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Arbeitsrecht und Kirche - Baumann-Czichon: · PDF file2009 Kirche Arbeitsrecht und Zeitschrift...

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Kirche Arbeitsrecht und Zeitschrift für Mitarbeitervertretungen 2009 3 ISSN 1614 -1903 aus dem Inhalt Kirche Arbeitsrecht und Kirchliche Zusatzversorgung – Was ist aus der Systemumstellung geworden? Das Mitbestimmungsverfahren oder wann ist ein Antrag ein Antrag? 78 74 Minusstunden verfallen 82 85 Arbeitschutz in der Kinder-, Jugend- und Familienhilfe 87 Geschlechtersensibilisierung K A u
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2009

KircheArbeitsrecht und

Z e i t s c h r i f t f ü r M i t a r b e i t e r v e r t r e t u n g e n

2 0 0 93

ISSN 1614-1903

aus dem Inhalt

Kirc

he

Arbe

itsre

cht

und

Kirchliche Zusatzversorgung – Was ist aus der Systemumstellung geworden?

Das Mitbestimmungsverfahren oder wann ist ein Antrag ein Antrag?

78

74

Minusstunden verfallen82

85 Arbeitschutz in der Kinder-, Jugend- und Familienhilfe

87 Geschlechtersensibilisierung

KAu

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EntscheidungsSammlung zum kirchlichen Arbeitsrecht

Die EkA

¤

Die Auswahl bezieht sämtliche Problembereiche ein, wie Eingruppierung, Kündi-

gung, Personalakte, befristete Arbeitsverhältnisse, Arbeitszeiten, Mitbestim-

mungskompetenzen der MAV und vieles mehr. Für bessere Lesbarkeit aufberei-

tet und übersichtlich gegliedert. Dadurch ist der schnelle Zugriff auf die

bereits entschiedenen Fälle möglich. Das erleichtert ihre Arbeit spürbar und

Sie haben mehr Zeit für andere Aufgaben.

Haupt- und Nebenstichworte gliedern das Werk praktisch

Entscheidungsgrundlage

Wer hat was wann entschieden

Das Ergebnis aufeinen Blick:

Die Leitsätze

Sachverhalt undGründe ergänzen

Details für Sie

Nr. 018 ■ Baumann-Czichon (Hrsg.):

Die EkA. EntscheidungsSammlung

zum kirchlichen Arbeitsrecht.

Neuartiges, wichtiges Nachschlagewerk

für Mitarbeitervertretungen und Personal-

abteilungen der verfassten Kirchen, bei

Caritas und Diakonie. Gut lesbare

Kurzdarstellung kirchlicher Schlichtungs-

und Schiedsstellen, ergänzt durch Arbeits-

gerichtsurteile.

Nun mit über 250 Entscheidungen,

1.600 Seiten in 2 Ordnern.

SachBuchVerlag Kellner. EUR 109,90.

Eine Ergänzungslieferung pro Jahr.

AboTelefonservice 0421-778 66

Abo DirektbestellungP e r F a x : 0 4 2 1 - 7 0 4 0 5 8

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Abopreis für 4 Ausgaben 50,– EUR.

Vierteljährliche Lieferung frei Haus.

Bei Einzelbestellung 12,90 EUR pro

Exemplar. Das Abo verlängert sich

jeweils um ein Jahr, sofern nicht

spätestens 4 Wochen nach dem

Ende des Bezugszeitraums schrift-

lich gekündigt wurde.

Neu: Zu jedem Abo wird ein Frei-

Exemplar des MAV-Faltkalenders

mitgeliefert: je Anfang Januar.

A & K ist ein erforderliches Sach-

mittel, das auf Beschluss der

MAV von der Dienststelle zur

Verfügung gestellt wird.

Die MAV beschließt und über-

gibt die ausgefüllte Bestellung

dem Arbeitgeber mit der Bitte

um Kenntnisnahme und Weiter-

leitung an den SachBuchVerlag

Kellner in Bremen.

An den

SachBuchverlag Kellner

St.-Pauli-Deich 3

28199 Bremen

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KircheArbeitsrecht und

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KircheArbeitsrecht und2009 1

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

fünf Altenheime in Hannover will die Caritas aus

finanziellen Gründen aufgeben. Das Johannesstift

aus Berlin will die Häuser übernehmen und durch

die um mehr als zehn Prozent niedrigeren Löhne

sanieren. Auch das ist eine Form der Ausgliede-

rung. Die Landeskirche und deren Bischöfin weh-

ren sich mit allen Kräften gegen diese ›feindliche

I m p r e s s u m

Inhalt

Kirchliche Zusatzversorgung – Was ist aus der Systemumstellung geworden?

Das Mitbestimmungsverfahren oder wann ist ein Antrag ein Antrag?

Streik in der Diakonie – die handwerkliche Seite

Minusstunden verfallen

Arbeitsschutz in der Kinder-, Jugend- und Familienhilfe

Geschlechtersensibilisierung und Gender Mainstreaming für die PraxisTeil 4 – Personalvorgänge in der Mitarbeitervertretung unter Gender-Aspekten

Leseranfragen

Dritter Weg – Fluch oder Segen?

Seminartermine November bis Januar

Rechtsprechung

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KAu

Editorial

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Arbeitsrecht und KircheZeitschrift für Mitarbeitervertretungen

Redaktion: Bernhard Baumann-Czichon (verantwortlich)Kerstin Graumann(Redaktionsassistenz)Otto ClausMichael DembskiDr. Herbert DeppischMira GathmannProf. Dr. Ulrich HammerMichael HeinrichKlaus Kellner – KK Annette KlausingBarbara KoppRenate Richter

Redaktionsanschrift:Am Hulsberg 8 28205 BremenTelefon: 0421-43933-53Telefax: 0421-439 3333eMail: [email protected]

Verlagsanschrift undAnzeigenverwaltung:SachBuchVerlag Kellner,St.-Pauli-Deich 3 28199 BremenTelefon: 0421-778 66Telefax: 0421-704058eMail: [email protected]

Grafische Gestaltung:Designbüro Möhlenkamp, BremenMarlis Schuldt,Jörg Möhlenkamp

Bezugspreis:Einzelheft EUR 12,90Abonnement: pro Jahr EUR 50,– (4 Ausgaben)Kündigungsmöglichkeit:4 Wochen vor Jahresende.

Nachdruck nur mit Erlaub-nis des Verlags. Die Ver-wendung für Zwecke ein-zelner Mitarbeitervertretun-gen oder deren Zusam-menschlüsse (z. B. fürSchulungen) ist bei Quellenangabe gestattet.Bitte Belegexemplare an den Verlag senden.

Für unverlangt ein-gesandte Manuskripte kann keine Gewähr übernommen werden.

Übernahme‹, denn damit würde der finanzielle

Spielraum für die diakonische Altenhilfe in der

Region noch enger. Diese Form innerkirchlicher

Konkurrenz ist neu, wirklich überraschend ist sie

nicht. Denn die Unternehmens-Diakonie verhält

sich als Teil des Marktes für soziale Dienstleistun-

gen längst wie die meisten anderen Unternehmen

auch. Das haben manche noch nicht verstanden

und meinen, den Stab über ver.di brechen zu müs-

sen, weil diese den diakonischen Arbeitgeberver-

band und einige Einrichtungen zu Tarifverhandlun-

gen aufgerufen hat. Und manche Arbeitnehmer

wundern sich sicher, dass die diakonischen Unter-

nehmen auf Arbeitskampfaktionen reagieren

wie ganz normale Unternehmen: Sie versuchen,

solche Aktionen zu verhindern. Beide Seiten

werden diesen neuen Umgang miteinander und

aneinander lernen. Daran wird die Kirche nicht

kaputt gehen. Im Gegenteil: Ihr Engagement

für ArbeitnehmerInnen wird glaubwürdiger, wenn

sie selbst zeigt, dass sie soziale Konflikte aushalten

und angemessen lösen kann.

Wir wünschen wir Ihnen eine entspannte

Sommerzeit,

Verlag und Redaktion

V e r l e g e rKlaus Kellner

Bernhard

Baumann-Czichon

C h e f r e d a k t e u r

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AuK 2009

Kirchliche Zusatzversorgung

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Im Jahre 2002 wurde diese Zusatzversorgung grund-legend geändert. Die frühere umlagenfinanzierte sogenannte Gesamtversorgung wurde durch eine kapi-talgedeckte beitragsorientierte Versorgung abgelöst.Notwendig wurde diese Systemumstellung aufgrundder erheblichen finanziellen Probleme vieler Kassen,allen voran der VBL. Ohne Systemumstellung wärendiese nur durch eine erhebliche Steigerung der Umla-gen lösbar gewesen. Dies hätte zu einer zusätzlichenBelastung der Arbeitgeber und Arbeitnehmer geführt,weil aufgrund der tarifvertraglichen Regelung imöffentlichen Dienst weitere Steigerungen der Umlagenzur Hälfte von Arbeitgebern und Arbeitnehmern auf-zubringen waren.

Eine Folge der Systemumstellung war die Absen-kung des Rentenniveaus. Denn dem Rentenmodellliegt nun die Annahme zugrunde, dass ein Arbeitneh-mer die maximale Rentenversorgung nach 45 undnicht schon wie in der Vergangenheit nach 40 Jahrenerreicht. Dies ist ein Wert, der in der Praxis fast nieerreicht wird – schon weil zwischen Abschluss einerqualifizierten Ausbildung und Erreichen der Regelal-tersrente keine 45 Jahre liegen (können).

Gesamtversorgung und beitragsorientierte Versor-gung sind zwei so unterschiedliche Systeme, dass eineFortführung der bisherigen Versicherung unterAnwendung von Überleitungsregelungen nicht mög-lich war. Es war vielmehr erforderlich, das alteSystem ›zu schließen‹, in dem die bis zum Umstel-lungsstichtag erworbenen Ansprüche ermittelt undals so genannte Startgutschrift in das neue Systemüberführt wurden. Modellberechnungen habengezeigt, dass in einigen Fallkonstellationen Versicher-te durch diese Umstellung begünstigt wurden. Für dieMehrzahl der Versicherten war hingegen davon aus-zugehen, dass die Art der Ermittlung der Startgut-schrift zu einer Minderung ihrer Rentenansprücheführte.

Prozessflut gegen die SystemumstellungInzwischen haben sich sehr viele Gerichte aufgrundeiner wahren Prozessflut mit unterschiedlichen Fra-gen, die im Zusammenhang mit der Systemumstel-

D e r A u t o r

Kirchliche Zusatzversorgung – Was istaus der Systemumstellung geworden?V o n B e r n h a r d B a u m a n n - C z i c h o n

Die Beschäftigten in Kirche, Diakonie und Caritas erhalten

neben ihrer gesetzlichen Rente, die von der Deutschen

Rentenversicherung gezahlt wird, eine zusätzliche Altersver-

sorgung. Hierfür erbringen die Arbeitgeber Leistungen an

eine (kirchliche) Zusatzversorgungskasse (KZVK) oder an die

Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL).

Diese gewähren dann im Rentenfall nach Maßgabe ihrer

jeweiligen Satzungen eine Betriebsrente.

lung stehen, befasst, so das Bundesarbeitsgericht, derBundesgerichtshof und auch das Bundesverfassungs-gericht. Im Folgenden will ich aufzeigen, welcherechtlichen Konsequenzen sich aus diesen Entschei-dungen ergeben. Um die Entscheidungen verständlichzu machen, will ich zunächst den Systemwechsel und die sich daraus ergebenden Konsequenzen erläu-tern.

Bis zum Jahre 2002 wurden die Rentenansprüchedadurch finanziert, dass die für die beschäftigten Ver-sicherten (Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter) geleiste-ten Umlagen von den Kassen im Wesentlichen dafürverwendet wurden, die Rentenansprüche der zu die-sem Zeitpunkt rentenberechtigten Versicherten zubedienen. Die Finanzierung der (kirchlichen) Zusatz-versorgung erfolgte deshalb im Rahmen eines sogenannten Generationenvertrages.

Wesentliches Ziel der Umstellung war es, dieseUmlagenfinanzierung durch eine Kapitaldeckungabzulösen. Zukünftig sollten die Rentenansprücheder einzelnen Versicherten dadurch gesichert werden,dass die für sie entrichteten Beiträge als Kapitalstockbei der Versicherung geführt würden. Die Zusatzver-sorgungskassen finanzieren sich seither ähnlich wieeine Lebensversicherung. Die vereinnahmten Beiträgewerden auf dem Kapitalmarkt angelegt und – hof-fentlich – verzinst.

Die Umstellung auf ein solches kapitalgedecktesSystem machte es erforderlich, dass die Versiche-rungsleistungen, die ein Versicherter im Rentenfallbeanspruchen konnte, mit versicherungsmathemati-schen Methoden berechenbar wurden. Dies war inder bis 2002 geltenden so genannten Gesamtversor-gung nicht möglich.

Die alte GesamtversorgungDas bisherige Versorgungssystem wird als Gesamt-versorgung bezeichnet, weil der Versicherte einenAnspruch darauf hat, dass die Summe aus Leistungender gesetzlichen Rentenversicherung und der kirchli-chen Zusatzversorgung zusammen den Gesamtver-sorgungsbetrag erreicht. Mit anderen Worten: Fürden Versicherten wird jeweils festgestellt, wie hochseine Gesamtversorgung ist. Sodann wird von diesemGesamtversorgungsbetrag der Rentenanspruch dergesetzlichen Rentenversicherung abgezogen und dieLücke durch die Zusatzversorgungskasse geschlos-sen. Daraus ergibt sich folgende Formel:

Gesamtversorgung minus gesetzliche Rente =Zusatzrente

Weil die kirchliche Zusatzversorgung jeweils nurdie Lücke zwischen gesetzlichem Rentenanspruchund Gesamtversorgungsanspruch schloss, stand inkeinem Fall im Voraus fest, wie hoch der Anspruchdes einzelnen Versicherten gegenüber der Zusatzver-sorgungskasse sein würde. Denn auch bei gleichemGesamtversorgungsanspruch haben die Versichertenentsprechend ihrer individuellen Erwerbsbiografienunterschiedliche Ansprüche gegenüber der gesetzli-chen Rentenversicherung erworben.

Bernhard

Baumann-Czicho

Fachanwalt

für Arbeitsrecht,

Bremen

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2009 KircheArbeitsrecht und

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mer, die während ihrer gesamten Berufstätigkeit eineentsprechend hohe Vergütung erzielt haben.

Diejenigen Versicherten aber, die erst in den letztenJahren ein höheres Einkommen erzielt haben, habenim Verhältnis zu ›Frühstartern‹ deutlich niedrigereAnsprüche gegenüber der gesetzlichen Rentenversi-cherung. Um beiden eine gleich hohe Gesamtversor-gung zu ermöglichen, war es deshalb erforderlich,dass derjenige Versicherte, der erst spät ein höheresEinkommen erzielt hat, eine entsprechend höhere Lei-stung von der kirchlichen Zusatzversorgungskasseerhält.

Ziel der Gesamtversorgung war es, den Versicher-ten bei Renteneintritt in etwa den Lebensstandard zusichern, der dem Einkommen unmittelbar vor Ren-teneintritt entspricht.

Da maßgeblich auf das Einkommen während derletzten drei vollen Kalenderjahre vor Renteneintrittabzustellen war, war es bis 2002 auch nicht möglich,einem Versicherten vor Eintritt des Rentenfalls Aus-kunft über die Höhe seiner Versorgung zu geben. Eskonnte nur eine Prognose aufgestellt werden unterder Annahme, dass er während der letzten drei Versi-cherungsjahre das gleiche Einkommen erzielen würdewie zum Zeitpunkt der Auskunftserteilung. Eine spä-tere Karriere, aber auch eine ›Degradierung‹, konntennicht vorhergesehen und dementsprechend auch nichtberücksichtigt werden.

Die Höhe der gesetzlichen Rentenansprüche hängtdavon ab, wie viel Versicherungsbeiträge ein Versi-cherter insgesamt während seines Erwerbslebens indie Rentenversicherung eingezahlt hat. Die Höhe derGesamtversorgung hingegen wird vollständig andersermittelt: Im Wesentlichen kommt es auf die Dauerder Versicherungszeit im System der Gesamtversor-gung an. Dabei wird dann noch ergänzend berück-sichtigt, ob ein Versicherter in Vollzeit oder nur inTeilzeit beschäftigt ist. Auf diese Weise wird ein sogenannter Versorgungsfaktor ermittelt. Dieser beträgtmaximal 91,75 %. Er wird erreicht, wenn ein Versi-cherter 40 Jahre lang vollzeitbeschäftigt ist und indieser Zeit in einem zusatzversorgungspflichtigenArbeitsverhältnis gestanden hat.

Wesentlich bestimmt wird die Höhe der Gesamt-versorgung durch das Einkommen der letzten dreivollen Kalenderjahre vor Renteneintritt. Etwas ver-einfacht dargestellt wird dieses durchschnittlicheEndgehalt mit dem Beschäftigungsfaktor multipli-ziert.

Für die Höhe der Gesamtversorgung ist es deshalbunerheblich, wie hoch das Gesamteinkommen einesArbeitnehmers während der Versicherungszeit war.Es ist ausschließlich darauf abzustellen, wie hoch dasEinkommen während der letzten drei vollen Kalen-derjahre war. Deshalb bekommen Arbeitnehmer, dielange Jahre eine niedrig vergütete Tätigkeit ausgeübt,in den letzten drei Jahren aber ›Karriere‹ gemachthaben, die gleiche Gesamtversorgung wie Arbeitneh-

Kirchliche Zusatzversorgung

Beim Diako-Krankenhaus in Bremen

macht die Belegschaft auf sich

aufmerksam

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hon

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Kirchliche Zusatzversorgung

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das neue Versorgungssystem einzubringen. Da die biszum Umstellungszeitpunkt erdienten Ansprüche derGesamtversorgung nicht festgestellt werden konnten,musste die Zusatzversorgungskasse hierzu eine Reihevon Annahmen machen. So musste die zu diesemZeitpunkt nicht bekannte Höhe der gesetzlichenRente geschätzt werden. Die Zusatzversorgungskas-sen haben sich hierzu eines anerkannten Verfahrensbedient, das jedoch für steuerliche Zwecke ent-wickelt wurde. Dieses so genannte Nährungsverfah-ren hat einige Versicherte begünstigt, andere deutlichbenachteiligt.

Auch mussten Annahmen darüber getroffen wer-den, wie hoch zum Zeitpunkt des Versicherungsfalls(Renteneintritt) die gesetzlichen Abzüge sein würden.Auch dies konnte nur im Wege einer Schätzung erfol-gen, weil nicht nur die gesetzlichen Grundlageneinem steten Wandel unterworfen sind. Vielmehrkönnen sich auch die individuellen, aber für dieBesteuerung wesentlichen persönlichen Verhältnisseeines Versicherten ändern.

Im Ergebnis ist festzustellen, dass die Gerichte die-se Vorgehensweise der Zusatzversorgungskasse (undim Übrigen auch der Versorgungsanstalt des Bundesund der Länder/VBL) gebilligt haben.

Lediglich das Oberlandesgericht Karlsruhe hatte in einigen Verfahren den Versicherten in wesentl-ichen Punkten Recht gegeben. Diese Entscheidun-gen wurden jedoch vom Bundesgerichtshof wieder aufgehoben.

Die StartgutschriftNach der Systemumstellung, also seit 01.01.2002,erhält ein Arbeitnehmer entsprechend der Höhe seines jeweiligen gehaltsabhängigen Beitrags eineGutschrift auf seinem Versorgungskonto. Der Geld-betrag wird in Versorgungspunkte umgerechnet undmit einem Altersfaktor multipliziert. Damit wird dieZeit berücksichtigt, in der der Kasse das Geld zurVerfügung steht und in der sie es zinsbringend anle-gen kann. Deshalb ist der Altersfaktor umso höher, jejünger der Versicherte zum Zeitpunkt der Einzahlungist. Die Versorgungspunkte entsprechen einembestimmten Geldbetrag, so dass jeder Versichertejederzeit aus der ihm jetzt jährlich zu erteilenden Versorgungsauskunft ablesen kann, in welcher Höheer bislang Rentenansprüche erworben hat.

Und was sagen die Gerichte?Zahlreiche Versicherte haben sich gegen diesenSystemwechsel gewehrt. Alle mit der Umstellung derVersorgung befassten Gerichte haben die Systemum-stellung für rechtlich zulässig gehalten. Diese ist des-halb als unabweislich hinzunehmen.

