewertung des Archivgutes im Landesarchiv Nordrhein-Westfalen aussehen könnte und welche Probleme dabei auftretenkönnten, soll am Beispiel des Staatsarchivs Münster gezeigt werden.Das käuflich erworbene Archivgut kann problemlos zum Anschaf-fungswert bilanziert werden. Jedoch werden auch im StaatsarchivMünster fast alle Archivalien unentgeltlich erworben. Nur in beson-deren Ausnahmefällen werden Archivalien angekauft. Seit der Ein-führung der Kosten- und Leistungsrechnung kam dies ein einzigesMal vor. In den Jahrzehnten nach dem 2. Weltkrieg wurden häufigerArchivalien angekauft. Diese Ankäufe sind in der Altregistratur desStaatsarchivs dokumentiert. Es gibt dort Gutachten über den Wertvon Einzelstücken. Diese Dokumente sind zwar ein weiterer Hinweisdarauf, dass Archivalien in Geld bewertet werden können. Für eineflächendeckende Bewertung sind sie jedoch ungeeignet, weil dadurchnur ein sehr kleiner Teil des gesamten Archivgutes abgedeckt werdenkönnte. Im Übrigen wird aus den vorhandenen Belegen nicht deut-lich, ob die Preise dem tatsächlichen Marktwert entsprechen oder obsie von anderen Faktoren beeinflusst wurden. Darüber hinaus wärezu klären, ob und wie der Marktwert von damals auf die heutige Zeitumgerechnet werden müsste.

Ausgehend von Versicherungswerten für die Wiederherstellung - nachdem Modell des Westfälischen Archivamtes - würden sich für dasStaatsarchiv Münster folgende Zahlen ergeben:35.000 lfd. m x 10.000 € pro lfd. m = 350.000.000 € Wiederherstellwert,davon 10 % (mehrere Magazine) = 35.000.000 € Versicherungssumme.Der Betrag in Höhe von 35.000.000 € wäre dann der Bilanzwert.In der Praxis werden im Staatsarchiv Münster andere Versicherungs-werte zu Grunde gelegt. Die Archivalien sind zwar durch das Landversichert. Wenn Archivalien für Ausstellungen entliehen werden,muss der Entleiher aber einen Versicherungsnachweis erbringen. Diedafür anzusetzenden Werte richten sich nach der Art des Archivgutes,wie hier beispielhaft aufgeführt:Herrscher- oder Papsturkunde bis 12. Jh. 500.000 - 1.000.000 €fadengeheftete Akte bis 1800 1.000 - 5.000 €Handschriften (Mittelalter) 10.000 - 50.000 €Diese Bewertungen werden nur im Fall der Ausleihe eines Archivaleeinzelfallbezogen vorgenommen. Nur wenige Archivalien sind fürAusstellungszwecke gefragt. Alle Bestände so zu bewerten, wäreunrealistisch. Auch Durchschnittswerte (z. B. 750.000 € für alleHerrscher- oder Papsturkunden) helfen nicht weiter, da keine Ge-samtzahlen für die verschiedenen Archivalientypen bekannt sind undauch nicht ohne unverhältnismäßigen Aufwand ermittelt werdenkönnen.Deutlich leichter umsetzbar wäre die Bewertung mit 1 €. Dafür gibtes verschiedene Bewertungsgrundlagen. Das gesamte Archivgut desLandesarchivs könnte mit 1 € bewertet werden. Auch könnte jedesArchiv mit 1 € bewertet werden. Das ergäbe für die vier Archive desLandesarchivs insgesamt vier Euro. Einige kommunale Archive haben1 € je Archivale in die Bilanz eingestellt. Diese Vorgehensweise ist imStaatsarchiv Münster nicht umsetzbar, da die Anzahl der Archivaliennicht bekannt ist. Die Anzahl zu schätzen würde zu einem sehrungenauen Ergebnis führen. Es gibt im Staatsarchiv Münster ca.1.600Findbücher mit ca. 2.000 Bänden, in denen alle Archivalien aufge-führt sind. Daraus lässt sich aber nicht die Anzahl der Archivalienableiten, da jedes Findbuch unterschiedlich viele Archivalien enthält.Es ist allgemein üblich, das Archivgut in Metern zu messen. Daherbietet es sich an,1 € je Meter Archivgut anzusetzen. Hierfür liegengenaue Zahlen vor. Das Staatsarchiv Münster hat 36.700 RegalmeterArchivgut. Das ergäbe bei der Bewertung mit 1 € je Regalmeter36.700 €. In laufenden Metern käme man bei 35.000 laufendenMetern Archivgut auf einen Bilanzwert von 35.000 €.Das gesamte Archivgut wie im Stadtarchiv Nürnberg nach Archivali-entypen zu bewerten, wäre schwierig, da die Bestände viel umfangrei-cher und heterogener aufgebaut sind. Die Archivalientypen müsstenum einige Begriffe erweitert werden, wie z. B. Grundakten. Dieeigentliche Schwierigkeit besteht jedoch darin, die Zahl der Archivali-en zu ermitteln. Das Staatsarchiv Münster hat ein anderes Ordnungs-system als das Stadtarchiv Nürnberg. Das Festlegen von Einheiten(Zahl der Akten pro Meter) führt nicht weiter, da das Archivgut nichtnach Archivalientypen getrennt aufbewahrt wird. Stattdessen könn-ten möglicherweise Zahlen aus der Beständeübersicht oder aus denvorliegenden Organisationsgutachten der Firmen Mummert &Partner und Arthur Andersen ermittelt werden. Genaue Zählgrößenwären dann individuell festzulegen.Auch im Staatsarchiv Münster gibt es einige Zimelien, die gesondertbewertet werden könnten. Es wäre möglich, wie in den hessischenStaatsarchiven einige herausragende Archivalien zu bestimmen undin ähnliche Wertgruppen wie in Hessen einzuordnen.Darüber hinaus besitzt das Staatsarchiv Münster eine Vielzahl vonmodernen Schutzmedien wie Mikrofilme, Mikrofiche etc. Da es sich

tungskontenrahmen wurde aus Gründen der besseren Vergleichbar-keit geschaffen. Das Ziel sollte sein, auch bei der Umsetzung eineeinheitliche Richtung zu finden. �

RECORDS AS FIXED ASSETS?In connection with the change from Kameralistik to double entrybookkeeping state authorities are obliged to draw up balances for thefirst time. For archives this implies the question whether records aretaken up as fixed assets in the balance. There are many possibilities toassess records for the balance, reaching from the assessment with thesymbolic value of one euro for all the records of one archive up tobalance-sheet values of many million euros. The latter may, for example,be derived from market values or insurance values. In practice a numberof archives have decided on the assessment with the symbolic value ofone euro. For many archives including the Landesarchiv Nordrhein-Westfalen the assessment is, however, yet to be made.

253

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

nicht um Originale handelt, sollten die modernen Schutzmedien inder Bilanz nicht berücksichtigt werden.Die Bibliothek des Staatsarchivs Münster umfasst ca.180.000 Bände.Bei einer Bewertung mit 1 € pro Band ergäbe sich ein Bilanzwert inHöhe von 180.000 €. Die jährlichen Ausgaben für Neuerwerbungensind als Bewertungsmaßstab wenig geeignet, da sie stark schwankenund nicht den tatsächlichen Wert der Buchbestände ausdrücken. DieBibliotheksbestände können wie Archivgut in laufenden Meterngemessen werden. Somit könnte auch für die Bücher 1 € pro laufen-dem Meter zu Grunde gelegt werden. Zahlen dafür gibt es im Staats-archiv Münster bisher nicht, könnten aber ermittelt werden.An diesem praktischen Beispiel wird deutlich, wie groß die Bewer-tungsspielräume bei der Bewertung von Archivgut sind und wieunterschiedlich dadurch die Darstellung in der Bilanz ausfallen kann.

FAZITDie diskutierten und in einigen Archiven bereits umgesetzten Bewer-tungsmaßstäbe sind recht unterschiedlich. Ergänzend sind einigeallgemeine Bewertungsgrundsätze in die Überlegungen einzubezie-hen.Der Aufwand für die Bewertung selbst ist zu berücksichtigen. Nachdem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit der Inventur als Grundsatzordnungsgemäßer Buchführung muss das Verhältnis zwischenBewertungsgenauigkeit und Bewertungsaufwand stimmen. DieserGrundsatz lässt sich für die öffentliche Verwaltung auch aus Art.114Abs. 2 S.1 GG und § 6 Abs.1 HGrG ableiten.11 Mit diesem Grundsatzließe es sich nicht vereinbaren, die genaue Anzahl der vorhandenenArchivalien oder den tatsächlichen Wert jedes einzelnen Archivalesermitteln zu wollen.Nach dem Vorsichtsprinzip aus § 252 Abs.1 Nr. 4 HGB ist vorsichtigzu bewerten. Vermögen ist aus Gründen des Gläubigerschutzes eherzu niedrig als zu hoch anzusetzen (Niederstwertprinzip). Demnachwäre es unzulässig, willkürliche Werte festzulegen, bei denen unklarist, ob sie den tatsächlichen Wert der Archivalien übersteigen. Dem-gegenüber ist die Bildung stiller Reserven zu vermeiden. Es ist ausTransparenzgründen ratsam, das Archivgut zumindest mit einemEuro in die Bilanz einzustellen, so dass sichtbar ist, dass dort Vermö-gen vorhanden ist, wenn es auch nicht in Geld bewertet wurde.Die folgende Tabelle gibt abschließend einen Überblick über dieverschiedenen Argumente für und gegen eine finanzielle Bewertungvon Archivgut.Eine Bewertung, die die Wirklichkeit genau widerspiegelt, ist nicht zuerreichen. Der Trend geht aus Sicht der Archive zur Bewertung mitdem Erinnerungswert von einem Euro. Gesucht werden muss einKompromiss zwischen den verschiedenen Interessen. Auch in Nord-rhein-Westfalen ist die Forderung nach hohen Bilanzwerten zuerwarten, damit die Kreditwürdigkeit verbessert werden kann. Es isteine ähnliche Lösung wie im Bundesland Hessen denkbar. Hierwurde ein Ausgleich zwischen den finanziellen Interessen des Finanz-ministeriums und den fachlichen Interessen der Archive geschaffen.Die Bewertungsmethode sollte auf jeden Fall gründlich durchdachtwerden, da man sie nur schwer ändern kann, wenn die Bilanz einmalerstellt wurde. Nach dem Grundsatz der Bewertungsstetigkeit nach§ 252 Abs.1 Nr. 6 HGB ist die einmal gewählte Bewertungsmethodebeizubehalten, damit die Vergleichbarkeit der Jahresabschlüssesichergestellt ist.Wünschenswert wäre eine möglichst einheitliche Bewertung zumin-dest in den staatlichen Archiven, so dass die Werte zwischen denLändern verglichen werden können. Der bundeseinheitliche Verwal-

10 Es folgen Auszüge aus einem Vortrag von Dr. Michael Diefenbacher, Leiterdes Stadtarchivs Nürnberg,Thema: Kosten- und Leistungsrechnung am Bei-spiel des Stadtarchivs Nürnberg (Trier 2006).

11 Vgl. Brixner/Harms/Noe: Verwaltungskontenrahmen, München 2003, S.167, Rdnr. 70 und S. 193, Rdnr. 212.

Argumente für eine Bilanzierung von

Archivgut

Argumente gegen eine Bilanzierung

von Archivgut

Unveräußerlichkeit ist nicht

gleichbedeutend mit Wertlosigkeit.

Archivgut ist nach dem Archivgesetz

NRW unveräußerlich.

Es gibt Methoden, mit denen sich

Werte bestimmen lassen.

Es gibt keine Marktwerte.

Ein hoher Bilanzwert erhöht die

Kreditwürdigkeit.

Es könnten Begehrlichkeiten

entstehen. Es wären

Veräußerungsdiskussionen zu

befürchten.

Der Wert der Archive könnte

unterschätzt werden.

Der Wert der Archive kann über

Produkte dargestellt werden.

Das Konto 062 im

Verwaltungskontenrahmen sieht eine

Bilanzierung von Archivgut vor.

Archivgut hat keinen Wert im

materiellen Sinne. Nur materielle

Werte gehören in die Bilanz.

Hohen Aufwendungen sollen hohe

Vermögenswerte gegenüberstehen.

Der Erschließungs/Restaurierungs-

aufwand darf nicht mit dem Ver-

mögenswert gleichgesetzt werden.

Stille Reserven sollten vermieden

werden.

Nach dem Vorsichtsprinzip ist eher

niedrig zu bewerten.

Einzelne Zimelien haben einen sehr

hohen finanziellen Wert.

Das Massenschriftgut hat keinen in

Geld messbaren Wert.

Melanie BückerLandesarchiv NRW Staatsarchiv MünsterBohlweg 2, 48147 MünsterTel. 0251-4885-128, Fax 0251-4885-100E-Mail: [email protected]

Tabelle 1: Argumente für und gegen die Bilanzierung von Archivgut

254

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

AUFSÄTZE

DIE ENTWICKLUNG IM ÜBERBLICK

Die Pressedokumentation des Deutschen Bundestages weist inzwi-schen eine lange und komplexe, keineswegs aber geradlinig verlaufen-de Geschichte auf. Trotz ihrer Bedeutung als eine der größten Einrich-tungen ihrer Art in Deutschland hat die Pressedokumentation desParlaments bislang keine ausreichende Würdigung in der Fachpublizi-stik gefunden. Diesem Mangel soll mit der folgenden Darstellungabgeholfen werden.

Die OrganisationVon 1949 bis 1957 wurde die Presseauswertung und -dokumentation,das selektive Sammeln, Verdichten, Analysieren, Ordnen, Archivierenund Vermitteln von Informationen in Zeitungen und Zeitschriftenalso, als unselbständiger Bereich des Parlamentsarchivs geführt, wobeidiese Arbeitseinheit zunächst als „Pressearchiv“, ab 1953 dann als„Presse- und Informationsstelle“ bezeichnet wurde.1957 schließlichschuf die Bundestagsverwaltung unter dem Namen „Presseauswer-tung“ ein eigenes Referat. Nach verschiedenen Umorganisationenwurde dieses 2006 unter der neuen Bezeichnung ID 4 mit der Biblio-thek, dem Parlamentsarchiv und dem Sach- und Sprechregister zu derneuen Unterabteilung Bibliothek und Information (ID) zusammenge-führt.

Die MitarbeiterDie personelle Ausstattung der Pressedokumentation blieb – wie dieder Bundestagsverwaltung insgesamt – in den Anfangsjahren durchausbescheiden:1949 war ein Mitarbeiter für die Auswertung der in- undausländischen Presse vorgesehen; im Jahre 1954 gab es zwei Dienstpos-ten für diese Aufgabe. Außerdem waren vier Mitarbeiter im Aus-schnittdienst tätig. Diesen wenigen Beschäftigten oblag es, alle anfal-lenden Arbeiten zu erledigen. Der Personalbestand wurde in den

folgenden Jahren aufgrund der zunehmenden Ansprüche des Parla-ments kontinuierlich erhöht; wegen der Sparmaßnahmen des Bundessinkt die Zahl der Mitarbeiter seit den neunziger Jahren aber wieder.Seit dem 1.1.2008 verfügt das Referat nur mehr über 22,5 Dienstposten.

Die Einführung der ITMit der Einführung der Informationstechnik wurde die Arbeitsweiseauch der Pressedokumentationen grundlegend verändert. Zudembeeinflusste der durch Sparzwänge erzeugte Rationalisierungsdruckauch die Mediendokumentation des Parlaments in ihrer Entwicklungimmer stärker.Bis 1999 erfolgten die Produktion der Pressemappe und dieBeschickung des Pressearchivs durch manuelles Ausschneiden undKleben. Die technische Unterstützung beschränkte sich auf denEinsatz von Fotokopierern und Faxgeräten.Diese Arbeitsweise der Pressedokumentation änderte sich durch dieUmstellung auf die elektronische Datenverarbeitung grundlegend. DiePressemappe und das Pressearchiv sind seither für jedes Bundestags-büro direkt nutzbar. Völlig neu wurde mit Einführung der Digitalisie-rung die Möglichkeit der Volltextrecherche geschaffen. Zum einenkönnen sich die Dokumentare bei der Verschlagwortung von Volltex-ten auf die Wiedergabe solcher Inhalte beschränken, die nicht aus-drücklich im Text erscheinen. Zum anderen wurde die Auskunfts-fähigkeit erheblich gesteigert. In Volltextdatenbanken ist jedes Worteinzeln und in Kombination mit anderen suchbar. Von jedem Arbeits-platz aus kann man im gesamten digitalen Archiv recherchieren.Anfragen von Abgeordneten, die einen einzelnen Artikel wünschenund sich nur an einige Worte aus der Überschrift erinnern, erforder-ten früher aufwendige Suchen unter dem jeweiligen Thema. DieVolltextrecherche unterstützt bei solchen Suchen nunmehr optimal.Im Ergebnis steigert die Volltextdatenbank die Leistungsfähigkeit desArchivs ohne zusätzlichen personellen Aufwand.Neben der Möglichkeit von Volltextrecherchen sind die im elektroni-

DIE PRESSEDOKUMENTATIONDES DEUTSCHENBUNDESTAGES

ENTWICKLUNG UND PERSPEKTIVEN

von Gerhard Deter

255

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

schen Archiv gespeicherten Dokumente aber auch weiterhin mitSchlagwörtern suchbar: Die Möglichkeit eines schnellen und präzisenSucheinstiegs blieb dadurch erhalten. Auch der ungeübte Anwenderhat mit der Handhabung der Suchmaske keinerlei Probleme. Er kannüber die einem Zeitungsartikel zugeordneten formalen und inhaltli-chen Attribute wie Quelle, Datum, Überschrift, Abgeordnetennamesowie mittels kontrollierter Schlagwörter recherchieren.Die Einführung der IT-gestützten Arbeitsweise brachte für das Referatablauf- und aufbauorganisatorische Änderungen mit sich: die Aufga-be der Presseausschneidestelle wandelte sich von papiergestütztenSchneide- und Klebevorgängen zu einer vollständig computergestütz-ten Tätigkeit. Mit der Einführung dieses Verfahrens entfielen die fürdas Papierarchiv nötigen Sammel-, Kopier- und Sortierfunktionen, sodass es möglich wurde, die Presseausschnittstelle durch die Mitarbei-ter aus den ehemaligen Bereichen Naharchiv und Kopierstelle perso-nell zu verstärken. 2002 wurde die Software dann auf der Plattformdes Betriebssystems Linux aktualisiert.Durch den Einsatz der modernen Informationsverarbeitungstechnolo-gien konnten insbesondere der Raumbedarf der Pressedokumentationin dem erwünschten Umfang reduziert, die Produktions- und Dienst-leistungsaufgaben optimiert und die Zugriffsmöglichkeiten auf dieDienstleistungsangebote der Pressedokumentation erleichtert werden.So hat die Digitalisierung zu einer qualitativen Veränderung – undVerbesserung – des Dienstleistungsangebots insgesamt geführt. DieInformationen lassen sich einfacher, schneller und präziser beschaffen.Manche Dienstleistungen sind hinzugekommen, andere ersetztworden. Andererseits hängt die Erfüllung der Aufgaben der Pressedo-kumentation seit Einführung der Digitalisierung gänzlich von derFunktionsfähigkeit des IT-Systems ab.

Das UrheberrechtFür die Funktionsfähigkeit der Pressedokumentation insgesamt ist esunabdingbare Voraussetzung, dass der Pressespiegel ordnungsgemäß

lizenziert und die Verwendung des Archivmaterials durch den Erwerbder Verwertungsrechte legitimiert ist. Aufgrund der Kompliziertheitder Materie ist die angemessene Verwaltung der Verwertungsrechteeiner- und der Speicherrechte andererseits inzwischen zu einer zentra-len Herausforderung jeder Mediendokumentation geworden.Aber nicht nur die Rechteverwaltung selbst, die im Bundestag durchdie Pressedokumentation und das Justiziariat gemeinsam verantwor-tet wird, ist äußerst komplex; vielmehr stellt schon die bloße Pflichtzur Beachtung der Rechtsregeln die damit befassten Mitarbeiter vorerhebliche Herausforderungen. Denn die in der Auskunft tätigenMediendokumentare müssen gerade im Bundestag stets darauf Achtgeben, welche Informationen sie unter welchen Bedingungen weiterge-ben dürfen. Darüber hinaus erlegt das Urheberrecht auch den Nut-zern des digitalen Medienspiegels, also den Abgeordneten, derenMitarbeitern sowie den Mitarbeitern der Parlamentsverwaltung undder Fraktionen, besondere Sorgfaltspflichten auf. Rechtliche Kenntnis-se sind also unabdingbar.

Der ThesaurusVor dem Erfahrungshintergrund anderer Pressedokumentationenbegann 1998 der Aufbau eines eigenen, den aktuellen Anforderungenentsprechenden Thesaurus für das Referat Pressedokumentation desDeutschen Bundestages. Als Basis diente das Wortgut des Parla-mentsthesaurus Parthes. Dieser wird zur inhaltlichen Erschließungder vom Bundestag produzierten Materialien wie Plenarprotokollen,parlamentarischen Anfragen, Gesetzentwürfen und verabschiedetenGesetzen verwendet. Der damals geschaffene und seither genutzteThesaurus zur Erschließung des elektronischen Pressearchivs bestehtaus Personennamen, Geographika, Sachbegriffen und Allgemeinbe-griffen. Ausschlaggebend für die zunächst geplante radikale Be-schränkung des Deskriptorenbestandes waren folgende Faktoren:– Prinzip der Vorgangsdokumentation– Möglichkeit der Volltextrecherche

256

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

AUFSÄTZE

– Endnutzerorientierung– Mitarbeiterorientierung– Optimierung der Indexierungskonsistenz– Dokumentenmenge.Ursprünglich waren 1.500 Schlagworte geplant, inzwischen sind esallerdings wieder mehr geworden. Die daneben bestehende undbereits skizzierte, durch die Digitalisierung geschaffene Möglichkeitder Volltextrecherche der Nutzer stellt zwar eine unverzichtbareKonkurrenz zur intellektuellen Erschließung mittels der Dokumenta-tionssprache dar; doch hat diese ihre Bedeutung keineswegs verloren.

DIE ARBEITSBEREICHE

Die AuskunftDie Auskunft des Referates Pressedokumentation ist die zentraleInformationsstelle des Deutschen Bundestages für den BereichPresseinformation. Sie wurde als Dienstleister für die Mitglieder desDeutschen Bundestages, eine geschlossene Nutzergruppe also,aufgebaut. In der Regel sind es heute allerdings deren Mitarbeiter, diesich an die Auskunft wenden. Aber auch die von den Abgeordnetengebildeten Gremien, die Fraktionen und deren Arbeitskreise, dieAusschüsse und Kommissionen treten mit Anfragen an die Pressedo-kumentation heran. Darüber hinaus machen auch die Mitarbeiter derBundestagsverwaltung vom Service der Pressedokumentation Ge-brauch.Bis zum Ende der neunziger Jahre bot die Auskunft den Nutzernfolgende Informationsquellen: (1.) Das Presseausschnittsarchiv mitdem Karikaturenarchiv, (2.) Zeitungen und Zeitschriften sowiePressedienste als Ganzstücke bzw. Mikrofilme, (3.) CD-ROMs und(4.) den Tickerdienst. Auf den CD-ROMs waren mit vierteljährlicherAktualisierung einige der wichtigsten überregionalen Tageszeitungengespeichert. Da die Zeitungen inzwischen digital bei externen Daten-banken erhältlich sind, wurde dieses Angebot eingestellt. Auch derTickerdienst stand zunächst nur über die PCs in der Auskunft zurVerfügung. Damit konnten die Meldungen der Nachrichtenagenturender letzten sieben Tage abgerufen werden. Nachdem aber den Abge-ordneten in ihren Büros selbst der Zugriff darauf eingeräumt wordenist, wurde auch auf dieses Angebot der Pressedokumentation verzich-tet.Nach Einführung der Digitalisierung war das Referat gezwungen, inspeziellen Verträgen mit den Verlagen Bestimmungen zu akzeptieren,welche die Inanspruchnahme der elektronischen Bestände desArchivs durch Externe nicht mehr gestatten. Seither steht das digitali-sierte Pressearchiv nur mehr den Abgeordneten und deren Mitarbei-tern, den Ausschüssen und den sonstigen parlamentarischen Gremi-en sowie der Verwaltung des Deutschen Bundestages zur Verfügung.Mit Ausnahme der elektronischen Pressematerialien können allePresseerzeugnisse, d. h. das Presse-Altarchiv sowie das Zeitungsarchiv,aber weiterhin von externen Interessenten benutzt werden, und zwar– für dienstliche Zwecke von Behörden des Bundes, der Länder und

Gemeindensowie von Gerichten (amtliche Benutzung),

– für Forschungen, die der Wissenschaft dienen und deren Ergebnis-se in wissenschaftlicher Form veröffentlicht werden sollen (wissen-schaftliche Benutzung),

– zur Vorbereitung von Veröffentlichungen, die der Unterrichtungder Öffentlichkeit dienen (publizistische Benutzung) sowie

– bei nachgewiesenem Interesse, ohne dass hierauf ein Anspruchbesteht (sonstige Benutzung).

Die Auswertung der aktuellen Zugriffsstatistik erbringt wichtigeErkenntnisse über die Bedeutung des Informationsangebotes derPressedokumentation für die Abgeordneten und ihre Mitarbeiter.Betrachtet man die Statistik differenziert nach Sitzungs- und sit-zungsfreier Woche, so lässt sich feststellen, dass die Zahl der Nutzerin der sitzungsfreien Zeit im Vergleich zu einer Sitzungswoche um 20Prozent geringer ist. Andererseits ist auffällig, dass die sitzungsfreieZeit offenbar zu weit intensiveren inhaltlichen Recherchen im Presse-archiv genutzt wird, als dies in Sitzungswochen der Fall ist.Die Häufigkeit der Nutzung des Archivs der Pressedokumentationdurch die einzelnen Abgeordneten und ihre Mitarbeiter liegt, wiedurch eine Befragung festgestellt werden konnte, zwischen „gar nicht“und „ca. fünfundzwanzig Mal im Jahr“. Die Abgeordneten und ihreMitarbeiter konzentrieren sich auf aktuelle Artikel. Die Nutzungs-häufigkeit der Presseausschnitte des Altarchivs ist dagegen gering.Nur zehn Prozent der Nutzer wünschen Informationen, die länger alssechs Monate zurückliegen. Höchstens eine von hundert Anfragenbezieht sich auf die Zeit vor den siebziger Jahren. Die Bestände desAltarchivs besitzen deshalb für die zeitgeschichtliche Forschunggrößere Bedeutung als für die eigentlich avisierte Klientel.Die Umstellung von papiergestützter Recherche auf das Online-Retrieval im elektronischen Archiv in den Jahren 1998/99 brachte derAuskunft durch die freie Kombinierbarkeit der Schlagwörter, diepunktuelle Suche, die Textanalyse und Zitatverifikation im Artikel-volltext einen erheblichen Qualitätsgewinn bei Recherche undDokumentationserstellung. Trotz der Möglichkeiten der Endnutzerre-cherche im elektronischen Archiv via Intranet ist in der Auskunftaber weiterhin ein hohes Auftragsaufkommen zu verzeichnen.Nach dem Berlin-Umzug bot die Auskunft der Pressedokumentationneue Serviceleistungen an. Insbesondere durch die Möglichkeit derelektronischen Presserecherche aus externen Quellen konnte dasInformationsangebot ausgeweitet werden. Ein weiteres Aufgabenfeldder Auskunft ist die Zeitungsauslage. Das Referat bezieht über die zurBearbeitung für das Presseausschnittsarchiv benötigten Zeitungenund Zeitschriften sowie Pressedienste hinaus weitere Exemplare zurAufbewahrung als Ganzstücke. Außerdem erhält die Pressedokumen-tation zahlreiche Zeitungen und Zeitschriften zur Auslage, die nichtzur Leseliste des Referates gehören. Diese werden zunächst in derAusleihe gesammelt und in regelmäßigen Abständen an das Archivübergeben, wo sie in gebundener oder mikroverfilmter Form aufbe-wahrt werden. Die Archivierungsdauer reicht von einigen Monatenbis zur dauerhaften Aufbewahrung. Zurzeit werden etwa 145 Publi-kationen bezogen und zur Lektüre vorgehalten. Vorhanden sindinsgesamt 310 in- und ausländische Tages- und Wochenzeitungensowie Presse- und Informationsdienste in unterschiedlicher Vollstän-digkeit. Auch die Auslage der aktuellen Zeitungen und Zeitschriftenist ein häufig genutzter Service der Auskunft der Pressedokumentati-on.Trotz des Rückgangs der Zahl der persönlich in der Auskunft erschei-nenden Interessenten aufgrund der Digitalisierung und des Aus-schlusses der bundestagsfremden Nutzer von der elektronischenRecherche sind die Anforderungen an die dort tätigen Mediendoku-mentare in den letzten Jahren größer geworden: Während einerseitsdie Zahl der Auskunftsmitarbeiter deutlich reduziert wurde, gewinntandererseits ihre Fähigkeit, dem angesichts der zunehmenden Kom-plexität der elektronischen Bestände überforderten Endnutzer zuunterstützen und diesen zu den richtigen Informationen zu führen,immer mehr an Bedeutung. Die Qualität auch der Mediendokumen-tation des Bundestages hängt gegenwärtig und zukünftig nicht mehrnur von der Aktualität des Archivs, sondern ebenso von der leichten

257

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

Bedienbarkeit der Archivanwendungen und der verlässlichen Fakten-prüfung durch die Auskunftsmitarbeiter ab. Den schwierigen Aufga-ben in der Auskunft kann nur gerecht werden, wer über hohesfachliches Wissen und intellektuelle Beweglichkeit verfügt. Der dorttätige Mediendokumentar muss seine Dienstleistungen in dem sichbekanntlich schnell ändernden medialen Umfeld erbringen und diesean die spezifischen Bedingungen des Bundestages anpassen. Geradeim Parlament muss die Nutzerzufriedenheit im Mittelpunkt seinerTätigkeit stehen. Das Ziel der sich auch dort wandelnden Informati-onsarchitektur hat deshalb eine optimale Benutzerpartizipation zusein.Die Kernaufgabe, die Abgeordneten – möglichst kostensparend – mitallen verfügbaren Informationen zu versorgen, wird aber unverändertbleiben. Um diesen Auftrag auch unter den künftigen Bedingungenerfüllen zu können, werden neue Werkzeuge, Speichermedien undZugriffstechniken genutzt.Dabei wächst der Auskunft eine Schlüsselfunktion innerhalb desgesamten Referates Pressedokumentation zu. Denn den in diesemBereich tätigen Mediendokumentaren obliegt es nicht nur, die Infor-mationsbedürfnisse der Abgeordneten und ihrer Mitarbeiter zuanalysieren, sondern auch aufgrund der so gewonnenen Erkenntnisseauf die Entwicklung für den Parlamentsgebrauch geeigneter, leichtnutzbarer Informationssysteme hinzuwirken. Aus dieser Aufgabeergibt sich dann zwangsläufig als weiterer neuer Arbeitsbereich dieDurchführung von Schulungen für die Nutzer der verschiedenenAngebote der Pressedokumentation, insbesondere natürlich desArchivs. Auf Grund der vielfältigen Aufgaben des Parlaments wirdder Bedarf an Informationsvermittlung durch Fachdokumentare inder Bundestagsverwaltung trotz der schnell fortschreitenden techni-schen Entwicklung und des unleugbaren Rationalisierungsdrucksauch in der öffentlichen Verwaltung zukünftig nicht geringer werden.

Das LektoratAufgabe der Lektoren ist es, aus den von ihnen ausgewerteten Quel-len für die parlamentarische Arbeit relevante Artikel auszuwählen,welche die politischen, sozialen, wirtschaftlichen und kulturellenEreignisse des Tages dokumentieren. Da für die Pressemappe desBundestages lediglich die großen Tageszeitungen und Regionalzeitun-gen mit so genannter „überregionaler Ausstrahlung“ ausgewertetwerden, kann – und soll – den Nutzern dieses Produkts nur einÜberblick über die wichtigsten Geschehnisse des Tages sowie einEindruck von der Resonanz bestimmter Ereignisse in der Pressevermittelt werden. Für das Pressearchiv wird dagegen eine hinsicht-lich Themenbreite, Meinungsvielfalt und regionaler Abdeckungumfassendere Universaldokumentation angestrebt. Die Lektorensammeln aus einem festgelegten Katalog von Tages- und Wochenzei-tungen Berichte und Kommentare, wobei streng auf Neutralität zuachten ist. Einseitige, durch persönliche Neigung bestimmte Auswahlwäre ein eklatanter Verstoß gegen das Berufsethos. Die Pressedoku-mentare des Bundestages sind sich bewusst, dass sie am Prozess derMeinungsbildung nicht aktiv mitzuwirken haben, sondern es demNutzer lediglich ermöglichen sollen, sich durch eine Vielzahl vonInformationen mit unterschiedlicher Tendenz selbst eine Meinung zubilden. Gleichwohl kommt es bei der Auswahl aber auch auf dieinhaltliche Bewertung der Artikel und damit auf die individuelleLeistung des Lektors an.So ist das Sammeln, Sichten, Selektieren, Bewerten, Speichern unddas punktuelle und schnelle Wiederauffinden der gespeichertenInformationen die Grundlage der täglichen Arbeit des Lektors in derPressedokumentation des Deutschen Bundestages. Seine eigentliche

intellektuelle Leistung ist wie eh und je in der Fähigkeit zu sehen,den jeweiligen Interessenschwerpunkt der Nutzer zu erkennen.Trefferrate und politische Relevanz der Artikel sind von entscheiden-der Bedeutung für die Auswahl. Wie in allen größeren Pressearchivenist die Leseliste, die von den Lektoren täglich abgearbeitet werdenmuss, auch in der Pressedokumentation des Bundestages umfang-reich. Eine erhebliche Zahl von Tages- und Wochenzeitungen werdenerfasst und ausgewertet. Seit dem Umzug von Parlament und Regie-rung nach Berlin wird stärkeres Gewicht auf die Berliner Zeitungensowie auf die Presselandschaft in den neuen Bundesländern gelegt.In den zurückliegenden Jahren war die Arbeit im Lektorat dadurchgekennzeichnet, dass den grundlegenden technischen Veränderungeneiner- und den unterschiedlichen Spezifika des Informationsbedarfsder Mitglieder des Deutschen Bundestages andererseits Rechunggetragen werden musste. Durch die Volltexterkennung und dieMetadatenanalyse sind die Möglichkeiten der elektronischen Weiter-verarbeitung inzwischen grundlegend verbessert worden: Die Digita-lisierung ermöglicht nunmehr die Klassifizierung der Artikel anhandder Metadaten, das heute vorrangige Suchen im Volltext sowie dieelektronische Verteilung. Pressedatenbanken mit Volltextspeicherungbieten im Vergleich zu sachsystemisch gegliederten konventionellenPresseausschnittsammlungen bekanntlich unvergleichlich mehrRetrievalmöglichkeiten; so gewährleisten sie eine größere Trefferge-nauigkeit. Um die Unzulänglichkeiten einer reinen Volltextrecherchezu minimieren, werden alle im Bundestag lektorierten Presseartikelnicht nur mit formalen Metadaten wie z. B. Autor, Titel, Erschei-nungsdatum und Quelle, sondern auch mit inhaltsbezogenen Meta-daten erschlossen. Da die redaktionelle Analyse und Bearbeitung derArtikel aufgrund der komplexen Semantik der Schriftsprache auch inder Bundestagsverwaltung bislang noch nicht durch maschinelleVerfahren ersetzt werden kann, wird die Zahl der Lektorenstellentrotz der Nutzung des aufwendigen IT-Systems in der Pressedoku-mentation künftig keinesfalls verringert werden.

Der Bereich ScannenDer Bereich Scannen ist dagegen in den letzten Jahren weit überpro-portional von Stellenstreichungen betroffen gewesen.1999 standenfür die Erledigung der dort anfallenden Aufgaben zwölf Dienstpostenzur Verfügung, während heute nur noch sieben Mitarbeiter vorhan-den sind.Für die Digitalisierung der – noch nicht elektronisch importierten –Artikel sind zurzeit vier Arbeitsschritte, nämlich1. das Scannen,2. das Clippen,3. die Erfassung der Formaldaten und4. die Nachkorrekturerforderlich. Der elektronische Artikelimport wird den Arbeitsauf-wand in diesem Arbeitsbereich zukünftig aber noch weit stärker alsbisher reduzieren.

DIE PRODUKTE

Die PressemappeDie Pressemappe, welche der täglichen Information des Parlaments,seines Präsidiums, seiner Gremien und der einzelnen Mitarbeiterdient, wurde in den siebziger Jahren eingeführt. In der Pressemappewerden die wichtigsten Meldungen und Kommentare des Tageszusammengefasst, und zwar nach folgenden Sachgebieten(„Fächern“) geordnet:

258

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

AUFSÄTZE

1. Parlamentarismus / Bundestag2. Parteien3. Innenpolitik / Rechtswesen4. Wirtschaft / Finanzen5. Soziales6. Außen- / Sicherheitspolitik / Ausland7. Sonstiges (Kultur / Medien usw.)8. Aktuelles mit wechselnder Thematik.

Zur Erstellung der Pressemappe, für die im wöchentlichen Wechseljeweils ein Lektor zuständig ist, werden zur Zeit 20 Tageszeitungenund Wochenzeitungen ausgewertet. Der Lektor markiert die wichtigs-ten Meldungen und Kommentare des Tages in den Zeitungsexempla-ren und versieht sie mit seinem Kürzel. Abbildungen werden nichtaufgenommen. Das Lektorat findet auch sonnabends statt, damit dieWochenendausgaben der Zeitungen für die Pressemappe des folgen-den Montags berücksichtigt werden können, ohne dass eine zusätzli-che Belastung für das Montagslektorat entsteht.Vor Einführung der Digitalisierung wurde die arbeitstäglich erschei-nende Pressemappe nach einem Verteiler zunächst 30 Personen, inden neunziger Jahren dann aber schon ca.120 Adressaten zur Verfü-gung gestellt. Heute werden die ausgezeichneten Artikel – 70 bis 100an der Zahl – soweit noch erforderlich – eingescannt, digital ausge-schnitten, elektronisch sortiert und den Nutzern im Intranet zurVerfügung gestellt. Für die Auswahl der dokumentationswürdigenArtikel spielen wie eh und je der besondere Auftrag und der Nutzer-kreis der Pressedokumentation die ausschlaggebende Rolle. Entschei-dend ist deshalb, ob ein Artikel für die Arbeit des Parlaments vonBedeutung ist. Bei der Auswahl bedarf es u. a. auch deshalb besonde-rer Sorgfalt, weil die Pressemappe der Pressedokumentation keines-wegs ein singuläres Angebot ist. Die wesentlichsten Konkurrenzpro-dukte sind in den von den Fraktionen bzw. Parteizentralen erstelltenund deren spezifische Nutzerinteressen berücksichtigenden Presse-spiegeln, aber auch in den der Bundesregierung zur Verfügunggestellten Pressemappen des Bundespresseamtes zu sehen.

Das ArchivDas Pressearchiv des Deutschen Bundestages zählt zu den bedeu-tendsten Einrichtungen seiner Art in Deutschland. Bis 1999 wuchsdas Presseausschnittsarchiv täglich um 1.100 bis 1.500 Originale. Daca. 20 % der Artikel mehr als ein Blatt umfassen und bei der Zuord-nung zu mehreren (in der Regel zwischen einem und vier) Systemstel-len bzw. Personen entsprechend viele Kopien abgelegt wurden, fielentäglich 4.500 bis 6.000 Blatt an. Das Presseausschnittsarchiv wuchsdamit täglich um 80 cm. So hat es schließlich einen Umfang von 23Millionen Seiten Presseausschnitten erreicht. Bis in die siebziger Jahrewurde Kassation betrieben. Wegen des Arbeitsaufwandes musste diesaber schließlich aufgegeben werden, worauf sich das Problem derUnterbringung des anfallenden Archivgutes naturgemäß verschärfte.Da das Presseausschnittsarchiv seit 1999 digital geführt wird unddiese Neuerung fast zeitgleich mit dem Umzug nach Berlin einge-führt wurde, sind Raumprobleme seither nicht mehr aufgetreten. DieDigitalisierung hat dafür aber mehrere andere Probleme geschaffen:Eine beachtliche Leistung der Pressedokumentation bestand seitjeher in der Aktualität des Pressearchivs. Die Ausschnitte waren nachein bis zwei Tagen unter den entsprechenden Systemstellen bzw.Personennamen einsortiert und damit verfügbar. Bei der inhaltlichenErschließung kam es nach Einführung der Digitalisierung dagegengelegentlich zu Rückständen. Erst der elektronische Import derArtikel verhindert dies nunmehr.Das Archiv der Pressedokumentation beschränkt sich aber auch

heute keineswegs auf ein digitalisiertes Angebot: Das Referat ID 4bezieht über die zur Bearbeitung für das Presseausschnittsarchivbenötigten Zeitungen und Zeitschriften hinaus weitere Exemplarezur Aufbewahrung. Diese werden, worauf bereits hingewiesen wurde,zunächst in der Ausleihe ausgelegt, gesammelt und in regelmäßigenAbständen an das Altarchiv abgegeben, wo sie in gebundener odermikroverfilmter Form aufbewahrt werden.Als einmalige Besonderheit der Pressedokumentation des Bundesta-ges mit zeitgeschichtlicher Bedeutung darf das Karikaturenarchivgelten. Es wurde 1974 eingerichtet und umfasst mittlerweile nichtweniger als 516.000 Karikaturen – womit es die bedeutendste Einrich-tung ihrer Art in Europa ist. Leider kann dieser reichhaltige Fundus –soweit er in digitaler Form vorliegt – aufgrund der Urheberrechtslageeiner breiteren Öffentlichkeit nicht mehr bekannt gemacht werden.

AUSBLICKDie Pressedokumentation des Deutschen Bundestages, welche in densiebziger Jahren als eines der bedeutendsten Pressearchive der Weltgalt,1 ist noch immer eine der wichtigsten Informations- und Doku-mentationseinrichtungen Deutschlands. Seit 1950 obliegt es ihr, denAbgeordneten und deren Mitarbeitern, den Fraktionen, Arbeitskrei-sen, Ausschüssen und Kommissionen sowie der Verwaltung desDeutschen Bundestages Informationen zur Verfügung zu stellen undso die politische und gesetzgeberische Tätigkeit des Parlaments zuunterstützen. Wie alle Pressedokumentationen hat auch diejenige desDeutschen Bundestages eine spezielle Ausrichtung. InhaltlichesKriterium der Arbeit ist die parlamentarische Relevanz der Informa-tionen, d. h. die Sammlung und Bereithaltung von Presseartikeln, diefür die politische und gesetzgeberische Tätigkeit des Bundestages vonBedeutung sind.In welche Richtung aber wird bzw. sollte sich die Pressedokumentati-on des Deutschen Bundestages in Zukunft entwickeln? AllgemeinePrinzipien und Erwartungen sind schnell benannt:(1) Die Pressedokumentation wird auch zukünftig nicht an Bedeu-

tung verlieren, da die Printmedien als deren Grundlage auch imBundestag weiterhin dem Internet vorgezogen werden. Hierbeispielt die typische Struktur einer Zeitung, die dem Leser nebenden bloßen Informationen zahlreiche weitere Anregungen zurEntfaltung von individuellen Gedanken zu den Artikeln bietet,eine unverändert große Rolle. So wird, um nur einen Aspekt zunennen, dem Text in einer gedruckten Zeitung gerade im politi-schen Bereich stets eine größere Relevanz und Glaubwürdigkeitzugemessen als Artikeln im Internet.

(2) Wie bereits dargelegt, muss die Orientierung an den spezifi-schen Bedürfnissen der Nutzer aus dem parlamentarischenBereich zukünftig noch stärker in den Mittelpunkt der Arbeittreten.2 Die Abgeordneten und ihre Mitarbeiter werden sich derinternen Angebote der Pressedokumentation künftig nur dannbedienen, wenn diese einfacher zu handhaben, qualitativ besser,aktueller und umfassender sind als diejenigen der privatenAnbieter.

(3) Aufgrund der Situation der öffentlichen Haushalte müssenAspekte der Wirtschaftlichkeit in Zukunft auch in der Bundes-tagsverwaltung vermutlich noch stärker als bisher berücksichtigtwerden. Mit der Kooperation einer- und der Auslagerung vonDienstleistungen andererseits können zwei unterschiedlicheWege eingeschlagen werden, die sich durchaus zu ergänzenvermögen. Im Personalbereich könnten durch den Aufbau

259

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

einheitlicher, größerer Einheiten und die gemeinsame Nutzungvorhandener Infrastrukturen erhebliche Synergieeffekte erzieltwerden. Durch den Trend zu immer stärkerer Vernetzung giltdies im technischen Bereich allerdings nicht in demselbenUmfang. Außerdem sind der Pressedokumentation des Deut-schen Bundestages als Teil einer Behörde des VerfassungsorgansBundestag in beiden Richtungen natürliche Grenzen gesetzt.

(4) Auch die behördlich geführten Pressearchive mussten in jüngsterZeit schon durch Einsparungen und Optimierungsprozesse ihreExistenzberechtigung nachweisen. Für die Pressedokumentationdes Parlaments werden zukünftig qualitative Aspekte wie dieWahrung inhaltlich anspruchsvoller Standards, aber auch dieEntwicklung eines größeren Spektrums von Informationspro-dukten entscheidend wichtig sein. Zu nennen sind z. B.:– Ereignisvorschauen,– nach politischen Interessenschwerpunkten einzelner

Abgeordneter zusammengestellte Datenbankinformationensowie

– Informationen zu bestimmten politischen Schwerpunktthemen.Aus dem Spektrum dieser Anregungen und Überlegungen lassensich konkrete Entwicklungsperspektiven für die verschiedenenArbeitsbereiche des Referates Pressedokumentation ableiten:

Die AuskunftWie für jede öffentliche Einrichtung ist es auch für eine Pressedo-kumentation wichtig, die eigenen Leistungen über den engerenKreis der Nutzer hinaus bekannt zu machen. In der Pressedoku-mentation des Deutschen Bundestages geschieht dies vor allemdurch die Herausgabe von Informationsblättern; das Referat istaber auch im Intranet und in den Publikationen über die Informati-onsdienste des Bundestages präsent, und des Öfteren wird inZeitungen über die Arbeit dieser Einrichtung der Bundestagsver-waltung berichtet. Nicht zuletzt trägt auch das Karikaturenarchivzur Hebung des Bekanntheitsgrades der Pressedokumentation bei.3

Der Umstand, dass das Pressearchiv seit einigen Jahren nur mehrden Abgeordneten, ihren Mitarbeitern und den Bediensteten derBundestagsverwaltung zur Verfügung steht, hat dessen Außenwir-kung allerdings nicht eben erhöht. Zwar hat die Pressedokumenta-tion des Deutschen Bundestages im Gegensatz zu anderen Presse-dokumentationsstellen4 nicht das Problem einer zu geringenInanspruchnahme durch die Nutzer, doch bleibt es eine dauerhafteAufgabe insbesondere der Auskunft des Referates, nach neuenWegen zu suchen, dessen Produkte und verschiedenen Angebotedurch gezielte Öffentlichkeitsarbeit bei den Abgeordneten und ihrenMitarbeitern bekannt zu machen.

Das LektoratDie technische Entwicklung hat keineswegs ihren Endpunkterreicht. Es ist deshalb davon auszugehen, dass sich die Tätigkeitder Lektoren in weiteren Entwicklungsschritten grundlegendverändern wird: Die Funktionsfähigkeit und damit der praktischeNutzwert eines Pressearchivs hängen nicht allein von der Anzahlder gespeicherten Elemente, sondern vor allem von dem Ordnungs-prinzip ab, mit dem die gesuchten Artikel auffindbar gemachtwerden. Nicht nur für die Auswahl der auszuwertenden Zeitschrif-ten, sondern auch für die Art des Ordnungssystems ist es unver-zichtbar, dass dieses möglichst exakt den Bedürfnissen der Nutzerentspricht. Das Ordnungssystem musste also speziell für denavisierten Interessentenkreis aus dem politischen Raum entwickeltwerden. Die gewählte Systematik sollte immer wieder flexibel

angepasst werden, im Laufe der Jahre mitwachsen, neue Sachver-halte berücksichtigen und immer feinere Strukturen erhalten.Im Bereich des Ordnungssystems steht der nächste Schritt derTechnisierung, die semi-automatische Kategorisierung und Annota-tion, jedenfalls in den kommerziell geführten Pressedokumentatio-nen vor seiner breiteren Realisierung bzw. ist bereits eingeführt. ImErgebnis dürfte mit der semi-automatischen Kategorisierung diegleiche Quantität und Qualität des Produktes wie bisher, jedochmit geringerer Arbeitskraft, erreicht werden. Im Umkehrschlusskann dieselbe Arbeitskraft unter den technischen Bedingungen derZukunft aber auch mehr Artikel bearbeiten bzw. eine höhereQualität des Produktes erreichen. So könnten zum Beispiel automa-tisch erzeugte Abstracts die Metadaten ergänzen; dadurch erhielteder Nutzer eine gänzlich neue, rationale Entscheidungsgrundlagezu der Frage, ob es sich für ihn lohnt, den Artikel zu lesen. Festzu-halten bleibt nach alledem, dass der Lektor der Zukunft bei dersemantischen Analyse der Artikel durch maschinelle Arbeitsgängeweitgehend unterstützt und entlastet werden wird; seine intellektu-elle Leistung bleibt gleichwohl aber unverzichtbar. Fachleuteschätzen, dass die durch den Einsatz solcher moderner Verfahrenerzielbaren Produktionssteigerungen zwischen 10 und 20 Prozentliegen dürften.5 Auch der Deutsche Bundestag kann auf das hierschlummernde Entwicklungs- bzw. Sparpotential längerfristig nichtverzichten.Die Einführung eines solchen semi-automatischen, auf die speziel-len Erfordernisse der Pressedokumentation des Bundestages zuge-schnittenen Indexierungssystems erfordert allerdings erheblichenplanerischen Aufwand seitens des Referates. Diese Aufgabe muss,um ein unvertretbares Zurückfallen hinter die technische Entwick-lung zu vermeiden, in absehbarer Zeit in Angriff genommen wer-den. Dann dürfte die Nutzung der Informationstechnologie Gele-genheit geben, die Zahl der in das Archiv eingestellten Artikelmerklich zu erhöhen – ein Vorzug, der mancher Mühe wert wäre.Diese wichtige Reformmaßnahme darf allerdings nicht die einzigebleiben, welche im Bereich des Lektorats in nächster Zeit in Angriffgenommen werden sollte. Nicht minder wichtig ist die gründlicheÜberarbeitung des Thesaurus. Der Veränderung des Fachvokabularsund den Erfordernissen der Anwendung desselben muss durch einestetige Gesamtkoordination von Thesauruspflege und notwendigenReformschritten Rechnung getragen werden.Noch weitere Anpassungen sind vorzunehmen: Die inzwischen

1 So jedenfalls Ludwig Pesch in:Kurt Homfeld, Der Archivar, Jg. 26, 1973, H.2, Sp. 347.

2 Bis zur Einführung der Digitalisierung in den Jahren 1998/99 standen diePressematerialien der Pressedokumentation des Bundestages auch– für dienstliche Zwecke anderer Behörden des Bundes, der Länder und Ge-

meinden sowie von Gerichten (amtliche Nutzung),– für Forschungen, die der Wissenschaft dienten und deren Ergebnisse in

wissenschaftlicher Form veröffentlicht werden sollten (wissenschaftlicheNutzung) sowie

– zur Vorbereitung von Veröffentlichungen, die der Unterrichtung der Öffentlichkeit dienten (publizistische Benutzung) zur Verfügung. Darüberhinaus war die Benutzung der Pressematerialien jedermann möglich, derein berechtigtes Interesse nachwies und die Benutzerordnung einhielt. Sowurde die Pressedokumentation z. B. auch von Mitarbeitern der diplo-matischen Vertretungen aufgesucht.

3 Z. B. durch die Artikel „Pointenlager im Betonbunker“, in: Das Parlamentvom 22.1.2007, und „Karikaturen erzählen Geschichte“, in: Ostsee-Zeitungv. 6.11.2006.

4 S. Hilke Timmann, Mediendokumentarisches Arbeiten nach der digitalenRevolution. Zentrale Pressedokumentationen vor neuen Aufgaben, in:Wolfram Neubauer (Hg.), Deutscher Dokumentartag 1995: Zukunft durchInformationen, Frankfurt a. M. 1995, S. 137-151 (142).

5 So Ulrike Spree,Trends in der Mediendokumentation, in: Info 7, H. 3, 2004,S. 130 ff. (138).

260

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

AUFSÄTZE

nennenswerte Zahl leistungsfähiger Datenbankanbieter hat zurFolge, dass sich bei der Festlegung der Leseliste der Lektoren dieGewichte zukünftig weiter verschieben dürften. Einerseits solltenangesichts der erheblichen Lizenzgebühren thematische Randberei-che des politischen Interessenspektrums beim Auswerten undSammeln weniger berücksichtigt werden, da Artikel aus diesenGebieten bei Bedarf aus externen Informationsdatenbanken abgeru-fen werden können. Dies gilt zwar auch für die zentralen Themender Dokumentation, doch wird die sachdienliche, bundestagsspezi-fische Verschlagwortung durch die Lektoren derjenigen der kom-merziellen Datenbanken, die sich ausschließlich auf automatischeIndexierung stützen, dauerhaft deutlich überlegen sein. Anderer-seits wird immer wieder der Wunsch geäußert, die Pressemappedurch eine auf einer Regionalzeitungsauswertung beruhendeAusgabe sowie durch thematisch spezialisierte Pressemappen undKommentarspiegel zu ergänzen, so dass die Auswertung insofernggf. erweitert werden sollte.Schließlich ist noch eine andere Rationalisierungsperspektive derErwähnung wert: In der Wirtschaft wird die Verschlagwortung, diein der einen Dokumentation erzeugt wird, bereits heute auch inanderen Einrichtungen ihrer Art genutzt. So können Personalkapa-zitäten für die Verschlagwortung dieser Titel eingespart werden.Längerfristig lässt sich die Pressedokumentation des DeutschenBundestages möglicherweise in einen ähnlichen Verbund politischorientierter Datenbanken anderer oberster Bundesbehörden undder Landesparlamente einbeziehen.6

Der Bereich ScannenMit der Einführung des neuen IT-Systems hatte das Referat Presse-dokumentation von Anfang an die Möglichkeit verbunden, dieArtikel jedenfalls der bedeutenderen Zeitungen und Zeitschriftenelektronisch zu importieren, da sich nur so eine erhebliche Verbes-serung der Produktionsabläufe erzielen ließ: Die Arbeitsabläufegestalten sich zügiger; für die importierten Artikel fällt der Korrek-turaufwand fort. Wenn die Artikel von allen Zeitungen, welche diesanbieten, importiert werden, dürfte sich der Arbeitsaufwand imBereich Scannen schätzungsweise halbieren. Nur noch etwa 30Prozent der Artikel müssten im herkömmlichen Verfahren bearbei-tet werden. Die breite Einführung dieser dem Stand der Technikentsprechenden Produktionsweise wird zur Folge haben, dass alleausgewählten und elektronisch importierten Artikel zeitnah in dasArchiv expediert werden können – und deren Verfügbarkeit sosignifikant beschleunigt wird.

Das ArchivEs ist ein Gemeinplatz darauf hinzuweisen, dass die elektronischeVerfügbarkeit der Print-Medien ständig zunimmt. Die früher eherperipher wahrgenommene Konkurrenzsituation zwischen demhausinternen Pressearchiv und dem Informationsangebot derDatenbanken im Internet wird zukünftig noch spürbarer werden.Schon jetzt ist auch das Pressearchiv des Bundestages daran ge-wöhnt, für online-Zugriffe zu zahlen. Hinsichtlich der Bedienungmacht es für die Mitarbeiter kaum mehr einen Unterschied, ob siein eigenen oder auswärtigen Datenbeständen recherchieren. Umden Vorrang des eigenen Archivs zu erhalten, sollte insbesondereauf dessen Aktualität Wert gelegt werden; Rückstände sind strikt zuvermeiden. Daneben sollte die Auswertungsmenge erhöht undRegionalzeitungen stärker berücksichtigt werden. Außerdem solltenauch Dossiers, ausschließlich auf der Basis der ausländischen Presse

erstellt, angeboten werden. Wegen des erheblichen Personalaufwan-des, den die Fertigung differenzierter Pressespiegel mit sich brächte,sollte die Beauftragung privater Medienmonitoring-Dienste geprüftwerden. Diese könnten auch, sofern die notwendigen Mittel bereit-gestellt werden, mit der Analyse der Medienresonanz, welche dieeinzelnen Abgeordneten finden, betraut werden. EntsprechendeVerfahren sind erprobt und werden seit einiger Zeit am Marktangeboten.Die so vernetzte Pressedatenbank ist als eine im Vergleich zurkonventionellen Presseausschnittsammlung gänzlich neue, ei-gentümliche Archivform zu qualifizieren, die einen deutlich größe-ren finanziellen Aufwand erfordert, als dies früher üblich war. Da essich bei den Presseerzeugnissen bekanntlich nicht um Unikatehandelt, lässt sich eine arbeitsteilige Archivierung und kooperativeNutzung mit Hilfe der elektronischen Speichertechnologie und deselektronischen Datenaustausches inzwischen weitgehend problem-los verwirklichen.7 Von verschiedenen Unternehmen gemeinsamgeführte Volltextdatenbanken gehören heute zum Alltag. So habendie Rundfunkanstalten oder auch manche der großen Verlagebereits vor Jahren zu einer Zusammenarbeit in der Pressedokumen-tation gefunden.8 Auch für die Behörden wird es immer unerlässli-cher, redundante Datenhaltung möglichst zu vermeiden. In einerBehörde mit klar strukturiertem Aufbau wie der Verwaltung desDeutschen Bundestages mag es zunächst schwer vorstellbar sein,die Speicherung einem System von Datenbanken und Filesystemenmit aufgesetzten Retrievalfunktionen zu überlassen. Die Umstel-lung auf die elektronische Arbeitsweise Ende der neunziger Jahrehätte bereits als Schritt in Richtung auf eine verstärkte Kooperationund Integration der verschiedenen Informationsdienstleistungendes Deutschen Bundestages genutzt werden können. Einer Koope-ration der Pressedokumentation mit den IT-Systemen andererDokumentationsstellen außerhalb des Bundestages sind aber engeGrenzen gesetzt. Einer Zusammenarbeit mit dem Presse- undInformationsamt der Bundesregierung, die sich aus dokumentari-scher Sicht jedenfalls in manchen Bereichen anböte, steht das verfas-sungsrechtlich geregelte Verhältnis von Legislative und Exekutiveentgegen. Die Aufgabe der Informationsdienste des Bundestages istes, die Unabhängigkeit der gesetzgebenden Körperschaft von demSachverstand des Regierungsapparates zu stärken. So vermag dieBundestagsverwaltung hier bislang kaum Synergieeffekte zu nutzen.Als kommerzieller Anbieter kann die Pressedokumentation desBundestages naturgemäß ebenfalls nicht auftreten. Auch insoweitlässt sich die Wirtschaftlichkeit des Referates z. zt. also nichtverbessern.Aufgrund der technischen Entwicklung ist es aber kaum vorstell-bar, dass auch zukünftig an unterschiedlichen oder gar gleichenStandorten im Wesentlichen deckungsgleiche Presseausschnitt-sammlungen geführt werden. Um solche handelt es sich aber beiden Pressearchiven des Bundespresseamtes und des DeutschenBundestages. Wünschenswert wäre auch eine Vernetzung derPressearchivdatenbanken des Bundes und der Länder; zurzeitscheint diese wegen der hohen Kosten für den Rechteerwerb jedochnoch ausgeschlossen. Möglicherweise ergibt sich zukünftig abereine günstigere Situation, die es ermöglicht, auf diesem FeldeFortschritte zu erzielen. Der Aufbau gemeinsamer Pressedatenban-ken, der in den Medienunternehmen längst selbstverständlich ist,dürfte aufgrund des durch Stellenstreichungen verschärften Ratio-nalisierungsdrucks längerfristig auch für die behördlich geführtenPressearchive unausweichlich werden. Das eigene Archiv kann seine

261

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

Existenz langfristig jedenfalls nur dann rechtfertigen, wenn dessenAngebote qualitativ besser und ggf. auch preisgünstiger sind alsdiejenigen der externen Konkurrenz.Aber auch wenn hervorragende Qualitätsstandards erreicht sind,bleiben wesentliche Probleme zu lösen:9

(1.) Die exponentiell zunehmenden Datenmengen werden einestärkere Selektion der zu archivierenden Texte zur Folge haben.Aufgrund des Angebots der vielen externen Datenbankanbietersollten randständige Themenbereiche künftig nicht mehr archiviertwerden. (2.) Es sind Entscheidungen über die jeweils geeignetenSpeichermedien, insbesondere die Nachbearbeitung des Papieralt-bestandes, zu treffen, wobei die Durchführung von Migrationeneinzuplanen ist. Bislang fehlen zwar noch die Kriterien, Konzepteund finanziellen Mittel für die Erhaltung der vom Zerfall bedroh-ten Papierbestände. Doch muss die Aufgabe angesichts des gewalti-gen Umfangs von 23 Millionen Zeitungsausschnitten und desdadurch bedingten Zeitaufwandes alsbald angegangen werden.10

(3.) Es müssen zukünftig Komprimierungsverfahren angewandtwerden, um die Speicherung immer umfangreicherer Datenmengenzu ermöglichen.Die vor der Pressedokumentation des Bundestages liegendenAufgaben sind, wie schon der konzise Überblick zeigt, erheblich.Dennoch darf festgestellt werden, dass durch die Digitalisierungund die zunehmende Nutzung externer Informationsangebote dasLeistungsvermögen von Auskunft, Lektorat, Archiv und dem BereichScannen in den letzten Jahren trotz stark reduzierter Mitarbeiter-zahl bedeutend gesteigert werden konnte. Durch die Vernetzungvon internen und externen Angeboten ist auch im DeutschenBundestag ein virtuelles Gesamtarchiv entstanden, welches die bisdahin gewohnten Dimensionen des Parlamentsarchivs weit über-trifft. Neben die Beobachtung und Speicherung möglichst vielerQuellen ist – gleichgewichtig – auch für die Nutzer selbst dieMöglichkeit getreten, weitaus umfassender und zielorientierter zurecherchieren. �

THE PRESS DOCUMENTATION OF THE GERMANBUNDESTAGThe Press Documentation Division of the German Bundestag hasbeen in existence ever since 1949.The task of the division's staff is to select from the publications theyexamine articles relevant to parliamentary work, documenting thepolitical, social, economic and cultural events of the day.Amongst other things, they compile a press folder each day, in orderto help inform Parliament, its Presidium, its bodies and its many staff.The extensive Press Archive allows users to access 25 million articles.This makes the Bundestag's Press Documentation division one ofGermany's most important information and documentation facilities.

