Andrea Kühn Das Joint-Venture als spezielle Form der internationalen Kooperation - Markterschließungsstrategie für den deutschen Mittelstand in Indien? Untersuchung der Motive, Gründung und Erfolgsfaktoren
Arbeitspapier Nr. 9 Bremen, Mai 2008
Impressum:
LEMEX-Lehrstuhl für Mittelstand, Existenzgründung und Entrepreneurship Prof. Dr. Jörg Freiling
und
Förderverein für Mittelstandsforschung e.V.
als Herausgeber der Reihe
„Bremer Arbeitspapiere zur Mittelstandsforschung“
Korrespondenzadresse:
LEMEX-Lehrstuhl für Mittelstand, Existenzgründung und Entrepreneurship
Fachbereich Wirtschaftswissenschaft
Universität Bremen
Wilhelm-Herbst-Straße 5
D-28359 Bremen
E-Mail: [email protected]
www.lemex.uni-bremen.de
ISSN: 1612-6637
Copyright 2008
Bremer Arbeitspapiere zur Mittelstandsforschung
Eine Kooperation des Lehrstuhls für Mittelstand, Existenzgründung und Entrepreneurship
der Universität Bremen mit dem Förderverein für Mittelstandsforschung e.V., Bremen
Arbeitspapier Nr. 9
Andrea Kühn
Thema:
Das Joint-Venture als spezielle Form der internationalen Kooperation – Markterschließungsstrategie für den deutschen Mittelstand in Indien?
Untersuchung der Motive, Gründung und Erfolgsfaktoren
Bremen, Mai 2008
Mission der „Bremer Arbeitspapiere zur Mittelstandsforschung“
Grundlegende Motivation
Die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft hängt in maßgeblicher Weise von der mittel-
ständischen Wirtschaft ab. Im Gegensatz zu seiner volkswirtschaftlichen Bedeu-
tung wird der Mittelstand in der akademischen Diskussion nur selten adäquat be-
rücksichtigt. Der Förderverein für Mittelstandsforschung e.V., Bremen, sowie der
Lehrstuhl für Mittelstand, Existenzgründung und Entrepreneurship (LEMEX) der
Universität Bremen geben gemeinschaftlich eine Arbeitspapierreihe heraus, um
aktuelle Ergebnisse zu publizieren, die gleichermaßen forschungs- als auch pra-
xisrelevant sind. Beide Institutionen fühlen sich in besonderer Weise dem Standort
Bremen verbunden und beabsichtigen mit den „Bremer Arbeitspapieren zur Mit-
telstandsforschung“ zugleich eine regionale Förderung. Die Papiere werden zum
Teil in deutscher, zum Teil in englischer Sprache publiziert.
Die Träger der „Bremer Arbeitspapiere zur Mittelstandsforschung“
Förderverein für Mittelstandsforschung e. V., Bremen:
Zielsetzung des Fördervereins für Mittelstandsforschung e.V. ist es, regionale In-
formationen über die Situation des Mittelstandes aufzuarbeiten und gleichzeitig
wissenschaftliche Grundlagen für eine regionale Mittelstandspolitik erstellen zu
helfen. Der Förderverein versteht sich als ein Bindeglied zwischen mittelständi-
scher Unternehmenspraxis und Wissenschaft. Er schreibt u.a. den Studienpreis
für Mittelstandsforschung für herausragende wissenschaftliche Arbeiten (Diplom-,
Bakkalaureats-, Master- und Doktorarbeiten) aus, die auf den Mittelstand bezoge-
ne Themen zum Gegenstand haben.
Lehrstuhl für Mittelstand, Existenzgründung und Entrepreneurship, Bremen:
Der Lehrstuhl wurde zum 1.4.2001 als Stiftungsgastprofessur „Management mit-
telständischer Unternehmen im internationalen Geschäft“ besetzt und zum
10.1.2002 in einen dauerhaften Lehrstuhl des Fachbereichs 7 (Wirtschaftswissen-
schaft) der Universität Bremen umgewandelt. Die Stiftungsmittel für die Gastpro-
fessur wurden vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft bereitgestellt.
Der Lehrstuhl konzentriert sich auf die Mittelstands- und Gründungsforschung, auf
den Transfer von Forschungsergebnissen in die Praxis, auf die Identifikation for-
schungsrelevanter Themenstellungen in der Praxis sowie auf Lehrveranstaltungen
zu den genannten Themen in deutscher und englischer Sprache. Der Lehrstuhl
bietet mit dem Fach „Dienstleistungs-, KMU- und Gründungsmanagement“ eine
spezielle Betriebswirtschaftslehre für den mittelständischen Bereich an.
Geleitwort Indien ist im Aufbruch! Meldungen dieses Inhalts gehören seit einiger Zeit zu den
täglichen Nachrichten – nicht nur den Wirtschaftsmeldungen. Mittal kauft Europas
Stahlwerke, Tata erwirbt Jaguar und Land Rover. Firmen, die vor kurzem auf dem
europäischen Markt kaum bekannt waren, treten plötzlich als Global Player auf.
Einer von fünf Menschen auf unserem Planeten ist Inder. In Indien entsteht un-
übersehbar ein Zentrum der Forschung, Fabrikation und IT-Dienstleistungen. Zu-
sätzlich zu den vielen bereits gut ausgebildeten und Englisch sprechenden Ar-
beitskräften entwickelt sich auch ein riesiger Absatzmarkt für Investitions- und
Konsumgüter. Ferner gibt es seit mehr als 60 Jahren ein stabiles, politisches Sys-
tem – die größte und funktionierende Demokratie der Welt. Indien steigt trotz aller
Armutsprobleme der ländlichen Bevölkerung, trotz aller traditionellen Denkge-
wohnheiten, trotz noch hoher Analphabetenquote und trotz einer schwerfälligen,
korrupten Bürokratie beharrlich in den Kreis der potentiellen Weltmächte auf. Nach
der selbstbewussten Auffassung des indischen Premiers Manmohan Singh wird
das 21. Jahrhundert sogar „das indische Jahrhundert“ sein. Teils irritiert sieht die
Welt derzeit, dass auf dem indischen Subkontinent ein Riese herangewachsen ist,
der schon heute das ökonomische und politische Weltgeschehen mitbestimmt.
Indien tritt inzwischen als weltweiter Konkurrent von Ressourcen, Arbeitskräften
und Märkten auf.
Indien wird von Europa entdeckt – nach 500 Jahren erneut! So sehen einige Öko-
nomen und Historiker mit dem Beginn der europäischen Welteroberung auch den
Beginn der Globalisierung. 1498 hatte Vasco da Gama endlich den Seeweg nach
Indien gefunden, dem Land, mit bisher dem auf dem beschwerlichen, zeitrauben-
den Landweg der profitable Gewürzhandel durchgeführt wurde. Die eurozentri-
sche Sicht der Welt schuf zunächst und verfestigte später die Teilung der Welt in
Entwicklung und Unterentwicklung. Indien erlitt einen schweren Bedeutungsver-
lust. Erst im 19. Jahrhundert pries der amerikanische Schriftsteller Mark Twain
Indien als „das Land, das alle Menschen zu sehen wünschen“. Indische (Welt-)
Religionen beschäftigten europäische Theologen, Historiker und Philosophen. Erst
die wirtschaftlichen Notstandsmaßnahmen im Jahr 1990 und die darauf folgenden
marktwirtschaftlichen Reformen bildeten die Voraussetzungen für Indiens unglaub-
lichen, rasanten Sprung in die Weltökonomie des 21. Jahrhunderts. Unverständli-
cherweise ist aus deutscher Sicht der indische Markt durch deutsche Unterneh-
men bisher stark vernachlässigt worden. Der Blick richtet sich verstärkt auf China,
obwohl der im Rahmen der Globalisierung ständig wachsende Konkurrenzdruck
nationaler und internationaler Anbieter auch die mittelständischen Unternehmen
zum Eintritt in ausländische Märkte zwingt. Insbesondere werden internationale
Kooperationen als strategische Option nur selten als Möglichkeit genutzt.
In diesem Zusammenhang stellt die Arbeit von Frau Andrea Kühn einen wichtigen
Beitrag zum Grundverständnis internationaler Kooperation mit Blick auf Indien dar.
Sie setzt Orientierungspunkte für eine erfolgreiche Markterschließungsstrategie für
Mittelständler, wobei die Ursachen für das Scheitern bisheriger deutsch-indischer
Gemeinschaftsunternehmen und die Faktoren und Bedingungen für einen ge-
meinsamen Erfolg untersucht werden. Indien wird als Wirtschaftsraum vorgestellt,
um die wirtschaftlichen, rechtlichen, gesellschaftlichen und politischen Rahmen-
bedingungen für den deutschen Investor zu erkennen. Motive deutsch-indischer
Joint-Ventures und Gründungsprozesse werden analysiert und Gründe für das
Scheitern aber auch Erfolgsfaktoren aufgezeigt. Das Ziel schließlich, die Bedin-
gungen für eine erfolgreiche deutsch-indische Joint-Venture-Gründung heraus zu
arbeiten, wird schließlich überzeugend erreicht.
Als akademischer Betreuer dieser Diplomarbeit habe ich mich sehr gefreut, dass
Frau Andrea Kühn dafür den ersten Preis des Studienpreises 2007 des Bremer
Fördervereins für Mittelstandsforschung e.V. erhalten hat.
Weyhe, März 2008 Prof. Dipl. Georg Volker Hannemann
Vorwort
Die Charakterisierung des Mittelstandes als Herzblut oder als Rückgrat der Wirt-
schaft kennzeichnet dessen hohe Bedeutung für den Standort Deutschland und
damit auch eines meiner Motive für die nachfolgende Arbeit. Um diesem Rückgrat
auch in Zukunft ausreichend Tragfähigkeit zu verleihen, ist die Orientierung über
nationale Grenzen hinweg schlichtweg unverzichtbar geworden.
Deutsche Mittelständler sind zweifellos aktiv und erfolgreich im Ausland; reden wir
jedoch von einem Engagement auf dem asiatischen Kontinent, bleibt der Focus
auf China gerichtet. Verkannt wird dabei, dass Indien ebenfalls zu einer Wirt-
schaftsmacht herangewachsen ist und enorme Potenziale bietet. Vor kurzem wur-
de gar über die deutsch-indischen Wirtschaftsbeziehungen als eine Geschichte
der verpassten Gelegenheiten berichtet. Dem möchte ich mit meiner Arbeit entge-
gen wirken und eine Möglichkeit aufzeigen, wie die Erschließung des indischen
Marktes vorgenommen werden kann.
Mein besonderer Dank gilt Herrn Prof. Hannemann für seine fachliche Unterstüt-
zung und Motivation, Herrn Prof. Dr. Herle als Zweitgutachter, dem German-Indian
Roundtable (GIRT), insbesondere Herrn Schröder von der Hako-Werke Internatio-
nal GmbH sowie Herrn Eberhardt von der Indian-German Consultancy Agency
(igca) GmbH.
Bremen, März 2008 Andrea Kühn
DIE AUTORIN
Andrea Kühn
Kantstr. 53
28201 Bremen
Kurzlebenslauf Frau Andrea Kühn beendete im Jahr 1996 ihre schulische Ausbildung mit dem
Abitur am „Johann-Heinrich-v.-Thünen-Gymnasium“ in Rostock. Nach der Ausbil-
dung zur Industriekauffrau bei einem Energieversorgungsunternehmen in Rostock
nahm sie im Zeitraum 1999/2000 am 16. Parlamentarischen Patenschaftspro-
gramm (Inwent) in den USA teil. Nach der Rückkehr erfolgte 2001 die Aufnahme
des Studiums der International Studies of Global Management an der Hochschule
Bremen, welches einen zweisemestrigen Auslandsaufenthalt in einem Schwellen-
land vorsieht. Das theoretische Auslandssemester absolvierte sie im Jahr 2003 an
der „Universidad Técnica Federico Santa María“ in Valparaíso, Chile. Im An-
schluss realisierte sie das praktische Auslandssemester als Projektassistentin in
einer chilenischen Unternehmensberatung in Viña del Mar. Das Studium schloss
sie im Jahr 2006 mit Auszeichnung mit der Erlangung des Grades Diplom-
Kauffrau (FH) ab.
Nach zweijähriger Beschäftigung im strategischen und operativen Einkauf, arbeitet
Frau Kühn seit April 2008 im Rahmen des Führungskräftenachwuchsprogramms
bei einem führenden Bremer Logistikunternehmen.
Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis ................................................................................... IV Tabellenverzeichnis ........................................................................................ IV Abkürzungsverzeichnis ...................................................................................V 1. EINLEITUNG......................................................................................................... 1 1.1 Problemstellung und Zielsetzung............................................................. 1
1.2 Aufbau der Arbeit und Vorgehensweise .................................................. 2
1.3 Begriffsabgrenzung: mittelständische Unternehmen ............................... 3
2. INTERNATIONALE KOOPERATIONEN .............................................................. 4 2.1 Begriffsklärung und Merkmale ................................................................. 4
2.2 Klassifizierung internationaler Kooperationen.......................................... 6
2.2.1 Kapitalbeteiligung .................................................................................... 6
2.2.2 Kooperationsrichtung............................................................................... 7
2.2.3 Kooperationsgegenstand......................................................................... 8
2.3 Motive und Ziele ...................................................................................... 9
2.4 Die Transaktionskostentheorie als Erklärungsansatz für
internationale Kooperationen................................................................. 13
2.4.1 Transaktion und Transaktionskosten..................................................... 14
2.4.2 Grundannahmen und Einflussgrößen.................................................... 15
2.4.3 Kritik ....................................................................................................... 18
2.5 Internationale Kooperationen ohne Kapitalbeteiligung .......................... 18
2.5.1 Übertragung schlüsselfertiger Anlagen.................................................. 18
2.5.2 Managementverträge............................................................................. 19
2.5.3 Lizenzverträge ....................................................................................... 20
2.5.4 Franchising ............................................................................................ 21
2.6 Internationale Kooperationen mit Kapitalbeteiligung: Joint-Venture ...... 22
2.6.1 Überblick................................................................................................ 22
2.6.2 Definition................................................................................................ 24
2.6.3 Phasen in der Joint-Venture Entwicklung .............................................. 26
2.6.4 Vorteile................................................................................................... 27
2.6.5 Probleme und Risiken............................................................................ 28
I
3. INDIEN ALS WIRTSCHAFTSRAUM .................................................................. 30 3.1 Der Reformprozess................................................................................ 32
3.1.1 Ursachen ............................................................................................... 32
3.1.2 Maßnahmen........................................................................................... 35
3.2 Politische Rahmenbedingungen ............................................................ 38
3.3 Wirtschaftliche Rahmenbedingungen .................................................... 41
3.3.1 Wirtschaftliche Entwicklung ................................................................... 41
3.3.2 Wirtschaftsstruktur ................................................................................. 42
3.3.3 Außenwirtschaft ..................................................................................... 45
3.4 Rechtliche Rahmenbedingungen........................................................... 46
3.5 Gesellschaftliche Rahmenbedingungen ................................................ 48
3.6 Stärken und Potentiale .......................................................................... 51
3.7 Schwächen und Problembereiche ......................................................... 54
4. DEUTSCH-INDISCHE JOINT-VENTURES......................................................... 58 4.1 Investitionsklima .................................................................................... 58
4.2 Bestandsaufnahme der deutsch-indischen Joint-Ventures.................... 61
4.3 Motive der Joint-Venture Partner ........................................................... 64
4.3.1 Motive der deutschen Unternehmen...................................................... 64
4.3.2 Motive der indischen Unternehmen ....................................................... 67
4.4 Interkulturelle Einflussfaktoren............................................................... 69
4.5 Gesetzliche Rahmenbedingungen......................................................... 73
4.5.1 Institutionen ........................................................................................... 75
4.5.2 Genehmigungsverfahren ....................................................................... 76
4.5.3 Gesellschaftsformen .............................................................................. 77
4.6 Gründungsprozess ................................................................................ 78
4.6.1 Partnerwahl............................................................................................ 79
4.6.1.1 Die Suche nach einem geeigneten Partner und Kontaktaufnahme....... 80
4.6.1.2 Anforderungskriterien und Erwartungen ................................................ 82
4.6.1.3 Evaluation und Selektion ....................................................................... 84
4.6.2 Der Verhandlungsprozess ..................................................................... 85
4.6.2.1 Vorbereitung .......................................................................................... 86
4.6.2.2 Ablauf..................................................................................................... 87
4.6.3 Die Vertragsgestaltung .......................................................................... 89
4.6.3.1 Allgemeiner Aufbau ............................................................................... 89
4.6.3.2 Die Inhalte im Einzelnen ........................................................................ 90
II
4.7 Gründe für das Scheitern von Joint-Ventures und
Erfolgsfaktoren....................................................................................... 94
4.7.1 Unzulängliche Vorbereitung................................................................... 94
4.7.2 Nicht ausreichende Berücksichtigung der indischen Mentalität............. 96
4.7.3 Unsystematische Partnerwahl ............................................................... 97
4.7.4 Divergierende Zielvorstellungen ............................................................ 98
4.7.5 Streit über Kompetenzverteilung und Unternehmensführung................ 99
4.7.6 Mangelnde Kooperationsbereitschaft .................................................. 100
4.7.7 Misstrauen ........................................................................................... 101
4.8 Zweckmäßigkeit des Joint-Ventures im Vergleich mit anderen
Formen der Markterschließung am Beispiel 100%ige Tochter-
gesellschaft .......................................................................................... 102
5. FALLBEISPIEL: HAKO-WERKE INTERNATIONAL GMBH, BAD OLDESLOE......................... 105 5.1 Unternehmensprofil ............................................................................. 105
5.2 Motivation für ein Engagement in Indien.............................................. 107
5.3 Die Entscheidung für ein Joint-Venture und die Partnerwahl .............. 109
5.4 Vertragsgestaltung............................................................................... 110
5.5 Problembereiche und Konfliktpotential ................................................ 112
5.6 Ergebnisse........................................................................................... 114
5.7 Erfolgsfaktoren..................................................................................... 114
6. FAZIT................................................................................................................. 117 LITERATURVERZEICHNIS .............................................................................. 120
III
Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Beispiele von Kooperationen nach dem Kriterium Kooperationsgegenstand......... 9
Abb. 2: Bedeutung der Allianzmotive................................................................................ 11
Abb. 3: Einflussfaktoren in der Transaktionskostentheorie ............................................... 15
Abb. 4: Kooperationsformen zwischen Macht und Hierarchie .......................................... 29
Abb. 5: Staatsflagge Indien............................................................................................... 30
Abb. 6: Emblem Indien...................................................................................................... 30
Abb. 7: Landkarte Indien................................................................................................... 30
Abb. 8: Indiens Anteil am Welthandel von 1948 bis 1991................................................. 33
Abb. 9: Sitzverteilung in der 14. Lok Sabha...................................................................... 40
Abb. 10: Wirtschaftswachstum von 1990/91 bis 2005/06 ................................................. 41
Abb. 11: Sektorale Verteilung, 1990/91 und 2004/05 ....................................................... 44
Abb. 12: Regionale Disparitäten, dargestellt am BIP pro Kopf ......................................... 50
Abb. 13: Entwicklung FDI von 1991/92 bis 2004/05 ......................................................... 60
Abb. 14: Entwicklung Joint-Ventures von 1981 bis 2002.................................................. 61
Abb. 15: Höhe der Kapitalbeteiligung ............................................................................... 63
Abb. 16: Höchstbeteiligungsgrenzen in div. Sektoren....................................................... 75
Abb. 17: Phasen der Joint-Venture Gründung.................................................................. 79
Abb. 18: Eckpunkte des Joint-Venture Vertrages ............................................................. 91
Abb. 19: Strukturen der HAKO Holding GmbH & Co.KG................................................ 106
Abb. 20: Umsatz nach Regionen 2004, gesamt 321 Mio. EUR ...................................... 107
Abb. 21: Gründung Roots Multiclean Ltd. ....................................................................... 110
Abb. 22: Roots Multiclean Ltd. in Coimbatore, Tamil Nadu ............................................ 116
Tabellenverzeichnis Tab. 1: Beispiele von Kooperationen nach dem Kriterium Kooperationsrichtung ............... 8
Tab. 2: Datenblatt Indien................................................................................................... 31
Tab. 3: Regionale Disparitäten, dargestellt an diversen sozialen Indikatoren .................. 51
IV
Abkürzungsverzeichnis Abb. Abbildung
ADB Asian Development Bank
AG Aktiengesellschaft
ASEAN Association of South East Asian Nations
bfai Bundesagentur für Außenwirtschaft
BIP Bruttoinlandsprodukt
BJP Bharatiya Janata Party
BPO Business Process Outsourcing
Bsp. Beispiel
bzw. beziehungsweise
ca. circa
CPI Communist Party of India
CPM Communist Party of India-Marxist
DB Deutsche Bank
DEG Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft
d.h. das heißt
DIHK Deutsch-Indische Handelskammer
DIPP Department of Industrial Policy and Promotion
div. diverse
EPZ Export Processing Zones
etc. et cetera
EOU Export Oriented Unit
EUR Euro
e.V. eingetragener Verein
evt. eventuell
F&E Forschung und Entwicklung
f. folgende
ff. fortfolgende
FDI Foreign Direct Investment
FERA Foreign Exchange Regulation Act
FIIA Foreign Investment Implementation Authority
FIPB Foreign Investment Promotion Board
gesch. geschätzt
V
GIRT German-Indian Roundtable
GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung
GOI Government of India
GuV Gewinn und Verlust
HPCL Hindustan Petroleum Corporation Ltd.