In weiteren Verfahren wurde dann eine Reihe vonEinzelfragen geklärt, die im Zusammenhang mit derSystemumstellung stehen. Anlässlich der Systemum-stellung zum 01.01.2002 bestand für die Zusatzver-sorgungskasse die Notwendigkeit, die in der Gesamt-versorgung erworbenen Ansprüche, die der Höhenach noch gar nicht feststehen konnten, gleichwohlzu berechnen und als so genannte Startgutschrift in

AuK 2009

Man muss sich wehren,

um im Alter

nicht zu verarmen

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Kirchliche Zusatzversorgung

Nur mit einem Kritikpunkt sind die Versicherten durchgedrungen:

■ Da die Umstellung des Versorgungssystems unddamit auch die Erteilung der Startgutschriftwährend des Erwerbsleben erfolgt, haben die Versi-cherten lediglich einen Teil derjenigen Zeit zurück-gelegt, die erforderlich ist, um die größtmöglicheGesamtversorgung zu erreichen. Von zahlreichenSachverständigen wurde gefordert, den zu berück-sichtigenden Zeitanteil in der Weise zu ermitteln,dass die Zeit von Beginn der versicherungspflichti-gen Beschäftigung (Aufnahme eines Arbeitsverhält-nisses in der Diakonie, Caritas oder Kirche) bis zumindividuellen Eintritt der Regelaltersrente ermitteltund in das Verhältnis zu der bis zum Umstellungs-stichtag 01.01.2002 zurückgelegten Zeit gesetztwürde. Dann hätte für jeden Versicherten festgestelltwerden können, welchen Anteil an der für ihn maxi-mal erreichbaren Gesamtversorgung er bis zumUmstellungsstichtag bereits erreicht hat. Die Satzun-gen der Zusatzversorgungskassen, die sich an demTarifvertrag über die Altersversorgung im öffentli-chen Dienst orientieren, sehen hingegen vor, dassdem Versicherten für jedes Jahr der versicherungs-pflichtigen Beschäftigung 2,25 % der maximalenVersorgung gutgeschrieben werden. Der Bundesge-richtshof hat diese Methode verworfen. Er hat fest-gestellt, dass dadurch zahlreiche Versicherte diemaximale Versorgung gar nicht erreichen können.Denn wenn pro Jahr lediglich 2,25 % der maxima-len Versorgung erreicht werden, wird die Maximal-versorgung erst nach 44,44 Versicherungsjahrenerreicht. Dies ist jedoch für die meisten Arbeitneh-mer wegen der Dauer der Berufsausbildung nichtmöglich. Zudem hat der Bundesgerichtshof zutref-fend festgestellt, dass sich dieser jährliche Steige-rungsfaktor von 2,25 % auf die einzelnen Versicher-ten sehr unterschiedlich auswirkt. Denn (s. o.) von dem Gesamtversorgungsanspruch wird derAnspruch aus der gesetzlichen Rentenversicherungabgezogen. Beide Berechnungsweisen sind inkompa-

tibel, mit anderen Worten: Bei der Ermittlung derStartgutschrift werden Äpfel und Birnen miteinanderverglichen.■ Der Bundesgerichtshof hat deshalb festgestellt,dass die Systemumstellung (nur) insoweit rechtlichunzulässig ist, als für alle Versicherten ein jährlicherSteigerungsfaktor von lediglich 2,25 % zugrundegelegt wird.■ Die Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstesverhandeln über eine Neuregelung hinsichtlich derBerücksichtigung der Versicherungszeiten. Derzeit istjedoch nicht erkennbar, wann ein Verhandlungser-gebnis erzielt werden wird und welches Ergebnis dieVerhandlungen haben werden.■ Alle Versorgungskassen haben in der Zeit nachder Systemumstellung verbindlich erklärt, dass sieetwaige Änderungen, die aufgrund der Überprüfungder Systemumstellung durch die Gerichte notwendigwerden, auf alle Versicherten anwenden werden.Deshalb ist heute Folgendes festzustellen■ Im Hinblick auf die diversen Entscheidungen derObersten Gerichte ist eine weitere rechtliche Ausein-andersetzung um die Systemumstellung in der kirch-lichen Zusatzversorgungskasse nicht erfolgverspre-chend. Hiervon muss abgeraten werden.■ Als Konsequenz aus der Entscheidung des Bundes-gerichtshofs wird es eine Neufestlegung des jährli-chen Steigerungssatzes geben. Dieser wird dann –auch rückwirkend – auf alle Versicherten angewen-det. Aus diesem Grunde gibt es auch aktuell keinenweiteren Handlungsbedarf.■ Wie sich die Festlegung eines veränderten jährli-chen Steigerungssatzes in ihrem konkreten Fall aus-wirken wird, kann derzeit nicht beurteilt werden.Dies hängt davon ab, welcher Satz festgelegt werdenwird.

2009 KircheArbeitsrecht und

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78 AuK 2009

Antrag

Was macht diesen Antrag aus bzw. was muss der Mitarbeitervertretung allesmitgeteilt werden, damit ein wirksamerAntrag vorliegt?Grundsätzlich muss der Antrag auf Zustimmung zuder beabsichtigten Maßnahme alle für die Entschei-dung der Mitarbeitervertretung benötigten Informa-tionen enthalten, d. h. die Dienststellenleitung mussder Mitarbeitervertretung alle Informationen mittei-len, die sie selbst der Entscheidung zur beabsichtigtenDurchführung der Maßnahme zugrunde gelegt hat.Der Kirchengerichtshof (KGH) hat sich in seiner Ent-scheidung vom 20.04.2009 mit der Problematik aus-einandergesetzt, wann ein Antrag im Sinne des § 38Abs. 2 MVG EKD vorliegt und wann nicht und wanndie Frist des § 38 Abs. 3 MVG-EKD zu laufenbeginnt.

Der Entscheidung des KGH lag folgenderSachverhalt zugrunde:Eine Arbeitnehmerin der Dienststelle war befristet biszum 30.11.2007 in der Küche beschäftigt. MitSchreiben vom 24.07.2007 teilte die Dienststellenlei-tung der Mitarbeitervertretung mit, dass sie beab-sichtige, die Tätigkeit der Frau K fremd an eine Ser-vice GmbH zu vergeben, die eine Tochtergesellschaftder Dienststelle ist. Der Name der einzusetzendenPerson sei noch nicht bekannt. Am 15.08.2007 erör-terten Mitarbeitervertretung und Leitung den Sach-verhalt; am 29.08.2007 teilte die Leitung der Mitar-beitervertretung dann mit, dass die einzusetzendePerson eben Frau K sei, deren Vertrag am 30.11.2007auslaufe. Mit Schreiben vom 21.09.2007 beantragtedie Mitarbeitervertretung mündliche Erörterung. MitSchreiben vom 22.11.2007 schrieb die Leitung dieMitarbeitervertretung erneut an und bat um ›zustim-mende Kenntnisnahme‹ in Bezug auf den Einsatz vonFrau K ab dem 01.12.2007. Die Mitarbeitervertre-tung beantragte am 29.11.2007 mündliche Erörte-rung, welche am 05.12.2007 stattfand. Hier wider-sprach die Mitarbeitervertretung der Beschäftigungvon Frau K. Die Mitarbeitervertretung rief am21.12.2007 die Schlichtungsstelle an, weil aus ihrerSicht eine zustimmungspflichtige Einstellung vorlag.

Das Mitbestimmungsverfahren oderwann ist ein Antrag ein Antrag?V o n M i r a G a t h m a n n

Mira Gathmann

Fachanwältin

für Arbeitsrecht,

Bremen

Die 1. Instanz gab der Mitarbeitervertretung Recht,der Kirchengerichtshof hob die Entscheidung auf.

Der KGH stellte fest, dass die Zustimmung derMitarbeitervertretung gem. § 38 Abs. 3 Satz 1 MVGfingiert sei. Dies ergebe sich daraus, dass die Mitar-beitervertretung auf das Schreiben der Dienststellen-leitung vom 29.08.2007, wonach als FremdeinsatzFrau K vorgesehen sei, binnen zwei Wochen wederihre Zustimmung schriftlich verweigert noch mündli-che Erörterung beantragt habe. Diese Frist habe zulaufen begonnen, weil die Dienststellenleitung mitder Nennung des Namens die Mitarbeitervertretungvollständig im Sinne des § 38 Abs. 3 Satz 3 MVG-EKD unterrichtet habe; die übrigen Umstände seienbereits mit Schreiben vom 24.07.2007 mitgeteiltworden. Da die Mitarbeitervertretung erst mitSchreiben vom 21.09.2007 und damit nicht mehrinnerhalb der Zwei-Wochen-Frist die mündlicheErörterung beantragt habe, sei die Zustimmungsfik-tion eingetreten.

Diese Zustimmungsfiktion könne auch nichtdadurch wieder aufgehoben werden, dass die Leitungmit Schreiben vom 22.11.2007 erneut die Mitarbei-tervertretung zur Beschäftigung der Frau K angehörthabe. Hierbei handele es sich nicht um einen neuen,sondern um den identischen Sachverhalt. Diese Wie-derholung sei ohne rechtliche Bedeutung für dieWirksamkeit der Zustimmungsfiktion. Etwas ande-res könne nur gelten, wenn das erste Beteiligungsver-fahren fehlerhaft und die Zustimmungsfiktion daherunwirksam gewesen sei. Vorliegend habe es aber einerechtlich wirksame Zustimmungsfiktion gegeben.

Über die Frage, ob in der Beschäftigung der FrauK eine mitbestimmungspflichtige Einstellung vorliegtoder nicht, hat der KGH nicht mehr entschieden undbei dieser Auffassung auch nicht mehr entscheidenmüssen.

Für die Mitarbeitervertretungen hat dies Konse-quenzen für die alltägliche MAV-Arbeit. Der voll-ständige Antrag löst die Zwei-Wochen-Frist des § 38Abs. 3 MVG-EKD aus. Wie sich aus der obengenannten Entscheidung ergibt, ist es nicht nötig,dass die Dienststellenleitung alle diese Informationenin nur einem einzigen Schreiben mitteilt, sondernauch Informationen nachliefern kann, welche dannden Antrag vollständig machen.

Unvollständige Unterrichtungen lösen die Fristdes § 38 Abs. 3 MVG-EKD nicht aus. Die Mitarbei-tervertretung muss dann allerdings mitteilen, dass siedie vorliegende Unterrichtung für unzureichend hält,und die fehlenden Informationen nachfordern, umdeutlich zu machen, dass sie davon ausgeht, dass eineFrist nicht zu laufen begonnen hat. Ist die Mitarbei-tervertretung allerdings – entgegen ihrer Auffassung– vollständig unterrichtet worden, beginnt mitZugang dieser Unterrichtung die Zwei-Wochen-Fristdes § 38 Abs. 3 MVG EKD. Reagiert die Mitarbei-tervertretung innerhalb dieser Frist nicht, gilt dieMaßnahme als gebilligt.

Das Mitbestimmungsverfahren beginnt nach § 38 MVG mit

dem Antrag der Leitung an die Mitarbeitervertretung auf

Zustimmung zu einer von der Dienststellenleitung beabsichtig-

ten Maßnahme. So sieht es § 38 Abs. 2 MVG vor: Die Dienst-

stellenleitung unterrichtet die Mitarbeitervertretung von der

beabsichtigten Maßnahme und beantragt deren Zustimmung.

D i e A u t o r i n

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Antrag

KircheArbeitsrecht und

792009

Im vorliegenden Fall ist auch der KGH davon ausge-gangen, dass das Schreiben vom 24.07.2007 nochkeinen solchen Zustimmungsantrag darstellte, dassaber mit Mitteilung des Namens der betreffendenPerson am 29.08.2007 alle Daten vollständig gewe-sen seien und daher die Frist mit Zugang dieses letz-ten Schreibens zu laufen begonnen habe.

Für die Mitarbeitervertretung bedeutet dies, dasssie bei jeder Information, die sie von der Dienststel-lenleitung erhält, überprüfen muss, ob diese Informa-tion dazu dient, einen Antrag auf Zustimmung zueiner mitbestimmungspflichtigen Maßnahme zuergänzen und damit Fristen auslöst oder ob es sichum eine reine Information handelt. Bei Unsicherhei-ten sollte die Mitarbeitervertretung dies der Leitunginnerhalb der Zwei-Wochen-Frist mitteilen:

Ihr Schreiben vom ... haben wir erhalten. Aus die-sem geht lediglich die Information ... hervor, nichtaber, ob dies nunmehr der Antrag auf Zustimmung zueiner von Ihnen geplanten mitbestimmungspflichtigenMaßnahme ist. Wir bitten um Konkretisierung.

Vorsorglich beantragen wir mündliche Erörterung.Die Mitarbeitervertretung sollte bei jedem einge-

henden Schreiben vorsichtshalber die Zwei-Wochen-Frist notieren und innerhalb dieser zwei Wochenklären, welche Bedeutung die mitgeteilte Informationfür sie hat. Anderenfalls läuft sie Gefahr, Fristenungenutzt verstreichen und so die Zustimmungsfikti-on eintreten zu lassen.

Eine einmal eingetretene Zustimmungsfiktionwird – nach Auffassung des KGH – nicht dadurchaufgehoben, dass die Leitung erneut die Zustimmungzu derselben Maßnahme beantragt. Dies könnte nurdann der Fall sein, wenn der Sachverhalt sich ändert,z. B. wenn der ursprünglich beantragte Beschäfti-gungsumfang sich ändert oder wenn der erste Antrageine unbefristete Einstellung bein-haltete, während der erneuteAntrag eine befristete Einstellungzum Inhalt hat. Ist der Inhalt deszweiten Antrags jedoch identischmit dem Inhalt des ersten Antrags,wird kein neues Mitbestimmungs-verfahren eingeleitet bzw. eine ein-mal erteilte Zustimmung (Zustim-mungsfiktion) wird dadurch nichtaufgehoben.

Daher ist auch hier jeder Mitar-beitervertretung zu raten, bei Unsi-cherheiten erneut mündliche Erör-terung zu beantragen und dabei

deutlich zu machen, dass sie den erneuten Antragauch für die Einleitung eines erneuten Mitbestim-mungsverfahrens hält.

Diese Entscheidung des KGH bietet natürlich fürDienststellenleitungen die Möglichkeit, zu einerMaßnahme mehrmals die Zustimmung zu beantra-gen in der Hoffnung, bei einem der Anträge werdedie Mitarbeitervertretung schon vergessen, innerhalbder Zwei-Wochen-Frist zu reagieren.

Andersherum muss aber auch für die Dienststel-lenleitung der vom KGH in Bezug auf den Ablaufvon Fristen aufgestellte Maßstab gelten. Verweigertdie Mitarbeitervertretung die Zustimmung bzw.kommt es innerhalb der mündlichen Erörterungnicht zu einer Einigung zwischen Leitung und Mitar-beitervertretung und beendet die Leitung die Erörte-rung, kann sie die beantragte Maßnahme nichtdurchführen, es sei denn, sie ruft innerhalb von zweiWochen nach Abschluss der Erörterung oder nachEingang der schriftlichen Weigerung die Schlich-tungsstelle an. Versäumt sie diese Zwei-Wochen-Frist, kann sie die beabsichtigte Maßnahme nichtdurchführen und sie kann auch nicht – denkt mandie KGH-Entscheidung konsequent weiter – dieZustimmung zu der identischen Maßnahme erneutbeantragen. Die Verweigerung der Zustimmung zueiner bestimmten Maßnahme bzw. der Ablauf derFrist, innerhalb derer die Zustimmungsersetzunghätte beantragt werden können, muss dann genausowirksam sein wie eine einmal erteilte Zustimmungbzw. Zustimmungsfiktion, so dass die Durchführungder ursprünglich beantragten Maßnahme endgültigunmöglich ist.

Der KGH hat im Rahmen der mündlichen Ver-handlung angekündigt, dass er beabsichtigt, einensolchen Fall wie eben geschildert zu behandeln.

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Streik in der Diakonie

80 AuK 2009

Mit dem offiziellen Streikaufruf wird ver.di an dieArbeitgeber herantreten und den Abschluss einerNotdienstvereinbarung anbieten. Diese ist wichtig fürdie Absicherung der Versorgung der Besucher,Bewohner und Patienten in den Einrichtungen.

Wann beginnt der Tag und wie füllen wir ihn?Der Streikbeginn und der Ablauf richten sich nachden Gegebenheiten in den jeweiligen Einrichtungen,z. B. wann die früheste Schicht im Wohnheim und dieerste OP im Krankenhaus beginnt, oder wann dieersten Besucher in die Tagesstätte kommen. Dabei istes sinnvoll zu überlegen, womit der größte Effekterzielt werden kann und womit man die Aufmerk-samkeit auf sich und den Streik zieht.

Für einen Streikbeginn um 6.30 Uhr an einemherbstlich frischen Septembermorgen sollte man diepotenziell Streikenden an Kaffee, Tee und Butterbro-te erinnern (die Fässer mit den brennenden Holz-scheiten werden erst im Winter akut ...)

Nach dem Motto ›Es gibt immer was zu tun‹ soll-te man sich warm halten: Flugblätter, (die natürlichvorher verfasst und gedruckt wurden) an die Bevöl-kerung verteilen, Lieder singen (Danke für unsereArbeitsplätze ...), Spiele spielen und sich immer wieder daran erinnern, warum man auf der Straßesteht. Der Fantasie sind, was die Abwechslung undVorbeugung der Langeweile betrifft, keine Grenzengesetzt.

Highlights, Events, KundgebungGanz wichtig ist dann, einen Zeitpunkt für das High-light des Tages auszuwählen, nämlich die Kundge-bung. Die Kundgebung ist unbedingt notwendig fürdie Öffentlichkeit, für die Presse, Funk und Fernse-hen. Man sollte den Zeitpunkt so wählen, dass es vie-len Menschen möglich ist, daran teilzunehmen, umdie Botschaften zu hören und mitzunehmen. In derRegel ist es die Mittagszeit. Dann kommen die Kolle-ginnen und Kollegen, die nicht aktiv am Streik teil-nehmen, die ihn aber durch eine aktive Mittagspauseunterstützen. Es kommen Kolleginnen und Kollegenaus anderen Betrieben, die ihre Grußbotschaften undSolidaritätsadressen vorbei bringen, und die Medienhaben eine konkrete Zeit, zu der sie alle Informatio-nen geballt bekommen und Gesprächspartner für dieInterviews zum Thema finden können. Bei der Vor-bereitung des Streiks sollten alle Kontakte bedientwerden. Dabei ist es wichtig, dass der Presseverteilervon ver.di mit einer Presseerklärung informiert wur-de, ebenso wie persönliche Verbindungen zu denunterschiedlichen Medien, die man herstellen kann.Die Öffentlichkeit herzustellen und einzubinden istenorm wichtig für einen erfolgreichen Streik.

Das Wesentliche an einer Kundgebung sind dieRednerinnen und Redner. Sie werden angefragt undeingeladen, den Streik mit (nicht zu langen) Beiträgenzu unterstützen. Prominenz schadet nicht!

Streiken? Ja, aber wie?Zunächst gibt es die Überzeugung, dass alle anderenMittel ausgeschöpft sind nur noch der Streik helfenkann. Dazu brauchen wir die Gewerkschaft. OhneGewerkschaft ist kein Streik möglich. ZuständigeGewerkschaft bei den Kirchen, Diakonie und Caritasist die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di.Hier trifft man in der Regel Gewerkschaftssekretä-rinnen und -sekretäre, die ihrerseits Streikerfahrun-gen haben und wissen, was an Equipment notwendigund hilfreich ist (Trillerpfeifen, Megafon, Lautspre-cheranlage, Luftballons, Streikplakate und -tütenund ähnliches mehr) und welche Genehmigungenvon den Behörden für begleitende Aktionen (z. B. Kundgebung auf öffentlichen Plätzen) einzuho-len sind. Aus der gewerkschaftlichen Betriebsgruppeheraus wird eine Streikleitung gebildet, die den Streikvorbereitet. Es gibt viel zu tun. Die Aufgaben solltenauf mehrere Schultern verteilt sein und (zuverlässig)erledigt werden.