6 In der Wirtschaft wird bereits über die mögliche Entstehung eines zentra-len Pressearchivs, welches die heute bestehenden ersetzt, spekuliert. So z.B. Günter Peters, Medienbetriebe in der Krise – Mediendokumentationohne Abnehmer?, in: Info 7, H. 2, 2003, S. 75.

7 Frühere Versuche einer gemeinsamen Pressedokumentation im Rundfunkwaren an der mangelnden technischen Realisierbarkeit gescheitert.

8 S. dazu Klaus Heimann, Das Presse Archiv-Netzwerk (PAN) innerhalb derARD, in: Info 7 H. 1, 2003, S. 27-34.

9 Zum Folgenden vgl. Ulrike Spree,Trends in der Mediendokumentation, inInfo 7-3/2004, S. 130 ff. (136, 137).

10 Vergleichbare Archive haben diese Aufgabe bereits erfüllt. So sind die ca.20 Millionen Presseausschnitte des Spiegel-Altarchivs verfilmt und mit Hil-fe eines digitalen Archivsystems durch Referenzadressen nachgewiesen; s.Dieter Gessner, Das elektronische Archiv des Spiegels – ein erster Erfah-rungsbericht, in Info 7, H. 1, 2000, S. 25-35 (25).

Ministerialrat Dr. Gerhard DeterDeutscher BundestagWissenschaftlicher DienstPlatz der Republik 1, 11011 BerlinTel. 030-227-35749, Fax 030-227-36511E-Mail: [email protected]

262

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

ARCHIVTHEORIEUND PRAXIS

In der Senatssitzung vom 9. März 1967 stimmte der Senat derRWTH Aachen dem Antrag des Dekans der PhilosophischenFakultät, Hans Martin Klinkenberg, zu, ein eigenes Hochschular-chiv zu errichten. Dieser Beschluss stand im Kontext der Vorberei-tungen einer Festschrift anlässlich des hundertjährigen Bestehensder 1870 eröffneten Hochschule. Erst im Oktober 1970 wurde dasArchiv tatsächlich eingerichtet. Im Nebenamt kümmerte sich bis zuseinem Weggang 1974 der wissenschaftliche Mitarbeiter des Histori-schen Instituts Dr. Kurt Düwell um das Archiv. 1979 wurde derInhaber der Frühneuzeitprofessur Reinhard Hildebrandt zumwissenschaftlichen Leiter ernannt (dieser stellte das Archiv im„Archivar“ 1991, Sp. 409 f. vor). Die seinerzeit gefundene Lösung desOrganisationsproblems, das Archiv als dem Rektorat unterstellteeigenständige Einrichtung in Personalunion vom Inhaber derFrühneuzeitprofessur des Historischen Instituts als wissenschaftli-chem Leiter betreuen zu lassen, hat sich als sehr vorteilhaft erwie-sen. Seit der Übernahme der wissenschaftlichen Leitung durch Prof.Dr. Christine Roll zum Wintersemester 2005/06 und der Geschäfts-führung durch Dr. Klaus Graf (seit Anfang 2004) setzt das Archivverstärkt auf Öffentlichkeitsarbeit und digitale Erschließung derBestände.Seit 2006 stellt das Archiv seine Bestände und Themen der Hoch-schulgeschichte in Präsentationen im Hauptgebäude der RWTH imGang vor dem Rektorat vor. Diese Präsentationen sind auch alsvirtuelle Ausstellungen auf der Archivwebsite einsehbar(www.hochschularchiv-aachen.de). So lag es nahe, den kleinenFestakt zum 40-jährigen Bestehen des Archivs am 6. Dezember 2007mit der Eröffnung einer Präsentation zu verbinden. Wertvollehistorische Dokumente (z. B. zum Ersten Weltkrieg, der NS-Zeit

oder der Achtundsechziger Bewegung), aber auch Kuriositätenwerfen bezeichnende Schlaglichter auf die Geschichte der Hoch-schule. Neben den Gelehrten, die an der Hochschule wirkten, wirdauch das studentische Leben in Alltag und Festen thematisiert.Nicht nur Schriftstücke, sondern auch viele Fotos und einigegegenständliche Objekte waren bis April 2008 zu sehen.Bei der Festveranstaltung, bei der auch die früheren Leiter Prof. Dr.Kurt Düwell und Prof. Dr. Reinhard Hildebrandt anwesend waren,überbrachte zunächst Prof. Dr. Armin Heinen die guten Wünschedes Rektorats. Anschließend würdigte der Sprecher der Arbeitsge-meinschaft der Hochschularchive in Nordrhein-Westfalen, Dr.Thomas Becker (Universitätsarchiv Bonn), in einem Grußwort dieLeistungen des Aachener Hochschularchivs, das er mit Blick auf dieÖffentlichkeitsarbeit und die Nutzung der neuen Medien alsbeispielhaft bezeichnete. Die wissenschaftliche Leiterin, Prof. Dr.Roll, und der Geschäftsführer Dr. Graf stellten dann das Archiv undseine Aufgaben sowie die aktuelle Präsentation vor. Gelegenheitzum Gespräch bot der abschließende Empfang mit Sekt undGebäck.Dem Vertreter des Rektorats konnte zum einen eine Rohfassung der2008 hybrid (also gedruckt und online) erscheinenden Festschrift,in der die Geschichte, die Arbeit und die Aufgaben des Hochschul-archivs dargestellt und reflektiert werden, übergeben werden undzum anderen der Archivkalender für 2008, den das Hochschular-chiv dieses Jahr gemeinsam mit dem Archiv der FachhochschuleAachen gestaltet hat. �

Klaus Graf, Aachen

40 JAHREHOCHSCHULARCHIVDER RWTH AACHEN

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

263

DIE NOVELLIERUNG DESHESSISCHEN ARCHIVGESETZES

VORGESCHICHTE UNDRAHMENBEDINGUNGEN

Über die Novellierung des Hessischen Archivgesetzes ist an andererStelle bereits ausführlicher berichtet worden.1 In diesen beidenBeiträgen wurden einerseits die Neuerungen konkreter dargestellt,andererseits aber auch Vergleiche mit den Archivgesetzen andererBundesländer gezogen. Dies soll in vorliegendem Beitrag zwar auchangesprochen werden. Ein weiterer Schwerpunkt soll jedoch auf dienoch verbliebenen Aufgaben gelegt werden, die durch die Novellenoch nicht hatten gelöst werden können. Denn der breite Konsens,den die Gesetzesnovelle im hessischen Landtag bei allen dortvertretenen Parteien gefunden hat, und die Tatsache, dass dasGesetz schließlich ohne Änderung gegenüber der Regierungsvorlageschon ein Vierteljahr nach ihrer Einbringung im Landtag verab-schiedet werden konnte,2 darf nicht vergessen lassen, dass am Endenur eine Minimallösung zustande gekommen war, die die nötigstenReformen brachte, das alte Archivgesetz von 1989 aber in seinerSubstanz unberührt ließ. Es wurden weder terminologische Unge-reimtheiten beseitigt, noch wurden neue Aufgabendefinitionen demGesetzeswerk vorangestellt. Fast hatte man den Eindruck, dasseine intensivere öffentliche Debatte vermieden werden sollte, umnicht unnötig neue Fronten – etwa zwischen kommunalen undstaatlichen Archiven, zwischen dem federführendenWissenschaftsressort und den anderen beteiligten Ministerien oderzwischen den abgebenden Behörden und den zur Übernahmeanstehenden Archiven – aufzubauen. Das im Rang eines Verfas-sungsrechts stehende Akzessorietätsprinzip, das bei einer weiterenVerpflichtung der Kommunen mit haushaltsrechtlichen Folgen dieÜbertragung von zusätzlichen Landesmitteln an die Kommunenbedeutet hätte, wirkte insoweit abschreckend. So ließ man lieberschwierige Abgrenzungsfragen in der Schwebe, in der Hoffnung,von Fall zu Fall in der Praxis Lösungen zu finden.Wenn in der Debatte behauptet wurde, das alte Gesetz vom 24.Oktober 19893 habe sich bewährt, so dass es möglichst wenigangetastet werden sollte, so lässt dieses Argument außer Acht, dasssich die Aufgaben und Schwerpunkte des öffentlichen Archivwesensinnerhalb von knapp zwei Jahrzehnten so radikal geändert haben,dass eigentlich eine generelle Überdenkung des Archivrechts gebo-ten gewesen wäre. Doch dazu fehlte letztlich der notwendige Zeit-rahmen, da das alte hessische Archivgesetz zum 31. Dezember 2007

auslaufen sollte und deshalb schließlich nur mit einigen kleinerenKorrekturen erneuert werden konnte.Dies hat andererseits den Vorteil, dass eine Generalrevision mitmehr Ruhe in den nächsten fünf Jahren in Angriff genommenwerden kann.4 Aus diesem Grund wurde bereits jetzt die Einsetzungeiner Arbeitsgruppe beschlossen, durch die parallel zur Strukturre-form des hessischen Archivwesens auch grundsätzliche Überlegun-gen zur Reform des Archivrechts angestellt werden sollen. Hinzukommt, dass im April 2008 aussichtsreiche parlamentarischeInitiativen für den hessischen Landtag angekündigt wurden, durchdie eine Verbesserung des Datenschutzrechts und gleichzeitig dieEinführung eines wirksamen Informationsfreiheitsgesetzes gefor-dert wurden.5 Sollte dies so realisiert werden,6 hätte dies zugleicherhebliche Auswirkungen auf die Bedingungen der Archivnutzung(Archivzugangsrecht)7 und damit auf die Gestaltung des Archiv-rechts. Insbesondere müsste das Verhältnis zwischen Informations-freiheit als Grundrecht der Bürgerinnen und Bürger gegenüber deröffentlichen Verwaltung und dem durch die Archive als den Aufbe-wahrungsorten von nicht mehr benötigten Unterlagen eben dieserVerwaltung in eigener Verantwortung garantierten Schutz etwabetroffener Persönlichkeitsrechte rechtsdogmatisch und gleichzeitigdamit auch gesetzestechnisch neu ausgestaltet werden.

1 Johann Zilien, Die Novellierung des Hessischen Archivgesetzes, in: Archi-vnachrichten aus Hessen Bd. 7/2, 2007, S. 34-36; Friedrich Battenberg, Ar-chivgesetznovellierungen in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland,unter besonderer Berücksichtigung des Landes Hessen, in: ArchivalischeZeitschrift Bd. 90, 2007.

2 Zilien, Novellierung (wie Anm. 1), S. 34 f.3 Roman Fischer, Hessisches Archivgesetz, in: Praxis der Kommunalverwal-

tung, Landesausgabe Hessen, 2002, G 6 He, S. 1-23.4 Das novellierte Hessische Archivgesetz wird nach dessen neuem § 22 zum

31. Dezember 2012, also nach dem Ablauf von fünf Jahren, wieder außerKraft treten.

5 Parteiratsbeschluss von Bündnis 90/Die Grünen vom 19. April 2008 zumThema „Datenschutz ist Bürgerrecht – Grüne fordern parlamentarische In-itiativen zur Verbesserung des Datenschutzes“ (Texte einsehbar unter derInternetadresse www.gruene-hessen.de. Der Verfasser dieser Zeilen hat alsMitglied des Parteirats am Zustandekommen dieser Beschlüsse durch For-mulierungsvorschläge mitgewirkt.)

6 Die politischen Aussichten dafür sind zurzeit sehr gut, da bei der parlamen-tarischen Mehrheit der links orientierten Fraktionen diesbezüglich Konsensherrscht und dies auch von der geschäftsführenden, konservativen Regie-rung umgesetzt werden müsste.

7 Hierzu im Einzelnen siehe Bartholomäus Manegold, Archivrecht. Die Ar-chivierungspflicht öffentlicher Stellen und das Archivzugangsrecht des hi-storischen Forschers im Licht der Forschungsfreiheitsverbürgung des Art.5 Abs. 3 GG (= Schriften zum Öffentlichen Recht 874), Berlin 2002,S. 65 ff.

264

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

ARCHIVTHEORIEUND PRAXIS

schen Archivgesetzes“ dem hessischen Landtag vorgelegt werdenkonnte. Nach fachlichen Anhörungen und Beratungen des Aus-schusses für Wissenschaft und Kunst sowie nach erster und zweiterLesung des Entwurfs im Plenum des Landtags konnte dieser inseiner 138. Sitzung am 5. Juli 2007 über den unverändert gebliebe-nen Entwurf entscheiden.12 Die Regierungsvorlage wurde noch inder gleichen Sitzung unverändert mit der Maßgabe verabschiedet(Art. 2), dass dieses Gesetz „am Tage nach der Verkündung inKraft“ treten sollte.13

Es sollen im Folgenden insgesamt sieben Schwerpunkte kommen-tiert werden, die für die Novellierung des hessischen Archivgesetzesdiskutiert und teilweise verwirklicht wurden: Erstens ging es um dieVerbesserung des Verfahrens bei der Archivierung elektronischerUnterlagen. Zweitens war zu überprüfen, inwieweit die Archive beider Einführung neuer Datenbanksysteme stringentere Einwirkungs-befugnisse erhalten sollten. Drittens ging es darum, dass Archivie-rungspflichten bis zu gewissen Grenzen auf Juristische Personendes Privatrechts ausgedehnt werden sollten. Viertens wurden neueRegeln aufgestellt für Nachkassationen von Originalunterlagennach Erstellung von Ersatzüberlieferungen. Fünftens sollten diefachlichen Voraussetzungen für das archivische Fachpersonalfestgelegt werden. Sechstens wurde darüber diskutiert, inwieweit imHinblick auf die für das Land in näherer Zukunft zu erwartendeInformationsfreiheitsgesetzgebung Liberalisierungen in der Benut-zung sinnvoll erschienen, und schließlich ging es in einem sieben-ten Punkt noch darum, inwieweit die Schutzfristenregelungenflexibler und „recherchefreundlicher“ an die archivische Praxisangepasst werden konnten.Von diesen Änderungswünschen konnten die ersten vier teilweiseerfüllt werden (dazu Abschnitt II), während die Letztgenannten vomFachreferat des Ministeriums nicht übernommen wurden unddeshalb nicht Gesetz wurden. Auf sie soll dennoch eingegangenwerden (Abschnitt III), um dadurch deutlich zu machen, dass hiernoch Handlungsbedarf besteht, und auch, in welche Richtung diezukünftige Entwicklung der archivischen Gesetzgebung in Hessensich entwickeln sollte. In einem abschließenden Teil (Kapitel IV)soll eine vorläufige Bilanz gezogen werden.

DIE NOVELLIERUNGEN VON 2007 IMEINZELNEN

Zweifellos stellt die Änderung des hessischen Archivgesetzes von1989 einen nicht zu übersehenden Fortschritt dar. Deshalb sollen indiesem Abschnitt diejenigen Änderungen bzw. Ergänzungen para-phrasiert und gewürdigt werden, in denen dieser Fortschritt er-kennbar wird.Es soll zunächst auf den ersten Punkt der zuvor mitgeteilten Auflis-tung eingegangen werden, nämlich auf den Problemkreis „Archi-vierung elektronischer Unterlagen“. Ausgangspunkt für die Neure-gelung waren die von der 98. ARK im März 2004 in Potsdamverabschiedeten, aber schon lange vorher von der ARK-Arbeits-gruppe „Archive und Recht“ diskutierten „Empfehlungen zuRegelungen für die Archivierung elektronischer Unterlagen inRechts- und Verwaltungsvorschriften“.14 Diese sahen neue Legalde-finitionen vor, um der rasanten Entwicklung im IT-Bereich Rech-nung zu tragen und damit zugleich zur Sicherung der Überliefe-rungsbildung angemessene Reaktionen der übernehmenden Archi-ve zu ermöglichen. Nach § 1 Abs. 2 S. 2 des Hessischen Archivge-setzes von 1989 wurden als übernehmensfähige Unterlagen „Akten

Die Überlegungen zur Novellierung des Hessischen Archivgesetzesbegannen Anfang 2001 im Zusammenhang mit Anfragen derForschungsstätten Yad Vashem in Jerusalem und Yad Vashem inWashington, als darüber diskutiert wurde, inwieweit der archivge-setzliche Datenschutz ausreicht, um Reproduktionen von Archivgutin größerem Umfang für ausländische Dokumentationszentren zurbesseren Erforschung der nationalsozialistischen Vergangenheit zuermöglichen, oder ob eine Ergänzung der Schutzbestimmungennotwendig erscheint. Die ursprüngliche Absicht des archivischenFachreferenten im hessischen Ministerium für Wissenschaft undKunst, dabei auch „das hessische Archivgesetz an anderen Stellennach zwölfjähriger Praxis anzupassen und zu aktualisieren“8,musste aus Zeitgründen wieder aufgegeben werden. Stattdessenwurde im Interesse der Forschungen zur Geschichte der Judenunter der nationalsozialistischen Herrschaft, zur nationalsozialisti-schen Judenverfolgung sowie zu deren Aufarbeitung in der Nach-kriegszeit ein neuer Paragraph 17a geschaffen, auf dessen Grundla-ge ein pragmatischer Umgang mit den einschlägigen Quellenermöglicht wurde.9

Das Vorhaben einer Generalrevision der archivgesetzlichen Normenin Hessen wurde jedoch nicht aufgegeben, sondern durch dieEinrichtung einer gemeinsamen Arbeitsgruppe des HessischenMinisteriums für Wissenschaft und Kunst und der drei Staatsarchi-ve in Darmstadt, Marburg und Wiesbaden einschließlich einesMitglieds der Archivschule Marburg weiterverfolgt.10 Die Ergebnis-se der Arbeitsgruppe unter Leitung des Verfassers dieses Beitrags,über die regelmäßig der hessischen Archivdirektorenkonferenzberichtet wurde und die zugleich mit dem hessischen Datenschutz-beauftragten abgestimmt wurden, konnten mit zwei Berichten vom28. Juni und vom 10. August 2004 dem gen. Ministerium übermit-telt werden und führten unmittelbar darauf zu einem förmlichenEntwurf für ein „Zweites Gesetz zur Änderung des HessischenArchivgesetzes“.11 Damit hätte eigentlich das Verfahren der ministe-riellen Abstimmung und das Gesetzgebungsverfahren im Landtagbeginnen können, das als Pilotprojekt in elektronischer Formdurchgeführt werden sollte. Doch dazu kam es zunächst nichtmehr.Der Personalwechsel im Fachreferat des Ministeriums hat dieWeiterverfolgung des Plans verzögert und schließlich nach erneuterÜberprüfung der Notwendigkeit von Änderungen und unterstärkerer terminologischer und inhaltlicher Orientierung am altenGesetzestext dazu geführt, dass in einem ersten Schritt zur Novel-lierung des Archivgesetzes lediglich ein kleinerer Teil der vorhande-nen Änderungsvorschläge, bei denen politische Widerstände nichtzu erwarten waren, übernommen werden konnte. Auf der Grundla-ge eines ministeriellen Diskussionspapiers vom 26. April 2006konnte in einer auf den 11. Mai 2006 in Wiesbaden angesetztenKonferenz unter Teilnahme des Fachreferats des Ministeriums undder drei hessischen Archivleiter weitgehender Konsens darüberhergestellt werden, welche Änderungen in eine geplante Gesetzes-novelle einfließen konnten und welche Vorschläge vorerst zurückge-stellt werden mussten. Ein Dissens bestand weiterhin in der Frage,inwieweit im Vorgriff auf ein früher oder später zu erwartendeshessisches Informationsfreiheitsgesetz Zugangserleichterungen fürdie Archivbenutzung in den Wortlaut des Gesetzes eingefügtwerden sollten.Erst verhältnismäßig spät, Anfang 2007, war es soweit, dass nachder ministeriellen Ressortabstimmung eine Kabinettsvorlage fixiertwerden konnte, die schließlich am 20. März als „Gesetzentwurf derLandesregierung für ein Zweites Gesetz zur Änderung des Hessi-

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

und Schriftstücke, Karten, Pläne, Plakate, Karteien, Dateien undTeile davon, Siegel, Stempel, Bild- und Tonaufzeichnungen undsonstige Informationsträger einschließlich der auf ihnen überliefer-ten oder gespeicherten Informationen“ in Art einer Legaldefinitionabschließend aufgelistet. Vorgeschlagen wurde, dass neben den indieser Aufzählung fehlenden Filmaufzeichnungen ausdrücklich alsS. 3 hinzugefügt werden sollte, dass als Unterlagen auch solche inelektronischer Form gemeint sind. Diese zusätzliche Definitionwurde für erforderlich gehalten, weil in S. 2 sinngemäß definiertwurde, dass Unterlagen an Informationsträger gebunden sind.Während die Definition auf Filme erweitert wurde, wurde dergeplante S. 3 wieder gestrichen, weil elektronische Unterlagen nachanderen Vorschriften de facto einbezogen wurden. Für die Praxismag dies ausreichen, führt aber dennoch zu Interpretationsschwie-rigkeiten und ist vor allem juristisch nicht sehr befriedigend.An anderer Stelle des Archivgesetzes wurde indes der elektroni-schen Form der Unterlagen Rechnung getragen. Bisher nicht gere-gelt war der Fall der Anbietung und Übernahme von Datenbankenoder sonstigen laufend aktualisierten Unterlagen. Die Arbeitsgrup-pe hat deshalb in Übernahme eines Vorschlags der erwähnten ARK-Empfehlungen eine Ergänzung des § 10 des HessArchivG vorge-schlagen, der sich mit der Aussonderung und Anbietung vonUnterlagen beschäftigt. In Zukunft sollten auch diejenigen elektro-nischen Unterlagen, die einer laufenden Aktualisierung unterliegen,dem zuständigen Archiv angeboten werden, und zwar in bestimm-ten, von diesem zuvor festzulegenden Zeitabständen. Damit sollteder Tatsache Rechnung getragen werden, dass die betroffenenUnterlagen streng genommen zu keinem Zeitpunkt wirklich anbie-tungsreif werden, und dass die durch aktuellere Daten jeweilsersetzten Dateien die Rekonstruktion historischer Entwicklungenunmöglich machen, wenn nicht rechtzeitig eingegriffen wird. ImWesentlichen ist diese Formulierung auch Gesetz geworden, undzwar derart, dass zwar von der vorherigen Vereinbarung von Zeit-schnitten abgesehen wurde, eine Anbietung aber nur noch „inAbsprache“ mit dem zuständigen Archiv erfolgen sollte. In derBegründung wird ausdrücklich gesagt: „Durch die Gesetzesände-rung erhalten die öffentlichen Archive die Möglichkeit, auch Daten-bankschnitte zu archivieren“15. Ob diese Flexibilisierung gegenüberdem ursprünglichen Vorschlag eine Verbesserung darstellt, wird diePraxis erweisen. Allerdings bestehen nach wie vor gewisse Zweifel,da es bei einer möglichen Absprache zwischen Behörde und Archivvielleicht schon zu spät sein kann.An diese hier knapp vorgestellten Überlegungen knüpft auch derzweite Punkt an. Eng mit dem Übergang zu einer auf elektroni-schen Unterlagen beruhenden Verwaltungspraxis hängt eineweitere Bestimmung zusammen, die ebenfalls auf der Grundlageder erwähnten ARK-Empfehlungen formuliert wurde. Schon bishergab es im Hessischen Archivgesetz – wie in vielen anderen Landes-archivgesetzen – eine Bestimmung, die den Archiven eine Beratungs-kompetenz gegenüber den Behörden zubilligte, soweit es im Hin-blick auf die spätere Archivierung um die Verwaltung und Siche-rung ihrer Unterlagen ging. Die Arbeitsgruppe hatte vorgeschlagen,zur Präzisierung der auch bisher schon bestehenden Pflicht zurBeratung verdeutlichend hinzuzufügen, dass diese auch für den Fallder Einführung von Systemen gelten solle, „die eine elektronischeVerarbeitung und Vorhaltung von Unterlagen vorsehen“. Begründetwurde die Ergänzung damit, dass die Formulierung „im Hinblickauf die spätere Archivierung“ oft dahin missverstanden wurde, dassdie Beratung sich nur auf die archivwürdigen Unterlagen im Zeit-punkt der Übernahme erstrecke. Es müsse aber sichergestellt

265

werden, dass schon die Einführung oder Abänderung elektroni-scher Systeme zur Aktenverwaltung Beratungspflichten der Archiveentstehen ließen. Zusätzlich wurde vorgeschlagen, dass die anbie-tungspflichtigen Stellen das zuständige Archiv rechtzeitig bei derEinführung neuer oder einer wesentlichen Änderung bestehenderelektronischer Systeme, die der Verarbeitung und Vorhaltung ihrerUnterlagen dienen, beteiligen müssen.Der Sache nach ist das Ministerium diesen Vorschlägen gefolgt,auch wenn sie im Endeffekt verwässert und relativiert wurde. Imendgültigen Gesetzeswortlaut (§ 7 Abs. 3 S. 2) heißt es nun, dass diebetroffenen Behörden die Staatsarchive bei der Einführung undÄnderung technischer Systeme zur Erstellung und Speicherung vonUnterlagen „beteiligen“. Als Begründung wurde angeführt: „Mitder Neuregelung soll auf eine problemlose Übernahme dieserUnterlagen durch die öffentlichen Archive hingewirkt werden“,auch um unnötige Mehrkosten zu vermeiden.Diese damit neu eingeführte förmliche Beteiligungspflicht ist alshöchst bedeutsam für die zukünftige Praxis der hessischen Archiveeinzustufen. Sie führt zwingend dazu, dass die abgabepflichtigenStellen schon zu einem frühen Zeitpunkt die Archive durch förmli-che Beteiligungsverfahren einschalten müssen. Dies bedeutetallerdings auch, dass die hessischen Staatsarchive noch mehr alsnach bisheriger Rechtslage Kompetenzen zur Beurteilung derjeweils in den Behörden angedachten Systeme zur Administrationelektronischer Unterlagen erwerben müssen. Die hessische Archiv-direktorenkonferenz hat deshalb eine Arbeitsgruppe eingerichtet,die entsprechende Analysen und Bewertungen vornehmen soll. Esmuss nun abgewartet werden, inwieweit sich diese Vorschrift in denzur Anbietung verpflichteten Behörden durchsetzen lässt undinwieweit sie sich überhaupt in der Praxis bewährt.In einen ganz anderen Regelungsbereich greift der dritte in derobigen Auflistung erwähnte Punkt ein: Eine weitere wichtigeNeuerung der hessischen Novelle besteht in einer Erweiterung deranbietungspflichtigen Stellen. Bisher war – nicht sehr viel anders alsin anderen Bundesländern – bestimmt, dass die Staatsarchive für dieUnterlagen der Verfassungsorgane, Behörden, Gerichte und sonsti-gen öffentlichen Stellen des Landes, ihrer Rechts- und Funktions-vorgänger sowie aller der Aufsicht des Landes unterstehendenJuristischen Personen des öffentlichen Rechts zuständig sein sollten.Durch eine juristische Fiktion werden nun auch – in Anlehnung aneine entsprechende Bestimmung des Niedersächsischen Archivge-setzes (§ 1 Abs. 2) – Juristische Personen des Privatrechts untergewissen Voraussetzungen einbezogen. Wie öffentliche Stellensollen nun zum einen Stiftungen des Privatrechts behandelt wer-den, wenn das Land das Stiftungsvermögen überwiegend bereitge-

8 Ministerialerlass an das Staatsarchiv Darmstadt vom 7. Mai 2001, StADarmstadt, Registratur Az. 516.

9 Gesetz zur Änderung des hessischen Archivgesetzes vom10. März 2002, Hes-sisches GVBl. 2002, I, S. 34.

10 Siehe Beschluss der 22. ADK (Konferenz der hessischen Archivdirektoren)vom 10. September 2003, durch die die Einsetzung einer neuen Arbeitsgrup-pe beschlossen wurde.

11 Wortlaut der Berichte sowie der Entwürfe nebst Begründungen und Kon-kordanzen überliefert u. a. im StA Darmstadt, Registratur Az. 121/4.

12 Hessischer Landtag,16.Wahlperiode, Drucksache Plenarprotokolle 16/127.13 Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Hessen,Teil 1, vom 19. Juli 2007,

S. 380.14 „Empfehlungen der ARK-Arbeitsgruppe ‚Archive und Recht‘ zu Regelun-

gen für die Archivierung elektronischer Unterlagen in Rechts- und Verwal-tungsvorschriften“, die auf der 98.ARK vom 22. März 2004 in Potsdam zu-stimmend zur Kenntnis genommen wurden.

15 Hessischer Landtag, 16. Wahlperiode, Drucksache 15/7063, vom 20. März2007.

266

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

ARCHIVTHEORIEUND PRAXIS

stellt hat, sowie weitere Juristische Personen des Privatrechts, wennsie nicht am wirtschaftlichen Wettbewerb teilnehmen und demLand mehr als die Hälfte der Anteile oder der Stimmen zusteht. Mitdieser Bestimmung soll der Zugriff auf archivwürdige Unterlagenstaatsnaher Einrichtungen erleichtert werden.Ergänzt wurde diese Erweiterung durch eine weitere Vorschrift,wonach auch solche privaten Rechtsträger als anbietungspflichtigeinbezogen werden, auf die Aufgaben öffentlicher Stellen übergan-gen sind, und zwar hinsichtlich der dort – und zwar im Zeitpunktvor der Privatisierung – und bei der Erfüllung öffentlicher Aufgabenentstandenen Unterlagen. Damit wurde ein Vorschlag der Arbeits-gruppe in etwas vereinfachter Form übernommen. Auf die danachentstandenen Unterlagen sollte nur nach entsprechender Vereinba-rung Zugriff genommen werden.Allerdings hat die neue Regelung keine vollkommene Klarheitgeschaffen. Denn warum wurde die Beschränkung auf eine „Erfül-lung öffentlicher Aufgaben“ eingeführt? Kann der private Rechts-nachfolger nun behaupten, es habe sich schon vor der Privatisierungum einen wirtschaftlichen Eigenbetrieb des Landes gehandelt, deröffentliche Aufgaben nicht wahrgenommen hatte? Hier hätte mansich besser auf den bestimmbaren Privatisierungsakt als Formalkri-terium beschränkt und weitere inhaltliche Kriterien vermieden.Aufs Ganze gesehen jedoch trägt die in den beiden erwähntenneuen Vorschriften zum Ausdruck kommende Erweiterung dengegenwärtigen Tendenzen der öffentlichen Verwaltung Rechnung.Durch die unter dem Druck finanzieller Notwendigkeiten zubefürchtende weitere Privatisierung zentraler öffentlicher Bereiche –man denke nur an den Ausverkauf staatlichen Grundvermögensund der damit verbundenen Aufhebung der alten Staatsbauämter –ist zu erwarten, dass der Anwendungsbereich der beiden Vorschrif-ten weiter zunehmen wird.Kurz soll hier schließlich auf einen vierten Punkt eingegangenwerden, der eine Konsequenz der zunehmenden Bildung vonErsatzüberlieferungen darstellt. Bereits § 13 Abs. 2 des HessischenArchivgesetzes von 1989 hat die ausnahmsweise nachträglicheKassation von Archivgut für den Fall vorgesehen, dass dieses für dieRechtswahrung oder auch die wissenschaftliche Forschung bedeu-tungslos geworden ist – eine zwar wichtige, aber wenig praktikableVorschrift, da nur selten der Nachweis der inzwischen erfolgten„Irrelevanz“ hätte gelingen können. Hier wird nun durch einen neuformulierten Abs. 3 der Anwendungsbereich faktisch wesentlicherweitert, wenn ein neuer Tatbestand wie folgt formuliert wird:„Ausnahmsweise, sofern es unter archivfachlichen Gesichtspunktengerechtfertigt ist, können die öffentlichen Archive die im Archivgutenthaltenen Informationen auch in anderer Form archivieren unddie Originalunterlagen vernichten“, worüber Nachweise zu führensind. Durch diese Formulierung wird nun die Verfilmung/Verfi-chung und Digitalisierung von Archivgut rechtlich abgesichert,ohne dass das Kriterium der rechtlichen oder historischen Relevanznoch bemüht werden muss. Archivfachlich bedingte Kassationenkönnen etwa den schlechten bzw. irreparablen oder nur mit großenKosten zu verbessernden Erhaltungszustand der Originalunterlagenbetreffen. Gedacht werden kann an den säurehaltigen Beschreib-stoff, wie er im 19. und 20. Jahrhundert eine Zeitlang verwendetwurde. Zwar wird auch in Zukunft der Einsatz von Entsäuerungs-maßnahmen zur Bestandserhaltung im Vordergrund stehen; dochdies ist nicht mehr zwingend geboten. In vielen Fällen wird maneine Ersatzüberlieferung schaffen und danach auf die originaleÜberlieferung verzichten können. Die Bezugnahme auf den jeweili-gen facharchivischen Diskurs verschafft der Neuregelung eine

gewisse Elastizität und einen Ermessensspielraum für die beteilig-ten Archivarinnen und Archivare; sie übernehmen hier ein hohesMaß an Verantwortung, wenn irreparabler Schaden verhindertwerden soll. Man wird in jedem Fall den Kostenfaktor mit demWert der (authentischen) historischen Dokumente in Beziehungsetzen und eine sorgfältige Abwägungsentscheidung treffen müssen.

WAS AUF DER AGENDA VERBLIEBEN IST

Wie bereits erwähnt, wurden drei weitere wichtige Novellierungs-vorschläge der Arbeitsgruppe vom Hessischen Ministerium fürWissenschaft und Kunst nicht übernommen. Dies betrifft zunächstdie Statuierung fachlicher Voraussetzungen für das archivischeFachpersonal. Die Arbeitsgruppe hatte im Rahmen der Begriffsbe-stimmungen des Gesetzes einen Absatz folgenden Wortlauts vorge-schlagen: „Öffentliche Archive bedienen sich zur Erfüllung ihrerAufgaben eines archivischen Fachpersonals. Darunter sind solchePersonen zu verstehen, die eine archivfachliche Ausbildung, einenvergleichbaren Hochschulabschluss oder eine Ergänzungsqualifika-tion durch Zertifikat nachweisen können.“ Damit sollte, vor allemim Interesse der Kommunal- und Universitätsarchive, die vomHessischen Archivgesetz erfasst werden, eine Orientierung gebotenwerden, ohne dass genaue Ausbildungsvoraussetzungen festgelegtwurden. Das Fachreferat des zuständigen Ministeriums hatte diesenVorschlag zunächst aufgegriffen, wenn auch offener formuliert,indem nur noch von einem „fachlich qualifizierten Personal“ dieRede war.Ohne Rücksprache mit den hessischen Staatsarchiven, vermutlichaus Angst vor dem Widerstand der Kommunalverbände, wurdeaber auch diese verdünnte Fassung stillschweigend gestrichen.Damit ist in Hessen vorerst der Versuch gescheitert, für die gesamteöffentliche Archivlandschaft einheitliche Qualifikationsnormenaufzustellen. Dies ist deswegen besonders schade, weil damit dieChance vergeben wurde, auch die archivische Fachausbildungaufzuwerten; archivpflegerische Aktivitäten hätten eine festerenormative Grundlage erhalten. Überhaupt hätte die Chance bestan-den, mit diesem Qualifikationskriterium das Niveau der kommu-nalen Archive ebenso wie anderer vom Archivgesetz erfassternichtstaatlicher Archive allgemein anzuheben. Der Erwerb einesfacharchivischen Zertifikats, dessen Kosten die jeweils verpflichte-ten Archivträger hätten übernehmen müssen, hätte auch die ehren-amtliche Arbeit aufgewertet und einen zusätzlichen Motivations-schub für diesbezügliche Tätigkeiten erbringen können. In späterenNovellierungsvorhaben sollte man diesen Punkt noch einmalgründlich in die Überlegungen einbeziehen.Ein weiterer Punkt muss hier angesprochen werden: Wird man denVerzicht der Statuierung fachlicher Qualifikationen angesichts derbestehenden Laufbahnvorschriften vielleicht noch verschmerzenkönnen, so ist mit dem Verzicht auf eine Liberalisierung der Archiv-benutzung die Chance vertan worden, schon jetzt eine Synchroni-sierung mit der früher oder später zu erwartenden Informationsfrei-heitsgesetzgebung zu erreichen.16

Um was geht es: Nach dem Vorbild einer von Udo Schäfer für dieHansestadt Hamburg vorgeschlagenen Regelung hatte die Arbeits-gruppe vorgeschlagen, das für die Benutzung von Archivgut bishererforderliche und glaubhaft zu machende „berechtigte Interesse“(§ 14 HessArchivG) zu streichen. Stattdessen sollte als Grundsatz

festgeschrieben werden, dass das Recht, öffentliches Archivgut zunutzen, jeder Person freistehen sollte, soweit nicht durch Rechtsvor-

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

schriften anderes bestimmt ist. Allerdings sollte der Zweck derBenutzung nach den Kategorien persönlich, amtlich, wissenschaft-lich, pädagogisch, publizistisch oder gewerblich angegeben werden,um gegebenenfalls danach Benutzungsgebühren differenziertberechnen und innerbehördlich fachliche Beratungskompetenzenzuordnen zu können. Einschränkungen der Benutzung sollten sichim Wesentlichen aus Gründen des Datenschutzes ergeben, wie sie inden Schutzfristenbestimmungen im Einzelnen geregelt waren. Inder Praxis hätte die Neuregelung zwar kaum eine Änderung bedeu-tet, da es kaum Fälle gibt, in denen das Vorliegen eines berechtigtenInteresses abgelehnt wurde.17 Dies liegt daran, dass der Kreis derBerechtigten stets recht groß gehalten wurde, und als „berechtigtesInteresse“ jedes „verständige, durch die Sachlage gerechtfertigteInteresse“ verstanden wurde.18 Es gab also zu keinem Zeitpunkteine Einschränkung auf Benutzer und Benutzerinnen mit „rechtli-chem Interesse“, die einen eigenen, rechtlich definierten Bezugs-punkt zum Forschungsgegenstand hätten nachweisen müssen.19

Dennoch wäre es ein Perspektivenwechsel im Sinne einer Beweis-lastumkehr gewesen. Denn damit hätte das Archiv Ablehnungsgrü-nde vortragen müssen. Entstanden wäre eine allgemeine Erlaubnismit Verbotsvorbehalt als ein subjektiv-öffentliches Recht auf Benut-zung des Archivguts, und zwar schon während laufender Schutzfris-ten. Konsequenterweise hätten diese nicht mehr förmlich abgekürztwerden, sondern das Archiv hätte die Datenschutzgründe und diedamit verbundenen Benutzungsbeschränkungen nachweisenmüssen.Mit der Begründung, dass der Entwurf eines Informationsfreiheits-gesetzes, den die damals rot-grüne Landesregierung vorgelegt hatte,nicht realisiert worden sei und die neue Landesregierung keines-wegs vorhabe, einen neuen Entwurf vorzulegen, hat das Fachreferatdes Ministeriums die vorgeschlagene Liberalisierung abgelehnt. Dievon dem Verfasser dieser Zeilen vorgetragenen Gegenargumentegegen die Streichung des Vorschlags wurden lediglich in einemSondervotum zur oben erwähnten Sitzungsniederschrift vom 11.Mai 200620 protokollarisch festgehalten. Eine zukünftige Gesamtno-vellierung des Hessischen Archivgesetzes wird sich diesem Problemerneut nähern müssen, zumal schon jetzt die Informationsfreiheits-rechte im Umweltbereich auf Grund der europäischen Gesetzge-bung beachtet werden müssen. Spätestens dann werden die beste-henden subjektiven Informationsrechte der Bürgerinnen und Bürgerin Hessen zu einem Problem, wenn einschlägige Akten von Um-weltbehörden in die Staatsarchive übernommen werden und dannnur noch nach Maßgabe der Schutzfristenregelung benutzt werdenkönnenEin weiterer, nicht Gesetz gewordener Regelungswunsch soll nocherwähnt werden: Auch hinsichtlich der Schutzfristenregelungensind die Reformvorschläge der Arbeitsgruppe nicht aufgegriffenworden. Drei Vorschläge gab es: Zum einen sollte die qualifizierteSchutzfrist von 30 Jahren nach dem Tod bzw. 120 Jahren nach derGeburt für personenbezogenes Archivgut, das besonderen Geheim-haltungsvorschriften unterliegt, abgeschafft werden, da es dafürkeine sinnvolle Begründung gab. Zum andern sollte im Falle, dassweder Geburts- noch Todesjahr der betroffenen Person bekanntoder nur mit größerem Aufwand festzustellen war, eine Schutzfristvon 60 Jahren nach Entstehung des Archivguts gelten. Und schließ-lich sollte auch die Möglichkeit der Schutzfristverlängerung entfal-len, da ohnehin bei bestimmten Fällen schutzwürdiger öffentlicherBelange die Benutzung eingeschränkt werden konnte.Außerdem sollte der Liberalisierung der Benutzung dadurchRechnung getragen werden, dass nicht mehr das Ministerium über

267

eine Abkürzung der Schutzfristen entschied, sondern die Staatsar-chive selbst als der Sache näher stehend Beschränkungen undBenutzungsverbote festzulegen hatten.Der Verzicht auf eine dahingehende Reform des Schutzfristenrechtswurde vom Fachreferat des zuständigen Ministeriums leider nichtweiter begründet. Lediglich hinsichtlich der Zuständigkeit desMinisteriums wurde gesagt, ein separater Delegationserlass habebereits das Notwendige geregelt. Damit wurde der datenschutz-rechtlich relevante Kernbereich des Hessischen Archivgesetzes, deraus den Erfahrungen der Praxis heraus einer Revision hätte unter-zogen werden müssen, wie bisher belassen.

GESAMTBILANZMit der Auflistung einiger Defizite und der Betonung, dass einearchivgesetzliche Reform in Hessen zwar eingeleitet, aber nochlängst nicht zu Ende geführt wurde, sollen die – insgesamt sehrunvollständigen – Reflexionen zum Stand des hessischen Archiv-rechts abgebrochen werden. Es muss trotz Allem festgehalten wer-den, dass in Hessen eine Teilreform gelungen ist, der durchaus auchSignalwirkung für andere Bundesländer zukommen kann. Unbe-friedigend ist, dass entgegen den Vorschlägen der Arbeitsgruppe dasterminologische Durcheinander, das von den Unsicherheiten in dernoch nicht gefestigten archivischen Fachsprache der siebziger undachtziger Jahre zeugt, nicht im Sinne einer vereinheitlichten Begriff-lichkeit geordnet wurde. Noch schwerer aber wiegt, dass die über-wiegende Anzahl der von der Arbeitsgruppe erarbeiteten Vorschlägevom Fachreferat des Ministeriums in vorauseilendem Gehorsamgegenüber der Ministerialspitze und unter Vermeidung möglichenpolitischen Widerstands verworfen wurden. Dies erscheint umsobedauerlicher, als die Vorschläge der Arbeitsgruppe bereits 2004vom damaligen Fachreferenten, der selbst in der Arbeitsgruppemitgearbeitet hatte, in die Form eines Referentenentwurfs gefasstund für ein elektronisches Gesetzgebungsverfahren bereitgestelltworden war, auch wenn dies verfahrenstechnisch noch kein abge-stimmter „Referentenentwurf“ im rechtlichen Sinne war. Auch derhessische Datenschutzbeauftragte hatte bereits seine Zustimmungerteilt – damals unter dem Vorbehalt einer endgültigen Stellungnah-me im Rahmen eines parlamentarischen Anhörungsverfahrens.Dennoch kann positiv vermerkt werden, dass diese Entwicklungauch ihr Gutes hat: Vorreiter zu sein, heißt immer auch, dass aufErfahrungen anderer Bundesländer noch nicht zurückgegriffenwerden kann. Das Aufschieben einer Reform hat umgekehrt denVorteil, dass gerade diese Erfahrungen noch beobachtet werden

16 Zur Informationsfreiheitsgesetzgebung und zu den bestehenden gesetzlichenVorschriften siehe: Friedrich Schoch und Michael Kloepfer, Informations-freiheitsgesetz (IFG-ProfE). Entwurf eines Informationsfreiheitsgesetzesfür die Bundesrepublik Deutschland, Berlin 2002 (= Beiträge zum Infor-mationsrecht Bd.1). Dort sind in einem Anhang die nationalen Informati-onsfreiheitsgesetze (S. 201 ff.), die europäischen Normen zum Umweltinfor-mationsrechts (S. 287 ff.) und das bisher bestehende europäische,supranationale Informationszugangsrecht (S. 319 ff.) abgedruckt.

17 Zum Archivzugangsrecht der historischen Forschung und den bestehendenSchranken siehe: Bartholomäus Manegold,Archivrecht. Die Archivierungs-pflicht öffentlicher Stellen und das Archivzugangsrecht des historischen For-schers im Licht der Forschungsfreiheitsverbürgung des Art. 5 Abs. 3 GG,Berlin 2002 (= Schriften zum Öffentlichen Recht 874), S. 65 ff. ,108 ff.; zumRecht auf Archivbenutzung ebd. S. 254 ff.

18 Manegold, Archivrecht (wie Anm. 15), S. 258.19 Siehe die Definition bei: Jan Ziekow, Verwaltungsverfahrensgesetz: Kom-

mentar, Stuttgart 2006, § 13 Rdn. 10 (S. 118).20 S. o. S. 264.

268

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

ARCHIVTHEORIEUND PRAXIS

und in neue Vorschläge eingebracht werden können. Bedachtwerden muss auch die rasante technische Entwicklung, die dengesetzgeberischen Änderungsbedarf in Zukunft weiter erhöhenwird. Die geplante Einführung eines gesamthessischen „DigitalenArchivs“, die Bestrebungen zur Umorganisierung der staatlichenArchivbereiche in ein einheitliches Landesarchiv sowie die geänder-ten Prinzipien der Überlieferungsbildung haben dazu geführt, dassauch die rechtlichen Rahmenbedingungen den neuen Verhältnissenangepasst werden müssen. Da im Übrigen bisher noch vergleichs-weise geringe Erfahrungen darüber vorliegen, wie die gravierendenÜberlieferungsprobleme der elektronisch verwalteten Gesellschaftgelöst werden können, wie eine Langzeitarchivierung vor demHintergrund der hohen Kosten und der bestehenden „Wegwerf-mentalität“ auch rechtlich abgesichert werden kann, ist es nur zubegrüßen, dass der noch nicht abgeschlossene Prozess der Normie-rung zumindest für die nächsten fünf Jahre in Hessen offen blieb.Es musste im Rahmen dieses Beitrags darauf verzichtet werden, dieEntwicklung der Archivgesetzgebung in anderen Bundesländernbzw. im Bereich des Bundes vergleichend einzubeziehen. Wie sichauf den Beratungen der ARK und auch sonst in Fachkreisen immerwieder gezeigt hat, bewegen sich die Reformvorschläge fast allent-

halben in die gleiche Richtung: Stärkere Einbeziehung der elektro-nischen Überlieferung, Erweiterung der archivischen Zuständigkeitvor dem Hintergrund der zunehmenden Privatisierung und rechtli-chen Umorganisierung öffentlicher Stellen, dauerhaftere Sicherungdes Archivguts vor dem Hintergrund des zunehmenden Zerfallsalter Unterlagen durch Bildung von besser aufzubewahrendenDigitalisaten bzw. Filmen oder Mikrofiches, Reform der archivi-schen Zugangs- und Schutzfristenregelung vor dem Hintergrundder Informationsgesetzgebung wie auch der Erfordernisse derinformationellen Selbstbestimmung, eine Weiterentwicklung derProfessionalisierung bei der Verwaltung kommunalen Archivgutsund schließlich die Überprüfung aller Vorschriften im Zeichen derorganisationsrechtlichen archivischen Strukturreformen, wie sie infast allen Bundesländern diskutiert oder realisiert werden. In jedemFall aber bleibt noch einiges zu tun, um die Archivgesetzgebung desBundes und der Bundesländer auf einen modernen Stand zubringen. Hessen hat mit seiner Novelle zum Archivgesetz einenersten Anfang gesetzt. �

J. Friedrich Battenberg, Darmstadt

PARADIGMENWECHSEL: VONPAPRITZ ZU ISAD(G) UND EADINTERNATIONALEMETADATENSTANDARDS ALS BASISARCHIVISCHERERSCHLIEßUNGSPROZESSE1

„Die Erschließung ist das Kernstück der archivarischen und biblio-thekarischen Arbeit und Grundlage für die Benutzung durch dieinteressierte Öffentlichkeit. Hier wird, bildlich gesprochen, dasgesät, was in der Benutzung geerntet wird und je gewissenhafter dieAussaat desto ertragreicher die Ernte“2, schreibt Brigitta Nimz inder Einleitung zu ihrer Dissertation. Wenn das so ist – und nie-mand wird diesen Satz sinnvollerweise bestreiten – dann steht esum das Archivwesen in der Bundesrepublik nicht gut.Erschließungsdefizite finden sich in fast allen Archiven. Es bestehtkaum Aussicht diesen Erschließungsrückstand mittel- oder langfri-stig zu bewältigen. Im Gegenteil, die Situation wird sich sogarweiter verschärfen: Große Mengen an Schriftgut drängen aktuell indie Archive und zugleich wird aufgrund der schwierigen Haushalts-lage der öffentlichen Einrichtungen die Mitarbeiterzahl reduziert.Gleichzeitig stehen die Archive einer geänderten Erwartungshal-tung der Benutzer gegenüber. Der Nutzer von heute setzt (berechtig-terweise) wie selbstverständlich voraus, Erschließungsinformatio-nen über das Internet einsehen zu können. Aus dieser Zwickmühlekommen Archive nur heraus, wenn sie den Mut haben, die vertrau-ten Arbeitsprozesse kritisch zu hinterfragen und nach neuen Wegenzu suchen.

Erschließung: Theorie und PraxisDie Erschließung von Archivgut gehört zu den traditionellenKernaufgaben der Archive: „Erschließung bedeutet im deutschspra-chigen und auch im Benelux-Raum traditionell für den Archivar,dass er zunächst ein Findbuch für einen einzelnen Archivbestandoder eine Ablieferung erstellt. Er sortiert das Archivgut – sprechenwir der Einfachheit halber von Akten, weil dies dem Alltagsgeschäftder meisten Archivare entspricht – er sortiert also die Akten grobvor. Dann verzeichnet er jede einzelne Archivalie, indem er ihr eineBestellsignatur zuweist und sie mit einer Funktions-, Inhalts- undZeitangabe versieht. Danach erstellt er zur Strukturierung desBestandes eine Klassifikation, fasst Kontextinformationen in einemeinleitenden Fließtext zusammen, erstellt eventuell auch noch einenIndex und druckt zum Abschluss das fertige Findbuch aus. Denverzeichneten Bestand ordnet er dann in einem zweiten Schritt derTektonik des ganzen Archivs ein und fügt der Beständeübersichtseines Archivs bestimmte grundlegende Informationen über denBestand zu.“3 D. h. der Arbeitsprozess setzt bei der einzelnen Aktean. Erst wenn jede einzelne Akte verzeichnet ist, werden die Kontext-informationen zum Bestand zusammengestellt und das Findbuchausgedruckt. Erst dann können dem Benutzer die Erschließungsin-formationen zum Bestand zur Verfügung gestellt werden.Soweit zur Theorie – wie aber sieht es in der Praxis aus?Stefan Benning hat die massiven Probleme bei den Erschließungs-aufgaben in den Archiven – dankenswerterweise – sehr offen formu-liert: „Eine 1988 innerhalb der Arbeitsgemeinschaft hauptamtlicherKommunalarchivare beim Städtetag Baden-Württemberg veranlaßte

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Februar 2008

Umfrage ergab, daß großenteils immense Verzeichnungsrückständenicht nur bei neueren, sondern auch noch bei historischen Bestän-den bestanden und allenfalls 30 % der Arbeitszeit auf dieErschließung der Bestände verwandt werden konnte. Dies dürftenach meinen persönlichen Erfahrungen und Umfragen im Kolle-genkreis in der Zwischenzeit kaum anders geworden sein. Ichmeine sogar, daß die genannten 30 % wesentlich zu optimistischbeurteilt sind. Man muß hier sicher mit einer hohen Schamschwellerechnen und darf die Zahlen vielleicht eher als Wunsch, denn alsWirklichkeit verstehen. Eine Aufteilung von 50-60 % für die histo-rische Bildungsarbeit, etwa 25-30 % für Benutzung und 15-20 % fürBewertung und Beständeerschließung zusammen kommt derRealität wohl in vielen Fällen wesentlich näher.“4 Stefan Benningschließt daraus: „[...] wir müssen schon aus arbeitsökonomischenGründen zu differenzierten Standards in der Erschließung kommen[...] Meines Erachtens kann die aufwendige formale und inhaltlicheErschließung nach Papritz nur noch Ausnahme und nicht mehr dieRegel sein.“5

Angesichts schrumpfender Ressourcen in öffentlichen Einrichtun-gen ist das Problem der unzureichenden Erschließung nicht überdie Ausweitung von Personal zu lösen.Stefan Benning kommt zu dem Schluss: „In Kommunalarchivenmuß die faktische Marginalisierung der Erschließung zwangsläufigzur kritischen Hinterfragung der Methoden und ihrer pragmati-schen Variierung führen. Die Verengung des Handlungsspielraumswird so zum „Elchtest“ für Methoden, die entweder zwar praktischerprobt aber nicht mehr zeitgemäß sind, oder aber praxisferneTheoriegebilde ohne Anwendungserprobung.“6

Aus der Not geborene Einzelfall- oder Teillösungen dürfen abernicht dazu veranlassen, Erschließung mehr oder weniger demZufall zu überlassen oder zur allzu pragmatischen Reduzierung vonStandards zu führen. Wolfram Werner fordert deshalb auch zuRecht: „Bemühen wir uns auch künftig, den Benutzern Fisch oderFleisch in ihren originären Formen zu servieren. ,Fast Food‘–Produkte werden differenzierteren Erwartungen und Ansprüchenunserer qualifizierten Benutzer nicht genügen. Einen ,Mac Archi-ves‘ oder einen ,Archi-Burger‘ als wohldosierte schichtenspezifi-

269

sche archivische Informationseinheit in einem ,Drive-In-Benutzer-saal‘ unseren Benutzern – unter Berücksichtigung ihrer jeweiligenQualifikation – anzubieten wäre eine Zielvorstellung, die erst nochzu entwickeln wäre. Überlassen wir das einer künftigen Nachfrageauf dem globalisierten Markt der virtuellen Realitäten.“7

Die Situation ist m. E. klar: In der Praxis lässt sich vielfach einetraditionell erprobte Erschließungsform – als Erschließung vonunten nach oben – wie sie in der Bundessrepublik von JohannesPapritz Grund gelegt und an der Archivschule Marburg gelehrtwird, in vielen Archiven so nicht mehr realisieren.8 Andererseitsaber kann eine behelfsmäßige, an keinerlei Normen und Standards

1 Der Beitrag basiert auf einer Diplomarbeit, die am Fachbereich Informati-onswissenschaft der Fachhochschule Potsdam vorgelegt wurde.

2 Nimz, Brigitta, Die Erschließung im Archiv- und Bibliothekswesen unterbesonderer Berücksichtigung elektronischer Informationsträger: ein Ver-gleich im Interesse der Professionalisierung und Harmonisierung.Texte undUntersuchungen zur Archivpflege, Bd. 14, hrsg. von Norbert Reimann,Münster 2001, S. 19.

3 Mechthild Black, Recherche via Internet, Fundus – Online Forum für Ge-schichte und ihre Quellen – 2003, S. 215 f. http://webdoc.sub.gwdg.de/edoc/p/fundus/4/black.pdf (16.03.2007).

4 Benning, Stefan, Der Stellenwert der Erschließung im Aufgabenspektrumeines Kommunalarchivs, in: Angelika Menne-Haritz (Hrsg.),Archivische Er-schließung – Methodische Aspekte einer Fachkompetenz. Beiträge des3. Archivwissenschaftlichen Kolloquiums der Archivschule Marburg. Ver-öffentlichungen der Archivschule Marburg Nr. 30, Marburg 1999, S. 168.

5 Benning, Stefan, ebd., S.174 f. Vgl. hierzu auch: Tiemann, Katharina, Kom-munalarchive und Verwaltungsreform, in: Der Archivar 58 (2005), S. 193-198.

6 Benning, Stefan, Der Stellenwert der Erschließung im Aufgabenspektrumeines Kommunalarchivs, in: Angelika Menne-Haritz (Hrsg.),Archivische Er-schließung – Methodische Aspekte einer Fachkompetenz. Beiträge des 3.Ar-chivwissenschaftlichen Kolloquiums der Archivschule Marburg.Veröffent-lichungen der Archivschule Marburg Nr. 30, Marburg 1999, S. 176.

7 Werner,Wolfram, Benutzererwartungen und strukturierte Erschließung, in:Angelika Menne-Haritz (Hrsg.), Archivische Erschließung – MethodischeAspekte einer Fachkompetenz. Beiträge des 3.Archivwissenschaftlichen Kol-loquiums der Archivschule Marburg. Veröffentlichungen der Archivschu-le Marburg Nr. 30, Marburg 1999, S. 46 f.

8 Die Erschließung nach den „Ordnungs- und Verzeichnungsgrundsätzen“der DDR ginge zwar mit dem Konzept der Stufenerschließung und der Mög-lichkeit der Gruppenverzeichnung in die richtige Richtung, würde aber aufeine nationale Insellösung ohne Integration in internationale Normenund Standards hinauslaufen. – Ein intensiveres Eingehen auf die OVG istan dieser Stelle aus Platzgründen leider nicht möglich.

270

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

ARCHIVTHEORIEUND PRAXIS

orientierte Erschließungspraxis auch nicht als Lösung des Er-schließungsproblems in den Archiven gelten.Die Frage ist damit gestellt: Wie kann eine qualitativ hochwertigeErschließung von Archivgut aussehen, die nutzerorientiert ist undzugleich den gewandelten Bedingungen in den Archiven heutegerecht wird? Welche Alternativen zur bisherigen Praxis gibt es?

Das Internet als Herausforderung für dieErschließungDie Existenz des Internets hat die Erwartungen der Benutzer inBezug auf den Zugang zu Archivinformationen verändert. Benutzerplanen Archivbesuche mit Hilfe von Internetrecherchen, um Reise-zeiten zu reduzieren und unergiebige Archivbesuche von vornhereinauszuschließen. Was Archive nicht erschlossen haben, können sieaber auch nicht präsentieren; sie geraten so aus dem Blick derBenutzer. Hartwig Walberg forderte schon 1997 auf dem 68. Deut-schen Archivtag in Ulm u. a.: „Archive müssen stärker mit Informa-tionsangeboten in die bestehenden Netze gehen und ihre Dienstebis zur Dokumentenlieferung ausweiten.“9

Zunehmend wird die Verbreitung von Erschließungsinformationenüber das Internet zu einer Herausforderung für die Archive. DasInternet bedeutet eine Öffnung über die Mauern des eigenenArchivs hinaus. Hier wird der eigentliche Umbruch in der Arbeits-weise der Archive greifbar. Eigene Erschließungsinformationentreten über elektronische Informationssysteme in den Kontext vonErschließungsinformationen anderer Institutionen. Dadurch wer-den einheitliche Datenstrukturen zunehmend wichtiger, über dieGrenzen des eigenen Landes hinaus, auf internationaler Ebene.

Metadaten als Schlüssel für das InternetFür elektronische Informationssysteme stellt sich damit die Fragenach geeigneten Erschließungs- und Retrievalmechanismen. Vorallem in diesem Zusammenhang spielen Metadaten eine wachsen-de Rolle. Die Deutsche Nationalbibliothek definiert Metadatenfolgendermaßen: „Metadaten sind (strukturierte) Daten, die eineRessource, eine Entität, ein Objekt oder andere Daten beschreiben.Sie können darüber hinaus dem Auffinden, der Verwendung sowieder Verwaltung einer Ressource, einer Entität etc. dienen.“10

Zu Beginn der 90er Jahre ist fast zeitgleich die Entwicklung vonzwei Metadatenkonzepten im internationalen Archivwesen ange-stoßen worden.Mit ISAD(G) und EAD haben wir zwei komplementäre Metadaten-standards für die Erschließung von Archivgut und die Verbreitungder Erschließungsinformationen, der eine als Verzeichnungsstan-dard, der andere als Datenstruktur. In der Verbindung miteinanderstellen sie eine ideale Kombination für die Erschließung von Ar-chivgut und darüber hinaus auch für die Verbreitung derErschließungsinformationen über das Internet dar.

ISAD(G)v2Der „ISAD(G): General International Standard Archival Descripti-on“ wurde von der „Ad Hoc Commission on Descriptive Stan-dards“ in einer ersten Fassung 1993 in Stockholm verabschiedet.11

Heute verbindlich ist die zweite überarbeitete Fassung desISAD(G)12 vom September 2000. Der ISAD(G) arbeitet mit einemKonzept mehrstufiger Erschließung von Archivgut. Entscheidenddabei ist, dass die Verzeichnung vom Allgemeinen zum Besonderenfortschreitet. Ein Archivbestand wird zunächst als Ganzes beschrie-ben. Dann kann die Erschließung einzelner Teile bis hin zur Ebenedes einzelnen Elementes herabgeführt werden. Zweck der mehrstu-

figen Verzeichnung ist die Darstellung des Kontextes und derhierarchischen Struktur eines Bestandes und seiner Teile. DieInformationen, die den Bestand als Ganzes betreffen, sind auf derEbene des Bestandes vorzunehmen, die Informationen, die nur Teilebetreffen, sind dementsprechend auf einer der nachfolgendenStufen anzugeben. Auf jeder Verzeichnungsebene können die 26Verzeichnungselemente wieder verwendet werden.

Rezeption des ISAD(G)v2 in der BundesrepublikAngelika Menne-Haritz hat im Geleitwort zur 1. Auflage der Über-setzung des „ISAD(G) - Internationale Grundsätze für die archivi-sche Verzeichnung“ geschrieben: „Er kann Anstöße geben, überneue Wege nachzudenken, sollte aber nicht dazu verführen, be-währte Methoden unreflektiert über Bord zu werfen. ... Als Normim Sinne der Verfasser kann der Text nicht auf deutsche Verhältnis-se übertragen werden. ... Sie liegen heute unverändert, wenn auchmit Ergänzungen, den meisten EDV-Verfahren, die für die Archiv-anwendung entwickelt wurden, zugrunde. Die Karteikarte vonPapritz ist zum Rohmodell vieler Datensatzstrukturen geworden.“13

Mit dieser Einleitung ist eine Diskussion um den ISAD(G) in derBundesrepublik – noch bevor sie begonnen hat – zu ihrem vorzeiti-gen Ende gekommen. Es verwundert daher kaum, dass dieserinternationale Erschließungsstandard in der Bundesrepublik bisherkeinen Widerhall gefunden hat.