Hrsg. Herausgeber
IBM International Business Machines
igca Indian-German Consultancy Agency
IMF International Monetary Fund
INC Indian National Congress
INR Indische Rupie
IP&ID Investment Promotion and Infrastructure Development
ISO International Standardisation Organisation
IST Indian Standard Time
IT Informationstechnologie
km2 Quadratkilometer
KMU Kleinere und mittlere Unternehmen
LKW Lastkraftwagen
LOI Letter of Intent
lt. laut
Ltd. Limited
Mio. Millionen
MNC Multinational Company
MOU Memorandum of Understanding
Mrd. Milliarden
NCMP National Common Minimum Program
NDA National Democratic Alliance
o.g. oben genannt
o.V. ohne Verfasser
RBI Reserve Bank of India
rd. rund
S. Seite
SAARC South Asian Association for Regional Co-operation
SCT Scheduled Castes and Tribes
VI
SEZ Special Economic Zones
SIA Secretariat for Industrial Assistance
u.a. und andere, unter anderem
UNCTAD United Nations Conference on Trade and Development
UPA United Progressive Alliance
USA United States of America
USD Dollar
usw. und so weiter
u.U. unter Umständen
vgl. vergleiche
VR Volksrepublik
vs. versus
WTO World Trade Organization
z.B. zum Beispiel
zit. n. zitiert nach
z.T. zum Teil
VII
1. EINLEITUNG
1.1 Problemstellung und Zielsetzung
Es ist längst kein Geheimnis mehr: Die zukünftigen globalen Wachstumsmärkte
liegen in Asien! Dennoch scheint derzeit Asien als attraktiver Investitionsstandort
nicht über China hinauszureichen. Auf der Suche nach einem geeigneten Diplom-
arbeitsthema war die massive Vernachlässigung des indischen Marktes durch
deutsche Unternehmen geradezu augenscheinlich. Liest man in der Presse dann
doch über ein Indien-Engagement; dann fast immer in Verbindung mit großen
Namen, wie Siemens, Thyssen-Krupp, Bosch oder BMW. Ohne Zweifel stellt die
Internationalisierung für die meisten mittelständischen Unternehmen, dem oft zi-
tierten „Herzblut der deutschen Wirtschaft“, ein schwieriges Unterfangen dar.
Dennoch zwingt zunehmender Konkurrenzdruck nationaler und internationaler
Anbieter auch diese Firmen zum Eintritt in ausländische Märkte. Doch vielfach
befinden sich diese auf Grund einer restriktiven Ressourcensituation gegenüber
Großunternehmen in einer nachteiligen Position und sind daher gar nicht in der
Lage eine autonome Markterschließung vorzunehmen. Trotzdem werden interna-
tionale Kooperationen als strategische Option für einen Markteintritt bislang ver-
halten genutzt. Daher soll im Rahmen dieser Arbeit ein Grundverständnis zu die-
sem Thema geschaffen werden. Des Weiteren soll eine Diskussion der indischen
Rahmenbedingungen erfolgen, um den Subkontinent als Investitionsumfeld zu
beleuchten.
Zudem müssen sich Mittelständler vielfach dem Vorwurf stellen, sich bislang zu
sehr auf ihr Bauchgefühl als auf eine Strategie zu verlassen.1 Ziel dieser Arbeit ist
es deshalb, Orientierungspunkte für eine erfolgreiche Markterschließungsstrategie
zu markieren. Dies schließt die Identifikation von Ursachen für das Scheitern
deutsch-indischer Gemeinschaftsunternehmen und Faktoren als Bedingung für
den gemeinsamen Erfolg ein. Ergebnis dieser Arbeit soll die Beantwortung der
Frage sein, ob das Joint-Venture für ein mittelständisches Unternehmen eine ge-
eignete Markteintrittstrategie darstellt.
1 vgl. Leendertse, 2005, S.80
1
1.2 Aufbau der Arbeit und Vorgehensweise
Zur Beantwortung dieser Problemstellung erfolgt im Anschluss an eine kurze Ein-
leitung zunächst im zweiten Teil die Einbettung des Themas in einen theoreti-
schen Rahmen. Dabei wird der Kooperationsbegriff erläutert und der Transakti-
onskostenansatz, der die Entstehung von internationalen Kooperationen grund-
sätzlich klärt, diskutiert. Nach der anschließenden Vorstellung verschiedener Ko-
operationsformen ohne Kapitalbeteiligung, schließt dieser Teil mit der Einführung
des Joint-Ventures als Kooperationsform mit Kapitalbeteiligung ab. Der dritte Teil
behandelt Indien als Wirtschaftsraum und dient zur Klärung der politischen, wirt-
schaftlichen, rechtlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für den aus-
ländischen Investor. Die in den vorherigen Teilen geschaffenen Grundlagen wer-
den im vierten Teil, der deutsch-indische Joint-Ventures thematisiert, zusammen-
geführt. Hierbei werden insbesondere die Motive der Partner aufgegriffen und das
Gründungsprozedere eines Joint-Ventures untersucht. Nachfolgend werden Grün-
de für das Scheitern und Erfolgsfaktoren aufgezeigt. In Teil fünf verdeutlicht das
Fallbeispiel der HAKO-Werke International GmbH, Bad Oldesloe, die Erfahrungen
eines mittelständischen Unternehmens in Indien, die 1993 den Markteintritt in
Form eines Joint-Ventures wagten. Die Ergebnisse dieser Arbeit werden im sechs-
ten Teil, dem Fazit, dargestellt.
Neben dem intensiven Studium von Literaturquellen und Reporten der indischen
Regierung sowie internationaler Organisationen erfolgte für die Untersuchung der
Problemstellung die mehrmalige Teilnahme am German-Indian Roundtable (GIRT)
in Hamburg, einem Forum für mittelständische Unternehmen in Indien. Des Weite-
ren wurden Einzelinterviews mit Rechtsanwalt Jan Eberhardt von der Indian-
German Consultancy Agency (igca) GmbH und Herrn Rüdiger Schröder, dem Ge-
schäftsführer der HAKO-Werke International GmbH geführt.
2
1.3 Begriffsabgrenzung: mittelständische Unternehmen
Im Rahmen dieser Arbeit werden lediglich mittelständische Unternehmen, nicht
aber Großunternehmen berücksichtigt. Seit 1. Januar 2005 empfiehlt die Europäi-
sche Kommission Unternehmen mittlerer Größe als solche zu klassifizieren, wenn
diese bis zu 250 Beschäftigten, einen Jahresumsatz von bis zu 50 Mio. EUR und
eine Bilanzsumme von bis zu 43 Mio. EUR aufweisen.2
Dennoch kann keinesfalls von einer einheitlichen Durchsetzung dieser Empfeh-
lung gesprochen werden. Demnach definiert Hr. Rüdiger Schröder, der Geschäfts-
führer der HAKO-Werke International GmbH, ein mittelständisches Unternehmen
bis zu einem Umsatz von 500 Mio. EUR.
In dieser Arbeit soll auf die Definition nach Quack zurückgegriffen werden, wenn
von mittelständischen Unternehmen die Rede ist. Diese umfassen 50 bis 500 Be-
schäftigte und einen Jahresumsatz von bis zu 50 Mio. EUR als qualitative Merk-
male.3
2 European Commission, 2005 3 vgl. Quack, 2000, S.13f.
3
2. INTERNATIONALE KOOPERATIONEN
2.1 Begriffsklärung und Merkmale
Nach einer Periode der Nichtbeachtung konnte das Thema Kooperation als For-
schungsgegenstand in der Betriebswirtschaftslehre seit der zweiten Hälfte der
80er Jahre einen enormen Interessenzuwachs verzeichnen.4
Das Phänomen der Kooperation jedoch ist nicht neu: „Bereits das Römische
Recht kannte die Partnerschaft zur Realisierung eines bestimmten Vorhabens o-
der einer Transaktion“5. Seit dieser „Renaissance“ sind zahlreiche Veröffentlichun-
gen diverser Autoren erschienen, in denen der Versuch einer einheitlichen Defini-
tion unternommen wurde. Dies ist bisher nicht gelungen und so existiert in der
Literatur ein Kontinuum, an dessen Extrema jeweils eine eng und eine weit ge-
fasste Auslegung des Kooperationsbegriffes stehen. Eine großzügige Interpretati-
on stellt die Definition von Quack dar, der „jede Form der Zusammenarbeit von
Personen und Institutionen im Wirtschaftsleben als Kooperation“6 bezeichnet. Im
Gegensatz dazu grenzt Sell den Kooperationsbegriff wie folgt ein:
• „Eine zwischenbetriebliche Zusammenarbeit, zwischen mindestens zwei recht-
lich und wirtschaftlich, in den von der Kooperation nicht betroffenen Gebieten,
selbstständigen Unternehmen,
• zur gemeinsamen Durchführung von Aufgaben,
• die in der Regel auf mittlere bis längere Frist angelegt ist“7.
Einige Autoren, z.B. Bidlingmaier, sehen zusätzlich die Notwendigkeit einer expli-
ziten Vereinbarung als Voraussetzung für das Entstehen einer Kooperation.8
4 Balling, 1998, S.6 5 Taubman,1956, zit.n. Balling, 1998, S.29 6 Quack, 2000, S.10 7 Sell, 2002, S.3
4 8 vgl. Bidlingmaier, 1967, S.357
Um den internationalen Bezug herzustellen, wird der Begriff in Anlehnung an die
o.g. Definition um ein weiteres Kriterium erweitert. Die internationale Kooperation
ist demnach eine „grenzüberschreitende auf stillschweigenden oder vertrag-lichen Vereinbarung beruhende Zusammenarbeit zwischen mindestens zwei rechtlich selbstständigen und in den nicht von der Kooperation betroffenen Bereichen auch wirtschaftlich nicht voneinander abhängigen Unternehmen zur gemeinsamen Durchführung und Koordination von Aufgaben, die in der Regel auf mittlere bis längere Frist angelegt ist“9.
„Grenzüberschreitend“ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die betroffenen
Unternehmen ihren Hauptsitz in verschiedenen Ländern haben. „Stillschweigende
oder vertragliche Vereinbarung“ bedeutet, dass die Zusammenarbeit bewusst her-
beigeführt und explizit vereinbart wird und nicht auf zufälliger Basis geschieht, da
sonst kein „aktives und zielgerichtetes Zusammenwirken vorliegt“10. Die Wahrung
der rechtlichen Selbstständigkeit bewirkt eine zwischenbetriebliche Zusammenar-
beit, d.h. zwischen und nicht innerhalb der Unternehmen.
Der Verweis auf die wirtschaftliche Unabhängigkeit ist von Belang, da dieser die
Abgrenzung zur Konzentration (Bsp. Fusion, Akquisition) verdeutlicht. „Die Kon-
zentration unterscheidet sich (…) von der Kooperation dadurch, dass eine dauer-
hafte wirtschaftliche Verbindung unter einer einheitlichen Leitung hergestellt
wird“11. Das Kriterium der Dauer als Voraussetzung wird unterschiedlich bewertet.
Während einige Verfasser, z.B. Quack, von einer längerfristigen und kontinuierli-
chen Zusammenarbeit, die nicht auf einzelne Geschäftsvorgänge beschränkt ist,
ausgehen12, sehen andere eine dauerhafte Verbindung als nicht zwingend not-
wendig an. So relativiert Sell dieses Merkmal durch den Zusatz „in der Regel“ in
seiner o.g. Definition.
9 Straatmann, 2000, S.23f. 10 Schneider, 1973, S.43 11 Benisch, 1972, S.152 12 vgl. Quack, 2000, S.11
5
2.2 Klassifizierung internationaler Kooperationen
Zwischenbetriebliche Kooperationen können nach einer Reihe von Kriterien klassi-
fiziert werden, wie z.B. nach der Kapitalbeteiligung, der Kooperationsrichtung, Ko-
operationsgegenstand, Kooperationsdauer, Anzahl der Partner, Rechtsform etc.13,
da bislang eine einheitliche Systematisierung fehlt. In dieser Arbeit soll lediglich
auf drei der o.g. Möglichkeiten eingegangen werden
2.2.1 Kapitalbeteiligung
Es ist möglich, internationale Kooperationen sowohl ohne als auch mit kapitalmä-
ßigem Einsatz einzugehen. Unter Kooperationen ohne Kapitalbeteiligung werden
die verschiedenartigsten Ausprägungen von Vertragsgestaltungen verstanden, die
die Notwendigkeit von besonderen Absprachen einschließen und über den reinen
Kauf am anonymen Markt hinausgehen.14 Zu dieser Form gehören Verbundge-
schäfte, die Übertragung schlüsselfertiger Anlagen, Management- und technische
Beratungsverträge, Lizenzverträge, das Franchising und die internationale Kopro-
duktion.
Bei Kooperationen mit Kapitalbeteiligung handelt es sich um Minder- und Mehr-
heitsbeteiligungen. Joint-Ventures werden ebenfalls zu dieser Gruppe gezählt.
Kutschker konstatiert, dass „tendenziell die Bindungsintensität zwischen Koopera-
tionspartnern von den nicht-vertraglichen Bindungen zu den Kapitalbeteiligten hin
zunimmt, da das in die Kooperation eingebrachte und zu erhaltende Kapital das
Eigeninteresse an einem kooperativen Wohlverhalten stärkt“15.
13 vgl. Hirschmann, 1998, S.27 14 vgl. Straatmann, 2000, S.38
6 15 Kutschker, 1994, S.125
2.2.2 Kooperationsrichtung
Die Klassifizierung nach der Kooperationsrichtung ist das am häufigsten verwen-
dete Klassifizierungskriterium. Demnach unterscheidet man zwischen horizonta-
len, vertikalen und diagonalen Kooperationen.