Streik in der Diakonie – die handwerkliche Seite

Wir haben inzwischen bundesweit einige Streiks in diakoni-

schen Einrichtungen erlebt oder von ihnen gehört. Inhaltlich

bzw. politisch wird er an anderer Stelle bewertet werden.

Hier soll die praktische Seite eines Streiks beleuchtet werden.

Es ist an der Zeit, die Erfahrungen mitzuteilen und voneinan-

der zu lernen, denn der nächste Streik kommt bestimmt.

D i e A u t o r i n

Karin Janneck

Gesamtausschuss der

Mitarbeitervertretun-

gen im Diakonischen

Werk Bremen

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Streik in der Diakonie

KircheArbeitsrecht und

812009

Auf der Kundgebung können die Solidaritätser-klärungen verlesen und alle relevanten Informationenmitgeteilt werden.

Zum Ende einer Kundgebung sollten die Kollegin-nen und Kollegen, die sich aktiv im Streik befinden,wieder beteiligt werden, z. B. können Luftballons mitWünschen und Forderungen (Tarifvertrag jetzt!) inden Himmel geschickt werden oder man kann eineweitere Strophe des Liedes (Danke für unsere Loh-nerhöhung...) singen.

Es freut alle, wenn der Abschluss der Kundgebungmit einer Einladung zum Essen verbunden wird(›ohne Mampf kein Kampf‹, sagte ein streikerprobterKollege), z. B. könnte es einen ›Apfel und ein Ei‹ fürdie armen ›Würstchen‹ geben.

Am Ende des Tages... muss aufgeräumt werden. Auch hier an die Aufga-benverteilung denken, damit nicht Einzelne allesmachen.

Und am Ende des Tages darf schon mal ein kleinesFazit gezogen werden. Die Erfahrung zeigt, dassAktionen gut verlaufen, wenn sie gut vorbereitet unddurchgeplant sind. Dazu gehört die Information derKolleginnen und Kollegen (Gespräch über Ängste vorKonsequenzen oder auch die einfache Angabe derZeit des Treffpunktes) ebenso wie der Bindfaden inder Tasche, um das Plakat (Dieser Betrieb wirdbestreikt!), das mit dem Klebeband allein nicht haltenwill, zusätzlich anzubinden.

Der Fotoapparat darf natürlich nicht fehlen! DieDokumentation ist wichtig, auch deshalb, um mitden Fotos das Info zu schmücken, das nach demStreik unbedingt im Betrieb herumgehen sollte.

So vorbereitet, bunt und gut gelaunt, kann derTag nur ein Erfolg werden. Ob sich der politischeErfolg damit einstellt, muss abgewartet werden.

Der Fotoapparat darf natürlich nicht fehlen! DieDokumentation ist wichtig, auch deshalb, um mitden Fotos das Info zu schmücken, das nach demStreik unbedingt im Betrieb herumgehen sollte.

So vorbereitet, bunt und gut gelaunt, kann derTag nur ein Erfolg werden. Ob sich der politischeErfolg damit einstellt, muss abgewartet werden.

Wer streikt, bekommt keinen LohnEs versteht sich von selbst, dass die Arbeitgeber fürdie Zeit, in der gestreikt wird, keinen Lohn zahlen.Deshalb darf auch niemand, der an einem Streik teil-nimmt, diese Zeit in seinem Arbeitszeitnachweis alsArbeit ausweisen. Aber die Gewerkschaft zahlt denStreikenden anstelle des Lohns ein Streikgeld. Streik-geld können nur diejenigen bekommen, die derGewerkschaft angehören und durch ihre Beiträge die›„Streikkasse‹“ mit gefüllt haben. Mit dem zuständi-gen Gewerkschaftssekretär kann vorher abgespro-chen werden, wie die Zahlung des Streikgeldes abge-wickelt wird.

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82 AuK 2009

Was wird am Ende aus den Minusstunden?Im Arbeitsverhältnis schuldet der Arbeitgeber unsdie Bezahlung. Im Gegenzug hat er den Anspruchauf die gesamte Arbeitszeit im Ausgleichszeitraum.Er ist Gläubiger. ›BGB § 293 AnnahmeverzugDer Gläubiger kommt in Verzug, wenn er die ihmangebotene Leistung nicht annimmt.‹ Muss derArbeitnehmer diese Leistung erst nochmals ausdrück-lich anbieten? ›BGB § 296 Entbehrlichkeit des Ange-bots ist für die von dem Gläubiger vorzunehmendeHandlung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt, sobedarf es des Angebots nur, wenn der Gläubiger dieHandlung rechtzeitig vornimmt. Das Gleiche gilt,wenn der Handlung ein Ereignis vorauszugehen hatund eine angemessene Zeit für die Handlung in derWeise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis annach dem Kalender berechnen lässt.‹

Muss der Arbeitgeber also die ›Leistung‹ unsererArbeitszeit durch die ›Handlung‹ der Schichtplanan-ordnung vorher im Kalender bestimmen?›Gewerbeordnung § 106 Weisungsrecht des Arbeitge-bers‹ Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit derArbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestim-men, [...].‹ BGB § 315 Bestimmung der Leistungdurch eine Partei (2) Die Bestimmung erfolgt durchErklärung gegenüber dem anderen Teil. (3) Soll dieBestimmung nach billigem Ermessen erfolgen, so istdie getroffene Bestimmung für den anderen Teil nurverbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Ent-spricht sie nicht der Billigkeit, so wird die Bestim-mung durch Urteil getroffen; das Gleiche gilt, wenndie Bestimmung verzögert wird.‹

Der Arbeitgeber muss die ›Leistung‹ unsererArbeitszeit also durch die ›Handlung‹ der Schicht-plan-Anordnung vorher im Kalender bestimmen. DasArbeitszeitgesetz zieht im Kalender am Ende des Aus-gleichszeitraums für die Lage der verbleibendenSchichten einen zeitlich endgültigen Schlussstrich.Mehr als zehn Stunden täglich wären gar nicht mehrmöglich. Bei der Arbeit nach einem Schichtplan istdarum ein Angebot durch den Arbeitnehmer entbehr-lich. Der Arbeitnehmer muss für sein Angebot derArbeitszeit keine weiteren Handlungen vornehmen.Die Schichtarbeiterin muss nicht den Chef auffor-dern, die Arbeitszeit einzuteilen; sie muss nicht dieStationsleitung um Schichten bitten oder eigeninitia-tiv ›auf eigene Faust‹ kommen.

Erklärt sich der Arbeitgeber nicht (durch denrechtswirksam angeordneten Schichtplan inklusiveZustimmung durch den Betriebsrat), gerät er in›Annahmeverzug‹ gemäß BGB § 293.

Muss der Arbeitgeber die nicht gearbeiteten Stun-den bezahlen und muss der Arbeitnehmer diese Stun-den später nacharbeiten?›BGB § 615 Vergütung bei Annahmeverzug und beiBetriebsrisiko.Kommt der Dienstberechtigte mit derAnnahme der Dienste in Verzug, so kann der Ver-pflichtete für die infolge des Verzugs nicht geleistetenDienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohnezur Nachleistung verpflichtet zu sein. Er muss sich

Was sind Minusstunden?Kaum ein anderes Tarifwerk ist so versessen aufdetaillierte Regelung wie die bundesweit angewende-ten AVR-DW-EKD. Sie lassen die Arbeitgeber fürjede/n Beschäftigte/n ein Arbeitszeitkonto führen.Und sie haben sogar eine eigene Definition für eineganz besondere Form der Kurzarbeit spendiert:›§ 9c Plusstunden, Überstunden und Minusstunden(6) Minusstunden entstehen, wenn die Anzahl dertatsächlich in einem Kalendermonat geleistetenArbeitsstunden die jeweilige monatliche Soll-Arbeits-zeit einer Mitarbeiterin bzw. eines Mitarbeiters [...]unterschreitet. Sie werden dem Jahresarbeitszeitkon-to in Höhe der jeweiligen Differenz belastet.§ 9b Arbeitszeitkonten(6) [...] bis zu 50 Minusstunden können auf das näch-ste Kalenderjahr übertragen werden.‹

In der betrieblichen Praxis wird diese großzügigeSchwankungsbreite oft noch überschritten. DieArbeitsvertragsrichtlinien regeln jedoch lediglich dasSchicksal von die jährliche Sollgrenze überlaufendenPlusstunden. Diese vertragswidrigen Überplanungenwerden als ›Zeitguthaben‹ nach dem Jahresende aus-gezahlt.

Die in Nordrhein-Westfalen und dem Saarlandüblichen Arbeitsvertragsrichtlinien ›BAT-KF‹ gehenda im Übermaß noch etwas weiter. In § 6 (1) heißt es:›[...] eine Zeitunterschreitung von bis zu 100 Stundenwird in das nächste Kalenderjahr übertragen. Beinicht vollbeschäftigten Mitarbeitenden ist die in Satz4 genannte Zahl entsprechend dem Verhältnis dervereinbarten durchschnittlichen regelmäßigenArbeitszeit zur regelmäßigen Arbeitszeit eines ent-sprechenden vollbeschäftigten Mitarbeitenden zukürzen.‹

Doch auch dort werden danach lediglich die ver-tragswidrigen Überplanungen (Plusstunden) geregelt.Die ›Zeitguthaben‹ werden dann mit dem Stunde-nentgelt samt einem Überstundenzuschlag ausbe-zahlt.

Die AVR der Caritas kennen solche freizügigenAusnahmebestimmungen weder zu Plus- noch zuMinusstunden.

Minusstunden

Minusstunden verfallenZu wenig Arbeit – das muss uns keine Angst machen

V o n T o b i a s M i c h e l

›Minusstunden gibt es nicht‹ – ganz so einfach, wie es auf

manchen gewerkschaftlichen Broschüren steht, ist es für

Beschäftigte in den kirchlichen Ausnahmegebieten leider

nicht. Doch die gute Nachricht ist: Auch hier lösen sich

Minusstunden wie Geister in Luft auf.

Tobias Michel

Mitarbeitervertreter

und Betriebsrat im

Essener Alfried Krupp

Krankenhaus.

D e r A u t o r

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Minusstunden

KircheArbeitsrecht und

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Beschäftigten bei einer flexiblen Arbeitszeitgestal-tung. Im entschiedenen Fall wurde der Kläger in fle-xibel wechselnden Schichten eingesetzt. Einzelver-traglich war – zumindest im Ergebnis – Vollarbeitvereinbart worden. Die Begründung der Entschei-dung lohnt das ausführliche Zitat:›Der über den Arbeitsvertrag in Bezug genommeneTarifvertrag] sieht eine durchschnittliche Wochenar-beitszeit von 40 Stunden vor, wobei die durchschnitt-liche werktägliche Arbeitszeit nach § 3 ArbZG ›imJahresdurchschnitt zu erreichen‹ ist. Diese tariflicheRegelung entspricht der arbeitsvertraglichen Abrededer Parteien. Die Beklagte kam jeweils zum Ende derKalenderjahre 2004 und 2005 in Annahmeverzug,ohne dass es eines Angebots einer weiteren Arbeits-leistung seitens des Klägers bedurfte.

Solange im Verlaufe des Kalenderjahres noch eineArbeitszeit von durchschnittlich 40 Stundenwöchentlich erreicht werden konnte, befand sich dieBeklagte noch nicht mit der Annahme von Dienstendes Klägers in Verzug. Sobald nach dem öffentlich-rechtlichen Arbeitszeitrecht der Durchschnitt nichtmehr zu erreichen war, wurde Tag für Tag ein Teilder im Kalenderjahr geschuldeten Arbeitsleistung

jedoch den Wert desjenigen anrechnen lassen, was erinfolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspartoder durch anderweitige Verwendung seiner Diensteerwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. DieSätze 1 und 2 gelten entsprechend in den Fällen, indenen der Arbeitgeber das Risiko des Arbeitsausfallsträgt.‹ Der Arbeitgeber muss das Entgelt zahlen. DerArbeitnehmer ist nicht zur Nachleistung verpflichtet.Der Arbeitgeber kann diese Arbeitszeit nicht mehrverlangen. Die Minusstunden sind ›verfallen‹.

Verfall am Ende des AusgleichszeitraumsNicht alle Arbeitgeber sind überzeugt, dass ihre Kir-che dem Bürgerlichen Gesetzbuch ›beigetreten‹ ist.Und überhaupt sind die Paragrafen sperrig undbrauchen eine Übersetzung. Sonst verstellt einbetriebswirtschaftlicher Tunnelblick den Vorgesetz-ten das Verständnis.

Der Arbeitsvertrag ist ganz weltlich geschlossenund erlaubt Kirchen keine Ausnahmen. Und das Bun-desarbeitsgericht hat Ende letzten Jahres gleich zwei-mal Klarheit geschaffen – für die Anwendbarkeit desAnnahmeverzugs auf Minusstunden und dabei auchfür die Entbehrlichkeit des Angebots durch den

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Minusstunden

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unmöglich. Damit trat jeweils ein Tag zuvor Annah-meverzug der Beklagten nach § 296 Satz 1 BGB ein,denn für den Abruf des Klägers zur Arbeit verbliebnur der eine Arbeitstag, so dass für die Mitwirkungs-handlung der Beklagten, nämlich die Schichteintei-lung des Klägers im arbeitszeitrechtlich maximalzulässigen Umfang, eine Zeit nach dem Kalenderbestimmt war. Dabei genügte es, dass die Bestim-mung anhand des Kalenders zugleich die Anwendungdes Arbeitszeitrechts erforderte. Einer allgemeinenErklärung des Klägers, er wolle länger arbeiten,bedurfte es daneben nicht, denn die Verantwortungfür die Arbeitseinteilung lag allein bei der Beklagten.Den Stand der im laufenden Kalenderjahr erbrachtenArbeitsstunden teilte die Beklagte dem Kläger nichtmit. In keiner dem Kläger erteilten Abrechnung wiesdie Beklagte einen positiven oder negativen Arbeits-zeitsaldo aus. Eine Betriebsvereinbarung über einArbeitszeitkonto [...] bestand nicht. Für den Klägerwar es deshalb gar nicht erkennbar, wann er noch dieMöglichkeit hatte, im verbleibenden Ausgleichszeit-raum seine Sollarbeitszeit zu leisten (BAG Urteil vom8.10.2008, 5 AZR 715/07).‹

Die meisten Beschäftigten im kirchlichen Dienstbestimmen nicht selbst, wann sie Zeit auf ihr›Arbeitszeitkonto buchen dürfen‹. Sie warten auf dieSchichtpläne, in denen ihnen ihre Arbeitszeit mitBeginn und Ende angeordnet wird. Sie werden flexi-bel eingeteilt, mal mehr Stunden, mal weniger. Ihreregelmäßige Arbeitszeit wird – so steht es meist in denVerträgen – erst im Wochendurchschnitt erreicht. Fürdas Erreichen dieses Durchschnitts gibt es einen fest-en Zeitraum – den Ausgleichszeitraum.

Zwar erlauben die zusätzlichen Flexibilisierungs-öffnungen in AVR-DW- EKD oder BAT-KF ein wenigSchwankung – in klaren Grenzen. Spätestens von daab gilt: Am Ende des Ausgleichszeitraums sindMinusstunden ersatzlos zu streichen.Mehr unter www.minusstunden.schichtplanfibel.de

AuK 2009

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Arbeitsschutz

KircheArbeitsrecht und

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chenes Thema zu sensibilisieren und es in allenGeschäftsbereichen einschließlich der Leitungsebeneins Gespräch zu bringen.

VorüberlegungenIn der Industrie gibt es eine Vielzahl von Umfragenund Anleitungen zum betrieblichen Gesundheits-schutz, im sozialen und vor allem im Bereich derErziehung und Jugendhilfe, stationär, teilstationärund ambulant, fehlen diese zumeist. Die MAV desHauses Marienthal sah sich somit zu eigener Kreati-vität aufgefordert.

Zunächst wurde eine mehrtägige Schulung vonver.di durchgeführt, die mit Ideen, Arbeitsergebnissenund Literaturhinweisen half, sich mit dem Thema ver-traut zu machen. In Umrissen entstand so die Idee,selbst eine maßgeschneiderte Umfrage zu entwickeln.

Ein Seminar der BGW2 einige Zeit später führtezu einer weiteren Vertiefung des Themas, bestärkteund ermöglichte Feinkorrekturen.

Innerbetrieblich wurde die Leitung der Einrich-tung von Anfang an mit einbezogen; die Auseinan-dersetzung der MAV mit diesem Thema fand die aus-drückliche Unterstützung der Leitung. Alle Bereicheund Gruppen wurden per Mail und intern perHomepage darüber informiert.

Dadurch war es möglich, eine Gruppe von Mitar-beiterInnen in die Entwicklung eines Fragebogensmit einzubinden; gleichzeitig gelang es leichter, wahr-scheinlich durch die Tatsache, dass die Leitung in derSache ausdrücklich hinter der MAV stand, das Ver-trauen der KollegInnen in eine solche Umfrage zugewinnen.

Entwicklung des FragebogensEmpfehlungen der Umfrage-Literatur aus der Indu-strie folgend, wurden 40 Fragen als maximale Ober-grenze zu acht Themenkomplexen des Betriebsalltagsfestgelegt. Diese Fragen wählte die Arbeitsgruppe auseinem Pool von ca. 100 Fragen3 als mehr oder weni-ger zutreffend für alle Geschäftsbereiche der eigenenEinrichtung aus. Auf persönliche Fragen wie z. B. nachGeschlecht, Alter, Tätigkeit usw. wurde verzichtet.

Seit 1995 ist der Gesundheitsschutz eine gesetzlichvorgeschriebene Aufgabe in den Betrieben. Typischfür den Bereich Soziale Arbeit sind die sogenanntenweichen Faktoren – psychische Belastungen, die dieArbeitsfreude rauben und die Betroffenen krankmachen können. Psychische Störungen wie Depres-sionen, Burn-Out, generelles psychisches Unwohlsein,Stresssymptomatik, Substanzmissbrauch oder Angst-störungen sind in Deutschland inzwischen der häufig-ste Grund für krankheitsbedingte Frühverrentung. Sietreten unabhängig vom Alter auf. Frauen, die diegroße Mehrheit der Arbeitskräfte in der Sozialbran-che stellen, erkranken fast doppelt so häufig wieMänner.1

Gesundheitliche Gefährdungsanalyse und Feststellung der individuellen BeanspruchungDie Mitarbeitervertretung des Hauses Marienthal, diegrößte Einrichtung der Kinder-, Jugend- und Famili-enhilfe in Schweinfurt mit knapp 150 Beschäftigten,führte im Jahr 2008 als Beitrag zur betrieblichenGefährdungsanalyse eine Mitarbeiterbefragungdurch.

Eine Mitarbeiterbefragung ist eines von verschie-denen Analyseinstrumenten der betrieblichenGesundheitssituation und sollte sinnvollerweise in einGesamtkonzept systematischen, routinemäßigenbetrieblichen Gesundheitsmanagements mit den vierKernprozessen Diagnostik, Planung, Interventions-steuerung und Evaluation eingebunden werden. AlsBestandteil eines guten Qualitätsmanagements ist diesChefsache. Im Haus Marienthal ist einiges davonbereits Betriebsroutine.

Anhand einer Mitarbeiterbefragung lassen sichwichtige Aspekte zu Arbeitstätigkeit, Arbeitszufrie-denheit, Betriebsklima, Belastungen der Beschäftigtenund Führungsverhalten erfassen. Wichtig war derMAV Haus Marienthal daneben vor allem, mit derUmfrage zu den psychischen Belastungsfaktoren imBetrieb für ein wichtiges und selten offen angespro-

2009

Arbeitsschutz in der Kinder-, Jugend- und FamilienhilfeEine MAV-Umfrage im Haus Marienthal Schweinfurt

Einrichtungen im Sozial- und Gesundheitsbereich unterliegen

heute zunehmend dem Druck zur Wirtschaftlichkeit und

einem verschärften Wettbewerb. Gleichzeitig steigen die

Anforderungen an Qualität und Effektivität der Arbeit.

Um diesen Herausforderungen gewachsen zu sein, brauchen

die Unternehmen der Sozialbranche hochprofessionelle,

engagierte und motivierte MitarbeiterInnen, die zunehmend

vielfältigen Belastungen ausgesetzt sind.

1 Akademie-Journal dergesetzl. Unfallversiche-rung 1/2009, S. 9

2 Berufgenossenschaftfür Gesundheitsdienstund Wohlfahrtspflege

3 Christian Vetter, Alexander Redmann

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Arbeitsschutz

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resversammlung in Auszügen diskutiert. Der dazueingeladene Fachmann, mit den Umfrageergebnissenvertraut, rundete aus externer Perspektive diese Prä-sentation ab.