Erschließungselemente nach ISAD(G) und nachPapritzDie Gegenüberstellung von ISAD(G)v2 und der Erschließung nachPapritz (Karteikarte, Arbeitsprotokoll, Findbucheinleitung) sollzeigen, ob eine Erschließung nach dem neuen internationalenStandard gegenüber der bisherigen Praxis Nachteile mit sich bringt.Die folgende tabellarische Übersicht listet alle 26 Verzeichnungsele-mente des ISAD(G)v2 mit den korrelierenden EAD-Elementen aufund stellt sie den Erschließungselementen nach Papritz gegenüber.

9 Walberg, Hartwig, Die Rolle der Archive im Netzwerk der Informationssy-steme, in: Vom Findbuch zum Internet. Erschließung von Archivgut vorneuen Herausforderungen. Referate des 68. Deutschen Archivtags, 23.-26.September 1997 in Ulm. Der Archivar, Beiband 3, hrsg. v. Nordrhein-West-fälischen Hauptstaatsarchiv, Siegburg 1998, S. 39.

10 dnb, Metadaten, www.deutschenationalbibliothek.de/standardisierung/me-tadaten/metadaten.htm (14.12.2006).

11 International Council on Archives, ISAD(G): General International Stan-dard Archival Description.Adopted by the Ad Hoc Commission on Descrip-tive Standards, Stockholm, Sweden, 21-23 January 1993 (Final ICA appro-ved version), Ottawa,1994. www.mclink.it/personal/MD1431/sito/isaargrp/isad(g)e.html (16.03.2007).

12 Vgl. im Folgenden: INTERNATIONAL COUNCIL ON ARCHIVES, CON-SEIL INTERNATIONAL DES ARCHIVES, ISAD(G):General InternationalStandard Archival Description. Second Edition. Adopted by the Commit-tee on Descriptive Standards, Stockholm, Sweden,19-22 September 1999, Ot-tawa 2000, www.ica.org/biblio/isad_g_2e.pdf (16.03.2007).

13 ISAD(G) – Internationale Grundsätze für die archivische Verzeichnung.Übersetzt und bearbeitet von Rainer Brüning und Werner Heegewaldt.Ver-öffentlichungen der Archivschule Marburg, Institut für ArchivwissenschaftNr. 23, Marburg 1994, S. 11.

14 Papritz, Johannes, Die archivische Titelaufnahme bei Sachakten.Veröffent-lichungen der Archivschule Marburg Nr. 4, Marburg, 6. erweiterte Aufl.1997,S. 96.

15 Papritz, Johannes, Die archivische Titelaufnahme bei Sachakten.Veröffent-lichungen der Archivschule Marburg Nr. 4, Marburg, 6. erweiterte Aufl.1997,S. 129-134.

16 Papritz, Johannes, Archivwissenschaft, Bd. 4., Marburg 1976, S. 261 f.

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

271

Tabelle: Verzeichnungselemente nach ISAD(G)v2 und Papritz

272

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

ARCHIVTHEORIEUND PRAXIS

ISAD(G) EAD-Elemente Papritz Karteikarte14 Papritz Arbeitsprotokoll15 und

Papritz Einleitung für das Findbuch16

3.3.3 Neuzugänge <accruals> - -

3.3.4 Ordnung u. Klassifikation <arrangement> -

1f. Schriftguttypen

1g. Ordnungszustand

3.4.1 Zugangsbestimmungen <accessrestrict> - -

3.4.2 Reproduktionsbestim- mungen

<userestrict> - -

3.4.3 Sprache/Schrift <langmaterial> und/ oder: <language>

- -

3.4.4 Physische Beschaffenheit u. technische Anforde-rungen

<phystech> - -

3.4.5 Findhilfsmittel <otherfindaid> - 2. Repertorien

3.5.1 Existenz u. Aufbe-wahrungsort der Originale

<originalsloc> - -

3.5.2 Existenz u. Aufbe-wahrungsort von Kopien

<altformavai>l - -

3.5.3 Verwandte Verzeichnungseinheiten

<relatedmaterial>

und/oder:

<relatedmaterial>

-

3c. Vor- und Nachakten, fortgeführte und nicht fortgeführte, oder versprengte Teile der Provenienz

Parallelüberlieferung

3.5.4 Veröffentlichungen <bibliography> - 3e) die Bibliographie

3.6.1 Anmerkung <odd> oder: <note>

Bemerkungen

(1. 11; 2. § 44-46) -

3.7.1 Anmerkung des Archivars <processinfo>

-

4. Die Ordnungsarbeit ___________________________

Einleitung Findbuch:

3c) Der Bearbeiterbericht

3.7.2 Verzeichnungsgrundsätze <descrules> -

4b. Grundsätzliche Entscheidungen, Kassationsgrundsätze

3.7.3 Datum oder Zeitraum der Verzeichnung

<processinfo>

<date> -

4a. Auftrag und Beginn

Tabelle: Verzeichnungselemente nach ISAD(G)v2 und Papritz

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

273

Die Übersicht zeigt, dass alle von Papritz geforderten Er-schließungselemente in ISAD(G)v2 abgebildet werden. Sie zeigtauch, dass ISAD(G)v2 acht zusätzliche Elemente zur Verfügungstellt:

- 3.1.4 Angabe der Verzeichnungsstufe- 3.3.3 Neuzugänge- 3.4.1 Zugangsbestimmungen- 3.4.2 Reproduktionsbestimmungen- 3.4.3 Sprache/Schrift- 3.4.4 Physische Beschaffenheit und technische Anforderungen- 3.5.1 Existenz und Aufbewahrungsort der Originale- 3.5.2 Existenz und Aufbewahrungsort von Kopien

ISAD(G)v2 ist also damit tatsächlich das umfassendere und diffe-renziertere Erschließungskonzept. Die Erschließung nachISAD(G)v2 bringt also nicht – wie bisweilen geargwöhnt – einenqualitativen Rückschritt, sondern eher einen Fortschritt gegenüberder bislang in der Bundesrepublik geübten Praxis.Der eigentliche Unterschied zwischen ISAD(G)v2 und Papritz liegtim Erschließungsprozess: während Papritz von der einzelnen Akteausgehend allmählich zur Beschreibung des Bestandes gelangt,erfolgt die Erschließung nach ISAD(G)v2 vom Bestand ausgehendals Stufenerschließung hin bis zum einzelnen Element. Währendalso Papritz vom „content“ zum „context“ geht, wählt ISAD(G)v2den entgegengesetzten Weg vom „context“ zum „content“. Diesaber wirkt sich auf den Arbeitsablauf aus, und darin liegt dieentscheidende Chance für die Erschließungspraxis in der Bundesre-publik.

Entwicklung von „Encoded ArchivalDescription/EAD“17

Die Erschließung nach ISAD(G)v2 lässt sich technisch elegant inder Datenstruktur von EAD abbilden. Die Entwicklung von EAD,der Encoded Archival Description, begann im Jahre 1993 als einProjekt der „University of California, Berkeley, Library“ unterLeitung von Daniel Pitti. Entwicklungsziel war ein nichtproprietä-rer Kodierungsstandard für maschinenlesbare Findmittel, der vonBibliotheken, Archiven, Museen und anderen Kulturerbeeinrichtun-gen zur Erschließung ihrer Bestände genutzt werden kann.18 DieserStandard sollte auch die Verbreitung und den Austausch vonErschließungsinformationen über das Internet ermöglichen. Alsgeeignete technische Basis wurde von den Entwicklern SGML/XML ausgewählt. Mit der hierarchischen Datenorganisation, diesich mit SGML/ XML realisieren lässt, lässt sich die hierarchischeOrganisation von Archivgut angemessen darstellen.Die EAD-DTD 1.0 wurde Ende August 1998 der Öffentlichkeitpräsentiert. 2002 wurde mit EAD 2002 eine überarbeitete Versionder EAD-DTD und der dazugehörige EAD-Tag-Library herausge-bracht. Bei dieser Revision der EAD-DTD wurde besonderer Wertauf die Kompatibilität zu ISAD(G)v2 gelegt. Ein stabiles XML-Schema von EAD 2002 wurde im Februar 2007 veröffentlicht.

EAD im europäischen KontextIm europäischen Raum ist EAD inzwischen in vielen Ländern Basisfür die Erschließung von Archivgut und die Präsentation vonErschließungsinformationen.Großbritannien hat sehr frühzeitig begonnen, EAD zu implemen-tieren und kann heute über „A2A“ (Access to Archives)19 und über„Archives Hub“20 eine große Anzahl von EAD-Findmitteln online

zugänglich machen. Frankreich hat die Übernahmen der StandardsEAD und EAC beschlossen und forciert die Nutzung in den Archiv-sparten des Landes. Spanien und Italien haben auf dieser Basisgroße regionale, nationale und internationale Archivportale aufge-baut.21 Auch in Schweden, der Schweiz und Polen spielt EAD einewichtige Rolle.22

Fazit: EAD ist im europäischen Ausland ein inzwischen weit ver-breiteter Standard, der für die Erschließung und Präsentation vonarchivischen Findmitteln genutzt wird. Durch die Schaffung vonInternetportalen, die den Zugang zu Archivgut auf regionaler,nationaler oder sogar internationaler Ebene bieten, wird der Druckstärker, EAD als gemeinsame Basis zu verwenden. Insbesondere mitBlick auf ein zukünftiges europäisches Archivportal wird dieVereinheitlichung der Standards europaweit immer wichtiger. EADwird – nach allem, was man bislang sagen kann – die Basis für einsolches Portal werden.

Rezeption von EAD in der BundesrepublikDeutschlandIm Abschlussbericht des von der DFG geförderten Projekt„Deutsch-amerikanische Fachkonzeption Online-Erschließung“kommt die Haltung der deutschen Seite zu EAD zum Ausdruck:„Im Verlauf der zwei bilateralen Treffen wurde deutlich, dassUnterschiede bei der Erschließung von Archivgut und deren Prä-sentation bestehen. Eine direkte Anwendung von EAD im Rahmenvon Erschließungsarbeiten kommt daher für die deutschen Archivenicht in Frage.“23 Diese negative Bewertung von EAD ändert sich inder Bundesrepublik erst nach der Veröffentlichung des Strategiepa-piers der DFG-Arbeitsgruppe „Informationsmanagement derArchive“. Das Papier mahnt ausdrücklich die Auseinandersetzungmit international akzeptierten Standards ISAD(G) und EAD an, umnicht den Anschluss an die internationale Entwicklung zu ver-lieren.24 Das Bundesarchiv hat diese Empfehlung aufgegriffen undim Rahmen des <daofind>-Projektes einen Editor für EAD, EAC

17 Vgl. hierzu: Development of the Encoded Archival Description DTD,www.loc.gov/ead/eaddev.html (16.03.2007).

18 Das Ziel einer spartenübergreifenden Recherche, wie sie Sabine Richter vor-schlägt, lässt sich mit Hilfe von EAD realisieren. Vgl. hierzu: Sabine Rich-ter, Vergleich der Formalkatalogisierung in Bibliotheken mit der Verzeich-nung in Archiven für ein gemeinsames Datenangebot beider Sparten, in:Der Archivar 59 (2006) S. 172-176.

19 A2A, www.a2a.org.uk (28.03.2007).20 Archives Hub, www.archiveshub.ac.uk (28.03.2007).21 Menne-Haritz,Angelika, Europäische Archivportale www.bundesarchiv.de/

imperia/md/content/abteilungen/sapmo/texte/10.pdf(22.01.2007).22 Ottoson, Per-Gunnar, National Archival Database of Sweden (NAD),

www.rlg.org/en/downloads/2005archives/ottoson.ppt (16.03.2007). Inwen-tarze archiwalne (EAD) www.agad.archiwa.gov.pl/metodyka/metodyka.html (24.03.2007); ArchNet, Naukowy Portal Archiwalny, www.archiwa.net(24.03.2007); Roth-Lochner, Barbara, Grange, Didier, Autour des normes dedescription: un partenariat entre Archives publiques et collections defonds privés (Genève/Suisse), www.ville-ge.ch/bpu/manusc/f/roth-loch-ner-2004-2.pdf(22.01.2007).

23 Schlussbericht an die DFG zum Projekt: Deutsch-Amerikanische Fach-konzeption Online-Erschließung, 27. August 2001, S. 12. www.archiv-schule.de/uploads/Forschung/daagead.pdf (26.02.2008). Diese Haltunglässt sich in Fachveröffentlichungen bis 2004 verfolgen; z. B. Brübach, Nils,Normierung, Erschliessung und die Präsentation von Erschliessungsergeb-nissen, in: VSA Arbeitstagung – 24. März 2004, Normen und Standards –zwingend, aber wie?, S. 4-7, ww.vsa-aas.org/fileadmin/ user_upload/texte/ag_form/at_2004/at_2004_brubach.pdf (22.01.2007).

24 DFG-Arbeitsgruppe Informationsmanagement der Archive, Die deutschenArchive in der Informationsgesellschaft – Standortbestimmung und Per-spektiven, Stand: 15.11.2003, S. 8, www.dfg.de/forschungsfoerderung/wissen-schaftliche_infrastruktur/lis/download/strategiepapier_archive_informa-tionsgesellschaft151103.pdf (24.03.2007).

274

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

ARCHIVTHEORIEUND PRAXIS

und METS entwickeln lassen, ohne allerdings auf den ISAD(G)v2zurückzugreifen. Dass EAD ein geeignetes Erschließungswerkzeugist, wird inzwischen auch vom Bundesarchiv anerkannt.

Modulare Erschließung nach ISAD(G)v2 mit EADDie Herausforderungen, vor denen die Archive in der Bundesrepu-blik heute stehen, sind eindeutig:

1. Aufarbeitung des Erschließungsstaus2. Verbreitung von Erschließungsinformationen über das

InternetBeide Herausforderungen lassen sich mit Hilfe einer Erschließungnach ISAD(G)v2 mit EAD einer Lösung näher bringen. Das Grund-problem in deutschen Archiven ist m. E. die Praxis derErschließung aus der „Froschperspektive“,25 wie es Nils Brübach sotreffend formuliert hat. Dies führt zunächst dazu, dass der Bestanderst vollständig auf der Aktenebene erschlossen sein muss, bevordie Erschließungsinformationen zugänglich gemacht werdenkönnen. Insbesondere für viele kleinere Archive bedeutet dies beidem vorhandenen Aufgabenmix, dass eine solche Erschließungsar-beit immer wieder unterbrochen werden muss und erst nach langerZeit fertig gestellt werden kann. Zudem wächst der Rückstauunbearbeiteter Bestände unaufhörlich weiter an. Auf diese Weisedrohen Archive zu besseren Altpapierlagern zu verkommen.Eine Abkehr von der bisherigen traditionellen Erschließungspraxisnach Papritz ist m. E. unumgänglich. Ein Paradigmenwechsel beider Erschließung von Archivgut ist dringend geboten – weg vonPapritz, hin zu internationalen Metadatenstandards!Die Chance der internationalen Standards liegt in der„Erschließung vom Allgemeinen zum Besonderen“. Durch dieErschließung aus der „Vogelperspektive“ kann zunächst einfach derBestand als Einheit beschrieben werden. Mit dieser Grunder-schließung ist es möglich, diesen Bestand Nutzern sehr viel früherzur Verfügung zu stellen, als dies nach papritzscher Methodemöglich wäre. Weiter können Erschließungsprozesse modularorganisiert werden. Auf den einzelnen Bestand bezogen kann dasheißen:Die erste Erschließungsebene ist die Ebene des Bestandes. EineBestandsbeschreibung nach ISAD(G)v2 mit seinen 26 Elementenkann als Grunderschließung des Bestandes26 ausreichend sein,wenn die Rahmenbedingungen nicht mehr zulassen.Diese Vorgehensweise hat folgende Vorteile:

1. Die Grunderschließung auf Bestandsebene ist auch ineinem begrenzten Zeitraum qualitativ hochwertig mög-lich.

2. Der so erschlossene Bestand kann dem Nutzer zeitnahzur Verfügung gestellt werden.

Bei einem entsprechenden Wert des Bestandes und ausreichendenRessourcen kann der Bestand im Anschluss an dieGrunderschließung jederzeit differenzierter weiter bearbeitetwerden, bis auf die Akten- und ggf. auf die Elementebene hinab.Jeder Erschließungsschritt ist dabei als eine Ergänzung und Diffe-renzierung der Grunderschließung auf Bestandsebene zu betrach-ten und kann dieser sofort beigefügt werden. Durch die fortschrei-tende Ausdifferenzierung der Erschließungsinformationen ist auchjedes neu erschlossene Teil eingebunden in den Kontext des Bestan-des und steht nicht isoliert im Raum. Die einfache Erstellung vononline-fähigen HTML-Dateien ermöglicht es, jede noch so kleineErgänzung der Erschließung dem Nutzer zeitnah im Internet zurVerfügung zu stellen, d. h. es wird bedarfsgerecht und benutzer-freundlich erschlossen.

So lässt sich z. B. folgende hierarchisch gestufte Prioritätenliste fürdas Erschließungsmanagement eines Archivs aufstellen:

1. Erschließung aller Bestände auf Bestandsebene<archdesc>

2. Die größeren Bestände werden auf der Ebene <c01>erschlossen

3. Intensiv genutzte Bestände werden tiefer erschlossen, ggf.bis auf Aktenebene

4. Kleine und weniger stark genutzte Bestände werden tiefererschlossen

Durch die modulare Erschließung besteht die Chance, Bestände ausden unerschlossenen Tiefen der Archive an das Licht der Öffentlich-keit, sprich den Benutzer zu bringen. Von Eric Ketelaar stammt derSatz: „Aber von allen ist die Benutzung am wichtigsten. Benutzungist die ,raison d' être‘ von Entstehung, Kassation und Bewahrungvon Dokumenten und Archiven. Die Erstellung und Bewahrungvon Dokumenten ist sinnlos, ja Unsinn, wenn die Dokumente inder Zukunft nicht benutzt werden. Benutzt von den Dokumenten-bildnern, oder jemand im sozialen, kulturellen, politischen undrechtlichen Umfeld.“27

Durch den Einsatz von EAD kann auch der zweiten Herausforde-rung, der „Verbreitung von Erschließungsinformationen über dasInternet“ begegnet werden. Die einheitliche Datenstruktur verein-facht eine archivübergreifende Recherche für den Nutzer. WelcheVorteile diese einheitliche Datenstruktur mit sich bringt, sieht mansehr deutlich an den Ländern, in denen große Archivportale mitEAD bereits realisiert wurden, wie z. B. in Großbritannien, Frank-reich, Italien oder Spanien.Im Folgenden kann nur skizziert werden, wie diese Überlegungenkonkret in die Praxis umgesetzt werden können.

Projekt: Erschließung nach ISAD(G)v2 mit Hilfe vonEAD 2002Die in der Bundesrepublik vorhandene Archivsoftware greifthauptsächlich auf das Erschließungskonzept von Papritz zurück.Daher stellt sich die Frage, wie ein solches Konzept nach ISAD(G)v2und EAD 2002 nun im Archivalltag umgesetzt werden kann?Für die Erschließung nach ISAD(G)v2 und EAD wurde imBistumsarchiv Fulda ein Konzept erarbeitet. Es stützt sich aufVeröffentlichungen und Hilfsmittel aus den USA, Großbritannienund Frankreich, wo man bereits seit längerem erfolgreich mit denMetadaten-Schemata arbeitet. Um eine streng an ISAD(G)v2 undEAD orientierte Erschließung zu realisieren, wurde auf das „Cook-book“ von Michael Fox28 zurückgegriffen. Als Editor ist „NoteTab“29 verwendet worden. Note Tab ist ein normaler Editor, eigent-lich kein XML-Editor, der sich aber durch leichte Programmierbar-keit und hohe Stabilität auszeichnet. Daher wird er in den USAvielfach für die Erstellung von EAD-Dateien verwendet.Um die Vorlagen aus dem „Cookbook“ an den ISAD(G)v2 und diedeutsche Sprache anzupassen, sind zwei Templates, ein Clipbookund zwei XSL-Stylesheets für „Note Tab“ modifiziert worden.Damit ist es möglich, EAD-Dateien nach ISAD(G)v2 zu erstellen(vgl. Tabelle: Verzeichnungselemente…, S. 6) und mit Hilfe der XSL-Stylesheets ein- oder zweispaltige Online-Findbücher zu generieren.Aus der einspaltigen Version lassen sich auch problemlos gedruckteFassungen erstellen.Als maßgebliche Richtlinie wurden die „Best Practice Guidelines“der RLG (Research Libraries Group) berücksichtigt.30 Ziel dieser

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

Richtlinien für die Kodierung von EAD ist eine möglichst einheitli-che Nutzung von EAD-Elementen, um den Austausch und dieZusammenführung einer Vielzahl von Findmitteln verschiedenerInstitutionen in einem gemeinsamen Portal zu ermöglichen.Die Nutzung von EAD führt auch zur Unabhängigkeit von speziel-len Softwareprodukten. Als XML-basierter offener Standard kannEAD mit einer Vielzahl unterschiedlicher Werkzeuge – angefangenbeim einfachen Texteditor bis hin zu komplexen XML-Editoren –erstellt und weiterverarbeitet werden. Für die Umwandlung inHTML-Formate stehen unterschiedliche Werkzeuge zur Verfügungund auch für das Retrieval von Informationen gibt es freie Program-me, die jeder einsetzen kann. Die zunehmende internationaleNutzung von EAD hat offensichtlich auch die Entwicklung vonspezieller Software für EAD beflügelt,31 die zudem frei verfügbar ist.

EAD 2002 mit ISAD(G)v2 - Ergebnisse und AusblickDas gängige Erschließungsverfahren in deutschen Archiven, dassich an Johannes Papritz orientiert und sich in den Archivdaten-banken widerspiegelt, ist in eine Sackgasse geraten. Viele Archivesind nicht mehr in der Lage, ihre Erschließungsaufgaben im eigent-lich gewollten Umfang zu realisieren. Als Alternative dazu kommtnur eine Erschließungsform in Frage, die nicht vom einzelnenElement, sondern vom ganzen Bestand ihren Ausgang nimmt undorientiert an den Möglichkeiten des Archivs Erschließung von obennach unten als Stufenerschließung betreibt. ISAD(G)v2 und EAD2002 gehen als international anerkannte Standards von diesenVoraussetzungen aus.Die Erschließung nach ISAD(G)v2 und EAD 2002 kommt einemParadigmenwechsel gleich, es bedeutet die Abkehr von gewohntenArbeitsverfahren, wie sie von Papritz her üblich geworden sind. Daskann in der momentanen Situation der Archive aber eher alsBefreiung denn als Hindernis betrachtet werden. Dieser Paradig-menwechsel löst das Problem, dass Bestände erst vollständig – Aktefür Akte – erschlossen sein müssen, bevor ein Findbuch erstelltwerden kann. Die Grunderschließung auf Bestandsebene bietet dieChance, alle Bestände eines Archivs der Öffentlichkeit zugänglich zumachen. Bei einer Erschließung von der Bestandsebene herab zur

275

Aktenebene kann das Konzept modularer Erschließung umgesetztwerden, das dem Archivar erlaubt, flexibel nach seinen Ressourcenund Prioritäten Erschließung zu betreiben.Mit der Nutzung von EAD sind zugleich alle Voraussetzungen fürdie Präsentation der Erschließungsinformationen über das Interneterfüllt. Aus einer EAD-Datei ein Online-Findbuch zu erstellen,kostet drei Mouse-Klicks. Die Verbreitung von Erschließungsinfor-mationen über das Internet fällt dem Archivar also gewissermaßenals reife Frucht in den Schoß.Die Feststellung der DFG-Arbeitsgruppe „Informationsmanage-ment der Archive“ von 2003: „Eine bundesweite intensive Diskussi-on hat bislang zu keinem der beiden Standards [ISAD(G) undEAD; d. Verf.] stattgefunden…“,32 ist leider immer noch aktuell. Eswird höchste Zeit, dass wir uns mit den Chancen, die in deninternationalen Standards für unsere Erschließungsproblemeliegen, auseinandersetzen. �

Edgar Kutzner, Fulda

25 Brübach, Nils, Normierung, Erschliessung und die Präsentation von Er-schliessungsergebnissen, in: VSA Arbeitstagung – 24. März 2004, Normenund Standards – zwingend, aber wie?, S. 2/7, www.vsa-aas.org/ fileadmin/user_upload/texte/ag_form/at_2004/at_2004_brubach.pdf (22.01.2007).

26 Bärbel Förster, Das Erschließungskonzept des Schweizerischen Bundesar-chivs. Vom Findmittel zum Findsystem, in: Vom Findbuch zum Internet.Erschließung von Archivgut vor neuen Herausforderungen. Referate des 68.Deutschen Archivtags 1997 in Ulm, Siegburg 1998, S. 86. Im SchweizerischenBundesarchiv werden Bestände bis 2,5 Regalmetern grundsätzlich nur aufBestandsebene erschlossen.

27 Eric Ketelaar, Bildung der Archive und Ausbildung der Archivare: neue Iden-titäten, in: Archivpflege in Westfalen und Lippe 51 (1999), S. 43.

28 Fox, Michael J., EAD Cookbook (EAD Version 2002), www.archivists.org/saagroups/ead/ead2002cookbook.html (27.03.2007).

29 www.notetab.com.30 RLG EAD Advisory Group, RLG Best Practice Guidelines for EAD, August

2002, www.rlg.org/en/pdfs/bpg.pdf (26.10.2006).31 Pleade, www.pleade.org (01.03.2007); Archon – The Simple Archival Infor-

mation System, www.archon.org (01.03.2007); Archivists' Toolkit, http://ar-chiviststoolkit.org (01.03.2007); EAD XForms Tool, www.archivists.org/saagroups/ ead/tools.html#EADXFormsTool (01.03.2007); MEX-Editoren,www.bundesarchiv.de/daofind (01.03.2007).

32 DFG-Arbeitsgruppe Informationsmanagement der Archive, Die deutschenArchive in der Informationsgesellschaft – Standortbestimmung und Per-spektiven, Stand: (15.11.2003), S. 8, www.dfg.de/forschungsfoerderung/wis-senschaftliche_infrastruktur/lis/download/strategiepapier_archive_infor-mationsgesellschaft151103.pdf (24.03.2007).

ÜBERLIEFERUNGSBILDUNGBEI PERSONENBEZOGENENUNTERLAGENARBEITSAUFTRAG UND ZIELE

Personenbezogene Akten stellen die Archive seit einigen Jahrzehn-ten vor verschiedene Herausforderungen. Wie kann aus diesenmassenhaft anfallenden Unterlagen eine für künftige Benutzersinnvolle Auswahl getroffen werden? In der baden-württembergi-schen Archivverwaltung sind seit den 1990er Jahren zur qualitativenVerbesserung der Überlieferungsbildung Bewertungsmodelle

entwickelt worden, welche die Abwicklung des Bewertungsgeschäftsfür Behörden und Archive vereinfachen.1 Mit dem DOT-Modellwurde vor über zehn Jahren auf das Problem der massenhaften1 Erstes Modell dieser Art: „Vertikale und horizontale Bewertung der Un-

terlagen der Wasserwirtschaftsverwaltung in Baden-Württemberg“, 1997;dieses und weitere Bewertungsmodelle u. a. für die Forstverwaltung, die In-nenverwaltung, die Polizei, die Straßenbauverwaltung, die Vermessungsver-waltung, und die Arbeitsverwaltung (bundesweites Modell) unter landes-archiv-bw. → Behördenbetreuung → Historischer Wert (31.12.2007).

276

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

ARCHIVTHEORIEUND PRAXIS

Personalakten eine erste Antwort gegeben.2 Dieses Modell ist in derPraxis vielfach auf personenbezogene Unterlagen oder Unterlagen,die in Registraturen nach Personenbetreffen organisiert waren,übertragen worden.Aktuell sind im Bereich der Überlieferungsbildung grundsätzlichzwei Herausforderungen festzustellen, die Handlungsbedarf signali-sieren.

1. Seit der Anwendung der Bewertungsmodelle ist eineVielzahl von Übernahmen erfolgt, deren Umfang imVerhältnis zur gesicherten Information zu groß erscheint.Hier steht eine Evaluierung an, inwieweit die angestreb-ten Ziele erreicht wurden.

2. In den letzten Jahren ist in den Behörden zudem einmarkanter Wandel festzustellen, da ein zunehmendgrößer werdender Teil der für die Aufgabenerledigungnötigen Daten elektronisch verwaltet und vorgehaltenwird. Das gilt vor allem für massenhaft anfallendegleichförmige Einzelfallverfahren. Es ist zu überlegen,wie diese digitalen Unterlagen in die bestehenden Bewer-tungs- und Übernahmeverfahren eingefügt werdenkönnen.3

Die im Landesarchiv Baden-Württemberg regelmäßig tagendeArbeitsgruppe Überlieferungsbildung (AGÜ) hat sich 2006 diesenbeiden Fragen gestellt und für eine Evaluierung der Bewertungsmo-delle die Analyse der Übernahmen von personenbezogenen Mas-senakten als vordringlich angesehen. Ins Zentrum gerückt wurdedabei das „DOT“-Modell mit dessen Ableitungen, das seit 1991 stetsfür die Bewertung personenbezogener massenhafter Einzelfälleangewandt worden ist.4

Erste Ansatzpunkte für die Evaluierung waren folgende Punkte:5

– In vielen Fällen wurden die übernommen Mengen als zu um-fangreich eingeschätzt (z. B. Einkommensteuerakten).

– Das „DOT“-Modell wurde in Ermangelung anderer Auswahlver-fahren auch bei Sachakten eingesetzt, die nach Personennamenorganisiert waren (z. B. Versicherungsfälle von Großbränden).6

– Die Möglichkeiten der Auswertung von Buchstabenauswahlendurch die Forschung wird heute niedriger eingeschätzt als zuZeiten der Entwicklung des Modells; insbesondere die Repräsen-tativität ist nach neuesten Veröffentlichungen in Frage zu stellen.7

– Auf diesem Hintergrund waren neue Bewertungsansätze zurÜberlieferung personenbezogener Unterlagen einzubeziehen.8

– Inzwischen sind viele Unterlagen schon elektronisch verfügbaroder werden demnächst vorliegen. Neue Möglichkeiten vonBewertung und Übernahme personenbezogener Daten, die in derelektronischen Verwaltung dieser Daten begründet liegen, warenzu berücksichtigen.

Im Zentrum der hier vorgestellten Lösungsansätze steht die Fragenach dem Interesse des Nutzers.9 Bei vielen Auswahlverfahrenwurden bisher bestimmte Nutzerinteressen unausgesprochenvorausgesetzt oder beide Ansätze miteinander vermengt. Beispiels-weise wurde die Frage einer statistischen Auswahl bei der Bewer-tung mit der späteren statistischen Auswertung bei der Benutzunggleichgesetzt. Diese beiden Sichtweisen – Auswahlverfahren undNutzungsinteresse – haben wir bei dem vorliegenden Verfahrensvor-schlag konsequent getrennt.Vorrangiges Ziel wurde es, diese Nutzungsinteressen zu formulierenund dadurch eine Qualitätssteigerung der Überlieferung zu errei-chen. Dafür waren Werkzeuge zu entwickeln, mit denen die Über-nahme konventioneller Unterlagen durch Verdichtung reduziert

und der Blick auch auf digitale Unterlagen ausgeweitet werdenkann.Vorgelegt wird von der Arbeitsgruppe10 nun ein Entscheidungsver-fahren, in dem durch eine priorisierte Reihenfolge von Schritteneine umfassende inhaltliche Bewertung von personenbezogenenMassenakten ermöglicht wird. Diese Ergebnisse sind dann vor einerendgültigen Bewertungsentscheidung mit dem Aufwand undeventuell notwendigen Bestandserhaltungsmaßnahmen abzuglei-chen. Damit wird eine mengenmäßig reduzierte, aber qualitativhochwertige Überlieferung erreicht.

BEGRIFFLICHKEITEN UNDBEZUGSRAHMEN

Das Benutzerinteresse an bestimmten Informationen ist in der Regelnicht an einen bestimmten Unterlagentyp gebunden. Für dieübergroße Mehrheit der Benutzer ist es unerheblich, ob sie ihreInformationen einer Akte, einer Karteikarte oder einem Amtsbuchentnehmen.11 Eine größere Rolle spielt dagegen, wieviel Zeit undMühen bis zur Gewinnung dieser Information aufzuwenden ist.Der Informationsgehalt und der bei der Benutzung entstehendeAufwand sollten daher bei der Bewertung berücksichtigt werden.Personenbezogene Informationen finden sich in den Behördennicht mehr ausschließlich in Akten, Karteikarten oder Amts-büchern. Sie haben in den letzten Jahren zunehmend in elektroni-schen Systemen Eingang gefunden. Natürlich sollten diese Informa-tionen authentisch und glaubwürdig sein. Es ist aber unwesentlich,ob die Informationen in den Behörden als Primärdaten gehaltenwurden (z. B. in einem Personaldatenverwaltungssystem), ob siedort die Funktion von Metadaten hatten oder ob sie zum Zeitpunktihrer Entstehung als rechtsverbindlich angesehen wurden. DieArbeitsgruppe hat daher ihren Blick von den klassischen Papierak-ten auf sämtliche personenbezogene Unterlagen ausgeweitet.Die Orientierung an Benutzerinteressen ermöglicht es, konventio-nelle und digitale Unterlagen gemeinsam zu bewerten. Fragestellun-gen künftiger Benutzer vorab zu kennen, ist kaum möglich. Relativkonstant erscheinen aber die Formen, in denen sich die Fragestel-lungen der Benutzer entfalten. Ein Familienforscher erwartetInformationen über seine Vorfahren. Ihm ist mit einer Übernahmealler Akten zu Nachnamen, die mit D, O oder T beginnen, zumeistnicht gedient. Ein Sozialhistoriker will dagegen möglichst umfang-reiche Informationen zu einer Person einsehen. Auf welche Personsich diese ausführlichen Informationen beziehen, ist für ihnzweitrangig. Die erarbeiteten, unten genannten fünf Benutzungszie-le ermöglichen es, diese spezifischen Benutzerinteressen schon beider Bewertung getrennt zu berücksichtigen. Sie bieten dadurchzugleich eine konkrete Basis für den unmittelbaren Abgleich zwi-schen den unterschiedlichen Unterlagentypen.

ANWENDUNG

Die vorliegende Aufstellung der Ziele stellt mit den Punkten 1 bis 6ein systematisches Entscheidungsverfahren dar, das in der vorgege-benen Reihenfolge abzuarbeiten ist. Bei jedem Punkt ist zu fragen,ob für dieses Ziel künftige Benutzungswünsche angenommenwerden können. Nur im positiven Fall sollte eine entsprechendeÜberlieferung gebildet werden. Die Berücksichtigung eines Zielsmacht zudem vielfach eine Auswahl nach weiteren Zielen überflüs-sig. Das gilt stets für das Ziel „Evidenz (Dokumentation von Behör-denhandeln)“ (5), sofern aufgrund eines der Ziele 1 bis 4 Unterla-

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

gen übernommen werden. Damit wird die Überlieferung reduziertund verdichtet. Die Orientierung an den Nutzerinteressen bewirktdabei eine Qualitätssteigerung: Qualität vor Quantität.Für jedes anzustrebende Benutzungsziel ist das geeignete Verfahrenzu ermitteln. Dabei ist zuerst zu prüfen, ob das Ziel besser durcheine elektronische Überlieferungsform oder eine analoge Überliefe-rung erreicht werden kann. Ergebnis wird ein den jeweiligenAnforderungen angepasstes differenziertes Vorgehen sein. Die fürRegistratur und Archivverwaltung einfach zu handhabenden Buch-stabenmodelle, sollten nur noch in den Fällen Anwendung finden,in denen sie fachlich vertretbar sind. Die Einfachheit eines Verfah-rens allein rechtfertigt keine mengenmäßig unvertretbaren und auflange Sicht dauerhaft kostentreibenden Übernahmen.In Baden-Württemberg wird das Zielschema zuerst an den entspre-chenden Stellen in die bewährten Bewertungsmodelle12 eingearbei-tet. Ziel ist es, diese Novellierung rasch umzusetzen und die Ergeb-nisse künftig zu evaluieren.

BENUTZUNGSZIELEBisher eingesetzte und neue Bewertungsverfahren und Methodenwerden in der vorliegenden Übersicht speziellen Benutzungsmög-lichkeiten zugeordnet.

1. Ziel: Grundsicherung aus der Gesamtheit

1. Erreichbar durch: Auswahl von Kerndaten allerAkten/Datensätze

2. vorrangiges Benutzungsinteresse: Kerndaten zu jedemEinzelfall

Beispiel:elektronisch: Datenbankauszug: Zu allen Personen isteine begrenzte Anzahl von Feldern13 zu übernehmen.analog: Karteien, Register (Index-)Bände, Sammelakten,Personalbögen

277

2 Kurt Hochstuhl: Bewertung von Personalakten. Das baden-württembergi-sche Modell, in: Historische Überlieferung aus Verwaltungsunterlagen. ZurPraxis der archivischen Bewertung in Baden-Württemberg, hrsg. vonRobert Kretzschmar (Werkhefte der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg A 7). Stuttgart 1997, S. 227-234.

3 Das Landesarchiv Baden-Württemberg in der digitalen Welt. Strategie fürdie Integration von analogem und digitalem Archivgut, die Digitalisierungvon Archivgut und die Erhaltung digitalen Archivguts, in: Archivar (61)2008. S. 14 ff.

4 Erstmals kodifiziert in: Verfügung der Landesarchivdirektion Baden-Würt-temberg über die Archivierung vom Personalakten vom 28.August 1991; Ab-druck in: Hochstuhl (wie Anm. 2), S. 233 f.; die Auswahl nach „DOT“ wur-de auf andere personenbezogene Bestände schon in den 1990er Jahrenangewandt. Sofern zu große Fallzahlen zu erwarten waren, wurde die Buch-stabenauswahl reduziert: Bei internen landesweiten Modellen wurde fürdie Übernahme von personenbezogenen Einzelfallakten der Versorgungs-verwaltung „OT“, bei Steuerakten „T“ gewählt.

5 Zur aktuellen Diskussion der Buchstabenauswahlen vgl. die Protokolle desAK Archivische Bewertung des VdA (wie Anm. 9).

6 Dies ist eine Form eines „Samples der Hilflosigkeit“, vgl. Robert Kretz-schmar: Aussonderung und Bewertung von sogenannten Massenakten. Er-fahrungen der staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg, in: Hi-storische Überlieferung aus Verwaltungsunterlagen. Zur Praxis derarchivischen Bewertung in Baden-Württemberg hrsg. von Robert Kretz-schmar (Werkhefte der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württem-berg A 7), Stuttgart 1997. S. 103-118, hier S. 111.

7 Matthias Buchholz, Überlieferungsbildung bei massenhaft gleichförmigenEinzelfallakten im Spannungsverhältnis von Bewertungsdiskussion, Reprä-sentativität und Nutzungsperspektive. Eine Fallstudie am Beispiel von So-zialhilfeakten der oberbergischen Gemeinde Lindlar (Archivhefte 35), Köln2001, S. 15-95.

8 Clemens Rehm und Jürgen Treffeisen, Perspektiven der Personalaktenbe-wertung – Zwischen Samplebildung und Totalüberlieferung. Erfahrungenaus Baden-Württemberg, in: Archivischer Umgang mit Personalakten. Er-gebnisse eines spartenübergreifenden Fachgesprächs im Westfälischen Ar-chivamt, Redaktion: Katharina Tiemann (Texte und Untersuchungen zurArchivpflege 16), Münster 2004, S. 34-49.

9 OAIS-Referenzmodell, Blue-Book, CCSDS 650.0-B-1, Januar 2002, ISO14721, abrufbar unter http://public.ccsds.org/publications/archive/650x0b1.pdf; in der deutschen archivwissenschaftlichen Diskussion ist dieOrientierung an Nutzungsinteressen in den letzten Jahren langsam in dieDiskussion eingesickert.Verwiesen sei auf Norbert Reimann, Anforderun-gen an die archivische Bewertung von Öffentlichkeit und Verwaltung, in:Bilanz und Perspektiven archivischer Bewertung, hrsg. von Andrea Wett-mann (Veröffentlichungen der Archivschule Marburg 21) Marburg 1994, S.181-191; Robert Kretzschmar,Archivische Bewertung und Öffentlichkeit. EinPlädoyer für mehr Transparenz bei der Überlieferungsbildung, in: Archiveund Öffentlichkeit, hrsg. von Herwig John und Konrad Krimm, (Werkhef-te der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg A 9) Stuttgart1997, S.145-156; Clemens Rehm, Kundenorientierung – Modewort oder We-sensmerkmal der Archive? Zu Transparenz und Partizipation bei der archi-vischen Überlieferungsbildung, in: Zwischen Anspruch und Wirklichkeit.Das Dienstleistungsunternehmen Archiv auf dem Prüfstand der Benutzer-orientierung, hrsg. von Hans Schadek, Stuttgart 2002. S. 17-27; ChristianKeitel, Erweiterte Zeichenverwaltung. Elektronische Archivierung im Lan-desarchiv Baden-Württemberg, abrufbar unter www.landesarchiv-bw.de→ Fachinformationen → Elektronische Unterlagen → Publikationen, v. a. S.4-8; Hermann Rumschöttel, „Das kulturelle Gedächtnis und das Archiv“oder „Das Archiv – ein wach zu küssendes Dornröschen“, in: KulturellesGedächtnis im 21. Jahrhundert, hrsg. von Thomas Dreier u. Ellen Euler, Kar-lsruhe 2005, S. 162-172, hier S. 169 f.; in den „Positionen des ArbeitskreisesArchivische Bewertung im VdA – Verband deutscher Archivarinnen und Ar-chivare – zur archivischen Überlieferungsbildung“ (15. Oktober 2004), greif-bar unter vda.archiv.net →Arbeitskreise→AK Bewertung (31.12.2007) heißtes zu den Grundsätzen der Bewertung unter Abschnitt I.10: „Zu prüfen istauch jeweils eine mögliche Beteiligung von Vertretern der Forschung bzw.von Nutzerkreisen.“

10 Unter Leitung von Clemens Rehm gehörten der AG Albrecht Ernst, Chri-stian Keitel, Elke Koch und Jürgen Treffeisen an. Das vorliegende Papier wur-de mit den Kolleginnen und Kollegen des Landesarchivs Baden-Württem-berg auf den regelmäßigen Sitzungen der Arbeitsgruppe Überlieferungs-bildung besprochen.

11 Unterlagenspezifische Untersuchungen können durch das Benutzungszielder Evidenz (Dokumentation von Behördenhandeln) angesprochen und ab-gedeckt werden.

12 Vgl. Anm. 1.13 Mit jedem übernommenen Feld steigt der Aufwand; die Anzahl der Felder

ist daher zu begrenzen.

Verfahren– digital: Datenbank, gegebenenfalls Feldauswahl– analog: Registerformen, aggregierte Daten

Beispiel:Akten von berühmten und bedeutenden Sportlern, Künstlernund Politikern; Akten bedeutender Funktionsträger; Aktenvon Straftätern, deren Verfahren aufgrund ihrer Person, desSachverhalts oder der Region besonderes öffentliches Interes-se geweckt hat.

5. Ziel: Evidenz (Dokumentation von Behördenhandeln)

Ist nur zu erwägen, wenn keine Übernahmen mit den Zielen 1-4stattfinden soll.

1. Erreichbar durch: Dokumentation von Behördenhandeln2. vorrangiges Benutzungsinteresse: Einzelfall für tiefe Analyse

der Verwaltungs- und der Zeitgeschichte

Beispiel im Modell „Innere Verwaltung“: zentrale Bußgeld-stelle Bretten

6. Ergebnis falls 1-5 negativ: Komplettkassation ��

Albrecht Ernst, Christian Keitel, Elke Koch, Clemens Rehm, Jürgen Treffeisen, Stuttgart u. a.

3. Ziel: durchschnittliche (typische) Einzelfälle

1. Erreichbar durch: geringe Auswahl kompletter Einzelfälle, Auswahl nach zeittypischen, sachbezogenen oder regionalen Kriterien

2. vorrangiges Benutzungsinteresse: Einzelfall für tiefe Analyse

278

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

ARCHIVTHEORIE UND PRAXIS

2. Ziel: Statistisch auswertbare Teilmenge

1. Erreichbar durch: Datenbankauszug oder DOT, Jahrgänge, Quoten, Zufallsauswahl

2. vorrangiges Benutzungsinteresse: statistische Auswertung

Beispiel:elektronisch: Datenbankauszuganalog: massenhaft gleichförmige Einzelfallakten; Buchstaben-auswahl und Jahrgänge v. a. bei personenbezogenen Betreffen wie Steuerakten „T“, Versorgungsfälle „OT“, bei Sachbetref-fen (Schadensfälle, ...) v. a. Quoten

Verfahren- digital: nur bei vollständigen elektronischen Akten

(dann Bewertungsverfahren wie analog)- analog:

Fall A) inhaltliche Auswahl (Verfahren wie bei Ziel 4)Fall B) mechanische Auswahl (Verfahren wie bei Ziel 2:Buchstaben, Jahrgang, Quote)Sofern schon eine Auswahl vollständiger Akten nach Ziel 2 erfolgt ist, werden keine weiteren Unterlagen benötigt, um das Ziel 3 Fall B) zu erreichen.

4. Ziel: Herausragende Einzelfälle

1. Erreichbar durch: Auswahl von besonderen Fällen, z. B. VIPs, berühmte und berüchtigte Personen, Pressefälle, auffällig dicke Akten

2. vorrangiges Benutzungsinteresse: Einzelfall für tiefe Analyse

Verfahren- digital: digitaler Systemaufbau (Regeln für den Verwaltungs-

ablauf und Beschreibung technischer Möglichkeiten), Screen-shots, Handbücher

- analog: Einzelakten in geringster Auswahl

Verfahren- digital: Datenbank (vorzugsweise nummerisch, normierte

Begriffe)- analog: Übernahme nur, wenn keine digitalen Daten

möglich oder durch analoge Unterlagen ein qualitativer Mehrgewinn an Information möglich:

- echte ZufallsauswahlZufallszahlenLosverfahren

- Ersatzverfahren (systematische Zufallsauswahl)Schlussziffernauswahl (z. B. Quote nach Endziffern von Aktenzeichen: 2 % (alle Akten mit Endziffer 00 und 50)Auswahl nach Namensanfang (z. B. Buchstaben DOT, OT, T)Auswahl nach Tagen (z. B. Geburtstagen, Buchungsdatum)Auswahl nach Geburtsjahren (z. B. Endziffern von Jahrgängen)

Beispiel:Fall A) Betriebsprüfung eines „typischen“ Spargelbauern in Schwetzingen, einer Kureinrichtung in Bad ImnauFall B) Lehrerpersonalakten nach Jahrgangsauswahl

Verfahren

für digitale und analoge Unterlagen identisch:

Art der Ermittlung Handelnder Vorgehen (Beispiele)

Kriterienkatalog Archivar Auswertung von Medien;

des Archivs Benennung an Behörde

Vorschläge der Behördenmitarbeiter; z. B. Markierung durch Behörde

Behörde „Wissen“ der

(Registratur-) Mitarbeiter

Standardisierte Behördenmitarbeiter Berichtspflicht an Ministerium

Verfahren bei (Justitz)

Registraturbildern

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

279

SED-BEZIRKSPARTEIARCHIVESCHWERIN UNDNEUBRANDENBURG

ERGEBNISSE, ERKENNTNISSE UNDSCHLUSSFOLGERUNGEN AUS DER ARCHI-VARISCHEN BEARBEITUNG DERBESTÄNDE

Ausgangslage 1993 endete für die SED-Parteiarchive der drei Nordbezirke derDDR die Odyssee des Bezirksparteiarchivs vom Sitz der Bezirkslei-tung in die ehemalige Bezirksparteischule und zuletzt in die zumArchiv umgebaute Stallanlage der LPG in Bolz bei Sternberg. DerLandesvorstand Mecklenburg-Vorpommern hatte sich vertraglichmit dem Land zu Abgabe an das Landeshauptarchiv Schweringeeinigt, obwohl beide Seiten unterschiedliche eigentumsrechtlicheAuffassungen vertraten und sich hieran bis zum heutigen Tag nichtsgeändert hat.Das übernommene Archivgut hat einen Umfang von ca. 1.000 lfmund umfasst das Schriftgut von 1945 bis 1989 von KPD, SPD undSED auf Landesebene und der Bezirke Schwerin und Neubranden-burg sowie die dazugehörenden Dienstakten und Findhilfsmittel,Deposita und Schriftgut der VVN sowie Komitees der Antifaschisti-schen Widerstandskämpfer und Sammlungen. Abgesehen davon,dass das Schriftgut zum Teil nur bis einschließlich 1981 endgültigverzeichnet und der verbleibende Teil als Altregistratur geordnetwar, hatte das Landeshauptarchiv nun die Aufgabe, das gesamteParteiarchiv für die öffentliche Nutzung archivarisch zu bearbeiten,jedoch ohne dabei die vollständige und uneingeschränkte Hand-lungsfreiheit zu besitzen, da es im Vertrag den Passus gibt: „DieDurchführung der Aussonderung und Kassation bedarf der vorhe-rigen Zustimmung der PDS.“1 Wenn sich auch die Verantwortlichenin der PDS in jedem Fall kooperativ zeigten, so bedeutete dieseEinschränkung in der Praxis dennoch ein bürokratisches Hemmnisfür die Archivare.Die Ermittlung der Archivwürdigkeit des SED-Schriftgutes kannsich heute nicht einfach mit der Anerkennung der Grundsätze derWertermittlung aus den Vorgaben des Zentralkomitees der SEDerschöpfen und somit unverändert den Bestand des Parteiarchivs indie heutige Archivstruktur übernehmen. Die Definition von Inhaltund Bedeutung von „historisch wertvollem Schriftgut“ hat sichgeändert und muss in der archivarischen Arbeit seinen Nieder-schlag finden. Dies war zweifellos eine der schwierigsten Fragen derNeubearbeitung, der nicht nur im Landeshauptarchiv in Schwerin,sondern auch bei der Erarbeitung eines SED-Netzwerkes derostdeutschen Bundesländer eine zu geringe Aufmerksamkeit zu-kam.Nicht zuletzt ist das mit den personellen Möglichkeiten des Archivsverknüpft, wenn nur ein Mitarbeiter für den GesamtkomplexParteien, Organisationen, Vereine und Verbände zur Verfügung

steht, jedes Bezirksparteiarchiv in der DDR aber allein schonmehrere Archivare zur Verfügung hatte.Entscheidend war jedoch, dass die Bestände des SED-Parteiarchivsmit vertretbarem Aufwand „nach den geltenden allgemeinenRechtsvorschriften und archivwissenschaftlichen Methoden er-schlossen sowie für die öffentliche Nutzung bereitgestellt“2 werden.Dabei sollten Eingriffe in Ordnung, Struktur und Gliederung derBestände, Titel und Enthältvermerke in der Erfassung nicht dasWesentliche der überlieferten Findmittel der Bestände verändern.Das bezog sich vor allem auf die Anwendung der typischen Termi-nologie und Schwerfälligkeit des Satzbaus sowie Inhalt und Um-fang bei der Erfassung des jeweiligen Akteninhalts. Deshalb warenÄnderungen erforderlich, ist das SED-Schriftgut doch nun Teil derhistorischen Überlieferung im Landeshauptarchiv Schwerin.

Stand und Ergebnisse der Bearbeitung der Über-lieferung aus den Bezirksparteiarchiven Schwerinund Neubrandenburg Das Resultat mehrjähriger Tätigkeit an den Beständen des SED-Bezirksparteiarchivs besteht darin, dass es nun vollständig bearbei-tet und Teil des Archivkörpers des Landeshauptarchivs ist. Dabeihatten wir es mit einer Überlieferung zu tun, die weit mehr ist alsnur das aus der politischen Arbeit der Bezirksleitung erwachseneSchriftgut, wenngleich das auch der bedeutendste Teil war. Esfanden sich neben den Bezirksleitungen der SED die ProvenienzenKreisleitungen, Ortsleitungen und Grundorganisationen mitbeträchtlichem Umfang. Hinzu kommen weitere Bestandsgruppenwie Kaderunterlagen, Erinnerungsberichte, Nachlässe und Samm-lungen.Zunächst war es erforderlich, die Bedeutung der einzelnen Proveni-enzen und Bestände zu ermitteln und daraus eine Prioritätenlistefür die Bearbeitung zu erstellen. Nur auf dieser Grundlage konntendann die weiteren Schritte in der Wertermittlung des Schriftguteserfolgen. Die oberste Priorität erhielt das Schriftgut der SED-Bezirksleitung, denn in der Machthierarchie der SED folgten nachdem Zentralkomitee die Bezirksleitungen. „Die Bezirksparteiorgani-sationen waren innerhalb der Partei die größten Organisationsein-heiten. Sie vereinten die nach dem Produktionsprinzip organisier-ten sowie die territorialen Kreisorganisationen des Bezirkes. IhreLeitungen waren das wichtigste Bindeglied zwischen dem zentralenParteiapparat des ZK in Berlin und den Apparaten der Kreisleitun-gen.“3 Für die politische, wirtschaftliche, soziale und geistig-kultu-relle Entwicklung auf der Ebene des Bezirkes war die SED-Bezirks-

1 Vertrag zwischen dem Land Mecklenburg-Vorpommern und dem Landes-vorstand Mecklenburg-Vorpommern der PDS vom 11.05.1993, S. 2.

2 Ebenda., S. 2.3 Die SED – Ein Handbuch. Hrsg. von Andreas Herbst, Gerd-Rüdiger Ste-

phan, Jürgen Winkler. Berlin 1997, S. 133.

280

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

ARCHIVTHEORIE UND PRAXIS

leitung von 1952 bis 1989 die wichtigste Entscheidungsinstanz unddementsprechend ist das Gewicht der schriftlichen Überlieferungfür die Geschichtsschreibung. Die Schlussfolgerung war für dasArchiv eine möglichst intensive Erschließung nach den jetzt gelten-den archivarischen Grundsätzen zu gewährleisten. Es gab jedochauch Meinungen, die angesichts des großen Umfangs des übernom-menen Schriftgutes Anfang der 90er Jahre, von einer solchenVorgehensweise abrieten und einer einfachen Retrokonversion denVorzug geben wollten. Ihre These: „Erst einmal möglichst rasch alleBestände für die Öffentlichkeit nutzbar machen und später neuentscheiden.“ Dabei wurde jedoch nicht berücksichtigt, dass dieMehrheit der übernommenen Unterlagen erschlossen waren,jedoch unter anderen gesellschaftlichen Verhältnissen und dement-sprechenden Zielsetzungen. Im Ergebnis der Diskussion wurdeschließlich ein Kompromiss gefunden. Dieser sah vor, den Kernbe-stand der SED-Bezirksleitung sowie deren Vorläufer KPD, SPD undLandesleitung der SED unter Berücksichtigung des übernommenenErschließungszustandes zu überprüfen, gegebenenfalls zu erneuernoder zu ergänzen. Als Kernbestände kam der Überlieferung derApparate der Bezirksleitung sowie der Führungsgremien, Delegier-tenkonferenzen, Bezirksleitung und Sekretariat, Bezirksparteikon-troll- und Revisionskommission eine besondere Aufmerksamkeitzu. Findmittel (Karteikarten) der Erinnerungsberichte, Kaderunter-lagen und teilweise der Sammlungen wurden retrokonvertiert. Dieumfangreiche Fotosammlung wurde indes neu bearbeitet und indie Fotosammlung des Landeshauptarchivs eingegliedert. DieFindmittel (Karteien) der Bestände der Kreisleitungen der SED,Ortsleitungen und Grundorganisationen wurden überprüft, dieGliederung systematisiert und vereinheitlicht und schließlichretrokonvertiert. Das wichtigste Ergebnis der archivarischen Bearbeitung der Bestän-de des Parteiarchivs besteht darin, dass moderne Findbücherentstanden sind, die Parteiaufbau und Organisationsstruktur derSED auf Landes- bzw. Bezirksebene in den einzelnen Etappen ihrerEntwicklung widerspiegeln. Dabei konnte auf die Arbeit der Partei-archive aufgebaut werden, weil dort seit Mitte der sechziger Jahresich die Erkenntnis durchgesetzt hatte, dass ohne wissenschaftlicheDurchdringung die Archivarbeit unmöglich ist. Nicht zuletzt fanddas seinen Niederschlag in der Einstellung qualifizierter Archivare.Die hohe Dynamik der gesellschaftlichen Entwicklung in derSowjetischen Besatzungszone und der DDR hatte die kontinuierli-che Veränderung der Organisationsentwicklung der Partei aufBezirks- und Kreisebene zur Folge. Die einzelnen Bestände wurdennach einem Thesaurus einheitlich gegliedert und folgten damit derOrganisationsentwicklung und Aufgabenstruktur der jeweiligenLeitungsebene. Je nach Bedeutung sind die einzelnen Bereiche tiefergegliedert. Jeder Sekretär der Bezirksleitung hatte mindestens einenBereich des Apparates in Form einer Abteilung zu verantworten. Inden Abteilungen wurden Vorlagen für das Sekretariat erarbeitet,Berichterstattungen vorbereitet, der Bereich vertikal und horizontalangeleitet und kontrolliert. Außerdem wurden hier die Kaderent-scheidungen sowohl für die Apparate der Partei als auch für denStaatsapparat und die gesellschaftlichen Organisationen bis in dieKombinate und Betriebe hinein für das Sekretariat vorbereitet undvon diesen entschieden. Wir ließen uns davon leiten, dass eine guteGliederung den Zugang zu den Quellen bei historischen Forschun-gen und Studien, Nachweisen von Parteiverfahren, Lehrgangsbesu-chen usw. vereinfacht.

Eine weitere Präzisierung und Ergänzung wurde bei den Aktenti-teln, Enthältvermerken und Laufzeiten vorgenommen. Das erwiessich als besonders notwendig, da oftmals sehr pauschale Aussagenformuliert wurden und Enthältvermerke z. T. nur solche Hinweiseauf Sachverhalte lieferten, die dem System genehm waren oder auchgänzlich fehlten. Der Inhalt jeder Akte wurde geprüft und mit demFindmittel auf dessen Aussagefähigkeit und Vollständigkeit vergli-chen. Umfangreicher waren die Arbeiten bei den unerschlossenenAkten von 1987 bis zur Wende. Hier mussten die Akten überwie-gend neu bewertet, formiert und verzeichnet werden. Eine Besonderheit ergab sich bei den Protokollen der Sekretariats-sitzungen. Hier wurde von den Archivaren der Bezirksparteiarchiveneben der Verzeichnung des Bestandes eine Stichwortkartei ange-legt. Für die heutige Benutzung erweist sich das sowohl mit Hilfedes Findbuchs als auch des Computers als unzweckmäßig, da beider Bestandsverzeichnung nur die Daten der Sitzungen erfasstwurden, nicht aber die Tagesordnungen. Diese Praxis zeigte sichübrigens auch bei den Protokollen der Sekretariatssitzungen derKreisleitungen.Kassationen wurden nur dann vorgenommen, wenn Doppelüberlie-ferungen vorhanden waren, bei statistischen Materialien oder starkbeschädigten Stücken. Doppelüberlieferungen traten beispielsweisein der Überlieferung von Protokollen der Kreisleitungs- und Sekre-tariatssitzungen auf. So gab es Exemplare als Beleg für die Bezirks-leitung im Strukturteil „Parteiorgane“ und die vollständige Seriebei den Unterlagen der einzelnen Kreisleitungen. Hier wurde derBestand der Kreisleitungen in seiner Vollständigkeit erhalten undbei der Bezirksleitung die Kassation vorgenommen. Weiterhin istauch zu überlegen, ob es künftig nicht möglich sein wird, beispiels-weise bei den umfangreich überlieferten Berichten, die teilweise denCharakter von Massenakten tragen, eine Auswahl nach bestimmtenKriterien zu treffen. Das sollte sich sowohl auf bestimmte Territori-en als auch Inhalte beziehen. Angemerkt sei noch, dass eine grundlegende Änderung des Signa-tursystems erfolgte. Die komplizierten und teilweise verwirrendenSignaturen der Parteiarchive wurden durch das geltende Systemunseres Archivs ersetzt. Somit ist auch in dieser Hinsicht einegrößere Transparenz erreicht und selbstverständlich sind alleSperrvermerke der Bezirksparteiarchive außer Kraft gesetzt.Wichtig war jedoch, dass die PDS als Einbringer der Parteiarchiveihre Zustimmung zur Kassation von SED-Akten gab, so wie es lautEinbringungsvertrag vereinbart war. Der PDS-Landesvorstandverzichtete sogar auf einen Einzelnachweis, was den Arbeitsauf-wand für uns erheblich minimierte.Als Erschließungsprogramm kam „Faust 3.0 für Windows“ zurAnwendung nach den Vorgaben des Landeshauptarchivs Schwerin.