Horizontale Kooperationen beziehen sich auf die Zusammenarbeit von Unterneh-
men, die sich auf der gleichen Stufe der Wertschöpfungskette befinden und dem-
nach auch miteinander im Wettbewerb stehen. Die Ausnutzung von Größende-
gressionseffekten, die gemeinsame Realisierung von F&E Aktivitäten und die Er-
reichung von Wettbewerbsvorteilen gegenüber Dritten werden als Antriebskräfte
für diese horizontale Ausrichtung der Zusammenarbeit verstanden16.
Vertikal kooperierende Unternehmen sind solche, die auf vor- bzw. nachgelager-
ten Wirtschaftsstufen zusammenwirken. „Vertikale Kooperationen werden zwi-
schen dem Nachfrager und seinen Beschaffungsquellen gebildet“17.
Lateral bzw. diagonal forcierte Kooperationen werden zwischen Unternehmen ver-
schiedener Branchen geschlossen. Derartige Kooperationen sind eine attraktive
Alternative für Unternehmungen, die auf stark konvergierenden Märkten agieren,
da Produkte und Leistungen als Einheit gebündelt angeboten werden können.
Die Befragung von Quack, zeigt, dass mit etwa 64 % Kooperationen von Unter-
nehmen, die auf einem verwandten Geschäftsfeld tätig sind (horizontale Allianzen)
gegenüber vertikalen (34 %) und Allianzen mit Unternehmen aus anderen Ge-
schäftsfeldern (2 %) bevorzugt werden.18
16 vgl. Wrona/Schell, 2003, S.316 17 Berg, 1981, S.73 18 vgl. Quack, 2000, S.56
7
Tab. 1: Beispiele von Kooperationen nach dem Kriterium Kooperationsrichtung
Horizontal Vertikal Diagonal
gemeinsame F&E langfristige Verträge mit
Zulieferern
gemeinsame Werbe- und Ver-
triebsmaßnahmen
branchenfremder
Unternehmen
Koproduktion von
Komponenten
Abschluss von Verträgen
eines Autoherstellers mit
Vertragswerkstätten
gemeinsames Grundlagenfor-
schung zwischen Automobil- und
Flugzeugherstellern
gemeinsamer Vertrieb
Übergabe des Kunden-
dienstes an andere
Unternehmen
Abschluss von Verträgen eines
Autoherstellers mit Versicherungs-
unternehmen
Quelle: Eigene Darstellung, auf der Grundlage von Sell, 2002, S.18f.
2.2.3 Kooperationsgegenstand
Als weiteres Klassifizierungskriterium eignet sich der Kooperationsgegenstand.
Schubert/Küting sind der Auffassung, dass „jede betriebliche Teilaufgabe Gegens-
tand der Kooperation sein“19 kann, da jeder Unternehmensbereich zum Erfolg bei-
trägt. Normalerweise wird die Zusammenarbeit jedoch auf einen oder wenige be-
triebliche Sektoren beschränkt. Eine empirische Untersuchung aus dem Jahr 1999
ergab, dass mittelständische Unternehmen besonders häufig in den Bereichen
Absatz/Vertrieb (74,8%) und Produktion, einschließlich F&E (54,5%), kooperie-
ren.20
19 Blohm, 1969, Sp. 892, zit. n. Schubert/Küting, 1981, S.130
8 20 vgl. Zentes/Swoboda, 1999, S.51
Abb. 1: Beispiele von Kooperationen nach dem Kriterium Kooperationsgegenstand
Verwaltung und Personalwe-sen - Zusammenarbeit im Rechnungs- wesen - Inkassogemeinschaften - Zusammenarbeit bei Kredit- beschaffung und -sicherung - Zusammenarbeit in Aus- und Fortbildung
Produktion - Gemeinschaftliche Forschung und Entwicklung - Zusammenarbeit bei der Normung und Typung - Gemeinschaftliche Benutzung von Produktionsanlagen - Gemeinschaftlicher Kunden- und Reparaturdienst
Einkauf - Einkaufsgemeinschaften - Gemeinschaftliche Beschäftigung von Einkäufern
Beschaffung und Auswertung von Informationen - Erfahrungs- und Meinungsaustausch - Marktinformationsverfahren - Gemeinschaftliche Marktforschung und Markterkundung - Konjunktur- u. Marktstrukturanalysen - Betriebs- u. Branchenvergleiche - Kalkulationsschema
KOOPERATIONSGEGENSTAND
Absatz - Gemeinschaftlicher Verkauf - Gemeinschaftliche Werbung - Gütezeichengemeinschaften - Transport- u. Lagergemeinschaften
Quelle: Eigene Darstellung, in Anlehnung an Balling, 1998, S.45
2.3 Motive und Ziele
Ohne Zweifel haben sich die unternehmerischen Rahmenbedingungen in den letz-
ten 20 Jahren rasant entwickelt und stellen somit veränderte Wettbewerbsanforde-
rungen an die Unternehmen. Als Ursachen werden u.a. die Globalisierung, die
drastische Reduzierung der Produkt- und Technologielebenszyklen sowie die
gleichzeitig steigenden Entwicklungskosten, die zunehmende Wettbewerbsintensi-
tät und die rasch wechselnden Kundenbedürfnisse angeführt.21 Die Sättigung und
der zunehmende Konkurrenzdruck durch in- und ausländische Anbieter auf natio-
nalen Märkten bewegen Unternehmen zum Eintritt in Auslandsmärkte. Probleme
ergeben sich für mittelständische Unternehmen insbesondere auf Grund von Res-
sourcenrestriktionen, z.B. eingeschränkte Ausstattung mit Eigen-kapital, schwieri-
ge Beschaffung von Fremdkapital, begrenzte Personalkapazität und der Mangel
an Management-Techniken sowie Auslandserfahrung.22 Prinzipiell befinden sich
Unternehmen kleiner und mittlerer Größe im Prozess der Internationalisierung we-
9
21 vgl. Rotering, 1992, S.1 22 vgl. Rumer, 1994, S.32
gen der o.g. Umstände in einer nachteiligen Position gegenüber Großunterneh-
men.23
Diese Rahmenbedingungen begünstigen nicht nur, sondern zwingen vielmehr die
mittelständischen Unternehmen, internationale Kooperationen als Strategie zur
Überwindung dieser Schwächen und zur langfristigen Sicherung der Wettbewerbs-
fähigkeit zu prüfen. Zahlreiche empirische Studien untersuchen die Motive für das
Eingehen von grenzüberschreitenden Kooperationen. Als grundsätzliche An-
triebsmomente lassen sich jedoch die Erschließung von Märkten, der Zugang zu
Ressourcen, die Ausnutzung von Kosten- sowie Zeitvorteilen identifizieren. In ihrer
empirischen Studie über die „Motive und Erfolgsgrößen internationaler Kooperati-
on mittelständischer Unternehmen“ aus dem Jahr 1999 stellen Zentes / Swoboda
die „Erschließung neuer Absatzmärkte, die Sicherung bzw. Ausweitung bestehen-
der Absatzmärkte, die Nutzung von Kostenvorteilen und die Erzielung länderspezi-
fischen Know-hows“24 als wichtigste Kooperationsmotive fest.
Zentes / Swoboda betonen, dass kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) Ko-
operationen als Möglichkeit zur Ressourcensubstitution nutzen: “je geringer also
die Ressourcen der KMU sind, desto stärker suchen sie eine Kompensation in in-
ternationalen strategischen Kooperationen“24. Dennoch kommen die beiden Auto-
ren zu dem Ergebnis, dass den o.g. ressourcenunabhängigen Motiven eine weit-
aus größere Bedeutung zukommt.
Dem widerspricht die Verfasserin dieser Arbeit, da alle der genannten Motive zu-
mindest mittelbar von der Ressourcenausstattung des jeweiligen Unternehmens
abhängen. Ebenfalls Lubritz sieht die eingeschränkte Ressourcenverfügbarkeit als
Motiv für die Aufnahme einer internationalen Kooperation. Des Weiteren betont er
in diesem Zusammenhang, dass die Erschließung ausländischer Märkte in Koope-
ration mit einem Partnerunternehmen insbesondere für KMU geeignet sind, da
diese oft nicht den hohen Ressourcenanforderungen, die eine autonome Er-
schließung mit sich bringt, gewachsen sind.25
23 vgl. Zentes/Swoboda, 1999, S.57 24 Zentes/Swoboda, 1999, S.57
10 25 vgl. Lubritz, 1996, S.34f.
Abb. 2: Bedeutung der Allianzmotive
88,8
76,5
72,4
71,4
64,3
64,2
62,2
59,8
58,8
56,7
41,9
41,8
23,5
15,5
1,0
9,2
17,3
9,2
14,3
13,3
15,3
18,6
12,4
19,6
7,1
13,3
8,2
7,2
10,2
14,3
10,2
19,3
21,4
22,5
22,4
21,7
28,9
23,7
51,0
44,9
68,3
77,3
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%
Vermeidung von Investitionsrestriktionen
Verbesserung der Rohstoffversorgung
Reaktion auf Konkurrenz
Sicherung/Ausweitung best. Beschaffungsmärkte
Zugang zum technischen Know-how
Risikoreduzierung
Nutzung von Ressourcen
Erschliessung neuer Beschaffungsmärkte
Gewinnung von Auslandserfahrung
Gewinnung von Zeitvorteilen
Nutzung von Kostenvorteilen
Erzielung von länderspezifischen Know-how
Sicherung/Ausweitung best. Absatzmärkte
Erschliessung neuer Absatzmärkte
keine/geringe Bedeutung mittlere Bedeutung hohe/sehr hohe Bedeutung
1 2 3 4 5
4,07
3,77
3,16
3,05
2,51
2,37
2,34
2,24
2,20
2,15
1,11
1,85
1,85
1,51
Mittelwert
Quelle: Eigene Darstellung, auf der Grundlage von Zentes/Sowboda, 1999, S.52
Wrona/Schell identifizieren als Antriebsmomente den Zugriff auf Ressourcen (Ver-
triebskanäle, Produktionsstätten, Lagerräume) sowie auf das länderspezifische
Know-how.26 Darüber hinaus sieht Sell in einem Ressourcenpool der beteiligten
Unternehmen, die Chance, zügig und kostengünstig die Erschließung regional
neuer Märkten zu betreiben.27 Unternehmen versuchen mit dem Eingehen einer
Kooperation ein bestimmtes Ziel, wie z.B. den Eintritt in einen unbekannten Markt,
gemeinsam mit einem Partner besser und/oder schneller als im Alleingang reali-
sieren zu können. Übergeordnetes Ziel einer internationalen Kooperation ist die
Erreichung eines „Joint Competitive Advantage“28 und beabsichtigt die nachhaltige
Stärkung und Verbesserung der eigenen Wettbewerbsposition der Partnerunter-
nehmen. Eine grobe Einteilung ergibt folgende Zielkategorien: Wirtschaftlichkeits-
und Rentabilitätserhöhung, Ertragssteigerung, Kostensenkung und Risikominde-
rung.29
26 Wrona/Schell, 2003, S.318 27 vgl. Sell, 2002, S.88f. 28 Lubritz, 1996, S.37 29 vgl. Staudt/Kriegesmann/Behrendt, 1996, S. 924
11
In Anlehnung an Porter/Fuller identifiziert Morschett folgende Ziele:30
• Erzielung von Skalenvorteilen („Economies of Scale“) und Lernkurven- effekten
Kooperationen werden gegründet, um Kostendegressionen zu erreichen, indem
z.B. Produktionskapazitäten gemeinsam genutzt oder Fixkosten anteilig getra-
gen werden. Bei Lernkurveneffekten handelt es sich um Kostersparnisse, die
mit der kumulierten Ausbringungsmenge im Zeitablauf (nicht während einer be-
stimmten Periode) einhergehen, die auf das Prinzip „learning-by-doing“ zurück-
gehen. Auf Grund größerer Volumina können diese Effekte in einer Kooperation
schneller erreicht werden.31
• Zugang zu notwendigen Fähigkeiten und Fachkenntnissen Es wird unterstellt, dass die Partner über ein unterschiedliches Niveau an
Know-how verfügen. Entweder wird ein Unternehmen versuchen, fehlendes
Wissen durch die Kenntnisse des Partners zu kompensieren oder es handelt
sich um komplementäre Fähigkeiten, die die Parteien gebündelt einsetzen.
• Verringerung der Risiken Um Fehlschläge zu vermeiden und Risiken zu reduzieren, gehen Unternehmen
Kooperationen ein. So streben z.B. Unternehmen, die zum ersten Mal ein En-
gagement im Ausland oder die Erschließung eines neuen Marktes planen,
Partnerschaften mit bereits auslandserfahrenen Unternehmen an.32
• Einflussnahme auf den Wettbewerb Hierbei handelt es sich um die mögliche Beeinflussung der Marktstrukturen
durch Kooperationen, z.B. die Durchsetzung von entwickelten Technologien als
Standard. Dies trifft jedoch aus Gründen der fehlenden Bedeutung nur begrenzt
auf mittelständische Unternehmen zu.32
30 vgl. Morschett, 2003, S.392 31 vgl. Hirschmann, 1998, S.21; Kutschker/Schmid, 2005, S.427; Hill, 1998, S.363; Lubritz, 1996, S.38
12 32 vgl. Lubritz, 1996, S.38f.
• Umgehung von Handelshemmnissen Durch Kooperationen können tarifäre (Zölle) und nicht-tarifäre Handelsbarrie-
ren, z.B. Einfuhrgebühren, Einfuhrkontingente, local-content-Bestimmungen,
Diskriminierung von ausländischen Unternehmen bei Ausschreibungen etc.
umgangen werden. Dabei werden die marktspezifischen Kenntnisse vom loka-
len Partner genutzt, um Zugang zu Beschaffungsquellen, Vertriebskanälen,
staatlichen Institutionen und Behörden sowie zum Markt zu erhalten.32
Weiterhin kann in einigen Ländern, z.B. Japan, vorwiegend allerdings in Ent-
wicklungsländern, z.B. Indien, keine Marktpräsenz auf Grund gesetzlicher Be-
stimmungen, die die Beteiligung eines inländischen Unternehmens vorsehen,
aufgebaut werden.
• Komplementärer Technologietausch Die Realisierung von Synergien zwischen den beteiligten Unternehmen soll
durch einen komplementären Technologietausch erreicht werden.
• Gewinnung von Zeitvorteilen Zeitvorteile können durch die Koordination betrieblicher Tätigkeiten der Part-
nerunternehmen gewonnen werden. Diese Abstimmung zielt auf die Erreichung
des o.g. „Joint Competitive Advantage“ durch z.B. reduzierte Entwicklungs- und
Markteinführungszyklen ab, den die kooperierenden Unternehmen gegenüber
anderen Wettbewerbern besitzen.
2.4 Die Transaktionskostentheorie als Erklärungsansatz für
internationale Kooperationen
Ansätze, die das Phänomen Kooperation zu klären versuchen, gibt es zahlreiche.
Dennoch existiert kein ganzheitlicher Erklärungsansatz für die Entstehung und den
Erfolg von Kooperationen. Zu den Theorien, die rationales Handeln der Entschei-
dungsträger voraussetzen, gehören die Transaktionskosten- und Spieltheorie so-
wie der Ressource-Dependence Ansatz. Diese Theorien differieren in ihrer jeweils
unterschiedlichen Zieldimension. Während der Transaktionskostenansatz die Kos-
13
tenminimierung in den Vordergrund stellt, betonen spieltheoretische Ansätze den
potenziellen Nutzen. Der Ressource-Dependence Ansatz unterstreicht hingegen
die Vermeidung des drohenden Autonomie- und Machtverlustes in Situationen, die
von Interdependenzen gekennzeichnet sind. Bisher ist es jedoch noch nicht ge-
lungen, sozialwissenschaftliche und psychologische Aspekte, z.B. Vertrauen in
theoretische Erklärungsgefüge einzuarbeiten. Einen ersten Versuch bieten Netz-
werkansätze, die vordergründig die Beziehung der Partner betrachten.33
2.4.1 Transaktion und Transaktionskosten
Die Transaktionskostentheorie bildet den Pfeiler der neuen Institutionenökonomik
und erklärt die Entstehung von Kooperationen grundsätzlich. Im Mittelpunkt dieses
Ansatzes steht die Transaktion, die nach Picot die Anbahnung, Vereinbarung,
Kontrolle und Anpassung eines Leistungstausches umfasst, der dem eigentlichen
Gütertausch vorgeschaltet ist.34 Die Übertragung von Verfügungsrechten, „proper-
ty-rights“, steht dabei im Vordergrund.35 Es werden zwei Typen der Transaktion
unterschieden: „Markt“ oder „Hierarchie“ (Unternehmung). Märkte werden durch
Geld, Hierarchien durch Macht gesteuert.36 Die beiden Typen „bilden die Extrem-
punkte auf einem Kontinuum von Steuerungsstrukturen, „governance structu-
res““37. Sämtliche Punkte, die zwischen diesen beiden Extrema liegen, werden als
Form der Kooperation mit zunehmender Bindungsintensität verstanden.
Transaktionskosten, die also im Prozess einer Transaktion anfallen, werden wie
folgt unterteilt:
„1. Anbahnungskosten, z.B. Informationssuche und -beschaffung über potentiel-
le Transaktionspartner und deren Konditionen;
2. Vereinbarungskosten, z.B. Intensität und zeitliche Ausdehnung von Verhand
lungen, Vertragsformulierung und Einigung;
33 vgl. Schäper, 1996, S.100f. 34 vg. Picot, 1982, S. 269f. 35 vgl. Picot/Reichwald/Wigand, 2003, S.49 36 vgl. Erlei/Leschke/Sauerland, 1999, S.177f.