Daran anschließend führte die MAV bereichsweiseMitarbeiterversammlungen durch, um Details derUmfrageergebnisse zu besprechen und gemeinsammit den KollegInnen Verbesserungsvorschläge undUmsetzungsstrategien zu erarbeiten. Diese bestandenzum Teil aus ganz konkreten Veränderungen (z. B.Pausenraumgestaltung).

Die Ergebnisse dieser Teilversammlungen wurdenin einer weiteren MAV-Versammlung mit der hierzugeladenen Leitung besprochen.

AusblickNeben der Einbettung in ein Gesamtkonzept syste-matischen betrieblichen Gesundheitsmanagements,damit einhergehenden klaren Zielsetzungen und dertransparenten Kommunikation der Ergebnisse musseine Mitarbeiterbefragung auch Konsequenzen habenund regelmäßig durchgeführt werden. Sonst verfehltsie es, ein erfolgreiches Instrument im betrieblichenArbeits- und Gesundheitsschutz zum Schaffen undErhalten gesundheitsfördernder Arbeitsbedingungenin der Kinder-, Jugend- und Familienhilfe zu sein.

Weiterführende Literatur und hilfreiche Adressen

■ Rolf Satzer:Stress und psychische Belastungen, Reihe: Schwerpunkte der Betriebsratsarbeit, Bund-Verlag, Frankfurt 2002■ Christian Vetter: Arbeit und Gesundheit. Ergebnisse aus Mitarbeiterbefragungen■ Alexander Redmann: In mehr als 150 Betrieben, WidO-Materialien 52,Wissenschaftliches Institut der AOK, Bonn 2005,ISBN: 3-922093-36-1■ INQA.DE: Integration der psychischen Belastun-gen in die Gefährdungsbeurteilung, Geschäftsstelleder Initiative Neue Qualität der Arbeit, C/o ■ Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedi-zin, [email protected], Tel.: 0231/9070-2250

Material zu verschiedenen Themen

■ Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst undWohlfahrtspflege: www.bgw-online.de■ Ansprechpartner Bereich: [email protected]■ Bundeszentrale für Gesundheitliche Aufklärung:www.bzga.de■ Deutsches Netzwerk für betriebl. Gesundheitsförderung: www.dnfbg.de

Die Einteilung der verschiedenen abzufragendenBereiche – in diesem Fall fünf – will sorgfältig über-legt sein, denn

■ ein Bereich muss mindestens zehn Beschäftigtehaben, um die Rückverfolgbarkeit der ausgefülltenFragebögen auszuschließen,■ die Bereiche sollten das Organigramm der Einrich-tung abbilden, um Vergleichbarkeit zu erzielen und■ die verschiedenen Dienste der Einrichtung unter-liegen sehr unterschiedlichen, zum Teil unveränderli-chen äußeren Rahmenbedingungen (z. B. Mitarbeite-rInnen in familienersetzenden stationären Gruppenim Vergleich zu MitarbeiterInnen der ambulantenaufsuchenden Familienhilfe).

Die Durchführung der Umfrage wurde auf 14 Tagebeschränkt. Über die Markierung der Fragebögenwurde erreicht, dass sie zur Auswertung dem jeweili-gen Herkunftsbereich zugeordnet werden konnten.Die MAV legte bei der Vorankündigung, beim Auf-ruf, an der Umfrage teilzunehmen, sowie imAnschreiben an jede/n einzelne/n MitarbeiterIn Wertdarauf zu unterstreichen, dass die Umfrage bei derMAV in besten Händen und garantiert anonym sei.Überdies wurde der gesamte Ablauf bis zur Veröf-fentlichung der Ergebnisse von Anfang an transpa-rent gemacht.

Ergebnisse der Umfrage und weiteres VerfahrenDie Bemühungen um das Vertrauen der MitarbeiterIn-nen schlugen sich in einem sehr guten Rücklauf vonknapp 65 % der ausgegebenen Fragebögen nieder!

Grafische Darstellung und Auswertung der ausge-zählten Ergebnisse wurden von einer Sozialwissen-schaftlerin unterstützt.

Zunächst wurden die Ergebnisse der Leitungsebe-ne vorgestellt, im Anschluss auf der Mitarbeiterjah-

AuK 2009

D i e A u t o r i n

Claudia

Rausch-Michl

Pädagogin M.A.

Qigong-Lehrerin

D.Q.G.G.

Psychotherapie HPG

seit 1. August 2000

Haus Marienthal

gGmbH Schweinfurt,

Tätigkeit: Pädagogin

in der aufsuchenden

ambulanten Familien-

hilfe, Mitarbeit in der

Mitarbeitervertretung,

seit März 2007 als 1.

Vorsitzende Unter-

richtstätigkeit Qigong

und Taijiquan für ver-

schiedene Zielgrup-

pen in verschiedenen

Institutionen:

■ Arztpraxen

■ Krankenkassen

■ Klinik, dort auch

Fortbildungs-

veranstaltungen für

med. Personal

■ Volkshochschulen

und Kirchen

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Geschlechtersensibilisierung

KircheArbeitsrecht und

87

gen werden wie auch die besonderen (Gesundheits-)Belastungen in den angesprochenen Arbeitsbereichen.

Folgende übergeordnete Fragen ergeben sich fastzwangsläufig aus der ersten Beschäftigung mit dendifferenzierten Zahlen: Wie hat sich die Einstellungs-politik im Unternehmen entwickelt (Wie viele Frau-en/Männer bewerben sich für welche Stellen? Wieviele Frauen/Männer werden für welche Stellen ein-gestellt? Wie viele Frauen/Männer erhalten [un]befri-stete Voll-/Teilzeitstellen in welchen Vergütungsgrup-pen? Welche differenzierten Anspracheformen gibt esfür Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Betrieb [Per-sonalentwicklung, Qualifikation, Fortbildung, Stel-lenbesetzung]? Welche Rolle spielt die beruflicheGleichstellung und die Vereinbarkeit von Familie undBeruf in der Personalpolitik des Unternehmens?)?Oder: Was tut die Geschäftsführung (GF), um dieFrauenquote in Leitung anzupassen? Gibt es einsystematisches Vorgehen der GF mit welchen Kriteri-en? Wie motiviert sie Männer für (eine Qualifikationfür) Basisdienste?

Anhand der Antworten Ihrer GF können Sie able-sen, wie dringend eine eigene faktengestützte Argu-mentation der MAV gegenüber der Leitung ist. ImFolgenden zeigen die konkreten Anregungen Mög-lichkeiten einer geschlechtersensiblen Analyse auf.

Für alle Aspekte der Ausschussarbeit sollte einedifferenzierte Auswertung der Daten nach Geschlechtangefordert werden oder erfolgen – unabhängigdavon, wie viele Aspekte zur Analyse herangezogenwerden. Als Basis einer Analyse bietet sich die Syste-matik des Dienstgebers an, die eine Vergleichbarkeitbietet und auf der aufgebaut werden kann. Diese liegtin jeder MAV vermutlich mindestens für Einstellun-gen und Fortbildungen vor. Aus diesen Daten gehenbeispielsweise die Qualifikation, Eingruppierung,Einsatzort (wie Basisdienst, Nachtwache, Hauswirt-schaft, Wochenendhilfe etc.) oder der Tatbestand Lei-harbeit hervor. Alle Einzeldaten können nun im PAnach Geschlecht systematisiert werden, da eben auchdas Geschlecht in den Anträgen der GF an die MAVgenannt wird. Für die Kategorien Umgruppierung,Versetzung, Arbeitszeitveränderungen, Aufhebungder Befristung, Sonderurlaub, Elternzeit, Pflege vonAngehörigen gilt das Gleiche. Auch Kündigungen(während der Probezeit), Anträge auf Altersteilzeit,Gleichstellung oder EU-Rente können entsprechendnach Geschlecht differenziert werden.

Bei Fortbildungsanträgen kann darüber hinausnach interner bzw. externer Fortbildung und nach derHöhe der bewilligten Fortbildungskosten das Ge-schlecht analysiert werden. Schließlich können dieRahmendienstpläne nach ihrer Vereinbarkeit fürFamilie und Beruf getrennt nach Frauen und Män-nern analysiert werden. Hier ist z. B. die Flexibilitätder Leitung interessant, Dienstzeiten an die fami-liären Bedürfnisse anzupassen (für Alleinerziehende,Eltern in Schichtdienst oder für diejenigen (Frauen),die mittags ein KiTa- oder Schulkind zu versorgenhaben oder Angehörige pflegen).

Die Sinnhaftigkeit einer geschlechterdifferenziertenAnalyse ergibt sich aus verschiedenen Punkten. Zumeinen sind bekanntermaßen häufig mehr als zweiDrittel der an der Basis Beschäftigten in Einrichtun-gen der Diakonie bzw. des Gesundheits- und Sozial-wesens Frauen – im Gegensatz zu den Leitungsebe-nen. Hier ergibt sich eine Motivation durch Maßnah-men zur Gewinnung von Männern für Basisdiensteauf der einen Seite bzw. Frauen unter dem Slogan›Mehr Frauen in Leitung‹ auf der anderen. Darüberhinaus ist bekannt, dass in den unteren bzw. Nied-riglohngruppen – beispielsweise im Hauswirtschafts-,Küchen- und Reinigungsbereich – der Frauenanteilnoch einmal überproportional hoch ist. Anlass genugfür den PA, diesem Treiben immer wieder auf denGrund zu gehen und dem Dienstgeber mit Fakten ausder Stellenplanentwicklung auf die Finger zu klopfen– d. h. nachforschen: Wie ist es bei uns und waskönnten wir zu einer Änderung beitragen? Dabei gehtes darum, die Lebenswirklichkeiten von Frauen undMännern zu sehen, wertzuschätzen, zu berücksichti-gen und dienstliche Verbesserungen anzuregen. Bei-spielsweise sollte die Mehrfachbelastung vieler Frauen(durch Beruf, Kinder, Haushalt, ggf. Pflege) einbezo-

2009

Geschlechtersensibilisierung und Gender Mainstreaming für die PraxisTeil 4 – Personalvorgänge in der Mitarbeitervertretung unter Gender-Aspekten

Wie sehen konkrete Umsetzungen des Gender Mainstrea-

ming im Betrieb aus? Welche Möglichkeiten hat die Mitar-

beitendenvertretung, Geschlechteraspekte z. B. in die Mitar-

beitendenversammlung oder im Personalausschuss einzu-

bringen? In diesem Artikel wie in den vorangegangenen und

den folgenden Beiträgen steht jeweils ein konkretes Praxis-

beispiel im Zentrum. Damit soll deutlich werden, wie wichti-

ge Aspekte geschlechterdemokratischer Umsetzungen pass-

genau aussehen können. Bislang ging es in der hier vorlie-

genden Serie um die Gendersensible Mitarbeitendenver-

sammlung, Genderanalyse und Genderberatung im Team

sowie um Gender-Anwaltschaften (Janßen, 2008a, b,

Janßen & Kleinitz, 2008). Im Folgenden sollen Aspekte

einer gendersensiblen Personalausschussarbeit (PA) vorge-

stellt werden, die Anregungen geben können, aber sicherlich

nicht vollständig sind wie Männer.

V o n C l a u d i a R a u s c h - M i c h i

Christian Janßen:

Dipl. Psychologe, PP,

Mitarbeitervertreter

D e r A u t o r

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Geschlechtersensibilisierung

88

Anwendung und kaum bei schlecht entlohnten Tätig-keiten? Hier ist der Leitung im Vergleich zur darge-stellten Wichtigkeit des christlichen Auftrags häufigunwichtig, ob eine Kollegin in der Hauswirtschaftnun Christin oder Muslimin ist. Damit lassen sich dieverdeckten ›Werte‹ der Einrichtungen problematisie-ren – warum ist es eine Muslimin ›wert‹, im Reini-gungsdienst, aber nicht im Gruppendienst oder alsLeitung eingestellt zu werden?

Umstrukturierungen, Ausgliederung von Betriebs-teilen und Outsourcing gehen häufig auf Kosten derTeilbereiche, die einen hohen Mitarbeiterinnenanteilaufweisen. Hier kann die MAV faktengestützt Pro-bleme ansprechen und darauf hinwirken, dass diebesondere Betroffenheit von Frauen in Umstrukturie-rungsmaßnahmen reflektiert und berücksichtigt wird.

Ergebnis der Beschäftigung des PA mit der Diffe-renzierung der Daten ist zunächst seine Sensibilisie-rung in Genderfragen: Es entsteht Genderwissen undeine Genderkompetenz. Dazu hat sich auch die Betei-ligung des PA an der Gender-Struktur der MAV alssinnvoll erwiesen. Unterstützt werden kann die gen-derorientierte Arbeit des PA z. B. durch einen Passusin der Geschäftsordnung, alle Beschlüsse und Maß-nahmen mit Hilfe von Gender-Kurzfragen zu prüfen(Janßen, 2007a), oder, indem das Thema durch einegemeinsame Gender-Fortbildung aller MAV-Mitglie-der aus der Exotenecke befreit wird. In größeren Ein-richtungen hat es sich bewährt, einen Gender-Aus-schuss in der MAV zu bilden (Janßen, zur Veröffent-lichung eingereicht). In einem großen diakonischenUnternehmen hat die MAV bereits 2002 einen eige-nen Genderausschuss gebildet und jeweils Gender-Anwält/-innen in ihre Ausschüssen berufen. Ein Mit-glied aus dem PA ist an dieser Arbeit beteiligt undsorgt für den Transfer von Gender-Wissen in denAusschuss. Durch die Einführung zusätzlicher Maß-nahmen wie z. B. einer regelmäßigen monatlichenReflexion der Themen der Mitarbeitendenvertretungaus der Geschlechterperspektive kann die genderori-entierte Arbeit des PA unterstützt werden. Die ande-ren Mitglieder der MAV werden dadurch immer wie-der mit Diskussionen aus der Geschlechterperspekti-ve konfrontiert. Wenn Fragen der Geschlechterge-rechtigkeit bei zukünftigen Entscheidungen und imArbeitsalltag Berücksichtigung finden sollen, dannkann dies über eine größere Sensibilität in den Gre-mien der Mitarbeitendenvertretung und der Einrich-tung unterstützt werden.

Aus den so gewonnenen Rohdaten lassen sich Jahres-summen bilden, die und insbesondere deren Entwick-lung über mehrere Jahre hinweg Aufschluss über dasAusmaß der Geschlechtergerechtigkeit im Unterneh-men oder in der Einrichtung geben.

Und dann beginnt das eigentlich Interessante: Wel-che Schlussfolgerungen für das Vorgehen der MAVfür Aktivitäten oder Initiativen können aus den Beob-achtungen, Daten, Analysen und Zusammenhängengezogen werden? Welche Daten sollen der Belegschaftzu Gehör gebracht werden, welche lassen sich inErörterungen oder bei Initiativanträgen der MAV ver-arbeiten? Ergibt beispielsweise die Analyse, dassFrauen selten an genehmigten Fortbildungen teilneh-men, könnte in der MAV und mit der GF nach denGründen geforscht werden: Verhindern innerbetrieb-liche Regelungen für den Ausgleich bei Teilzeitarbeitdie Teilnahme oder die Mehrfachbelastung der Frau-en? Ist die Tatsache einer geringen Qualifikation bzw.die Beschäftigung in befristeten Verträgen und Nied-riglohngruppen bedeutsam? Haben Männer mehrFreiraum (in ihren Familien) zur Verfügung, den siefür mehrtägige Fortbildungen nutzen können? Oder,oder, oder ...

Aus den vorgenannten Aspekten lässt sich eineMenge Arbeit für den PA ableiten. Ist das Verhältniszum Dienstgeber gut, können dort vielleicht schonexistierende Statistiken der MAV zur Verfügunggestellt werden und die eigene Arbeit erleichtern. Läs-st sich die Personalleitung durch faktengestützteArgumente von der Sinnhaftigkeit geschlechterspezi-fischer Maßnahmen überzeugen? Der Fantasie in einevertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen MAV undDienstgeber sind kaum Grenzen gesetzt – außer derAbwägung nach Kosten und Nutzen einer Datenana-lyse und -differenzierung.

Der PA kann auch verschiedene Beschäftigten-gruppen wie Basisdienst, Hauswirtschaft oder Lei-tung heranziehen oder die Stellenplanentwicklungvon Frauen und Männern, von Minijobs, Teilzeit-bzw. Vollzeitstellen z. B. in Bezug auf Arbeitsver-tragsunsicherheiten untersuchen.

Wie ist das Verhältnis von weiblichen und männli-chen Sicherheitsbeauftragten in der Einrichtung oderin Hinblick auf andere geschlechtspezifische Tätigkei-ten (PC-Beauftragte, Kassenzuständigkeit etc.)?

Eine weitere Differenzierung bietet sich im Zusam-menhang mit dem Stichwort demografische Entwick-lung im Unternehmen an. Wann spätestens ist beiIhnen im Betrieb aufgrund der Fehlzeitenentwicklungeine Betriebliche Gesundheitsförderung notwendig,um eine effektive Prävention für die jüngeren Mitar-beitenden zu bieten und gleichzeitig eine akute Entla-stung für die älteren zu organisieren? Mit einerGeschlechteranalyse können aber auch andere politi-sche Fragen bearbeitet werden: Kommt bei Ihnen dieACK-Klausel (Stellenbewerber/-innnen müssen nachdieser Vorgabe der Diakonie einer Kirche angehören,die in der AG Christliche Kirchen zusammenge-schlossen ist) auch nur ab dem Gruppendienst zur

AuK 2009

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Geschlechtersensibilisierung

KircheArbeitsrecht und

89

Der Gender-Ausschuss in der MAV, zur Veröffent-lichung eingereicht■ Janßen, Chr. & Kleinitz, L.:Gender Mainstreaming in der Mitarbeitendenvertre-tung – Praktische Erfahrungen aus der Einführung desAnsatzes, Teil 1, Arbeitsrecht und Kirche, 2005a, 1,17–21■ Janßen, Chr. & Kleinitz, L.: Gender Mainstreamingin der Mitarbeitendenvertretung, Teil 2, Arbeitsrechtund Kirche, 2005b, 2, 37–42■ Janßen, Chr. & Kleinitz, L.: Geschlechtersensibilisie-rung und Gender Mainstreaming für die Praxis, Teil 2: Genderanalyse und Genderberatung im Team,Arbeitsrecht und Kirche, 2008

■ Janßen, Chr.: Gender Analyse als Baustein zu einer geschlechtersensiblen betrieblichen Gesund-heitsförderung, Teil 1, Arbeitsrecht und Kirche,2007a, 2, 52–53■ Janßen, Chr.: Gender Analyse als Baustein zu einer geschlechtersensiblen betrieblichen Gesund-heitsförderung, Teil 2, Arbeitsrecht und Kirche,2007b, 3, 69–74 ■ Janßen, Chr. Geschlechtersensibilisierung und Gender Mainstreaming für die Praxis, Teil 2 – DieMitarbeitendenversammlung unter Gender Aspekten,Arbeitsrecht und Kirche, 2008, 4, 140–141■ Janßen, Chr.: Geschlechtersensibilisierung undGender Mainstreaming für die Praxis, Teil 3 – Gender-Anwaltschaften, Arbeitsrecht und Kirche,2009, 1, 22–23■ Janßen, Chr.: Geschlechtersensibilisierung undGender Mainstreaming für die Praxis, Teil 5 –

2009

Fort-bildungen2009/10

KostenWochenseminar: 690,– Euro inkl. Unterkunftund VerpflegungTagesseminar: 95,– Euro

Anmeldungen und weitere Informationen:Diakonische ArbeitnehmerInnen Initiative e.V. (dia e.V.)Vogelsang 630 459 HannoverTel. 0511.41 08 97 50Fax. 0511.2 34 40 [email protected]

Diakonische

ArbeitnehmerInnen

Initiative e.V.