Fragestellungen zum künftigen Umgang mit demSED-Schriftgut Von nicht unwesentlicher Bedeutung für die Zukunft und denweiteren Umgang mit den SED-Archiven im Landeshauptarchiv istdie endgültige Klärung der Eigentumsverhältnisse, denn nachAussage des Einbringungsvertrages, und daran hat sich auch imachtzehnten Jahr nach der Wiedervereinigung nichts geändert, gibtes nach wie vor die gegensätzlichen Auffassungen des Landes undder PDS wie folgt: „Dabei betrachtet das Land Mecklenburg-Vorpommern Unterlagen der SED-Bezirksparteiarchive Schwerin,Rostock und Neubrandenburg im Sinne von § 2, Absatz 9 des

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

Bundesarchivgesetzes (BGBl. I 1992 S. 506) in Übereinstimmung mitdieser gesetzlichen Regelung als sein Eigentum. Die PDS betrachtetdie gesamten Bestände mit Ausnahme der Deposita, des Schriftgu-tes der VVN und der Bezirks- und Kreiskomitees der Antifaschisti-schen Widerstandskämpfer als ihr Eigentum.“4

Mit dem Eigentumsrecht sind künftig auch finanzielle Rechteverbunden, wie beispielsweise der Internetnutzung, finanzielleAufwendungen für die Erhaltung oder eventuelle umfangreicheKassationen, die eindeutige Regelungen verlangen. Wir haben mitder Bearbeitung der Bestände alle Voraussetzung dafür geschaffen,dass künftige Benutzer einen optimalen Zugang zu den Aktenbekommen können. Ein Teil der Findhilfsmittel ist bereits über dasLandesprogramm „Ariadne“ im Internet nutzbar und zumindest

281

die Bestände der SED-Bezirksleitungen Schwerin und Neubranden-burg werden in absehbarer Zeit folgen. Das öffentliche Interesse an den SED-Akten hält sich gegenwärtigzwar noch in bescheidenen Grenzen, was für uns jedoch nicht dasKriterium für ihre archivarische Bearbeitung sein konnte. Wieanderes Schriftgut auch, das zum Archivgut wurde, muss es fürviele Generationen gut aufbereitet und nutzbar sein. �

Klaus Schwabe, Grambow

4 Siehe Anm. 1, S. 1.

EU-PROJEKT MICHAEL PLUS

EUROPAWEITER NACHWEIS DIGITALISIER-TEN KULTURGUTS

Kulturgutbewahrende Einrichtungen aus aller Welt stellen bereitsObjekte in digitaler Form für die Nutzung bereit, doch bislang gabes kaum Übersichten über das gesamte digital verfügbare Kulturguteines Landes. Durch das EU-Projekt MICHAEL Plus wird nicht nurdiese nationale Nachweismöglichkeit geschaffen, sondern es werdenauch Digitalisate in einen europäischen Kontext eingebunden undder Zugriff auf sie vereinfacht. Im Rahmen des Projekts baut jedesteilnehmende Land ein eigenes Portal auf, in dem digitale unddigitalisierte Bestände und Sammlungen von Archiven, Bibliothe-ken und Museen zusammen präsentiert werden. Zugleich entstehtein gemeinsames Kulturportal,1 das ab Sommer 2008 einen län-derübergreifenden, mehrsprachigen Überblick über die Inhaltesämtlicher nationaler Systeme bieten wird.MICHAEL Plus ist das Folgeprojekt von MICHAEL,2 das 2004 vonFrankreich, Großbritannien und Italien ins Leben gerufen wurde,um ein bereits in Frankreich verwendetes Kulturportal3 auf interna-tionaler Ebene weiterzuentwickeln. Seit Juni 2006 haben sichweitere 15 europäische Staaten4 dem nachfolgenden Projekt MI-CHAEL Plus angeschlossen, welches durch das eTen-Programm5

der Europäischen Kommission gefördert wird. Deutschland ist mit

sieben Institutionen aus unterschiedlichen kulturgutbewahrendenSparten im MICHAEL Plus-Projekt vertreten: dem Bundesarchiv,der Bayerischen Staatsbibliothek, der Deutschen Nationalbiblio-thek, dem Deutschen Museum, dem Landesarchiv Baden-Württem-berg, der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft undder Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die zugleich die deutscheProjektarbeit koordiniert.Die teilnehmenden Institutionen eines Landes bauen zunächst einnationales Portal6 auf, dem eine Open-Source-Plattform und eingemeinsames Datenmodell zugrunde liegen. Anschließend hinterle-gen die Projektpartner in einer integrierten XML-Datenbank nachinternationalen Vorgaben Daten zu den digitalisierten Beständenund Sammlungen ihres Landes. Aufgenommen werden Beschrei-bungen zu digitalisiertem Archiv-, Bibliotheks- und Museumsgutunabhängig von der Art der Nutzungsmöglichkeiten; so werdennicht nur im Internet bereitgestellte Digitalisate berücksichtigt,sondern auch zum Beispiel im Intranet oder auf CD-ROMs undDVDs verfügbare digitalisierte Bestände miteinbezogen.Die gesammelten Daten werden sowohl im deutschen Informations-system dargestellt als auch an das internationale MICHAEL-Portalgeliefert. Die hinterlegten Beschreibungen bieten einen Überblicküber den Inhalt der Sammlungen und Bestände und liefern Infor-

1 www.michael-culture.org.2 MICHAEL = Multilingual Inventory of Cultural Heritage in Europe.3 Patrimoine numérique, www.numerique.culture.fr.4 Diese sind: Belgien, Bulgarien, Deutschland, Estland, Finnland, Griechen-

land, Malta, die Niederlande, Polen, Portugal, Schweden, Slowakische Re-publik, Spanien, Tschechische Republik und Ungarn. Für die Länder neh-men jeweils öffentliche Institutionen, Forschungseinrichtungen oderPrivatunternehmen am Projekt teil.

5 eTen (transeuropäische Telekommunikationsnetze) unterstützt den Einsatzneuer Technologien in Europa.

6 Für Deutschland: www.michael-portal.de und www.landesarchiv-bw.de/michaelplus.

282

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

ARCHIVTHEORIE UND PRAXIS

mationen zu den Institutionen, die sie zugänglich machen. Nutzererhalten außerdem Hinweise auf Zugriffsmöglichkeiten, zumBeispiel über den Link zu einem Webangebot oder durch dieNennung von Adressen oder Bezugsquellen. In MICHAEL könnensomit auch Bestände gefunden werden, die vorher nur lokal verfüg-bar waren und nicht an zentraler Stelle nachgewiesen wurden.Das europäische MICHAEL-Portal wird digitales Kulturgut aus 18Ländern unter einer Oberfläche präsentieren und über eine einzigeSuche – beispielsweise nach Themen, Epochen oder Sprachen –digitale Bestände und Sammlungen in ganz Europa auffindbarmachen, die ansonsten nur schwer aufzuspüren sind. DigitalesKulturgut wird international und spartenübergreifend vernetzt unddurch vielfältige Suchmöglichkeiten für unterschiedlichste Nutzer-gruppen erschlossen.

Um die Zukunft von MICHAEL sicherzustellen, wurde 2007 einVerein belgischen Rechts (AISBL7) gegründet, dem die StiftungPreußischer Kulturbesitz für Deutschland beigetreten ist. Dadurchist die Pflege des Portals auch nach Ende des Projekts im Mai 2008gewährleistet und die Aufnahme neuer Bestandsbeschreibungenweiterhin möglich. �

Christina Wolf, Stuttgart

KOOPERATIONSPROJEKT„DIGITALES ARCHIV THÜRINGEN“

7 Association internationale sans but lucratif, eine internationale Vereinigungohne Gewinnerzielungsabsicht.

VOM ARCHIVPORTAL ZUM DIGITALENARCHIV Die sechs Thüringischen Staatsarchive betreiben seit April 2006 mitdem Internetportal „www.archive-in-thueringen.de“1 ein Recherche-instrument, das Archive sämtlicher Sparten (also auch der Kirchen-,Wirtschafts-, Hochschul- und Kommunalarchive) umfasst. DasInternetportal bietet Informationen zu den beteiligten Archivenselbst (Öffnungszeiten, Adressen etc.) sowie kurze Beschreibungender von ihnen verwahrten Bestände.Einige Staatsarchive stellen seit Herbst 2004 weitergehende Er-schließungsinformationen im Internet bereit. Inzwischen sindOnline-Findbücher zu einhundert Beständen ins Internet einge-stellt.2 Durch dieses Angebot – derzeit noch in Form einfacher PDF-Dokumente – wurden neue Zielgruppen angesprochen und bereitsein Teil des Rechercheaufwands via Internet aus dem Lesesaal aufden heimischen PC übertragen.3 Avanciertere Lösungen sind inVorbereitung.Die bisherigen Ergebnisse ermutigten dazu, über die Erschließungs-daten hinaus auch Digitalisate von Archivgut im Internet zu prä-sentieren.4 Motive dafür sind die Werbung für das Archivwesen, dieFörderung der landesgeschichtlichen Forschung und die Entlastungder Lesesäle. Da die Akzeptanz der Nutzung von Digitalisaten amPC höher ist als bei der Betrachtung von Mikrofilmen im Lesesaal,wird durch die Digitalisierung ein wesentlicher Beitrag zur Be-standserhaltung geleistet.5

Als Kooperationspartner zum Betrieb und zur Ausgestaltung eines„Digitalen Archivs Thüringen“6 bot sich die Thüringer Landes-und Universitätsbibliothek (ThULB) Jena an, die seit mehrerenJahren Bibliotheksgut im Internet präsentiert und publiziert. Dafürhat sie die informationstechnischen Voraussetzungen geschaffen,die inzwischen auch durch außeruniversitäre Einrichtungen nach-genutzt werden können.

URMEL – MEHR ALS EIN INSTITUTIONALREPOSITORY Den Wissenschaftlern der Friedrich-Schiller-Universität Jena (FSU)und ihren Partnern stellt die Thüringer Universitäts- und Landesbi-bliothek (ThULB) mit UrMEL (University Multimedia ElectronicLibrary) eine zentrale Publikations-, Präsentations- und Archivie-rungsplattform zur Verfügung.UrMEL wurde, anknüpfend an den internationalen Forschungs-stand, auf der Grundlage von MyCoRe7 als Open-Source-Projektimplementiert. Das System basiert auf modernen Datenbanktech-nologien, ist in allen Ebenen skalierbar, für die Verwaltung großerDatenmengen geeignet und kann an die konkreten Projektanforde-rungen leicht angepasst werden. Die Entwicklung und Weiterent-wicklung erfolgte und erfolgt in kooperativer Zusammenarbeitmehrerer Hochschulen, Bibliotheken, Rechenzentren sowie For-schungs- und Kultureinrichtungen. Mit den auf MyCoRe basierenden UrMEL-Servern, die über FibreChannel an die Plattensysteme des Universitätsrechenzentrums(URZ) angebunden sind, stellt die ThULB mit Unterstützung desURZ für Forschung und Lehre eine komplexe Dienstleistungs- undInfrastruktur bereit.Im Rahmen von UrMEL wurden bisher drei Segmente realisiert: University@UrMEL, Journals@UrMEL und Collections@UrMEL.

University@UrMEL University@UrMEL (www.db-thueringen.de) ist eine Publikations-plattform für die Online-Bereitstellung und -Archivierung for-schungsrelevanter Dokumente und Lehrmaterialien wie Disserta-tionen und Habilitationen, Forschungsberichte und anderer imForschungsprozess erstellter elektronischer Publikationen ein-schließlich der durch das Multimediazentrum der FSU aufbereite-ten und über University@UrMEL bereitgestellten Vorlesungsmit-schnitte und anderer Lehrmaterialien. Dazu gehört weiterhin die

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

Online-Aufbereitung und -Präsentation von Tagungen und Kon-gressen, Spezialsammlungen, Vorlesungs- und Veranstaltungsreihen.8

Journals@UrMELMit dem mehrsprachigen generischen Zeitschriftenserver(http://zs.thulb.uni-jena.de) auf der Basis von MyCoRe stellt dieThULB im Rahmen von UrMEL eine weitere zentrale Publikations-plattform bereit. Über diese werden elektronische Zeitschriften,Journale und Tagesblätter verschiedener Strukturen als aktuelleOnline-Präsenzen in UrMEL integriert. Daneben werdenforschungsrelevante und vom Zerfall bedrohte historische Zeit-schriften digitalisiert und im Rahmen von Journals@UrMELonline bereitgestellt. Über komplexe Recherchemöglichkeiten,differenziert nach Erschließungs- und Bearbeitungstiefe, sind dieseZeitschriften orts- und zeitunabhängig sowie durch erweiterteRecherchemöglichkeiten umfassender für die Forschung nutzbar.In dem Segment Online-Bereitstellung historischer Zeitschriftenrealisiert die ThULB unter anderem gemeinsam mit der HerzoginAnna Amalia Bibliothek, der Historischen Kommission für Thürin-gen und weiteren Wissenschaftlern die Digitalisierung und wissen-schaftliche Erschließung von Zeitschriften des Weimar-JenaerLiteraturkreises um 1800.9 Innerhalb der nächsten Jahre sind derAusbau dieses Portals sowie die Digitalisierung und Erschließungvon ca. 200 historischen Zeitungen und Zeitschriften geplant.Alleine 2007 wurden 500.000 Digitalisate in diesem Segmenterstellt.

Collections@UrMEL Collections@UrMEL ist eine Plattform innerhalb von UrMEL, überdie in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern verschiedener Fachbe-reiche und in Kooperation mit Kultureinrichtungen wertvolle undforschungsrelevante Bestände und Sammlungen digital und multi-medial aufbereitet, erschlossen und online veröffentlicht werden.Ein wesentlicher Projektteil ist dabei die Digitalisierung, Er -schließung und Online-Bereitstellung bedeutender Archivbeständeund Nachlässe.10

Neben der formalen Beschreibung und Präsentation der Digitalisateist es möglich, diese projektbezogen auch einzeln mit wissenschaft-lichen Kommentaren zu untersetzen, sie zu transkribieren, multime-diale Elemente einzubinden sowie ganze Sammlungen, Teile vonSammlungen oder einzelne Textpassagen wissenschaftlich zubewerten und zu beschreiben. Derartige Möglichkeiten sollen mitder Entwicklung und Integration eines workflowbasierten und miteinem Rechtemanagementsystem untersetzen WiKiWeb weiterausgebaut werden.

Langzeitarchivierung unter UrMELIm Rahmen eines zwischen dem Universitätsrechenzentrum (URZ)und der ThULB abgestimmten Konzeptes wird die Archivierung derdigitalen Objekte durch im URZ aufgestellte Raid-Systeme gewähr-leistet, die wiederum über Fibre-Channel an die UrMEL-Serverangebunden sind. Diese Speichersysteme werden dabei über denIBM Storage SUN Volume Controller (SVC) verwaltet und virtuali-siert. Diese Technologie ermöglicht das Spiegeln der Volumes aufRaid-Systeme im Multimediazentrum der FSU. Darüber hinaus istvorgesehen, die Langzeitarchivierung in Kooperation mit derDeutschen Nationalbibliothek und der Niedersächsischen Staats-und Universitätsbibliothek Göttingen (SUB) im Rahmen desProjekts „Kopal“ über einen zu entwickelnden MyCoRe-Connectorsicherzustellen. Im Rahmen des in Vorbereitung befindlichen DFG-

283

Antrags „Integration des Langzeitarchivierungssystems Kopal in dieDigital Assets Management Systeme von UrMEL“ ist unter anderemdie Entwicklung und Integration eines Workflows für die automati-sierte Erstellung eines Archivierungspakets im Mets-Format für dieÜbergabe der Daten an Kopal vorgesehen. Die Beteiligung an Kopalwird als Mandant erfolgen. Das bedeutet, dass die Softwareumge-bung einschließlich des benötigten Speicherplatzes vom Kopal-

1 Vgl. hierzu: Bettina Fischer, Wegweiser durch die breitgefächerte Archivland-schaft Thüringens. www.archive-in-thueringen.de, in: Der Archivar, Bd. 60,Jg. 2007, S. 55-56.

2 www.thueringen.de/de/staatsarchive, so stellte das Staatsarchiv Gotha bis-her Findbücher zu ca. 30 Beständen, das Staatsarchiv Meiningen zu 4 Be-ständen und das Staatsarchiv Rudolstadt zu 70 Beständen online. Zurrechtlichen Würdigung vgl.: „Be reitstellung elektronischer Findmittel in öf-fentlich zugänglichen Netzen“. Thesenpapier der ARK-Arbeitsgruppe Ar-chive und Recht vom 26.2.2007.

3 Die quantitativen und qualitativen Veränderungen der Beziehungen zwi-schen Archiv und Benutzern schildern Uwe Grandke und Wolfgang Wim-mer: Erfahrungen mit Online-Findbüchern, in: Archive in Thüringen,Mitteilungsblatt Heft 1, 2006, S. 14-21.

4 Für eine archivrechtliche Würdigung dieses Vorhabens (die sich freilich nurauf die Rechtslage im Freistaat Thüringen bezieht) wird die Online-Bereit-stellung von Digitalisaten mit herkömmlichen Formen archivarischer Prä-sentationstätigkeit verglichen: Traditionell wirken Archivare an der Editi-on wichtiger Urkundenbestände oder Einzelschriftstücke mit. GuteEditionen zeichnen sich durch eine buchstabengetreue Wiedergabe des In-halts aus. Ausgewählte Dokumente werden sogar faksimiliert. Die For-schung kann also (sofern nicht Spezialuntersuchungen nötig sind) auf denBesuch des Archivs und die Einsichtnahme in die Archivalien selbst ver-zichten. Die Inhalte der Dokumente werden bereits durch herkömmlichegedruckte Editionen einem prinzipiell unbegrenzten (nicht mehr kontrol-lierbaren) Nutzerkreis ohne ein formalisiertes Antragsverfahren und ohneHinterfragung der Motivlage (wissenschaftliche vs. private Nutzung) zu-gänglich gemacht. Die bis heute fortgesetzte Praxis der Edition von Urkun-den und Schriftstücken in gedruckter Form wurde bisher rechtlich nichtals Nutzung von Archivgut aufgefasst. Folglich ist der § 16 Abs. 3 desThüringer Archivgesetzes vom 23.4.1992, der eine schriftliche Beantragungeiner Benutzungsgenehmigung vorsieht, ebenso wenig anzuwenden wie dieThüringer Archiv-Benutzungsordnung vom 26.2.1993. Die bisherige Argu-mentation führt zur Frage, ob Archive überhaupt Archivgut in Editionenoder Internetpräsentationen edieren dürfen. Hier ist der § 7 Abs. 3 des Th-ArchivGes. heranzuziehen. Dieser erweitert nämlich den Auftrag der Ar-chive wie folgt: „Die öffentlichen Archive wirken an der Erforschung undVermittlung der von ihnen verwahrten archivalischen Quellen mit.“ DieHerausgabe von gedruckten Editionen aus archivalischen Quellen oder de-ren Präsentation im Internet sind daher als Vermittlung von Quellen legi-timiert, ja sie werden durch das ThArchGes. sogar gefordert.

5 Vgl. Digitalisierung von Archivgut im Kontext der Bestandserhaltung. Ge-meinsames Positionspapier der ARK-Fachausschüsse „Bestandserhaltung“und „Sicherung und Nutzung durch bildgebende Verfahren“. März 2008.

6 Eine förmliche Kooperationsvereinbarung zwischen den sechs Thüringi-schen Staatsarchiven und der ThULB wurde Ende 2007 unterzeichnet undformalisiert seit Frühjahr 2006 bestehende Arbeitskontakte.

7 MyCoRe (www.mycore.de) ist ein Open Source Projekt zur Entwicklungeines Systems für Digitale Bibliotheken und Archivlösungen und gleichzei-tig die Bezeichnung für ein interuniversitäres Entwicklungsteam. Im My-CoRe Projekt arbeitet eine Gruppe von 15 Universitäten daran, für derar-tige Anwendungen einen gemeinsamen Software-Kern zu erstellen, der sichan die eigenen Bedürfnisse anpassen und erweitern lässt. Auf der Basis die-ses Kerns, der als Open Source unter der GNU General Public License ver-fügbar ist, können spezifische Anwendungen an den jeweiligen Standor-ten realisiert werden. Die technische Basis des Systems bildenJava-Klassenbibliotheken, XML-Techniken und unterschiedliche Daten-bank-Backends sowohl kommerzieller Art wie IBM Content Manager undIBM DB2, als auch Open-Source-Lösungen wie Lucene, MySQL undXMLDB-kompatible Datenbanken.

8 Darüber hinaus bietet UrMEL die Möglichkeit, elektronische Semesterap-parate aufzubauen. Dieser Dienst kann in die E-Learning-Systeme und indas elektronische Vorlesungsverzeichnis der FSU über die Nutzung vonWebservices integriert werden.

9 Enthalten sind u. a. wichtige Literatur- und Rezensionsorgane wie die „Je-naische Allgemeine Literaturzeitung“ und die „Allgemeine Literaturzei-tung“.

10 In der Pilotphase wurden 2007 folgende digitale Archive im Rahmen vonUrMEL implementiert: Korax das multimediale Archiv der vereinigtenDomstifter (http://archive.thulb.uni-jena.de/korax), die Archive der Super-intendentur Jena (http://archive.thulb.uni-jena.de/kaj), das Universitätsar-chiv der Universität Jena (http://archive.thulb.uni-jena.de/uaj) und dasStadtarchiv Eisenberg(http://archive.thulb.uni-jena.de/stei).

284

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

ARCHIVTHEORIE UND PRAXIS

Betreiber bereitgestellt wird und die ThULB und ihre Partner fürdie Aufbereitung, Pflege, Valiedierung und Homogenisierung ihrerArchivdaten selbst verantwortlich sind. In dem DFG-Antrag derDNB und SUB „Organisatorische und technische Weiterentwick-lung der Kopal-Lösung zu einem integrierten Dienst zur kommissa-rischen Langzeitarchivierung digitaler Daten“ ist die ThULB alsKooperationspartner mit ihren digitalen Sammlungen aufgeführt.

PROJEKTE DES STAATSARCHIVSRUDOLSTADT

„Digitalisierung der Hesseschen Collectaneen“ Ludwig Friedrich Hesse (* 1783) studierte an der Universität LeipzigTheologie und Philologie. 1804 wurde er Lehrer am RudolstädterGymnasium, seit 1837 verwaltete er die dortige Fürstliche Bibliothekund das Geheime Archiv in Personalunion. Als Grundlage seinerForschungen trug Hesse Materialien zur thüringischen, insbesonde-re schwarzburgischen Geschichte zusammen. Dieser „Zettelkasten“umfasste schließlich 34 Regalmeter. In die Hesseschen Collectaneensind ältere Sammlungen eingeflossen. Zum größten Teil bestehensie aus Abschriften von Urkundenbüchern, Manuskripten odergedruckten Werken. Einige Bände enthalten auch Exzerpte undAufzeichnungen Hesses. Um sich die Kosten für das Abschreibenaus den Originalen zu ersparen, hat er auch Originaldokumente indie Sammlung integriert. Moralisch bedenklich ist, dass es sich beieinigen dieser Originale um Ausleihen aus fremden Archiven

Struktur von UrMEL

handelt, deren Besitzrecht sich Hesse (und das Staatsarchiv Rudol-stadt) „ersaßen“. Nach Hesses Tod (1867) fügten seine Nachfolgerder Sammlung weitere Unterlagen zu. Das jüngste Dokumentstammt aus dem Jahre 1908, das älteste Original entstand 1482.Die Sammlung umfasst 891 Archivalien, die überwiegend ausbuchförmig gebundenen Folio-, Quart- und Oktavbänden beste-hen. Einige Originalakten und Originalurkunden, Karten undbildliche Darstellungen weichen davon hinsichtlich der äußerenForm ab. Es begegnen Texte in deutscher, lateinischer, italienischer undfranzösischer Sprache. Ein Dokument war im Altgriechisch derHumanisten verfasst. Aus der Reihe fällt ein in arabischer Schriftnotierter türkischer Text.Die archivische Erschließung dieser Sammlung im Jahr 2001 erfolg-te bereits in Hinblick auf eine Recherchierbarkeit der Metadatenmittels Volltextrecherche.11 Fremdsprachliche Unterlagen wurden(ggf. mit sinnwahrenden Kürzungen) für die Titelaufnahme über-nommen, jedoch im Hinblick auf die Möglichkeit der Volltextre-cherche übersetzt.12 Das so entstandene Findbuch stand als PDF-Dokument seit 2004 online.In den Jahren 2004 und 2005 erfolgte die Sicherungsverfilmung derSammlung in der Verfilmungsstelle in Kamenz. Diese wiederumwar Voraussetzung für die rasche und kostengünstige Digitalisie-rung des sehr häufig benutzen Bestandes, für den aus Sicht desDatenschutzes keine Benutzungseinschränkungen bestehen. Die von den Sicherungsfilmen genommenen ca. 170.000 Digitalisatewurden (händig) geordnet und den Metadaten zugewiesen.

UrMEL – eine komplexe Publikations- Präsentations- und Archivierungsplattform

Präsentation von Zeitungen bereits über Erfahrungen und standar-disierte Verfahren verfügt, die nunmehr nachgenutzt werden kön-nen. Die „Allgemeine Auswanderungszeitung“ und „Der Pilot“können unter folgendem URL aufgerufen werden: http:// zs.thulb.uni-jena.de/content/main/journals/aaz.xml und http://zs.thulb.uni-jena.de/content/main/journals/aaz_pilot.xml.

WEIMARER PROJEKTE

Fourierbücher des Hofes von Sachsen-Weimar-Eisenach Zu den Aufgaben des Fouriers am weimarischen Hof gehörte es,neben der Aufsicht über die Livree-Dienerschaft und der Organisa-tion von Hofempfängen täglich Listen über die bei Hof präsentenPersonen zu führen. Diese wurden ab Mitte des 19. Jahrhunderts

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

Die Übernahme der Metadaten aus der Erschließungsdatenbankdes Staatsarchivs Rudolstadt sollte einerseits eine günstige Darstel-lung der Hesseschen Collectaneen im Internet gewährleisten,andererseits aber auch die Grundlage für die Integration weitererBestände aus anderen Archiven ermöglichen. Beide Partner desProjekts legen Wert darauf, dass die Datenstruktur sich nachallgemein anerkannten Standards richtet. Daher wurde das vomLandesarchiv NRW entwickelte Standardaustausch-Format (SAFT)zum Export von Metadaten aus Erschließungsdatenbanken nachEAD (so genanntes „SAFT-XML“) als Grundlage gewählt. Die Archivalienpräsentation ist unter folgendem URL zu besichti-gen: http://archive.thulb.uni-jena.de/saru/.

Die „Allgemeine Auswanderungs-Zeitung“ Der Rudolstädter Verleger Günther Fröbel druckte zwischen Sep-tember 1846 und 1871 die „Allgemeine Auswanderungs-Zeitung“,die in Zeiten starker Nachfrage zeitweise dreimal wöchentlicherschien.13 Zwischen 1855 und 1864 wurde die Auswanderungszei-tung um das unterhaltsame Wochenblatt „Der Pilot“ erweitert.Dieses Organ veröffentlichte neben Ratschlägen für Auswande-rungswillige und Erfahrungsberichte Ausgewanderter auch Schiffs-listen, die für genealogische Recherchen von hoher Bedeutung sind.Daher wird diese Zeitung im Staatsarchiv Rudolstadt häufig nach-gefragt.Ihre Nutzbarmachung im Internet wird das Staatsarchiv Rudolstadtdeutlich entlasten. Obwohl die Zeitung vom Verleger deutschland-weit versandt wurde, ist die Rudolstädter Überlieferung nur einevon drei nahezu vollständigen Reihen dieser Zeitung.14

Das Projekt war einfach zu realisieren, weil die ThULB bei der

285

11 Die Titel wurden nicht buchstabengetreu, sondern wortgetreu aufgenom-men, also zeitbedingte Abweichungen von der heutigen Orthografie still-schweigend normalisiert.

12 Nicht befriedigend gelöst werden konnte die Wiedergabe des in arabischenBuchstaben geschriebenen Manuskripts.

13 Vgl. insbesondere: Claudia Taszus: Günther Fröbel (1811-1878). Hofbuch-druckereibesitzer, Verleger und Auswanderungsagent in Rudolstadt. Einebiographische Skizze anläßlich seines 125. Todestages. In: Blätter der Ge-sellschaft für Buchkultur und Geschichte, 7. Jg. 2003, S. 33-108, und RudolfRuhe: Die „Allgemeine Auswanderungs-Zeitung“ – Ein Presseerzeugnis des19. Jahrhunderts aus Rudolstadt. In: Rudolstädter Heimathefte H. 3/4, 1976,S. 65-69.

14 Weitere Reihen dieser Zeitung sind am British Museum in London und ander Commerzbibliothek der Handelskammer Hamburg überliefert.

Startseite des Projekts „Allgemeine Auswanderungszeitung“ und „Der Pilot“

Quelle: Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar, Generalintendanz des DeutschenNationaltheaters und der Staatskapelle Weimar.Der „Tannhäuser“ war die fünfte Oper von Richard Wagner (1813-1883) undentstand zwischen 1842 und 1845. Der Komponist verfasste auch das Libretto. Dabeiließ er sich von Sagen aus dem Deutschen Sagenbuch von Ludwig Bechsteininspirieren; vor allem „Die Mähr von dem Ritter Tannhäuser“, „Der Sängerkrieg aufder Wartburg“ und „Die heilige Elisabeth“.Die Uraufführung fand am 19. Oktober 1845 im Königlich Sächsischen Hoftheater(Semperoper) in Dresden statt. Zum Erfolg Wagners trug wesentlich die vielbeachteteAufführung des „Tannhäuser“ durch Franz Liszt in Weimar am 16. Februar 1849 bei,dem Geburtstag der Großherzogin Maria Pawlowna. Wagner selbst musste aller-dings wenige Wochen später wegen seiner Teilnahme am Dresdner Maiaufstand alssteckbrieflich gesuchter Revolutionär aus dem Königreich Sachsen fliehen. SeineFlucht führte ihn über Weimar und Paris nach Zürich.

286

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

ARCHIVTHEORIE UND PRAXIS

erweitert durch Eintragungen über Vorgänge am Hof. Diese Auf-zeichnungen sind im Thüringischen Hauptstaatsarchiv Weimar fürden Zeitraum von 1748 bis 1918 unter der Bezeichnung „Fourier-bücher“ im Bestand „Hofmarschallamt“ überliefert. Genauestensist darin protokolliert, wer sich wann bei Hofe als Gast, Hofbeam-ter oder im Gefolge aufhielt. Auf diese Weise lässt sich nachweisen,wann und in welchem Umfeld Personen aus Politik und Kultur mitdem Landesherrn und anderen Gästen zusammentrafen (z. B.Johann Wolfgang von Goethe, Friedrich von Schiller, Franz Liszt,Wissenschaftler verschiedener Universitäten, Diplomaten usw.).Häufig sind Rückschlüsse auf aktuelle tagespolitische Problemstel-lungen und Gesprächsthemen möglich. Die Fourierbücher sinddamit eine zentrale Quelle für die Kultur-, Sozial- und Geistesge-schichte des 18. und 19. Jahrhunderts weit über den Thüringer

Raum hinaus. Durch die Sicherungsverfilmung, Digitalisierung und anschließen-de Präsentation der Digitalisate in der WissenschaftsplattformUrMEL wird diese Quelle der wissenschaftlichen Forschung freiund unkompliziert zugänglich gemacht und gleichzeitig dauerhaftgesichert, da eine Benutzung der erhaltungsgefährdeten Originalenur noch in begründeten Ausnahmefällen nötig sein wird.Die Sicherungsverfilmung konnte 2007 bereits abgeschlossenwerden. Diese Sicherungsfilme werden derzeit digitalisiert. EineErschließung, die zunächst den Zugang über die Tagesdaten mög-lich macht, wird voraussichtlich ab dem Jahr 2009 möglich sein.Die Erhebung weiterer Metadaten, hierbei besonders Personenna-men und Orte, wird angestrebt.Die Fourierbücher werden ab ca. 2009 präsentiert unter dem URL http://archive.thulb.uni-jena.de/hsaw/.

Theaterzettel des Deutschen Nationaltheaters Die Theaterzettel des Herzoglichen (ab 1815 Großherzoglichen)Hoftheaters und späteren Deutschen Nationaltheaters (DNT) sowieder Weimarischen Staatskapelle sind im Thüringischen Haupt-staatsarchiv vor allem in den Beständen „Kunst und Wissenschaft –Hofwesen“ und „Generalintendanz des Deutschen Nationaltheatersund der Staatskapelle Weimar“ überliefert. Die überwiegend ingebundener Form vorliegende Zettelsammlung ist für die einzelnenSpielzeiten chronologisch geordnet. Zerfallsprozesse und Schädigungen sind bei den mehr als 40.000Theaterzetteln erkennbar (mittlere Schäden). Die Unterlagen sinddaher nur noch bedingt benutzbar, zumal man von weiteren Zer-fallsprozessen ausgehen muss. Zur Vorbereitung einer Sicherungs-verfilmung werden die gebundenen Theaterzettel des WeimarerStaatsarchivs derzeit foliiert und etwaige Lücken festgestellt. Damitvirtuell eine möglichst vollständige Serie rekonstruiert werdenkann, hat sich die Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimarbereit erklärt, für die Verfilmung fehlende Theaterzettel aus ihrenBeständen zur Verfügung zu stellen. Es ist allerdings davon auszu-gehen, dass gerade für die Anfangsjahre einzelne Theaterzettel nichterhalten geblieben sind. Sollten diese jedoch an anderer Stelleentdeckt werden, können sie unschwer nachträglich zur Komplettie-rung der virtuellen Sammlung eingefügt werden.Die im Rahmen der Sicherungsverfilmung des Bundes zu fertigen-den Filme werden anschließend digitalisiert, um sie auch über dasInternet zugänglich zu machen. Synergieeffekte ergeben sich durcheine enge Zusammenarbeit mit der Hochschule für Musik inWeimar, die für eine Neuauflage der gedruckten Theaterzettel vonBurkhardt15 bereits Daten für den Zeitraum bis 1840 erhoben hat.Daran anknüpfend soll die Weitererfassung von Grunddaten auchfür die nachfolgenden Jahre Recherchemöglichkeiten über Auf-führungsdaten, Aufführungstitel und Autoren bzw. Komponistenermöglichen. Dies umfasst vor allem das „Silberne Zeitalter“Weimars, das nicht zuletzt durch das Wirken von Franz Lisztgeprägt wurde. Nach Abschluss des Projekts wird zunächst für den Zeitraum 1782bis 1918 eine virtuelle Theaterzettelsammlung vorliegen. In weiterenSchritten werden das Theater der Weimarer Republik sowie derSpielplan des Deutschen Nationaltheaters (DNT) unter den Bedin-gungen nationalsozialistischer Politik (1930, 1932-1944) zu bearbei-ten sein.Von 1952 bis 2007 lag die Trägerschaft für das DNT bei der StadtWeimar und die Theaterzettel dieses Zeitraums werden derzeitentsprechend der archivischen Zuständigkeit im Weimarer Stadtar-

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

287

chiv verwahrt. Vorgespräche über eine Zusammenarbeit zur Fort-führung des Projekts wurden bereits geführt. Ab dem 1. Januar2008 erhielt das DNT die Rechtsform eines Thüringischen Staats-theaters, wodurch die Zuständigkeit für seine archivalische Überlie-ferung wieder beim Thüringischen Hautstaatsarchiv liegt. Die Theaterzettel werden ab ca. 2009 präsentiert unter dem URL http://archive.thulb.uni-jena.de/hsaw/.

URMEL UND DIGITALES ARCHIV –GRUNDLAGE FÜR WEITERE PROJEKTE

Im Rahmen der von dem Freistaat Thüringen und der DFG geför-derten Publikationsplattform UrMEL ist es gelungen, eine Vielzahlvon Aktivitäten zum Publizieren und Darstellen digitaler undmultimedialer Dokumente in universitätsübergreifenden Projektenzu bündeln. Das (wiederum) sichert den gezielten und effektivenEinsatz der eingesetzten Mittel. Der ThULB kommt durch ihreKompetenz und die technische Ausstattung eine Schlüsselstellungbei der Bereitstellung von Digitalisaten durch Kultureinrichtungenim Freistaat Thüringen zu. Sie trägt damit aber auch eine hoheVerantwortung gegenüber ihren Kooperationspartnern (Langzeitar-chivierung der Digitalisate und der diese strukturierenden Metada-ten). Die Staatsarchive wiederum mussten die Erfahrung machen,dass insbesondere die Erstellung der Digitalisate und deren Aufbe-reitung für die Online-Präsentation arbeitsaufwändiger sind alsanfänglich geplant. Die Digitalisate von Archivgut müssen geordnetund den jeweiligen Erschließungsdaten zugewiesen werden. Wegendes erheblichen Arbeitsaufwands hierfür muss für die Online-Präsentation von digitalisierten Archivalien eine strenge Auswahlnach folgenden Gesichtspunkten getroffen werden:– Die Bestände müssen nach zeitgemäßen Normen erschlossen

sein. Dies schließt einerseits fachliche Qualitätsansprüche ein.Andererseits ist damit das Vorliegen digitaler Metadaten impli-ziert.

– Es sollten nach modernen Anforderungen erstellte Schutz- oderSicherungsfilme vorliegen, von denen kostengünstig Digitalisateerstellt werden können.

– Der Bestand muss historisch relevant sein, also bereits jetzthäufig benutzt werden.

– Es dürfen keine noch lebenden Personen durch die Veröffentli-chung des Bestandes in ihren Rechten betroffen werden (Daten-schutz).

Trotz dieser ökonomischen und juristischen Gründen geschuldetenBeschränkung sind bereits jetzt weitere Digitalisierungs-Projekte inVorbereitung. So erwägt das Hauptstaatsarchiv Weimar die Digitali-sierung seiner 1.800 Einheiten umfassenden Sammlung von Plaka-ten, Flugschriften und Wandzeitungen. Ein weiterer Schwerpunktkönnte die Online-Präsentation der umfangreichen Zeitungsbestän-de der Staatsarchive sein, die wegen ihres Formats, ihres Gewichtsund vor allem eines häufig äußerst bedenklichen Erhaltungszu-stands in den Lesesälen nur ungern vorgelegt werden. Der Überlegenheit der Internet-Editionen gegenüber den klassi-schen Repertorienveröffentlichungen ist man sich im Kreis derArchivarinnen und Archivare durchaus bewusst. Ähnlich wie beiBibliotheken ist die Zahl der Archivbenutzerinnen und Archivbe-nutzer eine wesentliche Begründung für die Mittelanforderunggegenüber den Archivträgern. Ob die Zahl der „Hits“ auf dasjeweilige Internetangebot sich neben den traditionell erhobenenAngaben zu der Benutzungsfrequenz in Lesesälen als weiterer Belegfür die Notwendigkeit der Archive etabliert, wird die Zukunftzeigen. �

Uwe Grandke, Rudolstadt/Michael Lörzer, Bernhard Post, Weimar

15 Das Repertoire des Weimarischen Theaters unter Goethes Leitung 1791-1817,bearbeitet und herausgegeben von Dr. Burkhardt, Hamburg und Leipzig,1891.

EINFÜHRUNG EINES GEOGRAPHI-SCHEN INFORMATIONSSYSTEMS(GIS) IM LANDESARCHIV BADEN-WÜRTTEMBERG In den letzten Jahren hat sich eine neue Gruppe von Anwendungenim Internet etabliert, die Geographischen Informationssysteme(GIS). Diese bieten mit der kartengestützten räumlichen Sucheeinen völlig neuartigen Zugang zu Daten. Eine digitale, interaktiveKarte mit Zoom- und Suchfunktionen, zuschaltbaren Merkmalen

etc. bildet die Kernfunktionalität. Die Auswanderer-Datenbank(www.auswanderer-bw.de) des Landesarchivs Baden-Württembergwurde als erster Bestand mit einem GIS ausgestattet. Sie eignet sichbesonders für eine GIS-Präsentation, da die Personen mit Her-kunfts- und Zielort(en) mehrfachen Raumbezug haben.

Funktionsschema des GIS der Auswanderer-Datenbank (www.auswanderer-bw.de)

288

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

ARCHIVTHEORIE UND PRAXIS

Das System ist flexibel und nach außen offen. Für die Darstellungder Karten werden aus den internen Daten extra Auswerte-Tabellenfür die GIS-Dienste erstellt. Auch von externen Anbietern könnenKarten eingebunden werden, zum Beispiel ein topografischerHintergrund oder Luftbilder vom Landesvermessungsamt.Die verwendete Software kommt ausschließlich aus dem Freien undOpen-Source-Bereich. Das GIS ist dreistufig aufgebaut:

– Datenbank: Postgres für die Haltung und Aufbereitung von Sach-und Geometriedaten.

– Geoserver: Hier kommt der gleichnamige „Geoserver“ zumEinsatz, der aus den Raum- und Sachdaten der Datenbankstandardisierte Datenströme (Web Map Service WMS und WebFeature Service WFS) für unterschiedliche Anwendungszweckeerzeugt, zum Beispiel Kartenbild und tabellarische Ausgabe vonDetailinformationen.

– Webfrontend: Mit der Software Mapbender werden die Webdiens-te und Funktionalitäten mit umfangreicher Javascript- und XML-Funktionalität auf einer Webseite integriert, die dann vomNutzer einfach im Browser aufgerufen werden kann. Eine Aus-wahl aus dem vorhandenen Funktionsspektrum:

– Ein- und Ausblenden von Objektgruppen,– Zoom,– Kartenausschnitt verschieben,– Textsuche nach Objekten mit Nachführung des Kartenbilds,– Anzeige von Detailinformationen,– Anzeige von Koordinaten,– Überlagerung mit amtlicher topografischer Karte oder mit

Luftbildern des Landesvermessungsamts.

Zurzeit schränkt die Datenqualität bzw. Vollständigkeit aber nochdie Auswertungsmöglichkeiten ein. Nicht bei allen Auswanderernist der Herkunftsort bekannt oder richtig verzeichnet, diese Perso-nen fallen aus dem GIS heraus. Bei der Auswanderung ganzerFamilien sind auch nur die Detailinformationen des Familienvor-stands erfasst. So verbergen sich hinter einem Eintrag oft mehrerePersonen. Ebenso weisen die Daten über die Zielorte größereLücken auf, obwohl in einzelnen Fällen auch mehrere Stationenvermerkt sind. Eine Auswertung im Kartenbild steht noch aus, daim Datenbestand historische und aktuelle Ortsbezeichnungenvermischt sind und sich darum die Zielorte nicht einfach definierenlassen. �

Tilo Wütherich, Stuttgart

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

289

DAS LANDESARCHIVBADEN-WÜRTTEMBERG ALSKOOPERATIONSPARTNER IMEU-PROJEKT BERNSTEIN –THE MEMORY OF PAPERS

FUNKTIONALITÄT VON WASSERZEICHENDas Landesarchiv Baden-Württemberg ist auch Kooperationspart-ner im Projekt Bernstein – das Gedächtnis der Papiere,1 das imRahmen des EU-Progamms eContentplus gefördert wird. DiesesProjekt dient nicht etwa der Erforschung von Edelsteinen, sondernes dient der Erforschung von Papieren, genauer gesagt von Wasser-zeichen. Vergleichbar mit einem Bernstein, in dem man ein Insekterkennen kann, wenn man ihn im Licht betrachtet, scheint durchPapiere zwischen den Maserungen von Binde- und Kettdrähten einWasserzeichen. Sie geben Auskunft über den Herstellungsort undden Herstellungszeitraum, die Produktionsart und -werkzeugesowie über die Papiermühle und die verarbeiteten Rohstoffe. Diesekomplexen Informationen eines Papiers erlauben Rückschlüsse aufdas ökonomische, soziale und kulturelle Umfeld seiner Herkunft.Die Schöpfsiebe aus engem Drahtgeflecht, die zur Herstellung vonPapieren genutzt werden, haben aufgrund der Beanspruchungwährend des Produktionsprozesses nur eine begrenzte Lebensdauer.Daher ist die Datierung von Papieren, seien es Karten, Handschrif-ten, Kunstwerke oder andere Informationsträger auf Papier, miteiner Variablen von fünf Jahren mittels der Wasserzeichensammlun-gen in Archiven und Bibliotheken möglich – wenn identische unddatierte Zeichen vorliegen. Die international größte Wasserzeichen-kartei befindet sich im Landesarchiv Baden-Württemberg – Haupt-staatsarchiv Stuttgart – Bestand J 340, mit rund 95.000 Nachweisen,die seit 2006 in digitaler Form unter www.piccard-online.de imInternet zugänglich sind.

FAKTEN ZUM PROJEKT Bernstein kann als Nachfolgeprojekt des DFG-finanzierten Piccard-Projekts bezeichnet werden. Während der Realisierung von Piccard-Online stand die Digitalisierung der Wasserzeichenkartei und dieImplementierung der Wasserzeichendatenbank im Vordergrund.Bernstein basiert nun unter anderem auf den digitalen Sammlun-gen aus Deutschland,2 den Niederlanden3 und Österreich4 undfokussiert die Integration dieser und weiterer europäischer Wasser-zeichendatenbanken auf einer gemeinsamen Plattform. Darüberhinaus werden die Papier- und Wasserzeichendaten mit bibliografi-schen und geografischen (GIS) Inhalten angereichert. Im Projekt-konsortium sind neun Institutionen aus sechs europäischen Län-dern unter der Federführung der Österreichischen Akademie der

Wissenschaften in Wien vertreten. Die Projektlaufzeit beträgt 30Monate und endet im Februar 2009.

RECHERCHEMÖGLICHKEITEN Das Bernstein-Portal bietet dem Nutzer unterschiedliche Zugangs-möglichkeiten in der Recherche:1. die Volltextsuche mit einer einfachen und einer erweiterten

Suchmaske,2. die visuelle Navigation,3. die Komponentensuche.

1. DIE VOLLTEXTSUCHE Im Gegensatz zur Data-Warehouse-Lösung im BAM-Portal,5 setztman im Bernstein-Portal auf eine dezentrale Datenverwaltung undder Nutzung der SRU-Protokolls (Search/Retrieval via URL). DieSuchanfrage wird über http abgesetzt. Die SRU-Schnittstelle greiftauf die dezentralen Datenbanken zu und liefert die Ergebnisse inXML, die gesammelt im Bernstein-Workspace in HTML präsentiertwerden.

2. VISUELLE NAVIGATION Die Wasserzeichen werden in einer vorgegebenen Bilderstruktur ineinzelne Motivgruppen eingeordnet, ohne die bestehende Strukturder lokalen Sammlungen aufzubrechen. Mittels des vorliegendenAbbilds kann der Nutzer nach visuellen Kriterien den Wasserzei-chentyp per Mausklick suchen.

3. KOMPONENTENSUCHE In einer Testphase werden ausgewählte Motive (mit zahlenmäßiggroßen Beständen) nach einem neu bestimmten Beschreibungsmus-ter indexiert. Diese Daten werden im Gegensatz zur Volltextsuche

1 www.bernstein.oeaw.ac.at.2 www.piccard-online.de.3 http://watermark.kb.nl/.4 www.ksbm.oeaw.ac.at/wz/wzma.php.5 www.bam-portal.de.

Bernstein-Portal: Rechercheoberfläche der Kompo-nentensuche

290

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

ARCHIVTHEORIE UND PRAXIS

auf einem Server verwaltet. Die Projektteilnehmer können auf dasgemeinsam genutzte Backend, das Erfassungsmodul, zurückgreifen.Eine dezentrale Beschreibung von neuen Wasserzeichen wird somitermöglicht. Im Gegenzug kann der Nutzer im Frontend, demPräsentationsmodul, aufgrund des voreingestellten gebundenenVokabulars die Treffermenge reduzieren und gelangt zu einenüberschaubaren Ergebnis (vgl. Abbildung).6

ZIEL DES PROJEKTS Das Ziel von Bernstein ist das Bereitstellen von umfassendendigitalisierten Informationen über Papier und Wasserzeichen – eineuropäisches Wasserzeichenportal mit ausreichendem Vergleichs-material datierter Wasserzeichen. Dieses Spektrum soll durch die

verschiedenen Rechercheansätze, die optimale Ergebnisse durcheine unterschiedliche Herangehensweise ermöglichen, und durchdie Mehrsprachigkeit abgerundet werden. Als Zielgruppe des zuerstellenden Informationssystems werden nicht nur Papier- undInkunabelnforscher fokussiert, sondern auch Archivare, Historiker,Bibliothekare, Kuratoren, Kunsthistoriker, Forensiker sowie diePapierindustrie und damit eine breitere Öffentlichkeit. �

Carmen Partes, Stuttgart

DFG-PROJEKT „LBA ONLINE“

6 http://bernstein.iicm.tugraz.at/bernstein/mockups/index.html.

Das Marburger Lichtbildarchiv (LBA) ist die weltweit größteSammlung von Fotographien mittelalterlicher Urkunden im Format1:1. Ende der 20er Jahre vom Marburger Historiker Edmund E.Stengel gegründet, verfügt es über eine Sammlung von ca. 16.000Urkunden in etwa 45.000 Abbildungen. Mittelalterliche Urkundenbesitzen weit über ihren Inhalt hinaus auch durch die äußere

Gestaltung, die Schrift, die grafischen Symbole und die Siegel einehohe Bedeutung für die wissenschaftliche Interpretation undhistorische Einordnung. Stengels Idee war es folglich, die Urkundenals Denkmäler des Mittelalters zu sammeln, zu erforschen und derWissenschaft zugänglich zu machen. Da die Originale in denArchiven ganz Europas liegen, können bestimmte, für die Urkun-

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

denforschung zentrale Fragestellungen ohne erheblichen Aufwandnur im Marburger Lichtbildarchiv, das das verstreute Materialsammelt und zusammenführt, bearbeitet werden. Inhalt des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanziertenProjektes war es, sowohl die Abbildungen als auch die entsprechen-den Findmittel, die beide bisher lediglich in herkömmlicher Formvorlagen, zu digitalisieren, in eine Datenbank einzuspeisen undweltweit verfügbar zu machen. Unter der Leitung von Prof. AndreasMeyer konnten nun Francesco Roberg (wissenschaftliche Koordina-tion), Jürgen Nemitz (fachinformatische Koordination, bis Novem-ber 2007), Lisa Dieckmann (fachinformatische Koordination, abNovember 2007) sowie Sebastian Müller (fachinformatische Koordi-nation) die einschlägigen Findmittel in eine Datenbank einspeisen.Dabei handelt es sich um einen historischen Datenbestand, dereinstweilen noch nicht aktualisiert werden konnte, so dass jüngereEntwicklungen wie etwa die geänderten Signaturen vieler in Bayernverwahrter Urkunden oder neuere Editionen noch nicht nachgetra-gen werden konnten. Diese Findmittel wurden mit den zurzeit etwa4.500 digitalisiert vorliegenden Urkundenabbildungen verknüpftund sind nun unter der Adresse http://lba.hist.uni-marburg.de/lba/pages/ (am besten mit einer neueren Mozilla- oder Firefox-Version

als Browser) zugänglich. Parallel werden die restlichen Abbildungenmit einer digitalen Scanner-Kamera fotografiert und nach und nachin die Datenbank übertragen. Diese erlaubt die – gegebenenfallsauch kombinierte – Suche nach Aussteller, Empfänger, verwahren-dem Archiv, Druck oder Regest, Ausstellungsort sowie weiterenKriterien. In einer ersten Ansicht werden sämtliche Treffer durcheinen Thumbnail der Urkunde sowie den zur Identifizierungnötigen Angaben angezeigt. Im Anschluss kann der Benutzer einenTreffer auswählen und erhält eine größere Ansicht der Urkundesowie sämtliche vorliegende Daten angezeigt. Die Anwendungermöglicht zudem eine virtuelle Rotation der Abbildung sowie dasZoomen bis zur ca. achtfachen Größe. Durch ein Tool ist es fernermöglich, die nun große Abbildung mit Hilfe der Maus auf demBildschirm zu bewegen, und so einzelne Teile ohne Scrollen in denBlick nehmen zu können. Über einen personalierten Zugangkönnen Arbeitsmappen für Forschungsprojekte, Vorträge oder dieLehre angelegt und verwaltet werden. Die Implementation weitererKomponenten ist geplant. �

Francesco Roberg, Marburg

291

AUS DEN AKTEN AUF DIE BÜHNE

AUSWEISUNGEN AUS BREMEN IN DEN1920ER JAHREN Unter diesem Motto stand im vergangenen Jahr ein spannendesund hoch aktuelles Geschichts- und Theaterprojekt an der Univer-sität Bremen. Studierende und Schauspieler der bremer shakespearecompany (bsc) entwickelten und inszenierten anhand von Beschwer-deakten eine szenische Lesung über die Ausweisung „lästigerAusländer“ aus Bremen in den 1920er Jahren.Der „lästige Ausländer“ taucht erstmalig Mitte des 19. Jahrhundertsin der Behördensprache auf. In der Weimarer Republik wird er inder amtlichen Terminologie zu dem Grund der Ausweisungschlechthin. Wer oder was als „lästig“ galt, war nicht gesetzlichdefiniert, sondern wurde von den Behörden von Fall zu Fall be-stimmt. Gegen eine Ausweisung gab es keine Rechtsmittel. Nur miteiner Beschwerde an den Bremer Senat konnte dieser Vorgangaufgehalten und in seltenen Fallen auch abgewendet werden.Einige der Ausgewiesenen ergriffen diese Chance und wandten sichallein oder mit Unterstützung von Angehörigen, Rechtsanwälten,Pastoren an den Bremer Senat. Diese Beschwerdeakten sind imStaatsarchiv Bremen überliefert und bildeten die Grundlage für dieeindrucksvolle Lesung.Die Studierenden haben unter der Leitung der Historikerin EvaSchöck-Quinteros die Unterlagen gesichtet, abgeschrieben und„typische“ Ausweisungsverfahren ausgewählt, d. h. Verfahren, die

aufzeigen, nach welchen Kriterien die „Lästigkeit“ konstruiertwurde: kriminelle Delikte, politische Gesinnung, ethnische Her-kunft, unsittlicher Lebenswandel. Die Schauspieler der bsc ließendie beteiligten Akteure und Akteurinnen zu Wort kommen: Polizis-ten und Politiker auf der einen Seite, die zu „lästigen Ausländern“erklärten Menschen, ihre Angehörigen, Rechtsanwälte, Nachbarn,Genossen und Kollegen auf der anderen Seite. Der Ort der Auf-führung war gut gewählt. Der Schwurgerichtssaal im BremerLandgericht bot mit seiner aufwändig geschnitzten hohen Kasset-tendecke und dem alten Gestühl eine ehrfurchtsgebietende Kulisse,auch wenn hier in den 1920er Jahren keines der Ausweisungsverfah-ren verhandelt worden ist. Die Lesung zeigte eindrücklich, wie der Begriff der „Lästigkeit“immer wieder neu konstruiert und von Fall zu Fall entschiedenwurde. Die Zuschauer/innen fragten sich: Und wie ist es heute?Matthias Stauch, Präsident der Oberverwaltungsgerichts Bremen,meinte, Ausweisung sei heutzutage, „ein schlichter Verwaltungs -akt“,1 gegen den es genügend Rechtsmittel gäbe. Für die Rechtsan-

1 Zit. nach Anika Grabenhorst/Hanno Jochemich: „Eine Ausweisung ist einschlichter Verwaltungsakt“. Zur Vergleichbarkeit der Ausweisungsverfah-ren zwischen Weimarer Republik und Bundesrepublik Deutschland, in:Grund der Ausweisung: Lästiger Ausländer. Ausweisungen aus Bremen inden 1920er Jahren. Begleitband zu der szenischen Lesung mit der bremershakespeare company. Hrsg. von Sigrid Dauks und Eva Schöck-Quinteros.Bremen 2007, S. 13. Der Band ist zum Preis von 8,50 Euro zu beziehen über:Dr. Schöck-Quinteros, [email protected].

292

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

ARCHIVTHEORIE UND PRAXIS

wältin Christine Gräbsch dagegen, „lesen sich die Aktenauszügeaus der Weimarer Zeit [...] nicht wesentlich anders als die heutigeAusweisungsrealität.“2

Das Bremer Projekt reiht sich ein in eine neue Form des Dokumen-tartheaters, das sich bei der Darstellung komplexer gesellschaft-licher Themen auf die Aussagekraft von Originaldokumentenverlässt. „Diese Texte bedürfen keiner Zuspitzung, keiner Umfor-mung in eine dramatische Handlung. Die Faktizität der Ereignisseist den Konventionen von Bühnentexten haushoch überlegen. Derdokumentarische Umgang im Theater ermöglicht die Auseinander-setzung mit einer uns heute noch betreffenden Diskussion in einerArt und Weise, wie sie nur im Theater zu leisten ist.“3 Archive undBibliotheken haben als „Orte des kollektiven Gedächtnisses“ fürdieses neue Dokumentartheater eine wichtige Rolle, denn sieverwahren das Material, das die Erarbeitung der Stücke erst ermög-licht.Die Studierenden haben an dem Projekt engagiert mitgearbeitet:Einige haben zum ersten Mal mit Originalquellen im Archivgearbeitet und das „Begreifen“ der Schriftstücke als haptische undintellektuelle Auseinandersetzung erfahren: „Schon das bloßeAnschauen und Berühren der vergilbten, teilweise handschrift-lichen Briefe gibt einem das unglaubliche Gefühl, der Vergangen-heit ganz nahe zu sein. Diese Sinneseindrücke können nur dieAkten selbst vermitteln.“4 Neben den Recherchen im Archiv verfass-ten sie Texte für den Flyer und den Begleitband, der das Projekt unddie Ausweisungsverfahren dokumentiert sowie historische undaktuelle Hintergrundinformationen bereithält. Sie gestalteten eineWebsite und übernahmen einen Teil der Presse- und Öffentlich-

keitsarbeit. „Hier wurde die Möglichkeit geboten, sich mit derhistorischen Dimension eines aktuellen Themas auseinanderzuset-zen und gleichzeitig aktiv an der Veröffentlichung der Ergebnisseteilzuhaben – eine Gelegenheit, die sich im Studium in dieser Weisenicht allzu oft bietet.“5 Dieser Meinung war auch die Jury desBundesministeriums für Forschung und Bildung, die das Projekt imWettbewerb „Geist begeistert“ auszeichnete und mit dem Preisgeldseine Realisierung erst möglich machte.Aufgrund des großen Erfolges wurde die szenische Lesung wiederin den Spielplan der shakespeare company aufgenommen. NähereInformationen sowie Reaktionen in der Presse sind zu finden unter:www.grund-der-ausweisung.de.Es ist zu wünschen, dass diese gelungene Kooperation zwischenTheater, Justizbehörde, Staatsarchiv und Universität (nicht nur inBremen) eine Fortsetzung finden wird. Für 2009/2010 sind weitereProjekte geplant: zur Bremer Räterepublik, zur 1848er Revolutionund zur Reichspogromnacht in Bremen. �

Sigrid Dauks, Bremen

WORKSHOP „ARCHIVFACHLICHEZEITSCHRIFTEN“

2 Christine Gräbsch: Ausweisungsrecht heute: Ausschluss aus dem Recht vor-behalten?, in: Dauks/Schöck-Quinteros (Hrsg.), S. 142.

3 Hans-Werner Kroesinger: Vorsicht Dokumentartheater. Kann aus Archiv-material spannendes Theater entstehen?, in: Archivnachrichten (2007) Nr.35, S. 22.

4 Mieke Hagenah/Anika Grabenhorst: Ein Leben zwischen zwei Akten-deckeln - Der Bestand 3-A.10. im Staatsarchiv Bremen, in: Dausk/Schöck-Quinteros (Hrsg.)., S. 13.

5 Projektbericht, in: Dauks/Schöck-Quinteros (Hrsg.), S. 157.

„Das wird ja eine überschaubare Runde.“ – mit dieser Äußerungeines Kollegen sah sich die Verfasserin bei der Vorbereitung einesWorkshops archivfachlicher Zeitschriften konfrontiert. Die erstenRecherchen im Vorfeld zeigten aber schnell ein anderes Bild: Diedeutsche Archivlandschaft verfügt über eine vergleichsweise großeZahl von Fachzeitschriften. Neben den beiden großen spartenüber-greifenden und bundesweit rezipierten Zeitschriften (ArchivalischeZeitschrift und Archivar) gibt es zahlreiche regionale oder sparten-spezifische Blätter mit z. T. erstaunlicher Auflagenhöhe (bis zu 5.500bei den Archivnachrichten Baden-Württemberg).Auf Einladung des „Archivar“ kamen am 20. Februar 2008 erstmalsVertreter(innen) verschiedener Archivzeitschriften in der VdA-Geschäftsstelle in Fulda zu einem Erfahrungsaustausch zusammen.Einen ersten Überblick über das Spektrum der einschlägigenFachzeitschriften bietet die vom VdA bei den Teilnehmer(innen)erhobene Liste mit Angaben zu Titel, Ansprechpartner(in), heraus-gebender Institution, Erscheinungsform und -frequenz (s. Anlage).Sicherlich ist die Liste, die vom VdA weiter gepflegt wird, noch

nicht vollständig, sie kann aber einen ersten Ausgangspunkt für einInformationsangebot zu deutschen archivfachlichen Zeitschriftenim Internet bieten – ein Wunsch, der von verschiedenen Seiten inFulda an den Berufsverband herangetragen wurde, und dem ergerne entsprechen wird.

VORSTELLUNG DER ZEITSCHRIFTEN

Alle Teilnehmer(innen) stellten die von ihnen betreute Zeitschriftkurz vor und informierten dabei über folgende Themen: Geschichteder Zeitschrift, herausgebende Institutionen, Zielgruppen, Publika-tionszweck, Erscheinungsformen, Inhalte, Lay-out, rechtlicheFragen, Organisationsformen, Auflagenhöhe, Vertriebswege undFinanzierungsmodelle.Das Spektrum reicht von der 1876 gegründeten „ArchivalischenZeitschrift“ bis zum Online-Forum AUGIAS.Net aus den 90erJahren oder der Zeitschrift „Archive in Bayern“, die es in dieserForm erst seit 2003 gibt. Als herausgebende Institutionen treten

Teilnehmer(innen) des Workshops in Fulda

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

staatliche und kommunale Archivverwaltungen, Fach- und Landes-gruppen des VdA sowie spartenspezifische Berufsverbände inErscheinung. Einige Zeitschriften zielen nicht nur auf ein begrenz-tes Fachpublikum (bundesweit, ggf. auch international, regionalspe-zifisch oder auch archivintern), sondern wenden sich auch anNutzer(innen), Verwaltung, Schüler(innen) sowie allgemein an einean historischen und kulturellen Themen interessierte Öffentlich-keit. Entsprechend umfangreich ist auch die Bandbreite der Publi-kationszwecke: Die Zeitschriften wollen der vertretenen Berufs-gruppe ein Forum bieten (Archiv und Wirtschaft), sie wollen einBindeglied zwischen Archiven unterschiedlicher Regionen undSparten sein (Archivar), sie dienen der kommunalen Archivpflege(Archive in Bayern), sind ein PR-Instrument der herausgebendenArchivverwaltung (Sächsisches Archivblatt) oder auch als „Kunden-magazin“ (Archivnachrichten Baden-Württemberg“) konzipiert.Neben dem reinen Online-Forum AUGIAS.Net sind alle in Fuldavertretenen Zeitschriften in irgendeiner Form im Internet präsent.Zum Teil sind die Hefte zeitgleich mit der Print-Ausgabe im Netzabrufbar, zum Teil sind sogar alte Jahrgänge für die Einstellung insNetz digitalisiert worden. Einige Zeitschriften beschränken sichaktuell auf die Einstellung von Inhaltsverzeichnissen und anderenausgewählten Inhalten. Auf die Print-Version möchte zurzeit nie-mand verzichten. In der Diskussion wurde deutlich, dass mehrereZeitschriften bzgl. der Veröffentlichungsform der Inhalte differen-zieren: Aktuelle Nachrichten und Termine eignen sich besonders

für die tagesaktuelle Online-Veröffentlichung. In diese Richtunggehen z. B. die Pläne des Landesarchivs Baden-Württemberg für dieArchivnachrichten oder die Beschränkung des Veranstaltungskalen-ders im Archivar auf die elektronische Form. Insofern sahen dieTeilnehmer(innen) auch keine Konkurrenz zu Online-Foren: Dieseergänzten die traditionellen Fachzeitschriften vielmehr in willkom-mener Weise.Inhaltlich rekrutieren sich viele Zeitschriften aus Vorträgen aufArchivtagen und anderen Fachtagungen. Neben längeren Aufsätzenfinden sich v. a. kürzere Berichte über Tagungen und archivfachlicheNeuigkeiten sowie Informationen zu Adress- und Personalverände-rungen. Einige Zeitschriften verzichten aufgrund des damit verbun-denen hohen redaktionellen Aufwands bewusst auf Rezensionen.Weniger verbreitet sind Interviews oder humoristische Beiträge. Beider Rekrutierung und Auswahl der Inhalte werden viele Redaktio-nen von einem Beirat unterstützt. Je nach Zielgruppe beschränkensich Beiträge auf archivfachliche Fragen oder beziehen auch (regio-nal-)historische Themen mit ein. Bei vielen Zeitschriften besteht dieTendenz, in den einzelnen Ausgaben Themenschwerpunkte zubilden. Eine aktive Redaktionstätigkeit wird allgemein als Beitrag zumehr Planungssicherheit befürwortet. In Fragen des Lay-outs istinsgesamt ein Trend zu mehr Professionalität erkennbar. VieleZeitschriften haben sich aus „Copy-Shop-Anfängen“ hin zu einemprofessionell gestalteten Medium entwickelt und wurden bzw.werden aktuell umgestaltet.