14 37 Schäper, 1996, S.62
3. Kontrollkosten, z.B. Sicherstellung der Einhaltung von Termin-, Qualitäts-,
Mengen-, Preis- und evt. Geheimhaltungsvereinbarungen;
4. Anpassungskosten, z.B. Durchsetzung von Termin-, Qualitäts-, Mengen-, und
Preisänderungen auf Grund veränderter Bedingungen während der Laufzeit
der Vereinbarung“34.
Abb. 3: Einflussfaktoren in der Transaktionskostentheorie
Markt Hierarchie
Zuordnung spezifischerOrganisationsformen auf dem
Kontinuum
Höhe der Transaktionskosten
SpezifitätUnsicherheitHäufigkeit
Begrenzte RationalitätOpportunismus
KOOPERATION
Quelle: Eigene Darstellung, in Anlehnung an Balling, 1998, S.58
2.4.2 Grundannahmen und Einflussgrößen
Zwei Hypothesen werden für das Entstehen von Transaktionskosten getroffen:
1. Begrenzte Rationalität: Ohne Zweifel wollen die Beteiligten rational handeln, können dieses auf Grund von
menschlich eingeschränkter Rationalität jedoch nur bedingt. Daher können nicht
alle Kosten kalkuliert und mögliche Unsicherheiten bzw. Störungen des Vertrages
kontrollierbar gemacht werden.38
38 vgl. Schäper, 1996, S.63; Killich/Luzcak, 2003, S.47
15
2. Opportunismus: Die involvierten Parteien werden versuchen, den individuellen Nutzen zu maximie-
ren, auch wenn dies bedeutet, den Partner absichtlich zu täuschen, z.B. durch das
Verschweigen von Informationen oder die Nichteinhaltung von vertraglichen Kon-
ditionen.38 Derzeit können Transaktionskosten nicht kalkuliert werden. Daher er-
folgt die Bewertung über die Charakteristika der Transaktionen. Dabei gilt es fol-
gende Einflussgrößen zu beachten:
1. Spezifität: Dieses Kriterium ist von zentraler Bedeutung in der Bestimmung der Transakti-
onskosten und kennzeichnet Transaktionen nach der Zuordnung zu einem eindeu-
tigen und exklusiven Verwendungszweck. Je spezifischer eine Transaktion, umso
höher ist der Schaden, den man erleidet, wenn diese nicht im Sinne ihrer ur-
sprünglich angedachten Verwendung abgeschlossen wurde. Je höher der Spezifi-
tätsgrad der zu erbringenden Leistung, desto abhängiger ist einer der Transakti-
onspartner. Diese Abhängigkeit würde, unterstellt man opportunistisches Handeln,
vom anderen ausgenutzt werden, z.B. durch Erhöhung der Lieferpreise.39
Williamson40 unterscheidet folgende Arten von Spezifität:
• Standortspezifität („site specifity“):
Investitionen in ortsgebundene Anlagen
• Spezifität des Sachkapitals („physical asset specifity“):
Investitionen in spezifische Maschinen und Technologien
• Spezifität des Humankapitals („human asset specifity):
Investitionen in spezifische Mitarbeiterqualitäten
• Zweckgebundene Sachwerte („dedicated assets“):
Investitionen in an sich unspezifische Anlagen, die jedoch bei Wegfall der Trans-
aktion Überkapazität darstellen würden.
39 vgl. Lubritz,, 1996, S.123; Killich/Luzcak, 2003, S.48f.; Picot/ Reichwald/Wigand, 2003, S.50ff.
16 40 Williamson, 1990, zit.n. Picot/Reichwald/Wigand, 2003, S.50f.
2. Unsicherheit: Zwei Typen der Unsicherheit können unterschieden werden. Bei der Umweltunsi-
cherheit handelt es sich um nicht prognostizierbare Änderungen in der Transakti-
onsatmosphäre, die die Gesamtheit aller relevanten sozialen, rechtlichen und
technologischen Rahmenbedingungen darstellt. Höhere Transaktionskosten ent-
stehen durch nachträgliche Anpassungen des Vertrages auf Grund von terminli-
chen, preislichen oder konditionellen Veränderungen. Die Verhaltensunsicherheit
spiegelt die bereits erwähnte Grundannahme der menschlich begrenzten Rationa-
lität und die Furcht vor dem opportunistischen Verhalten des Partners wider. „In-
formationsverkeilung“ kennzeichnet eine Situation, in der Informationen ver-
schwiegen oder verzerrt werden, um einen individuellen Vorteil herbeizuführen.
Die zusätzliche Beschaffung und Übertragung von Informationen, die diesen Ü-
bervorteilungen entgegenwirken sollen, erhöhen die Transaktionskosten.39
3. Häufigkeit: Je häufiger standardisierte oder sich wiederholende Transaktionen auftreten, des-
to niedriger sind die durchschnittlichen Kosten, z.B. durch Spezialisierungsvorteile
und Lerneffekte. Im Verlauf einer kontinuierlichen Geschäftspartnerschaft können
die Partner, aus der Häufigkeit der Transaktionen resultierend, Vertrauen und ge-
genseitige Wertschätzung aufbauen, die opportunistisches Handeln, zumindest
teilweise, verhindert.41
Balling kommt demnach zu dem Ergebnis: Je höher die Spezifität, Unsicherheit
und die Häufigkeit, „desto höher werden Transaktionskosten einer marktlichen
Koordination und desto stärker bewegt sich die Organisation der Transaktionen
weg vom „Markt“ hin zu „Hierarchien““42. Als Grundsatz der Transaktionskosten-
theorie kann schlussfolgernd festgestellt werden: „Organisiere Deine Transaktio-
nen so, dass Dir aus Deiner begrenzten Rationalität möglichst geringe Kosten ent-
stehen, und versuche gleichzeitig, Dich vor möglichen opportunistischen Verhalten
zu schützen“43. Es wird demnach diejenige Organisationsform gewählt, die mini-
male Transaktionskosten beinhaltet.
41 vgl. Woratschek/Roth, 2003, S.158 42 Balling, 1998, S.59 43 Killich/Luzcak, 2003, S.48
17
2.4.3 Kritik
Hauptkritikpunkt an der Transaktionskostentheorie ist, dass bislang Transaktions-
kosten nicht quantifiziert werden können. Daher kann dieser Ansatz lediglich Emp-
fehlungen zur bestmöglich geeigneten Organisationsform geben. Weiterhin wird
das Verhältnis der Transaktionskosten zu anderen Kostenarten ignoriert und gibt
keinerlei Aufschluss über den potentiellen Nutzen einer bestimmten Organisati-
onsform. Wie bereits dargestellt, werden auch in der Transaktionskostentheorie
sozialwissenschaftliche und psychologische Gesichtspunkte nicht aufgegriffen, die
die Wirkungsweise von Kooperation erklären könnten. Bresser stellt in diesem Zu-
sammenhang fest, dass „der Transaktionskostenansatz bestenfalls eine Partia-
lerklä-rung strategischer Netzwerke ermöglicht. Der Transaktionskostenansatz
vernachlässigt eine große Zahl von Faktoren, die sich alle auf die Evolution strate-
gischer Netzwerke auswirken können, zum Beispiel Produktionskosten, Erträge,
strategische Wahlfreiheiten, Macht- und Konfliktprozesse usw.“44.
2.5 Internationale Kooperationen ohne Kapitalbeteiligung
Internationale Kooperationen können in sehr unterschiedlichen Formen auftreten
und entsprechend klassifiziert werden, wie bereits in Kapitel 2.2 ausgeführt. In
dieser Arbeit soll auf die wichtigsten Ausprägungen eingegangen werden, die sich
auf Grund des kapitalmäßigen Engagements ergeben.
2.5.1 Übertragung schlüsselfertiger Anlagen
Bei der Übertragung schlüsselfertiger Anlagen, auch „turnkey project“ genannt,
handelt es sich um Projekte, bei denen ein Unternehmen für einen ausländischen
Kunden eine komplette Produktionsanlage erstellt und diese übergibt („to hand
over the key“).45 Gegenstand dieser Projekte können sowohl „Hardware-Leistun-
gen, z.B. Bauleistungen, die Übertragung von Maschinen und Einrichtungen (...)
als auch Dienstleistungen (…), z.B. Planungs- und Projektierungsaufgaben, Mon- 44 Bresser, 1992, S.V-VI
18 45 vgl. Hill, 1998, S.611
tage und Montageüberwachung, Inbetriebsetzung, Personalschulung und Bera-
tungsleistungen im technischen und organisatorischen Bereich“46, sein. Der Export
von Prozesstechnologie, wie man die Übertragung schlüsselfertiger Anlagen e-
benfalls bezeichnen könnte, ist vor allem für Entwicklungsländer von großem Inte-
resse.
Vorteile: In (Entwicklungs-)Ländern mit protektionistischen Tendenzen, z.B. Restriktionen
von Foreign Direct Investment (FDI), ist die Übertragung schlüsselfertiger Anlagen
oftmals eine attraktive Alternative für Unternehmen, da es vielen Entwicklungslän-
dern an „state-of-the-art“ Technologie mangelt. Das benötigte Know-how, das das
anbietende Unternehmen besitzt, stellt einen bedeutenden immateriellen Vermö-
genswert dar. Die Übertragung schlüsselfertiger Anlagen eröffnet die Möglichkeit
auf Kundenanforderungen einzugehen und eine individuelle Problemlösung zu
entwickeln, die auch Finanzierungsüberlegungen einschließen.47
Nachteile: Man unterstellt Unternehmen, die schlüsselfertige Anlagen anbieten, kein langfris-
tiges Interesse an einem Engagement im Land zu haben. Dies wird problematisch,
wenn sich das Land als Hauptabnehmermarkt herausstellt. Mittelständische Un-
ternehmen setzen sich bei dieser Form der Kooperation dem Risiko aus, Wettbe-
werbsvorteile, die durch die Konzentration auf Kernkompetenzen entstanden sind,
zu verlieren.
2.5.2 Managementverträge
Bei Managementverträgen geht es vorrangig um die zeitlich befristete Bereitstel-
lung von Humankapital. Führungskräfte, aus der „contracting firm“, mit techni-
schem oder kaufmännischem Hintergrund fungieren dabei als Berater für den aus-
ländischen Vertragspartner, der „managed firm“. Dies wird entweder auf die
Führung des gesamten Unternehmens ausgeweitet oder partiell auf wichtige Be-
reiche begrenzt.48 Während der ausländische Partner Management-Know-how
46 Sell, 2002, S.9 47 vgl. Straatmann, 2001, S.52f. 48 vgl. Quack, 2000, S.62; Lubritz, 1996, S.5; Kutschker/Schmid, 2005, S.900
19
erwirbt, kann das inländische Unternehmen von den spezifischen Marktkenntnis-
sen profitieren.
Vorteile: Für die „contracting firm“ besteht kein Marktrisiko, da diese das vereinbarte Entgelt
nicht in Abhängigkeit des erzielten Erfolgs erhält. Für Unternehmen, die in der Zu-
kunft einen eigenständigen Markteintritt erwägen, sind Managementverträge ein
geeigneter Weg, um erste Erfahrungen in dem Markt zu sammeln.49
Nachteile: Das Risiko, sich Konkurrenten selbst zu „züchten“, ist bei Managementverträgen
durch die Weitergabe von strategisch wichtigen Fähigkeiten und Kenntnissen,
sehr hoch. Managementverträge kommen in äußerst spezifischen Situationen und
häufig nur in Verbindung mit Lizenz- und Franchiseverträgen zum Einsatz. Daher
kann von einer geringeren Bedeutung für mittelständische Unternehmen ausge-
gangen werden.49
2.5.3 Lizenzverträge
Unter Lizenzierung versteht man „vertragliche Abkommen, mit denen inländische
Lizenzgeber intangible Vermögenswerte ausländischen Lizenznehmern unter be-
stimmten Bedingungen zur Verfügung stellen“50. Es ist möglich, Lizenzverträge
nach einer Reihe von Kriterien zu systematisieren. So differenziert man z.B. nach
dem Gegenstand des Vertrages zwischen Patent-, Gebrauchsmuster-, Warenzei-
chen und Know-how Lizenz. Der Lizenznehmer verpflichtet sich seinerseits zur
Zahlung von Gebühren, die in Form von Fixbeträgen bei der Lizenzerteilung,
„down payment“, umsatzabhängigen Gebühren, „royalties“, oder Pauschalgebüh-
ren, „lump sum fee“, erhoben werden können. Beim so genannten „cross-
licensing“ gewähren die Vertragspartner gegenseitig Nutzungsrechte.51
49 vgl. Kutschker/Schmid, 2005, S.900f. 50 Kutschker/Schmid, 2005, S.838f.
20 51 vgl. Quack, 2000, S.61
Vorteile: Lizenzgeber können ohne großen personellen und finanziellen Aufwand und mit
kalkulierbarem Risiko in einen unbekannten ausländischen Markt eintreten. Vor
allem für Unternehmen, denen die finanziellen Ressourcen fehlen, um eine Markt-
präsenz zu entwickeln, ist die Lizenzierung eine interessante Option. Oft können
lokale Marktkenntnisse, die der Lizenznehmer besitzt, genutzt werden. Des Weite-
ren bedeuten die vom Lizenznehmer zu entrichtenden Gebühren bei entsprechen-
der Bonität eine stabile und kontinuierliche Ertragsquelle.52
Nachteile:
Der schwerwiegendste Nachteil der Lizenzierung besteht im Abfluss von Know-
how und die Gefahr, dass nach Beendigung des Vertrages der Lizenznehmer zu
einem Konkurrenten wird. Eine unübersehbare Schwäche von Lizenzverträgen ist
die fehlende Kontrolle über die Aktivitäten des Lizenznehmers. Ein Nichteinhalt
von Qualitätsstandards auf nationaler Ebene könnte zu einem Imageschaden des
ganzen Unternehmens führen. In Ländern, in denen der Schutz geistigen Eigen-
tums nicht ausreichend garantiert wird, kommt es häufig zur Weiterlizenzierung an
Dritte durch den Lizenznehmer. Die Möglichkeit, den Markt in „eigener Regie“ zu
bearbeiten und damit das Produkt nach eigenen Vorstellungen zu positionieren, ist
für den Lizenzgeber durch Einschränkungen im Lizenzvertrag nur limitiert mög-
lich.52
2.5.4 Franchising
Hierbei handelt es sich um einen komplexen Lizenzvertrag. „Beim Franchising ü-
berlässt (…) ein inländischer Franchisegeber einem rechtlich selbstständigen aus-
ländischen Franchisenehmer ein umfassendes, häufig bereits seit langem einge-
führtes und erprobtes Beschaffungs-, Absatz-, Organisations- und Management-
konzept (…)“53. Der Franchisenehmer zahlt einmalig Abschlussgebühren und lau-
fende Gebühren, die umsatzabhängig sind. Dafür verpflichtet sich der Franchise-
geber u.a. zur Übertragung von Nutzungsrechten, Unterstützung im Aufbau der
Geschäftstätigkeiten, Organisierung von Marketingmaßnahmen und zur Schulung 52 vgl. Kutschker/Schmid, 2005, S.842ff. 53 Kutschker/Schmid, 2005, S.847
21
des Personals. Der Franchisenehmer tätigt die notwendigen Investitionen zur Ge-
schäftsaufnahme, verpflichtet sich zur Einhaltung sämtlicher Ausführungsbestim-
mungen und zur Wahrung des Images.54
Vorteile: Unternehmen, die Franchising als Eintrittsstrategie in ausländische Märkte nutzen,
können dies ohne erheblichen finanziellen Einsatz und Risiko tun. Zusätzlich be-
hält der Franchisegeber weitestgehend die Kontrolle über die Vermarktung der
Produkte und kann diese selbst ausrichten und überprüfen. Die Festsetzung und
die geforderte Erreichung von einheitlichen Standards durch alle Franchisenehmer
ermöglichen eine kohärente und abgestimmte Präsenz.55
Nachteile: Die Vorteile werden z.T. aufgehoben, da standardisierte Lösungen nicht für alle
Produkte bzw. Branchen geeignet sind. Vielfach sinkt die Motivation des Franchi-
senehmers dramatisch, da individuelle Entscheidungs- und Handlungsfreiheiten
limitiert sind. Die Steuerung und Kontrolle, z.B. die Einhaltung von Qualitätsstan-
dards, innerhalb eines u.U. globalen Franchisenetzwerkes erscheint problema-
tisch. Dies kann bei nicht systemkonformen Verhalten zu einem Reputationsver-
lust des gesamten Unternehmens führen.55
2.6 Internationale Kooperationen mit Kapitalbeteiligung: Joint-Venture
2.6.1 Überblick
Das Joint-Venture zählt zu den bedeutendsten, aber auch zu den umstrittensten
Kooperationsformen, wie die folgende Anekdote verdeutlichen soll:
Ein Huhn schlägt einem Schwein die Gründung eines Joint-Ventures vor. Das
Schwein fragt, was denn gemeinsam vermarktet werden solle. Daraufhin erwidert
das Huhn: „Ham und Eggs“. Das Schwein überlegt eine geraume Weile, ist impo-
niert von dem Marktpotential und wiegt Vor- und Nachteile ab. Dennoch kommen
54 vgl. Kutschker/Schmid, 2005, S.849f.; Quack, 2000, S.63f.
22 55 vgl. Kutschker/Schmid, 2005 S.851f.; Hill, 1998, S.409
dem Schwein nach langer Bedenkzeit Zweifel: „Nach diesem Geschäft bin ich a-
ber tot, während du besser denn je weiterlebst.“ „Was sonst“, antwortet das Huhn,
„ist der Sinn eines Joint-Ventures?“56
Diese Anekdote zeigt, dass mit der Gründung erhebliche Risiken für zumindest
einen der Partner einhergehen. Einige Autoren, z.B. Rumer halten eine Misser-
folgsquote von bis zu 70% für realistisch.57 Dabei relativiert er allerdings gleichzei-
tig seine Aussage, indem er die hohe Quote des Scheiterns auf ein schwieriges
politisches und wirtschaftliches Umfeld bei der Joint-Venture Gründung zurück-
führt. Eisele schätzt, dass ca. 30 bis 60 % scheitern.58 Trotz dieser Aussagen er-
freuen sich internationale Joint-Ventures nach wie vor anhaltender Beliebtheit.