Fortbildungen für Mitarbeitervertreterinnen und Mitarbeitervertreter 2009/2010

02.–06. November 2009 in Dassel, Prekäre Arbeitsverhältnisse

02.–06. November 2009 in Dassel, Konfliktmanagement/Mediation

02.–06. November 2009 in Dassel, MVG Einführung

04.–06. November 2009 in Dassel, Personalbemessung

im Krankenhaus

11.–15. Januar 2010 in Springe, AVR-K Einführung

11.–15. Januar 2010 in Bad Bevensen, MVG-Einführung

Tagesveranstaltungen:

19. November 2009 in Hannover, Überlastungsanzeige

Geschlechtersensibilisierung

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? !Was passiert, wenn ein Arbeitnehmer während des Freizeitausgleichs erkrankt?

Ein Arbeitnehmer bekommt grundsätzlich Lohn für geleisteteArbeit. Nur in den durch Gesetz, Tarifvertrag oder Vertrag gere-gelten Ausnahmefällen ist der Arbeitgeber zur Zahlung von Ent-gelt verpflichtet, obwohl der Arbeitnehmer nicht gearbeitet hat,so vor allem bei Urlaub und nachgewiesener Krankheit. BeiArbeitsunfähigkeit erhält der Arbeitnehmer allerdings keine Ver-gütung für die Arbeitsunfähigkeit, es gibt keinen sog. Kranken-lohn. Der Arbeitnehmer ist im Falle der Arbeitsunfähigkeit nurvor Einkommenseinbußen geschützt. Das bedeutet, dass er dieje-nige Vergütung erhält, die er erhalten würde, wäre er nichterkrankt. Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle setzt deshalbvoraus, dass der Arbeitnehmer ohne Arbeitsunfähigkeit zurArbeit verpflichtet gewesen wäre. Das Risiko der Arbeitsun-fähigkeit während arbeitsfreier Zeiten fällt in die Sphäre desArbeitnehmers. Mit anderen Worten: Der Mitarbeiter aus derVerwaltung, der von Freitagabend bis Sonntagabend krank ist,hat einfach Pech.

Der Grundsatz, dass das Risiko der Erkrankung währendarbeitsfreier Zeit in die Sphäre des Arbeitnehmers fällt, gilt auchdann, wenn es sich nicht nur um das im Dienstplan vorgesehenefreie Wochenende oder einen sonstigen freien Tag handelt. Die-ser Grundsatz gilt auch dann, wenn für einen Arbeitnehmer z. B.zum Ausgleich für Mehrarbeit oder Überstunden Freizeitaus-gleich angeordnet wird. Für solche Zeiten des Freizeitausgleichserhält der Arbeitnehmer Entgelt. Zwar wird diese Zeit nichtgesondert vergütet, sie wird aber auf die monatlich zu erbrin-gende Sollarbeitszeit angerechnet. Da diese Anrechnung auchdurch Krankheit nicht unterbrochen wird, muss der Mitarbeiterim Falle einer solchen Erkrankung keine Einkommensminderunghinnehmen.

Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn durch Arbeitsver-trag oder durch Dienstvereinbarung bzw. Tarifvertrag eine vonden oben dargestellten Grundsätzen abweichende Regelunggetroffen wurde. So sehen Arbeitsrechtsregelungen und Tarifver-träge gelegentlich vor, dass bei Freizeitausgleich im Rahmeneines Arbeitszeitkontos Zeiten der Arbeitsunfähigkeit ganz oderteilweise nicht auf den Freizeitausgleich angerechnet werden.Wenn es eine solche Regelung gibt, wird der Freizeitausgleichinsoweit wie Urlaub behandelt. Beim Abschluss einer Dienstver-einbarung über die Einführung eines Arbeitszeitkontos solltedeshalb auf eine solche Regelung geachtet werden. Denn es isthäufig festzustellen, dass Arbeitnehmer nach langer Überbean-spruchung gerade dann krank werden, wenn die Belastung auf-grund des längeren Freizeitausgleichs sinkt.

Erkrankt ein Arbeitnehmer während des Urlaubs und weistdies unverzüglich nach, so wird die Zeit der Arbeitsunfähigkeitnicht auf den Urlaubsanspruch angerechnet. Beispiel: DerArbeitnehmer erkrankt nach Ablauf der ersten Woche seinesdreiwöchigen Sommerurlaubs und zwar bis zu dessen Ende. AlsUrlaub ist nur die erste Woche zu zählen.

Bei uns dürfen Mitarbeiter Dienste tauschen. Was passiert,wenn ein Arbeitnehmer aufgrund eines solchen Tausches z. B. am Freitag frei hat und dann an diesem Tag frei hat?

Leseranfragen

90 AuK 2009

Die Lage der Arbeitszeit wird immer vom Arbeitgeber festgelegt.Dies folgt aus dem Wesen des Arbeitsverhältnisses und aus § 106GewO. Die Aufgabe, die Lage der Arbeitszeit zu bestimmen,kann der Arbeitgeber delegieren, in der Regel auf Vorgesetzte. Erkann diese Aufgabe auch auf den oder die betroffen/n Arbeit-nehmer/in übertragen. Die dann von dem/der Beschäftigtenselbst vorgenommene Festlegung wird rechtlich dem Arbeitgeberzugerechnet. Sie wird so behandelt, als ob dieser die Festlegungselbst gemacht hat. Deshalb bleibt es auch bei dem Tausch vonDiensten bei den oben dargestellten Grundsätzen. Etwas anderesgilt nur dann, wenn Mitarbeiter ohne ausdrückliche oder still-schweigende Erlaubnis Dienste ›heimlich‹ tauschen.

Unser Arbeitgeber möchte mit den einzelnen Mitarbeiterinnenund Mitarbeitern unserer Einrichtung Gespräche führen, umdiese zu einem Verzicht auf die Jahressonderzahlung zu bewe-gen. Müssen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an solchenangeordneten Gesprächen teilnehmen?

Das Wesen eines Arbeitsverhältnisses besteht darin, dass derArbeitnehmer weisungsgebundene Arbeit verrichtet. Gemäß §106 GewO obliegt es dem Arbeitgeber, die Arbeitsleistung nachOrt, Zeit und Inhalt zu bestimmen (Direktionsrecht). Deshalbkann der Arbeitgeber nicht nur die Schichtzeiten (unter Beteili-gung der Mitarbeitervertretung) festlegen. Er kann darüber hin-aus z. B. auch die verbindliche Teilnahme an Teamgesprächenoder sonstigen dienstlichen Besprechungen anordnen, auchaußerhalb des regulären Dienstes. Zu einem Gespräch über dieVeränderung des Vertragsinhaltes, z. B. den Verzicht auf dieJahressonderzahlung, könnte der Arbeitgeber einen Arbeitneh-mer nur dann verpflichten, wenn solche Vertragsverhandlungenzu der vertraglich geschuldeten Arbeit gehören. Das ist nicht derFall. Die Frage, ob Arbeitnehmer und Arbeitgeber einen Vertragschließen und ob sie über einen Arbeitsvertrag verhandeln,gehört zum Bereich der sog. Vertragsautonomie. Das heißt, jederbestimmt frei und unabhängig, ob, wann und mit wem er einenVertrag schließen will. Deshalb kann der Arbeitgeber von einemArbeitnehmer nicht verlangen, dass dieser an Gesprächen überdie Veränderung des Vertrages teilnimmt. Der Arbeitnehmer istnur verpflichtet, an solchen Personalgesprächen teilzunehmen, indenen es um die Art und Weise, wie die Arbeit geleistet wird,geht. Dazu gehören Kritikgespräche, Abmahnungsgespräche,Personalentwicklungsgespräche usw.

Der Arbeitgeber ist hingegen nicht berechtigt, einen Arbeit-nehmer durch die Verpflichtung zu einem Personalgesprächunter Druck zu setzen, damit dieser einer Vertragsänderungzustimmt. Aus diesem Grunde verurteilte das Bundesarbeitsge-richt am 23.06.2009 einen Arbeitgeber, eine Abmahnungzurückzunehmen, die dieser ausgesprochen hatte, weil eineArbeitnehmerin nicht an einem Gespräch über den Verzicht aufdie Jahressonderzahlung teilgenommen hatte.

Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in unserem Operati-onssaal ist das Ende der regulären Schicht auf 17 Uhr festge-legt. Anschließend beginnt Bereitschaftsdienst. Es kommt nunhäufig vor, dass eine Operation nicht bis 17 Uhr abgeschlossenist, so dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bis weit in denBereitschaftsdienst hinein durcharbeiten. Ist in einem solchenFall die Zeit ab 17 Uhr Regelarbeitszeit oder schon Teil desBereitschaftsdienstes?

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?! KircheArbeitsrecht und

912009

Wenn der Arbeitgeber rechtswirksam Bereitschaftsdienst für dieZeit ab 17 Uhr angeordnet hat, dann darf auch aus der voraus-gehenden Regelarbeit in den Bereitschaftsdienst hinein gearbeitetwerden. Die Arbeitsleistung während der Zeit des angeordnetenBereitschaftsdienstes ist durch die Bereitschaftsdienstvergütungabgegolten.

Wenn ein solches ›Reinarbeiten‹ nur gelegentlich vorkommt,wird dies in der Regel unproblematisch sein. Kommt es aller-dings häufiger vor, ist zu überprüfen, ob Bereitschaftsdienst über-haupt hätte angeordnet werden dürfen. Bereitschaftsdienst kannangeordnet werden, wenn in der entsprechenden Zeitspanne dieZeit ohne tatsächliche Inanspruchnahme des Arbeitnehmersüberwiegt. Das bedeutet, dass erfahrungsgemäß in dieser Zeit-spanne zeitlich nur weniger als 50 % in Anspruch genommenwerden dürfen. Bei dieser Feststellung darf jedoch nicht einebeliebig lange Zeitspanne zugrunde gelegt werden. Wenn inunserem Beispiel erfahrungsgemäß in der Zeit zwischen 17 und18 Uhr noch Operationen zu Ende geführt werden müssen, darffür diese Zeit kein Bereitschaftsdienst angeordnet werden, auchwenn in der Zeit von 17 Uhr bis zum Dienstbeginn am nächstenMorgen insgesamt die Arbeitsleistung unter 50 % liegt. Hier istvielmehr im Rahmen einer typisierenden Betrachtung festzustel-len, bis zu welchem Zeitpunkt regelmäßig Arbeit anfällt und abwann die Zeit ohne Arbeit überwiegt.

Die Festlegung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeitunterliegt dem Mitbestimmungsrecht der Mitarbeitervertretung.Dazu gehört auch die Frage, ob in einer bestimmten ZeitspanneVollarbeit, Bereitschaftsdienst oder Rufbereitschaft angeordnetwird. Dies hat der Kirchengerichtshof der EKD am 8.12.2008/I-0124/P 16-08) entschieden. Die Entscheidung ist abgedruckt inAuK 2009, S. 32ff.. Die Mitarbeitervertretung kann deshalb eineKorrektur der Arbeitszeiten auch im Rahmen ihres Direktions-rechtes erzwingen. Denn wenn für eine bestimmte ZeitspanneBereitschaftsdienst angeordnet wurde, obwohl erfahrungsgemäßdie Zeit mit Arbeit überwiegt, so verstößt diese Arbeitszeitrege-lung gegen eine Rechtsvorschrift. Daraus folgt die Verpflichtungder Dienststellenleitung, die Arbeitszeitregelung zu ändern.

Ein in unserem Hause beschäftigter Arzt wird von einem Pati-enten wegen eines angeblichen Kunstfehlers in Anspruchgenommen. Er ist inzwischen vom Amtsgericht zur Zahlung vonSchadenersatz und Schmerzensgeld verurteilt worden. UnserKrankenhaus lehnt die Übernahme dieser Kosten mit derBegründung ab, der Arzt habe diesen Anspruch nicht innerhalbder Ausschlussfrist (§ 45 AVR) geltend gemacht. Stimmt das?

Wenn in einem Arbeitsverhältnis aufgrund des Arbeitsvertrages,der Arbeitsvertragsrichtlinien oder eines Tarifvertrages Aus-schlussfristen gelten, dann beziehen sich diese Ausschlussfristenregelmäßig auf alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis. Des-halb unterliegt auch der Anspruch des Arbeitnehmers, von Scha-denersatzansprüchen Dritter durch den Arbeitgeber freigestelltzu werden, der Ausschlussfrist. Entscheidend kommt es nun dar-auf an, wann die Ausschlussfrist, die gemäß § 45 Abs. 2 AVRDW EKD sechs Monate beträgt, in Gang gesetzt wird. Dennnicht bereits dann, wenn ein Patient einen Arzt anschreibt undSchadenersatz fordert, ist dieser Anspruch schon als berechtigtanzusehen. Der Anspruch des Arztes auf Freistellung von Scha-denersatzansprüchen Dritter setzt aber das Bestehen einesAnspruches eines Dritten voraus. Das Bundesarbeitsgericht hat

in einer Entscheidung vom 25. Juni 2009 festgestellt, dass dieAusschlussfrist dann beginnt, wenn der Arzt sich gegen denAnspruch des Patienten nicht mehr verteidigt. Denn in diesemZeitpunkt steht fest, dass der Arzt Schadenersatz leisten muss.Dies ist dann auch der Zeitpunkt, in dem ein Arbeitnehmer (spä-testens) von seinem Arbeitgeber Freistellung von den Schadener-satzansprüchen Dritter verlangen sollte.

In unserer Einrichtung werden die Arbeitsvertragsrichtlinien desDiakonischen Werkes der EKD angewendet. Zum 01.07.2007 isteine Neueingruppierung vorgenommen worden. Bei der Ermitt-lung der Besitzstandszulagen ist es in vielen Fällen zu Fehlerngekommen. Dies ist Anfang des Jahres festgestellt worden. DieArbeitnehmer verlangen einerseits Nachzahlung für die Zeit ab01.07.2007 und natürlich auch entsprechende Zahlungen fürdie Zukunft. Der Arbeitgeber wendet ein, dass diese Ansprüchegemäß § 45 AVR verfallen seien. Stimmt das?

Gemäß § 45 AVR unterliegen Ansprüche, die sich auf dieregelmäßige Vergütung beziehen, einer Ausschlussfrist von einemJahr. Dabei kommt es nicht darauf an, aus welchem Grund einAnspruch entstanden ist und warum er ggf. nicht früher geltendgemacht wurde. Sinn und Zweck der Ausschlussfrist ist es, inverhältnismäßig kurzen Zeiträumen zu abschließender Klarheitüber die wechselseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis zukommen. Deshalb ist es richtig, dass die Arbeitnehmer keineNachzahlung für Zeiträume beanspruchen können, die länger alszwölf Monate zurückliegen.

Soweit der Arbeitgeber hingegen geltend macht, die zum01.07.2007 erstellte Überleitungsrechnung (Ermittlung des Ver-gleichsentgeltes) liege schon länger als zwölf Monate zurück undkönne wegen der Ausschlussfrist nicht mehr angegriffen werden,irrt der Arbeitgeber. Denn die Vergleichsberechnung ist nicht soeine Art Grundlagenbescheid, der nach Ablauf einer bestimmtenFrist nicht mehr angegriffen werden kann. Ein fehlerhaft gebil-detes Vergleichsentgelt kann für künftige Entgeltzahlungen jeder-zeit korrigiert werden. Die Ausschlussfrist schließt nur eine unbe-grenzte Rückforderung des in der Vergangenheit zu viel oder zuwenig gezahlten Entgeltes entgegen. Dies jedenfalls hat das Bun-desarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 25.06.2009 (6 AZR 384/09) zum Wechsel vom BAT zum TVöD festgestellt.

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Dritter Weg – Fluch oder Segen?

Dritter Weg

Aus Sicht der Arbeitnehmer beginnt der Dritte Wegschon bei der Erstellung von Gesetzen und Ordnun-gen. Die Synode wird demnächst ein neues Arbeits-rechtsregelungsgesetz verabschieden – auf demErsten Weg. Dieses Gesetz ist so schlecht wie keinanderes in Deutschland.

Arbeitnehmer und Arbeitgeber sollen im DrittenWeg selbst über Arbeitsbedingungen und Entgeltebestimmen. Das geschieht innerhalb von paritätischbesetzten Arbeitsrechtlichen Kommissionen.

Parität – ist diese wirklich gegeben? Auf derArbeitgeberseite sitzen Betriebswirte, Prokuristen,Theologen, Juristen, Einrichtungsleiter, auf deranderen Seite Schwestern, Verwaltungsangestellte,Handwerker oder Heilerziehungspfleger.

Arbeitgeber können jederzeit auf einen ganzenApparat zurückgreifen. Sie können administrativzuarbeiten lassen, selbstständig bestimmen, wannund wie sie arbeiten, und verfügen über ein umfang-reiches Wissensarchiv. Arbeitnehmer dagegen müs-sen für jeden Schritt Anträge stellen und auf eineGenehmigung warten. Parität gibt es lediglich beider quantitativen Besetzung. Verhandlungsmassegibt es nicht.

Die Arbeitgeber geben das Geld (oder auch nicht),sie bestimmen die Inhalte der Arbeitsverträge. Ein Arbeitnehmer stellt seine Arbeitskraft zur Verfügung, er kann damit aber nicht wirklich han-deln.

Die Arbeitsbedingungen in den einzelnen Kom-missionen Deutschlands variieren sehr. So sollen siein Mitteldeutschland mit katastrophalen Zusatzbe-dingungen ausgestattet werden; in Niedersachsenoder Baden hingegen sind die Regelungen recht gut.All diese Regelungen gehen von der Landeskirchebzw. dem Landeskirchenrat aus.

Gibt es in der Kommission keine Einigung, erfolgtsehr schnell (in Mitteldeutschland) eine Zwangssch-lichtung. Die Bedingungen für die Schlichtung regeltebenfalls die Landeskirche oder die Synode – bisherausschließlich nach eigenen Vorlagen.

Genau so verhält es sich mit den Bedingungen fürdie Mitarbeit in der Kommission. Nicht etwa quali-fizierte oder tariferfahrene Mitglieder werdengesucht, nicht Menschen, die Vertrauen besitzen –einzig und allein die Mitgliedschaft in der evangeli-schen Kirche zählt.

Die Begründung dafür ist wohl eher eine Ausredezur Machterhaltung der Kirchen und ihrer Diakonie– aber auch notorische Angst vor Gewerkschaften.Dabei sind schon jetzt fast alle Mitglieder derArbeitnehmerseite in den Kommissionen in einerGewerkschaft organisiert. Dies ist eine Schelte auchgegenüber den Landeskirchen, die sich trotzdem fürTarifverträge entschieden haben.

In Deutschland gab, gibt und wird es wohl nieeine arbeitsrechtliche Regelung geben, die aufchristlichen Werten gründet. In den AVR und derenÄnderungen geht es zu 99 Prozent um Arbeitsbe-dingungen und Höhe der Entgelte. Auch die Refi-nanzierung unterscheidet nicht zwischen konfessio-nellen und konfessionslosen Einrichtungen.

Die Diakonie stellt zunehmend nur noch konfes-sionslose Menschen ein – ansonsten müssten Ein-richtungen massenhaft geschlossen werden. Fach-personal ist so selten zu haben wie nie zuvor. Es gibtkaum Einrichtungen, die über 50 Prozent christlicheMitarbeiterInnen haben, die Regel liegt bei 20–40Prozent. Das wird leider ignoriert.

In früheren Jahren gab es kaum Zwangsschlich-tungen. Die Kommissionen haben die Gesetze ausdem öffentlichen Dienst mehr oder weniger abge-schrieben. Erst als der Druck durch Freigabe desGesundheitsmarktes größer wurde, verschlechtertensich die Arbeitsbedingungen in der Diakonie – mitHilfe von willigen und abhängigen Arbeitnehmern.

Der untere Lohnbereich wurde massiv abgesenkt– mit der Begründung, dass Ausgliederungen ver-hindert werden sollten. Danach jedoch begann eineAusgliederungswelle ungeahnten Ausmaßes.

Inzwischen sind die Arbeitnehmer mutiger gewor-den, haben eigene Vorstellungen entwickelt, wollenwieder gleiche Arbeitsbedingungen und gleicheLöhne wie im Öffentlichen Dienst, der DiakonieWürttemberg oder auch der Caritas erzielen.

Was ist das Ziel einer regionalen Kommission in Mitteldeutschland auf dem Dritten Weg?Hier geht es ausschließlich um eine Ost-Fassung derbereits bestehenden Ost-Fassung der AVR, also eineOst-Ost-Fassung. Arbeitsbedingungen und Entgeltesollen noch weiter abgesenkt werden, obwohl esbereits jetzt drei (!) Öffnungsmöglichkeiten gibt.Für die Genehmigung einer so genannten Notlage-regelung bedarf es allerdings der völligen Öffnungaller Betriebsunterlagen gegenüber der ARK, bei derdie Arbeitnehmerseite notfalls auch mit einem eige-nen Berater sehr gewissenhaft prüft. In der Vergan-genheit stellte sich heraus, dass viele beantragteNotlageregelungen keine eigentlichen Notlagen imSinne der AVR waren.