293

294

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

ARCHIVTHEORIE UND PRAXIS

Rechtliche und organisatorische Fragen geraten vermehrt in dasBlickfeld der Redaktionen. Autorenverträge sind aber bei archivfach-lichen Zeitschriften bislang die Ausnahme. Die Bandbreite dervorgestellten Organisationsformen reichte vom Verlagsprodukt überMischformen bis zum reinen Selbstverlag, bei dem außer demDruck keine Aufgaben extern vergeben werden. Die Redaktion ist inder Regel fest bei einem Archiv oder in einer Fachgruppe verankert.Die Zeitschriften nutzen verschiedene Vertriebswege: Versendungan Abonnenten im Postzeitungsdienst oder als Büchersendung,Verkauf von Einzelheften, Auslage in Lesesälen, auf Tagungen etc.Zahlreiche Zeitschriften werden entweder grundsätzlich kostenlosabgegeben oder an Mitglieder eines Verbandes im Rahmen derMitgliedschaft kostenlos versendet. Die Bandbreite der Finanzie-rungsmodelle ist ebenfalls relativ groß: Einzelne Zeitschriftenwerden entsprechend dem beabsichtigten Zweck (PR für das Archiv,interne Öffentlichkeitsarbeit in der eigenen (Archiv-)verwaltung)komplett aus dem Haushalt des Herausgebers getragen. Anderefinanzieren sich über Anzeigen. Das Anzeigengeschäft kann dabeientweder an einen Verlag ausgelagert sein oder von der Redaktionselber betrieben werden.

THEMATISCHE ABSTIMMUNG ZWISCHENARCHIVZEITSCHRIFTEN

Gegenstand der Diskussion auf dem Workshop in Fulda war auchdie thematische Abstimmung zwischen den verschiedenen Fachzeit-schriften. Die Verfasserin präsentierte den Archivar als eine über-regionale und spartenübergreifend bundesweit bzw. internationalverbreitete Archivzeitschrift. Dieses Profil des Archivar stieß in derRunde allgemein auf Zustimmung. Da ein Heft des Archivar ausproduktionstechnischen Gründen nicht mehr als 100-110 Seitenbeinhalten kann, muss die Redaktion Beiträge im Sinne des vorge-stellten Profils auswählen und Anderes ggf. ablehnen. Im Beirat desArchivar wurden deshalb Kriterien entwickelt, die der Auswahl derBeiträge zugrunde liegen und als redaktionelle Grundsätze hiersowie auf der Homepage des Archivar veröffentlicht werden:

Berichterstattung zu regionalen Tagungen bzw. aus regionalenArbeitskreisen im Archivar (allgemeiner Teil) – redaktionelleKriterien

– Die Tagung bzw. der Arbeitskreis soll ein größeres regionales Gebiet abdecken. Minimum: Landesebene bzw. bei großen Bundesländern auch größere Landes-teile (z. B. Archivtage in Westfalen und im Rheinland).

– Die Berichterstattung soll auf archivfachliche Themen beschränkt sein, z.B. keine Berichterstattung über Rahmenprogramm, Grußworte, historisch ausgerich-tete Beiträge.

– Die Berichterstattung soll sich auf archivfachliche Themen konzentrieren, die von bundesweitem Interes-se sind, z. B. geringere Berichtsintensität bei regionalspezifischen Themen.

– Möglichkeiten zur Publikation in anderen Fachorga-nen (z. B. regionale Archivzeitschriften) sind zu prüfen.

– Welche Zielgruppe soll erreicht werden? Archivar(inn)en der Region? Dann sollte der Beitrag vorzugsweise im regionalen Umfeld erscheinen. Archivar(inn)en bundesweit? Dann ist der Archivar das geeignete Medium.

– Informationen zu Belangen der Landesgruppen des VdA (z. B. Neuwahlen) werden in den Mitteilungen und Beiträgen des VdA veröffentlicht.

– Es ist empfehlenswert, Umfang und Inhalt eines geplanten Beitrags im Vorfeld mit der Redaktion abzustimmen.

– Die Entscheidung über Veröffentlichung und Erschei-nungsdatum der Beiträge liegt bei der Redaktion des Archivar. Beiträge von übergreifendem fachlichen Interesse werden gegenüber regionalspezifischen Beiträgen bevorzugt. Die Redaktion kann Beiträge unter Vorbehalt annehmen.

Zeitschrift Kontakt(Name mit Tel., Mail)

Anzahl, Ausgabenim Jahr

Erscheinungs-termine

Print Online

Archiv und WirtschaftDr. Detlef Krause M.A.Commerzbank AG, Frankfurt069/[email protected]

4 Quartalsende xx

PDF

Archivalische ZeitschriftDr. Gerhard HetzerBayerisches [email protected]

1in der Regel im Herbst

eines Kalenderjahres

x

Archivar. Zeitschrift für ArchivwesenDr. Martina WiechLandesarchiv Nordrhein-Westfalen0211/[email protected]

4Februar, Mai,

Juli, Novemberx x

Archive in BayernDr. Maria Rita SagstetterStaatsarchiv Amberg09621/[email protected]

alle 2 Jahre x

Archive in ThüringenDieter Marek/Katrin BegerThüringisches Staatsarchiv [email protected]@staatsarchive.thueringen.de

1 September x x

ARCHIVnachrichten aus HessenDr. Christiane HeinemannWiesbaden0611/[email protected]

201. Juni

01. Dezemberx

xPDF

ArchivnachrichtenBaden-Württemberg

Dr. Wolfgang Zimmermann0711/[email protected]

2 März, September xx

PDF

Archivnachrichten NiedersachsenRose Scholl05131/[email protected]. Birgit Kehne0541/[email protected]

1 März x x

Archivpflege in Westfalen-LippeSusanne Heil0251/[email protected]

2 April, Oktober xx

PDF

AUGIAS.NetDr. Jens MurkenSchlosshofstraße 18433615 [email protected]

täglich x

Aus evangelischen ArchivenDr. Stefan FleschArchiv der Evangelischen Kirche im Rheinland0211/[email protected]

1 Oktober, November x

Brandenburgische ArchiveKärstin Weirauch0331/[email protected]

1zum Brandenburgischen

Landesarchivtagx

xPDF

Info 7Hans-Gerhard StülbDeutsches Rundfunkarchiv0611/[email protected] Rosenfeld040/[email protected]@fg7.de

3April, September,

Dezemberx

Mitteilungen aus dem BundesarchivGisela Müller0261/[email protected]

2April,

November/Dezemberx

xPDF

Sächsisches ArchivblattDr. Jörg LudwigSächsisches Staatsarchiv0351/[email protected]

2 Mai, November xx

PDF

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

295

Abschließend präsentierte die Verfasserin das von allen Teilneh-mer(innen) mit Spannung erwartete neue optische Erscheinungs-bild des Archivar und berichtete über den Umstrukturierungspro-zess. Am Schluss eines langen Tags in Fulda stand eine positive Bilanz:Der gemeinsame Erfahrungsaustausch erwies sich als so anregend

und fruchtbar, dass mehrfach der Wunsch nach einer Wiederho-lung in angemessenem zeitlichen Abstand geäußert wurde. �

Martina Wiech, Düsseldorf

296

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

ARCHIVTHEORIE UND PRAXIS

Zur 65. Fachtagung rheinland-pfälzischer und saarländischerArchivarinnen und Archivare hatten sich am 21. Mai 2007 dieKolleginnen und Kollegen aus den beiden Bundesländern undLuxemburg im Festsaal des Rathauses St. Johann in Saarbrückeneingefunden. Bei der Begrüßung bezeichnete der Direktor desLandesarchivs Saarbrücken Ludwig Linsmayer den Tagungsschwer-punkt Bestandserhaltung als facettenreiches und für die täglichearchivische Arbeit bedeutendes Thema. In ihrem Grußwort würdig-te Oberbürgermeisterin Charlotte Britz die vielfältigen Aktivitätendes Stadtarchivs, das voraussichtlich Ende 2009 seinen neuenStandort beziehen wird. Im ersten, durch eine eindrucksvolle praktische Demonstration imFoyer abgerundeten Vortrag1 informierte Helge Kleifeld (NeschenAG) über Aspekte der Massenentsäuerung von Archivgut underläuterte vornehmlich anhand seines Leitfadens2 die erforderlichenArbeitsschritte zur Durchführung eines Massenentsäuerungspro-jekts von der Mittelbeschaffung über die Schadensanalyse, dieSperrung der Bestände, die an die Dienstleister zu vergebendenProbeaufträgen und die entsprechenden unverzichtbaren Leistungs-kontrollen bis zum Abschluss des Projekts. Insgesamt sah derReferent, der sich auch zur Erhaltung der Originalunterlagenbekannte, keine Alternative zur Massenentsäuerung. In einer prägnanten und anschaulichen Präsentation wandte sichMarcus Stumpf (Landesarchiv Nordrhein-Westfalen TechnischesZentrum, jetzt: LWL-Archivamt für Westfalen) den „Konservatori-schen und restauratorischen Maßnahmen bei schimmelbefallenemArchivgut“ zu. Nach einem Blick auf die Charakteristika vonSchimmelsporen und die sichtbaren, riechbaren und fühlbarenAlarmzeichen beschrieb er die von der Arbeitsmedizin in dreiKategorien (Infektionskrankheiten, allergene und toxische Wirkungvon Schimmelpilzen) unterteilten Gesundheitsrisiken für denMenschen und zeigte diverse Schadensbilder am Archivgut. Da„Schadensprävention als wirtschaftlichste konservatorische Maß-nahme“ gilt, empfahl er eine Orientierung an verschiedenen Nor-men und Empfehlungen des Bestandserhaltungsausschusses derARK. Ausführlich beleuchtete der Referent die Schadenspräventionim Magazin und in den Archivräumen (Klima und Klimakontrolle),die Reinigung von Neuzugängen, aber auch die Bedeutung derSchadensprävention in der Behördenberatung und verdeutlichte ampraktischen Beispiel das Vorgehen im konkreten Schadensfall beider Übernahme von Grundakten und Grundbüchern eines westfä-lischen Amtsgerichts.Ebenfalls anhand informativer Illustrationen aus dem Hauptstaats-archiv Stuttgart präsentierte Wolfgang Mährle (LandesarchivBaden-Württemberg) seine praktischen Erfahrungen zur Magazi-

nierung von Fotomaterialien und Sonderformen. Sein Streifzugdokumentierte gleichermaßen die historische und archivischeBedeutung der Fotobestände, die durch ihre verschiedenen Träger-materialien (Glasplatten, konventionelle Fotografien) konservatori-sche Probleme aufwerfen und in den verschiedensten Formen alsEinzelstücke, in Alben und Rahmen, aber auch als Planfilmnegativeoder auf Kartonage aufgeklebt und in schädliche Pergamin- undKunststoffhüllen verpackt ins Archiv gelangen. Nach einem an denbekannten „Faustregeln für die Fotoarchivierung“3 orientierten undauch die sachgemäße Lagerung der Fotos im Archiv einschließen-den Überblick betrachtete er die Fotokonservierung, -restaurierungund -digitalisierung, wobei vor allem die Digitalisierung demSchutz der Originale dient. Ein Ausblick auf die Karten- undPlansammlung rundete den umfassenden Erfahrungsbericht ab.In einem Vortrag und einer Führung stellte die Leiterin des Stadtar-chivs Saarbrücken Dr. Irmgard Christa Becker die Tagungsstätte,den Rathausfestsaal und das zwischen 1897 und 1900 von GeorgRitter von Hauberrisser (1841–1922) errichtete Rathaus St. Johann4

vor und skizzierte die damit eng verbundene Geschichte der Stadtund Region. �

Wolfgang Müller, Saarbrücken

65. FACHTAGUNGRHEINLAND-PFÄLZISCHERUND SAARLÄNDISCHERARCHIVARINNEN UND ARCHIVARE

1 Alle Vorträge werden in „Unsere Archive. Mitteilungen aus rheinland-pfäl-zischen und saarländischen Archiven Nr. 53 (2008)“ publiziert.

2 Vgl. Helge Kleifeld: Bestandserhaltung und Massenverfahren. PraktischeDurchführung von Massenentsäuerungsprojekten, Rheinisches Archiv-und Museumsamt, Archivberatungsstelle, Archivhefte 36, Essen 2006.

3 Vgl. Sebastian Dobrusskin, Wolfgang Hesse, Martin Jürgens, Klaus Pollmei-er, Marjen Schmidt: Faustregeln für die Fotoarchivierung. Ein Leitfaden. 4.Auflage Esslingen: Museumsverband Baden-Württemberg, 2001 (RundbriefFotografie; Sonderheft 1). Die aktualisierte 5. Auflage wird im Sommer/Herbst 2008 erscheinen.

4 Irmgard Christa Becker (Hrsg.): 100 Jahre Rathaus St. Johann. Ausstellungzum hundertsten Geburtstag des Rathauses St. Johann vom 4.8. - 8.9.2000,Rathaus St. Johann und Sparkasse Saarbrücken „Am Rathausplatz“, Saar-brücken 2000.

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

In der Geschichte waren die drei Universitäten Halle, Jena undLeipzig harte Konkurrenten – in der Gegenwart überwiegen diegemeinsamen Interessen. Als jüngster Spross ist im Sommer 2007 aus dem mitteldeutschenUniversitätsverbund ein Archivverbund erwachsen. Unter wohlwol-lender Förderung der Hochschulrektoren haben sich die dreiUniversitätsarchive in Halle, Jena und Leipzig zu einer regionalorientierten Gruppe verbunden, die auch anderen Hochschul-archiven zur archivfachlichen und wissenschaftlichen Orientierungdienen soll.Kernaufgabe dieses Verbundes ist die Bewahrung sowie die öf-fentliche Vermittlung der historischen Vergangenheit, die in denArchiven überliefert ist. In den drei Universitätsarchiven finden sichschätzungsweise 15.000 Regalmeter an historischen Aufzeichnun-gen, darunter mehrere hunderttausend Bilder und über 1.000Filmrollen. Alle drei Universitätsarchive zeichnet derzeit auch einimmenser Besucherandrang aus. 2008 feiert die Universität Jena ihr450-jähriges Gründungsjubiläum und ein Jahr später kann Leipzigauf 600 Jahre ununterbrochenes Bestehen zurückblicken. Dabei waren die drei nahe beieinander gelegenen Hochschulenzunächst Konkurrenten. Denn während es früher die gut betuchtenStudenten in die Messestadt zog, lächelte man dort über die armenSchlucker (Mucker) aus Halle, die Schluckspechte aus Wittenbergoder die Raufbolde (Eisenfresser) aus Jena. Auswärtige Doktoren –besonders Mediziner – sah man in Leipzig dagegen gar nicht gern.Wollte ein Hallenser Arzt sich in Sachsen niederlassen, musste ernoch im 19. Jahrhundert eine strenge und teure Sonderprüfung vorder Leipziger Fakultät bestehen. Neben den eigentümlichen Sonder-interessen der drei Hochschulen findet sich aber schon in derVergangenheit immer wieder Verbindendes – und sei es nur dasgroße Reservoir an hochkarätigen Fachleuten, die zwischen dennahen Hochschulen wechselten.So kam Paul Koebe (1882–1945), einer der Kollegen des bedeuten-den Mathematikers Felix Klein (1849–1925), aus Jena nach Leipzigund lieferte ihm wichtige theoretische Vorlagen. Seit 1910 lehrte erabwechselnd in Leipzig und Jena. Schließlich wurde er 1926 aufeine ordentliche Professur in Leipzig berufen und arbeitete mit derForschergruppe um den Leipziger Nobelpreisträger Werner Heisen-berg eng zusammen. Zu dessen Institutskollegen zählte wiederumder Experimentalphysiker Gerhard Hoffmann (1880–1945), der 1937von Halle nach Leipzig wechselte, um in Sachsen Zyklotronforsch-ungen vornehmen zu können.Eingedenk dieser vielen historischen Berührungspunkte fandensich am 19.12.2007 die drei Universitätsarchive aus Halle, Jena undLeipzig, erweitert um eine große Zahl interessierter Kollegen aus

297

MITTELDEUTSCHERARCHIVWORKSHOP IMUNIVERSITÄTSARCHIV LEIPZIG

den mitteldeutschen Hochschularchiven, im UniversitätsarchivLeipzig ein. Die Frage nach Schnittstellen zwischen Verwaltungenund Archiven bot als Motto Platz für juristische, technische undhistorische Fragestellungen. Das gemeinsame Anliegen wurde dabeischnell deutlich: es ist die Sorge um eine nachhaltige Sicherung derschriftlichen Hochschulüberlieferung für juristische,verwaltungsmäßige und historische Zwecke. Denn nur so gut wiesein Archiv wird auch der Nachruhm jeder hohen Schule sein.Insbesondere die neuen Kommunikationsformen per Mail oderüber Messenger lassen eine geordnete Schriftgutablage gar nichterst entstehen. In den Diskussionen wurde auch deutlich, dass derGesetzgeber bereits elektronische Speicherverfahren fordert, diejedoch erst langsam praxisreif werden. Besonders flüchtig undstöranfällig sind neuartige Mischformen, in denen Informationengetrennt als sogenannte Hybrid-Akten (halb als Datenbanken undhalb als Papierakten) geführt werden. Zu den Referenten der erstenTagungsinhalte gehörten daher auch Juristen aus den universitärenRechtsabteilungen, vom Sächsischen Rechnungshof und von derDeutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland. Das die Archive aber auch eine Vorbildfunktion für die historischeKommunikation und die Öffentlichkeitsarbeit tragen, indem sieBegehrlichkeiten nach historischen Bezügen wecken und derartigeTendenzen nach Kräften zu pflegen verpflichtet sind, wurde imzweiten Tagungsbereich fokussiert. Schwierige Gesetzeslagen, denendie Archivare hinsichtlich des Personen- und Datenschutzes unter-worfen sind, erfordern eine Gratwanderung, so der Tenor in derRunde, um dennoch eine Alumniarbeit und wichtige Öffentlichkeit-sprojekte oder fachhistorische Untersuchungen zu ermöglichen. Diegemeinsame Projektarbeit mit Partnern innerhalb und außerhalbder Universitäten bieten dabei zukunftsweisende Wege, sie stärkendie strategische Aufstellung der personell schwach besetzten Univer-sitätsarchive und sie bringen neue Ideen bzw. und Erfahrungen indie Archivlandschaft. In Leipzig entsteht aus einem dieser Projekteeine gemeinsame Fotodatenbank mit dem Dezernat fürÖffentlichkeitsarbeit der Universität. Die etwas über 30 Tagungsteilnehmer verließen Leipzig mit einemguten Gefühl, zahlreichen Anregungen und praktischen Lösungs -modellen. Im Frühjahr 2008 wird sich der Archivverbund in Jenamit Fragen von Schutz- und Sperrfristen bei der Archivalienbe-nutzung beschäftigen. �

Jens Blecher, Leipzig

298

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

ARCHIVTHEORIE UND PRAXIS

DAS JAPANISCHENATIONALARCHIV

EINDRÜCKE VON EINEM BESUCHIM APRIL 2007

Der japanische Staat ist derzeit zentral organisiert. Er ist in 47Präfekturen strukturiert, die sich wiederum in politische Gemein-den gliedern. Tokio hat als solche Gemeinde 1943 aufgehört zuexistieren. Der Name Tokyo hängt nunmehr an einer besonderenPräfektur, „Metropole“ genannt (Tokyo-To), die (neben umliegen-den Kleinstädten und Dörfern) 23 quasi-selbständige Stadtgemein-den umfasst, Ku genannt (bedeutet andernorts und eigentlich„Großstadtbezirk“). Im Zentrum des alten Tokio, in der Stadtge-meinde Chiyoda (Chiyoda-Ku / Chiyoda City), an prominenterStelle zwischen dem Kaiserlichen Palast im Süden und dem Kita-nomaru-Park im Norden, befindet sich das Hauptgebäude desjapanischen Nationalarchivs. Im Foyer laden zahlreiche und kom-fortable Sitzmöglichkeiten, Ausstellungen und eine per riesigemFlachbildschirm präsentierte Info-Sendung zum Verweilen ein. Seit der Meiji-Periode (1868–1912) wurden in Japan Unterlagen derhöchsten Verwaltungsorgane durch Ministerien aufbewahrt. 1959empfahl der japanische Wissenschaftsrat der Regierung die Einrich-tung eines Nationalarchivs, um dem Verlust von Unterlagen entge-genzuwirken und öffentlichen Zugang zu ihnen herzustellen. 1971wurde das Nationalarchiv eingerichtet. Neben der Aufbewahrungvon Verwaltungsunterlagen und anderer historischer Materialienzählten bereits Ausstellungs- und Forschungsarbeiten zu denwichtigsten Tätigkeiten. Das Nationalarchiv wurde am 1. April 2001als eine unabhängige Verwaltungseinrichtung definiert, zuvor wares dem Premierminister untergeordnet. Das Jahresbudget beträgtetwa 44 Millionen Euro. Das Nationalarchiv ist aus zwei Hauptabteilungen aufgebaut,General Affairs Division und Archival Affairs Division. Ein wichtigerBestandteil des Nationalarchivs ist die Kabinettsbibliothek derMeiji-Periode, in der auch Regierungsunterlagen der Edo-Periode(1603–1867) enthalten sind (das Kabinettssystem war 1885, wenigeJahrzehnte nach der „Öffnung“ des Landes, übernommen worden).Um der Menge an zu lagernden Materialien gerecht zu werden,richtete das Nationalarchiv 1998 etwa 60 km nordöstlich Tokios in

der „Stadt der Wissenschaft“ Tsukuba (Präfektur Ibaraki) einNebengebäude ein. 2001 wurde am Nationalarchiv das Japan Centerfor Asian Historical Records (JACAR) geschaffen. Es digitalisiertUnterlagen verschiedener nationaler Institutionen und stellt sie imInternet bereit. Die wichtigsten Rechtsgrundlagen sind das Gesetz über ÖffentlicheArchive (1987) und das Gesetz über das Nationalarchiv (1999). Inletzterem ist festgelegt, dass historisch bedeutsame Unterlagen indas Nationalarchiv abgegeben werden sollen. Ein Kabinettsbe-schluss vom März 2001 definiert genauer, was „historisch bedeut-sam“ sein soll: Unterlagen, die Prozesse der Abwägung, Beratung,Debatte sowie Entscheidungsfindung und -umsetzung hinsichtlichwichtiger Tätigkeiten dokumentieren. Vom Premierminister werdennach Absprache mit dem Nationalarchiv jährliche „Transferpläne“(„transfer plans“) ausgearbeitet, die die Übergabe der relevantenUnterlagen sichern sollen. Es ist festgelegt, dass Unterlagen, sobaldsie nicht mehr für die laufenden Geschäfte benötigt werden, sofortanschließend in die Transferpläne aufgenommen werden. Anhandder Transferpläne werden von den abgebenden Stellen die Überga-ben arrangiert. Darüber hinaus kann das Nationalarchiv mit denabgebenden Stellen die Übergabe weiterer Unterlagen vereinbaren.Sowohl der Aussonderungs- als auch der Bewertungsprozess sindnicht allein in der Hand des Nationalarchivs, sondern müssen vonihm zusammen mit den abgebenden Stellen, unter Einbezug desCabinet Office, ausgehandelt werden. Neu im Nationalarchiv eintreffende Unterlagen werden in der Regelzuerst einer etwa sieben Tage dauernden Desinfektion unterworfen,bevor sie in die Magazinräume eingelagert werden. Dort herrschen22°C Lufttemperatur und 55 % relative Luftfeuchte. Die Dokumen-te werden in „Aktenverzeichnissen“ („Catalogs of files“) undteilweise auch in „Vorgangsverzeichnissen“ („catalogs of each itemin a file“) registriert. Wertvolle oder oft benutzte Aufzeichnungenwerden mikroverfilmt oder abfotographiert. Die Verzeichnungsda-ten sind auch im Internet verfügbar. Die Bestände gliedern sich indie drei Hauptbestandsgruppen Regierungsdokumente („PrincipalGovernment Document Holdings“), Bibliotheksbestände („Princi-pal Library Holdings“) und „Wichtiger Kulturbesitz Japans“ („Im-portant Cultural Properties of Japan“). Sämtliche Unterlagen und

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

299

Materialien sind grundsätzlich für die Öffentlichkeit zugänglich.Die Beschränkungen entsprechen prinzipiell den in Deutschlandbekannten. Die Schwerpunkte der Forschungsarbeiten des Nationalarchivsliegen im Gegensatz zu manchen deutschen Archiven sehr stark imarchivfachlichen Bereich. Zu ihnen zählen Identifikation, Aussonde-rung und Bewertung von Unterlagen, Konservierung und Restau-rierung, Benutzerfreundlichkeit („How to improve user´s conveni-ence“), ausländische öffentliche Archive, Präsentation von Findmit-teln und Erklärung ihres Inhalts sowie die Publikation einer eige-nen Zeitschrift. Das Rückgrat der Ausstellungstätigkeiten bildeneine kleine Dauerausstellung und zwei jährliche größere Wechsel-ausstellungen. Weitere wichtige Veranstaltungen sind Konferenzenund Seminare für Archivare und andere Professionelle, die mit derFührung von Unterlagen betraut sind. Das Nationalarchiv istzuständig für den Kontakt zu übernationalen Institutionen. In denRahmen internationaler Beziehungen fällt auch die Möglichkeit derAus- und Fortbildung von ausländischen Kräften aus Staaten mitweniger archivfachlichem Know-How am japanischen Nationalar-chiv. Im Rahmen eines Privatbesuchs in Japan erkundigte ich mich perTelefon nach eventuellen öffentlichen Führungen, die aber nichtangeboten werden. Meine Gesprächspartnerin, Frau Yumiko Ohara,eröffnete mir jedoch die Möglichkeit einer Führung, der ich erfreutnachkam. Zusammen mit Frau Maeda Hiromi führte sie mich undmeine Begleiterin in einem kleinen Rundgang durch das Gebäude.Der japanische Brauch, in besonderen Räumen besonderes Schuh-werk zu tragen, gilt auch in den einzelnen Magazinräumen desArchivs, so dass wir zum Betreten Magazinpantoffeln anlegten. Derzum Zeitpunkt unseres Besuchs durchaus bevölkerte Lesesaal bzw.Benutzungsbereich verfügt über PCs, an denen in den relevantenDatenbanken recherchiert werden kann. Über Glaswände abge-trennt ist der Bereiche für Mikrofilm-Lesegeräte. Es folgte dieBesichtigung des Restaurierungsbereiches, in dem etwa die Hälfteder circa 40 in Tokio eingesetzten Mitarbeiter tätig ist. Einer der zubehebenden Hauptschäden ist der Mäusefraß. Das Papier wird anden Fehlstellen ergänzt, ganz bewusst mit einer traditionellennichtreversiblen Methode. Von zahlreichen Weiterbildungs- und

sonstigen Besuchen aus dem weltweiten Ausland erzählen vielekleine Flaggen im Eingang zum Restaurierungsbereich sowie einwohlkonservierter Silberfisch aus Ghana. Zum Abschluss bekamenwir eine auf japanische Weise gebundene Kladde und diverseandere Kostbarkeiten überreicht.

National Archives of Japan, 3-2 Kitanomaru Koen, Chiyoda-Ku, Tokyo102-0091, Telefon: 0081-(0)3-3214-0637, www.archives.go.jp, Öff-nungszeiten (Stand: Dez. 2007): Mo-Fr 9.15-17.00

Metro / Subway: Tozai Line, Haltestelle Takebashi, Ausgang 1b, an derStraße nach Südwesten, hinter dem National Museum of Modern Art

Empfehlenswert ist eine Bitte um Zusendung der 38-seitigen englisch-sprachigen Informationsbroschüre. Digitalisierte Dokumente und„digitale Galerie“ unter www.digital.archives.go.jp. �

Martin Zierer, Konstanz

300

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

LITERATURBERICHTE

ARCHIVPFLEGE IN WESTFALEN-LIPPEIm Auftrage des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippehrsg. vom LWL-Archivamt für Westfalen, Münster. Nr. 66,April 2007. 64 S., u. Nr. 67, Oktober 2007. 76 S., geh.

Im Mittelpunkt von Heft 66 stehen die Referate des 14. Deutsch-Niederländischen Archivsymposion „Digitales Archivgut undDienstleistungen im Netz – Papierlos in die Zukunft?“, das am 16.und 17. November 2006 in Zwolle, im Historischen ZentrumOverijssel stattfand. In seinem theoretisch ausgerichteten Ein-führungsreferat beschäftigt sich Eric Ketelaar mit der Archivwissen-schaft im digitalen Zeitalter. In einem ersten Abschnitt beschreibt erden grundlegenden Wandel von der Industrie- zur Informationsge-sellschaft. „Allgegenwärtige Information oder Datenverarbeitungwerden den physischen Austausch ersetzen: die Informations- undKommunikationstechnologie wird in alle Objekte, Geräte und alles,was den Menschen umgibt, integriert werden.“ Dies hat nicht nurAuswirkungen auf den Lebensstil der Menschen, sondern es ändernsich auch Aktenbildung und -führung. Welche Folgen sich darausfür die Archivtheorie ergeben, erläutert Ketelaar anhand der archivi-schen Prinzipien Unantastbarkeit der Evidenz, Lebenszyklus vonAkten, organisch gewachsene Struktur der Akten, Hierarchie derAkten und respect des fonds, Provenienz, ursprüngliche Ordnung.Es wird deutlich, dass uns die alte Begrifflichkeit nicht mehrweiterhilft, denn „im Digitalen Zeitalter gibt es kein Original mehr,es muss mittels Kopien immer wieder neu erstellt werden, … Es gibtkein greifbares Dokument mehr oder eine Akte in einem logischenoder teilweise physischen Kontext, die fest und komplett ist, diegeordnet und erschlossen, genutzt und vorgehalten werden kannwie in der analogen Welt. Gegenstand der Archivwissenschaft, ihreTheorie, Methodologie und die Praxis im digitalen Zeitalter, istnicht das Archiv als Produkt, sondern das Archiv als Prozess.“ Daauch andere Begriffe wie z. B. Aktenbildner der Praxis nicht mehrgerecht werden können, gilt es – so das Fazit – „neue Konzepte,Theorien und Methoden zu entwickeln, um den Anforderungen desdigitalen Zeitalters zu begegnen“.Die weiteren Vorträge sind als Erfahrungsberichte einzustufen. RobKramer behandelt die gesetzlichen Bestimmungen der Niederlandezur digitalen Überlieferung und weist auf Lücken in der Gesetzge-bung hin. Rudolf Schmitz stellt die Web-Archivierung im Archivder sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung vor, die Teildes DFG-geförderten Projektes „Erfassung, Erschließung undSicherung von Websites politischer Parteien der BundesrepublikDeutschland sowie ihrer Fraktionen in den Parlamenten“ war.Welche Chancen das Internet bietet, beweist die „Digitale Westfäli-sche Urkunden-Datei“, deren Grundstock 65.000 Karteikarten mitRegesten bilden, die sich im LWL-Archivamt für Westfalen befin-den. Ergänzt wird dieser Bestand durch Regesten, die in anderenInstitutionen (Staatsarchiv Münster, Bistumsarchiv Münster, Kom-munalarchive etc.) vorliegen. Natürlich wird der Nachweis allerwestfälischen Urkunden ein Traum bleiben, dennoch sind die imNetz stehenden Regesten nach Einschätzung von Marcus Weidnerein wichtiges „Recherche- und Nachschlageinstrument“. DasInternetportal des niederländischen Nationalarchivs, das nachAbschluss der Vorarbeiten einen umfassenden Service für dieBenutzer bereithält, präsentiert Yvette Hoitink. U. a. werden dannalle 6.000 Findmittel im Netz recherchierbar sein. Dass die neueTechnik nicht nur ein Segen ist, führt Rolf Hage vom Stadtarchiv's-Hertogenbosch vor Augen. Die unabgestimmte Einführung einesDokumenten-Management-Systems endete im Chaos und musste

wieder rückgängig gemacht werden. Erst durch den Schaden wurdedie Stadtverwaltung klug und beteiligte Registratur und Archivführend beim records management. Dass sich im Zeitalter derInformationsgesellschaft auch die Archivgesetzgebung den neuenGegebenheiten zu stellen hat, macht Klaus Oldenhagen in seinemeingehenden, viele Aspekte berücksichtigenden Referat deutlich, beidem nicht allein deutsche Probleme angesprochen werden, sondernauch die europäische Perspektive stets einbezogen wird.Die Tagungsbeiträge werden ergänzt durch praxisnahe Berichteüber die Archivierung elektronischer Unterlagen von EckhardMöller und Rolf-Dietrich Müller, die Peter Worm mit einem ein-dringlichen Appell an die Kommunalarchive einleitet, sich endlichum diese Bestände zu kümmern, denn der viel beschworene Daten-verlust sei „kein Schreckgespenst der fernen Zukunft, sondernlängst Realität“.Ein Blick über die Grenzen nach Dänemark komplettiert Heft 66.Asbjorn Hellum und Ruth Hedegaard informieren über die „däni-schen Stadtarchive auf dem Weg in die Zukunft“. Im Gegensatz zuDeutschland, wo die Kommunalarchive auf eine teils lange Traditi-on zurückblicken können, sind die 15 in Dänemark existierendenStadtarchive Institutionen jüngeren Datums. Von Kopenhagenabgesehen, wurden sie erst seit Ende der 1980er Jahre eingerichtet.Hervorgegangen sind sie aus sog. Lokalarchiven, in denen Privat-initiativen die historisch wichtigen Unterlagen zur Geschichte einerGemeinde gesammelt haben. Aus dieser Genese erklärt sich auchder Zuständigkeitsbereich der Stadtarchive, die nicht nur die Über-lieferung der Verwaltung sichern sollen, sondern auch die vonBetrieben, Vereinen, Verbänden und Privatpersonen zu übernehmenhaben. Zu ihren Aufgaben gehört neben der Erschließung undBereitstellung der Unterlagen die Erforschung der Lokalgeschichte.Jährlich organisieren die Stadtarchive im Durchschnitt drei Ausstel-lungen, sie sind für etwa 20 Vorträge verantwortlich und geben inder Regel mehrere Publikationen heraus. Um den Service bei derBenutzung zu verbessern, werden Bestandsverzeichnisse zentral insNetz gestellt. In Nordjütland gibt es zudem einen gemeinsamenAuftritt von Archiven, Bibliotheken und Museen. Insgesamt, so istden Ausführungen zu entnehmen, verstehen sich die dänischenKommunalarchive als kulturelle Einrichtungen, bei denen diehistorische Bildungsarbeit einen Zentralbereich ihrer Tätigkeitbildet.Heft 67 ist dem 59. Westfälischen Archivtag gewidmet, der am 27.und 28. März in Arnsberg stattfand. In seiner Auftaktrede reflektiertder Arnsberger Bürgermeister Hans-Josef Vogel über das „Archivder Zukunft“. Dieses habe 1. „das Gleichbleibende von der Verän-derung zu unterscheiden“, 2. im Zeitalter der Globalisierung dielokalen Bezüge herauszuarbeiten, 3. aktiv bei der Bildung neuerIdentitäten mitzuarbeiten und 4. „die tatsächliche Integrations- undDiversitätsgeschichte lokal verwurzelter Kulturen und ,mitgebrach-ter' Kulturen von Zuwanderinnen und Zuwanderer“ zu dokumen-tieren. „Es berichtet uns über Bedingungen und Faktoren gelingen-der Integration und Diversität auf lokaler und regionaler Ebene undträgt dazu selbst bei.“ Letzteres sei aber von den Archiven bishernoch gar nicht oder nur völlig unzureichend wahrgenommenworden. Daher fordert Vogel: „Interkulturelle Kompetenz in derArchivarbeit ist zügig aufzubauen oder einzuwerben.“ Erfüllt das„Archiv der Zukunft“ die gestellten Ansprüche, dann erbringt eseinen wichtigen Beitrag „für die gelingende Gestaltung des Wandelsin unseren Städten und Regionen“. In seinem Eröffnungsvortragentwirft Norbert Reimann ein umfassendes Bild vom Leben undWerk des Freiherrn vom Stein. Anlass ist der 250. Geburtstag, doch

Verdienst von Norbert Reimann, dem alle Leserinnen und Leser fürseine Arbeit Dank schulden.

Klaus Wisotzky, Essen

BENUTZERFREUNDLICH – RATIONELL – STANDARDI-SIERT Aktuelle Anforderungen an archivische Erschließung undFindmittel. Beiträge zum 11. ArchivwissenschaftlichenKolloquium der Archivschule Marburg. Hrsg. von FrankM. Bischoff. Archivschule Marburg, Marburg 2007. 338S., kart. 26,80 €. ISBN 978-3-923833-33-7 (Veröffentli-chungen der Archivschule Marburg Nr. 46)

Die Standardwerke über Archivalienerschließung sind vor langerZeit geschrieben worden. Vieles darin ist auch heute noch unverän-dert richtig und wichtig. Dennoch können die Archivarinnen undArchivare ihre Augen nicht vor den veränderten Bedingungenverschließen und müssen den Mut haben, die Traditionen zuüberdenken. „Der Herausgeber verknüpft mit der Veröffentlichungdes vorliegenden Bandes die Hoffnung, dass die hier versammeltenBeiträge die weitere Auseinandersetzung mit der KernaufgabeErschließung befördern, neue Impulse geben und ihre Weiterent-wicklung befruchten.“ (S. 16) Dieses Überdenken und ein Weiter-entwickeln fordert Bischoff in seinem Vorwort mit Recht. Insgesamt ist der Sammelband in sechs sich teilweise stark vonein-ander abgrenzende Themenbereiche unterteilt. Ein Beitrag vonReininghaus eröffnet den Band mit einem Überblick. Er beklagt,dass zu wenig über Erschließung in der Öffentlichkeit diskutiertwird, und zeigt Probleme und Chancen in der Übersicht auf, diezum Teil in den folgenden Aufsätzen näher erörtert werden.Die beiden Beiträge, die sich mit Erschließung zwischen Dienstleis -tung und Wirtschaftlichkeit beschäftigen, haben unterschiedlicheAnsätze, kommen aber zu ähnlichen Lösungsvorschlägen. Müllerfordert die Modernisierung, die formale und sachliche Vereinheitli-chung der Findmittel und die Optimierung des Retrievals. Er decktSchwachstellen der Erschließung auf und gibt Lösungsansätze.Herrmann hingegen beschreibt die teilweise sehr fallbezogenenProbleme an einem Beispiel und fordert eine differenzierte Er-schließungsstrategie. Dabei deckt er vor allem Ursachen im vor -archivischen Bereich auf, die aber außerhalb der Einflussnahme desArchivs liegen und Schwierigkeiten bei der Erschließung verursa-chen.Erschließung zwischen Verwaltung und Archiv beschreibt einSpannungsfeld, in dem viele Kolleginnen und Kollegen täglicharbeiten. Gerade in diesem Abschnitt befinden sich Ansätze, dieeine Diskussion auslösen können. Das von Stockert am Beispiel desStadtarchivs Mannheim entwickelte Modell der „permanentenErschließung“ (S. 113) stellt eine stufenweise Erschließung mit sehrdifferenzierter Erschließungstiefe unter Einbeziehung unterschied-licher Personen dar, die zum großen Teil abgeschlossen ist bevor dieAkten das Archiv erreichen. Dieses Modell enthält Denkanstöße,die für viele Archive wichtig sein können. Kluttig und Leibetsederbeleuchten die Verwendung von Metadaten, die von der aktenbil-denden Stelle abgeliefert werden, für die archivische Erschließung.Kluttig versucht, die Metadaten konstruktiv für die Erschließung

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

es gibt einen weiteren Grund für diese Würdigung: Das LWL-Archivamt betreut seit Jahrzehnten den Nachlass Steins, der „zwei-fellos zu den bedeutendsten Politikernachlässen des 19. Jahrhun-derts zu rechnen ist“. In der ersten Arbeitssitzung mit dem Thema „Regionale Identitätund Überlieferungsbildung“ befasste sich Thomas Gießmann mitden Folgen der Kommunalisierung der Verwaltung, d. h. mit derVerlagerung staatlicher Aufgaben in kommunale Verantwortung.Den Archiven erwachsen daraus zwar neue Aufgaben, doch esergeben sich keine „besonders große(n) Probleme“ – so Gießmann.Einzig die Übernahme der Unterlagen der Liegenschaftskatasterkönnte wegen des Umfangs Schwierigkeiten bereiten. Die positiveRolle der Kommunalarchive bei der regionalen Identitätsstiftungbeleuchtet Wilhelm Grabe. Er zeigt anhand zahlreicher Beispiele,wie sich die Archivarinnen und Archivare am „Gespräch überGeschichte“ (Reulecke) „aktiv und lebendig einbringen“ können.Die zweite Arbeitssitzung behandelte den „Archivischen Umgangmit Nachlässen und Fotosammlungen“. Annekatrin Schallerberichtet von ihren Erfahrungen bei der Neuerschließung desArchivs des Freiherrn vom Stein auf Schloss Cappenberg, währendGunnar Teske die Vor- und Nachteile von der „Zentralen Daten-bank Nachlässe“ (ZDN) und von Kalliope, den Nachweissystemender Archive bzw. der Bibliotheken, erörtert. Er endet mit demAppell an die Archive, beide mit den notwendigen Angaben zuversorgen und die wichtigsten Nachlässe in die ZDN einzugeben,denn: „Was nicht im Netz ist, ist nicht in der Welt.“ Jochen Rathdiskutiert in seinem breit angelegten Aufsatz den Nutzen und dieNachteile bei der Übernahme von Nachlässen und Vereinsbestän-den. Auch wenn sich Controller dagegen aussprechen sollten, weiles keine originäre Aufgabe eines Kommunalarchivs sei, das Schrift-gut von Privaten zu verwahren und zu erschließen, so plädiert Rathfür die Übernahme der nichtamtlichen Überlieferung, da nur aufdiese Weise die „Facetten der lokalen Lebenswelt“ zu rekonstru-ieren seien. Allerdings fordert er auch, um glaubwürdig zu bleibenund um die knappen Ressourcen zu schützen, „die Übernahmedrittklassiger Nachlässe und nachrangiger Sammlungen ab[zu]leh-nen“. Welche Schwierigkeiten ein „Geschenk“ bereiten kann,schildert Michael Gosmann vom Stadtarchiv Arnsberg, das denetwa 50.000 Dias umfassenden Foto-Nachlass des Kreisheimatpfle-gers Friedhelm Ackermann als Depositum erhalten hat. Die Kostenfür die Erschließung und Digitalisierung konnte das Archiv nichtaufbringen, dafür benötigte es die Hilfe von Sponsoren und dieUnterstützung des örtlichen Jobcenters. Dennoch ist erst ein kleinerTeil der für die Lokal- und Regionalgeschichte so wichtigen Samm-lung bearbeitet worden. Die weiteren Beiträge über die bestandsü-bergreifende Fotoerschließung im Stadtarchiv Münster (AnjaGussek-Revermann), über digitale Bilder im Archiv (Peter Worm),Urheber- und andere Schutzrechte an Bildern (Mark AlexanderSteinert) und über die Konservierung von Fotobeständen (BirgitGeller) überzeugen durch ihre vielen praktischen Hinweise, sodasssie eine wichtige Hilfe zur Bewältigung der Probleme des Archivall-tags sind.Heft 67 ist das letzte Heft, das Norbert Reimann zu verantwortenhat. In seiner 20-jährigen Amtszeit als Leiter des LWL-Archivamtesentwickelte sich „Archivpflege in Westfalen-Lippe“ zu einer derführenden Archivzeitschrift in Deutschland. Sie zeichnet sich durchdie Qualität der Beiträge und durch das breite Themenspektrumaus, bei dem alle Bereiche der Archivarbeit – von der Erschließungüber die historische Bildungsarbeit bis hin zu archivrechtlichenErörterungen – Berücksichtigung finden. Dies ist ein besonderes

301

könnten. Der Druck auf die Archive, ihre Erschließungspraxis zuüberdenken und den geänderten technischen, ökonomischen undarchivfachlichen Rahmenbedingungen anzupassen wird weiterwachsen. Es bleibt zu hoffen, dass eine fruchtbare Fachdiskussionmöglichst zeitnah geführt wird und sich die Archive so die Mög-lichkeiten der sinnvollen Reaktion auf die Veränderungen erhalten.Der hier vorgestellte Sammelband kann dazu nur einen kleinenBeitrag leisten, der aber nicht gering geschätzt werden sollte.

Andreas Berger, Geldern

JÜDISCHES ARCHIVWESENBeiträge zum Kolloquium aus Anlass des 100. Jahres-tags der Gründung des Gesamtarchivs der deutschenJuden, zugleich 10. Archivwissenschaftliches Kolloquiumder Archivschule Marburg, 13.-15. September 2005.Hrsg. von Frank M. Bischoff und Peter Honigmann. Ar-chivschule Marburg, Marburg 2007. 430 S., kart. 26,80 €.ISBN 978-3-923833-10-8 (Veröffentlichungen der Archiv-schule Marburg Nr. 45)

Wer sich mit jüdischer Geschichte in Deutschland befasst, wird mitder Zersplitterung der Überlieferung zu kämpfen haben. Diedisparate Überlieferung heute und die Bemühungen, diesen Zu-stand zu überwinden, sind direkte Ergebnisse des Holocaust. Dasvon der Archivschule Marburg veranstaltete Kolloquium, dessenBeiträge hier veröffentlicht werden, hat daher über den aktuellenAnlass und Gedenktag hinaus große Beachtung gefunden, derBand dürfte ein Standardwerk zum jüdischen Archivwesen generellwerden. Schon im Grußwort des Vizepräsidenten des Zentralratsder Juden in Deutschland, Salomon Korn, wird deutlich, dass sichin der Geschichte des 1905 gegründeten „Gesamtarchivs“ „Ambiva-lenz und Tragik der Geschichte der deutschen Juden“, so Korn,widerspiegeln. Der erste Leiter, Eugen Täubler, strebte mit demGesamtarchiv nach gesellschaftlicher Anerkennung. Korn fragt, ober dabei die Grenze zur Selbstverleugung überschritten habe (S. 22).Barbara Welker zeichnet die Geschichte des Gesamtarchivs seit denGründungsvorbereitungen 1903 nach. Sie verweist durch denUntertitel auf einen Schwerpunkt („Zentralisierungsbemühungenin einem föderalen Staat“), auf die Schwierigkeiten, die einzelnenGemeinden von der Deponierung ihrer Bestände in Berlin zuüberzeugen. Bemerkenswerte Unterstützung erhielt Täubler beimGeneraldirektor der preußischen Staatsarchive Koser. Ein Ausblickauf die Entwicklung nach 1933 und die Aufteilung der Beständenach 1945 beschließt diesen zentralen Beitrag. Er gehört zumThemenkomplex „Formen jüdischer Archivorganisation“, in demErnst L. Presseisen das „Jewish Archives Center in Philadelphia“vorstellt und Inka Arroyo als Raison d'être der „Central Archives forthe History of the Jewish People“ in Jerusalem die Bildung einesvirtuellen Staatsarchivs der Diaspora hervorhebt. Schon 1925 wurdees von einem Schüler und Freund Täublers gefordert und dann 1947realisiert. Sein Direktor Daniel Cohen sah in ihm den Nachfolgerdes Berliner Generalarchivs. Vier Beiträge behandeln „Displaced Archives“ nach 1945. JürgenSielemann zeigt auf, wie und zu welchen Bedingungen Akten derjüdischen Gemeinden in Hamburg im dortigen Staatsarchiv hinter-

302

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

LITERATURBERICHTE

und auch als vorläufiges Findmittel zu nutzen, obwohl sie dieteilweise unzureichende Qualität der Daten feststellt. Leibetsederdagegen deckt die hinlänglich bekannten Probleme in der Kommu-nikation zwischen Behörden und Archiven, den Verlust der Akten-strukturen bei elektronischer Überlieferung und die nicht denarchivwissenschaftlichen Grundsätzen genügenden Aktentitelbil-dung innerhalb der Verwaltung auf. Als Lösung schlägt er vor, dieQualität der Metadaten für die Nutzer offen zu legen und einestarke Gliederung der Bestände vorzunehmen, sodass der Nutzer inder Lage ist, über eine tiefe Klassifikation und mit dem Wissenüber die jeweilige Qualität der Titelbildung erfolgreiche Suchendurchzuführen. Durch differenzierte Strategien für jede Abgabe istes so möglich, die Bestände zeitnah nutzbar zu machen. Dabei sindder Automatisierung enge Grenzen gesetzt und die virtuelle Gliede-rung gewinnt gegenüber der Titelaufnahme an Bedeutung. DieSchlussfolgerung, dass wegen der Komplexität des Verfahrens derBerufsstand des Archivars weiterhin wichtig bleibt, ist sehr beruhi-gend.Leider enthält der Abschnitt Erschließungsarbeit zwischen Traditi-on und Standardisierung keine Diskussionsansätze zur archivüber-greifenden Vereinheitlichung der Erschließung, gegen die sich derBerufsstand mit teilweise guten Argumenten schon lange zur Wehrsetzt. Dennoch ist der Bericht über die Einführung vonISAAR(CPF) und EAC in der nationalen Archivdatenbank Schwe-dens lesenswert. Die Darstellung zeigt, dass ein Portal, auch wenneine Vereinheitlichung in der Datenstruktur noch nicht vollständigstattgefunden hat, funktionsfähig sein kann und für die Nutzerviele Vorteile mit sich bringt. Ob dieses Modell auch auf Deutsch-land zu übertragen ist, lohnt der Diskussion. Für den Austauschvon Erschließungsdaten existiert in Deutschland ein Format, dasdie deutschen Traditionen abbildet und zu EAD kompatibel ist. DieVorteile eines solchen Formats und seine Notwendigkeit beschreibtFischer eindringlich in seinem Beitrag.Ein Kernproblem ist heute schon – und in naher Zukunft sicherlichverstärkt – die Veränderung der Erschließung durch digitalisierteBestände und durch digital entstandene Bestände. Hier zeigt Hans-mann beispielhaft, dass sich das Internet der Archivierung durchArchive nicht entziehen muss. Ein anderes Projekt stellt Wischhöfervor, in dem vorliegende Archivalien digitalisiert der Benutzungzugänglich gemacht werden. Dabei fällt auf, dass der technischeAufwand nicht sehr groß sein muss und bestimmt nicht mehr alsGegenargument von Digitalisierungen herhalten kann.Ein Thema, dass die allermeisten Archive zurzeit nicht oder nur ingeringem Umfang betrifft, ist die Archivierung und Erschließungvon audiovisuellen Medien. Die drei Aufsätze, die sich mit diesemThema beschäftigen, bergen für die meisten viel Neues und interes-sante Ansätze, auch wenn diese nicht in der täglichen Arbeit ein-setzbar sind.Ein Teilbereich der Erschließung, der schon seit einiger Zeit zwi-schen Bibliotheken und Archiven diskutiert wird, ist die Nachlass-erschließung. Treffeisen betreibt die Abgrenzung der Archive vonden Bibliotheken bewusst und zeigt die für den Archivar auf derHand liegenden Vorteile der archivischen Erschließung auf. AlsAnhang liefert er Richtlinien, die in Baden-Württemberg entwickeltworden und darüber hinaus wenigstens lesenswert sind. DiesenBereich schließt ein Beitrag über die Zentrale Datenbank derNachlässe (ZDN) ab.Es wird sich zeigen, ob eine wie oben geforderte Diskussion wirk-lich entsteht. Einige der kurz vorgestellten Beiträge geben wichtigeDenkanstöße und zeigen Lösungswege auf, die neue Impulse geben

ihrer Einrichtung mit der Erörterung von Leitlinien zu Archiven im21. Jahrhundert. Folgen wir ihrer Vision, dann führen Archive (undarchivähnliche Einrichtungen) virtuell Bestände unterschiedlicherLagerorte zusammen und sind weitgehend digitalisiert. Mit diesemBeitrag schließt sich gewissermaßen der Kreis. War die Idee desGesamtarchivs 1905 mit einer Zentralisierung von Beständenverbunden, so ist das heute weltweit versprengte jüdische Archivgutauf eine Vernetzung durch die neuen Medien angewiesen.

Wilfried Reininghaus, Senden

PICCARD-ONLINEDigitale Präsentation von Wasserzeichen und ihre Nut-zung. Hrsg. von Peter Rückert, Jeannette Godau undGerald Maier. Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart 2007.160 S., 55. Abb., kart. 18,50 €. ISBN 978-3-17-019754-1(Werkhefte der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg, Serie A, H. 19)

Der Name „Piccard“ dürfte kaum jemandem, der sich mit Wasser-zeichen in irgendeiner Weise je auseinandergesetzt hat, unbekanntsein. Der anzuzeigende Band publiziert die Vorträge einer am 25.und 26. November 2004 im Hauptstaatsarchiv Stuttgart organisier-ten Tagung, die den Wasserzeichen, aber auch dem Nestor ihrerErforschung, Gerhard Piccard (1909–1989) selbst, gewidmet war.Ihr Ansatz war dabei „ein doppelter: Es sollte zunächst um denUmgang mit Wasserzeichen, ihre Sammlung, Publikation undwissenschaftliche Bedeutung gehen. Im Zentrum standen dabei derEinsatz neuer Medien, die Vernetzungsmöglichkeiten umfangrei-cher und heterogener Datenmengen in Text und Bild sowie dieEntwicklung von Strategien zur internationalen Kooperation.Daneben bildeten die konkreten Anforderungen und Perspektivender Nutzung digitaler Wasserzeichensammlungen, vor allem ausdem Bereich der Handschriftenforschung, einen zweiten themati-schen Schwerpunkt“ (S. 13). Diesen beiden Aspekten sind dieBeiträge, die ihrerseits zu thematischen Gruppen zusammengefasstsind, zugeordnet. Nach einer Einleitung der Herausgeber (S. 11-14)beschreibt Johannes Fournier die „Förderstrategien der DFG imBereich Informationssysteme für die Erforschung des Mittelaltersund der Frühen Neuzeit“ (S. 15-18). Daran an schließt sich die ersteSektion, die dem Thema „Piccard-Online“ gewidmet ist und vonPeter Rückert mit einem Beitrag über „Die WasserzeichensammlungPiccard. Erschließung und digitale Perspektiven“ (S. 21-26) eröffnetwird. Mehr die technische Seite thematisiert das dann folgendeReferat von Jeanette Godau und Gerald Maier zu „Konzeption,Präsentation und Ausblick“ (S. 27-41) des Piccard-Online. DerBeitrag ist zudem mit verschiedenen Screenshots bebildert, dieauch dann eine sehr praxisnahe Vorstellung der Webanwendungvermitteln, wenn man nicht gleichsam parallel zur Lektüre desBeitrages einen Rechner zur Verfügung hat. Im Mittelpunkt derzweiten Sektion stehen andere Sammlungen: „Die SammlungWZMA – Wasserzeichen des Mittelalters der Kommission fürSchrift- und Buchwesen des Mittelalters“ der ÖsterreichischenAkademie der Wissenschaften stellt Alois Haidinger vor (S. 45-54),bevor Maria Stieglecker die „Methode der Wasserzeichenerfassungfür die Sammlung WZMA“ erläutert und damit – ebenfalls mit

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

legt wurden. Elijahu Tarantul rekonstruiert den Weg jüdischerAkten in das Moskauer Sonderarchiv und verweist auf immer nochoffene Fragen, die eine Benutzung erschweren und ihn veranlassten,seinen Beitrag unter die Frage „Raub oder Rettung?“ zu stellen.Marek Web schildert, wie das Archiv des YIVO-Instituts von Wilnanach New York fand – eine abenteuerliche Geschichte, bei der einNachkriegsarchivdepot in Offenbach eine zentrale Rolle spielte.Henry Mayer beschreibt die Gründung des US Holocaust MemorialMuseums 1979/80 und die dort hinterlegten Sammlungen undDokumentationen. Sie dienen einem vorrangigen Ziel: „providingacces for the researcher, for whatever purpose, to the evidence [sc.der Holocaus“ (S. 172 f.). Unter speziellen Quellengruppen fasst Feliks Tych zunächst früheZeugnisse von Holocaust-Überlebenden im Archiv des JüdischenInstituts in Warschau. Die Dokumentation setzte direkt mit demRückzug der deutschen Truppen 1944/45 ein. Hartmut Heinemanngeht an hessischen Beispielen dem Schicksal der jüdischen Perso-nenstandsregister nach, die sekundär durch die im Auftrag desReichssippenamts von der Firma Gatermann in Duisburg angefer-tigt wurden. Während die Originale als verloren gelten müssen,blieben die „Gatermann-Filme“ erhalten und gelangten nach 1956in deutsche Staatsarchive. David Frei behandelt die Personenstands-unterlagen (vital records) der Juden in Großbritannien und leitetdamit über zu einer Sektion, die die Dokumentation als Reaktionauf die Verfolgung in mehreren kontinentaleuropäischen Ländernumfasste: Laura Jokusch zu osteuropäischen Ländern, Uriel Gastzur Schweiz, Georges Weill zu Frankreich. „Bedingungen derKommunikation“ ist eine Sektion gemischten Inhalts überschrie-ben. Peter Honigmann (Heidelberg) schreibt über Depositalverträgeim jüdischen Archivwesen, Frank Mecklenburg (New York) überjüdische Familienforschung im Internet. Aubrey Pomerance, Leiterdes Archivs am Jüdischen Museum in Berlin, dürfte in ArchivenDiskussionen auslösen; sein Beitrag sei deshalb hier ausführlicherbesprochen. Er führt als Begründung für die Tendenz von Deponen-ten zur Bevorzugung von Museen an, in Archiven würden dieStiftungen „im Keller verstauben“ (S. 339). Ähnliche Erfahrungenmachten andere Jüdische Museen, nicht nur in Deutschland.Pomerance führt selbstkritisch an, dass viele Museen ihre Bestände(noch) nicht inventarisiert haben, nicht zuletzt aus Mangel anPersonal und wegen der Konzentration auf die Dauerausstellungen.Er benennt den Onlinekatalog des Holocaust Museums als Musterund fordert ähnliche Erschließungsanstrengungen für sein eigenesHaus. Pomerance schlägt abschließend eine Kompromissformel vor:„Gilt das Archiv in erster Linie als Hüter des öffentlichen Gedächt-nisses, so sind die archivischen Sammlungen Jüdischer Museenzum größten Teil als Aufbewahrungsorte persönlicher und familiä-rer Lebenserfahrungen zu bezeichnen“ (S. 351). Er sieht es als gemein-same Aufgabe von Museen und Archiven an, bei unterschiedlicherGewichtung Bestände zu sichern, zu erschließen und bereitzustel-len. Ohne für Archive ein Monopol auf Nachlässe fordern zuwollen oder zu können, erscheint dem Rezensenten die Kompro-missformel, auch mit Blick auf jüdische Familien, zu kurz gegriffen.Den Ort seines Depositums festzulegen, muss dem Deponentenvorbehalten bleiben. Und das kann auch ein Staats- oder ein Stadt-archiv sein. Der Band wird abgeschlossen durch Überblicke überSpezialinventare. J. Friedrich Battenberg informiert über Judaica-Quellen zum Mittelalter und zur Frühneuzeit, vor allem aus Hes-sen, Albrecht Eckhardt über die sachthematischen Inventare nieder-sächsischer Staatsarchive. Gail T. Reimer, Gründungsdirektorin desJewish Women's Archive in den USA, verbindet die Vorstellung

303

304

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

LITERATURBERICHTE

einzuschätzen, den Hilfswissenschaften eine eigene Reihe zu wid-men, die gerade Studierende der Geschichte in kompakter Form mitden nötigen methodischen Kompetenzen vertraut macht. Für denersten Band hat der Verlag mit Georg Scheibelreiter einen Mediävis-ten und renommierten Vertreter der heraldischen Wissenschaftengewonnen, der zugleich als Mitherausgeber der in Verbindung mitdem Institut für Österreichische Geschichtsforschung erscheinen-den Reihe fungiert.Der Verfasser hat für seine Einführung einen konventionellen Auf -bau gewählt, was der Übersichtlichkeit des Werkes sehr zu Gutekommt. Nach der Einleitung und kurzen Überblicken über die möglichen„Betrachtungsweisen“ der Heraldik (ästhetisch-künsterliche ./.hilfswissenschaftliche Betrachtung, S. 11-12), einem Einblick in die„Wissenschaftsgeschichte“ (S. 13-21) und einigen Bemerkungen zur„Heraldischen Kunstsprache und Terminologie“ (S. 2-23) folgt dasumfangreichste Kapitel des Buches: „Das Wappen“ (S. 24-118).Sämtliche Bestandteile werden im Einzelnen systematisch beschrie-ben, wobei die historische Entwicklung immer eine hinreichendeBerücksichtigung findet. Besprochen werden „der Schild“ (S. 24-96)mit seinen Formen, den Feldern und Plätzen, Farben und denDarstellungen wie Heroldsbildern, gemeinen Figuren, etc., wobei dieBehandlung der in der Heraldik erscheinenden Tiere (S. 47-71) füreine Einführung recht ausführlich geraten ist. Der „Helm“ inseinen Typen, Helmzier, Helmdecke, Wulst und Helmkrone (S. 96-109) werden genauso zutreffend beschrieben wie „Rangkronen undkirchliche Rangzeichen“ (S. 110-112) und die sog. „Prunkstücke“ wieSchildhalter, Wappenmäntel, Amtszeichen, Orden, Wahlsprüche,Badges und Fahnen (S. 112-118).In weiteren kürzeren Kapiteln werden nun „Wappenänderung undWappenvereinigung“ (S. 119-121), die „Anfänge des Wappenwesens“(S. 122-124), das „Wappenrecht“ (S. 125-127) sowie die Begriffe„Herold und Heroldswesen“ (S. 128-132) erläutert. Es folgen Kapitelzu den „Quellen der Heraldik“ (S. 133-145), mit erläuternden Beispie-len), zur „Wappensymbolik“ (S. 146-151) und zur „Fabelheraldik“(S. 152-154). Besonders umfangreich ist dann wieder das Literaturverzeichnis (S.155-181), welches, grob der Kapiteleinteilung folgend, mit 597 Titelnsicherlich den Interessierten eine vertiefende Weiterarbeit sehrerleichtern wird. Ein „Glossar“ (S. 182-188) erläutert wider Erwar-ten nicht die darin aufgenommenen Begriffe, sondern übersetztdiese vom Deutschen ins Französische und umgekehrt.Es folgen 96 farbige Wappendarstellungen mit ihren Blasonierun-gen (Wappenbeschreibungen) (S. 189-204), die als Übungsmaterialaufgenommen wurden. In Einzelfällen werden bei kompliziertenWappen auch zwei Lösungsvorschläge unterbreitet. Ein Registerschließt das Buch ab (S. 205-222).Das als Arbeitsinstrument gedachte Buch überzeugt durch seinenklaren Aufbau und eine Fülle von wertvollen historischen Details.Dabei bleibt es stets verständlich und übersichtlich. Über 300Abbildungen illustrieren die kompakte Einführung, die sich durcham Seitenrand hervorgehobene Schlagworte auch gut als Nach-schlagewerk verwenden lässt. Die heraldische Fachsprache wirdzuverlässig und ausführlich erläutert und kann im Übungsteil inihrer praktischen Anwendung geübt werden.Dem Oldenbourg Verlag und den Herausgebern ist ein Erfolg desBandes und der weiteren Bände der Reihe zu wünschen.