Auch Unternehmen mittlerer Größe entdecken diese strategische Alternative auf
dem Weg ins Ausland für sich, weil Stärken kombiniert und Ressourcen geschont
werden können.
Während Joint-Ventures in ihrem Ursprungsjahrzehnt, den 60er Jahren, genutzt
wurden, um die internationale Expansion voranzutreiben, lag der Schwerpunkt im
darauf folgenden Jahrzehnt in der Konsolidierung finanziell angeschlagener Un-
ternehmen. In den 80er Jahren ging es vorwiegend um die Steigerung der Innova-
tionsfähigkeit durch die Kombination von technologischem Know-how. Heute wer-
den Joint-Ventures gegründet, um Standortvorteile zu nutzen, Markteintritts-
barrieren zu überwinden und Märkte und Technologien zu erschließen.59 In die-
sem Zusammenhang hat die Erschließung von Entwicklungs- und Schwellenlän-
dern durch Unternehmen aus Industrieländern einen besonders hohen Stellen-
wert, da oftmals die Gesetze dort die Beteiligung eines lokalen Unternehmens
verlangen. Grundsätzlich scheint der Einsatz eines Joint-Ventures in Märkten, die
ineffiziente Produkt- und Kapitalmärkte, hohes Risiko und gleichzeitig große
Wachstumspotentiale aufweisen, geeigneter als zwischen Unternehmen hoch
entwickelter Länder.59
56 vgl. Eisele, 1995, S.IX 57 vgl. Rumer, 1994, S.63 58 vgl. Eisele, 1996, S.86 59 vgl. Bleicher/Hermann, 1991, S.5; Rumer, 1994, S.64; Fröhls, 1995, S.11
23
2.6.2 Definition
Wörtlich übersetzt bedeutet Joint-Venture „gemeinsames Wagnis“ oder auch „ge-
meinschaftliche Unternehmung“ und wird als eine Teilmenge von Kooperationen
verstanden. Lubritz betont in diesem Zusammenhang, dass das Joint-Venture zu
den Kooperationsformen mit der höchsten Bindungsintensität zählt.60 Während vor
allem in der angloamerikanischen Literatur der Terminus Joint-Venture zusam-
menfassend als „jegliche Form der zielgerichteten Zusammenarbeit“61 verwendet
wird, steckt man die begrifflichen Grenzen in der deutschsprachigen Literatur deut-
lich enger. Demnach sind die Definitionsmerkmale eines internationalen Joint-
Ventures folgende: „mindestens zwei in der Trägerschaft selbständige Unterneh-
men verschiedener Nationen verfolgen einen bestimmten Zweck und tragen in
einem gemeinsamen Vorhaben die beiderseitige führungsmäßige Verantwortung
sowie das finanzielle Risiko aus einem rechtlich und organisatorisch separaten
Tochterunternehmen“62.
Zusätzlich kann eine Eigenkapitalbeteiligung, resultierend aus der Gründung eines
neuen Unternehmens, als Abgrenzungskriterium berücksichtigt werden.63 Nach
diesem Kriterium wird zwischen Equity-Joint-Ventures und Contractual-Joint-
Ventures differenziert. Das Equity-Joint-Venture entspricht der o.g. Definition und
kann als Minoritäts- (höchstens 49%), Paritäts- (50:50) oder Majoritätsbeteiligung
(mindestens 51%) gehandhabt werden. Das Kapitalbeteiligungsverhältnis ist von
enormer Bedeutung für die Stabilität und den potentiellen Erfolg, da es Regelun-
gen zur Gewinnaufteilung und zur Führung des Gemeinschaftsunternehmens be-
trifft. Bleicher/Hermann heben in diesem Zusammenhang hervor, dass das Ver-
hältnis der Anteile „Symbolcharakter für den Geist der Partnerschaft“64 hat. Von
den Autoren werden sehr unterschiedliche Empfehlungen über das Kapitalbeteili-
gungsverhältnis der beiden Parteien ausgesprochen. Rumer, beispielsweise, hält
eine Mehrheitsbeteiligung für erstrebenswert, um „entsprechende Kompetenzen
im Management des Joint-Ventures zu erlangen“65. Währenddessen spricht sich
Eiseler für eine Paritätsbeteiligung aus, da dies echte Bereitschaft zur Kooperation 60 vgl. Lubritz, 1996, S.49 61 Filliol, 1994, S.14 62 Eisele, 1995, S.15 63 Schwarting diskutiert diesen Aspekt sehr ausführlich. vgl. Schwarting, 1995, S.37f. 64 Bleicher/Hermann, 1991, S.22
24 65 Rumer, 1994, S.70
ausdrückt.66 Er vertritt die Auffassung, dass dem Vertrauen zwischen den Partnern
und nicht dem Kapitalverhältnis eine Schlüsselfunktion für den Erfolg eines Joint-
Ventures zukommt. Erst das Vertrauen ermöglicht, so Eisele, eine effiziente Koor-
dination auf Grund eines gemeinsamen Werte- und Normengefüges.66 Die Befra-
gung von Quack hat wiederum eine äußerst positive Bewertung von Minderheits-
beteiligungen ergeben.67
Die Autorin dieser Arbeit hält eine Paritätsbeteiligung für bedenklich, da Entschei-
dungen nur im Konsens getroffen werden können. Bestenfalls verzögert dies den
Entscheidungsprozess. Schlimmstenfalls geraten die Partner in eine Pattsituation,
in der keine Einigung erzielt werden kann, dem so genannten „dead-lock“. Die
Handlungsunfähigkeit des Managements würde die Verfolgung eines gemeinsa-
men und bestimmten Zieles unmöglich machen und als Konsequenz das gesamte
Joint-Venture in Frage stellen. Um Pattsituationen zu vermeiden, könnte ein Kapi-
talbeteiligungsverhältnis gewählt werden, bei dem sich die Anteile nur unwesent-
lich voneinander unterscheiden, z.B. „golden share“, „casting vote“.68 Andere Vari-
anten bestehen in der Wahl eines „Neutralen“ in das entscheidende Organ oder
der Einsatz eines rotierenden Vorsitzenden, der die letzte Entscheidung trifft.
Dennoch ist bei den vorangegangenen Überlegungen nicht zu unterschätzen,
dass das Kapitalverhältnis häufig nur unvollständig die realen Einflussmöglichkei-
ten reflektiert. So konstatiert Eisele, dass der Partner mit einer Minoritätsbeteili-
gung größeren Einfluss ausüben kann, da dieser „örtlich oder sachlich dem Joint-
Venture näher steht oder weil der Mehrheitspartner den Eindruck seiner Dominanz
vermeiden möchte“69. Weiterhin verlangen Joint-Ventures, eingegangen mit Part-
nern aus Industrie- oder Entwicklungsländern, einen unterschiedlichen Ansatz in
dieser Frage. Eine Untersuchung vom Tomlinson nennt Joint-Ventures in Entwick-
lungsländern erfolgreicher, gemessen an der Rentabilität, in denen ausländische
Investoren ihre Kontrollfunktion moderat wahrnahmen.70 Killing stellt eine eindeuti-
ge Korrelation zwischen unbefriedigender Leistung eines Joint-Ventures und do-
minanter ausländischer Kontrolle fest.71 Die Zusammenarbeit im Rahmen eines
66 vgl. Eisele, 1996, S. 103 67 Quack, 2000, S.63 68 Kutschker/Schmid, 2005, S.862 69 Eisele, 1996, S.103 70 vgl. Tomlinson, 1970, S. 147 71 vgl. Killing, 1983, S. 21ff.., zit. n. Paquin, 1999, S.50
25
Contractual-Joint-Ventures entspricht ebenfalls der o.g. Definition, allerdings ohne
dabei eine separate neue Unternehmung zu schaffen.
2.6.3 Phasen in der Joint-Venture Entwicklung
Wie sämtliche Kooperationsvorhaben durchläuft ebenfalls das Joint-Venture in
seiner Entwicklung verschiedene Abschnitte. Die Hauptphasen, die eine differente
Ablaufdauer besitzen und wiederum in Subabschnitte unterteilt werden können,
umfassen die Gründungs-, Betriebs- und Auflösungsphase.72 Innerhalb der se-
quentiell ablaufenden Hauptphasen können sich die Teilphasen in deren Verlauf
durchaus überlappen. Demnach kann im Gründungsprozess während der Part-
nerevaluation und -selektion bereits mit den Vorbereitungen zur Vertragsverhand-
lung begonnen werden.
In der ersten Phase im Lebenszyklus des Joint-Ventures, der Gründung, werden
konstitutive Entscheidungen getroffen, die die langfristigen Rahmenbedingungen
für das Joint-Venture festlegen und nicht ohne erhebliche Aufwendungen revidiert
werden können. Dazu gehören die Wahl des Standortes, der Rechtsform und der
Organisationsstruktur.73 Weis zufolge ist die Gründung ein „finanziell-juristischer
zeitbeanspruchender Akt (…), welcher ein rechtliches, sozial und wirtschaftlich
selbständiges Unternehmen entstehen lässt“.74 Komponenten der Gründungspha-
se sind die Analyse des eigenen Unternehmens sowie des Investitionsumfeldes,
die Partnerevaluation und -selektion und die Vertragsverhandlung und -gestaltung.
Die Phase wird mit der Errichtung des Gemeinschaftsunternehmens und der Auf-
nahme der Geschäftstätigkeit abgeschlossen.
In der darauf folgenden Betriebsphase steht die laufende Geschäftstätigkeit im
Vordergrund und bedeutet damit laufende Führung, Steuerung und kontinuierliche
Anpassung des Joint-Ventures auf Grund gesellschaftlicher, ökologischer, techno-
logischer, rechtlicher und ökonomischer Modifikationen.75
72 vgl. Weis, 1998, S.21f. 73 vgl. Hopfenbeck, 2002, S.175 74 Weis, 1998, S.21
26 75 vgl. Weis, 1998, S.24
In der letzten Phase, der Auflösung wird die unwiderrufliche Entscheidung getrof-
fen, die Kooperation zu beenden. Ursachen für eine Beendigung können die Errei-
chung des vereinbarten Gründungszweckes oder auch krisenhaften Situationen,
z.B. strategische Krise und Liquiditätskrise, sein.75 Dabei wird die Mehrzahl der
Joint-Ventures über eine Übernahme aller Anteile durch einen Partner aufgelöst,
um danach als Tochterunternehmen weitergeführt zu werden. Ebenfalls denkbar
ist die Beendigung über die Rückübereignung der jeweils eingebrachten Vermö-
genswerte und Rechte oder über eine Stilllegung des Joint-Ventures.76
2.6.4 Vorteile
Goldenberg nennt das Joint-Venture die „wichtigste unternehmerische Eintrittskar-
te zu vielen der meistbevölkerten Länder der Erde“77, z.B. China und Indien, und
verdeutlicht somit die herausragende Bedeutung des Joint-Ventures als Markt-
eintrittsstrategie. In einigen Ländern wird der freien Entscheidung für ein Joint-
Venture vorgegriffen, da ein 100%iges Tochterunternehmen auf Grund gesetzli-
cher Bestimmungen nicht zulässig ist und die Beteiligung eines lokalen Partners
nicht umgangen werden kann. Das Joint-Venture ist demnach geeignet, protektio-
nistische Tendenzen, z.B. Ausschluss von ausländischen Investoren von öffentli-
chen Ausschreibungen, Fusions- und Akquisitionsverbote zu umgehen.78
Gemeinschaftsunternehmen werden weiterhin eingegangen, um den Markteintritt
zu beschleunigen. Häufig nimmt die eigenständige Markterschließung, wie z.B. die
Errichtung eines Tochterunternehmens zuviel Zeit in Anspruch oder kann auf
Grund limitierter Ressourcen nicht erfolgen. Bleicher/Hermann bemerken hier-
zu:„In wenigen anderen Organisationsformen können Unternehmen ihre Stärken
so geschickt kombinieren und gleichzeitig ihre Ressourcen so sehr schonen“79.
Durch die Bündelung der Ressourcen wird die Erreichung von „Economies of
Scope“ möglich. Ein weiterer Vorteil besteht im Zugang zu spezifischen Markt-
kenntnissen, z.B. Nachfrage- und Bedarfsstrukturen, Vertriebsnetze, über die der
lokale Partner verfügt. Aber auch Kontakte zu Kunden, Lieferanten und Behörden 76 vgl. Zielke, 1992, S.247 77 Goldenberg, 1990, S.11 78 vgl. Eisele, 1995, S.24f. 79 Bleicher/Hermann, 1991, S. 5
27
stehen im Vordergrund. Das Motto der Unternehmen ist damit: „Wir liefern das
Know-how, der Partner das Know-who“.70 Ein Joint-Venture ermöglicht demnach
die zügige Assimilation des ausländischen Unternehmens an die ökonomische,
rechtliche und soziokulturelle Umwelt. Zusätzlich erlauben Gemeinschaftsunter-
nehmen eine Kapitalaufteilung und eine Risikostreuung unter den Partnern. Ein
nicht zu unterschätzender Aspekt, der mit der Beteiligung eines Partners einher-
geht, ist die Chance von diesem zu lernen und neue Kompetenzen zu erwerben.
Für Hamel/Prahalad ist dies einer der wichtigsten Gründe ein Joint-Venture einzu-
gehen.80
2.6.5 Probleme und Risiken
Joint-Ventures sind kein Allheilmittel und dürfen nicht überstürzt eingegangen
werden, da zahlreiche Schwierigkeiten auftreten können. Es sollte niemals über-
sehen werden, dass es sich bei einem Joint-Venture um eine „Ehe“ aus strategi-
schen Gründen handelt. Oftmals kann das neu gegründete Unternehmen nicht so
konfiguriert werden, wie es die Partner wünschen, da staatliche Bestimmungen,
z.B. Partnerwahl oder Kapitalbeteiligung, dies verhindern. Alle Entscheidungen
müssen mit dem Partner nicht nur abgestimmt, sondern mit ihm gemeinsam be-
schlossen werden; selbstbestimmtes Handeln, wie die bewusst gesteuerte Positi-
onierung auf dem ausländischen Markt, ist nicht möglich. Dies bedeutet vielfach
einen langwierigen und schwierigen Entscheidungsfindungsprozess, der dem
Joint-Venture die Flexibilität und Reaktionsfähigkeit, z.B. bei veränderten Markt-
bedingungen, raubt. Verstärkt wird dieser Nachteil durch kulturelle Differenzen.81
Berücksichtigt man die Annahmen, die in Kapital 2.4.2 getroffen wurden, nutzen
die Partner auf Grund ihrer opportunistischen Einstellungen die Abhängigkeit der
anderen Partei aus, um die eigenen Interessen durchzusetzen. In vielen Joint-
Ventures wird nicht das optimale Verhältnis zwischen Kooperation und Wettbe-
werb geschaffen. Geschäftsaktivitäten in zahlreichen Ländern zu verfolgen, be-
deutet oft die Zusammenarbeit mit verschiedenen lokalen Partnern in den Aus-
landsmärkten. Dies beinhaltet u.U. die Verwässerung der Unternehmensstrategie,
80 vgl. Hamel/Doz/Prahalad, 1983, S. 134f.
28 81 vgl. Kutschker/Schmid, 2005, S.867f.
welche besonders für Unternehmen problematisch ist, die eine globale Ausrich-
tung der Strategie verfolgen.
Die Bewertung des Erfolgs bleibt nach wie vor ein weiterer Kritikpunkt. Da die Un-
ternehmen mit teilweise sehr unterschiedlichen Zielen das Joint-Venture eingehen,
erfolgt auch die Zielerreichung unter recht ungleichen Gesichtspunkten.81 Ein
Nachteil, den alle Kooperationen teilen, ist die Weitergabe von sensiblem Know-
how und damit die potentielle Gefahr, das eigene Unternehmen zu schwächen.
Die Instabilität, zu der das Joint-Venture neigt, basiert auf den zuvor beschriebe-
nen Sachverhalten.
Abb. 4: Kooperationsformen zwischen Macht und Hierarchie
Markt HierarchieKooperation
Lizenzvertrag/Franchising
Joint- Venture
100%-Tochterunternehmen
Kaufvertrag
Partner-bindung
Kapital-bindung
MarktMarkt HierarchieKooperation
Management-vertrag
Quelle: Eigene Darstellung, in Anlehnung an Sydow, 1995, S. 104; Schuchardt, 1994, S. 20
29
3. INDIEN ALS WIRTSCHAFTSRAUM
Abb. 5: Staatsflagge Indien Abb. 6: Emblem Indien
Quelle: www.asienforever.de
e
Quelle: www.projektindien.com
Abb. 7: Landkarte Indien
Quelle: www.landkarte-online.net
30
Tab. 2: Datenblatt Indien Fläche 3.287.590 km²
Angrenzende Länder Bangladesh, Bhutan, Burma, China, Nepal, Pakistan
G E O G R A F I E
Größte Städte
Mumbai (Bombay), Dehli (Hauptstadt), Kolkata (Kalkut-
ta), Bengaluru (Bangalore), Chennai, Karnavati (Ahme-
dabad)
Offizieller Name Republik Indien
Politisches System Demokratisch föderale Republik
Verwaltung 28 Bundesstaaten, 7 Bundesterritorien
Amtssprachen Hindi, Englisch, Assami, Bengali, Gujuaratis, Kannada,
Kashmiri, Konkani, Malayalam, Manipuri, Marathi, Ne-
pali, Oriya, Punjabi, Sanskrit, Sindhi, Tamil, Telugu,
Urdu
P O L I T I K
Premierminister Manmohan Singh (seit Mai 2004)
Gesamtbevölkerung 1.080.264.388 (2005 gesch.)