Dieses Prozedere ist den Arbeitgebern offensicht-lich zu mühselig. So machen sie weiterhin das, wasbisher schon immer funktionierte. Sie setzen einsei-tig Arbeitsrecht, handeln mit den MAVen eigeneHausverträge aus, wenden unterschiedliche Tarif-

V o n H e n r y M o e s - B o g e n h a r d t

Henry

Moes-Bogenhardt

Mitglied der

Arbeitsrechtlichen

Kommission des

DW EKD

Arbeitnehmer und Arbeitgeber wollen im Dritten Weg selbst

und paritätisch über Arbeitsbedingungen und Entgelte

bestimmen. Wie wird dies umgesetzt? Gibt es einen wirkli-

chen Interessenausgleich oder setzt die Arbeitgeberseite

machtvoll ihre Position durch?

AuK 200992

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KircheArbeitsrecht und

932009

werke an und halten sich nicht im Geringsten an dieMitgliedspflichten des Diakonischen Werkes.

Wer nun denkt, das Diakonische Werk übe eineKontrollfunktion aus, hat sich getäuscht. Bisher gabes keine Einrichtung, die wegen Missachtung derSatzungspflichten ausgeschlossen wurde. Im Gegen-teil: Diese Einrichtungen bekommen sogar einenGaststatus angeboten und genießen unverblümt denStatus einer diakonischen Einrichtung – obwohl siesich inhaltlich meilenweit davon entfernt haben. Sodarf z. B. das CJD in ganz Deutschland eigenesArbeitsrecht vorschreiben – ganz nach Gutsherren-art. In Mitteldeutschland sind weitere Einrichtun-gen bekannt, die machen können, was sie wollen.

Weil inzwischen die mitteldeutschen diakoni-schen Arbeitgeber und das Diakonische Werk deut-lich erklärten, dass sie keine Verbindlichkeitwünschten und eine echte Verhandlungsparitätablehnten, zogen die Arbeitnehmer ihr letztes undeinziges Druckmittel:

Sie verweigerten eine Mitarbeit in der mitteldeut-schen Kommission! Sie verweigern sich damit auchder Arbeitsrechtssetzung auf dem Dritten Weg.

Dieser mutige und dennoch folgenschwere Schrittpasst den diakonischen Arbeitgebern nicht. DieLandeskirche wird ins Boot geholt. Es soll mit Hil-fe der Föderationssynode eine weitere und massiveVerschlechterung eingeführt werden. Mit anderenWorten:

Der Herr des Geschehens verändert (verschlech-tert) die Spielregeln und lädt gleichzeitig zu einemunfairen Spiel ein – unter dem Deckmantel desSelbstbestimmungsrechts der Kirchen. Diese Inter-pretation geht sogar so weit, dass bürgerliche Grun-drechte der Bundesrepublik (Versammlungsfreiheit,freie Meinungsäußerung, Koalitions- und damitStreikrecht) beschnitten werden sollen – obwohlselbst Verfassungsrechtler und der Vorsitzende desobersten Kirchengerichtshofes in Deutschland undehemalige Justizminister in Thüringen, Schliemann,diese Rechte allen Menschen – auch den Beschäftig-ten von Kirche und Diakonie – garantieren.

Als langjähriges Mitglied der bundesweit größtenKommission, für die die so genannte bundesweiteAVR zuständig ist, bemerke ich gerade in Konflikt-situationen, dass der Dritte Weg kein Lösungsmittel

darstellt, sondern eher ein Bindemittel für Machter-halt. Es geht keineswegs mehr darum, die Interessender Arbeitnehmer auf- oder wahrzunehmen. DieDiakonie, allen voran der VdDD (Verband diakoni-scher Dienstgeber Deutschland), will ihre Vor-machtstellung sichern. Und sei es auch auf Kostender Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Fazit: Der Dritte Weg ist ein krummer Weg auf dem

Rücken der Beschäftigten. Er lässt keinen wirkli-chen Interessenausgleich zu und dient der einseiti-gen Machtstärkung der ohnehin starken Arbeitge-berseite.

Eine gleichstarke Arbeitnehmerseite – etwa dieGewerkschaft ver.di – scheuen die Kirche und ihreDiakonie wie der Teufel das Weihwasser. Dabei gibtes in Deutschland durchaus abgeschlossene Tarif-verträge zwischen Kirchen/Diakonie und ver.di.Kann Gewerkschaft Sünde sein?

Das Schlimmste jedoch kommt noch:Die diakonischen Arbeitgeber brauchen nicht ein-

mal selbst zu beschließen; sie bedienen sich derStrukturen der Landeskirche und lassen sich dasvon ihnen selbst ausgearbeitete Arbeitsrechtsrege-lungsgesetz von der Synode beschließen. Die Mitar-beiter wurden bei der Erarbeitung dieses Gesetzesnicht beteiligt, die Arbeitgeber und das DiakonischeWerk erklärten die Vorverhandlungen für geschei-tert. Die in der Anhörung der Arbeitnehmer aufge-worfenen Sachargumente wurden in keiner Weiseberücksichtigt. Der nun vorliegende Entwurf bein-haltet eine weitere Verschlechterung und stellt inDeutschland ein einzigartiges Novum dar.

Kirche und Diakonie machen eine Politik vorbeian ihrem wertvollsten Gut – ihren Mitarbeiterinnenund Mitarbeitern.

Soll es wirklich so sein, dass die Synode das allesdurchwinken wird?

OKR Grüneberg, Vorstandsvorsitzender des DWEKM, hat bereits signalisiert, dass das neue Arbeits-rechtsregelungsgesetz ›im Prinzip durch‹ sei.

Ich kann es mir nicht vorstellen und ich will esmir nicht vorstellen. Das kann doch nicht wirklichder tatsächliche Wille unserer Synodalen sein.

Dritter Weg

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94 AuK 2009

Termin Thema

Grundseminar III

Einführung in die MAVO

Vom Umgang mit Ängsten

Prekäre Arbeitsverhältnisse

Konfliktmanagement/Mediation

MVG Einführung

Beteiligung der MAV

bei wirtschaftlicher Notlage

Personalbemessung im Krankenhaus

Einführung in die MAVO

Aktuelles in Einrichtungen für

forensische Psychatrie

Mobbing Aufbauseminar

Arbeitsrechtsseminar

Arbeitszeitgesetz Aufbauseminar

MAVen der erzb. Schulen

Berufspolitik MTA

Zukunftswerkstatt Rettungsdienst

Arbeitsrecht des öffentlichen Dienstes

Klare Rede, starke Wirkung!

Rhetorik und mehr für gesetzliche

Interessenvertretung

Chaos und Ordnung

Management der MAV

Arbeitsrechtsseminar III (AVR)

Arbeitsrechtsseminar II (BAT-KF)

Mitbestimmung bei sozialen und

organisatorischen Angelegenheiten

Überlastungsanzeige

Mobbing-Bossing Aufbaukurs

Qual der Wahl

Wahlseminar

02.11.–04.11.

02.11.–04.11.

02.11.–04.11.

02.11.–06.11.

02.11.–06.11.

02.11.–06.11.

03.11.

04.11.–06.11.

04.11.–06.11.

08.11.–13.11.

09.11.–10.11.

09.11.–11.11.

09.11.–11.11.

09.11.–11.11.

09.11.–13.11.

09.11.–13.11.

09.11.–13.11.

09.11.–13.11.

11.11.–13.11.

11.11.–13.11.

16.11.–18.11.

17.11.

19.11.

19.11.–20.11.

23.11.

Veranstaltungsort

Veranstalter

Nümbrecht-Bierenbachtal Verband

kirchlicher Mitarbeiter/innen

Bad Honnef

Katholisch-Soziales Institut

Bad Honnef

Katholisch-Soziales Institut

Dassel

dia e. V.

Dassel

dia e. V.

Dassel

dia e. V.

München

ver.di

Dassel

dia e. V.

Bad Honnef

Katholisch-Soziales Institut

Saalfeld

ver.di

Landshut

ver.di

Bad Salzuflen Haus Eickhoff, Ver-

band kirchlicher Mitarbeiter/innen

Münster GMAV

Johanniter-Unfall-Hilfe

Bad Honnef

Katholisch-Soziales Institut

Saalfeld

ver.di

Saalfeld

ver.di

Bielefeld

Das Bunte Haus/ver.di

Bielefeld

Das Bunte Haus/ver.di

Münster

GMAV Johanniter-Unfall-Hilfe

Bad Salzuflen,

Haus Eickhoff, Verband kirchlicher

Mitarbeiter/innen

Bad Salzuflen,

Haus Eickhoff, Verband kirchlicher

Mitarbeiter/innen

Nürnberg

ver.di

Hannover

dia e. V

Bad Salzuflen,

Haus Eickhoff, Verband kirchlicher

Mitarbeiter/innen

Nord Hamburg

GMAV Johanniter-Unfall-Hilfe

Termine & Seminare November

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Zuordnung einer GmbH zur katholischen Kirche,Zuständigkeit des kirchlichen Arbeits-gerichts, Notwendigkeitder Beiordnung einesBevollmächtigten

1. Allein durch die Wahl der Rechtsformeiner Einrichtung tritt keine Abspaltungvon der Zuordnung zur Kirche ein, ent-scheidend ist ob die Einrichtung an derVerwirklichung eines Stücks Auftrags derKirche beteiligt ist.2. Geht es um die Frage, ob eine Einrich-tung unter den Geltungsbereich der kirchlichen Mitarbeitervertretungsord-nung fällt, liegt die Zuständigkeit beimkirchlichen Arbeitsgericht.3. Lässt sich die Gegenseite von einemRechtsanwalt vertreten, so ist aus Grün-den der Ausgewogenheit die Hinzuzie-hung eines Rechtsanwalts bzw. einerRechtsanwältin auch auf der anderen Seite angemessen und zweckmäßig.

(nichtamtliche Leitsätze)

Kirchlicher Arbeitsgerichtshof,

Urteil vom 12.12.2008

I. Sachverhalt:Zwischen den Parteien besteht Streit darüber,

ob es sich bei der Beklagten, die eine Tochterge-sellschaft der Stiftung L. ist, um eine Einrichtunghandelt, die institutionell der katholischen Kirchezuzuordnen ist und bei der deshalb die kirch-lichen Arbeitsvertragsordnungen (AVR) und diekirchliche Betriebsverfassung nach der MAVOAnwendung zu finden haben.

Durch Gesellschaftsvertrag vom 4.11.2005wurde die Beklagte gegründet. Zweck der Gesell-schaft ist die Erbringung von Personaldienstlei-stungen, insbesondere in den Bereichen Bereit-stellung von Personal, Personalvermittlung, Personalbetreuung, Beratung in Personalfragenund die Übernahme von Personalverwaltungsauf-gaben. Alleingesellschafterin der Beklagten istdie Stiftung L. Im Gesellschaftsvertrag ist u. a.geregelt, dass die Gesellschaft bei der Verfolgungihres Zweckes die Zielsetzung und Prägung derStiftung L. beachten wird.

Die Gründung der Beklagten steht im Zusam-menhang mit der Entscheidung des Vorstandsder Stiftung L., für die Stiftung und ihre Tochter-gesellschaften nicht mehr das kollektive kirchli-che Arbeitsrecht anwenden zu wollen. Der ent-

Rechtsprechung

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Termin Thema

Grundseminar II

Konfliktbewältigung

Einführung in die MAVO

Arbeitsrecht Aufbaukurs AVR

Wie verändert Europa unseren

Sozialstaat?

Qual der Wahl

Wahlseminar

MAVen der Kinder- und Jugendhilfe

Arbeitsrecht Grundkurs KAVO

Datenschutz

Sozialrechtseminar

Qual der Wahl

Wahlseminar

Qual der Wahl

Wahlseminar

Qual der Wahl

Wahlseminar

Qual der Wahl

Wahlseminar

Qual der Wahl

Wahlseminar

Einführung in die MAVO

Qual der Wahl

Wahlseminar

Qual der Wahl

Wahlseminar

Arbeitszeitrecht

AVR-Einführung

MVG-Einführung

23.11.–25.11.

23.11.–25.11.

23.11.–25.11.

23.11.–25.11.

23.11.–25.11.

25.11.

25.11.–27.11.

25.11.–27.11.

25.11.–27.11.

25.11.–27.11.

27.11.

30.11.

02.12.

04.12.

07.12.

07.12.-09.12.

09.12.

11.12.

14.12.–18.12.

11.01.–15.01.

11.01.–15.01.

Veranstaltungsort

Veranstalter

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Bad Salzuflen,

Haus Eickhoff, Verband kirchlicher

Mitarbeiter/innen

Nümbrecht-Bierenbachtal

Haus Bierenbach, Verband

kirchlicher Mitarbeiter/innen

Katholisch-Soziales Institut

Saalfeld ver.di

Saalfeld

ver.di

Hannover

GMAV Johanniter-Unfall-Hilfe

Bad Honnef

Katholisch-Soziales Institut

Bad Honnef

Katholisch-Soziales Institut

Nümbrecht-Bierenbachtal

Haus Bierenbach, Verband

kirchlicher Mitarbeiter/innen

Nümbrecht-Bierenbachtal

Haus Bierenbach, Verband

kirchlicher Mitarbeiter/innen

Nieder-Weisel

GMAV Johanniter-Unfall-Hilfe

Berlin GMAV

Johanniter-Unfall-Hilfe

Leipzig

GMAV Johanniter-Unfall-Hilfe

Nürnberg

GMAV Johanniter-Unfall-Hilfe

Münster GMAV

Johanniter-Unfall-Hilfe

Bad Honnef

Katholisch-Soziales Institut

Erfurt GMAV

Johanniter-Unfall-Hilfe

Stuttgart

GMAV Johanniter-Unfall-Hilfe

Bielefeld

Das Bunte Haus/ver.di

Springe

dia e. V.

Bad Bevensen dia e. V.

Termine & Seminare November–Januar

KircheArbeitsrecht und

952009

sprechende Antrag der Stiftung L. beim Ministeri-um für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg wurde am 17.10.2005 ministeriellgenehmigt.

Die Klägerin hat vorgetragen, alle Gesellschaf-ten und Einrichtungen der UnternehmensgruppeStiftung L. im Bereich der BundesrepublikDeutschland würden unter den Geltungsbereichder kirchlichen Grundordnung fallen. Eine Aus-nahme gelte nur für die Gesellschaft, für die derBischof ausdrücklich eine Ausnahme davon zuge-lassen habe. Für die Beklagte gebe es keine Aus-nahmegenehmigung des Bischofs. Da bei derBeklagten ein Betriebsrat bestehe und somit dasBetriebsverfassungsgesetz angewandt werde, ver-stoße sie damit gegen die kirchliche Grundord-nung. Die Beklagte müsse für ihren Bereich zwin-gend die (AVR) und die (MAVO) anwenden. Sieist der Meinung, zur Geltendmachung des ent-sprechenden Feststellungsbegehrens aktiv legiti-miert zu sein. Als Diözesane Arbeitsgemeinschaftder Mitarbeitervertretungen im caritativenBereich habe sie auch ein berechtigtes Interessean der beantragten Feststellung.

Gemäß §§ 55, 24 Abs. 2 Nr. 3 MAVO (diöze-sane MAVO) habe sie den Auftrag die Anwen-dung der Mitarbeitervertretungsordnung zu för-dern und damit auch auf die Bildung von Mitar-beitervertretungen hinzuwirken. Es gehe dabeiauch darum festzustellen, welche Mitarbeiterver-tretungen die Diözesane Arbeitsgemeinschaft bilden.

Nachdem die Klägerin erstinstanzlich bean-tragt hat, festzustellen, dass die Beklagte nichtunter den Geltungsbereich des Betriebsverfas-sungsgesetzes fällt, hat das Kirchliche Arbeitsge-richt der Diözese Rottenburg-Stuttgart die Klageals unzulässig mit der Begründung abgewiesen,das Kirchliche Arbeitsgericht sei für die Entschei-dung sachlich nicht zuständig. Es hat die Revisi-on gegen das Urteil zugelassen.

Mit der zugelassenen Revision beantragt die Klägerin, nunmehr:

1. festzustellen, dass die Beklagte unter den Geltungsbereich der Grundordnung deskirchlichen Dienstes im Rahmen kirchli-cher Arbeitsverhältnisse fällt und daskirchliche Mitarbeitervertretungsrecht –die Mitarbeitervertretungsordnung derDiözese Rottenburg-Stuttgart – anzuwen-den ist.

2. festzustellen, dass die Beauftragungeines Bevollmächtigten im Verfahren vor dem Kirchlichen Arbeitsgerichtshofnotwendig ist.

Rechtsprechung

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96

Für die erneute Verhandlung vor dem erstin-stanzlichen Gericht wird auf Folgendes hin-gewiesen:

Es ist davon auszugehen, dass dieBeklagte der katholischen Kirche zuge-ordnet ist; denn die Stiftung L. ist ihreAlleingesellschafterin. Die Stiftung L. wie-derum ist eine kirchliche Einrichtung, aufdie das kirchliche Arbeitsrecht Anwendungfindet.

Bestätigt wird diese Beurteilung auchdurch das Verwaltungsgericht Sigmaringen indessen Urteil vom 26.9.2006 – 9 K2042/05. Was dort für das staatliche Rechtausgeführt ist, gilt gleichermaßen für diekirchliche Rechtsordnung. Dabei ist unerheb-lich, dass die Entscheidung noch nicht rechts-kräftig ist; denn eine staatliche Rechtser-kenntnis bindet die Kirche nur, soweit sie dasfür alle geltende Gesetz i.S. des Art. 140 GGi.V. mit Art. 137 Abs. 3 WRV interpretiert.Das Betriebsverfassungsgesetz gehört abernicht zu dem für alle geltenden Gesetz (vgl.BVerfGE 46, 73 <95>). Den Rechtstatus derStiftung L. hat außerdem Prof. Dr. iur. Karl-Hermann Kästner in einem Rechtsgutachtengeklärt, das er im Juli 2007 im Auftrag derDiözese Rottenburg-Stuttgart erstattet hat. Ergelangt zu dem Ergebnis: ›Die Stiftung L.besitzt seit 1868 auch den Status einerrechtsfähigen kirchlichen Stiftung kanoni-schen Rechts.‹ Sie sei zwar weder unter demCIC/1983 noch unter dem CIC/1917 förm-lich als juristische Person des kanonischenRechts errichtet worden; sie erfülle jedoch dieVoraussetzung der Errichtung einer kirchli-chen Stiftung kanonischen Rechts nach Maß-gabe des Mitte des 19. Jahrhunderts gültigenCorpus Iuris Canonici.

Aber auch wenn man den Status einerrechtsfähigen kirchlichen Stiftung kanoni-schen Rechts bestreitet, ist die Stiftung L.nach den Kriterien des Staatskirchenrechtsder katholischen Kirche zugeordnet.

Die Verleihung einer kirchlichen Rechtsper-sönlichkeit ist zwar eine hinreichende, aberkeine notwendige Voraussetzung, wie Kästnerin seinem Rechtsgutachten klargestellt hat.

Deshalb ist es auch unschädlich, dass derCaritasverband bisher nicht als juristische Per-son des kirchlichen Rechts errichtet worden ist.Die Bischöfe haben daraus die Konsequenzgezogen, dass die Grundordnung des kirchli-chen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeits-verhältnisse gemäß Art. 2 Abs. 2 auch imBereich der sonstigen kirchlichen Rechtsträgeranzuwenden ist; sie sind gehalten, die Grund-ordnung für ihren Bereich rechtsverbindlich zuübernehmen. Das gilt gleichermaßen für dasMitarbeitervertretungsrecht. Auch die Stiftung

II. Aus den Gründen:Die Revision ist statthaft und zulässig.Sie ist im Urteil des Kirchlichen Arbeitsge-

richts erster Instanz zugelassen (§ 47 Abs. 1KAGO) sowie form- und fristgerecht eingelegtworden (§50 KAGO).