Gerald Kreucher, Münster

Abbildungen unterlegt – einen wichtigen Aspekt des Gesamtprojek-tes vertieft (S. 55-63). Kurz, aber sehr informativ ist der Beitrag vonGerard van Thienen und Martine Veldhuizen, der neben Piccard-Online und WZMA die dritte einschlägige Datenbank vorstellt:„Watermarks in Incunabula printed in the Low Countries (WILC).An online illustrated Database“ (S. 65-69). Die zweite Sektion stellt, dem doppelten Ansatz der Tagung entspre-chend (s. o.), „Anforderungen und Perspektiven der Nutzung“ inden Mittelpunkt. Es finden sich hier die folgenden Beiträge: NigelPalmer, „Verbalizing Watermarks. The Question of a MultilingualDatabase“ (S. 73-90), Christoph Mackert, „Wasserzeichenkunde undHandschriftenforschung. Vom wissenschaftlichen Nutzen publizier-ter Wasserzeichensammlungen. Beispiele aus der Universitätsbiblio-thek Leipzig“ (S. 91-118), Anne-Beate Riecke - Juliane Trede, „ZumUmgang mit den Wasserzeichen. Erfahrungen und Anforderungenaus der Praxis der Handschriftenerschließung“ (S. 119-128); hervor-zuheben ist Hardo Hilg, dessen Beitrag eine Bilanz zieht: „Piccard-Online, WZMA und WILC. Ein praxisbezogener Vergleich“ (S. 129-134). Den Band beschließen ein Beitrag über Leben und WerkPiccards (Hermann Bannasch, „Die wissenschaftliche Grundlegungder Wasserzeichenkunde. Weg und Wirken des Kunstmalers Ger-hard Piccard (1909–1989) in der Wasserzeichenforschung“, S. 137-164) sowie ein Beispiel aus der Praxis, das zu einem erheblichenErkenntnisgewinn mit Blick insbesondere auf Datierung undLokalisierung des sog. Buxheimer Orgelbuchs führt (Judith Kauf-mann, „Das Buxheimer Orgelbuch und sein Papier“, S. 165-180). Man kann, auch das eine Stärke, den gelungenen Band für sichgenommen mit großem Gewinn lesen oder aber parallel zur odervorbereitend auf die Benutzung der Datenbanken im Internet, überderen Erläuterungen hinaus er erklärt, darlegt, vorstellt und er-gänzt. Manch Referent hätte naturgemäß für seine Darlegungenvermutlich gerne ein wenig mehr Raum gehabt; ähnliches gilt fürden Rezensenten. Wenigstens ein Wort sei daher zu den Datenban-ken selbst gesagt: Sie sind miteinander vernetzt und, zum Beispielüber die Seite des Landesarchivs Baden-Württemberg, bequemzugänglich. Klassifizierung und Anordnung des Materials, Darbie-tung und Suchmöglichkeiten lassen kaum einen Wunsch offen, wieverschiedene „Probebohrungen“ ergeben. Der Forschung sind mitder Bereitstellung der Sammlungen gänzlich neue Perspektiveneröffnet. Die ebenfalls hochwillkommenen Konsequenzen für dieArchive bedürfen in dieser Zeitschrift kaum eigener Erwähnung.

Francesco Roberg, Marburg/Bonn

GEORG SCHEIBELREITER, HERALDIKR. Oldenbourg Verlag, Wien – München 2006. 222 S., 372Abb., brosch. 29,80 €. ISBN 978-3-486-57751-8

Die sog. „historischen Hilfswissenschaften“ gehören zu denjenigenBereichen der historischen Wissenschaften, welche in den letztenJahren oft in besonderem Maße von Kürzungen betroffen waren.Trotzdem werden die durch sie bereitgestellten Werkzeuge auch inZukunft die unverzichtbare Basis für eine solide historische Quel-lenarbeit darstellen müssen, welche durch neue Ansätze nur er-gänzt, nicht aber ersetzt werden kann. Umso verdienstvoller ist daher die Absicht des Oldenbourg Verlags

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

FRIEDRICH SCHOCH, MICHAEL KLOEPFER, HANSJÜR-GEN GARSTKA, ARCHIVGESETZ (ArchG-ProfE) Entwurf eines Archivgesetzes des Bundes. VerlagDuncker & Humblot, Berlin 2007. 438 S., geb. 98,- €.ISBN 978-3-428-12433-6 (Beiträge zum Informations-recht, Bd. 21)

Zu einem Zeitpunkt, da mehrere Bundesländer in unterschiedli-chem Umfang und mehr oder weniger weit vorangeschritten ihreArchivgesetze novellieren, legt das „Autorenteam“ der ProfessorenFriedrich Schoch, Universität Freiburg, Michael Kloepfer, Hum-boldt Universität Berlin, und Hansjürgen Garstka, ehemaligerBerliner Beauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit,seinen Musterentwurf eines Archivgesetzes des Bundes vor. Damiterscheint nach dem Professorenentwurf eines Informationsfreiheits-gesetzes der zweite Band im Rahmen des Gesamtprojektes „Ent-wurf eines Informationsgesetzbuches für die BundesrepublikDeutschland (IGB-ProfE)“, dessen Erscheinen für das Jahr 2008angekündigt ist.Die Veröffentlichung gliedert sich in Gesetzestext, bestehend auszwanzig Paragrafen, Begründung zum Gesetzestext sowie Anhangmit geltendem Archivrecht aus Bund und Ländern, den europäi-schen Verordnungen zum Archiv- und Informationszugangsrecht,dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes sowie dem Professoren-entwurf eines Informationsfreiheitsgesetzes. Es folgen ein umfang-reiches Literatur- sowie ein Stichwortverzeichnis.Allein beim Durchblättern des Buches fällt der Umfang der Auswer-tung der archivfachlichen und archivrechtlichen Literatur auf undbeeindruckt auch beim intensiveren Lesen. Aber die Autoren habenes nicht bei einer Literaturauswertung belassen, sondern ihrenEntwurf auch auf der Grundlage von Gesprächen mit Archivprakti-kern entwickelt. Dies umfasste, worauf im Vorwort hingewiesenwird, unter anderem Besuche im Staatsarchiv Hamburg und Haupt-staatsarchiv Hannover sowie einen Austausch mit der Arbeitsgrup-pe „Archive und Recht“ der Konferenz der Referenten und Leiterder Archivverwaltungen des Bundes und der Länder (sog. Archivre-ferentenkonferenz). Im Ergebnis haben durch diese Vorgehensweiseneben gänzlich neuen, eigenen Vorschlägen der Autoren auchAspekte Eingang in den Entwurf gefunden, die schon seit geraumerZeit auf Archivtagen, Kolloquien und in Arbeitsgruppen diskutiertwerden. Als Hauptgründe für die Notwendigkeit, das Archivrecht an norma-tive und faktische Einwirkungen anzupassen, nennen die Autorendas Einwirken der Informationsfreiheitsgesetze auf einen verbesser-ten Zugang zum Archivgut, das Vordringen der kulturstaatlichenDimension des Archivwesens ins (fach-)öffentliche Bewusstseinsowie die Archivierung elektronischer Unterlagen mit ungesicherterGewährleistung der dauerhaften Lesbarkeit der Unterlagen. IhreVorschläge im Detail gehen aber über diese Punkte hinaus. Wesent-liche Änderungsvorschläge gegenüber der bestehenden Rechtslagein Bund und Ländern sind insbesondere:– Formulierung von Gesetzeszwecken (§ 1 ArchG-ProfE)– Änderung der Rechtsform des Bundesarchivs in eine rechtsfähige

Anstalt des Öffentlichen Rechts (§ 4 Abs. 1 ArchG-ProfE)– Anbietung und Archivierung von Unterlagen mit unzulässig

gespeicherten personenbezogenen Daten (§ 6 Abs. 3 Nr. 2 ArchG-ProfE)

– Anforderung und Übergabe von Unterlagen privater Stellen (§ 7ArchG-ProfE)

– Aufnahme ausdrücklicher Regelungen zur Widmung von Unterla-gen zu Archivgut (§ 9 Abs. 1 Satz 3 ArchG-ProfE) und zur Eigen-schaft von Archivgut als öffentliche Sache sowie die darausresultierenden Auswirkungen (§ 10 Abs. 7 ArchG-ProfE)

– Aufnahme von Regelungen zur Beweiskraft elektronischer Unter-lagen (§ 9 Abs. 5 ArchG-ProfE)

– Verzicht auf die Voraussetzung der Glaubhaftmachung einesberechtigten Interesses bei der Nutzung von Archivgut (§ 14 Abs.1 ArchG-ProfE), auf die „allgemeine“ 30-jährige Schutzfrist sowieauf eine Definition für „personenbezogenes Archivgut“ (§ 16ArchG-ProfE).

Einige dieser Änderungsvorschläge dürften sowohl in der „Archiv -welt“ als auch in der Rechtswissenschaft nicht unumstritten blei-ben. Näher eingegangen werden soll an dieser Stelle lediglich aufdie drei Folgenden.Ein datenschutzrechtlich „heißes Eisen“ wird mit dem Vorschlag,auch Unterlagen mit unzulässig gespeicherten Daten zu archivieren(§ 6 Abs. 3 Nr. 2 ArchG-ProfE), aufgegriffen. Die Autoren setzenhier gesetzestechnisch sehr einfach und verständlich das um, wasArchivare schon lange wissen. Nämlich, dass der besondere histori-sche Wert solcher Unterlagen gerade in der rechtswidrigen Daten-speicherung liegen kann. Es ist zu hoffen, dass in zukünftigenGesetzgebungsverfahren die Tatsache, dass dieser Vorschlag auchseitens namhafter Rechtswissenschaftler vorgetragen wird, Überzeu-gungsarbeit leisten kann.Die Regelung in § 7 ArchG-ProfE, die Anforderung und Übernah-me von Unterlagen privater Stellen, dürfte demgegenüber archivpo-litisch äußerst kontrovers diskutiert werden. Die Autoren gehen imHinblick auf den Anwendungsbereich der Regelung ausgesprochenweit, indem sie ein „Anforderungsrecht“ des Bundesarchivs gegen -über Privatpersonen für Unterlagen von gesamtstaatlicher Bedeu-tung konstruieren. Eine solche Regelung ist im Hinblick auf Nor-mierungslücken im bestehenden Kulturgutschutz- und Denkmal-schutzrecht sicherlich zu begrüßen. Andererseits würden durch siebisher klare Zuständigkeiten für öffentliches Archivgut einerseitsund privates Archivgut andererseits gerade im Hinblick auf diefinanziellen Auswirkungen und angesichts schrumpfender Ressour-cen der Archivverwaltungen durchbrochen. Ein Verzicht auf die „allgemeine“ Schutzfrist in § 16 ArchG-ProfEist aus der Sicht der Informationsfreiheitsgesetzgebung logisch undkonsequent. Aus der Sicht der Archivgesetzgebung und -praxis wäreein solcher Verzicht problematisch, da er einen weitaus höherenArbeitsaufwand der Archivverwaltungen bei der Erschließung undNutzungsbereitstellung von Unterlagen mit sich bringen würde. ImErgebnis würde ein Zugang zu Sachakten eher erschwert. DieFunktion der „allgemeinen“ Schutzfrist wird nämlich häufigverkannt, indem sie auf ein Instrument zur „Geheimhaltung“ unddamit Behinderung des Archivzugangs reduziert wird. Nach dembestehenden Bundesarchivgesetz und den meisten Landesarchivge-setzen dient die „allgemeine“ Schutzfrist aber in erster Linie dempauschalen Schutz einzelner personenbezogener Daten in Sachak-ten. Nach Ablauf dieser „allgemeinen“ Schutzfrist sind die Sachak-ten im Regelfall für jedermann zugänglich, ohne dass es einerSchutzfristenverkürzung bedarf. Anders wäre es im Falle einesWegfalls dieser Schutzfrist. Dann müsste zum Schutz des Rechts aufinformationelle Selbstbestimmung und mangels einer Definitionfür „personenbezogenes Archivgut“ im Professorenentwurf bis zumAblauf der Schutzfristen des § 16 Abs. 1 ArchG-ProfE auch jedeSachakte vor Zugangsgewährung im Hinblick auf einzelne perso-

305

nenbezogene Daten „durchsucht“ und ggf. durch verschiedeneMaßnahmen geschützt werden. Ein Zugang zu den Unterlagen istdann keineswegs – wie aus der Sicht der Informationsfreiheitsge-setzgebung intendiert – tatsächlich leichter und unproblematischermöglich. Es ist zu hoffen, dass die dringend notwendige breite Diskussionüber eine Modernisierung der Archivgesetzgebung durch diesewichtige Veröffentlichung angestoßen und positiv beeinflusst wird.

Silke Birk, Dresden

DIE UNGARISCHEN ARCHIVEHrsg. vom Verein der Ungarischen Archivare, Budapest2007. 184 S. mit zahlreichen Abb.

Wenn im Zeitalter der anglophon dominierten Geisteswissenschaf-ten ein nationaler Archivführer eines südosteuropäischen Landes inDeutsch erscheint, ist dies schon beachtenswert. Und wenn dasStaatsoberhaupt sein Geleitwort mit dem Satz eröffnet, „die Schrifteröffnet ein neues Zeitalter in der Geschichte, denn mit ihrer Hilfehat der Mensch eigentlich die Zeit angehalten“, so bedarf dieser gutund farbig bebilderte Archivführer der Beachtung in der deutschenArchivwissenschaft, zumal „die ungarischen Archive von denSchicksalsschlägen zeugen, die das Land selbst getroffen haben“.Die im Anhang mit ihren Adressen gut gegliedert aufgelisteten 92Archive verteilen sich auf sechs Archivtypen. Dabei stellen die 35aufgeführten Archive der Religionsgemeinschaften bis hin zu denBaptisten die größte Gruppe vor den 30 öffentlichen bzw. staatli-chen Archiven dar. Der traditionellen archivarischen Ordnung gemäß beginnen dienicht schematisierten, aber informativen Darstellungen mit demUngarischen Staatsarchiv und den staatlichen Facharchiven (fürMilitär, Wasser und Statistik). Schon das ausführliche Kapitel vonG. Érszegi und István G. Vass über das Ungarische Staatsarchiv (S.8-51), das u. a. 1910 „einen Palast“ erhielt und auch für die Ausbil-dung zuständig ist, bietet einen guten Einblick in die Archiv- undBestandsgeschichte auch der sozialistischen Ära (S. 42-48). Dazuwurde 2004 das Historische Archiv der Staatssicherheitsdienstegegründet (S. 60-64), das u. a. mit einer 15-Jahre-Sperrfrist versucht,wissenschaftlichen und privaten Forschern die Einsichtnahme zuermöglichen. Unter den sog. „Kommunalarchiven“ (S. 68-94)werden zunächst von den „mittleren Einheiten der ungarischenVerwaltung“ über 20 Komitatsarchive in ihren Beständen von C.Káli skizziert. Es folgt von A. Horváth ein Überblick über diestädtischen Archive, bei dessen Abbildungen dem deutschen Leserneben Budapest die Städte Gyðr/Raab und Stuhlweißenburg insAuge fallen, während im 20. Jahrhundert zahlreiche Organe aufstädtischer Ebene als neue Aktenbildner entstanden. Das dritteKapitel über die kirchlichen Archive (S. 95-132, vgl. auch seit 1993MELTE: Association of Hungarian Church Archivists) leitet A.Lakatos mit einem guten Überblick über die Archive der katholi-schen Kirche ein (vgl. auch http://leveltar.katolikus.hu/de), in demer nicht nur die 1000-jährige Geschichte, den Quellenbestand undihre jüngste Vergangenheit/Gegenwart darstellt, sondern in einemtabellarischen Überblick (S. 112-114) den heutigen kirchlichenEinheiten die „territoriale Zuständigkeit“ und „die Veränderungen“

306

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

LITERATURBERICHTE

gegenübergestellt hat. Im Kapitel über die Reformierte Kirchestellen fünf Autoren die „fünf archivischen Sammlungen mit beson-derem Quellenwerte“ vor (S. 115-124). Abgeschlossen wird diesesKapitel mit den kürzeren Abschnitten zu den Archiven der Evange-lischen Kirche, der jüdischen Glaubensgemeinden und vier weiterenkleineren kirchlichen Gemeinschaften. Bei den Archiven der wis-senschaftlichen Institutionen (S. 133-142) gibt L. Szögi einen histo-risch interessanten Einblick in die ungarische Hochschulentwick-lung, deren Archivare sich 2001 zu einem selbständigen Fachver-band zusammengeschlossen haben. Die ungarische Akademie derWissenschaft verfügt seit 1964 über ein eigenes Archiv und dasmedizingeschichtliche Museum Semmelweiss seit 1972. Bei den vierPresse- und Mediensammlungen (S. 143-162) handelt es sich defini-tionsgemäß um „Registraturen, die wegen ihres bedeutendenaudiovisuellen Materials aufgenommen wurden“. Den Abschlussdes Werkes bilden zwei „öffentliche Privatarchive von gesellschaft-lichen Organisationen“ (S. 163-173), wozu das Archiv für Parteienund Gewerkschaften gehört sowie das „Open Society Archive“ ander Central European University (Budapest), das in Beständen von„Radio Freies Europa“ seine Wurzeln hat und das den USAgehörende Material für 50 Jahre betreut (S. 170).Auch wenn die Frage, in welcher Sprache die „Behelfe“ und Find-mittel verfasst wurden, nicht näher behandelt wird, ist dies einevorbildlich gestaltete Einführung, die gut lesbar weiterhelfen kann,obwohl Namens- und Ortsregister fehlen. Dieser Archivführer zeugtsowohl von der bedeutenden und schwierigen Tradition der ungari-schen Archive als auch von den großen Aufbauarbeiten des letztenJahrzehnts, die hoffentlich durch aktuell eingeleitete Sparmaßnah-men nicht zu sehr gebremst werden. In seiner ansprechenden Formführt dieser gedruckte ungarische Archivführer, der Vorbild fürandere ost- und südosteuropäische Archivführer sein könnte, nichtnur zur weiteren Internet-Recherche, sondern zeigt sich unentbehr-lich und diesem elektronischen Medium durchaus ebenbürtig.

Reimund Haas, Köln

RICHARD VAHRENKAMP, AUTOBAHNBAU IN HESSENBIS 1943Hessisches Wirtschaftsarchiv, Darmstadt 2007. 125 S.,24 s/w Abb., kart. 9,80 €. ISBN 978-3-9804506-6-9(Beiträge zur hessischen Wirtschaftsgeschichte, Bd. 1)

Die Deutschen pflegen ein paar historische Lieblingslegenden.Dazu gehören die idyllische vorindustrielle Großfamilie, auch jeneAbstimmung in den USA, die dort beinahe Deutsch zur Amtsspra-che erkoren hätte; und auf jeden Fall die Hitler-Apologie: „Immer-hin hat er die Autobahnen gebaut!“ Allein insofern – also umwissenschaftlich auszumessen, inwieweit „er“ sie gebaut hat, undvon welchen Motiven und Methoden das nationalsozialistischeEngagement für den Autobahnbau bestimmt war – kann es kaum„zu viele Studien zu diesem Thema“ geben, wie ein Technikhistori-ker 1995 befürchtete (S. 7). Weitere Rechtfertigung für ein großesForschungsinteresse bezieht der Gegenstand aus den chronischenDebatten um die Maut für LKW und vielleicht bald auch PKW, dentäglichen Verkehrsinfarkt und ein Tempolimit im einzigen Staatdieser Erde, der auf Autobahnstrecken unlimitiertes Tempo erlaubt.

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

Mit der vorliegenden Studie eröffnet das Hessische Wirtschaftsar-chiv in Darmstadt eine zweite Publikationsreihe. Neben den eta-blierten „Schriften zur hessischen Wirtschafts- und Unternehmens-geschichte“, die bislang sechs Monografien und Sammelbändeumfassen, sollen die „Beiträge“ als Reihe der gleichsam kleinen undbunten Schriften künftig auch „weniger umfangreiche Untersu-chungen, Unternehmensgeschichten, Autobiografien, Quellen,Bildbände und Ausstellungskataloge“ (S. 5) aufnehmen. Professor Dr. Richard Vahrenkamp lehrt an der Universität Kasseldie Fächer Materialwirtschaft und Logistik. Auf der Basis mehr-jähriger Beschäftigung mit dem Thema und gestützt auf zahlreicheArchivquellen verfolgt er auf 87 Seiten Text, darin 24 Abbildungen,die Planung und den Bau von Autobahnen in locker chronologi-scher Folge vom Beginn der 1920er Jahre bis 1943 mit kurzenAusblicken in die Nachkriegszeit; die Perspektive wechselt zwischenGesamtdeutschland und Hessen, mit einigen Abstechern nachItalien und in die USA. Insgesamt 26 Seiten Endnoten sowie Quel-len- und Literaturliste machen ein starkes Fünftel des Gesamtum-fangs aus. Vahrenkamp schreibt lebendig in einem gleichwohlangenehm nüchternen Stil, seine intensive Darstellung ist ungemeindicht mit einer Fülle von Informationen besetzt. Doch in dieser Knappheit dürften auch vereinzelte handwerklicheMängel begründet liegen. Auf Seite 14 steht ein Verweis auf Abbil-dung 2, die man nirgends findet. Auf Seite 62 wird zum Beleg füreine wesentliche Aussage (Versuch der Nazis, die Erinnerung anAutobahnprojekte vor 1933 zu tilgen) auf Endnote 331, dort auf eineZeitschrift verwiesen, die im Quellen- und Literaturverzeichnisfehlt. Der Mann auf Seite 91 heißt nicht Paul „Bonartz“, sondernBonatz, und ihn einzig mit dem Begriff „Brückenarchitekt“ zuqualifizieren, erscheint mir fast unzulässig kurz. In Tabelle 6 zurMotorisierung bezeichnet die rechte Spalte „Kfz je Einwohner“,doch sollte es heißen „auf ... Einwohner kam ein Kfz“, sonst hätteim Jahr 1932 jeder Frankfurter im Mittel 32 Kraftfahrzeuge beses-sen. Wieder einmal zeigt es sich: Je kürzer der Text und je dünnerder Band, desto sorgfältiger muss das Lektorat arbeiten. Aus dem reichen Fundus interessanter Erkenntnisse seien nureinzelne herausgegriffen. So führt der Autor vor, wie Modernisie-rung unter dem Vorzeichen der Gewalt funktionieren kann, undzwar mittels einer selten offenen, vielmehr allgegenwärtig implizitangedrohten Gewalt. Mit der bloßen Existenz von Konzentrations-lagern liefen plötzlich Verfahren wie geschmiert, deren zähe Fort-schritte in der demokratischen Gesellschaft hinlänglich bekanntsind: Widerstand gegen staatlichen Grunderwerb? Alle Eigentümerfügten sich unisono und willig in Kauf, Tausch und Flurbereini-gung. Probleme der Finanzierung? Die Reichsbank erhielt Anwei-sung von allerhöchster Stelle, und gehorsam gab die Reichsbankjeden Betrag, und so bis zum Staatsbankrott (der dann durch offengewaltsame Enteignung „jüdischer Vermögen“ sowie der Devisen-und Goldvorräte benachbarter Staaten vorläufig aufgeschobenwurde). Geld für die Lohnzahlungen? Übernahm ebenso zweckwi-drig wie willig die Arbeitslosenversicherung. Debatten, gar Streitüber die Streckenführung? Die dazu notwendigen Foren wie Parla-mente oder Presse existierten ja nicht mehr. Gebündelter Bürger-protest gegen die Verschandelung lieblicher Täler durch hässlicheBrücken und Trassen? Solches hätten die Machthaber vermutlich als„jüdischen Ästhetizismus“ oder ähnlich lautend geahndet. Vahrenkamp zeigt überzeugend, wie sich das Prinzip der national-sozialistischen Planer von der „Landschaftsästhetik“ praktischauswirkte: Sicherheits- und verkehrstechnisch unsinnige Trassensollten vornehmlich Wirkung erzielen, etwa die eines phantasti-

schen Rundblicks vom Rastplatz auf dem Berggipfel. Ebensoüberzeugend weist der Autor nach, wie die nationalsozialistischeFührung den deutschen Autobahnbau ab 1933 gegen alle rationalenGründe, einzig wegen der Propagandawirkung forcierte. Er belegtdie perfekte Kombination aus „rückwärts gewandter Ideologie undtechnischer Modernisierung“ (S. 54); und er legt den Kern national-sozialistischer Demagogie frei, indem er darauf verweist, wie opti-mal sich „Autobahn“ zunächst visualisieren lässt – als Strecke,endloses Band, mit grandiosen Brückenwerken, Tankstellen infuturistischem Design, „königliche“[n] Zufahrten (S. 74) und mitSpalier stehenden Jubelmassen – und sich an solche Visionenanschließend allerlei Wünsche und Sehnsüchte knüpfen lassen:vom Rausch der Geschwindigkeit, vom Verbinden (der Volksge-meinschaft) über trennende Entfernungen hinweg, vom Aufbruch(in eine bessere Zukunft). Dies alles tut Vahrenkamp leider nur imText. Dies alles hätte er restlos überzeugend veranschaulichenkönnen, wenn er 17 der abgedruckten Fotografien, zeitgenössischeReklame für den Nazistaat, mit einer angemessenen Bildanalyseversehen hätte. So jedoch schleicht sich Joseph Goebbels' Propagan-da, quasi vorne im Text ausgetrieben, durch die Hintertür unkom-mentierter Bilder wieder ein.1

Doch nicht nur Erkenntnisse zur Funktion des nationalsozialisti-schen Autobahnbaus, sondern auch zahlreiche Aspekte zur Ver-kehrspolitik in der Weimarer Republik erhellen und vergnügenbisweilen sogar. So erfährt man von der Verkehrsträgerwende umdie Mitte der 1920er Jahre, als der Ausbau des Eisenbahnnetzes zumStillstand kam und eine Diskussion darüber einsetzte, ob nun –statt Autobahnen – die maroden, zu Gunsten der Eisenbahn jahr-zehntelang vernachlässigten Landstraßen auszubauen wären? Dafürsprach sich die deutsche Automobilindustrie aus, weil deutscheMotoren der Dauerbelastung auf einer Autobahn nicht gewachsenwären. Die Kosten für Bau und Unterhalt seiner Straßen deckte derStaat gegen Ende der 1920er Jahre nur zu rund zwei Dritteln aus derKraftfahrzeug- und Kraftstoffsteuer ab. Davon ungerührt warf die„ADAC-Motorwelt“ der Reichsregierung um 1930 vor, „die Auto-mobilwirtschaft zu erdrosseln und damit zur Abschwächung derKonjunktur beizutragen“. (S. 17) Über den damals erdrosseltenIndividualverkehr möge man im nächsten Stau nachsinnen. DasBuch ist reich an weiteren Fakten und Einsichten. Insgesamt alsostehe der milde Tadel hinter das satte Lob zurück, und der Rezen-sent empfiehlt das Werk allen am Thema Interessierten auchaußerhalb Hessens uneingeschränkt zur Gewinn bringendenLektüre.

Martin Burkhardt, Stuttgart

1 Dieser Punkt sehr ausführlich von Reiner Ruppmann in<http://hsozukult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2007-2-184>).

VOM ENTWURF ZUM DEPOSITUM Über den wissenschaftlichen Umgang mit dem zeichne-rischen Nachlass der Industrie. Bearb. von MichaelFarrenkopf. Selbstverlag des Deutschen Bergbau-Muse-ums, Bochum 2007. 172 S., zahlr. farb. Abb. geb. 19,90 €.ISBN 978-3-937203-31-7 (Das architektonische Werk der

307

308

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

LITERATURBERICHTE

Architekten Fritz Schupp und Martin Kremmer, Bd. 1.Veröffentlichungen aus dem Deutschen Bergbau-Muse-um Bochum, Nr. 154. Schriften des Bergbau-Archivs, Nr. 19)

Obwohl sie nicht so bekannt sind wie Gropius oder Mies van derRohe, gehören Fritz Schupp und Martin Kremmer doch zu denbedeutendsten deutschen Architekten des 20. Jahrhunderts. Gleichzwei ihrer entworfenen Anlagen – das Ensemble um die Schachtan-lage 12 der Zeche Zollverein in Essen und das Erzbergwerk Ram-melsberg bei Goslar im Harz – hat die Unesco in die Liste desWeltkulturerbes aufgenommen. Leider ist der schriftliche Nachlassdes Architektenbüros mit den Verträgen und der Korrespondenzmit den Auftraggebern verloren gegangen, doch erhalten gebliebensind 308 Planmappen mit genau 17.570 Plänen und Zeichnungen,die das Bergbau-Archiv beim Deutschen Bergbau-Museum Bochumim Jahre 2002 übernehmen konnte.Die Erschließung dieses riesigen Bestandes, finanziert durch dieAlfried Krupp von Bohlen und Halbach Stiftung, durchgeführt vonKristina Pegels, nahm das Museum zum Anlass, ein Symposiondurchzuführen, auf dem drei Themenkomplexe behandelt wordensind: die Archivierung von Architekturunterlagen, die Dokumenta-tion und der Erhalt des industriellen Erbes und der Stellenwertdieser speziellen Unterlagen für die Forschung.Eva-Maria Barkhofen, Leiterin des Baukunstarchivs bei der Akade-mie der Künste in Berlin und die Vorsitzende der FörderationDeutscher Architektursammlungen bei der International Confe-rence of Architectural Museums (ICAM), gibt einen konzisenÜberblick über die Geschichte architekturbezogenen Sammelnsund stellt einige der Institutionen vor, die Baudokumente imweitesten Sinne bewahren. Da das Material weit verstreut in denunterschiedlichsten Einrichtungen liegt, wäre es aus der Sicht derForschung sicherlich wünschenswert, eine zentrale Stelle zu haben,in der alle Informationen zusammenfließen würden. Wie schwerdieses aber zu realisieren ist, ist sich Barkhofen durchaus bewusst.Unentbehrlich für die Erforschung der Bau- und Planungsgeschich-te der ehemaligen DDR sind die wissenschaftlichen Sammlungendes 1992 gegründeten Leibniz-Instituts für Regionalentwicklungund Strukturplanung in Erkner, das aus dem Institut für Städtebauund Architektur der Bauakademie in Berlin hervorgegangen ist. DieBestände, die Alexander Obeth beschreibt, umfassen u. a. Nachlässevon Architekten und Grünplanern, Materialsammlungen zu städte-baulichen Wettbewerben, zu Großwohngebieten wie Berlin-Mar-zahn oder -Hellersdorf und zu den Generalbebauungsplanungender Städte sowie Unterlagen des Bundes der Architekten der DDR.Auf Verzerrungen in der Überlieferungsbildung macht StephanStrauß aufmerksam. Einerseits sichten die Architekten oder ihreErben die Unterlagen vor der Abgabe ans Archiv, wobei sie dievermeintlich zu unwichtigen oder misslungenen Projekte vernich-ten. Andererseits beschränken sich die Sammlungen zumeist auf diekünstlerisch wertvollen oder städtebaulich bedeutenden Objekte.Diese Überbetonung der künstlerischen Dimension müssen dieArchive aufbrechen, um zu einer umfassenderen Repräsentation desBauwesens zu kommen. Strauß plädiert daher u. a. für eine Über-nahme der gesamten Büroüberlieferung, um so „das Netzwerk derAkteure am Bau“ erforschen zu können. Ferner sollten auch dieÜberlieferungen von „typischen Durchschnittsarchitekten“, vonBauunternehmen und speziellen Ingenieurfirmen übernommenwerden.Michael Farrenkopf und Stefan Przigoda geben einen groben

Überblick über die im Bergbau-Archiv vorhandenen, architekturge-schichtlich relevanten Zeichnungen und Pläne und stellen einigeÜberlegungen zur Bewertung des Materials an, das zumeist derAufsführungsebene von Bauvorhaben zuzuordnen ist. Ähnlich wiebei der Aktenüberlieferung ist auch bei dem Planmaterial dieHierarchieebene zu berücksichtigen. D. h. Unterlagen des Vorstandsbzw. des Aufsichtsrats sind möglichst vollständig aufzuheben,während bei untergeordneten Stellen eine Auswahl zwingendgeboten ist. So können Detailzeichnungen ebenso vernichtet wer-den wie die teils massenhaft vorhandene Überlieferung von hoch-gradig gleichförmigen Einzelbauten (z. B. bei den Häusern in denBergmannssiedlungen). Um Doppelüberlieferung zu vermeiden, istzudem festzustellen, ob es in den Betrieben eine Planregistratur dertechnischen Abteilungen gegeben hat. Die Beispiele zeigen, dass dieBewertung solcher Unterlagen noch in den Kinderschuhen stecktund ein Patentrezept nicht vorhanden ist.Der zweite Teil ist der Erforschung des zeichnerischen Erbes gewid-met. Andreas Kahlow zeichnet den Lebensweg Johann AugustRöblings (1806-1869) nach, eines Pioniers des Hängebrückenbaus.Anhand des Nachlasses werden die einzelnen Projekte geschildertvon der Ruhrbrücke bei Freienohl bis hin zur Brooklyn-Bridge inNew York. Christian Raabe berichtet vom Neubau einer Fassa-denecke der 1961/62 abgerissenen Bauakademie, die Karl FriedrichSchinkel entworfen hatte. Bei der Rekonstruktion griff man zurückauf alte Pläne und Fotografien, aber auch auf Fundstücke imBauschutt.Zum Schluss informiert Kristina Pegels über den Nachlass vonSchupp/Kremmer, der einen Zeitraum von 1921 bis 1970 umfasst.Der zeitliche Schwerpunkt liegt in den späten 1930er und 1940erJahren sowie in der Nachkriegszeit, während die 1920er nur dürftigdokumentiert sind. Die Pläne werden mit dem Archivierungssystem„Faust“ verzeichnet und digital abfotografiert. Die Digitalisateerleichtern die Recherche, erfüllen aber keine Sicherungsfunktion.Die Erschließung des Bestandes hat gezeigt, dass Schupp/Kremmerkeineswegs durchgängig so kubisch-funktionalistisch gearbeitethaben, wie wir es vom Zollverein her kennen. Da sie sich vielfachden Wünschen der Auftraggeber zu fügen hatten, gibt es eineParallelität von moderner und traditionalistischer Gestaltung. Dieersten Ergebnisse machen neugierig auf den Abschluss der wissen-schaftlichen Forschung, die Pegels als Dissertation an der RWTHAachen vorlegen wird.Der Tagungsband besticht nicht allein durch den Inhalt, sondernauch durch seine Ausstattung mit mehr als 100 zumeist farbigenAbbildungen. Lobenswert - weil keineswegs mehr selbstverständ-lich – ist das Register zu Personen, Geografie und Sachbegriffen/Unternehmen/Institutionen.

Klaus Wisotzky, Essen

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

DIE WAPPEN DER HOCHSTIFTE, BISTÜMER UND DIÖZE-SANBISCHÖFE IM HEILIGEN RÖMISCHEN REICH 1648-1803Hrsg. von Erwin Gatz. Verlag Schnell & Steiner, Regens-burg 2007. 680 S., 479 Farb-, 26 s/w Abb., geb. 128,- €.ISBN 978-37954-1637-9

Bei ihrer Entstehung im hohen und späten Mittelalter boten Wap-pen zunächst die Möglichkeit, Truppenteile eigener und fremderStreitkräfte auseinanderzuhalten. Dies war auch im Falle der geist-lichen Territorien so, wenn diese in einen bewaffneten Konfliktverwickelt waren. Die Wappen der Hochstifte ersetzten zunächst fürdiesen Zweck die der Vögte und sonstigen bischöflichen Vasallen.Im weiteren Verlauf des Mittelalters wurden sie jedoch mehr undmehr von den Bischöfen kraft Amtes neben ihren persönlichenWappen geführt und miteinander verbunden. „Die Wappen derHochstifte, Bistümer und Diözesanbischöfe“ widmet sich dabeieiner Epoche, in der diese Entwicklung in weiten Teilen abgeschlos-sen war und eine differenzierte kirchliche Heraldik bestand.Vorliegender Band ist nicht der erste Beitrag von Erwin Gatz zueiner hilfswissenschaftlichen Durchdringung der Hierarchie derkatholischen Kirche im Heiligen Römischen Reich und seinenNachfolgestaaten. Von 1983 bis 1993 hatte Gatz in insgesamt dreiBänden bereits eine Prosopographie der Bischöfe und von 2003 bis2005 eine historische Geographie der Bistümer in zwei Bändenvorgelegt. Bei letzterem Projekt bildete dabei die Zeit von denAnfängen bis 1803 den ersten Band. Mit der Epoche von 1648–1803wählt Gatz für sein heraldisches Werk exakt den Bezugsrahmen deszweiten Bandes seiner Biographien aus. Die Quellenlage zu diesemZeitraum zeichnet sich durch eine immer weitergehende Verwen-dung von Wappen auf Münzen und als Siegelbilder aus, die oft inguter Qualität erhalten sind. Siegel und Münzen bilden denn auchdie Hauptquellen des vorliegenden Bandes (S. 24).Gatz würdigt in seinem Vorwort (S. 6) ausdrücklich die Mitarbeitseiner Co-Autoren. Mit Clemens Brodkorb hatte er bereits für diebeiden Bände zu den Bistümern und den ersten Band (1448–1648)

der Bischofsbiographien zusammengearbeitet, im Zusammenhangder heraldischen Arbeiten kamen Heribert Staufer für die Zeich-nungen der Wappen und Recherchearbeiten sowie Reinhard Hey-denreuter für die Blasonierungen dazu. Die Vorerfahrungen desHerausgebers und seiner Mitarbeiter auf dem Gebiet der Prosopo-graphie und historischen Geographie werden im Werk deutlichersichtlich. Dies äußert sich unter anderem in den detailliertenbibliographischen Hinweisen, die jedes Wappen mit Blasonierungbegleiten. Reinhard Heydenreuters Einführung in die Thematikstellt eine knappe, aber äußerst hilfreiche Einführung in die Entste-hung und den Aufbau der Wappen dar, vor allen Dingen weil er dieErfahrung der Autoren mit der kirchlichen Ämterhäufung in derfrühen Neuzeit für den Benutzer des Werkes fruchtbar macht. Sehrsinnvoll ist auch die Klärung einiger Konventionen auf dem trotzaller Bemühungen nicht immer ganz unverminten Terrain derBlasonierung.Demjenigen, der zu einer Person das passende Wappen sucht, wirddas Werk eine sehr gute Hilfe sein, denn es verfügt sowohl über einPersonen- als auch ein Ortsregister. In umgekehrter Richtung istdies jedoch nicht möglich. Hier zeigt sich ein Grundproblem derHeraldik und des Blasonierens: Auch bei exaktest möglicher Be-schreibung bleibt die Gefahr der Misinterpretation und des Ver-wechselns, und der Rückschluss von der exakten wörtlichen Be-schreibung eines heraldischen Elements auf einen oder mehrereTräger ist kaum zu leisten. Dennoch: Auch wenn für viele Bischöfekein bischöfliches Wappen gefunden werden konnte und es indiesen Fällen durch ein persönliches oder Familienwappen ersetztwurde, wäre es für die inverse Suche hilfreich gewesen, zumindesteine kleine Abbildung jedes Bistumswappens schon im Inhaltsver-zeichnis zu geben. Den Umfang des ansonsten gleichermaßen klarund aufwändig gestalteten Bandes hätte diese Maßnahme kaumerweitert.Insgesamt bietet das heraldische Nachschlagewerk von Erwin Gatzund seinen Co-Autoren jedoch einen verdienstvollen Beitrag zurkirchlichen Heraldik und wird auf diesem Gebiet ein wertvollesReferenzwerk sein.

Arnold Otto, Paderborn

309

310

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

MITTEILUNGEN UND BEITRÄGE DES LANDESARCHIVS NRW

GESCHICHTE, ZIELE, UMSETZUNG Als die staatlichen Archive in NRW 1999 die Möglichkeit erhielten,eine archivische Fachanwendung zu kaufen oder entwickeln zu lassen,fiel die Entscheidung für ein Produkt, das den vielfältigen, vernetztenArbeitsprozessen im Archiv Rechnung tragen sollte – es sollte nichtnur ein Erschließungsprogramm sein wie die damals gängigen Archiv-softwareanwendungen, sondern es sollte die Metadaten zu denerschlossenen Beständen auch im Lesesaal digital bereit stellen, solltedie Archivalien von der Lagerung über die Erschließung bis zurBenutzung erfassen und so die Archivarinnen und Archivare, dasMagazinpersonal, das Personal im Lesesaal, in der Fotowerkstatt, imArchivalienversand und in der Restaurierungswerkstatt unterstützen.1

Auf diese Weise sollte sowohl für das Archivpersonal als auch für dieBenutzer ein eindeutiger, konsistenter und relational verknüpfterDatenbestand aus Adressen, Erschließungsdaten und Lagerortenentstehen, auf den vom Archivpersonal und von den Benutzern jenach Bedarf zugegriffen werden kann. Mehrfachangaben von Daten –z. B. der händisch einzutragende Name von Benutzern auf jedemeinzelnen Bestellzettel – und die Führung von parallelen, inkonsisten-ten Listen für unterschiedliche Zwecke – z. B. das Akzessionsbuchneben der Lagerortskartei – sollten dadurch überflüssig werden. Auchdie vielen Software-Eigenentwicklungen der einzelnen staatlichenArchive sollten durch das neue System ersetzt werden. Ein bessererService für Benutzer und Archivpersonal, eine verbesserte Geschäfts-prozesskontrolle sowie ein wirtschaftlicheres Arbeiten waren die Ziele.Damals gab es ein solches Produkt noch nicht.2 Aus der Sicht derJahre 1999 und 2000 blieb nur der Weg, die Fachanwendung mit Hilfeeiner Softwarefirma zu entwickeln. Von den vier staatlichen Archivenin Nordrhein-Westfalen wurde ein Fachkonzept entwickelt,3 und dasLandesamt für Datenverarbeitung und Statistik steuerte eine Reihe

von technischen Vorgaben bei. Als Ergebnis der Ausschreibung, dieunter der Ägide des damals aufsichtführenden Ministeriums fürStädtebau und Wohnen, Kultur und Sport stand, wurde die Firmastartext Unternehmensberatung G.m.b.H. in Bonn mit der Entwick-lung eines Verwaltungs-, Erschließungs- und Recherchesystems fürArchive (V.E.R.A.) beauftragt, Die Firma konnte bereits Erfahrungenmit Archiv- und Dokumentationssystemen vorweisen. Arbeitsgrundlage war und ist neben dem Fachkonzept die sogenannteV.E.R.A.-Arbeitsgruppe, die sich aus Vertretern der Firma startext und,von Seiten der Archive, aus den für Querschnittsaufgaben zuständigenVertretern der vier Archive und den Systemadministratoren der Häuserzusammensetzte und unter der Projektleitung eines Archivars/einerArchivarin ohne Entscheidungskompetenz kollegial arbeitete. Nachder Einführung des Landesarchivs Nordrhein-Westfalen und derErrichtung des Technischen Zentrums übernahm dessen Leiter 2005die Projektleitung, und ein Vertreter der neuen Abteilung für Grund-satzfragen und Öffentlichkeitsarbeit kam hinzu. Positiv an dieserArbeitsweise war, dass die Entwicklung sehr dicht an den praktischenBedürfnissen der einzelnen Archive ausgerichtet war, positiv war auch,dass die Arbeit an einer gemeinsamen Fachanwendung zur Standardi-sierung einzelner bis dahin uneinheitlicher Arbeitsabläufe führte.Positiv ist weiterhin, dass ein System entstanden ist, das leicht zuerlernen und sehr komfortabel zu bedienen ist und das gleichzeitigsehr viel kann. Negativ zu sehen ist aus der Rückschau, dass dieArchive durch die kollegiale Zusammenarbeit das System mit ihrenunendlichen Detailwünschen insbesondere im Modul Erschließungaufgebläht und die Entwicklung der immer komplexer werdendenSoftware dadurch erheblich verlangsamt haben. Heute ist die programmseitige Entwicklung von V.E.R.A. insoweitabgeschlossen, als die ursprünglichen Planungen der Jahre 1999 und2000 realisiert sind. Das Modul 1 Erschließung – in allen Archiven seit

ERSCHLIEßUNG -BEREITSTELLUNG -MAGAZINVERWALTUNG

ENTWICKLUNG UND EINSATZ VONV.E.R.A. IM LANDESARCHIV NRW

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

2003 im Echtbetrieb im Einsatz – erlebt gerade sein viertes Releaseund wird im Rahmen der Entwicklung von Erschließungsstandardsfür das Landesarchiv evaluiert,4 das Modul 2 Archivgutverwaltung,2001 als erstes fertig gestellt und seitdem nicht mehr gepflegt, wurdegerade neu entwickelt und den seit damals stark veränderten techni-schen Rahmenbedingungen angepasst, und die Module 3 und 4, diealle Geschäftsprozesse in der Benutzungs-, Auftrags-, Kunden- undGeschäftstagebuchverwaltung abbilden, sind seit Mai 2007 im Staats-archiv Münster im Einsatz und werden 2008 nach und nach imPersonenstandsarchiv Brühl und im Staats- und PersonenstandsarchivDetmold eingeführt. Gleichzeitig wird von Seiten der Firma startextständig an der Programmpflege gearbeitet.

MODUL 1: ERSCHLIEßUNG Auch in einer Fachanwendung, die viele Arbeitsabläufe koordiniert,bleibt Erschließung die Hauptkomponente und hat aus Sicht vonArchivarinnen und Archivaren den höchsten Stellenwert innerhalb desSystems. Erschließung wird in V.E.R.A. ganzheitlich gedacht, d. h. vonder Tektonik des Archivs bis zur einzelnen Verzeichnungseinheit. DasArchiv mit seiner Tektonik bildet den Ausgangspunkt. Den Tektonik-stufen sind die Bestände mit denjenigen Informationen zugeordnet,die in Archiven in einer Beständeübersicht erschlossen werden. JedemBestand können ein oder mehrere Findbücher zugeordnet werden.

1 Frank M. Bischoff, Das Projekt V.E.R.A. in Nordrhein-Westfalen – Nutzungder Internettechnologie für die Erschließung und archivübergreifende Ver-waltung der Bestände, in: Online-Findbücher, Suchmaschinen und Porta-le. Beiträge des 6. Archivwissenschaftlichen Kolloquiums der Archivschu-le Marburg, hg. von Angelika Menne-Haritz (Veröffentlichungen derArchivschule Marburg 35) Marburg 2002, S. 135-151.

2 Das Produkt Scope Archiv war damals noch in der Entwicklung und beider Marktanalyse nicht aufgefallen.

3 www.archive.nrw.de/dok/vera/fachkonzept.pdf.4 Barbara Hoen/Sebastian Geßmann, Die Schönheit der Chance. Er-

schließungsstandards im Landesarchiv NRW, in: Archivar 61, 2008, S. 69-73, hier S. 71.

Übersicht der Module und Teilmodule von V.E.R.A.

Modul/Teilmodul Beschreibung

Modul 1 Erschließung Erschließungssoftware

Modul 2 Archivgutverwaltung Magazindatenbank und Akzessionsdatenbank

Modul 3/4 Workflows

- Teilmodul Kundendatenbank Enthält alle Benutzer, Behörden, Firmen und Anfragenden: alle Außenkontakte; Verbindung mit den meisten anderen Teilmodulen, so dass ein Kunde grundsätzlich nur ein einziges Mal eingetragen wird.

- Teilmodul Geschäftstagebuch Weist alle eingehenden und ausgehenden Schreiben, den Stand der Bearbeitung und die Zuschreibung auf die Bearbeiter nach; ersetzt auch das Postausgangsbuch

- Teilmodul Restaurierung Weist alle anstehenden, in Bearbeitung und bearbeiteten Restaurierungsarbeiten bezogen auf einzelne Archivalien nach.

- Teilmodul Recherche Online-Beständeübersicht, online-Findbücher für den Lesesaal, Recherchemöglichkeiten für Benutzer und Archivare

- Teilmodul Lesesaal Benutzeranträge, Benutzungsgenehmigungen, Benutzerausweise, Archivalienbestellungen, Aushebungen, Nachweise über Archivalienverbleib

- Teilmodul Reproaufträge Enthält die Fotoaufträge, die die Benutzer oder die Archivare eingeben, und die Arbeitsstände über die Fotowerkstatt bis zur Rechnungslegung in der Verwaltung; Rechnungen aus V.E.R.A. heraus

- Teilmodul Archivalienversand Nachweis des Archivalienversands an Behörden und der jeweiligen Bearbeitungsstufe. Zusätzlich Nachweis von Versand von Archivalien an Ausstellungen und von Archivalien, die von anderen Archiven für hiesige Benutzer eingesandt werden.

- Teilmodul Sondergenehmigungen Interpretiert Sperren von Archivalien aus V.E.R.A.-Erschließung; Rechteverwaltung organisiert gestufte Benutzung

- Teilmodul Magazinaufträge Organisiert Arbeiten des Magazindienstes an ganzen Beständen oder Teilbeständen: Aufträge für Transporte, Entgräten, Verpacken, Signieren

311

Die Findbücher enthalten eventuell eine Klassifikation als innereGliederung sowie die Verzeichnungseinheiten. Der Unterschiedlichkeitder Archivaliengattungen ist durch eine Reihe von Spezialmasken fürSachakten, Urkunden, Karten, Fotos, Plakate, Grundakten, personen-bezogene Akten und Prozessverfahrensakten Rechnung getragen.Darüber hinaus werden Archivaliengattungen im HauptstaatsarchivDüsseldorf durch eigene Masken für Luftbilder, Filme und Tonauf-nahmen und Archivaliengattungen in den Personenstandsarchivenüber weitere spezifische Masken erschlossen. Trotz der Fülle derSpezialmasken wird jede Verzeichnungseinheit durch Basisdaten wie

Maske für die Verzeichnung von Sachakten in V.E.R.A.

312

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

MITTEILUNGEN UND BEITRÄGE DES LANDESARCHIVS NRW

Signatur (das einzige Pflichtfeld) und Laufzeit/Datum, außerdemdurch die optional anzubringenden Verweise, Bemerkungen, Aktenzei-chen, Altsignaturen u. a. erschlossen. Die Masken für die Verzeichnungder einzelnen Archivaliengattungen sollten so vergleichsweise„schlank“ gehalten werden: bei der in 90% der Fälle genutzten Maskefür die Sachakten mit den beiden Feldern für „Titel“ und„Enthält/Darin“ ist das auch gelungen, die Maske für die Urkunden-verzeichnung hingegen orientiert sich nicht an den Bedürfnissen derVerzeichnung allein, sondern ist auf die Erfordernisse des Verfasserseines Urkundenbuchs zugeschnitten, was die Zahl der Felder und diedaraus resultierende Unübersichtlichkeit erklärt.5 Im Zuge der geradein Entwicklung begriffenen Erschließungsstandards für das Landesar-chiv Nordrhein-Westfalen werden – dazu muss man kein Hellsehersein – die Werkzeuge zur Erstellung eines Urkundenbuchs auf dieAnforderungen an eine schlanke Regestierung reduziert werden.Es war ein erklärtes Ziel der V.E.R.A.-AG, die Fülle der Informationenzu jeder Verzeichnungseinheit und ihre Einbindung in die Klassifika-tion, in das Findbuch, ihre Zuordnung zu einem Bestand und dessen

Einbindung in die Tektonik, dem Archivar/der Archivarin beimVerzeichnen jederzeit deutlich zu machen. Diese Orientierung wirddurch Anzeigefelder auf den Reitern für die Basisdaten sowie über denein- und ausblendbaren Klassifikationsbaum und über das ebenfallsein- und ausblendbare so genannte „Archivfenster“ mit seiner Baum-darstellung von Tektonik und Beständen und den diesen zugeordne-ten Findbüchern erreicht: Der Archivar/die Archivarin weiß beimVerzeichnen immer, wo er/sie ist: Fehler werden auf diese Weiseweitgehend vermieden. Ein Blick auf die einzelne Verzeichnungsein-heit in ihrer Stellung im Klassifikationsbaum wird ergänzt durch eineoptional einzuschaltende Sicht auf die so genannte Verzeichnungsta-belle, die unterschiedliche Sortierungen der Verzeichnungseinheitenerlaubt, ohne sie tatsächlich zu speichern. Eine Reihe von Komfort-funktionen wie das Verschieben von Verzeichnungseinheiten inner-halb des Findbuchs – einzeln oder in Gruppen – ist ebenso möglichwie das Ausblenden einzelner Felder, das Kopieren bestimmter Infor-mationen von einer Verzeichnungseinheit zur nächsten, die Anlagevon Serien, das automatische Sortieren von Verzeichnungseinheiten

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

innerhalb einer Klassifikationsstufe nach Laufzeit, Signatur oderAlphabet und viele weitere Möglichkeiten, sich beim Verzeichnendas Leben zu erleichtern. Das Arbeiten mehrerer Mitarbeiter undMitarbeiterinnen an einem Findbuch ist – mit entsprechender Rechte-verwaltung und Sicherung der eindeutigen Signaturvergabe – mög-lich. Das Modul enthält eine Volltextrecherchefunktion wahlweise fürein einzelnes Findbuch oder über alle Findbücher hinweg und eineSuche-Ersetze-Funktion. Wichtig im Bewusstsein von Archivarinnenund Archivaren ist immer noch die Möglichkeit, Indices (Orts-,Personen- und Sachindex bzw. Kreuzindex) anzulegen, der im ausge-druckten Findbuch eine Rolle spielt. Diese Indices können in V.E.R.A.manuell oder auch automatisch erstellt werden. In der Praxis wenig-stens des Staatsarchivs Münster werden Indices inzwischen, mit derGewöhnung an auch oder nur noch elektronisch vorgehaltene Find-bücher und die damit verbundenen Recherchemöglichkeiten, immerweniger angelegt.Eine Funktion mit einem hohen Stellenwert für Archivarinnen undArchivare ist der Findbuchausdruck im RichTextFormat, der aber nureine von mehreren Exportschnittstellen aus V.E.R.A. heraus darstellt:eine weitere Schnittstelle ist die V.E.R.A.-xml, die genutzt wird, umFindbücher und Beständeinformationen zu exportieren und sie in dasModul 3 für den Lesesaal im Intranet zu importieren, ferner dieSchnittstelle zur SAFT-xml,6 die für den Import von Findbüchern indas Internet-Portal archive.nrw.de benötigt wird.7 Auch die Ausgabenach EAD und in eine csv-Datei ist möglich. Den Export nach rtf,V.E.R.A.-xml, SAFT-xml, EAD und csv können die Archivarinnenund Archivare aus dem Erschließungsmodul heraus selbst komforta-bel anstoßen, während der Import Sache der Administratoren ist.Importiert werden in großem Stil Findbücher, die aus der Retrokon-version zurückkommen. Sie liegen in der SAFT-xml vor. Darüberhinaus werden zunehmend normierte Ablieferungslisten aus denBehörden im Excel-Format über die SAFT-Schnittstelle in V.E.R.A.eingelesen.Bei V.E.R.A.-Erschließung handelt es sich, technisch betrachtet, umeine sogenannte 3-Schicht Architektur, die aus einer Client-Anwen-dung, einem Middletier-Server für die Dokumentverwaltung undIndizierung und einer Oracle-basierten oder MS-SQL-Server-basiertenDatenbank besteht. Die Erschließungsdaten werden als strukturierteInformationen in xml gespeichert. V.E.R.A. ist in den letzten sechs Jahren zu dem zentralenErschließungswerkzeug in den staatlichen Archiven in Nordrhein-Westfalen geworden. Im Staatsarchiv Münster sind inzwischen mehrals 1.600 Findbücher in V.E.R.A. enthalten. Beständeinformationenund Findbücher werden nur dort gepflegt. Somit bildet V.E.R.A. auchdie Grundlage für die Beständeübersicht, die im Intranet und imInternet verfügbar ist, und für deren Druckversion. Das Ziel, einegemeinsame Datengrundlage zu haben, ist damit erreicht. Im fach-lichen Vergleich der gängigen Erschließungstools, die Andreas Berger2005 vorgenommen hat, liegt V.E.R.A. weit vorn.8

V.E.R.A. MODUL 2:ARCHIVGUTVERWALTUNGDie 2001 als erstes V.E.R.A.-Modul in Betrieb gegangene Archivgutver-waltung erfuhr ab 2006 eine gründliche Überarbeitung. Um dasModul möglichst schnell wieder in Betrieb nehmen zu können,sollten die Anforderungen zunächst möglichst niedrig ausfallen, einspäteres Aufstocken zusätzlicher Features sollte aber möglich sein.Einig waren sich die Archive wie die Firma startext, dass es sich –anders als im Modul 1 Erschließung – um eine möglichst einfach zu

313

handhabende Anwendung handeln sollte. Aufgrund der Erfahrungenmit der ersten Version wurde Wert darauf gelegt, dass die Verknüp-fungen der einzugebenden Daten, insbesondere Angaben zu Akzessi-on, Lagerort, Bestand und Registraturbildner, eindeutig und unver-tauschbar sein müssen.Der Realisierung liegt eine für Unternehmen der freien Wirtschafterstellte Lagergutverwaltung zugrunde, die an die archivischenBedürfnisse angepasst wurde. Darin finden sich die baulichen Maga-zinstrukturen hierarchisch in einem Baum dargestellt, wie er von derTektonikdarstellung von V.E.R.A.-Erschließung bereits gewohnt ist.Die Baumdarstellung untergliedert sich in die HierarchiestufenGebäude, Magazinsaal, Regalreihe und Regal, wahlweise auch Regal-boden. Zu jedem Level müssen Pflichtfelder befüllt werden, aus denenspäter in der Recherche automatisch die Lagerortanzeige generiertwird (z. B. „Neubau Bohlweg/3c/23/1“, womit das Magazin 3c, Reihe23, Regal 1 gemeint ist). Zusätzlich können weitere Freitextfelder mitInformationen, zum Beispiel zur Gebäudegeschichte oder zur Technikdes Regalsystems oder zu einer speziellen Nutzung des Magazinraums(z. B. Zugangsmagazin) eingegeben werden. Dieser Magazinstruktursind Referenzdaten über die Kapazität der Lagereinheiten hinterlegt,wobei auch Umrechnungsfaktoren (z. B. „10 Kartons = 1 laufenderMeter“) berücksichtigt werden. Auf diese Weise kann gezielt nachFreiflächen für eine bestimmte Menge Lagergut, seien es nun Bündel,Kartons, Bücher, Karten usw., gesucht werden.Die Archivgutverwaltung bietet mehrere Möglichkeiten, Lagergut zuverwalten. Am Anfang steht die Akzession. Hier werden die üblichenDaten wie laufende Nummer und Jahr, Tagebuchnummer etc. erho-ben. Wichtig ist die obligatorische Zuordnung der Akzession zumentsprechenden Bestand des Archivs. Um sie sicher zu stellen, ist dieArchivgutverwaltung mit dem Erschließungsmodul verzahnt. BeimAkzessionieren kann direkt auf den Tektonikbaum im Verzeichnungs-modul zugegriffen und der zugehörige Bestand ausgewählt werden.Dasselbe Verfahren gilt bei der Auswahl des Registraturbildners. Sinddie Pflichtdaten eingegeben, können in der Magazintektonik freieLagerplätze gesucht und belegt werden. Akzessioniertes Lagergut kannbeliebig umgelagert und auch „aufgebrochen“ werden, also an diverseLagerorte verteilt werden. Schließlich besteht auch die Möglichkeit,Archivgut virtuell zu kassieren bzw. Abgänge zu dokumentieren. EineRecherchefunktion ergänzt das Modul.

5 Wilfried Reininghaus, Archivisches Erschließen in der Wissensgesellschaft,in: Benutzerfreundlich – rationell – standardisiert. Aktuelle Anforderun-gen an archivische Erschließung und Findmittel. Beiträge zum 11. Archivwis-senschaftlichen Kolloquium der Archivschule Marburg, hg. von Frank M.Bischoff (Veröffentlichungen der Archivschule Marburg 46) Marburg2007, S. 17-36, hier S. 26.

6 Ulrich Fischer, Austauschen, Sichern, Präsentieren – Anforderungen an einArchivisches Standardaustauschformat, in: Benutzerfreundlich – rationell– standardisiert. Ak tu elle Anforderungen an archivische Erschließungund Findmittel. Beiträge zum 11. Archivwissenschaftlichen Kolloquium derArchivschule Marburg, hg. von Frank M. Bischoff (Veröffentlichungen derArchivschule Marburg 46) Marburg 2007, S. 177-202.

7 Martina Wiech, Neues Internetportal „Archive in NRW“ online, in: Der Ar-chivar 60, 2007, S. 248-250.

8 Andreas Berger, Eine vergleichende Untersuchung von Erschließungssoft-ware unter archivfachlichen Gesichtspunkten, in: Neue Konzepte für die ar-chivische Praxis. Ausgewählte Transferarbeiten des 37. und 38. Wissenschaft-lichen Kurses an der Archivschule Marburg, hrsg. von Alexandra Lutz(Veröffentlichungen der Archivschule Marburg 44) Marburg 2006, S. 327-362.