Bevölkerungswachstum 1,4% (2005 gesch.)
Ethnische Gruppen 72% Indo-Arier, 25% Draviden, 3% Mongoloid
Lebenserwartung 64,35 Jahre
Altersstruktur 0-14 Jahre: 31,2%
15-64 Jahre: 63,9%
65 Jahre: 4,9% (2005 gesch.)
B E V Ö L K E R U N G
Alphabetisierungsrate 60%
Währung 1 Indische Rupie (INR) = 100 Paise (P)
Bruttoinlandsprodukt
pro Kopf
629,01 Mrd. USD (2004/05)
564 USD (2003)
Inflationsrate 5%
Erwerbstätige Bevölkerung 482,2 Mio. (2004 gesch.)
W I R T S C H A F T
Arbeitslosenrate 9,2% (2004 gesch.)
Quelle: Eigene Darstellung, auf Grundlage von CIA, 2005; GOI, 2005a; Auswärtiges Amt, 2005
31
3.1 Der Reformprozess
3.1.1 Ursachen
Nach ungefähr 200 Jahren Kolonialherrschaft durch Großbritannien erlangte In-
dien am 15. August 1947 die Unabhängigkeit. Zu diesem Zeitpunkt gehörte der
Subkontinent zu einem der ärmsten Länder der Welt, gekennzeichnet von Unter-
entwicklung, unvorstellbarer Armut und häufig auftretenden Hungersnöten. Indi-
sche Historiker halten es für eine unbestreitbare Tatsache, dass die Mehrheit der
Inder während der Zeit der Kolonialherrschaft, wenn schon nicht direkt vom Hun-
gertod betroffen, so doch am Rande des Verhungerns lebte.82
Der erste Premierminister, Jawaharlal Nehru von der Partei „Indian National Cong-
ress (INC)“, erklärte, dass neben der Beschleunigung des Wirtschaftswachstums
die Herausforderung Indiens im „the ending of poverty and ignorance and disease
and inequality of opportunity“83 bestünde. Als der geeignete Weg zur Verwirkli-
chung dieser ehrgeizigen Zielvorstellungen erschien ihm die schnelle und staatlich
geführte Industrialisierung Indiens basierend auf Fünfjahresplänen. Zu diesem
Zweck wurden bestimmte Schlüsselindustrien, Teile der Schwer- und Grundstoff-
industrie, so genannte „commanding heights“, verstaatlicht. Die Leicht- bzw. Kon-
sumgüterindustrie, die als strategisch nicht wichtig erachtet wurde, blieb der Pri-
vatwirtschaft vorbehalten. Sämtliche Investitionen, ob Errichtungs-, Erweiterungs-
oder Disinvestition, wurden durch ein komplexes Lizenzsystem (licence raj) regu-
liert und bedurften einer staatlichen Genehmigung. Diese „dual“ bzw. „mixed eco-
nomy“ stellte nach Nehrus Auffassung die „goldene Mitte“ zwischen dem Sozia-
lismus und dem Kapitalismus dar.84 Um die politisch gewonnene Unabhängigkeit
aufrechterhalten zu können, sah man es als essentiell an, auch wirtschaftlich un-
abhängig zu sein. Die Furcht, von multinationalen Konzernen einverleibt zu wer-
den, war enorm; schließlich war Indien von der britischen Handelsgesellschaft „E-
ast India Company“ kolonialisiert worden, bevor 1858 die britische Krone die
vollständige Kontrolle übernahm. Dies führte zur einer Politik der „Self Reliance“,
um jedwede ausländische Einflussnahme zu vermeiden, und äußerte sich in einer 82 vgl. Chandra, 1992, S.11, zit. n. Ghose, 2003, S.45 83 Ansprache vor der Constituent Assembly, Neu Delhi, 14. August 1947, zit. n. Planning Commission, 2002, S.9
32 84 vgl. Matter, 2000, S.381f.
außergewöhnlich restriktiven Investitionspolitik. Der 1973 erlassene „Foreign Ex-
change Regulation Act (FERA)“ beschnitt ein ausländisches Engagement auf ma-
ximal 40%. Überschritt eine geplante Investition diese Höchstgrenze, musste eine
Genehmigung eingeholt werden, die nur erteilt wurde, wenn es sich um Technolo-
gien handelte, die von nationaler Bedeutsamkeit waren.85 Eine hohe Anzahl tarifä-
rer (Zölle bis zu 200%) und nicht-tarifärer Handelsbarrieren kennzeichneten die
importsubstituierende Außenwirtschaft Indiens.86 Die zuvor beschriebenen Maß-
nahmen führten zu einer zunehmend gravierenden Isolierung Indiens vom Welt-
markt. Der Anteil am Welthandel ging von 2,2% im Jahre 1948 auf 0,53% in 1991
zurück.87
Abb. 8: Indiens Anteil am Welthandel von 1948 bis 1991
0,00
0,50
1,00
1,50
2,00
2,50
1945 1950 1955 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995
Jahr
%
Quelle: Eigene Darstellung, auf der Grundlage von WTO, 2004, S.30; Hauff/Michaelis, 2003, S.273
Weitere Konsequenzen dieser langjährigen binnenwirtschaftlich orientierten Politik
waren neben zurückgehenden Exporten, ineffiziente Produktionsstrukturen und
Unternehmen, die dem internationalen Wettbewerbsdruck nicht standhalten wer-
den. Zusätzlich hatte das „licence raj“ eine Umgebung geschaffen, in der Korrupti-
on, Nepotismus und Bürokratie ungehemmt gedeihen konnten. Zwischen 1951
und 1981 wuchs die Wirtschaft um durchschnittlich 3,5% pro Jahr und wurde da-
85 vgl. Ghose, 2003, S.129 86 vgl. Matter, 2000, S.383 87 vgl. WTO, 2004, S.30; Hauff/Michaelis, 2003, S.273
33
her als „Hindu-growth rate“ bezeichnet.88 Die geringen Zuwächse waren damit
nicht ausreichend, um das jährliche Bevölkerungswachstum von knapp 2,2%89 zu
kompensieren. Die Vision Nehrus, der gesamten indischen Bevölkerung ein Leben
ohne Armut zu garantieren, konnte nicht verwirklicht werden. Selbst wenn die all-
gemeine Lebenserwartung (1947: 33 Jahre, 1991: 60 Jahre) und der Lebensstan-
dard stiegen, war Armut weit verbreitet. 37,5% der 629 Mio. Inder lebten 1990/91
unterhalb der Armutsgrenze.90 Erst in den 80er Jahren begannen Politiker und
Wirtschaftsexperten sich einzugestehen, dass die verfolgte Politik die wirtschaftli-
che Entwicklung und den Fortschritt nicht nur zum Stillstand gebracht, sondern
Indien vielmehr beträchtlich zurückgeworfen hatte.
Rajiv Gandhi (INC), Sohn Indira Gandhis, unternahm über eine drastische Erhö-
hung der Auslandsverschuldung erste zaghafte Liberalisierungsversuche im Jahr
1985. Bürokratie, Furcht vor einem Machtverlust und das auf Grund von Korrupti-
onsvorwürfen angeschlagene Image des Premierministers verhinderten allerdings
die ernsthafte Verfolgung der Reformierungsabsichten. Dennoch half es den ei-
gentlichen Reformprozess ein paar Jahre später vorzubereiten.91 Mitte 1991 war
die Regierung, unter dem im Juni gewählten Premierminister, Narasimha Rao
(INC), zum Handeln gezwungen, da sowohl die innenpolitische als auch die au-
ßenwirtschaftliche Situation Indien in eine schwere Krise stürzte. Folgende Gründe
werden als Auslöser für das umfangreiche Reformpaket betrachtet:
1. Internationale Institutionen, wie der International Monetary Fund (IMF), die
World Bank und die Asian Development Bank (ADB) sowie ausländische Gläu-
biger zweifelten an der Kreditwürdigkeit Indiens und waren nicht länger bereit,
die marode Wirtschaft zu unterstützen. Indien war mit kurzfristigen Verbindlich-
keiten in Höhe von 70 Mrd. USD und einem Budgetdefizit in Höhe von ca. 10%
des Bruttoinlandsproduktes (BIP) hoch verschuldet. Im Juni 1991 verfügte In-
dien nur noch über Devisen für Importe von 14 Tagen.89
88 vgl. Ghose, 2003, S.59; Rieger, 1989, S.91f. 89 vgl. Bronger/Wamser, 2003, S.332ff. 90 vgl. Ghose, 2003, S.59
34 91 vgl. Joshi/Little, 1996, S.2
2. Nullwachstum der Industrie - das letzte Wachstum lag 12 Jahre zurück
(1979/1980).92
3. Steigende Staatsausgaben sowie Produktions- und Versorgungsengpässe re
sultierten in einer kontinuierlich wachsenden Inflationsrate, die Mitte 1991 20%
betrug.89
4. Das Handelsbilanzdefizit belief sich auf 106,4 Mrd. INR, ungefähr
6 Mrd. USD.89
5. Der Kollaps der Sowjetunion als wichtiger Exportmarkt und die immer schwieri
ger werdende Finanzierung von Ölimporten auf Grund des Golfkrieges.
6. Der ungebremste wirtschaftliche Aufstieg Chinas, welches sich bereits 1978 der
Weltwirtschaft öffnete und marktwirtschaftlich orientierte Reformen verfolgte.
3.1.2 Maßnahmen
Der von Premierminister Rao initiierte Transformationsprozess beendete die Ära
des „dritten Weg“ Indiens und damit auch die Steuerung und Kontrolle der Wirt-
schaft durch den Staat. Gleichzeitig wurde die „inward-looking“ und „self-reliant“
Haltung aufgegeben und man öffnete sich wieder ausländischen Einflüssen. Das
Hauptaugenmerk der Reformen lag auf den Bereichen Industrie, Handel, Aus-
landsinvestitionen und Technologietransfer und zielte auf eine Verbesserung der
Position Indiens im internationalen Wettbewerb ab. Aber auch das Ziel, der Armut
ein Ende zu setzen, wurde erneut aufgegriffen und Priorität eingeräumt. Die wich-
tigsten Maßnahmen im Verlauf des 1991 begonnenen und bis heute andauernden
Reformprozesses lassen sich wie folgt gliedern:93
92 vgl. Bronger, 1996, S. 327 93 vgl. Bronger/Wamser, 2003, S.334; Wamser, 2005, S.41f. (Zusammenstellung verschiedener Autoren)
35
1. Geldpolitik Bereits im Juli 1991 wurde die Indische Rupie (INR) stark abgewertet. Nach
Einführung der Teilkonvertibilität im Frühjahr 1992, ist die indische Währung seit
Februar 1993 im Außenhandelsverkehr voll konvertierbar.
2. Deregulierung von Foreign Direct Investment (FDI)
Die maximale Kapitalbeteiligung für einen ausländischen Investor sich in einem
Joint-Venture zu engagieren, wurde in 34 Prioritätsbereichen (1991) von 41 auf
51% erhöht. Fünf industrielle Sektoren, die für Indien strategisch, gesellschaft-
lich und umweltpolitisch bedeutsam waren, wurden dem Staat vorbehalten: 1.
Waffen und Munition, 2. Atomenergie, 3. Eisenbahn, 4. Kohle, 5. Bergbau (Ei-
sen, Mangan, Chrom, Gips, Schwefel, Gold, Diamanten, Kupfer, Zink)
3. „Automatic Route“ und „Foreign Investment Promotion Board (FIPB)“
Bis auf eine kurze Negativliste entfiel in den meisten Bereichen die Genehmi-
gungspflicht. Investitionen, die keiner staatlichen Zustimmung bedürfen, können
seither über die „Automatic Route“, welche eine Registrierung bei der indischen
Zentralbank darstellt, angemeldet werden. Investitionen, die nicht über die „Au-
tomatic Route“ registriert werden können, müssen durch das FIPB geprüft und
bewilligt werden. Die weiteren Aufgaben des von der Regierung eingesetzten
Ausschusses sind die Förderung von ausländischen Investitionen und die For-
mulierung sowie Anwendung von transparenten Richtlinien und Verfahren.
4. Liberalisierung des Außenhandels
Tarifäre Handelsbarrieren wurden schrittweise über Jahre hinweg auf einen
durchschnittlichen Basiszollsatz von 35% reduziert. Nur 5% aller Produkte, wie
z.B. tierische Fette, Talg, sind derzeit noch von Importrestriktionen betroffen.94 5. Privatisierung
Die Rückführung von Staatsunternehmen, den „heiligen Kühe der indischen
Volkwirtschaft“, in die die Privatwirtschaft wurde ebenfalls im Rahmen des Re-
formpaketes 1991 initiiert.
36 94 vgl. European Commission Asia Investment Facility, 2002, S.42
6. Abschaffung der Standortbeschränkung Investoren wurde die Möglichkeit eingeräumt, den Standort der Ansiedlung frei
zu wählen. Davon ausgenommen sind Ballungsräume mit mehr als einer Million
Einwohnern. Diese Beschränkung gilt allerdings nur für Industriezweige die als
umweltverschmutzend gelten. Jedoch kann diese Restriktion durch eine Indust-
rielizenz teilweise umgangen werden.
7. Abbau des Lizenzwesens
Das Lizenzwesen wurde für die meisten Branchen komplett abgeschafft. Aus-
nahme bilden Industriezweige, die der Staat sich vorbehielt (siehe 2.) oder die
weiterhin der Lizenzpflicht, z.B. die Destillation und Brauen alkoholischer Ge-
tränke, elektronische Ausrüstungsgegenstände für Raumfahrt- und Verteidi-
gung, unterliegen. Die Pflicht zur Lizenzierung gilt ebenfalls weiterhin für Sekto-
ren, die für die Klein- und mittelständische Industrie gesichert werden sollen.
Dennoch erfolgte die Veräußerung und Umstrukturierung von Staatsunternehmen
nur sehr zögerlich. Auch die potentiellen Gewinne hielten sich in Grenzen, da der
Staat seine Mehrheitsbeteiligungen nur widerwillig aufgeben wollte. Der Rangara-
jan-Ausschuss, benannt nach dem Vorsitzenden Dr. C. Rangarajan, wurde zur
Beurteilung der Unternehmen eingesetzt.95 Der Ausschuss schlug „die Umwand-
lung der Staatsunternehmen in Aktiengesellschaften, die Bestimmung der ange-
strebten Höhe der staatlichen Beteiligung im Einzelfall, die finanzielle Sanierung
und die Prüfung der Möglichkeiten, Anteile als Mittel der Ressourcenmobilisierung
auszugeben“96, vor. Massive Unterstützung, im Vorhaben die Wirtschaft umzu-
strukturieren, fand Premierminister Rao in seinem Finanzminister Dr. Manmohan
Singh, der maßgeblichen Anteil an der Formulierung und Durchsetzung der Re-
formenschritte hatte. Singh setzte sich für eine behutsame und sukzessiv stattfin-
dende Öffnung und damit (Re-)Integration in die Weltwirtschaft ein. Wie bereits
erwähnt, ist der, vor ca. 14 Jahren eingeleitete Transformationsprozess bis heute
nicht abgeschlossen und konnte auch nicht durch zahlreiche Machtwechsel, z.B.
durch die „Bharatiya Janata Party (BJP)“ im Jahr 1998 unterbrochen werden, auch
wenn dies von Beobachtern befürchtet worden war.
95 vgl. Rieger, 2001, S.322f. 96 Rieger, 2001, S.323
37
3.2 Politische Rahmenbedingungen
Ebenso heterogen wie die indische Topographie ist die Parteienlandschaft. Im
Jahr 2004 waren 781 Parteien97 in Indien registriert. Nur eine Handvoll größerer
Parteien verfolgt ein Wahlprogramm oder definiert für sich eine ideologische
Grundhaltung. Mehrheitlich folgen die so genannten Klientelparteien einer charis-
matischen Führungspersönlichkeit. Aus diesem Grund ist das Parteisystem stän-
digen und extremen Veränderungen unterworfen, da häufig mit dem Tod der Füh-
rungspersönlichkeit die gesamte Partei stirbt. Ebenso oft kommt es zum
Zerwürfnis und zur Spaltung von Parteien auf Grund persönlicher Konkurrenz-
kämpfe oder „Abwerbung“ von Abgeordneten.98Die wichtigsten und größten Par-
teien Indiens sind:
1. „Indian National Congress (INC)“, Gründung: 1885
Bekannteste Vertreter sind neben Mahatma Gandhi und Jawaharlal Nehru, die
die Unabhängigkeitsbewegung anführten, Indira und Rajiv Gandhi. Die INC ver-
folgt das Ziel der Säkularisierung und der nationalen Integration. Im Zeitraum
von 1947-1996 waren alle Premierminister Mitglieder der INC. Ausnahme bilden
die Zeiträume 1977-1980 und 1989-1991.99
2. „Bharatiya Janata Party (BJP)”, Gründung: 1980
Die BJP, die indische Volkspartei, ist nach der INC die zweitstärkste politische
Kraft. Die Zielsetzung der Partei ist die Transformation Indiens in eine einfluss-
reiche und fortschrittliche Nation mit hinduistischer Orientierung (Hindunationa-
lismus). Die erste Amtsübernahme im Jahr 1996 scheiterte bereits nach 13 Ta-
gen an Uneinigkeiten über die Koalitionsmöglichkeiten mit anderen Parteien.
1998 konnte die BJP erneut, diesmal mit 12 anderen Parteien die Regierung
bilden. Die Koalition zerbrach nur ein Jahr später auf Grund von Streitigkeiten.