Die Revision ist auch begründet.Für die hier anstehende Rechtsfrage ist der

Rechtsweg zur kirchlichen Arbeitsgerichtsbar-keit gegeben und das kirchliche Arbeitsge-richt zur Entscheidung des Rechtsstreits beru-fen. (§2 Abs.2 KAGO) Erkennbares Klagezielder Klägerin ist nach ihrem gesamten bisheri-gen Vortrag, die gerichtliche Klärung der Fra-ge, ob statt des staatlichen Betriebsverfas-sungsgesetzes die kirchliche Mitarbeiterver-tretungsordnung auf die Beklagte Anwen-dung findet. Bei der Beurteilung des Klage-antrags ist zu berücksichtigen, dass die Klä-gerin im Unterschied zur Beklagten nichtdurch einen Rechtsanwalt vertreten wurde.Für das Gericht wie auch für die Beklagtewar trotz der Formulierung des Antragserkennbar, dass es darum ging, dass nichtdas staatliche Betriebsverfassungsgesetz, son-dern die kirchliche Mitarbeitervertretungsord-nung bei der Beklagten Anwendung findet.Soweit es aber um die Frage geht, ob eineEinrichtung unter den Geltungsbereich derkirchlichen Mitarbeitervertretungsordnungfällt, liegt die Kompetenz nicht beim staatli-chen Arbeitsgericht, sondern beim kirchlichenArbeitsgericht.

Deshalb ist für diesen Fall eine Zuständig-keit nach § 2 Abs. 2 KAGO gegeben; dennwenn der Gesetzestext sich dort auf Recht-streitigkeiten aus der Mitarbeitervertretungs-ordnung bezieht, umfasst er auch eine Mei-nungsverschiedenheit über die Geltung derMitarbeitervertretungsordnung. Zutreffendhat die Vorinstanz ausgeführt, dass nicht einkirchliches Gericht, sondern das staatlicheArbeitsgericht darüber entscheidet, ob eineEinrichtung nach § 118 Abs. 2 BetrVG vomGeltungsbereich des Betriebsverfassungsge-setzes ausgenommen ist. Dass es der Kläge-rin aber um die Geltung des kirchlichen Mit-arbeitervertretungsrechts ging, hat auch dieVorinstanz richtig erkannt: denn sie weistausdrücklich darauf hin, dass nach ihrerBeurteilung es sich im vorliegenden Fall nichtum einen Rechtsstreit handele, der unter § 2Abs. 2 KAGO falle, ›obwohl im Falle desObsiegens der Klägerin die beantragte Fest-stellung zur Folge hätte, dass es sich bei derBeklagten um eine Einrichtung handeln wür-de, für die die MitarbeitervertretungsordnungGeltung hätte‹.

(...)

AuK 2009

L. hat daher bis 2006 für die Stiftung undihre Tochtergesellschaften das kollektive kirch-liche Arbeitsrecht angewandt.

Der Revisionsbeklagten ist deshalb nicht zufolgen, soweit sie vorträgt, nur wenn § 118Abs. 2 BetrVG als zwingendes staatlichesRecht den Weg zur MAVO eröffne und nurdann, könne die MAVO angewandt werdenund eine Mitarbeitervertretung gewählt wer-den. Verfassungsrechtlich garantiert ist viel-mehr durch Art. 140 GG i.V. mit Art. 137 Abs.3 WRV, dass – unabhängig von der Gestal-tung des einfachen Gesetzesrechts – die Kir-che, hier also die katholische Kirche durchden Bischof bestimmt, ob und in welcher Wei-se die Arbeitnehmer und ihre Vertretungsor-gane in Angelegenheiten des Betriebs, dieihre Interessen berühren, mitwirken und mit-bestimmen (vgl. B VerfGE 46, 73 <94>).

Bei der Beklagten handelt es sich nicht umdie Stiftung selbst, sondern um eine nachstaatlichem Recht gegründete GmbH, derenAlleingesellschafterin die Stiftung L. ist. EineAbspaltung von der kirchlichen Arbeitsrechts-ordnung ist damit aber nicht verbunden, wieauch der staatliche Gesetzgeber zum Aus-druck bringt, wenn er in § 118 Abs. 2 BetrVGdie Bereichsausnahme aus diesem Gesetz für›Einrichtungen unbeschadet deren Rechts-form‹ vorsieht.

Bei Wahrung des Stiftungszwecks kanndeshalb eine Stiftung eine GmbH gründen,um durch die Wahl der Rechtsform unterFestlegung einer Zuständigkeit für bestimmteBereiche die Haftung zu beschränken. Durcheine juristische Person wird nämlich einerechtlich verselbständigte Organisations- undWirkungseinheit geschaffen.

Anders als bei einer Aktiengesellschaft, beider die Satzungsautonomie nur nach Maßga-be des Gesetzes besteht, gilt für das GmbH-Recht Satzungsfreiheit in den Grenzen desGesetzes, so dass allein durch die Wahl derRechtsform keine Abspaltung von der Zuord-nung zur Kirche eintritt. Bei einer privatrecht-lich verselbständigten Einrichtung ist aller-

Rechtsprechung

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KircheArbeitsrecht und

972009

eintreten. Soweit es aber darum geht, dasszweifelhaft ist, ob im Geltungsbereich derMitarbeitervertretungsordnung Mitarbeiterver-tretungen zu bilden sind, ist von einer Rege-lungslücke in § 10 KAGO auszugehen, wennder Begriff der eigenen Rechte, deren Verlet-zung geltend gemacht wird, so restriktiv inter-pretiert wird, dass eine Klagebefugnis der Klä-gerin versagt wird. Das gebietet nicht zuletztder Sinn und Zweck der Einrichtung einer›Diözesanen Arbeitsgemeinschaft der Mitar-beitervertretungen‹ gemäß § 24 MAVO. Ob eszweckmäßig ist, ein derartiges Organ zu bil-den, entscheidet der Bischof als Gesetzgeber.Die entsprechende Bestimmung in § 25 Rah-menordnung für eine Mitarbeitervertretungs-ordnung sieht deshalb auch nur ein Musterfür eine diözesane Fassung vor. Arbeitsge-meinschaften der Mitarbeitervertretungenhaben im staatlichen Betriebsverfassungs-und Personalvertretungsrecht keine Entspre-chung. Darauf beruht offensichtlich, dass ihreBesonderheit bei der Regelung der Klagebe-fugnis in § 1 0 KAGO keine angemesseneBerücksichtigung erfahren hat; denn es wäreein Wertungswiderspruch, den Arbeitsgemein-schaften für Mitarbeitervertretungen in § 8Abs. 2 lit. c KAGO eine Beteiligtenstellungzuzuerkennen, die Klagebefugnis in § 1 0KAGO aber so zu begrenzen, dass auch inAngelegenheiten, die den Arbeitsgemein-schaften durch § 24 MAVO zugewiesen sind,kein Prozess vor den kirchlichen Arbeitsgerich-ten geführt werden kann.

Für die Klägerin gilt hinsichtlich derKostentragung die Sonderregelung für die›Diözesane Arbeitsgemeinschaft der Mitarbei-tervertretungen im Bistum Rottenburg-Stut-gart‹ in § 25 Abs. 1 MAVO. Nach ihr tragendie Diözese bzw. der Diözesancaritasverbandjeweils in ihrem Bereich im Rahmen der inihren Haushalten zur Verfügung gestelltenMittel die notwendigen Kosten.

Zu den notwendigen Kosten gehören auchdie Kosten zur Beauftragung eines Bevoll-mächtigten im Verfahren vor dem KirchlichenArbeitsgericht; denn die Bevollmächtigungeines Rechtsanwalts bzw. einer Rechtsanwäl-tin erscheint vorliegend zur Wahrung derRechte der Diözesanen Arbeitsgemeinschaftder Mitarbeitervertretung im Bistum Rotten-burg-Stuttgart zweckmäßig.

Es kommt hinzu, dass sich die Gegenseitevon einem Rechtsanwalt vertreten lässt.Daher erscheint hier auch aus Gründen derAusgewogenheit und zur Wahrung gleicherRechte und Chancen im Prozess die Hinzuzie-hung eines Rechtsanwalts bzw. einer Rechts-anwältin auch auf Seiten der Klägerin ange-messen und zweckmäßig.

dings Voraussetzung, dass neben der Verbin-dung mit den Amtsträgern der Kirche auchsatzungsrechtlich gesichert bleibt, dass dieEinrichtung teilhat ›an der Verwirklichungeines Stückes Auftrag der Kirche im Geistkatholischer Religiosität, im Einklang mit demBekenntnis der katholischen Kirche und inVerbindung mit den Amtsträgern der katholi-schen Kirche‹ (BVerfGE 46, 73 <87>). Aller-dings muss die Einrichtung auch berechtigtsein, die Zuordnung zur Kirche preiszugeben.Dies hängt von der Rechtsgrundlage derZuordnung ab. Hier muss man insbesonderezwischen korporativ verfassten Einrichtungenund Stiftungen unterscheiden. Während imersten Fall für eine Satzungsänderung der Mit-gliederwille ausschlaggebend ist, entscheidetim letzteren Fall der Stifterwille, der zur Siche-rung des Stiftungszwecks konstant bleibt. Dasgilt für die Stiftung L. Deshalb ist die Zuord-nung zur Kirche auch bei einer Änderung derStiftungsverfassung ausgeschlossen.

Daher ist für die Beklagte die Entscheidungdes Vorstands der Stiftung L., für die Stiftungund ihre Tochtergesellschaften das kirchlicheMitarbeitervertretungsrecht nicht mehr anzu-wenden, rechtswidrig; denn sie blieb der Kir-che zugeordnet. Dafür spricht auch, dass es inder Einrichtung bis zum Jahre 2006 eine Mit-arbeitervertretung gab. Für die Zuordnung zurKirche spricht weiterhin, dass die Beklagtesich in der Öffentlichkeit als ›katholischer Träger‹ bezeichnet. (Gemäß Cc.216, 300, 803§ 3, 808 CIC darf keine Einrichtung sich ohneZustimmung der zuständigen kirchlichenAutorität ›katholisch‹ nennen. Was kirchen-rechtlich gilt, findet auch im Staatskirchen-recht Anerkennung, wie für die katholischeKirche das Bundesarbeitsgericht bereits imUrteil vom 21.10.1982 festgestellt hat (AP GGArt.140 Nr. 14, unter B I 2 a der Gründe).

Für die Beklagte ermöglicht die Stiftungs-verfassung ihrer Alleingesellschafterin, dassdurch die kirchliche Aufsicht die Zuordnungzur Kirche gewahrt bleibt. Was die Klagebe-fugnis der Klägerin angeht, wird erstinstanz-lich zu prüfen sein, ob die Klägerin nach § 8Abs. 2 lit. c KAGO als beteiligungsfähig ange-sehen werden kann. Gemäß § 10 KAGO istdie Klage außerdem nur zulässig, wenn dieKlägerin geltend macht, in eigenen Rechtenverletzt zu sein. Soweit die Klägerin nebenden einzelnen Mitarbeitervertretungen undden besonderen Formen der Vertretung vonMitarbeiterinnen und Mitarbeitern gemäß § 24 MAVO ein Organ des Mitarbeitervertre-tungsrechts ist, muss der Zweck der Arbeitsge-meinschaft in die Beurteilung einbezogenwerden. Es darf keine Konkurrenz zu denprimär zuständigen Mitarbeitervertretungen

Rechtsprechung

Personalgespräche,Abmahnung, Lohnsenkung; Notlagenregelung, Vertragsfreiheit

1. Der Grundsatz der Vertragsfreiheitumfasst auch das Recht, über vomArbeitgeber gewünschte Vertragsände-rungen nicht zu verhandeln.2. Das Direktionsrecht nach § 106GewO bezieht sich nur auf Pflichten imZusammenhang mit der geschuldetenArbeitsleistung.

Bundesarbeitsgericht,

Urteil vom 23.06.2009, Az.: 2 AZR 606/08

I. Sachverhalt:Die Parteien streiten über die Wirksamkeit

einer Abmahnung.Für das Kalenderjahr 2005 hatte die

Beklagte bei der für die AVR-K zuständigenarbeitsrechtlichen Kommission wegen erheb-licher wirtschaftlicher Schwierigkeiten eineNotlagenregelung erwirkt, aufgrund der das 13. Monatsgehalt mit Ausnahme der Mitar-beiter mit BAT-Verträgen um 46 % vermin-dert wurde. Für das Kalenderjahr 2006strebte die Beklagte eine ähnliche Regelung an. Dabei wollte sie die Mitarbei-ter mit BAT-Verträgen, zu denen auch dieKlägerin zählt, einbeziehen. Zu diesemZweck fand am 1. November 2006 eingemeinsames Gespräch mit allen Arbeitneh-merinnen und Arbeitnehmern mit BAT-Ver-trägen statt. Dieses Gespräch führte nicht zudem von der Beklagten gewünschten Ergeb-nis. Mit Schreiben vom 3. November 2006lud die Beklagte die Klägerin für Montag,den 13. November 2006, zu einem Personal-gespräch in Anwesenheit der Mitarbeiterver-tretung im Büro des Personalleiters ein.

Das Schreiben hatte folgenden Wortlaut:›PersonalgesprächSehr geehrte Frau ...,die im vergangenen Jahr auf Grund der

wirtschaftlichen Situation der DiakonischenAltenhilfe Hannover abgeschlossene Notla-gendienstvereinbarung muss zur wirtschaftli-chen Konsolidierung fortgesetzt werden.Geschäftsführung und Mitarbeitervertretungder Einrichtung haben sich daher über eineFortführung der Notlagenregelung verstän-digt.

Mitarbeiter mit BAT-Verträgen werden vondieser Dienstvereinbarung zwar nicht erfasst,über 75 % der BAT-Mitarbeiter haben aller-

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98 AuK 2009

dings bereits einer entsprechenden einzelver-traglichen Regelung zugestimmt.

Ich möchte mit Ihnen daher ein Gesprächführen und lade Sie in Abstimmung mit derGeschäftsführung der Einrichtung für Montag, den 13. Novem-ber 2006 um 10.45 Uhr in mein Büro im Per-sonalservice ein.

Die Mitarbeitervertretung wird ebenfallsan dem Gespräch teilnehmen.

Die Teilnahme an dem Gespräch ist Dienst-zeit und verbindlich.

Vielen Dank.‹Die Klägerin erschien zwar zu dem vorgegebe-nen Zeitpunkt im Büro des Personalleiters.Ebenso wie andere Mitarbeiter machte sieaber deutlich, dass sie nur bereit sei, eingemeinsames Gespräch zu führen. Dies lehntedie Geschäftsleitung der Beklagten ab. Nach-dem sie der Klägerin Gelegenheit zur Stellun-gnahme gegeben hatte, erteilte die Beklagteder Klägerin unter dem 3. Januar 2007 eineAbmahnung. Darin wirft sie der Klägerin vor,sie habe gegen Ihre allgemeinen Dienstpflich-ten verstoßen und die arbeitsvertraglichgeschuldete Arbeitsleistung (hier in Form einesPersonalgesprächs) verweigert, ohne dassdafür Rechtfertigungsgründe bestanden hätten.

Die Klägerin verlangt die Entfernung derAbmahnung aus der Personalakte.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewie-sen. Das Landesarbeitsgericht hat nach demKlageantrag erkannt. Mit der vom Landesar-beitsgericht zugelassenen Revision erstrebt dieBeklagte die Wiederherstellung des arbeitsge-richtlichen Urteils.

II. Aus den Gründen:Die Revision ist unbegründet. Das Landesar-

beitsgericht hat der Klage zu Recht entspro-chen. Die Klägerin hat gegen die BeklagteAnspruch auf Entfernung der Abmahnung vom3. Januar 2007 aus der Personalakte.

I. Nach der ständigen Rechtsprechung desBundesarbeitsgerichts kann der Arbeitnehmerin entsprechender Anwendung der §§ 242,1004 BGB die Entfernung einer zu Unrechterteilten Abmahnung aus der Personalakteverlangen (zuletzt 27. November 2008 -2 AZR675/07- AP BGB § 611 Abmahnung Nr. 33 =EzA BGB 2002 § 314 Nr. 4; 22. Februar 2001- 6 AZR 398/99 - EzBAT BAT §11 Nr. 10; 30.Mai 1996-6 AZR 537/95 - AP BGB §611Nebentätigkeit Nr. 2 = EzA BGB §611 Abmah-nung Nr. 34; 27. November 1985 -5 AZR101/84 - BAGE50, 202; vgl. KleinebrinkAbmahnung 2. Aufl. Rn. 562 ff.).

1. Bei der Abmahnung, die nunmehr in §314 Abs. 2 BGB gesetzlich verankert wurde,

handelt es sich um die Ausübung einesarbeitsvertraglichen Gläubigerrechts durchden Arbeitgeber. Als Gläubiger der Arbeitslei-stung weist er den Arbeitnehmer als seinenSchuldner auf dessen vertragliche Pflichtenhin und macht ihn auf die Verletzung dieserPflichten aufmerksam (Rügefunktion).Zugleich fordert er ihn für die Zukunft zueinem vertragstreuen Verhalten auf und kün-digt, wenn ihm dies angebracht erscheint,individualrechtliche Konsequenzen für denFall einer erneuten Pflichtverletzung an(Warnfunktion) (vgl. BAG 22. Februar 2001 -6 AZR 398/99 - EzBAT BAT §11 Nr. 10; 30.Mai 1996 - 6 AZR 537/95 - mwN, AP BGB§611 Nebentätigkeit Nr. 2 = EzA BGB § 611Abmahnung Nr. 34; 15. Juli 1992 - 7 AZR466/91 - BAGE 71, 14).

2. Eine solche missbilligende Äußerung desArbeitgebers in Form einer Abmahnung istgeeignet, den Arbeitnehmer in seinem berufli-chen Fortkommen und seinem Persönlichkeits-recht zu beeinträchtigen. Deshalb kann derArbeitnehmer die Beseitigung dieser Beein-trächtigung verlangen, wenn die Abmahnungformell nicht ordnungsgemäß zustandegekommen ist (vgl. BAG 16. November 1989 -6 AZR 64/88- BAGE 63, 240), unrichtige Tat-sachenbehauptungen enthält (vgl. BAG 27.November 1985 - 5 AZR 101/84-BAGE 50,202), auf einer unzutreffenden rechtlichenBewertung des Verhaltens des Arbeitnehmersberuht (vgl. BAG 22. Februar 2001 - 6 AZR398/99 - EzBAT BAT § 11 Nr. 10), denGrundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt(vgl. BAG 31. August 1994 - 7 AZR 893/93 -AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 98 = EzA BGB§611 Abmahnung Nr. 33) oder keinschutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers amVerbleib der Abmahnung in der Personalaktemehr besteht (vgl. BAG 30. Mai 1996 - 6 AZR537/95 - AP BGB § 611 NebentätigkeitNr. 2).

II. Von diesen Grundsätzen ist auch dasLandesarbeitsgericht ausgegangen und hatsie auf den Streitfall zutreffend angewandt.Die Abmahnung vom 3. Januar 2007 ist zuUnrecht erfolgt. Die Klägerin hat dadurch,dass sie der Aufforderung der Beklagten zurTeilnahme an dem Personalgespräch am 13.November 2006 nicht in der von der Beklag-ten gewünschten Weise folgte, keine Vertrags-pflicht verletzt.