314

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

MITTEILUNGEN UND BEITRÄGE DES LANDESARCHIVS NRW

V.E.R.A. MODUL 3/4: VERWALTUNG UNDBENUTZUNG

System und Rechtemodell Ziel des V.E.R.A.-Moduls 3/4 ist die Verwaltung von Vorgängen undUnterstützung von Arbeitsabläufen im Archiv. Ganz bewusst wurdeeine Entscheidung für eine Trennung der Daten aus demErschließungsmodul und dem Modul 3/4 getroffen: NeueErschließungsdaten werden regelmäßig vom Administrator ausV.E.R.A.-Erschließung exportiert und in das Modul 3/4 importiertmit dem Ziel, Datensicherheit zu gewährleisten und Überlastungendes Servers bei vielen gleichzeitigen Abfragen zu vermeiden. DieAnwendung setzt sich aus einer Datenbank-Komponente für dielangfristig hinterlegten Daten, z. B. Erschließungsdaten und Kunden-daten, und einer Workflow-Komponente für kurzfristig nachzuhalten-de Arbeitsschritte, z. B. Bestellungen von Archivalien in den Lesesaal,zusammen. Über eine browsergestützte Webanwendung werden dievon der Mittel-Schicht (Tomcat Application Server) dynamisch erzeug-ten HTML-Seiten dargestellt und die vom Benutzer eingegeben Datenan das Datenbank-Backend (Oracle) transportiert. Im System melden sich sowohl die Archivarinnen und Archivare alsauch die Lesesaalbenutzer mit unterschiedlichen Rechten über zweiverschiedene graphische Weboberflächen mit ihrem Namen und einerpersönlichen Kennung bzw. Barcodekarte an. Nach erfolgter Anmel-dung ist die Benutzer-Sitzung für einen festgelegten Zeitraum gültig.Erfolgen 10 Minuten lang keine Eingaben oder Aktionen, wird derBenutzer automatisch abgemeldet. Dies verhindert, dass ein Benutzerim Lesesaal versehentlich über eine noch aktive Sitzung eines anderenBenutzers im System weiterarbeiten kann.Ein Benutzer- und Rollenkonzept steuert die Unterscheidung derMitarbeiter und Lesesaalbenutzer anhand entsprechender Berech-tigungsgruppen- und Rollen-Zuweisungen. Beispielsweise könnenLesesaalbenutzer aufgrund bestehender Schutz- und Sperrfristen nureine eingeschränkte Anzahl der im System vorhandenen Findbücheraufrufen, während ein Archivmitarbeiter, da er weitergehende Berech-tigungen besitzt, alle für die Benutzung freigegebenen und in dasV.E.R.A. 3/4-Datenbankschema importierten Findbücher einsehendarf.Eine Rolle entspricht einem Mitarbeiter des Archivs, der innerhalbeines Arbeitsablaufs eine Aufgabe ausführt. Mitarbeitern, die in derAktenausgabe arbeiten, wird beispielsweise eine andere Rolle (mitanderen Berechtigungen) zugewiesen als dem Magazindienst, denArchivarinnen und Archivaren oder den Kolleginnen und Kollegen,die in der Restaurierungswerkstatt oder in der Fotowerkstatt arbeiten.Einem Mitarbeiter können mehrere Rollen zugewiesen werden, sodass er in unterschiedlichen Arbeitsabläufen Aufgaben erledigen kann,so z. B. gleichzeitig die Berechtigungen für die Aktenausgabe, dieBearbeitung von Benutzeranträgen und den Versand besitzen kann.Abhängig vom Arbeitsablauf müssen einige Aufgaben in einer vorge-

gebenen Reihenfolge (Workflow) ausgeführt werden, wie bei derGenehmigung von Benutzeranträgen, bei der Bestellung von Archivali-en oder bei der Bearbeitung von Fotoaufträgen. Formulare (Benutzeranträge, Begleitschreiben, Rechnungen etc.)können als PDF-Dokumente generiert und dann ausgedruckt werden.Gleiches gilt für die Bestellzettel, die auf vorgefalzten DIN A-5 Blätternausgedruckt werden.

Verwaltung, Versand und Restaurierung Mit dem Geschäftstagebuch werden alle im Archiv laufenden Vorgän-ge erfasst und verwaltet. Diese Vorgänge umfassen: Postein- und-ausgang, Benutzeranträge, Fotoaufträge, Anträge auf Sondergenehmi-gung, schriftlich eingehende Anfragen, Akzessionen, Anforderungenvon Behörden auf Aktenversand, Rechnungen und Gebührenbeschei-de. Jedem Geschäftstagebucheintrag wird ein Datensatz aus derKundendatenbank zugeordnet. Die Kundendatenbank dient derVerwaltung von sämtlichen Außenkontakten des Archivs. Der Archivalienversand unterstützt die Verwaltung des Versands vonArchivalien an Behörden und weist den Verbleib von Archivalien imRahmen des auswärtigen Leihverkehrs nach und dient darüber hinausder Fristenkontrolle. Das Programm meldet dem für den Versandzuständigen Mitarbeiter abgelaufene Fristen und generiert gegebenen-falls Mahnschreiben. Außerdem können Begleitschreiben und Emp-fangsbescheinigung automatisch mit allen im System vorhandenenAngaben (Adresse, Aktenzeichen, Archivaliensignaturen) als PDF-Dokument generiert werden.Das Teilmodul Restaurierungsaufträge dient dazu, den Prozess derArchivalienrestaurierung zu erfassen, zu verwalten und zu dokumen-tieren. Neue Datensätze werden vom Leiter der Restaurierungswerk-statt angelegt, der diese dann einem Werkstattmitarbeiter zur Bearbei-tung zuweist. Da bei der Arbeit mit massenhaft gleichförmigenStücken immer wieder gleiche oder ähnliche Schadensbilder undRestaurierungsmaßnahmen festgestellt werden, kann die Neuanlagevon Restaurierungsaufträgen über eine Kopierfunktion (Schadensbe-schreibung/Restaurierungsmaßnahme kopieren) vereinfacht werden.In der Einzelansicht werden alle einem Restaurierungsantrag zu-gehörigen Informationen (inklusive aller zugehörigen Objektinfoma-tionen) zusammen gefasst dargestellt und können als PDF-Ausdruckgeneriert werden.

Benutzerantrag, Recherche und BestellungSeit Mai 2007 ist der Kern des Moduls 3/4, die Workflows um dieBenutzung, im Staatsarchiv Münster im Betrieb. Vorausgegangenwaren Monate, in denen insbesondere die Erschließungsdaten auf ihreinnere Konsistenz und Benutzbarkeit überprüft wurden. Die Bestän-deübersicht wurde auf Stand gebracht, fehlende Bestellsignaturenergänzt, Bestände- und Findbuchnamen angeglichen. Benutzer stellen seit einem Jahr ihren Benutzerantrag im Lesesaal desStaatsarchivs Münster elektronisch, anschließend wird er ebenfallselektronisch durch die Lesesaalaufsicht genehmigt. Der Antrag wirdausgedruckt, da er der Unterschrift des Benutzers bedarf. Gleichzeitig

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

Workflow zum Verbuchen von Archivali-enbestellungen in V.E.R.A. Modul 3/4

315

wird eine Benutzerkarte mit Barcode an den Benutzer ausgegeben. DerBenutzerantrag wird nicht mehr jährlich, sondern für jedes neueThema neu gestellt.Der Benutzer kann sich nun mit seiner Barcodekarte am Computeranmelden: nachdem er seinen Name eingetippt hat, zieht er zurAnmeldung die Karte durch das Lesegerät und gelangt zu einerEinstiegsseite, auf der er unter mehreren Funktionen wählen kann:hier kann er seine Kundendaten ändern, ein neues Thema angeben,Archivalien bestellen, einen Fotoauftrag aufgeben und in seinemAktenkorb den aktuellen Status der von ihm bestellten oder eingese-henen Archivalien abrufen. Die Lucene-basierte Recherchefunktionermöglicht die Suche in den Findmitteln und Beständen. Mit derErteilung einer Sondergenehmigung zur Recherche in gesperrten bzw.nicht veröffentlichten Teilen eines Findmittels erhält der Benutzereinen speziellen Zugriff auf sonst nicht einsehbare Findbücher, derauf seinen Antrag zugeschnitten ist.Die Darstellung der Online-Findbücher folgt dem gängigen Standard:im linken Frame die Darstellung der Klassifikation im Findmittel bzw.

der Tektonik der Bestände, im rechten Frame die Verzeichnungseinhei-ten bzw. Bestandsinformationen. Die Rechercheoberfläche ist soausgelegt, dass sie intuitiv bedienbar ist, als Vorbild dienen für dieeinfache Recherche die „einfache“ Suchmaske der Google-Suche undfür die erweiterte Recherche die „erweiterte“ Google-Suche. Solangeder Benutzer nicht angemeldet ist, kann er als Gast zwar in derBeständeübersicht und den Findbüchern recherchieren, er kannjedoch keine Archivalien bestellen oder Reproaufträge aufgeben. Vor der Benutzung eines Archivales muss dieses zuvor durch denBenutzer (oder Archivar) in V.E.R.A. 3/4 bestellt werden. Bei derBestellung wählt der Benutzer entweder aus der Beständeliste aus undergänzt händisch die Signatur oder er klickt bei in V.E.R.A. vorhande-nen Findbüchern das Archivale im Findbuch an, was bewirkt, dass esim „Aktenkorb“ des Benutzers erscheint und bestellt wird. Die Lese-saalaufsicht druckt daraufhin die Bestellzettel aus. Zu jeder Bestellungwerden auf ein vorgefalztes leeres DIN A-5 Blatt zwei Bestellzettelgedruckt. Neben der Bestellsignatur erhält jeder Bestellzettel einenBarcode, der aus einer 10-stelligen Zufallszahl als Zeichenkette und der

316

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

MITTEILUNGEN UND BEITRÄGE DES LANDESARCHIVS NRW

Endziffer „0“ für Zettel 1 und der gleichen Zufallszahl mit der Endzif-fer „1“ für Zettel 2 besteht. Ein Bestellzettel bleibt beim Bestand imMagazin, einer bei der Akte. Der bei der Akte verbleibende Bestellzettelwird eingescannt und der Status des Archivales damit auf z. B. Aushe-bung oder Fotowerkstatt gesetzt. So ist es jederzeit möglich nachzu-vollziehen, an welcher Stelle die Archivalien sich gerade befinden. DieEntscheidung, die Bestellzettel mit Barcodes zu versehen, nicht aberdie Archivalien selbst, war bereits in einem sehr frühen Projektstadi-um getroffen worden.Bei der Archivalienrückgabe gleicht die Lesesaalaufsicht das Archivalemit dem Bestellzettel ab und bucht durch Barcodeauslesung dasArchivale zurück. Will der Benutzer es noch einmal einsehen, wird esauf Wiedervorlage gebucht. Beim Reponieren hält der Magaziner nachder Reponierung des Archivales beide Bestellzettelteile unter einenBarcodeleser: nur wenn die beiden zusammengehörigen Barcodeseingelesen werden, wird der Status des Archivales auf „Reponierunggesetzt“, und der mit dem Archivale Belastete wieder entlastet.Bei Falschbestellungen kann die Bestellung storniert werden, soferndie Bearbeitung der Bestellung noch nicht begonnen hat. Stellt sich beider Aushebung heraus, dass sich das Archivale nicht im Archivkartonbefindet und auch kein Bestellzettel einliegt, so wird es auf „fehlt“gebucht. Bei der Archivalienbestellung ermöglicht die Funktionalität „Vormer-ken“ die Bestellung von Archivalien für einen späteren Tag. Vormerken

Anmeldung einer Lesesaalbenutzerin am Webmodul

Automatisch generierter Bestellzettel

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

317

kann der Benutzer für sich selbst oder ein Archivmitarbeiter für einenBenutzer.

Reproaufträge Beim Ausfüllen eines Reproauftragformulars enthält die inhaltlichzweiteilige Bildschirmmaske im ersten Teil die Allgemeinangaben zumReproauftrag, während der zweite Teil eine Listendarstellung zumErfassen der angeforderten Reproduktionen zeigt. Bei den Allgemein-angaben ermöglicht ein Button die Einsicht in die Gebührenordnung,besondere Angaben zur Rechnungsstellung oder zum Antrag auf eineVeröffentlichungsgenehmigung. Der Reproauftrag wird entwederdurch einen Benutzer im Lesesaal oder durch einen Mitarbeiter imArchiv für ihn gestellt. Im Fall des Ausfüllens durch den Benutzer imLesesaal wird die von ihm ausgefüllte Maske für die Lesesaalaufsichtsichtbar. Die Lesesaalaufsicht genehmigt den Antrag elektronisch,druckt ihn aus und legt ihn dem Kunden zur Unterschrift vor. Diezum Reproauftrag gehörenden Archivalien werden von der Aktenaus-gabe auf „Fotowerkstatt“ gebucht.Als Reprovorlage können die vom Benutzer bestellten Archivalien ineinem Dropdown-Menü ausgewählt werden, alternativ kann als„Sonstiges“ eine Benutzereingabe, z. B. bei Kopien aus Findbüchern,erfolgen. Der Benutzer wählt über ein Dropdown-Menü die Art derAnfertigung einer Reproduktion aus, z. B. Dateiscans oder Papierkopi-en.Die Sicht der im Archiv an einem Fotoauftrag Beteiligten wird in 3Reitern dargestellt, die den Workflow abbilden: Fotoauftrag, Foto-werkstatt und Rechnung. In der Fotowerkstatt werden die Mengenangefertigter Reproduktionen für jeden Auftag ermittelt und alsRechnungssatz, bezogen auf die Art der Anfertigung, erfasst: für jeden

Artikel wird ein Eintrag in die Liste der Rechnungspositionen einge-fügt. In der Rechnungslegung werden zusätzlich zu den Posten fürangeforderte (und angefertigte) Reprovorlagen bei Bedarf insbesondereArbeitszeit, Nebenkosten und Porto/Verpackung aufgenommen. DieRechnung wird, mit allen notwendigen Angaben versehen, als PDF-Dokument generiert und kann dann ausgedruckt und verschicktwerden.

AUSBLICK UND RESÜMEE Aus heutiger Sicht ist die Implementierung von V.E.R.A. Modul 3/4 inallen Staats- und Personenstandsarchiven das nächste Ziel. Die strate-gische Weiterentwicklung soll künftig folgende Themenfelder aufgrei-fen: – die komfortable Einbindung von Digitalisaten in V.E.R.A.-Er-

schließung und deren Präsentation über V.E.R.A. 3/4 im Lesesaal,die bereits kurz vor der Fertigstellung steht

– die Einbindung von Metadaten zu elektronischen Unterlagen – die Ausgabe von Zahlen und Daten, die im Rahmen des Berichtswe-

sens relevant sind.Der angestrebte bessere Service für das Archivpersonal und Benutzerund die verbesserte Geschäftsprozesskontrolle sind inzwischen er-reicht worden. Der volle Nutzen von V.E.R.A. wird tatsächlich sichtbar,wenn man alle drei Programmkomponenten einsetzt und die Er-schließung, die Archivgutverwaltung und die Arbeitsprozesse rundum die Archivalien aufeinander bezieht. �

Anke Hönnig/Johannes Burkardt/Mechthild Black-Veldtrup, Münster

Verbuchung von Archivalien in V.E.R.A Modul 3/4

318

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

MITTEILUNGEN UND BEITRÄGE DES LANDESARCHIVS NRW

EINLEITUNG

Der Gründung des Landesarchivs zum 1.1.2004 gingen Organisations-untersuchungen von Mummert + Partner und Arthur Andersenvoraus.1 Laut Leistungsbeschreibung diente die grundlegende Unter-suchung von Mummert + Partner „der Optimierung der Aufgaben-wahrnehmung sowie der Verbesserung der Wirtschaftlichkeit derArchive unter Berücksichtigung der Verbesserung von Motivation undArbeitszufriedenheit, der Interessen von Mitarbeiterinnen und Mitar-beitern (Sozialverträglichkeit), der Gestaltung von Arbeitsabläufen“.2

Dem war zu entnehmen, dass die staatlichen Archive sich weiterent-wickeln sollten. Darüber hinaus wurde bereits festgelegt, dass hierbeiinsbesondere Wirtschaftlichkeitsüberlegungen, aber auch Aspekte vonMitarbeiter- und Kundenorientierung sowie der Arbeitsauftrag derArchive in den Blick genommen werden sollten. Parallel liefen die Aktivitäten zur Binnenmodernisierung in dernordrhein-westfälischen Landesverwaltung weiter. Es wurde einFahrplan mit vorab definierten Zeitfenstern für die Bereiche Führenüber Zielvereinbarungen, Jahresmitarbeitergespräche, Führungsfortbil-dung, die Erstellung von Personalentwicklungskonzepten, die Durch-führung von Befragungen sowie Einführung von Qualitäts- undVeränderungsmanagement aufgestellt. Dazu kamen ressortübergrei-fende Aktivitäten in den Reformfeldern E-Government, Neues Haus-halts- und Rechnungswesen (Projekt EPOS), Funktionsbewertungsowie Leistungsbeurteilung. In der Koalitionsvereinbarung der neuenLandesregierung wurden für den Zeitraum ab 2006 neue Schwer-punkte gesetzt: Moderne Verwaltung ist dabei durch das Leitbildeines leistungsstarken bürgerorientierten und flexiblen öffentlichenDienstes geprägt. Ziel aller Modernisierungsanstrengungen ist eineVerwaltung, die zu einer Erhöhung der Transparenz und Ergebnisver-antwortung im Verwaltungshandeln führt. Verwaltungsmodernisie-rung besteht danach aus den Reformbereichen Strukturreform,Bürokratieabbau und Binnenmodernisierung. Für den Prozess der

Binnenmodernisierung wird allerdings nicht mehr an Zeitschiene undVerbindlichkeit des bisherigen Fahrplans festgehalten. Es soll damitdie Möglichkeit eröffnet werden, Instrumente auf die jeweils spezifi-schen Belange einer Organisation anzupassen. Auf dieser Grundlageverpflichten sich alle Ressorts, Maßnahmen der Binnenmodernisie-rung in eigener Verantwortung weiter voranzubringen.3

In diesem Sinne musste daher auch das Landesarchiv ab 2004 ent-scheiden, in welchen Reformfeldern der Binnenmodernisierungwelche Aktivitäten wann sinnvoll, möglich und umsetzbar sind. Schonbei der Entwicklung der ersten Geschäftsordnung des Landesarchivswurden dazu Diskussionen zum zu Grunde liegenden Leitbildgeführt. Die im Archivgesetz fixierten sehr unterschiedlichen Aufga-ben, ein sich daraus ergebendes Selbstverständnis sowie unterschied-liche Erwartungen Externer an die Archivverwaltung wurden disku-tiert. Der Ruf nach strategischer Ausrichtung und Priorisierung vonFachaufgaben wurde schnell laut und Zielkonflikte bei der Aufgaben-erledigung ebenso schnell deutlich. Faktisch gingen in die weiterenÜberlegungen zur Entwicklung des Landesarchivs auch die sehrunterschiedlichen Vorerfahrungen der verantwortlichen Akteure ausden Bereichen Archivfachlichkeit und Verwaltung ein. Selbst bei einergrundsätzlich gleich ausgeprägten Veränderungsbereitschaft warendiese erwartungsgemäß von unterschiedlichen Reformansätzen undKulturen geprägt. Zudem war die Archivverwaltung auch als Fachbehörde mit Spezial-wissen gefordert, sich in laufende Reformüberlegungen (z. B. imBereich E-Goverment) mit ihrer archivfachlichen Kompetenz einzu-bringen. Das Landesarchiv musste auch selbst initiativ werden undkraft seines Auftrages nach Archivgesetz auf faktische Entwicklungenin der Landesverwaltung durch erweiterten bzw. veränderten Technik-einsatz reagieren. Wegen der Auswirkungen von Informationstechnikauf zukünftige Archivierung sind hier Antworten sowohl als selbstbetroffene Behörde als auch als Standard setzende Organisation

VERWALTUNGSMODERNI -SIERUNG IM LANDESARCHIVNORDRHEIN-WESTFALEN

SCHWERPUNKTE DER JAHRE2004 BIS 2008

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

erforderlich. Als wesentliche Arbeitsfelder seien hier die Archivierungelektronischer Unterlagen sowie die Elektronische Vorgangsbearbei-tung benannt.Unabhängig von eigenen Planungen des Landesarchivs zum Aufbaueiner modernen Organisation wurde es frühzeitig in die Überlegungenzur Weiterentwicklung des Haushalts- und Rechnungswesens inNordrhein-Westfalen einbezogen. Als im Haushaltsgesetz 2004/2005die Ressorts in Nordrhein-Westfalen aufgefordert wurden, in ihremGeschäftsbereich einen Produkthaushalt auf der Basis einer Kosten-und Leistungsrechnung vorzubereiten, wurde dafür im damaligenGeschäftsbereich das Landesarchiv ausgewählt. Im neuen Ressort –inzwischen ist das Landesarchiv nachgeordnete Einrichtung imGeschäftsbereich des Ministerpräsidenten – gibt es nun mit demLandesarchiv, dem Fahrdienst der Landesregierung und der Vertretungdes Landes beim Bund drei Modellmandanten.Das Landesarchiv gehört inzwischen zu den letzten „Modellbehördender ersten Stunde“, weil sich die Behördenlandschaft in Nordrhein-Westfalen im Rahmen der Verwaltungsstrukturreform weiter verän-dert hat. Zwischenzeitlich wurde entschieden, dass die sog. IntegrierteVerbundrechnung als Basis für die Aufstellung des Produkthaushalteslandesweit eingeführt werden und dafür ein landeseinheitliches IT-System eingesetzt werden soll. Die Vorbereitungen dazu laufen derzeitnoch. Nach Vergabeentscheidung und Systemeinrichtung soll eszunächst in der Justizvollzugsverwaltung als Referenzverwaltunggetestet werden. Die landesweite Umstellung auf Produkthaushalt sollnach derzeitigen Planungen ab 2011 in mehreren Staffeln erfolgen.Die Situation des Landesarchivs im Berichtszeitraum ist damit vonmehreren sich zeitlich wie inhaltlich überlagernden Entwicklungensowie anspruchsvollen Anforderungen geprägt und ist charakterisiertdurch Vorgaben und Freiräume zugleich.

1 Vgl. dazu Wilfried Reininghaus, Das Landesarchiv Nordrhein-Westfalen.Entstehung, innere Organisation, Aufgaben und aktuelle Ziel, in: Der Ar-chivar 57 (2004) S. 295-300.

2 Untersuchung der staatlichen Archive NRW [Internes Papier der Unterneh-mensberatung Mummert + Partner, Düsseldorf 2000], S. 1.

3 Die vorangegangenen Informationen sind dem Informationsangebot des In-nenministeriums NRW zur Verwaltungsmodernisierung entnommen. Fürweitergehende Informationen wird auf www.im.nrw.de/vm verwiesen.

319

MAßNAHMEN DERVERWALTUNGSMODERNISIERUNG IMLANDESARCHIV – EIN ÜBERBLICK

Die Einführung einer Kosten- und Leistungsrechnung ist sicherlichdie Modernisierungsmaßnahme, die am intensivsten wahrgenommenwurde. Viel diskutierte Frage war, ist und bleibt – kann dieses Systemder Privatwirtschaft im öffentlichen Sektor überhaupt und in einerArchivverwaltung im Besonderen ernsthaft Grundlage für Steuerungs-entscheidungen sein? Zugleich hat das Landesarchiv in seiner Entwicklung zu einer zeit-gemäßen Behörde aber auch weitere Module der Verwaltungsmoder-nisierung aufgegriffen und konkrete Maßnahmen in den BereichenPersonal, Organisation und Technik entwickelt. Leitende Grundideewar hierbei zunächst, dass die Arbeit der neuen Einrichtung Landes-archiv NRW in diesen Themenfeldern einheitlich und berechenbarsein sollte. Außerdem sollte nicht nur organisatorisch auf Problemereagiert, sondern entsprechend der Grundideen zum ReformbereichBinnenmodernisierung eine auch im Vergleich mit anderen Landes-behörden „moderne Verwaltung“ aufgebaut werden.

Abb. 1: IVR

320

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

MITTEILUNGEN UND BEITRÄGE DES LANDESARCHIVS NRW

Es wurde ein Personalentwicklungskonzept erstellt, in dem die Grund-lagen der Personalverwaltung fixiert und Leitgedanken für die Perso-nalentwicklung der Beschäftigten des Landesarchivs verbindlich undnachvollziehbar dargestellt werden. Behandelt werden die Bereiche„Auswahl und Einsatz von Personal“, „Stellenwertigkeiten undFörderung der Beschäftigten“, „Zusammenarbeit und Führung“,„Frauenförderung“, „Fortbildung“, „Ausbildung“, „OrganisatorischeMaßnahmen-Flexibilisierung von Arbeitszeiten“ und „Maßnahmender Beschäftigtenfürsorge“. Einem Baukastensystem gleich wird diesesKonzept fortlaufend weiterentwickelt bzw. in die Praxis umgesetzt.Aktuell wird der Bereich „Beschäftigtenfürsorge“ konzeptionellbearbeitet. Ein inhaltlich damit verbundener Frauenförderplan wurdeaufgestellt und zwischenzeitlich bereits fortgeschrieben.Es erfolgte nicht nur der Einstieg in Zielvereinbarungsgespräche,sondern auch in anlassunabhängige strukturierte Mitarbeiterge-spräche. Dem gingen Schulungsmaßnahmen für alle Beschäftigten mittheoretischen Hintergründen voraus. Der praktische Einstieg wurdedurch das Angebot eines E-Learning-Programmes unterstützt. In konsequenter Weiterentwicklung des Führens über Ziele erfolgtenFlexibilisierungen bei Zeit und Ort der Aufgabenerledigung. Es wurdedie Flexible Arbeitszeit eingeführt. In einem zeitlich großen Arbeitszeit-rahmen können Arbeitszeiten danach sehr variabel festgelegt werden,wenn dienstliche Erfordernisse dies zulassen. Auch Abwesenheitenwährend der Servicezeit sind möglich, wenn die Vertretung im Teamsichergestellt ist. In Fortführung dieses Gedankens ist das Landesar-chiv zum 1.4.2008 nun in den Modellversuch Alternierende Telearbeiteingestiegen. Auf zunächst 5 Arbeitsplätzen wird hier für die Dauereines Jahres ausprobiert, ob dienstliche Aufgaben auch teilweise zuHause erledigt werden können. Wegen der Schwierigkeit, erforderliche Besprechungen ohne unver-hältnismäßige Reisezeiten zu realisieren, wird nun der Einsatz einesVideokonferenzsystems getestet.4

Aufgabenkritik und Strategieentwicklung ist seit 2004 angesichts erfor-

derlicher Positionierung und Priorisierung sowie wegen sinkenderPersonalressourcen Dauerthema. Gerade bei diesen Themen erhieltenexterne Begleitung von Einführungs- und Veränderungsprozessendurch Fachberater Normalität. Projektarbeit zur Sicherstellung und Optimierung von Zusammenar-beit über Abteilungsgrenzen hinweg gewann an Bedeutung. Projekt-gruppen wurden sowohl zur Lösung archivfachlicher Fragestellungen(insbesondere der Entwicklung von Archivierungsmodellen) sowie beifederführend durch die Verwaltung bearbeiteten Aufgaben (Berichts-wesen und Neubau) eingerichtet. Insgesamt wurde Fortbildung stärker strukturiert und neben Fachfort-bildungen auch auf veränderte Anforderungen von Steuerung, Lei-tung, Zusammenarbeit und Führung sowie Methodenkompetenzausgerichtet – das Spektrum reichte von Change-Management überGrundlagen der Betriebswirtschaftslehre bis zu Projekt- und Bespre-chungsmanagement. Die Durchführung von Mitarbeiter- und Kundenbefragungen steht aufder Agenda. Beides wurde nach ersten Vorprüfungen angesichts deserheblichen Aufwandes für Konzeption, Durchführung sowie Vor- undNachbereitung zunächst zurückgestellt. Gerade weil die Wichtigkeitdieser Instrumente erkannt wurde, müssen vorab Kundenbeziehungenklar sein, die richtigen Fragen zum richtigen Zeitpunkt gestellt undauch Schlüsse aus den Antworten gezogen werden (können). Insgesamt waren daher bei der Entwicklung des Landesarchivs nichtallein Kostenaspekte, sondern im Sinne eines ausgewogenen Zielsys-tems auch andere Perspektiven bestimmend. Auf dem Weg zu einer„modernen Verwaltung“ war Bestreben, die bereits in der Organisati-onsuntersuchung aufgegriffene Mehrdimensionalität im Sinne einer„Balanced Scorecard“ mit Inhalten zu füllen.5

Eine detaillierte Komplettbetrachtung würde den Rahmen einerAbhandlung in einer Fachzeitschrift (und die Vorgabe für die maxi-male Länge des Aufsatzes!) sprengen. Die Verfasserin beschränkt sichdaher hier auf nähere Ausführungen zu Zielvereinbarungen, Kosten-

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

und Leistungsrechnung (KLR), Produkthaushalt und Berichtswesen,da bereits dort komplexe Themenzusammenhänge bestehen.6

MODERNISIERUNG DES HAUSHALTS- UNDRECHNUNGSWESENS IN NORDRHEIN-WESTFALEN Ziel ist es, das Haushalts- und Rechnungswesen der Landesverwal-tung auf ein produktorientiertes System umzustellen. Diese Moderni-sierung ist Teil der internationalen Reformentwicklung und vollziehtden Wandel von der bürokratischen Verwaltungssteuerung zu einemsog. New Public Management. Steuerung soll zukünftig outputorien-tiert erfolgen. Angestrebt wird mit dieser umfassenden Modernisie-rung des Haushalts- und Rechnungswesens zugleich ein Beitrag zurKonsolidierung des Landeshaushalts. Kern des neuen Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesens ist die sog.Integrierte Verbundrechnung (IVR). Das System der IntegriertenVerbundrechnung mit Doppelter Buchführung setzt sich aus Vermö-gensrechnung, Ergebnisrechnung, Finanzrechnung und Kosten- undLeistungsrechnung zusammen. Das Zusammenspiel dieser Kompo-nenten lässt sich Abb. 1 entnehmen. Leistungsrechnung wird aus der Ergebnisrechnung abgeleitet undordnet Aufwendungen und Erträge als Kosten und Erlöse unterschied-lichen spezifischen Betriebszwecken zu. Bei der Kostenrechnung wird zwischen der Kostenarten-, Kostenstel-len- und Kostenträgerrechnung unterschieden. Die Kostenartenrech-nung übernimmt die betrieblichen Erträge und Aufwendungen ausder Ergebnisrechnung und beantwortet die Frage, welche Erlöse undKosten angefallen sind. Die Kostenstellenrechnung ordnet die Kostenund Erlöse bestimmten „Teilen des Betriebes“ zu und beantwortet dieFrage, wo Erlöse und Kosten angefallen sind. Die Kostenträgerrech-

4 Das Landesarchiv NRW ist derzeit mit Abteilungen in Brühl, Detmold, Düs-seldorf und Münster auf insgesamt 12 Liegenschaften verteilt.

5 „Balanced Scorecard (BSC)“ meint wörtlich übersetzt „ausgewogener Be-richtsbogen“. Die Finanzperspektive wird danach um weitere Erfolgsfak-toren – üblicherweise Kunden-/Marktperspektive, Interne Prozessperspek-tive, Lern- und Entwicklungsperspektive – ergänzt. BSC wurde Anfang derNeunziger Jahre von Robert S. Kaplan und David P. Norton in den USA ent-wickelt. Sie stellten in Untersuchungen fest, dass nur monetäre Kennzah-len zur Steuerung eines Unternehmens nicht ausreichend sind. Sie schlu-gen daher vor, ergänzend auf die Kunden des Unternehmens bezogene, aufdie Prozesse des Unternehmens bezogene sowie auf das Lernen und die Ent-wicklung des Unternehmens bezogene Kennzahlen zu verwenden. Sie sa-hen diese vier Perspektiven aber nie als feststehende Vorgabe, die für jedesUnternehmen verwendbar ist, sondern nur als Vorlage für Unternehmen,die eine eigene BSC entwickeln wollen.

6 Bei Fragen oder Anregungen zu den beschriebenen Bereichen Kontakt un-ter [email protected].

321

nung ordnet die Kosten und Erlöse den „betrieblichen Verwendungs-zwecken“ zu und beantwortet die Frage, wofür Kosten bzw. worausErlöse entstanden sind. Die Kostenträger sind die sog. Produkte. Die Kosten- und Leistungsrechnung „als Kernstück des Systems“liefert damit Informationen für die Wirtschaftlichkeitssteuerung, indem sie Ressourcenverbrauch und zu erzielende Leistungen gegen-überstellt. Sie ist gleichzeitig Ausgangsbasis für die Aufstellung desProdukthaushaltes, bei dem die erzielten bzw. zu erzielenden Leistun-gen die Höhe der Budgets bestimmen. Ergebnis- und Budgetverant-wortung soll dezentral erfolgen. In Zielvereinbarungen werden diestrategischen Ziele aus Regierungsprogrammen und die Fach- undRessourcenziele aus dem Produkthaushalt vereinbart. Controllingstellt sicher, dass die Aufgabenerledigung auch tatsächlich im Rahmendieser Zielsetzungen – ggf. nach Ressourcenverschiebungen – erfolgtbzw. frühzeitig über Zielanpassungen entschieden wird.

Abb. 2: Produktkatalog des Landesarchivs NRW

322

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

MITTEILUNGEN UND BEITRÄGE DES LANDESARCHIVS NRW

Zur Umsetzung wurde in Nordrhein-Westfalen unter Beteiligung allerRessorts, des Landesrechnungshofes sowie der Hauptpersonalräte dasProjekt EPOS.NRW ins Leben gerufen.Die wesentlichen Grundlagen des Projektes sind im „FachlichenRahmenkonzept zur Einführung des Produkthaushaltes auf der Basisder integrierten Verbundrechnung“ fixiert, das seit Anfang 2005vorliegt. Im Projekt EPOS.NRW wird an weiteren Detailkonzeptengearbeitet. Konkret gibt es derzeit (überwiegend im Entwurfsstadium)Konzepte zur Betriebsorganisation sowie zu Information und Schu-lung, außerdem Richtlinien zu Kennzahlen, KLR, Buchung, Budgetie-rung, Bilanzierung und Bewertung. Nach Verbindlichkeit und Erpro-bungsphase sollen diese Konzepte als Verwaltungsanweisungenverbindlichen Charakter erhalten.7

Diese Ausführungen sind zum einen wichtig, um die im Weiterenbeschriebenen Umsetzungsprozesse im Landesarchiv in einen überge-ordneten Kontext zu stellen. Außerdem wird daraus Herausforderungwie Belastung im Rahmen der Umsetzung deutlich. Von Relevanz istinsoweit auch, dass die Vorbereitungen für die Einrichtung einesModellmandanten in die Zeit fielen, in der das Landesarchiv selbstnoch im Aufbau war und keine stabile Organisation hatte. Die hiernach und nach Aufgaben übernehmenden Menschen mussten sichteilweise zunächst erst selbst Arbeitsbedingungen schaffen und ihrepraktische Arbeit aufnehmen. Teambildungsprozesse und sich darausergebende soziologische Phänomene mussten durchlaufen werden.Zudem erfolgten die abschließenden Festlegungen zum EPOS-

Rahmenkonzept noch in der Zeit, in der bereits mit der praktischenUmsetzung im Landesarchiv begonnen wurde. Dies hatte zwar denVorteil, dass die Installation auf dem aktuellsten Stand der theoreti-schen Überlegungen aufsetzte. Anderseits lagen aber auch noch keinepraktischen Erfahrungen aus anderen Organisationen als Vorbild vor.

ZIELVEREINBARUNGEN, KOSTEN- UNDLEISTUNGSRECHNUNG (KLR),PRODUKTHAUSHALT UNDBERICHTSWESEN IM LANDESARCHIV NRW

Zielvereinbarungen

Bereits im Gründungsjahr 2004 wurden zwischen dem Präsidentendes Landesarchivs und dem damals zuständigen Ministerium Zielver-einbarungen abgeschlossen. Der jährliche Abschluss von Zielvereinba-rungen hat nun auch nach Ressortwechsel bereits Tradition. Innerhalbdes Landesarchivs sind Zielvereinbarungen zwischen dem Präsidentenund den Abteilungsleitungen sowie zwischen den Abteilungs- undDezernatsleitungen je Abteilung vorgesehen. In dem System von „Top down“ und „Bottom up“ werden jährlich dieinhaltlichen Schwerpunkte und grundlegenden Rahmenbedingungenfür die Aufgabenerledigung ausgehandelt. Diskussionspunkt war undist die Schnittstelle zwischen „Zielvereinbarungen“ und „Zielvorga-

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

ben“. Es muss noch weiter das Bewusstsein geschaffen werden, dassnicht alles verhandelbar ist. Da der „Auftraggeber und Finanzier“Vorgaben machen kann, liegt Verhandlungsspielraum weniger im„Ob“ als im „Wie“ der Aufgabenerledigung.

Kosten- und Leistungsrechnung (KLR) Im Landesarchiv wurden 2004/2005 die inhaltlich konzeptionellensowie technischen Voraussetzungen für die Einführung einer Kosten-und Leistungsrechnung geschaffen.8 Die Arbeiten erfolgten feder-führend in einer Projektgruppe, die aus Beschäftigten des damalszuständigen Ministeriums und des Landesarchivs bestand. Technischsetzte man auf die Installation eines aus mehreren Modulen bestehen-den Integrierten Verwaltungsmanagementsystems.9 Mit der Ein-führung der KLR-Software wurde nicht ausschließlich ein betriebs-wirtschaftliches Instrument eingesetzt, sondern es sollten darüberhinaus – in Umsetzung der vorangegangenen Organisationsuntersu-chungen – Arbeitsabläufe durch IT-Unterstützung effizienter gestaltetwerden. Es wurden dafür die Arbeitsabläufe von der Anforderung derBeschaffungsstelle über die Beschaffungsmaßnahme bis hin zurAnlagenerfassung und -bewertung sowie Mittelbewirtschaftung undRechnungslegung technisch unterstützt. Die Software ist Vorverfahrenzu HKR-TV als dem weiter vom Finanzministerium vorgegebenenBuchungssystem.Im wirklichen Leben hieß das: Da im neuen Landesarchiv im Beschaf-fungsbereich noch keine Arbeitsabläufe bzw. verbindliche Festlegun-gen zu zentralen und dezentralen Zuständigkeiten bestanden, musstendiese unter hohem Zeitdruck erfolgen. Außerdem musste erforderlicheSoftware installiert und die in allen Abteilungen zuständigen Beschäf-tigten für Beschaffungen entsprechend geschult werden, da nur so dasKLR-System mit Daten gespeist werden kann. „Scharf geschaltet“wurde das System zum 1.7.2005. Da in der Kostenrechnung Kostenarten von den Kostenstellen aufKostenträger verrechnet werden, mussten dazu für das Landesarchivkonkrete Festlegungen erfolgen. Bei den Kostenstellen wurde weitge-hend auf die Organisation des Landesarchivs aufgesetzt und Abteilun-gen und Dezernate als Kostenstellen abgebildet. Gerade die Erstellungeines Produktplanes und Festlegung der Kostenträger löste eineintensive Diskussion an der Schnittstelle von Archivfachlichkeit undVerwaltung aus. Diese fand ihr vorläufiges Ende in der Verständigungauf vier Produkte und zwei Verrechnungskostenträger „Verwal -tung/Service/Grundsatz“ sowie „Nicht produktbezogene Zeiten“. Wesentliche Kostenart mit einem Anteil von ca. 60 % sind die Perso-nalkosten. Ein weiteres Diskussionsfeld war und ist in diesem Zusam-menhang die Entscheidung, für die Ermittlung dieser Kosten daraufzu setzen, dass Beschäftigte im Landesarchiv selbst eingeben, wie vielArbeitszeit für welches Produkt eingesetzt wird. Insbesondere vonSeiten der Personalvertretung wurden Fragen der ausreichendenAnonymisierung und des Zeitaufwandes für das Buchungsgeschäftthematisiert. Allerdings sind die Zeiterfassungen der Beschäftigtennach deren Freigabe im System nicht mehr einzelnen Personen zuzu-ordnen. In der Praxis hat sich zudem gezeigt, dass der tatsächlicheAufwand für Buchen und Freigabe der Arbeitszeiten gering ist. Ange-sichts der Dimension der Personalkosten im KLR-System ist allerdingsdie Sicherstellung, dass überhaupt freigegeben wird, schon erstewichtige Voraussetzung für solide Zahlen. Zudem sind die Zahleninsgesamt nur so verlässlich, wie sie bei gleichen Tätigkeiten auch vonallen Beschäftigten gleich verbucht werden. Es wurden dazu Handrei-chungen zur Verfügung gestellt. Die Überprüfung, ob tatsächlichentsprechend gehandelt wird, lässt das System allerdings nicht zu.Bekannt gewordene Probleme werden von der Verwaltung aufgegrif-

323

fen, einer einheitlichen Lösung zugeführt und die Handreichung füralle Beschäftigten aktualisiert. Auch wird insbesondere in Gesprächenauf die einheitliche Buchungspraxis hingewirkt. Da die Dienststellehier allerdings auf die Mitwirkung ihrer Beschäftigten angewiesen ist,wird nach mehreren Erinnerungen inzwischen auf die fortlaufendunterbliebene Freigabe von Zeiten durch ein Schreiben des Personal-dezernates mit Hinweis auf diese Dienstpflicht reagiert.

Produkthaushalt Erstmals für das Haushaltsjahr 2006 und seitdem jährlich wird fürdas Landesarchiv ein Produkthaushalt aufgestellt. Haushaltsrechtlichführend bleibt der daneben zu erstellende kamerale Haushalt. DerProdukthaushalt wird dem maßgeblichen Einzelplan ergänzendbeigefügt. Aufgenommen werden hier sowohl Angaben zu den Kostensowie zu korrespondierenden Leistungen. Sowohl zur Budgeteinheitinsgesamt (= Landesarchiv) als auch zu den einzelnen Produktenwerden Kennzahlen geliefert. In der sog. Identitätsrechnung erfolgenUmrechnungen, durch die die kamerale Haushaltsführung und derProdukthaushalt harmonisiert werden. Beim Ressourcenverbrauch setzt der Produkthaushalt auf die Angabenauf, die im Rechnungssystem errechnet werden. Perspektivisch soll dasLandesarchiv zur Aufgabenerledigung nur die Mittel bekommen, dienach diesen Zahlen erforderlich sind. Da der kamerale Haushaltweiter führend ist, erzeugen die Maßnahmen zur Vorbereitung desProdukthaushaltes einschließlich der Entwicklung und Pflege desKLR-Systems zusätzlichen Aufwand. Wegen der inzwischen getroffe-nen Entscheidung, das Haushaltssystem in Nordrhein-Westfaleninsgesamt schrittweise umzustellen, hat das Landesarchiv durch denfrühzeitigen Einstieg aber die Chance, zu üben und das System weiterzu entwickeln, „bevor es ernst wird“.Der Modellstatus führt außerdem dazu, dass auch für das Landesar-chiv „als Bonbon“ die Sonderregelungen des jeweiligen Haushaltsge-setzes gelten. Dadurch bestehen bereits jetzt Flexibilisierungen in derMittelbewirtschaftung. Mittel können erleichtert auch für andereZwecke und somit z. B. auch Sachmittel für Personal (und umgekehrt)genutzt werden. Auch einem „Novemberfieber“ bei Beschaffungenwird begegnet: Nur durch den Gesamtumfang dafür beim Finanzmi-nisterium verfügbarer Mittel begrenzt kann das Landesarchiv 75% derHaushaltsmittel auch noch im Folgejahr nutzen.

Berichtswesen Die EPOS-Philosophie der selbständigen Budgeteinheit fordertzugleich den Aufbau eines Berichtswesens. Dort sind neben Kostenda-ten korrespondierende Leistungsdaten erforderlich. Im Jahr 2006wurden daher für das Landesarchiv erstmals einheitliche Leistungs-kennzahlen erarbeitet. Grundlegende Überlegungen wurden dazu ineiner Projektgruppe des Landesarchivs angestellt.10 Auch die Erfahrun-gen anderer Landesbehörden und Archivverwaltungen – konkret

7 Die vorangegangenen Informationen sind dem Informationsangebot vonEPOS.NRW entnommen und dienen als Basisinformation. Für weitergehen-de Informationen wird auf www.epos.nrw.de verwiesen.

8 Es wurden dazu mit grundlegenden Festlegungen eine Dienstanweisungzur Haushaltsplanung, Haushaltsausführung, Haushaltsüberwachung, einBetriebskonzept sowie eine Verfahrensbeschreibung entwickelt.

9 Derzeit im Einsatz sind Module des Verwaltungsmanagementsystems M1der MACH AG.

10 Die Ergebnisse der Projektarbeit wurden in dem „Abschlussbericht der Pro-jektgruppe Berichtswesen“ zusammengefasst.

324

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

MITTEILUNGEN UND BEITRÄGE DES LANDESARCHIVS NRW

Schlagworte. Es wurden daher schon frühzeitig Vergleiche zu dengleich aufgebauten „Nachbar-Abteilungen“ gewünscht. Zwischenzeit-lich werden einige Berichte ausschließlich als Zeitreihenberichtaufbereitet. Daraus ergibt sich eine gute Grundlage für den Einstieg indie Festlegung von Sollgrößen.12

BEGLEITUNG UND FORTBILDUNG

Im Rahmen der Vorbereitungen zum Einsatz der Software für dasHaushalts- und Rechnungswesen wurden insbesondere die Anwenderaus dem Verwaltungsbereich geschult. Basisinformationen dazu sowiezu Möglichkeiten der selbständigen Auswertung der KLR-Zahlen ausdem IT-System erhielten auch alle Führungskräfte.Bereits seit Einführung erfolgten immer wieder Informationsangebotefür Führungskräfte aber auch für Interessenvertretungen. Es zeigte sichaber als große Herausforderung, die komplexe Materie adressatenge-recht zu vermitteln. Auch der Aufbau des Berichtswesens wurde durchexterne Berater unterstützt. Es wurde damit betriebswirtschaftlichesKnow-how für die Prozessbegleitung sowie Erfahrungswissen ausvergleichbaren Prozessen in anderen Organisationen eingekauft.Außerdem wurden Workshops mit Dezernats-, Abteilungs- undBüroleitungen in allen Abteilungen des Landesarchivs durchgeführt,in denen die ersten Berichte im Praxistest erörtert sowie sich darausergebende Veränderungen in Aufgaben und Anforderungen anFührungskräfte diskutiert wurden. Die Ergebnisse dieser Workshopsgingen in die Weiterentwicklung des Berichtswesens ein. Außerdemerfolgten mehrtägige Schulungen, um insbesondere den Führungs-kräften selbst erforderliches betriebswirtschaftliches Wissen zuvermitteln.

BEWERTUNG DES BEREITS ERREICHTENSTANDES UND AUSBLICK

Mit der Brille „Was wird wirklich gebraucht? Was hat sich bewährt?“steht derzeit die Evaluation der erhobenen Kennzahlen an. Damitverbunden ist konsequenterweise die Frage, wer welche Informationenbraucht. Wenn sich in der Praxis nun herausstellt, dass Informationenvon niemandem benötigt werden, müssen sie weder per Zählungermittelt noch in einem Bericht aufbereitet und verteilt werden.Vielleicht rufen Interessierte bei Bedarf zukünftig eher selbst Informa-tionen aus dem KLR-System ab. Unabhängig davon sollte zur Ressour-censchonung wie Qualitätssteigerung schnell das Maximum antechnischer Unterstützung bei der praktischen Berichtserstellungeingesetzt werden. Um Synergieeffekte zu sichern und Doppelarbeit zuvermeiden, sollte die Schnittstelle zur Archivsoftware V.E.R.A. ab -schließend geklärt werden. Immer noch Schwachstellen hat die Kostenrechnung. Es sind hierinsbesondere weitere Verbesserungen der Buchungsqualität nötig. Inder intensiveren Auseinandersetzung mit den Berichten ergaben sichFragen, die auf nötige Optimierungen und Vereinheitlichungenhinweisen. Dies gilt zunächst schon für die Verbesserung von Kontie-rungen bei der Buchung von Sachmitteln. Die Reduktion der Feh-leranfälligkeit durch Konzentration von Buchungen auf weniger undkontinuierlich geschultes Personal, das die einzelnen Buchungen inden Gesamtkomplex setzen kann, ist Thema. Damit geht einher dieEvaluation der Zuständigkeitsverteilung zentral – dezentral. Zu klären bleibt auch, ob die „Produkte“ oder nicht eher die darunterliegenden „Leistungen“ die richtige Steuerungsebene sind. Da damitverbundene Änderungen aber immer zur Instabilität des Kostenrech-

der Bezirksregierung Münster sowie des Landesarchivs Niedersachsen– wurden einbezogen. Daten sollten zur internen Steuerung im Landesarchiv, für Berichte anFach- und Dienstaufsicht, für den Produkthaushalt sowie für statisti-sche Abfragen genutzt werden können. Erklärtes (ambitioniertes) Zielwar es, einen zentral gepflegten „Landesarchiv-Datenpool“ zur Befrie-digung unterschiedlicher Informationsbedarfe zu erstellen, zugleichaber „Datenfriedhöfe“ zu vermeiden. Es wurden Berichte für Kosten-stellen und -träger vorgesehen, entsprechende Berichtsvorlagen ent-wickelt und nach heftiger Diskussion die quartalsweise Berichterstat-tung vorgeschlagen. In den Kostenstellenberichten werden insbeson-dere Angaben zum Ressourceneinsatz, zu Kosten (differenziert nachKostenarten) und Erlösen aufbereitet. Um herauszufinden, wofürArbeitszeit wirklich eingesetzt wird, stellte sich als wichtige Kennzahlschnell der „Anteil produktbezogener Arbeitszeit“ heraus. Entspre-chend der arbeitsteiligen Aufgabenerledigung im Landesarchiv wurdein der Projektgruppe festgelegt, wo für die Datenermittlung derLeistungskennzahlen was gezählt werden muss. Teilweise bereits zuvorin der Archivverwaltung bekannte Zählgrößen wurden den Produk-ten zugeordnet. Das Spektrum reicht von „Zahl der zu betreuendenBehörden“, „Laufende Meter neu aufgenommenes Archivgut“, „Zahlder angefertigten Digitalisate“, „Zahl der Benutzer“, „Zahl der Veröf-fentlichungen“ über „Anzahl der Ausstellungen“ bis „GeleisteteAusbildungsmonate“. Als „potentielle Berichtsempfänger“ wurdender Präsident, die Abteilungs- und Dezernatsleitungen sowie die Fach-und Dienstaufsicht erkannt. „In einem ersten Aufschlag“ wurde dannfestgelegt, wer welche Berichte in Papierform zur Verfügung gestelltbekommt. Thema war auch, inwieweit aus anderen Systemen (hier insbesondereV.E.R.A.11) Zahlen genutzt und damit erneute Erhebungen vermiedenwerden. Die Frage wurde aufgegriffen und hat Eingang in die ange-strebte flächendeckende Nutzung und in die Weiterentwicklung dieserArchivsoftware gefunden.Auf dieser Grundlage werden ab Anfang 2007 in den jeweils zuständi-gen Abteilungen Daten erhoben. Die Ergebnisse dieser Zählungenwurden vierteljährlich bis zu einem Stichtag in eine Eingabemaskeeingegeben. Aus diesen Leistungszahlen und den Ergebnissen desRechnungswesens wurden durch die Abteilung Zentrale DiensteBerichte erstellt und versandt. Ab Mitte 2007 wurden zusätzlich auchBerichte für die Fach- und Dienstaufsicht erstellt. Neben Daten ausdem Datenpool wurden darin Informationen zum Grad der Errei-chung der vereinbarten Ziele, besondere Ereignisse im Berichtszeit-raum sowie ein Ausblick auf die folgende Berichtsperiode aufgenom-men. Die bereits früher üblichen Berichte an die Fachaufsicht zuRückstandsbearbeitung und Übernahmemengen wurden dem allge-meinen Berichtswesen als Anhang beigefügt. Eine noch weitergehendeVerknüpfung der Systeme ist angedacht. Es zeigte sich in der Praxis der erhebliche Aufwand, der mit dertatsächlichen Erstellung der Berichte verbunden ist. Kaum waren dieBerichte für ein Quartal erstellt, gingen bereits Zahlen für das nächsteein. Ein Problem war außerdem, dass, selbst bei gewissenhaftesterArbeit, Fehler bei der händischen Übertragung von Zahlen nicht zuvermeiden sind. Aus beiden Gründen ist nun schnellstmöglich dieBerichterstattung auf die „wirklich erforderlichen“ Zahlen zu begren-zen und eine sachgerechte Technikunterstützung zu prüfen undeinzusetzen. Es zeigte sich zudem, dass Berichte für Berichtsempfänger schnell mitder Bewertung der Arbeitsleistung in Kategorien von „gut“ und„schlecht“ verbunden werden. Der Ruf nach Maßstäblichkeit wurdelaut. Benchmark, Zeitreihenvergleich und Sollgrößen waren die

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

nungssystems führen, müssen sie vorab gut durchdacht sein. Seit den durchgeführten Workshops ist die Auseinandersetzung mitden Berichten gestiegen. Akzeptanz und Nutzung der Berichte alsManagementtool sind aber noch ausbaufähig. Damit geht die Klärungder Frage einher, wer wo steuert, damit Verantwortung trägt unddeshalb Zahlen und Fakten benötigt. Zwischenzeitlich wurde Control-ling organisatorisch als Stabstelle eingerichtet. Eine Weiterentwick-lung im Sinne einer klaren Trennung zwischen strategischem undoperativem Controlling ist jedoch noch nicht erfolgt. Ebenso ist aufder Kostenstellenebene die Steuerungsverantwortung von Abteilungs-und Dezernatsleitungen abzugrenzen. Der „Weg vom Ist zum Soll“ steht auf der Agenda ganz oben. Beidiesem Thema ist die Verknüpfung mit der Strategieentwicklung desLandesarchivs und Aufgabenkritik gefordert.Insgesamt hat sich als große Herausforderung gezeigt, die richtigeMischung aus Theorie und Praxis zu finden. Insbesondere das richti-ge Maß von theoretischen Hintergründen zu bieten, ist angesichtsunterschiedlicher Vorerfahrungen und der unterschiedlichen Bereit-schaft, sich auf das Thema einzulassen, ein Kunststück. Sicher ist abereine weitere Kompetenzanreicherung bei der Nutzung dieser derBetriebswirtschaft entstammenden Instrumente nötig. Hierbei ist zuberücksichtigen, dass das Landesarchiv kein reinen betriebswirtschaft-lichen Gesetzen unterliegender Produktionsbetrieb ist, anderseits abereben doch gesteuert werden muss. Es gilt hier zunächst die nüchterneErkenntnis, dass es bei Veränderungsthemen grundsätzlich nichtmöglich ist, zufriedenstellend zu informieren. Rückmeldungen von„Ich bin bereits mit Kernaufgaben überlastet und nun auch nochKLR.“ über „Ich würde ja mitmachen, wenn mir die Zusammenhängeverständlich vermittelt würden.“ bis „Wozu brauche ich das imArchivdienst?“ müssen auch als Indiz für eine grundsätzliche Stim-mung gegen Veränderung ernst genommen und aufgegriffen werden. Kosten- und Leistungsrechnung und Produkthaushalt haben demLandesarchiv in den letzten Jahren einiges abverlangt. Dem Vorteil,dass der organisatorische Aufbau des Landesarchivs Anforderungender Kosten- und Leistungsrechnung berücksichtigen konnte, stand alsNachteil die Belastung mit einem Change-Prozess und einem Projektder Binnenmodernisierung mit Modellcharakter zugleich gegenüber.Zudem kam schnell als weitere Herausforderung die Planung einesNeubaus für das Landesarchiv hinzu. Auf Seiten der Verwaltungwaren hier dieselben Personen zuständig und konnten den für beideProjekte erheblichen Kommunikationsbedarf nicht gleichzeitigdecken.

325

Bedauerlicherweise kamen zeitgleiche Modernisierungsmaßnahmenauf anderen Feldern in der Wahrnehmung zu kurz und konnten fürden Veränderungsprozess bisher nicht ausreichend positive Akzentesetzen. Eindeutig mitarbeiterorientierte Maßnahmen (z. B. FlexibleArbeitszeit, Telearbeit, verbesserte Fortbildungsangebote sowie Auf-greifen des Themas Beschäftigtenfürsorge) „gingen eher unter".Im Vergleich zu anderen Behörden in Nordrhein-Westfalen stellt sichdas Landesarchiv aktuell von den administrativ aufgegriffenen Maß-nahmen der Binnenmodernisierung her als „modern“ dar, ohnelediglich „im Trend“ sein zu wollen. Es kann dieses Instrumentariumfür seine archivfachlichen Aufgaben nutzen. Auch ist es unter demStrich ein unbestreitbarer Vorteil, dass das Landesarchiv frühzeitigüben kann und damit auf den „Ernstfall Produkthaushalt“ besservorbereitet ist. Insgesamt hat sich gezeigt, dass die Optimierung von Arbeitsabläufenallein nicht ausreicht, um die großen fachlichen Anforderungen zuerfüllen, die an das Landesarchiv aktuell gestellt werden. Insbesonderewurde deutlich, dass die für die Steuerung erforderliche Einheitlich-keit der Aufgabenwahrnehmung und Weiterentwicklung der strategi-schen Ausrichtung optimierbar ist. Das Landesarchiv ist daher nun imJahr 5 nach der Gründung auch in die Evaluation seiner Aufbauorga-nisation eingetreten. �

Kordula Attermeyer, Düsseldorf

11 V.E.R.A. steht für Verwaltungs-, Erschließungs- und Recherchesystem fürArchive. Es handelt sich hierbei um eine aus mehreren Modulen bestehen-de Archivsoftware die nach vollständigem Einsatz Archivaren, der Verwal-tung sowie den Benutzern in den Lesesälen ein integriertes Arbeiten ermög-lichen soll. Die Software ist in Teilen im Landesarchiv NRW – in einigenAbteilungen seit Jahren – bereits im Einsatz, der flächendeckende Einsatzwird angestrebt. Parallel erfolgt die kontinuierliche Weiterentwicklung.

12 Vgl. dazu ergänzend, vertieft und aktualisiert: Wilfried Reininghaus, Wirt-schaftlichkeit im Archiv. Der Ansatz des Landesarchivs Nordrhein-Westfa-len (Vortrag auf dem Internationalen Archivsymposium 29.-30.5.2008 in Lu-xemburg).

326

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

Auch in den letzten Jahren hat die Fachgruppe 8, in der sich dieArchivarinnen und Archivare an Hochschulen und wissenschaftli-chen Institutionen zusammengeschlossen haben, die bewährteTradition der Frühjahrstagungen mit von den Archiven der Univer-sitäten in Potsdam 2005 (Ralf Müller), Saarbrücken 2006 (WolfgangMüller), München 2007 (Wolfgang J. Smolka) und Münster 2008(Sabine Happ) organisierten Veranstaltungen fortgesetzt.

Potsdam 2005 Dabei stand das Themenfeld „Nachlässe“ im Zentrum der Potsda-mer Tagung, die Gastgeber Ralf Müller zunächst mit einemÜberblick über das Archiv der 1991 gegründeten Universität Pots-dam und seine Bestände eröffnete. Das Universitätsarchiv ging ausdem Archiv der Brandenburgischen Landeshochschule hervor,deren Vorgängereinrichtung, die Pädagogische Hochschule inPotsdam, im Jahre 1966 ein Hochschularchiv einrichtete. DieUnterlagen des Archivs reichen zurück bis in das Jahr 1948, dasGründungsjahr der ersten Brandenburgischen Landeshochschule.Das Universitätsarchiv Potsdam verwahrt heute unter anderem dieUnterlagen der nach 1989/90 integrierten bzw. aufgelösten Einrich-tungen wie der Brandenburgischen Landeshochschule, der Pädago-gischen Hochschule „Karl Liebknecht“, Potsdam, der Institute fürLehrerbildung „Rosa Luxemburg“, Potsdam und „Clara Zetkin“,Cottbus sowie der Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft derDDR, Potsdam-Babelsberg.Prof. Gerhard Schmid (Weimar) verglich die divergierenden, in derVergangenheit lebhaft kontrovers diskutierten, vom Provenienzprin-zip ausgehenden archivischen und an den Regelwerken zur Katalo-gisierung orientierten bibliothekarischen Verfahren der Nachlassbe-arbeitung. Unerachtet fortbestehender gravierender Differenzenbieten aus seiner Sicht die vom DFG-Unterausschuss entwickelten„Regeln zur Erschließung von Nachlässen und Autographen“(RNA) und die Perspektiven der elektronischen DatenverarbeitungAnsätze zu einer beiderseitig fruchtbaren Diskussion.1 UlrikeBischof (Goethe- und Schiller-Archiv Weimar) informierte über dieGeschichte des Goethe- und Schiller-Archivs, die Entwicklung derNachlasserschließung und aktuelle Aspekte der Nachlassordnungund Verzeichnung.2 Heinz Peter Brogiato und Bruno Schellhaasbeleuchteten die Bestände und die Nachlasserschließung amBeispiel des im Leipziger Leibniz-Institut für Länderkunde angesie-delten „Archivs für Geographie“,3 das rund 120 online erschlosseneNachlässe bedeutender Geographen und anderer Wissenschaftler

FRÜHJAHRSTAGUNGENDER FACHGRUPPE 8 IM VDA2005-2008

von Wolfgang Müller

MITTEILUNGEN UND BEITRÄGE DES VdA

sowie umfangreiche Sammlungen (beispielsweise 120.000 Einzel-fotos, 140.000 Ansichtskarten sowie Gemälde und Fotoalben)verwahrt. Über „Nachlässe mit Objekten“ reflektierte WilhelmFüßl (München) am Beispiel der Überlieferung des Archivs desDeutschen Museums. Auch wenn sich viele Objekte in Nachlässenbefinden, so beziehen sie sich meist auf Ehrungen und seltener aufwissenschaftlich-technische Leistungen, sollten jedoch nie isoliertvom Archivgut betrachtet werden. Da nur wenige Institutionen übereine Kustodie verfügen, gehen leider zahlreiche wissenschaftlicheObjekte verloren. Anzustreben bleibt daher eine schlüssige Samm-lungsstrategie. Einen praxisnahen Erfahrungsbericht zur Erwerbung von Nachläs-sen präsentierte Winfried Schultze (Archiv der Humboldt-Univer-sität Berlin) unter dem Motto „Zufall – Wunsch – Planung“.4 Dabeiunterstrich er die Bedeutung von Professoren-Nachlässen für dieUniversitäts- und Wissenschaftsgeschichte und plädierte für eineErwerbung ohne Kauf und Absprachen zwischen den Archiven, umzufällige und zersplitterte Überlieferungen zu vermeiden. GeraldWiemers zeigte die Bedeutung und öffentliche Wirkung des seit1997 im Universitätsarchiv Leipzig verwahrten Nachlasses desErziehungswissenschaftlers und Leipziger Rektors Theodor Litt5

(1880-1962). Abschließend berichtete Richard W. Apfelauer (UniversitätsarchivSalzburg) über das Arbeitstreffen der österreichischen Archivare anUniversitäten und wissenschaftlichen Einrichtungen. Ein Rundgangdurch den sommerlichen Park und eine Führung durch das SchlossSanssouci rundeten das Programm ab.

Saarbrücken 2006 Dem archivischen Kernthema „Dokumentationsziele und Aspekteder Bewertung in Hochschularchiven und Archiven wissenschaftli-cher Institutionen“ widmete sich die Saarbrücker Tagung, in dieGastgeber Wolfgang Müller mit einem Überblick über aktuellePublikationen und Projekte des Universitätsarchivs „ZwischenNancy, AStA und ESG und im ,Akten-Urwald‘“ und ersten Überle-gungen zur archivischen Bewertung6 einführte. Grundsätzlichwegweisend analysierte Max Plassmann (Universitätsarchiv Hein-rich Heine-Universität Düsseldorf) „Dokumentationsziele alsGrundlage der Arbeit von Universitätsarchiven – Bewertung, Er-schließung, Bestandserhaltung“, und Klaus Nippert (Universitätsar-chiv Karlsruhe) warb ebenso engagiert für „Integrierte Bewertung“als „Ansatz zu einem nachhaltigen Ressourceneinsatz im Archiv“.