Dennoch gewann die BJP die Neuwahlen im September/Oktober 1999 und
konnte mit der Koalition „National Democratic Alliance (NDA)“, bestehend aus
97 Election Commission, 2004a, S.6 98 vgl. Töpfer, 2000
38 99 vgl. Wamser, 2005, S.80
der BJP und 23 anderen Parteien100, Indien regieren. Der Premierminister war
in beiden Amtsperioden Atal Behari Vajpayee.
3. „Communist Party of India (CPI)”, Gründung: 1925, und “Communist Party of India-Marxist (CPM)”, Gründung: 1964
Die CPM entstand durch Abspaltung von der CPI und ist die wichtigste kommu-
nistische Partei Indiens. Im Gegensatz zum Kommunismus des einstigen Ost-
blocks streben indische Kommunisten nicht die Einführung einer rigiden Plan-
wirtschaft an. Prioritätsbereiche sind die Privatisierung unrentabler
Staatsunternehmen und die Schaffung eines attraktiven Investitionsklimas für
ausländische Interessenten.
Neben den drei großen Parteien gibt es über 730 Regionalparteien97, von denen
über 170101 zu den landesweiten Wahlen im Mai 2004 antraten. Seit den 80er Jah-
ren gewinnen diese kleinen und regional starken Parteien an Bedeutung und füh-
ren zu einem Machtverlust der Zentralregierung zugunsten einer verstärkten Regi-
onalisierung, z.B. bei der Distribution von finanziellen Ressourcen. Des Weiteren
rücken wieder zunehmend kulturelle Faktoren wie Kaste, Religion und ethnische
Gesichtspunkte in den Vordergrund bei der Entscheidung der Wähler.
Völlig unerwartet kam die vernichtende Niederlage der BJP bei den Unionswahlen
im Mai 2004. Ursächlich für diese deutliche Abwahl war die Unfähigkeit der BJP,
die in einer Million Dörfern lebende und von Armut gebeutelte Landbevölkerung
von dem Slogan „India is shining“ zu überzeugen. Immer wieder wurde über
Selbstmorde von Bauern berichtet, die keine Überlebenschancen sahen, während
sich in den Städten Eliten bildeten. Demnach gab es allein im Zeitraum Mai-Juni
2004 im Bundesstaat Andrah Pradesh 300 offiziell registrierte Bauernselbstmor-
de.102 Das Konzept der Opposition, die Unterversorgung und die defizitäre Infra-
struktur für einen Großteil der Bevölkerung zum Wahlkampfthema zu machen,
ging auf. Nach der Nominierung von Sonia Gandhi, der Witwe des früheren Pre-
mierministers Rajiv Gandhi, stellt die Kongresspartei mit Dr. Manmohan Singh er-
neut den Premierminister. Auf die Koalitionsregierung „United Progressive Alliance 100 Hardgrave, 1999 101 lection Commission, 2004b, S.1ff. E102 vgl. Sharma, 2004
39
(UPA)“, bestehend aus der INC und 14 weiteren Parteien, reagierten ausländische
Investoren überaus skeptisch, wie und in welchem Tempo der Reformprozess wei-
tergeführt würde. Da die INC nicht über die Mehrheit der Stimmen im Unterhaus
(lok sabha) verfügt, ist sie bei Entscheidungen auf die Unterstützung der als re-
formunwillig eingeschätzten linken Parteien angewiesen, die nicht an der Koalition
beteiligt sind. Dennoch verkündete Premierminister Singh die Fortführung der Re-
formen, jedoch „mit einem menschlichen Antlitz“. Zu weiteren Prioritätsbereichen
wurden im Rahmen des „National Common Minimum Program (NCMP)“ die Ar-
mutsbekämpfung und die Entwicklung ländlicher Gebiete erklärt.
Abb. 9: Sitzverteilung in der 14. Lok Sabha
SitzeOppositionOppositionSitzeRegierungRegierung
138
12
11
7
17
Bharatiya Janata Party (BJP)
Shiv Sena (SHS)
Biju Janat Dal (BJD)
Janata Dal United Party (JD-U)
TDP, SAD, AITY, NPF, NMF
145
21
16
9
26
Indian National Congress (INC)
Rashtriya Janata Dal (RJD)
Dravida Munnetra Kazhagam (DMK)
National Congress Party (NCP)
TRS, JMM, MDMK, LJNSP, JKPDP,RPI (A), MUL, PMK, RPI, AC, KEC (M)
185BJP + 9 weitere Parteien217INC + 14 weitere Parteien
SitzeOppositionOppositionSitzeRegierungRegierung
138
12
11
7
17
Bharatiya Janata Party (BJP)
Shiv Sena (SHS)
Biju Janat Dal (BJD)
Janata Dal United Party (JD-U)
TDP, SAD, AITY, NPF, NMF
145
21
16
9
26
Indian National Congress (INC)
Rashtriya Janata Dal (RJD)
Dravida Munnetra Kazhagam (DMK)
National Congress Party (NCP)
TRS, JMM, MDMK, LJNSP, JKPDP,RPI (A), MUL, PMK, RPI, AC, KEC (M)
185BJP + 9 weitere Parteien217INC + 14 weitere Parteien
Quelle: Eigene Darstellung, auf der Grundlage von Wamser, 2005, S.83
40
3.3 Wirtschaftliche Rahmenbedingungen
3.3.1 Wirtschaftliche Entwicklung
Nach einem leichten wirtschaftlichen Einbruch im Haushaltsjahr 2002/03* ver-
zeichnete Indien im darauf folgenden Jahr ein Rekordwachstum von 8,5%103 und
damit das höchste Wachstum in der Geschichte überhaupt, abgesehen von den
Jahren 1975 und 1988. Ebenso konnte für das Jahr 2004/05 trotz eines unzurei-
chenden Süd-West Monsuns, international steigender Stahl- und Ölpreise und der
verheerenden Tsunami-Katastrophe im Dezember 2004, ein Wirtschaftswachstum
von 6,9%103 erreicht werden.
Abb. 10: Wirtschaftswachstum von 1990/91 bis 2005/06
6,9
6,9
8,5
4,0
5,8
4,4
6,1
6,5
4,8
7,8
7,3
6,3
5,0
5,1
0,8
5,6
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9
2005/06
2004/05
2003/04
2002/03
2001/02
2000/01
1999/00
1998/99
1997/98
1996/97
1995/96
1994/95
1993/94
1992/93
1991/92
1990/91
Jahre
%*Prognose
*
Quelle: Eigene Darstellung auf Grundlage von GOI, 2005a, S.3; Joshi/Little, 1996, S.17
Das BIP beträgt 2004/05 629,01 Mrd. USD104 und bedeutet Indiens Aufstieg zum
zweitgrößten Wachstumsmotor Asiens hinter China. Dennoch bleibt das durch-
schnittliche BIP pro Kopf von 564 USD105 2003 niedrig im Vergleich zu anderen
asiatischen Nationen wie China (1.100 USD105), den Philippinen (989 USD105) und
Indonesien (970 USD105). Noch in den 70er Jahren hatte Indien ein höheres BIP
pro Kopf als China. Die Inflation stieg in 2004/05 auf Grund hoher Rohöl- und
* Anm.: Das indische Haushaltsjahr beginnt am 1.April und endet am 31.März des darauf folgenden Jahres. 103 GOI, 2005a, S.1 104 Auswärtiges Amt, 2005 105 UNDP, 2005, S.267f.
41
Rohstoffpreise für Bodenschätze um rd. 1% im Vergleich zum Vorjahr auf durch-
schnittlich 5%104.
Das Haushaltsdefizit, sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene, ist nach wie
vor Grund zur Beunruhigung und wird auf 4,4106-6%107 des BIPs für das Haus-
haltsjahr 2004/05 geschätzt. Der 2003 verabschiedete „Fiscal Responsibility and
Budget Management Act“ verfolgt die Zielsetzung, bis zum Jahr 2008 das Haus-
haltsdefizit vollständig zu eliminieren. Dieses Ziel kann ohne eine erhebliche Er-
höhung der Staatseinnahmen nicht erreicht werden. Ohnehin wird der Haushalt
von Zins- und Personalzahlungen, Subventionen und Verteidigungsausgaben fast
vollständig aufgezerrt. Für Programme zur Verbesserung der Infrastruktur und Be-
kämpfung der Armut bleibt nur geringer Handlungsraum. Positiv bewertet wurde
die Einführung der Mehrwertsteuer am 1. April 2005, die nach Warengruppen und
Regionen gestaffelt sind. Derzeit liegen jedoch noch keine Schätzungen vor, wie
hoch die Einnahmen sein werden.
Die indischen Währungsreserven beliefen sich im Mai 2005 auf 140 Mrd. USD108.
Währenddessen betrug die Auslandsverschuldung im Dezember 2004
120,9 Mrd. USD100 und setzt sich vor allem aus langfristigen Verbindlichkeiten zu-
sammen. Auch wenn es damit gelungen ist den Anteil von 28,7% am BIP 1991
deutlich zu verringern, ist Indien lt. der „Economic Survey 2004/05" der weltweit
achtgrößte Debitor.109 Die INR blieb stabil und kann sich gegen die Welthandels-
währungen, wie USD und EUR behaupten.
3.3.2 Wirtschaftsstruktur
Ebenfalls in Indien vollzieht sich ein Wandel bezüglich der Bedeutung der einzel-
nen Wirtschaftssektoren. Die Landwirtschaft hat seit 1950 massiv an Bedeutung
verloren, wenn man den Anteil am BIP betrachtet. Trotz alle dem arbeitet der
größte Teil der Bevölkerung mit über 57%110 in der Landwirtschaft. Der unzurei-
106 Lamprecht, 2004, S.463 107 Bergé, 2004, S.303 108 o.V., 2005a 109 vgl. GOI, 2005a, S.137f.
42 110 GOI, 2005a, S.230
chende Monsun ist die Ursache, dass für diesen Wirtschaftszweig im Jahr 2004/05
ein Nullwachstum verzeichnet wurde. Noch in 2003/04 hatte die Landwirtschaft mit
einem gewaltigen Wachstum von 9,1%111 auf Grund eines sehr guten Monsuns
großen Anteil am Wirtschaftswachstum von insgesamt 8,5%. Die wichtigsten Er-
zeugnisse sind Tee, Kaffee, Reis, Getreide, Ölfrüchte, Milch, Gummi, Fisch und
Geflügel. Der Sektor ist einerseits durch beträchtliche Subventionen und anderer-
seits durch eine enorm hohe Unproduktivität gekennzeichnet. Schätzungen zufol-
ge verkommen 40%112 der landwirtschaftlichen Erzeugnisse entweder direkt auf
den Feldern oder während des Verarbeitungsprozesses. Dieser Bereich wird da-
mit zu einem äußerst attraktiven Betätigungsfeld für jegliche Unternehmen die auf
dem Gebiet des „Food Processing“ angesiedelt sind.
Indiens Industriesektor ist ebenso heterogen wie weite Teile der Wirtschaft. Auf
der einen Seite gibt es fortschrittliche und international wettbewerbsfähige Unter-
nehmen; auf der anderen Seite existieren Unternehmen, die mit veralteten Tech-
nologien und dementsprechend ineffizient produzieren.113 Im Zeitraum von April
bis Dezember 2004 konnte der industrielle Sektor ein Wachstum von 8,4%114 ver-
zeichnen. Damit verfügt Indien über den fünftgrößten Industriesektor in der Grup-
pe der Entwicklungsländer und den elftgrößten weltweit.115 Die Wachstumsbran-
chen sind die Automobilindustrie, chemische Industrie, Biotechnologie- und
Pharmaindustrie, Maschinen- und Ausrüstungsbau (einschließlich Textilmaschi-
nen) sowie die Nahrungsmittelindustrie.116
Auch 2004/05 bleibt der Dienstleistungssektor die Zugmaschine der wirtschaftli-
chen Entwicklung und verzeichnet das größte Wachstumspotential. 2004/05 konn-
te ein Wachstum von 8,8%117 erzielt werden. Umso erstaunlicher ist die Tatsache,
dass trotz dieser enormen Bedeutung für die indische Volkswirtschaftlich nur rund
25% aller Beschäftigten in diesem Sektor tätig sind. Zudem scheint es, als habe
Indien die Industrialisierungsphase ausgelassen und sei direkt von einer Agrarge-
sellschaft in eine vom Dienstleistungssektor dominierte Gesellschaft übergegan-
111 BFAI, 2005, S.24 112 nach Aussage von Herrn U.S.Becker auf dem Treffen des German-Indian Roundtable (GIRT), 11. Juli 2005 113 vgl. Hauff, 1999, S.236 114 GOI, 2005a, S.140 115 vgl. Hauff, 2004, S.92 116 vgl. BFAI, 2005, S.10f; Müller, 2005, S.19 117 BFAI, 2005, S.22
43
gen. Weltruf genießt Indien inzwischen als bedeutender Offshore Standort für IT-
basierte Geschäftsprozesse, dem so genannten „Business Process Outsourcing
(BPO)“ wie die Buchhaltung, Kunden- und Personalverwaltung sowie Computer-
wartung und -betreuung. Sogar die radiologische Begutachtung von Tomografien
wird von amerikanischen Unternehmen nach Indien ausgelagert. Potentielle
Wachstumsbranchen sind neben der IT-Branche der Einzelhandel, die Telekom-
munikation, insbesondere die Mobiltelephonie, und der Tourismus. In Deutschland
ist besonders in diesem Jahr der Trend von Bollywood-Filmproduktionen spürbar.
Abb. 11: Sektorale Verteilung, 1990/91 und 2004/05
1990/91 1990/91
2004/05 2004/05
Anteil BIP Anteil Beschäftigung
39,7
29,3
31,0
57,6
21,9
20,5
64,7
20,0
15,3
57,0
25,0
18,0
in %
Landwirtschaft
Industrie
Dienstleistungen
Quelle: Eigene Darstellung, auf der Grundlage von Gosalia, 2003, S.296; RBI, 2005, S.228; Mund,
2005, S.9
Im Allgemeinen sind die einzelnen Sektoren durch eine Vielzahl von klein- und
mittelständischen Unternehmen, die sich häufig in Familienbesitz befinden, ge-
kennzeichnet. Ein weiteres Charakteristikum der indischen Wirtschaft ist nach wie
vor die außerordentliche Bedeutung des öffentlichen Sektors. 2001 befanden sich
noch immer drei Viertel der indischen Industrieproduktion im Besitz des Staates.118
Die fast 20 Mio. im öffentlichen Sektor beschäftigen Arbeiter und Angestellte stel-
len damit die größte „army of civil servants in the world“119.
118 vgl. Rieger, 2001, S.319
44 119 Shankar, 2002, zit. n. Wamser, 2005, S.68
Weiterhin muss bei der Analyse ein beträchtliches Problem berücksichtigt werden:
der größte Teil des indischen Wirtschaftsleben spielt sich im informellen Sektor ab
und wird daher nicht erfasst.
3.3.3 Außenwirtschaft
Die Wirtschaftsreformen von 1991 führten nicht nur zu einer Zunahme an auslän-
dischen Investitionen, sondern lösten ebenso eine nie da gewesene Dynamik des
indischen Außenhandels aus. Im Haushaltsjahr 2004/05 konnte diese äußerst po-
sitive Entwicklung ebenfalls weitergeführt werden. Die Exporte wuchsen um 25,3%
auf 80 Mrd. USD104. Hauptexportgüter sind Bekleidung, Stoffe, Garne, Leder und
Lederwaren, Edelsteine und Schmuck, Teppiche, Ingenieurwaren, pharmazeuti-
sche Erzeugnisse, Software und landwirtschaftliche Erzeugnisse, z.B. Tee, Kaffee,
Nüsse, Reis, Meereserzeugnisse.120 Besondere Bedeutung kommt dem Export
von Dienstleistungen zu, der insgesamt 31%121 der Exporte ausmacht. Hauptab-
nehmerländer der Produkte sind die Vereinigten Staaten von Amerika (USA), die
Vereinigten Arabischen Emirate, Hongkong, Großbritannien, die Volksrepublik
(VR) China und Deutschland. Im gleichen Zeitraum verzeichneten die Importe ein
Wachstum von 35,6% auf 106 Mrd. USD104, resultierend nicht nur aus gestiege-
nen Einfuhren sondern auch aus erheblichen Preissteigerungen für Öl und Stahl.
Das Handelsbilanzdefizit hat sich demnach im Vergleich zum Vorjahr fast verdop-
pelt und liegt nunmehr bei 26 Mrd. USD.104 Hauptimportgüter sind Rohöl, Maschi-
nen, elektronische Güter, Gold und Silber, Edelsteine, Chemikalien. Die wichtigs-
ten Handelspartner sind hierbei die USA, Belgien, die VR China, Singapur,
Australien, Großbritannien und Deutschland.
Zwar ist Deutschland ein wichtiger Handelspartner für Indien, nicht aber umge-
kehrt. Nur 0,4% (3,3 Mrd. EUR) aller deutschen Exporte 2004 gingen nach Indien.
Ähnlich sieht es bei den Importen aus: nur 0,5% (2,9 Mrd. EUR) aller Güter wur-
den aus dem Subkontinent importiert.122 Sowohl bei den Exporten als auch bei
den Importen landet Indien abgeschlagen hinter mehr als 30 anderen Nationen als
Handelpartner. Schlussfolgerung dieser Situation kann nur sein, dass deutsche 120 BFAI, 2004, S.16 121 GOI, 2005a, S.112 122 Statistisches Bundesamt, 2005
45
Unternehmen noch nicht ausreichende die (zukünftige) Rolle Indiens in der Welt-
wirtschaft erkannt haben und bisher in ungenügendem Maße Geschäftsbeziehun-
gen mit Indien verfolgen. Die am 31. August 2004 verabschiedete „Foreign Trade
Policy 2004-2009“ formuliert die Richtlinien der weiteren außenwirtschaftlichen
Entwicklung und verfolgt die Ziele, den Anteil Indiens am Welthandel von derzeit
0,8% bis 2009 zu verdoppeln und die Policy als wichtiges Instrument in der Gene-
se von Arbeitsplätzen einzusetzen.123 Seit Januar 2005 ist Indien Vollmitglied der
World Trade Organization (WTO) und versucht die Vorgaben zu erfüllen.