1. Die Klägerin war zur Teilnahme an demGespräch nicht aufgrund wirksamer Weisungder Beklagten verpflichtet.

a) Der Arbeitgeber kann nach § 106 Satz 1,2, § 6 GewO gegenüber allen ArbeitnehmernInhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nachbilligem Ermessen näher bestimmen, soweit

diese Arbeitsbedingungen nicht durch denArbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebs-vereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertra-ges oder gesetzliche Vorschriften festgelegtsind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnungund des Verhaltens der Arbeitnehmer imBetrieb. Das Weisungsrecht betrifft danachzum einen die Konkretisierung der Hauptlei-stungspflicht. Es ermöglicht dem Arbeitgeber,dem Arbeitnehmer bestimmte Aufgaben zuzu-weisen und den Ort und die Zeit ihrer Erledi-gung verbindlich festzulegen. Darin erschöpftsich das Weisungsrecht jedoch nicht. Vielmehrtritt, wie auch das Landesarbeitsgericht gese-hen hat, eine nicht abschließend aufzählbare,je nach den Umständen näher zu bestimmen-de Vielzahl von Pflichten hinzu, deren Erfül-lung unumgänglich ist, um den Austausch derHauptleistungen sinnvoll zu ermöglichen (sog.leistungssichernde Verhaltenspflichten, vgl.DFL/Löwisch 2. Aufl. §241 BGB Rn. 3). Auchhierauf kann sich das Weisungsrecht beziehen.Schließlich kann das Weisungsrecht auch denin fast allen Arbeitsverhältnissen bestehendenkollektiven Bereich betreffen, in dem es umdiejenigen Regelungsbedürfnisse geht, diedurch das Zusammenwirken mehrerer Arbeit-nehmer im Betrieb entstehen. Auch auf dieseBereiche können Weisungen bezogen sein.Dagegen erstreckt sich das Weisungsrechtnicht auf die Bestandteile des Austauschver-hältnisses, also die Höhe des Entgelts und denUmfang der geschuldeten Arbeitsleistung(ErfK/Preis 9. Aufl. § 106 GewO Rn. 2;APS/Künzl 3. Aufl. § 2 KSchG Rn. 51). DaWeisungen regelmäßig keinem Formzwangunterliegen, muss dem Arbeitgeber auch dieMöglichkeit zur Verfügung stehen, sie münd-lich zu erteilen. Das beinhaltet die Berechti-gung, den Arbeitnehmer zur Teilnahme anGesprächen zu verpflichten, in denen derArbeitgeber Weisungen in einem der obengenannten Bereiche vorbereiten, erteilen oderihre Nichterfüllung beanstanden will. Stetsmuss der Arbeitgeber bei Weisungen billigesErmessen walten lassen. Das schließt die Achtung grundrechtlich geschützter Interessenein (ErfK/Preis § 106 GewO Nr. 6; DFL/Klebeck § 106 GewO Rn. 36).

b) Gemessen an diesen Grundsätzen ist dieWürdigung des Landesarbeitsgerichts, die Klä-gerin sei zur Teilnahme an dem Gespräch vom13. November 2006 nicht nach § 106 GewOverpflichtet gewesen, nicht zu beanstanden.

aa) Die Weisung der Beklagten im Schrei-ben vom 3. November 2006 war, wie das Lan-desarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat,ausschließlich auf eine Verhandlung zur Ver-tragsänderung gerichtet. Die Revision hatinsoweit keine zulässigen und begründeten

Rechtsprechung

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KircheArbeitsrecht und

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Verfahrensrügen erhoben. Sie zeigt auch nichtauf, inwiefern das Landesarbeitsgericht dasSchreiben vom 3. November 2006 unzutref-fend ausgelegt haben soll. Soweit die Revisionmeint, Gespräche dieser Art könnten sich stetsentwickeln und es sei im Einladungsschreibenauch nicht ausgeschlossen worden, dass manauf andere Themen als den Wunsch derBeklagten nach Abschluss einer Vereinbarungzur Vergütungsreduzierung zu sprechen kom-men werde, ist ihr gewiss zuzugestehen, dassdies grundsätzlich zutrifft, allerdings nur indem Sinn, in dem sich schlechthin jedesGespräch stets in jede mögliche Richtung ent-wickeln kann und bei Gesprächen von vorn-herein nie ausgeschlossen ist, dass sie auchunvorhergesehene Gegenstände berühren.Entscheidend ist aber, dass die Klägerin dasSchreiben vom 3. November 2006 nur in demSinne verstehen konnte, dass die Beklagte mitihr eine Vereinbarung zur Reduzierung des 13.Gehalts abschließen wollte, wie sie von 75 vHder Betroffenen bereits akzeptiert worden war.Genau so hat die Beklagte im ersten Rechts-zug den Sinn der Einladung ebenfalls gekenn-zeichnet. Das lag auch nahe, weil die Beklag-te aus ihrer Sicht einzelvertragliche Vereinba-rungen dieses Inhalts mit nahezu allen Mitar-beitern dringend brauchte, um ihre Sanie-rungsbemühungen zum Erfolg führen zu kön-nen.

bb) Die Weisung bezog sich damit auf kei-nen der von §106 Satzl, 2 GewO abgedecktenBereiche.

(1) Sie hatte keinen Bezug zur Arbeitspflichtder Klägerin. Das sieht offenbar auch dieBeklagte so.

(2) Sie betraf auch keine leistungssichern-den Nebenpflichten. Das Thema desGesprächs hatte keinen inhaltlichen Bezug zuden Arbeitspflichten der Klägerin. Es betrafdie Vergütung, nicht die Arbeitsleistung.

(3) Ebenso wenig war die kollektive oderdisziplinarische Seite der Arbeitspflicht betrof-fen. Es ging nicht um Vereinbarungen vonZusammenarbeit mit anderen Arbeitnehmernin zeitlicher, räumlicher oder anderer Hinsicht.Fragen der betrieblichen Ordnung standennicht zur Debatte.

(4) Die Weisung wurde auch nicht deshalbzu einer auf die Arbeitsleistung bezogenenAnordnung, weil die Beklagte die Zeit desGesprächs als Arbeitszeit deklarierte. Eine Ver-pflichtung des Arbeitnehmers, zu jedwedemGespräch mit dem Arbeitgeber zur Verfügungzu stehen, besteht nach § 106 Satz 1, 2 GewOgerade nicht. Vielmehr begrenzt das Gesetzdas Weisungsrecht auf ›Inhalt, Ort und Zeitder Arbeitsleistung‹ sowie auf ›Ordnung undVerhalten im Betrieb‹. Gespräche, die mit die-

sen Zielen in keinem Zusammenhang stehen,können danach nicht durch einseitige Anord-nung zu nach § 106 Satz 1, 2 GewO verbindli-chen Dienstpflichten erhoben werden. Etwasanderes ergibt sich nicht aus der Entschei-dung des Landesarbeitsgerichts Hamm vom23. Mai 2001 (- 14 Sa 497/01 - MDR 2001,1361). Das Berufungsgericht hat zu Rechtdarauf hingewiesen, dass es in dem der Ent-scheidung zugrunde liegenden Fall um dieArbeitspflicht und die Möglichkeit ihrer Erfül-lung ging. Eben daran fehlt es hier.

cc) Selbst wenn man entgegen den vorste-henden Ausführungen eine Pflicht des Arbeit-nehmers zur Teilnahme an Gesprächen zurVertragsänderung grundsätzlich anerkennenwollte, müsste für die hier gegebene Fallge-staltung jedenfalls etwas anderes gelten, weildie Klägerin schon deutlich gemacht hatte,dass sie der von der Beklagten beabsichtigtenVertragsänderung nicht zustimmen wollte undweil sie sich überdies bereit erklärt hatte, einGespräch unter Teilnahme weiterer Arbeitneh-mer zu führen. Unter diesen besonderenBedingungen widersprach es jedenfalls billi-gem Ermessen, wenn die Beklagte auf ihremGesprächswunsch beharrte. Wie ausgeführt,muss der Arbeitgeber bei Weisungen auch diegrundrechtlich geschützten Interessen desArbeitnehmers berücksichtigen. Nach Art. 2Abs. 1 GG ist auch die Vertragsfreiheitgeschützt. Für Arbeitsverhältnisse gilt Art. 12Abs. 1 GG (DLF/Hofmann/Wahlhäuser 2. Aufl. Art. 12 GG Rn. 36). Die Vertragsfrei-heit von Arbeitnehmer und Arbeitgeberumfasst – jedenfalls im Grundsatz – auch dasRecht, Verträge nicht abzuschließen. Mitumfasst ist das Recht der Vertragsparteien,Vertragsänderungen abzulehnen. Auch § 2KSchG setzt voraus, dass der Arbeitnehmerdas Recht hat, sogar sozial gerechtfertigteVertragsänderungen abzulehnen.

2. Die Weisung der Beklagten war nichtnach anderen Vorschriften wirksam.

a) Sonderinteressen der Beklagten, die esihr nach § 8 BAT gestattet hätten, die Wei-sung vom 3. November 2006 zu erteilen, sindnicht ersichtlich.

b) Soweit sich die Beklagte auf spezialge-setzlich normierte Beratungs- und Erörte-rungsrechte des Arbeitnehmers sowie aufetwa bestehende Obliegenheiten des Arbeit-gebers beruft, dem Arbeitnehmer vor Aus-spruch einer Änderungskündigung ein Ände-rungsangebot zu unterbreiten, und darauseine etwa nach § 241 BGB bestehende Pflichtdes Arbeitnehmers zur Teilnahme an Dienst-gesprächen ableiten möchte, kann dies zu kei-nem günstigeren Ergebnis der Beklagtenführen.

aa) Das von der Beklagten angeführte Erör-terungsrecht des Arbeitnehmers nach § 82BetrVG verpflichtet gerade nicht den Arbeit-nehmer; außerdem betrifft § 82 BetrVG keineVertragsverhandlungen zwischen Arbeitgeberund Arbeitnehmer und gibt dem Arbeitnehmerkeinen Anspruch auf verbindliche Zusagen(vgl. DKK/Buschmann BetrVG 11. Aufl. § 82 Rn. 11). Gleiches gilt für § 8Abs. 3 TzBfG und die genannten Vorschriftendes TVöD. Überdies zeigt die Normierung die-ser Gesprächspflichten, dass der Gesetzgebergerade nicht davon ausgeht, Gespräche überVertragsänderungen könnten einseitig durchWeisungsrecht angeordnet werden.

bb) Die von der Beklagten herangezogeneund inzwischen weitgehend aufgegebeneRechtsprechung des Senats zum ›Wochenge-spräch‹ (vgl. 21. April 2005 - 2 AZR 132/04 -BAGE 114, 243) betraf keine Pflicht desArbeitnehmers, sondern eine Obliegenheit desArbeitgebers. Aus einer Obliegenheit einerVertragspartei ergeben sich aber keine Ver-pflichtungen, sondern allenfalls (bei Nichter-füllung) Ansprüche der Gegenpartei.

Dritter Weg/Wahl der Lohnordnung/Mitbestimmung beiEingruppierung/ARRG-EKiR

1. Das ARRG der Ev. Kirche im Rheinlandordnet die Verbindlichkeit der Beschlüsseder Arbeitsrechtlichen Kommission nur fürverfasste Kirche und das DiakonischeWerk, nicht für dessen Mitglieder an.

2. Wenn eine Einrichtung berechtigt ist, zwi-schen mehreren kirchengesetzlich entstan-denen Arbeitsrechtsregelungen zu wählen,so gibt es keinen Rechtssatz, der gebietet,für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiternur ein einziges Arbeitsrechtsregelungsge-setz anzuwenden.

Kirchengerichtshof der EKD, Beschluss vom

23.09.2009, Az.: 1-0124/R12-09

Sachverhalt:Die Dienststellenleitung beabsichtigt, für

neu eingestellte Ärzte die AVR.DW.EKD anzu-wenden; für das nichtärztliche Personal wen-det sie weiterhin die bisher angewendetenkirchlichen Arbeitsrechtsregelungen der Ev.Kirche im Rheinland an. Die Beteiligten strei-ten darüber, ob die Mitarbeitervertretung ihreZustimmung zur Eingruppierung der Ärzte indie AVR.DW.EKD grundsätzlich verweigern

Rechtsprechung

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100 AuK 2009

darf, weil ihrer Ansicht nach die für dasnichtärztliche Personal generell angewendetenkirchlichen Arbeitsrechtsregelungen auch aufdie Ärzte anzuwenden seien.

Vorliegend streiten die Beteiligten konkretdarüber, ob die Mitarbeitervertretung deshalbeinen Grund hat, ihre Zustimmung zur Ein-gruppierung der Assistenzärztin, die seit dem1. April 2008 zu ihrer Weiterbildung zurFachärztin für Anästhesie beschäftigt wird, indie Entgeltgruppe 12 der Anlage 1 zuAVR.DW.EKD zu verweigern.

Die Dienststellenleitung hat geltendgemacht, die Mitarbeitervertretung habe nichtdas Recht, die Zustimmung mit der Begrün-dung zu verweigern, anstelle der AVR.DW.EKDmüsse eine andere kirchliche Arbeitsrechtsre-gelung angewendet werden. Als Mitglied desDiakonischen Werkes der Evangelischen Kircheim Rheinland (DW.EKiR) sei sie nach § 5 Abs.1 Buchstabe b dessen Satzung gehalten, nurArbeitsrechtsregelungen anzuwenden, die ineinem anerkannten kirchengesetzlichen Ver-fahren geschaffen worden seien, das aufeinem strukturellen Gleichgewicht der Dienst-geberseite und Mitarbeiterseite beruhe. Einesolche Arbeitsrechtsregelung seien dieAVR.DW.EKD.

Die Schlichtungsstelle hat dem Antrag derDienststellenleitung stattgegeben. Gegen die-sen Beschluss wendet sich die Mitarbeiterver-tretung mit ihrer Beschwerde.

Aus den Gründen:II. (...)Die Beschwerde ist nicht begründet. Die

Vorinstanz hat zutreffend erkannt, dass für dieMitarbeitervertretung kein Grund (§ 41 Abs. 1Buchstabe a MVG.EKD) vorliegt, ihre Zustim-mung zu verweigern. Die Wahl der Dienststel-lenleitung, auf Arbeitsverhältnisse mit neu ein-gestellten Ärzten die AVR.DW.EKD anzuwen-den, ist aus rechtlichen Gründen nicht zubeanstanden.1. Das Mitbestimmungsrecht bei der Ein-

gruppierung (§ 42 Buchst. c MVG.EKD) istdarauf beschränkt, kontrollierend mitzu-bestimmen, ob die Eingruppierung ineiner der anwendbaren kirchlichen Vergü-tungsordnungen zutrifft oder nicht. Dage-gen ist durch § 42 Buchst. c MVG.EKD fürdie Mitarbeitervertretung kein Mitbestim-mungsrecht des Inhalts eröffnet, dass siemitzubestimmen hätte, welche von mehre-ren kirchlichen Vergütungsord-nungenanzuwenden seien (VerwG.EKD, Beschlussvom 4. Mai 2000 - 0124/D39-99 - ZMV2000, 183; Beschluss vom 10. August2000 - 0124/E5-00 - ZMV 2000, 282;

KGH.EKD Beschluss vom 20. Oktober2008 - II-0124/P21-08 - n.v.; Beschlussvom 8. Juli 2009 -I-0124/P63-08-Z.V.V.).

2. Die Mitarbeitervertretung darf ihreZustimmung verweigern, wenn – andereskommt hier nicht in Betracht – die Maß-nahme gegen höherrangiges Recht ver-stößt (§ 41 Abs. 1 Buchstabe aMVG.EKD).Es liegt kein Rechtsverstoß vor, wenn und

weil die beteiligte Dienststelle anstelle dernach dem Arbeitsrechtsregelungsgesetz derEvangelischen Kirche im Rheinland ergange-nen Arbeitsrechtsregelungen, die sie nach wievor auf alle nichtärztlichen Mitarbeiterinnenund Mitarbeiter anwendet, auf neu eingestell-te Ärzte die nach dem Recht der EKD entstan-denen AVR.DW.EKD anwendet.

a) Über die Frage, welche der mehrerenkirchlichen Vergütungsordnungen angewendetwird, hat die Mitarbeitervertretung nicht nach§ 42 Buchstabe c MVG.EKD mitzubestimmen.Dies hat der KGH.EKD mehrfach für Fälle ent-schieden, in denen die Dienststellen demDW.EKiR (KGH.EKD Beschluss vom 8. Juli2009 - I-0124/P63-08 - z.V.v.; Beschluss vom20. Oktober 2008-II-0124/P21-08-n.v.).

b) Auch die hier antragstellende Dienststel-le ist nicht aufgrund ihrer Mitgliedschaft imDW.EKiR verpflichtet, auf die neu eingestell-ten Ärzte den BAT-KF anzuwenden. Als Mit-glied des DW.EKiR muss sie kirchenrechtlicheArbeitsrechtsregelungen anwenden. Dies sindaber nicht zwingend solche der EKiR. Nach §5 Abs. 1 Buchstabe a der Satzung desDW.EKiR kann sie wählen, ob sie die für die-ses Diakonische Werk geschaffenen Arbeits-rechtsregelungen anwendet oder die für dasDiakonische Werk der EKD geschaffenenAVR.DW.EKD (vgl. zum BAT-KF: BAG vom 20.März 2002 - 4 AZR 101/01 - BAGE 101, 9, 16f.). Von dieser Wahlmöglichkeit hat sieGebrauch gemacht, indem sie dieAVR.DW.EKD seit einiger Zeit bei Neueinstel-lungen von Ärzten zugrunde legt.

Der § 3 ARRG.EKiR ändert daran nichts.Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 ARRG.EKiR sind dievon der Arbeitsrechtlichen Kommission nach § 2 Abs. 2 ARRG.EKiR und die von der Rhei-nisch-Westfälisch-Lippischen Arbeitsrechtli-chen Schiedskommission nach § 19ARRG.EKiR beschlossenen Arbeitsrechtsrege-lungen verbindlich und wirken normativ. Nach§ 3 Abs. 2 ARRG.EKiR dürfen nur Arbeitsver-träge geschlossen werden, die den von derArbeitsrechtlichen Kommission und derArbeitsrechtlichen Schiedskommissionbeschlossenen Arbeits-rechtsregelungen ent-sprechen.

Indessen erfasst § 3 ARRG.EKiR nicht die hierin Rede stehende Dienststelle. Nach § 23 Abs.1 ARRG.EKiR gilt ›dieses Arbeitsrechtsrege-lungsgesetz ... für den Bereich der Ev. Kirche imRheinland und ihres Diakonischen Werkes‹. Daskann nur dahin verstanden werden, dass sichder Geltungsbereich des ARRG.EKiR nicht aufdie antragstellende Dienststelle erstreckt, dennsie ist nicht das DW.EKiR, sondern gehört ihmnur als eine Einrichtung qua Vereinsmitglied-schaft an. Der Wortlaut der § 23 ARRG.EKiRbeschränkt den Geltungsbereich des § 3ARRG.EKiR. Die Wörter ›ihres DiakonischenWerkes‹ stehen dafür, dass damit das von derLandeskirche geführte ›Diakonische Werk‹erfasst ist, nicht aber die einzelnen Dienststel-len oder Einrichtungen der Kirchenkreise oderörtlichen Kirchen oder der sonstigen Trägerdiakonischen Wirkens, auch wenn sie Mit-glie-der des DW.EKiR sind (vgl. KGH.EKD, Beschlussvom 8. Juli 2009 - I-0124/P63-08 - z.V.v.;Beschluss vom 20. Oktober 2008 - 11-0124/P21-08 - n.v.).

c) Darf eine diakonische Einrichtung nachübergeordnetem Recht oder nach der Satzungdes Diakonischen Werkes, dem sie angehört,zwischen mehreren kirchengesetzlich entstan-denen Arbeitsrechtsregelungen wählen, so gibtes keinen Rechtssatz, der gebietet, alle oderalle Gruppen von Mitarbeiterinnen und Mitar-beitern nach nur einem einzigen Arbeitsrechts-regelungswerk zu behandeln. Insbesondere ausdem allgemeinen Gleichbehandlungsgebot läs-st sich dies nicht ableiten. Das allgemeineGleichbehandlungsgebot gebietet, Gleichesgleich, Ungleiches ungleich zu behandeln. Dasaber schließt nicht aus, nach dem so genann-ten Stichtagsprinzip für sachgerecht gebildeteGruppen unterschiedliche Arbeitsrechtsregelun-gen anzuwenden.

Das ist hier der Fall. Die Bildung der Gruppeder Ärzte einerseits und der Gruppe der nichtärztlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiterandererseits hinsichtlich der Anwendung derSysteme der Arbeitsrechtsregelungen ist sach-gerecht. Sie entspricht tendenziell auch derEntwicklung der Koalitionen und ihren Betäti-gungen im nichtkirchlichen Bereich.

Das Stichtagsprinzip besagt, dass von einembestimmten Tag (oder Ereignis) an für alle neu-en Fälle eine bestimmte andere oder neueRegelung angewendet wird. Es ist auch danngewahrt, wenn der Stichtag nicht dienststel-lenöffentlich benannt wird. Vorliegend istunstreitig, dass die Dienstgeberseite für alleNeueinstellungen von Ärzten kategorisch dieAVR.DW.EKD anwenden will (und anwendet),wohingegen die Mitarbeitervertretung demebenso kategorisch entgegentritt.

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