VdA - Verband deutscherArchivarinnen und Archivare e.V.

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

327

Die folgenden Fallstudien wandten sich dem Tagungsthema aus derPerspektive des Archivs der Max Planck-Gesellschaft (MarionKazemi) zu, beschrieben die „Sammlungsstrategie“ des Archivs derUniversität der Künste Berlin (Dietmar Schenk), das „Bestandspro-fil“ des Archivs in der Bibliothek für Bildungsgeschichtliche For-schung Berlin (Ursula Basikow) sowie den vielfältigen Nachlass desSoziologen und Universitätsplaners Helmut Schelsky im Univer-sitätsarchiv Bielefeld (Martin Loening). Divergierende und pointierte Ansätze zur Bewertung von Prüfungs-akten in Universitätsarchiven erörterten die Kollegen AndreasFreitäger (Universitätsarchiv Köln), Werner Lengger (Universitätsarchiv Augsburg) und Stephan Luther (Archiv der TechnischenUniversität Chemnitz). Inzwischen sind die Saarbrücker Vorträge verbunden mit weiterenBeiträgen der Kolleginnen und Kollegen Sabine Brenner-Wilczek(seinerzeit Rheinisches Literaturarchiv Düsseldorf), Andrea Dolgner(Kustodie und Archiv Burg Giebichenstein Hochschule für Kunstund Design Halle), Vera Enke (Archiv der Berlin-Brandenburgi-schen Akademie der Wissenschaften Berlin), Wilhelm Füßl (Archivdes Deutsches Museums München), Gerhard Neumeier (Außenstel-le Suhl der Bundesbeauftragten), Heidelies Wittig (StaatsarchivHamburg) sowie Katharina Lenski und Tobias Kaiser (ThüringerArchiv für Zeitgeschichte und Friedrich-Schiller-Universität Jena)publiziert7, und die in Saarbrücken begründete Arbeitsgruppe wirddemnächst auch ihr „Dokumentationsprofil für Universitätsarchiveund andere Hochschularchive“ veröffentlichen.

München 2007Mit einer breiten Palette von „Tages-Themen“ und aktuellenWerkstattberichten zu „Vermarktungsstrategien“: Chancen undGrenzen einer marktwirtschaftlichen Nutzung von Archiv- undSammlungsgut in Wissenschaftsarchiven beschäftigte sich 2007 dieTagung an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Während Wilhelm Füßl (Archiv des Deutschen Museums Mün-chen) beim „Bildarchiv als Renditebringer“ entsprechende Chancenund Grenzen auslotete und Margot Fuchs (Historisches Archiv derTechnischen Universität München) ihre Erfahrungen bei derVermarktung einer am Fachgebiet Obstbau entstandenen Samm-lung von Obstsortenbildern einbrachte, führte der auch als Kul-turmanager und Marketing-Berater für Kultur- und Bildungsinstitu-tionen tätige Rechtsanwalt Florian Timm in Grundaspekte undKommunikationselemente des Sponsoring ein, und Lisa Lenkeit

(Science TV GmbH) stellte den internationalen Wissenschaftssen-der,8 seine Zusammenarbeit mit der Max-Planck-Gesellschaft unddie laufenden Projekte ebenso vor wie Michael Kamp seine 2001gegründete Firma „Historische Projekte“,9 die eine breite Palettevon Dienstleistungen rund um die Geschichte von Firmen- überVereins- und Verbandsgeschichten, Ausstellungen und historischeRecherchen anbietet. Über Urheber- und Nutzungsrechte informierte Caroline Hauck(Bayerischer Rundfunk), unter dem Motto „Freie Bilder für freieForscher“ verwies Frank Zschaler (Archiv der Katholischen Univer-sität Eichstätt) auf sein Datenbank-Projekt „AkadBild“ zur Univer-sitätsgeschichte und zum akademischen Leben in Deutschland. ImSpannungsfeld zwischen Wissenschaftsfreiheit und Nutzungs- undReproduktionsgebühren betonte Reinhard Heydenreuter (Bayeri-sches Hauptstaatsarchiv München) „Wissenschaftsfreiheit gibt unskeine Gebührenfreiheit“ und „Alle Ansprüche müssen gesetzlichgesichert sein“. Klaus A. Lankheit (Institut für Zeitgeschichte)plädierte: „Wissenschaft muss frei bleiben, auch kostenfrei“ undverwies auf die Gesamtgebührenordnung des Instituts.10

Schließlich diskutierten Hans-Michael Körner (Vorstand desUniversitätsarchivs München), Johannes Erichsen (Bayerische

1 Vgl. den Beitrag auf dem Server der Universität Potsdamhttp://opus.kobv.de/ubp/volltexte/2005/622/.

2 Vgl. den Beitrag auf dem Server der Universität Potsdamhttp://opus.kobv.de/ubp/volltexte/2005/608/.

3 Vgl. www.ifl-archiv.de/.4 Vgl. die Kurzfassung auf dem Server der Universität Potsdam

http://opus.kobv.de/ubp/volltexte/2005/609/.5 Vgl. den Beitrag auf dem Server der Universität Potsdam

http://opus.kobv.de/ubp/volltexte/2005/611/.6 Vgl. auch Wolfgang Müller: Bewertung im Universitätsarchiv, in: Unsere Ar-

chive – Mitteilungen aus rheinland-pfälzischen und saarländischen Archi-ven, Nr. 47, April 2002, S. 4-11.

7 Vgl. Wolfgang Müller (Red.): Dokumentationsziele und Aspekte der Bewer-tung in Hochschularchiven und Archiven wissenschaftlicher Institutionen.Beiträge zur Frühjahrstagung der Fachgruppe 8 – Archivare an Hochschul-archiven und Archiven wissenschaftlicher Institutionen – des Verbandesdeutscher Archivarinnen und Archivare am 23. und 24. März 2006 an derUniversität des Saarlandes in Saarbrücken, Saarbrücken 2007 (Univer-sitätsreden 73).

8 Vgl. die Internet-Präsentation unter www.science-tv.com/.9 Vgl. www.historische-projekte.de/start/start.html.10 Vgl. die Gebührenordnung vom 1.7.2007 unter

www.ifz-muenchen.de/fileadmin/pdf/gebuehrenordnung.pdf.

328

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

Verwaltung der Staatlichen Schlösser, Gärten und Seen), MichaelKamp, Hermann Rumschöttel (Generaldirektor der StaatlichenArchive Bayerns München) und der Fachgruppen-VorsitzendeDieter Speck (Universitätsarchiv Freiburg) „Vermarktungsstrategienim Spannungsfeld archivwissenschaftlicher, rechtlicher und kultur-politischer Rahmenbedingungen“ und betrachteten dabei einerseitsdie durchaus variierende Wahrnehmung der Archive und ihrerKernkompetenzen und -aufgaben, die Bedeutung historisch-politi-scher Bildungs- und archivischer Öffentlichkeitsarbeit und anderer-seits das begrenzte Interesse der Öffentlichkeit für Archive, die mitder Digitalisierung verbundenen überzogenen Erwartungen unddie nicht allein in ökonomischen Maßstäben messbare Bedeutungder Archive als unverzichtbares „Gedächtnis der Gesellschaft“.

Münster 200840 Jahre nach dem Umbruchjahr 1968 nahm die Frühjahrstagungan der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster keineswegsüberraschend die „Quellen der 68er Zeit“ unter die Lupe. WährendThomas Etzemüller11 (Universität Oldenburg) in einer historischenSkizze die aktuellen Tendenzen in der Forschung und dabei unteranderem den transnationalen Charakter der Bewegung und auchden gesellschaftlichen Strukturwandel jener Zeit Revue passierenließ, fragte Thomas Becker nach den „Quellen zur Studentenbewe-gung in den Universitätsarchiven“.12 Dabei entfaltete er nicht nurein facettenreiches Panorama von den Akten der akademischen undder studentischen Selbstverwaltung und die Sammlungen studenti-scher Gruppen und Einzelpersonen, sondern bezog auch dieanderen Archive ein und erinnerte beispielsweise an die Problemeder Überlieferungsbildung und die Defizite an Zeitzeugenberichtenaus studentischer Sicht. Insgesamt bleibt ohnehin eine stärkereVerzahnung von Hochschularchiven und Archiven sozialer Bewe-gung wünschenswert. Eine ebenso umfassende Analyse der Heidelberger Flugblätter ausjener Zeit als zeitgeschichtliche Quellen und Archivgut brachteWerner Moritz (Universitätsarchiv Heidelberg) ein13 und berück-sichtigte dabei auch die unverzichtbaren Aspekte der Quellenkritik,der Herausforderungen bei Konservierung, Erschließung undDigitalisierung. Kurt Hochstuhl (Staatsarchiv Freiburg) dokumen-tierte Geschichte, Bedeutung, Erschließung und Vermarktung dermehrere hunderttausend Fotografien umfassenden SammlungWilly Pragher.14 Kathrin Baas (Universitätsarchiv Münster) illu-strierte am Beispiel der Druckschriften-Sammlung Lintzen imUniversitätsarchiv Münster die Überlieferung zu den neuen sozia-len Bewegungen und zum linksradikalen studentischen Milieu in

MITTEILUNGEN UND BEITRÄGE DES VdA

den 70er Jahren, die eine Fundgrube für vielfältige historische undkulturgeschichtliche Fragen und eine wichtige Gegenüberlieferungzu den offiziellen Unterlagen bildet. Aus der Überlieferung derHochschulfilm- und Bildstelle der Karl-Marx-Universität Leipzigführte Jens Blecher (Universitätsarchiv Leipzig) Sequenzen zur 550Jahrfeier der Universität 1959, zur Sprengung der Universitätskircheund einem Disziplinarverfahren 1969 sowie zu einem Sport-Wett-kampf 1978 vor und beschrieb Genese und Bedeutung dieseraudiovisuellen Überlieferung und die damit verbundenen konser-vatorischen Herausforderungen. Dass die Frühjahrstagung auch dem Dialog zwischen den Univer-sitätsarchiven und den Archiven sozialer Bewegungen diente, bewiesder von Bernd Hüttner (Archiv der sozialen Bewegungen Bremen)vermittelte Überblick15 über diese Archive, die ihre Existenz vielfachEinzelinitiativen und ehrenamtlicher Arbeit verdanken, als „Ge-dächtnis für die Linke“ die Überlieferung sozialer Bewegungenbewahren helfen und sich „als Schnittstelle zwischen Forschungund politischem Aktivismus“ definieren. Die Bedeutung der „ande-ren“ Archive, der Geschichte und Überlieferung von unten für diepluralistische Gesellschaft unterstrich aus der Sicht des HistorikersFranz-Werner Kersting (Institut für westfälische Regionalgeschichteund Universität Münster) am Beispiel der in Münster angesiedeltenfreien Archive und Bibliotheken. Dabei warb er auch für mehrwechselseitige Wahrnehmung und Kooperation sowie die Erforder-nisse der zeitgeschichtlichen Forschung. Schließlich stellte MichaelWoudenberg (Castrop-Rauxel) sein Privatarchiv mit 2.000 Flug-schriften, Broschüren und Zeitschriften studentischer Provenienzaus der gesamten Republik vor.

Die nächste Frühjahrstagung wird 2009 unter der Ägide des Uni-versitätsarchivs Karlsruhe stattfinden. �

11 Vgl. Thomas Etzemüller: 1968 – Ein Riss in der Geschichte? Gesellschaft-licher Umbruch und 68er-Bewegungen in Westdeutschland und Schweden,Konstanz 2005.

12 Vgl. Thomas P. Becker / Ute Schröder (Hrsg.), Die Studentenproteste der 60erJahre. Archivführer – Chronik – Bibliographie, Köln 2000.

13 So verwahrt das Universitätsarchiv Heidelberg aus den Jahren zwischen1967 und 1980 rund 6.000 Flugblätter von 120 Schriftgut produzierendenProvenienzstellen.

14 Vgl. auch www.brechungen.idglbw.de/Sammlung.htm.15 Vgl. Bernd Hüttner: Archive von unten. Bibliotheken und Archive der neu-

en sozialen Bewegungen und ihre Bestände, Neu-Ulm 2003. Außerdem Jür-gen Bacia / Dorothée Leidig: Geschichte von unten im Abseits. Plädoyer fürdie Stärkung freier Archive, in: Der Archivar 59 (2006), Heft 2, S. 166-172.

VdA - Verband deutscherArchivarinnen und Archivare e.V.

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

329

79. DEUTSCHER ARCHIVTAG 2009 CALL FOR PAPERS

Vom 22. bis 25. September 2009 findet in Regensburg der 79. Deutsche Archivtag statt. Er steht unterdem Rahmenthema (Arbeitstitel)

AArchive iim ddigitalen ZZeitalter Überlieferungssicherung –– EErschließung –– PPräsentation

Nicht nur unser Alltag und unsere Freizeit, auch die Arbeitsabläufein der Verwaltung und in der Geschäftsführung von Unternehmenhaben sich in den vergangenen Jahren durch die elektronischablaufenden Prozesse stark gewandelt. Diese Veränderungen wirkensich zunehmend auf die Arbeit in den Archiven aus und stellen sievor ungewohnte Aufgaben. Berührt sind davon alle Arbeitsbereichevon der Überlieferungsbildung und Bestandserhaltung über dieErschließung bis hin zur Bereitstellung zur Nutzung und Vermitt-lung im Rahmen der Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit. Darumsind übergreifende Konzepte für die unterschiedlichen Arbeitsfelderauf der Grundlage umfassender Archivierungsstrategien sinnvoll,wenn nicht erforderlich. Auf dem Archivtag soll erstmals eine Gesamtschau hierzu erfolgen.Welche Konzepte werden wo mit welchen Erfolgen angewandt?Welche Strategien sind für die Zukunft zu verfolgen? Themen, dieauf dem Archivtag angesprochen werden sollen, sind: Bewertungelektronischer Unterlagen und Zugang zu digitalen Verwaltungsun-terlagen; archivische Online-Angebote und Portale; digitalisierteBestände; Nutzung im Internet (elektronische Bestellsysteme,digitale Lesesäle); Bildungsarbeit und Angebote zu historischenThemen im Netz. Kurzum: Es geht um die Chancen und Heraus-forderungen der Archive im digitalen Zeitalter. Alle Kolleginnen und Kollegen sind eingeladen, sich mit praxisna-hen Beiträgen am Archivtag zu beteiligen, ihre Erfahrungen,Beobachtungen, Reflexionen, Thesen und Anregungen einzubrin-gen. Dafür sind wiederum vier Sektionen vorgesehen, die im Fol-genden näher skizziert sind. Hier sind auch die Sektionsleiterangegeben, an die jeweils Vorschläge für Beiträge zu richten sind.Die Vorschläge sollten neben dem Titel auch eine kurze inhaltlicheErläuterung von maximal einer Schreibmaschinenseite umfassen.Bitte geben Sie auch Ihren vollständigen Namen, Ihre Wirkungs-stätte und Ihre Kontaktdaten an.

Sektion 1: Bewertung elektronischer Unterlagen und Überliefe-rungsbildung

Gerade angesichts der viel zitierten elektronischen Datenflut undder besonderen Anforderungen digitaler Dokumente bei der Lang-zeitaufbewahrung ist es notwendig, dass sich die Archivare ihrerKernkompetenzen erinnern und die zu übernehmenden Dokumen-te sowohl durch angemessene Bewertungsentscheidungen wie auchüber eine geschickte Überlieferungsbildung auf eine notwendigeund aussagekräftige Menge reduzieren. Die Maßnahmen zurLangzeiterhaltung und Archivierung der äußerst flüchtigen elektro-nischen Daten sollten auf der Basis eines grundlegenden Konzeptserfolgen und fordern von den Archivaren neben ihren archivari-schen auch technische Kompetenzen und Kenntnisse. In der Sektion können im Rahmen der aufgezeigten Thematik z.B.folgende Fragen diskutiert werden: Welche Chancen und Heraus-forderungen bietet das digitale Zeitalter den Archiven für dieÜberlieferungsbildung? Wie werden Archivare handlungsfähig imUmgang mit elektronischer Überlieferung? Wie müssen sich diebekannten Arbeitsabläufe im Archiv ändern, um den Anforderun-gen der Archivierung elektronischer Daten gerecht zu werden? Wiekönnen wir die vielfältige multimediale Überlieferung sichern?Was ist bei der Bewertung digitaler Unterlagen zu beachten? Wiegestaltet sich ihre Übernahme ins Archiv? Wie ist bei hybrid vorlie-genden Unterlagen vorzugehen? Wie halten wir Daten z. B. ausGeoinformationssystemen für künftige Generationen in den Archi-ven bereit? Wie gewährleisten wir in Zukunft den Nachweis überVerwaltungsentscheidungen? Natürlich wollen wir den Blick gerneauch ins Ausland richten und die internationale Diskussion eben-falls beachten.

Vorbereitung und Leitung der Sitzung: Dr. Ulrike Gutzmann,Historische Kommunikation der Volkswagen Aktiengesellschaft,Brieffach 1974, 38436 Wolfsburg, Tel.: (05361) 9-2 56 67, Fax:(05361)9-76957, E-Mail: [email protected]

330

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

Sektion 2: Archive als Online-Informationsdienstleister

Seit einigen Jahren haben die deutschen Archive begonnen, archivi-sche Informationssysteme, technische Werkzeuge und Arbeitsabläu-fe für die Unterstützung der archivischen Fachaufgaben und für diePräsentation von Online-Findmitteln zu entwickeln und einzuset-zen. Online-Findmittel ermöglichen die kontextorientierte Präsen-tation von digitalisiertem Archivgut, d.h. eine Präsentation vonarchivischen Quellen innerhalb ihres Erschließungszusammen-hangs. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, archivische Er-schließungsleistungen und digitalisiertes Archivgut in regionalenund überregionalen Fachportalen und Fachinformationssystemenzugänglich zu machen.In der Sektion sollen neben der institutionellen und übergreifendenBereitstellung und Präsentation von archivischen Erschließungsleis-tungen und digitalisiertem Archivgut auf der Basis von archivischenInformationssystemen die folgenden Einzelaspekte und Fragestel-lungen behandelt werden: Erschließung, Präsentation und Daten-lieferung auf der Basis von Standards wie ISAD-(G), EAD-XML,METS u. a., Präsentationsmodule für Online-Findmittel und digita-lisiertes Archivgut, Workflow für die Digitalisierung von Archivgutinklusive den Möglichkeiten einer Reproduktionenverwaltung,digitale oder virtuelle Lesesäle und elektronische Bestellsysteme.Dabei können die Aspekte auch am Beispiel aktueller oder geplan-ter nationaler und internationaler Projekte vorgestellt werden.

Vorbereitung und Leitung der Sitzung: Dr. Gerald MaierLandesarchiv Baden-WürttembergEugenstrasse 7, 70182 StuttgartTel.: +49 711 212-4279, Fax: +49 711 212-4283E-Mail: [email protected]

Sektion 3: Open Access und die Archive

Zwischen der Befürwortung einer schrankenlosen Nutzung vonKulturgut („Demokratisierung des Wissens“) und dem Schutz desindividuellen geistigen Eigentums, der Privilegierung wissenschaft-licher Forschung, Informationsfreiheitsgesetzen und finanziellerVergütung aufgebrachter Leistungen bis hin zu ausgeprägtenRenditeüberlegungen verläuft seit Jahren die heftig geführte Dis-kussion um den vielschichtigen Zugang zu Archivgut. Der nochimmer stark zunehmende Einsatz der neuen Medien hat dabeiLösungen nicht leichter gemacht, sondern zusätzliche Fragenaufgeworfen, so dass sich die Interessen von Informationsschützernund Informationsnutzern zunächst unvereinbar gegenüber stehen. Kann hier der Blick auf geltendes (oder neu zu schaffendes?) Rechtund auf neue Strategien auch benachbarter Wissenschaften diearchivischen Überlegungen schärfen und möglicherweise verän-dern?

Vorbereitung und Leitung der Sitzung: Dr. Robert Zink (Bamberg)Stadtarchiv Bamberg, Untere Sandstr. 30a, 96049 Bamberg; Tel.:0951/87-1371, Telefax: 0951/87-1968; E-Mail:[email protected]

MITTEILUNGEN UND BEITRÄGE DES VdA

Sektion 4: Bildungsarbeit im Netz

Längst haben Archivarinnen und Archivare erkannt, dass sie nebenden Aufgaben der Bewahrung und Bereitstellung von Unterlagenauch einen Bildungsauftrag haben. Die archivische Bildungsarbeitreicht durch die Nutzung des World Wide Web weit über dieGruppe der Archivbenutzer vor Ort hinaus. Wo Archivausstellun-gen früher nur eine begrenzte Besucherzahl hatten, können durchden Einsatz elektronischer Vermittlungssysteme weitaus mehrInteressenten erreicht werden. Damit entsprechen die Archive imAuftrag ihrer Träger den gestiegenen Erwartungen der Öffentlich-keit, die grundlegende Daten und Informationen zur Geschichteeiner Stadt, eines Unternehmens oder einer Institution im Internetabrufen will.Welche Erfahrungen haben Archive mit der Erarbeitung undPräsentation lokal- und landesgeschichtlicher Informationssystemegemacht? Wie sinnvoll ist die Präsentation historischer Datenban-ken im Internet? Können Synergien durch die Kooperation mit derhistorischen Forschung genutzt werden? Stellen Geschichtsportalezu regional-, wirtschafts- oder kirchenhistorischen Themen einesinnvolle Ergänzung der klassischen Archivarbeit dar? Und wiekönnen kleinere Archive den mit ihrer Einrichtung verbundenenAufwand leisten? Wie verändern die interaktiven Möglichkeiten desInternet bei der Präsentation archivischer Dokumente die bewähr-ten Methoden der Archivpädagogik? Beispiele gelungener archivi-scher Bildungsarbeit im Netz aus dem In- und Ausland sind ebensowillkommen wie Problemanzeigen und Beiträge zu Grundsatzfra-gen.

Vorbereitung und Leitung der Sitzung: Dr. Michael Häusler Archiv des Diakonischen Werkes der EKDAltensteinstraße 53 , 14195 BerlinTel.: (030) 83001-561, Fax: (030) 83001-122E-Mail: [email protected]

Für die Referate sind jeweils 20 Minuten vorgesehen. Als Themenkönnen zunächst auch nur Arbeitstitel vorgeschlagen werden, diedann in Abstimmung mit den Sektionsleitern noch modififziertwerden können. Die Sektionsleiter stehen für Rückfragen gerne zurVerfügung.

Abgabeschluss ist der 1. Oktober 2008. Der Programmausschusswird aus den Vorschlägen eine Auswahl unter dem Gesichtspunkttreffen, dass möglichst vielfältige Aspekte in den Sektionen ange-sprochen werden. Die Beiträge sollen dann auch wieder in einemTagungsband publiziert werden. Dazu erhalten die Referentinnenund Referenten später nähere Informationen.

Über eine breite Resonanz würden wir uns sehr freuen. �

Robert Kretzschmar, Vorsitzender des VdA

VdA - Verband deutscherArchivarinnen und Archivare e.V.

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

331

AKTUELLE MITTEILUNGENDES VDA

1. Der Vorstand hat in seiner Sitzung vom 9. April 2008 beschlossen,dass der nächste TAG DER ARCHIVE am 6. und 7. März 2010stattfinden soll.

2. Der Deutsche Archivtag wird 2009 in Regensburg stattfinden.Für 2010 ist Dresden vorgesehen (Arbeitstitel des Rahmenthemas:Archivbau und -logistik), für 2011 Bremen (voraussichtlichesRahmenthema: aktuelle Fragen des Archivrechts), für 2012 Köln.

3. Die Website des VdA wird derzeit einem Relaunch unterzogen,der bis Ende des Jahres abgeschlossen sein soll.

4. Nachdem nunmehr bereits in mehreren Ländern Archivpreisevergeben werden (Bayern, Brandenburg, Hessen), wird dasProjekt eines Deutschen Archivpreises vom Vorstand nicht weiterverfolgt.

5. Im Geschäftsführenden Vorstand haben sich die Zuständigkeitenwie folgt geändert. Der Vorsitzende hat die unmittelbare Betreu-ung der Landesverbände übernommen, während der Stellvertre-

tende Vorsitzende Michael Diefenbacher nunmehr für die Mitar-beit in internationalen Gremien zuständig ist. Diefenbacher wirdauch auf dem Internationalen Archivtag 2008 für das SteeringCommittee von SPA im ICA kandidieren.

6. Im VdA sind zwei neue Arbeitskreise in Gründung. Ein Arbeits-kreis wird sich mit der Überlieferung der neuen sozialen Bewe-gungen befassen (vgl. oben die näheren Angaben dazu).Ein weiterer Arbeitskreis wird die Aktenkunde für das 20. und 21.Jahrhundert weiter entwickeln und dabei auch die digitaleÜberlieferung einbeziehen. Dieser Arbeitskreis ist aus einerArbeitsgruppe erwachsen, die von der Archivschule Marburg insLeben gerufen wurde. Über die Ziele dieses Arbeitskreises wird inder nächsten Ausgabe des „Archivar“ berichtet werden. �

Robert Kretzschmar, Vorsitzender des VdA

GRÜNDUNG EINES VDA-ARBEITSKREISES ZU DEN ÜBERLIEFERUNGEN DER NEUENSOZIALEN BEWEGUNGEN IN VORBEREITUNG

Die aktuelle Erinnerung an die Entwicklungen und Phänomene,die mit dem Jahr 1968 verbunden sind, hat erneut in das Bewusst-sein gerufen, welche Bedeutung den Überlieferungen der neuensozialen Bewegungen zukommt. Im gesellschaftlichen Engagement,wie es sich z. B. auch in der Anti-AKW-Bewegung, der Frauenbewe-gung, der Friedensbewegung und oppositionellen Gruppierungenin Ost und West entwickelt hat, spiegeln sich wichtige politischeund soziale Prozesse, die für die Geschichte der Bundesrepublikund der Deutschen Demokratischen Republik prägend waren undsind. Die Strategien einer Institutionen übergreifenden Überliefe-rungsbildung, die das Ziel verfolgt, die Gesellschaft möglichst breitund vielfältig zu dokumentieren, müssen darauf ausgerichtet sein,die Überlieferungen der neuen sozialen Bewegungen dauerhaft zusichern und zugänglich zu machen.

Der Vorstand des VdA hat es daher in seiner letzten Sitzung be-grüßt, dass ein Arbeitskreis in Gründung ist, der sich mit diesenÜberlieferungen befassen wird. Das übergeordnete Ziel diesesArbeitskreises, der derzeit von Archivarinnen und Archivaren ausden Archiven der neuen sozialen Bewegungen und Mitgliedern desVorstands des VdA vorbereitet wird, soll darin bestehen, die Siche-rung und Zugänglichmachung von Überlieferungen der neuensozialen Bewegungen nachhaltig zu fördern.

Robert Kretzschmar, Vorsitzender des VdA

332

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

PERSONALNACHRICHTEN

STAATLICHE ARCHIVE

BUNDESARCHIV

ErnanntArchivreferendarin Christiane Botzet M.A. zur Archivrätin z.A.(1.5.2008) – Archivreferendar Dr. Sebastian Gleixner zum Archivratz.A. (1.5.2008) – Regierungsoberamtsrat Michael Griebling zum Re-gierungsrat (16.5.2008) – Archivoberinspektorin Kristin Hartisch

zur Archivamtfrau (1.1.2008) – Archivreferendar Dr. Tobias Herrmann

zum Archivrat z.A. (1.5.2008) – Archivrat z.A. Rainer Jacobs zum Ar-chivrat (30.4.2008) – Bibliotheksinspektorin z.A. Michaela Karbach

zur Bibliotheksinspektorin (29.4.2008) – Beatrix Kuchta zur Archivre-ferendarin (2.5.2008) – Archivrätin z.A. Anke Löbnitz zur Archivrätin(30.4.2008) – Susanne Reick zur Archivreferendarin (2.5.2008) –Elisabeth Thalhofer zur Archivreferendarin (2.5.2008) – Michael

Weins zum Archivreferendar (2.5.2008) – Archivreferendar Nicolai

Michael Zimmermann M.A. zum Archivrat z.A. (1.5.2008).

In den Ruhestand getretenSachbearbeiterin Brigitte Sapiatz (31.3.2008).

AusgeschiedenProf. Dr. Hanns Jürgen Küsters (31.3.2008).

VerstorbenLeitender Archivdirektor a. D. Dr. Alfred Wagner im Alter von89 Jahren (26.4.2008).

GEHEIMES STAATSARCHIVPREUSSISCHER KULTURBESITZ

AusgeschiedenArchivreferendar Dr. Horst Bernhard Schmitt nach bestandenerLaufbahnprüfung (31.3.2008).

BADEN-WÜRTTEMBERG

ErnanntJoachim Brüser M.A. beim Landesarchiv Baden-Württemberg, Ab-teilung Hauptstaatsarchiv Stuttgart, zum Archivreferendar (1.5.2008)– Dr. René Hanke beim Landesarchiv Baden-Württemberg, AbteilungHauptstaatsarchiv Stuttgart, zum Archivreferendar (1.5.2008) – Amts-inspektor Manfred Hennhöfer beim Landesarchiv Baden-Württem-berg, Abteilung Generallandesarchiv Karlsruhe, zum Regierungsinspek-tor (4.4.2008) – Cordelia Heß beim Landesarchiv Baden-Württemberg,Abteilung Hauptstaatsarchiv Stuttgart, zur Archivreferendarin(1.5.2008) – Regierungsamtfrau Carmen Klein beim Landesarchiv

Baden-Württemberg, Abteilung Verwaltung, zur Amtsrätin (16.5.2008)– Archiv- amtmann Jochen Rees beim Landesarchiv Baden-Württem-berg, Abteilung Staatsarchiv Freiburg, zum Amtsrat (19.5.2008) – Re-gierungsrat Reiner Schubert beim Landesarchiv Baden-Württem-berg, Abteilung Verwaltung, zum Oberregierungsrat (4.4.2008).

AusgeschiedenArchivreferendar Dr. Christoph Volkmar beim Landesarchiv Baden-Württemberg, Abteilung Hauptstaatsarchiv Stuttgart, nach bestande-ner Laufbahnprüfung (30.4.2008) – Archivreferendarin Dr. Beate

Sturm beim Landesarchiv Baden-Württemberg, Abteilung Haupt-staatsarchiv Stuttgart, nach bestandener Laufbahnprüfung (30.4.2008).

BAYERN

ErnanntArchivoberinspektor Claus Mannsbart beim Bayerischen Haupt-staatsarchiv zum Archivamtmann (1.4.2008) – ArchivoberinspektorinAlexandra Scharmüller beim Bayerischen Hauptstaatsarchiv zurArchivamtfrau (1.4.2008) – Technischer Oberinspektor z.A. Matthias

Schmidt bei der Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns zumTechnischen Oberinspektor (3.4.2008).

VersetztArchivrat Dr. Johann Pörnbacher M.A. vom Staatsarchiv Bambergzum Bayerischen Hauptstaatsarchiv (1.7.2008).

BERLIN

ErnanntWolfgang Krauth beim Landesarchiv Berlin zum Archivreferendar(5.5.2008) – Anne Rothschenk beim Landesarchiv Berlin zur Archiv-inspektorin (31.1.2008).

In den Ruhestand getretenVerwaltungsleiter Oberamtsrat Manfred Vellguth beim LandesarchivBerlin (31.3.2008).

AusgeschiedenArchivinspektoranwärterin Carolin Pilgermann beim LandesarchivBerlin nach bestandener Laufbahnprüfung (30.9.2007).

SonstigesArchivoberinspektorin Bianca Welzing trägt den FamiliennamenWelzing-Bräutigam (31.8.2007).

PERSONALNACHRICHTENZusammengestellt vom

VdA – Verband deutscher Archivarinnen und Archivare e. V.

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

HAMBURG

ErnanntDipl.-Archivarin (FH) Regierungsinspektorin z.A. Jenny Kotte beimStaatsarchiv Hamburg zur Regierungsinspektorin (4.3.2008).

HESSEN

ErnanntArchivrätin Dr. Alexandra Lutz bei der Archivschule Marburg zur Ar-chivoberrätin (1.4.2008).

VerstorbenAmtmann a. D. Walter Haubrich vom Hessischen Hauptstaatsarchivim Alter von 86 Jahren (22.2.2007).

Archivschule Marburg15 Teilnehmerinnen und Teilnehmer des 41. wissenschaftlichen Lehr-gangs haben am 30.4.2008 erfolgreich ihre Ausbildung beendet:Christiane Botzet M.A. (Bund), Dr. Thomas Brakmann (Nord-rhein-Westfalen), Dr. Jörn Brinkhus (Nordrhein-Westfalen), Katrin

Bürgel M.A. (Sachsen-Anhalt), Dr. Tobias Crabus (Sachsen), Dr.

Antje Diener-Staeckling (Nordrhein-Westfalen), Dr. Sebastian

Gleixner (Bund), Dr. Tobias Herrmann (Bund), Dr. Thekla

Kleindienst (Mecklenburg-Vorpommern), Dr. Jens Niederhut (Nord-rhein-Westfalen), Dr. Jörg Pawelletz (Rheinland-Pfalz), Dr. Bernhard

Schmitt (Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz), Dr.

Beate Sturm (Baden-Württemberg), Dr. Christoph Volkmar (Baden-Württemberg), Nicolai Michael Zimmermann M.A. (Bund).

16 Teilnehmerinnen und Teilnehmer des 44. Fachhochschulkurses ha-ben am 28.3.2008 erfolgreich ihre Ausbildung beendet:Martin Brinkhoff (Nordrhein-Westfalen), Nicola Bruns (Nordrhein-Westfalen), Andrea Frank (Bund), Nina Janz (Bund), Christiane

Kleemann (Nordrhein-Westfalen), Mechthild Krüger (Bund), Roxy

Liebscher M.A. (Hessen), Annegret Marx M.A. (Hessen), Martina

Nützmann M.A. (Hessen), Jennifer Reiche (Berlin), Manuela Rhein

M.A. (Schleswig-Holstein), Tabea Schade (Geheimes StaatsarchivPreußischer Kulturbesitz), Angelika Tarokic M.A. (Schleswig-Hol-stein), Ulrike Vogel M.A. (Hessen), Victoria Wegener (GeheimesStaatsarchiv Preußischer Kulturbesitz), Marcel Werner (GeheimesStaatsarchiv Preußischer Kulturbesitz).

MECKLENBURG-VORPOMMERN

In den Ruhestand getretenDipl.-Archivar (FH) Rainer Borchmann beim Landesarchiv Mecklen-burg-Vorpommern, Landeshauptarchiv Schwerin (29.2.2008).

NIEDERSACHSEN

ErnanntBenjamin Geier beim Niedersächsischen Landesarchiv, StaatsarchivOsnabrück, zum Archivinspektoranwärter (1.4.2008) – Malwine

Przybylak beim Niedersächsischen Landesarchiv, Staatsarchiv Osn-abrück, zur Archivinspektorin z.A. (1.4.2008) – Anna Philine

Schöpper beim Niedersächsischen Landesarchiv, Staatsarchiv Osna-

brück, zur Archivinspektoranwärterin (1.4.2008) – Antje Schröpfer

beim Niedersächsischen Landesarchiv, Staatsarchiv Stade, zur Archiv-inspektorin z.A. (1.4.2008).

VersetztRegierungsoberinspektorin Sabine Pospich vom NiedersächsischenLandesarchiv, Zentrale Archivverwaltung, an das NiedersächsischeKultusministerium (1.4.2008).

NORDRHEIN-WESTFALEN

ErnanntStaatsarchivinspektor z.A. Sebastian Geßmann beim LandesarchivNordrhein-Westfalen Grundsatzfragen und Öffentlichkeitsarbeit zumStaatsarchivinspektor (24.4.2008).

AusgeschiedenStaatsarchivreferendar Dr. Thomas Brakmann beim LandesarchivNordrhein-Westfalen Staatsarchiv Münster nach bestandener Lauf-bahnprüfung (30.4.2008) – Staatsarchivreferendar Dr. Jörn Brinkhus

beim Landesarchiv Nordrhein-Westfalen Staatsarchiv Münster nach be-standener Laufbahnprüfung (30.4.2008) – StaatsarchivreferendarinDr. Antje Diener-Staeckling beim Landesarchiv Nordrhein-Westfa-len Staatsarchiv Münster nach bestandener Laufbahnprüfung(30.4.2008) – Staatsarchivreferendar Dr. Jens Niederhut beim Landes-archiv Nordrhein-Westfalen Staatsarchiv Münster nach bestandenerLaufbahnprüfung (30.4.2008).

VerstorbenStaatsarchivamtsrätin a. D. Ingeborg Kittel vom Staatsarchiv Detmoldim Alter von 71 Jahren (7.4.2008).

RHEINLAND-PFALZ

ErnanntArchivrat Dr. Achim Krümmel beim Landeshauptarchiv Koblenz zumOberarchivrat (18.5.2008) – Archivrat Dr. Franz Maier beim Landes-archiv Speyer zum Oberarchivrat (18.5.2008) – Archivamtsrat Frank

Neupert beim Landeshauptarchiv Koblenz zum Archivoberamtsrat(18.5.2008) – Archivreferendar Dr. Jörg Pawelletz beim Landeshaupt-archiv Koblenz zum Archivrat z.A. (1.5.2008) – Dr. Franz Roberg zumArchivreferendar beim Landeshauptarchiv Koblenz (1.5.2008).

EingestelltSusanne Christof als Verwaltungsleiterin beim Landesarchiv Speyer(1.4.2008).

AusgeschiedenVerwaltungsleiterin Claudia Meier-Klein beim Landesarchiv Speyer(29.2.2008) – Archivreferendar Dr. Jörg Pawelletz beim Landeshaupt-archiv Koblenz nach bestandener Laufbahnprüfung (30.4.2008).

SACHSEN

ErnanntMichael Aumüller beim Sächsischen Staatsarchiv, Abteilung Haupt-staatsarchiv Dresden, zum Archivreferendar (1.5.2008) – Archivinspek-

333

334

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

PERSONALNACHRICHTEN

torin Doreen Etzold beim Sächsischen Staatsarchiv, Abteilung Staats-archiv Leipzig, zur Archivoberinspektorin (26.3.2008) – Dominik

Haffer beim Sächsischen Staatsarchiv, Abteilung HauptstaatsarchivDresden, zum Archivreferendar (1.5.2008) – Dr. Daniel Heimes beimSächsischen Staatsarchiv, Abteilung Hauptstaatsarchiv Dresden, zumArchiv-referendar (1.5.2008) – Archivoberrat Dr. Volker Jäger beimSächsischen Staatsarchiv, Abteilung Staatsarchiv Leipzig, zum Archiv-direktor (19.3.2008) – Archivoberrat Raymond Plache beim Sächsi-schen Staatsarchiv, Abteilung Staatsarchiv Chemnitz, zum Archivdirek-tor (19.3.2008) – Archivoberinspektorin Andrea Tonert beim Sächsi-schen Staatsarchiv, Abteilung Hauptstaatsarchiv Dresden, zur Archiv-amtfrau (26.3.2008).

EingestelltDr. Thomas Sergej Huck beim Sächsischen Staatsarchiv, AbteilungZentrale Aufgaben, Grundsatz, als Leiter des Referates ArchivzentrumHubertusburg (1.4.2008).

VersetztRegierungsdirektorin Sabine Krüger vom Regierungspräsidium Dres-den zum Sächsischen Staatsarchiv, Abteilung Zentrale Aufgaben,Grundsatz (13.5.2008) – Sachbearbeiterin Denise Stubert vom Säch-sischen Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen zum Säch-sischen Staatsarchiv, Abteilung Zentrale Aufgaben, Grundsatz (1.4.2008).

AusgeschiedenArchivreferendar Dr. Tobias Crabus beim Sächsischen Staatsarchiv,Abteilung Hauptstaatsarchiv Dresden, nach bestandener Laufbahnprü-fung (30.4.2008).

SCHLESWIG-HOLSTEIN

AusgeschiedenWiss. Angestellter Dr. Georg Asmussen beim Landesarchiv Schleswig-Holstein (15.4.2008).

THÜRINGEN

In den Ruhestand getretenLeitender Archivdirektor Prof. Dr. Volker Wahl beim ThüringischenHauptstaatsarchiv Weimar (30.6.2008).

KOMMUNALE ARCHIVE

Stadtarchiv FürstenfeldbruckDr. Gerhard Neumeier wurde als Leiter des Stadtarchivs eingestellt(1.1.2008).

Stadtarchiv Kirchheim/TeckDipl.-Archivar Dr. Roland Deigendesch wurde als Leiter des Stadt-archivs eingestellt (1.5.2008).

Stadtarchiv LingenDr. Stephan Schwenke wurde als Leiter des Stadtarchivs eingestellt(26.5.2008).

Stadtarchiv MünsingenDipl.-Archivar Dr. Roland Deigendesch ist ausgeschieden (30.4.2008).

EHRUNGENProf. h.c. Wolfgang Hempel erhielt den Verdienstorden des LandesBrandenburg als Zeichen der Anerkennung und des Dankes für außer-ordentliche Verdienste um das Land Brandenburg und seiner Bevöl-kerung (13.6.2008).

Generaldirektor der Staatlichen Archive Bayerns a. D. Prof. Dr. Her-

mann Rumschöttel erhielt das Große Verdienstzeichen des LandesSalzburg (10.3.2008).

Leitender Archivdirektor a. D. Dr. Thomas Trumpp erhielt die Ver-dienstmedaille des Landes Rheinland-Pfalz als Anerkennung seinerehrenamtlichen Verdienste für das Allgemeinwohl (24.4.2008).

GEBURTSTAGE

95 Jahre

Leitender Staatsarchivdirektor a. D. Prof. Dr. Willy Kohl, Münster(9.12.2008).

90 Jahre

Leitender Archivdirektor a. D. Dr. Friedrich-Christian Stahl, Gun-delfingen (28.10.2008).

85 Jahre

Stadtarchivar a. D. Erich Langguth, Kreuzwertheim (1.12.2008).

80 Jahre

Archivreferent a. D. Prof. Dr. Hans-Joachim Schreckenbach, Pots-dam (19.9.2008) – Werksarchivar i. R. Andreas Kolbinger, Töging amInn (20.11.2008) – Ordensarchivarin i. R. Sr. M. Klara Weber OSA,Würzburg (23.12.2008).

75 Jahre

Wiss. Angestellter i. R. Dr. Hermann Schreyer, Potsdam (11.11.2008).

70 Jahre

Studiendirektor a. D. Rudolf Beck, Leutkirch (19.12.2008) – Archivari. R. Wolfgang Illenseer, Fürth (29.12.2008) – Leitender Archivdirek-tor a. D. Dr. Hartmut Müller, Stuhr (7.12.2008) – Stadtarchivdirektora. D. Prof. Dr. Rolf Nagel, Düsseldorf (15.12.2008) – Leitender Archiv-direktor a. D. Dr. Jürgen Wetzel, Berlin (28.11.2008).

65 Jahre

Archivdirektorin Dr. Irmtraud Freifrau von Andrian-Werburg,Nürnberg (9.11.2008) – Stadtdirektor Dr. Richard Bauer, München(2.11.2008) – Redakteur Helmut Baumgardt, Mülheim/Ruhr(3.12.2008) – Archivoberamtsrat Wilfried Feindt, Bückeburg (7.11.2008)– Archivdirektor Dr. Klaus-Volker Gießler, Freiburg (24.12.2008) – Ar-chivdirektor Dr. Adolf E. Hofmeister, Bremen (17.12.2008) – Archiv-oberrat Dr. Tilman Koops, Koblenz (28.11.2008) – StadtarchivarHartfrid Neunzert, Landsberg a.L. (27.10.2008) – Städtische Archiv-direktorin Dr. Uta Reinhardt, Lüneburg (21.10.2008).

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

60 Jahre

Archivdirektor Dr. Diether Degreif, Wiesbaden (8.12.2008) – Archiv-direktor a. D. Dr. Hans Wilhelm Eckardt, Hamburg (16.11.2008) – Ar-chivamtsrat Norbert Heine, Speyer (26.11.2008) – Archivsachbear-beiterin Gisela Margarete Krause, Bonn (25.11.2008) – ArchivleiterDr. Wolfgang Gärtner, Düsseldorf (21.12.2008) – Archivdirektor Dr.

Jörg Leuschner M.A., Salzgitter (5.10.2008) – Oberarchivrat Dr.

Klaus-Joachim Lorenzen-Schmidt M.A., Hamburg (5.10.2008) – Ar-chivamtmann Hans Schmittinger, Bamberg (29.12.2008) – Archiv-amtsrat Erich Sendlinger, Landshut (9.12.2008) – Wiss. Referent Dr.

Christoph Stamm M.A., Bonn (17.12.2008) – Leitender Archivdirek-tor Dr. Ulrich Wagner, Würzburg (22.10.2008).

335

NACHRUFEP. EMMANUEL DÜRR OFM †

Geb. 12.8.1944 Uznach (CH)Gest. 10.4.2008 Frankfurt a. M.

Josef Dürr wurde am 12. August 1944 in Uznach in der DiözeseSt. Gallen geboren und am Fest Mariä Himmelfahrt getauft. Als ererst drei Jahre alt war, starb sein Vater, und so wuchs er mitseinem jüngeren Bruder bei seiner Mutter und seiner Großmutterauf. Nach dem Besuch der Primar- und Sekundarschule trat er insKollegium Maria Hilf in Schwyz ein, in dem er auch 1966 seinAbitur bestand.Schon früh war er als Ministrant, Pfadfinder oder auch als Betreu-er im Kinderdorf aktiv am kirchlichen Leben der Pfarrgemeindebeteiligt.Im Herbst 1966 trat er ins Priesterseminar der Diözese Chur einund schloss sein Theologiestudium dort 1973 mit dem Abschluss-examen ab. Die vier folgenden Jahre war er im Priesterseminar inChur als Bibliothekar angestellt, da er sich (noch) nicht zumPriestertum berufen fühlte. Zahlreichen späteren Priestern desBistums Chur ist P. Emmanuel Dürr aus dieser Zeit als Bibliothe-kar in Erinnerung geblieben. Nebenbei betätigte er sich als Pasto-ralassistent in der Krankenhausseelsorge. Seine erste Berufung führte ihn sodann vom Herbst 1977 bis zumJanuar 1979 in die Kartause Marienau in Bad Wurzach. Da es sichimmer deutlicher zeigte, dass die eremitische Lebensform nichtsein Weg werden sollte, trat er aus dem Kartäuser-Noviziat wiederaus und begab sich in das gastfreundliche Franziskanerkloster inWangen/Allgäu ein. Nach einem halben Jahr bei den Minderbrü-dern erkannte er, „daß die Lebensform der Franziskaner für micheine realisierbare Möglichkeit für ein Leben im Dienste Gottesund der Kirche ist“ (Lebenslauf). Im August 1979 kam er ins Provinzialatskloster der ThüringischenFranziskanerordensprovinz nach Fulda, wo er am 29. Septembereingekleidet wurde und den Ordensnamen Emmanuel erhielt. Diefolgenden Jahre lebte Emmanuel Dürr wieder in Wangen undlegte am 3. Oktober 1982 auf dem Frauenberg in Fulda die Feierli-che Profess ab. Seit Oktober 1982 absolvierte er in Münster seinePastoralausbildung und wurde am 20. März 1983 in der Kloster-pfarrei St. Bonifaz in Mannheim vom Freiburger Weihbischof Dr.Paul Wehrle zum Priester geweiht. Bis 1988 wirkte P. Emmanuel als Seelsorger in den Klöstern Wan-gen und Marienthal. Dann wurde er im Oktober als Provinzbi-

bliothekar und Beichtseelsorger auf den Frauenberg nach Fuldagerufen, von wo aus er die verschiedenen Klöster der Ordenspro-vinz besuchte und die Bibliotheken neu ordnete. 1992 wurde P.Emmanuel zusätzlich mit dem Amt des Provinzarchivars betraut.Die sachgerechte und benutzerfreundliche Organisation vonBibliothek und Archiv auf dem Frauenberg in Fulda war ihm einbesonderes Anliegen, für das er offene Ohren bei seinen Oberenfand. 1998 wurde das Archiv seiner Ordensprovinz unter seiner Feder-führung Mitglied der AGOA unter dem Dach der später so ge-nannten Deutschen Ordensoberenkonferenz (DOK). Von 2001 bis2003 gehörte P. Emmanuel dem Vorstand der AGOA an und warvon 2003 bis zu seinem Tod Vorsitzender dieser Arbeitsgemein-schaft. Mit Kompetenz und Humor und einem großen Einfüh-lungsvermögen leitete er die AGOA und verstand es, den regel-mäßigen Jahrestagungen seinen Stempel aufzudrücken. SeineBerichte und Rundbriefe waren beliebt wegen ihrer auf das We-sentliche beschränkten Form.Nach einem erneuten dreijährigen Aufenthalt in Wangen von 2001bis 2004 kehrte P. Emmanuel im September 2004 ins Provinzi-alatskloster Fulda zurück, von dem aus er zusätzlich zu all seineninterneren Tätigkeiten auch die Seelsorge im Herz-Jesu-Kranken-haus übernahm.Trotz mancher körperlicher Belastungen und seiner angeborenenstarken Kurzsichtigkeit hat P. Emmanuel alle seine Dienste undAufgaben beherzt, gewissenhaft und zuverlässig erledigt. P. Em-manuel wurde an all seinen Wirkungsstätten als humorvoller,liebenswerter und überzeugender Mensch, Franziskaner undPriester geschätzt. Er wusste eine Fülle von interessanten undunterhaltsamen Geschichten aus seinem Leben zu erzählen.Ebenso detail- und kenntnisreich war sein theologisches undhistorisches Wissen.Am 7.-9. April 2008 hatte P. Emmanuel Dürr noch an der Jahresta-gung der AGOA in Bad Honnef teilgenommen und sie geleitet.Auf der Heimreise mit der Bahn ist er am Donnerstag, dem 10.April 2008, spätabends auf dem Hauptbahnhof inFrankfurt/Main an plötzlichem Herzversagen gestorben. „BruderTod“ – so pflegte Franziskus von Assisi sich auszudrücken –suchte P. Emmanuel also ganz überraschend heim. Am 16. April feierten seine Mitbrüder in der Klosterkirche aufdem Frauenberg in Fulda die Totenmesse und begruben an-schließend seine sterbliche Hülle auf dem angrenzenden Kloster-friedhof.R. i. p.

P. Robert Jauch OFM, Jerusalem

Das Archiv für Christlich-Demokratische Politik (ACDP) derKonrad-Adenauer Stiftung archiviert seit 2004 als neue Quellen-gattung die Internetauftritte der CDU, ihrer Vereinigungen undIhrer Politikerinnen und Politiker.Ausgehend von einem durch die Deutsche Forschungsgemein-schaft geförderten Projekt haben sich die Archive der politischenStiftungen gemeinsam der Aufgabe der Archivierung der Inter-netauftritte der Parteien angenommen. Mit dem Ende 2006abgeschlossenen Projekt konnte nachgewiesen werden, dass eineSicherung und Bereitstellung zur Forschung technisch möglichund alltagstauglich ist.Als eines der Ergebnisse des gemeinsamen Projektes hat sich dasACDP entschieden, zusammen mit der Firma oia, das „OfflineWeb Archiv“ (OWA), eine datenbankgestützte Lösung, zuentwickeln, die u. a. eine möglichst redundanzfreie Erfassungvon Internetpräsenzen sowie die Verwaltung und Wiederanzeigevon archivierten Webpräsenzen ermöglicht. Die Software wirdständig erweitert und aktualisiert, um die fast wöchentlichneuen technischen Entwicklungen des Internets verarbeiten zukönnen.

Es ist eine Bestätigung für die Arbeit des ACDP, dass sich weitereArchive für OWA zur Archivierung von Internetseiten entschie-den haben. Seit Mitte 2007 konnten im ACDP 764 Spiegelungenvon Internetauftritten der CDU-Bundespartei, von Landesver-bänden, Vereinigungen der CDU und Webauftritten von Politi-kern durchgeführt werden, die ein Volumen von 154 GB anDaten ergaben. Die Erschließung der archivierten Internetprä-senzen erfolgt mit Hilfe der Archivsoftware FAUST 6 der Fa.Land-Software-Entwicklung. Mithilfe des dort integriertenDigitalfeldes erfolgt mittels einer Verknüpfungsdatei der Aufrufder archivierten Internetpräsenz aus dem „Offline Web Archiv“.Anschließend steht die archivierte Internetpräsenz im Original-layout, bereitgestellt durch OWA, zur Verfügung.

Michael Hansmann, Sankt Augustin

gelten folgende Öffnungszeiten: Montag-Donnerstag 8.00-17.00Uhr, Freitag 10.00-14.00 Uhr. Postanschrift, E-Mail-Adressen undTelefonnummern sind unverändert. Während der gesamtenBauphase ist generell nur eine eingeschränkte Benutzung desArchivs möglich. Es können ausschließlich nur angemeldeteBenutzer/-innen berücksichtigt werden. Auf Grund technisch-organisatorischer Probleme und der geringen Platzanzahl imLesesaal ist unter Umständen mit längeren Wartezeiten zurechnen, bis ein Besuchstermin möglich ist. Dafür wird umVerständnis gebeten.

Neue URL für den Webauftritt des Sächsischen Staatsarchivs:www.archiv.sachsen.de. Das Verwaltungsportal ist jetzt überwww.staatsarchiv.smi.sachsen.de zu erreichen.

Das Stadtarchiv Aachen ist ab sofort unter der Telefonnummer0241-432-4972 und der Faxnummer 0241-432-4979 erreichbar.Die Post- und E-Mail-Adresse hat sich nicht geändert.

Auf Grund von Sanierungsmaßnahmen am Gebäude des Lan-deshauptarchivs in der Graf-Schack-Allee 2, 19053 Schwerin, dievoraussichtlich bis Ende 2009 andauern werden, hat das Archivseinen Standort in die Wismarsche Straße 159-161, 19053 Schwe-rin (gegenüber dem Hauptbahnhof) verlegt. Ab Januar 2008

ADRESSÄNDERUNGEN

336

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

KURZINFORMATIONEN UND VERSCHIEDENES

ARCHIVIERUNG VON INTERNETPRÄSENZEN

NEUE BENUTZUNGSORDNUNG IM ZENTRALARCHIV

Das Zentralarchiv der Ev. Kirche der Pfalz hat seit dem 1.4.2008eine neue Benutzungsordnung. Die Änderung bezieht sich auf § 9Abs. 4, der um einen Satz ergänzt wurde: „Fotografieren undEinscannen von Archivalien im Original oder in Reproduktion,Durchzeichnen von Schriftstücken sowie Anfertigung von Siegelab-drücken durch Benutzerinnen und Benutzer sind untersagt.“

Im Anschluss daran wurde auch die Lesesaalordnung entspre-chend ergänzt.Benutzungs- und Lesesaalordnung finden sich unter www.zentralarchiv-speyer.de, Menüpunkt Rechtsgrundlagen.

Gabriele Stüber, Speyer

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

337

Nachdem sich die Provinziäle der Deutschen und der Öster-reichischen Jesuitenprovinzen bereits Ende 2007 auf die Verle-gung des Karl-Rahner-Archivs (KRA) von Innsbruck nachMünchen verständigt hatten, erfolgte nun vom 18. bis 20. Februar2008 der Umzug des ca. 180 Umzugskartons umfassendenNachlasses des Jesuitentheologen Karl Rahner (1904-1984) sowieverschiedener bestandsergänzender Sammlungen. Das KRA wirdin das Archiv der Deutschen Provinz der Jesuiten integriert, dortaber als eigener Bestand unter seiner bisherigen Bezeichnungweiterbestehen. Die wissenschaftliche Leitung wurde durch dendeutschen Provinzial P. Dr. Andreas Batlogg SJ übertragen,womit einer wesentlichen Option der Provinziäle Rechnunggetragen wurde, dass die Leitung in der Hand eines Jesuitenliegen solle. P. Batlogg tritt damit in die Nachfolge der PatresWalter Kern SJ († 2007) und Karl H. Neufeld SJ ein, denen dieLeitung des Archivs in den Jahren 1985-1989 bzw. 1989-2007

oblag. Zur Klärung von grundsätzlichen oder aktuellen, dasKRA betreffenden Fragen wurde ein Archivrat gegründet, demneben dem wissenschaftlichen Leiter der Leiter des ProvinzarchivsDr. Clemens Brodkorb sowie der Rahnerforscher Prof. Dr. AlbertRaffelt, stellvertretender Direktor der UniversitätsbibliothekFreiburg i. Br. angehören.Die offizielle Übergabe des KRA erfolgte am 19. Februar inInnsbruck durch Prof. Dr. Roman A. Siebenrock, der seit derEmeritierung von P. Neufeld im Herbst 2007 als langjährigerMitarbeiter des Archivs dessen interimistische Leitung innege-habt hatte. Die neue Anschrift des KRA lautet: Kaulbachstr. 22a,80539 München; Tel. +49 89 2386 - 2336; Fax: + 49 89 2386 -2221; E-Mail: [email protected].

Clemens Brodkorb, München

KARL-RAHNER-ARCHIV NACH MÜNCHEN UMGEZOGEN

auch viele andere Unternehmensarchive aus der Region – etwa diehistorischen Archive der Bayer AG, der RheinEnergie AG oder desBankhauses Sal. Oppenheim & Cie. – ließen sich von Schmitzporträtieren. Bei der Preisverleihung standen die Archive als „DasGedächtnis der Wirtschaft“, so der Titel des preisgekrönten Arti-kels, dann noch einmal im Vordergrund und erfreuten sich einernicht alltäglichen Form der Werbung.

Julia Kaun, Köln

Mit Archiven lassen sich Preise gewinnen! Diese gute Nachrichterreichte vor Kurzem Lothar Schmitz, Autor und Redakteur derZeitschrift „IHKplus“, denn für seinen Artikel über die Arbeit vonWirtschaftsarchiven im Rheinland erhielt Schmitz im April denJournalistenpreis 2007 der Volks- und Raiffeisenbanken, Spar- undDarlehnskassen in Rheinland und Westfalen. Prämiert wurdenMedienbeiträge zum Thema „Wirtschaft vor Ort“. Das 100-jährigeJubiläum der Stiftung Rheinisch-Westfälisches Wirtschaftsarchivzu Köln im Dezember 2006 gab den Anlass für den Text, doch

JOURNALISTENPREIS FÜR „DAS GEDÄCHTNIS DER WIRTSCHAFT“

Ordnung für die Benutzung von Archivgut im LandesarchivBerlin (Landesarchiv-Benutzungsordnung - LArchBoO) vom1.Mai 2008. Amtsblatt von Berlin, Nr. 19 vom 25.4.2008, S. 1018-

NEUE BENUTZUNGSORDNUNG DES LANDESARCHIVS BERLIN

1023. Im Internet unter www.kulturbuch-verlag.de sowiewww.landesarchiv-berlin.de.

338

ARCHIVAR 61. Jahrgang Heft 03 Juli 2008

VORSCHAU

Herausgeber Landesarchiv NRW, Graf-Adolf-Str. 67, 40210 Düsseldorf VdA – Verband deutscher Archivarinnen und Archivare e. V., Sitz: Frankfurt a. M., Geschäftsstelle: Wörthstr. 3, 36037 Fulda

Redaktion Martina Wiech in Verbindung mit Barbara Hoen, Robert Kretzschmar, Wilfried Reininghaus, Ulrich Soénius und Klaus Wisotzky

Mitarbeiter Meinolf Woste, Petra DaubKontakt Landesarchiv NRW, Graf-Adolf-Str. 67, 40210 Düsseldorf,

Tel.: 0211/159238-800 (Redaktion), -202 (Martina Wiech), -802 (Meinolf Woste), -803 (Petra Daub), Fax: 0211/159238-888, E-Mail: [email protected]

Druck & Vetrieb Franz Schmitt, Kaiserstr. 99 – 101, 53721 Siegburg, Tel.: 02241/62925, Fax: 02241/53891, E-Mail. [email protected], Postbank Köln, BLZ 37010050, Kto 7058-500.

Gestaltung ENGEL UND NORDEN, Wuppertal, Mitarbeit: Ruth Michels, www.engelundnorden.deBestellungen und Anzeigenverwaltung (Preisliste 20, gültig ab 1. Januar 2006) beim Verlag F. SchmittZuständig für Anzeigen Sabine Schmitt im Verlag F. Schmitt

Die Verlagsrechte liegen beim Landesarchiv NRW. Amtliche Bekanntmachungen sowie Manuskripte, Mitteilungenund Besprechungsexemplare bitten wir an die Redaktion zu senden. Zum Abdruck angenommene Arbeiten gehenin das unbeschränkte Verfügungsrecht des Herausgebers über. Dies schließt auch die Veröffentlichung im Internetein. Die Beiträge geben die Meinung ihrer Verfasser, nicht die der Redaktion wieder. Die Zeitschrift ARCHIVAR erscheint viermal jährlich. Die Beihefte werden in zwangloser Reihenfolge herausgege-ben. Der Bezugspreis beträgt für das Einzelheft einschl. Porto und Versand 8,- Euro im Inland, 9,- Euro im Ausland,für das Jahresabonnement einschl. Porto und Versand 32,- Euro im Inland, 36,- Euro im Ausland

Hinweise für VdA-Mitglieder: Geänderte Anschriften und Bankdaten sind ausschließlich an folgende Adresse zu mel-den: VdA-Geschäftsstelle: Wörthstr. 3, 36037 Fulda, Tel.: 0661/2910972, Fax: 0661/2910974, E-Mail: [email protected]. Internet: www.vda.archiv.net – Bankverbindung: Konto für Mitgliedsbeiträge des VdA:Sparkasse Regensburg, BLZ 75050000, Kto 16675, IBAN: DE10 7505 0000 0000 016675, SWIFT-BIC: BYLADEMIRBG,Konto für Spenden an den VdA: Sparkasse Regensburg, BLZ 75050000, Kto 17475, IBAN; DE10 7505 0000 0000 017475,SWIFT-BIC: BYLADEMIRBG.

IMPRESSUM

Im nächsten Heft lesen Sie unter anderem:

Archivgeschichte. Umrisse einer untergründigen Subdisziplinvon Wilfried Reininghaus

Das „Schatzhaus der Bürger“ mit neuem Leben füllen. Die Ausstellung zum 150-jähri-gen Jubiläum des Historischen Archivs der Stadt Köln und ihre Wirkung aufArchivträger und Öffentlichkeit von Letha Böhringer, Bettina Schmidt-Czaia, Claudia Tiggemann-Klein

„Den deutschen Einfluss beträchtlich steigern“. Archivare und Archive im ProtektoratBöhmen und Mähren (1939-1945)von Stefan Lehr

Das Heeresarchiv Potsdam. Die Bestandsaufnahme in der Abteilung Militärarchiv desBundesarchivsvon Sven Schulz


Recommended