Von der am 1. Januar 2006 in Kraft tretenden Freihandelszone „South Asian As-
sociation for Regional Cooperation (SAARC)“ werden weitere Impulse für die Stei-
gerung des Außenhandels ausgehen. Die Mitglieder haben vereinbart, sukzessiv
Zölle und Handelsbarrieren abzubauen. So haben sich Indien, Pakistan und Sri
Lanka zum Abbau ihrer Importzölle auf 0-5% bis 2013 verpflichtet.124 Die anderen
Mitgliedsstaaten haben bis 2015 Zeit die Zollsenkungen zu realisieren. Sensible
Produkte können von den einzelnen Ländern von diesen Vorgaben befreit werden.
Es bestehen bereits seit 1965 so genannte „Export Processing Zones (EPZ)“, die
allerdings nicht die gewünschten Ergebnisse brachten. Die Errichtung von insge-
samt 18 Sonderwirtschaftszonen, „Special Economic Zones (SEZ)“, nach dem
Vorbild Chinas, soll nun in besonderem Maße Export orientierte Industrien fördern
und attraktive Standortbedingungen in Form von Steuer- und Außenhandelsprivi-
legien für ausländische Investoren schaffen. Im Haushaltsjahr 2004/05 flossen ca.
5,3 Mrd. USD125 als FDI nach Indien und bedeutet damit die Fortsetzung des posi-
tiven Trends des vergangenen Jahres.
3.4 Rechtliche Rahmenbedingungen
Indien gilt als die „größte“ Demokratie der Welt, wobei das Kriterium für diesen
Superlativ die Bevölkerungsanzahl ist. Die Grundlage des Staates, der Neutralität
allen Religionen gegenüber garantiert (Säkularität), ist die am 26. Januar 1950
verabschiedete Verfassung. Angesichts der 28 Bundesstaaten und sieben Bun-
123 GOI, 2005a, S.116 124 vgl. Bergé, 2004, S.305
46 125 UNCTAD, 2005, S.306
desterritorien, in denen die gleichen demokratischen Prinzipien angewendet wer-
den und zahlreichen ethnischen Gruppen und Religionen ist Indien in der Tat er-
staunlich stabil. Jüngste Demonstration dieser Stabilität ist der fast reibungslos
verlaufende Regierungswechsel im Mai 2004. Die Gleichheit, die jedem indischen
Bürger vor dem Gesetz zugesichert wird, macht Indien zum Rechtsstaat. Dies gilt
jedoch nur begrenzt. Zweifel an der Rechtsstaatlichkeit Indiens kommen auf, wenn
z.B. der Wirtschaftsreferent der Deutschen Botschaft in Neu Delhi, Herr Dr. Oliver
Lamprecht, anlässlich einer Sitzung des GIRT am 11. Juli 2005, über die Situation
der Frauen in den ländlichen Regionen berichtet, die nicht wissen, was es heißt,
persönliche Rechte zu haben. Tatsache ist, dass die Mehrheit der indischen Be-
völkerung keinen Nutzen vom Prinzip der Rechtsstaatlichkeit ihres Landes ziehen
kann. Demnach bleibt es für viele „benachteiligte und am Rande der Gesellschaft
lebende Menschen schlichtweg illusorisch, sich auf ihr Recht zu berufen, ge-
schweige denn, dieses einzuklagen“126.
Ein Erbe der Kolonialherrschaft ist die Orientierung am englischen Rechtssystem
und dem Fallrecht (Case Law) als Basis. Das „Case Law“ unterscheidet sich
grundsätzlich am augenscheinlichsten von deutschen Rechtsregeln im Vergleich
zu anderen Rechtskreisen. Nur selten gibt es zusammenfassende Gesetzestexte,
es wird vielmehr auf Grund von z.T. Jahrhunderte alten Präzedenzfällen entschie-
den.127 So kommt es z.B. bei Vertragsabschlüssen mit indischen Unternehmen
regelmäßig zur Verwirrung und ungeduldigen Reaktionen seitens der deutschen
Unternehmer, da durch zahlreiche Erläuterungen und Anhänge, in denen alle
möglichen Vertragsstörungen detailliert geregelt sind, der Vertrag sehr umfang-
reich wird. Ein auf britischem Recht basierendes Rechtssystem wird allgemein
positiv bewertet. Kritisiert werden hingegen die Behäbigkeit des Rechtssystems
und die mangelhafte Rechtsdurchsetzung. Demzufolge kann ein Rechtsstreit zwi-
schen zwei privaten Unternehmen infolge von Vertragsverletzungen bis zu
15 Jahre dauern. Eine rechtliche Auseinandersetzung mit einem Staatsunterneh-
men kann sich sogar bis zu 25 Jahre hinziehen. Schätzungen zufolge gibt es der-
zeit 23 Mio. schwebende Gerichtsverfahren.128 Um die Gerichte zu entlasten und
die mühselige Durchsetzung von Rechtsansprüchen zu vermeiden, wurde 1996
126 Dohrmann/Fischer, 2001, S.145 127 vgl. Bernstorff, 2002, S.2f. 128 vgl. Wamser, 2005, S.404f.
47
der „Arbitration Act“ für die außergerichtliche Einigung zwischen Geschäftspart-
nern erlassen. Dieser trug allerdings nicht wirklich zu Erleichterung der Situation
bei, da die Entscheidungen eines Schiedsverfahrens anfechtbar sind, sobald das
Staatsinteresse, „public policy“ beeinträchtigt ist. Da bislang das Staatsinteresse
keiner Definition unterliegt, ist es ein gern eingesetztes Mittel der unterlegenen
Partei.128 Ein internationaler Vergleich der World Bank, der „Enforcing Contracts
Index“, stuft das indisches Rechtssystem als eines der langsamsten und ineffek-
tivsten weltweit auf dem 93. Platz von insgesamt 134 Nationen ein.129 Gründe
hierfür sind chronisch überlastete Richter, die Vielfalt an möglichen Verzögerungs-
taktiken, die fehlende technische Ausstattung und die Korruption der Rechtsbe-
hörden.
3.5 Gesellschaftliche Rahmenbedingungen
Die gesellschaftlichen und auch kulturellen Rahmenbedingungen können in dieser
Arbeit nicht einmal annähernd geklärt werden. Es soll vielmehr ein Einblick in die
Vielfalt und Andersartigkeit der indischen Gesellschaftsstrukturen gewährt werden.
Die Sprachenvielfalt ist dabei ein Charakteristikum. Neben den offiziellen Amts-
sprachen Hindi und Englisch, werden 17130 weitere als Amtssprachen durch die
Verfassung anerkannt.
Weiteres Merkmal des Subkontinents ist die Fülle an Religionen. Demnach sind
rund 82% der Bevölkerung Hindus, ungefähr 11,5% Moslems, rund 3% Christen,
2% Sikhs und 0,7% Buddhisten. Weitere 0,8% gehören anderen religiösen Grup-
pen wie Jains, Parsen, Juden und sonstigen an.131 Diese vielschichtige Zusam-
mensetzung der indischen Gesellschaft sorgt ohne Zweifel für soziale Spannun-
gen. Daher kommt es immer wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen,
besonders zwischen fundamentalistischen Moslems und radikalen Hindus, wie
z.B. der Bombenanschlag in Neu-Delhi im Oktober des vergangenen Jahres mit
51 Toten.
129 vgl. World Bank, 2005, S.248f. 130 CIA, 2005
48 131 vgl. Krack, 2004, S.15
In enger Verbindung mit dem Hinduismus steht das Kastenwesen, das selbst In-
dien-Unkundigen ein Begriff ist. Zwar wurde das Kastenwesen de jure im § 15 der
Verfassung vor mehr als 50 Jahren abgeschafft, dennoch existiert es de facto wei-
ter und ist in der indischen Gesellschaft in allen Bereichen präsent. Der Begriff
„Kaste“ stammt vermutlich vom portugiesischen Wort „casta“ für Rasse, Sorte,
Züchtung und ähnelt in seiner Bedeutung dem (nord-)indischen Ausdruck „Jati“.
Die Geburt in eine Jati, bedeutet für den Menschen die hierarchische Eingliede-
rung in eine bestimmte soziale Gruppe und damit die Zuweisung einer üblicher-
weise endgültigen Position innerhalb der indischen Gesellschaft. Identifizierbar ist
die jeweilige Kaste über den Familiennamen, Beruf, Sprache, Kleidungs-, Speise-
und Glaubenseigenarten.132 „Die Jati ist damit eine Schicksals-, Lebens-, Berufs-
und Heiratsgemeinschaft“133.
Die Hauptkasten, die weiter in Subkasten unterteilt werden, sind: 1. Brahmanen
(Priester, Gelehrte), 2. Kshatriyas (Krieger), 3. Vaishyas (Adel), 4. Shudras (Bau-
ern, Handwerker). Die kastenlosen Harijans (wörtlich: „Kinder Gottes“), auch „Un-
berührbare“ genannt, bezeichnen sich selbst als Dalits (Ausgestoßene). An dieser
Situation ändern auch Quotenregelungen für „Scheduled Castes and Tribes
(SCT)“ nichts, die den Zugang z.B. zu Ausbildungs- und Universitätsplätzen für
Niederkastige erleichtern sollen. Im Gegenteil, das Kastenbewusstsein in den
Köpfen wird eher noch gefestigt.
Ungeachtet der Bemühungen der verschiedenen Regierungen seit 1947 konnte
die Armut nicht beseitigt werden. Zwar konnte der Anteil der in Armut lebenden
Bevölkerung seit 1994 um 10%134 verringert werden. Die Abnahme ist Reflektion
der gesunkenen Kindersterblichkeit von 79135 im Jahr 1992 auf heute 56136 pro
1.000 Geburten und der erhöhten Lebenserwartung von 59135 Jahren in 1992 auf
64136 Jahre in 2005. Dennoch bleibt Indien, lt. „World Development Report 2005“,
eine der ärmsten Regionen weltweit, in der ca. 35% der Bevölkerung mit weniger
als 1 USD pro Tag auskommen müssen und damit mehr als 380 Mio. Einwohner
betrifft. Ungefähr 80% der Bevölkerung stehen nicht mehr als 2 USD pro Tag zur
132 vgl. Jürgenmeyer/Rösel, 2000, S.79 133 Jürgenmeyer/Rösel, 2000, S.79 134 CIA, 2005 135 Drezé/Sen, 1995, S.213 136 CIA, 2005
49
Verfügung.137 Dies bedeutet somit eine Erhöhung der absoluten Zahl der in Armut
lebenden Menschen resultierend aus dem Bevölkerungswachstum. Der Umstand,
dass im Wesentlichen nur die urbanen Regionen vom wirtschaftlichen Aufschwung
profitieren, führt zu immer größer werdenden regionalen Disparitäten und sich ver-
schärfenden sozialen Konflikten. Während Goa, Andhra Pradesh, Delhi, Himchal
Pradesh, Karnataka, Kerala, Maharashtra und Tamil Nadu vom wirtschaftlichen
Aufschwung in den letzten Jahren profitieren konnten, bleiben Bundesstaaten, die
bereits früher unterentwickelt waren, es auch weiterhin. Dies trifft insbesondere
auf die „BIMARU*“- Staaten (auch Hindi-Herzland) und Orissa zu.
Abb. 12: Regionale Disparitäten, dargestellt am BIP pro Kopf
Quelle: Wamser, 2005, S.134
137 vgl. World Bank, 2005, S.258 * Anm.: Die BIMARU-Staaten sind Bihar, Madhya Pradesh, Rajasthan und Uttar Pradesh; bimar bedeutet krank auf Hindi.
50
Tab. 3: Regionale Disparitäten, dargestellt an div. sozialen Indikatoren A lphabe-
t is ierungs-rate in %
Unter der A rmuts-grenze
in %
Kinder-sterblich-
keit
pro 1.000
Geburten-rate
pro 1.000
H D I X
Bezugsjahr 2001 1999-2000 2001 2002 2001
Bundesstaat M ännlich Weiblich Urban Rural
Andhra Pradesh 60,47 62,79 65,00 15,77 62 20,70 0,416 0,310 0,238
Bihar 47,00 65,66 64,79 42,60 61 30,90 0,367 0,318 0,208
Gujarat 69,14 63,12 64,10 14,07 60 24,70 0,479 0,288 0,233
Haryana 67,91 64,64 69,30 8,74 62 26,60 0,509 0,285 0,240
Karnataka 66,64 62,43 66,44 20,04 55 22,10 0,478 0,321 0,241
Kerala 90,86 71,67 75,00 12,72 10 16,90 0,638 0,290 0,240
M adhya Pradesh 63,74 59,19 58,01 37,43 85 30,40 0,394 0,312 0,241
M aharashtra 76,88 66,75 69,76 25,02 45 20,30 0,523 0,345 0,258
Orissa 63,08 60,05 59,71 47,15 87 23,20 0,404 0,292 0,242
Punjab 69,65 69,78 72,00 6,16 51 20,80 0,537 0,290 0,238
Rajasthan 60,41 62,17 62,80 15,28 78 30,60 0,424 0,281 0,209
Tamil Nadu 73,45 67,00 69,75 21,12 44 18,50 0,531 0,398 0,279
Uttar Pradesh 56,27 63,54 64,09 31,15 80 31,60 0,388 0,327 0,245
West Bengal 68,64 66,08 69,34 27,02 49 20,50 0,472 0,328 0,224
Indien 64,84 63,87 66,91 26,10 63 25,00 0,472 0,341 0,258
Lebenserwartung
in Jahren
2001-2005 1999-2000
Gini R atio für
P ro -Ko pf-Ko nsumausgaben
Quelle: Eigene Erstellung, auf der Grundlage von Planning Commission, 2002; GOI, 2005a
3.6 Stärken und Potentiale
Indien kann allen Befürchtungen und Zweifeln zum Trotz auf eine stabile Demo-
kratie seit fast 60 Jahren verweisen. Der Demokratisierungsindex sieht Indien hin-
ter Japan als zweitdemokratischstes Land Asiens.138
Der 1991 initiierte Transformationsprozess und der damit verbundene tief greifen-
de Strukturwandel wurde und wird noch heute entgegen aller innenpolitischen Wi-
derstände und Machtwechsel fortgeführt. Indien befindet sich demzufolge auch
weiterhin auf dem Weg zu einem marktwirtschaftlichen System. Auf der einen Sei-
te wurde ausländischen Investoren der Marktzugang ermöglicht und zunehmend
vereinfacht. Während 1991/92 nur 75 Mio. USD FDI nach Indien flossen, waren es
2004/05 über 5 Mrd. USD.139 Auf der anderen Seite zwingt es lokale Unterneh-
men, effektiv und hohen Qualitätsstandards entsprechend zu produzieren, um im
internationalen Wettbewerb zu bestehen. Weitere Maßnahmen der Regierung
138 López-de-Silanes et. al. 1999, zit.n. Wamser, 2005, S.33f. 139 UNCTAD, 2005, S.306
51
werden die Senkung der noch immer hohen Zölle und die Erhöhung der Beteili-
gungsgrenzen in verschiedenen Sektoren für ausländische Investoren beinhalten.
Fortschritte konnten ebenfalls bei der Verbesserung der Infrastruktur, wie z.B. der
Ausbau des Autobahnnetzes „Goldenes Viereck“, gemacht werden.
Insgesamt konnte der Subkontinent seine Attraktivität als Investitionsstandort
verbessern. Demnach urteilt der „FDI Confidence Index“ für 2004 der Manage-
mentberatung A.T. Kearney, dass nur die USA und China noch mehr Anziehungs-
kraft als Ziel für Auslandsinvestitionen besitzen.140 Besonders interessant dabei
sind die Gewinnaussichten, denn im “Schnitt verdienen ausländische Investoren in
Indien fast ein Drittel mehr auf ihr eingesetztes Kapital als in China“ lt. Hrn. Hein-
rich von Pierer, Aufsichtsratvorsitzender von Siemens auf der, im September in
Berlin 2005 stattfindenden, Indien-Konferenz des Handelsblatts.141
Wachstumsraten von durchschnittlich 6%142 in den 90er Jahren kennzeichnen die
Dynamik des wirtschaftlichen Aufschwungs. Im August 2005 verkündete “The
Economist” „Economic growth, (…), a stockmarket that (…) had risen by more
than 50% in a year; buoyant exports, a credit boom and bulging reserves of for-
eign exchange. India is, once again, enjoying a burst of economic optimism”143.
Wie in dem Zitat angedeutet verfügt Indien über einen fortschrittlichen Finanz- und
Kapitalmarkt. Der indische Aktienmarkt ist mittlerweile zum fünftgrößten in Asien
angewachsen und befindet sich weiterhin auf „Rekordjagd“.144 Experten der Deut-
schen Bank (DB) Research trauen der indischen Wirtschaft ebenfalls in den
nächsten 10 bis 15 Jahren eine jährliche Steigerung von 6% zu.142 Möglich wären
sogar bis zu 8% Zuwachs, wenn es der Regierung gelänge, die Reformen zügiger
und aggressiver voranzutreiben. Unbezweifelbar ist, dass Indien in 10 bis 30 Jah-
ren nach den USA und China die drittgrößte Volkswirtschaft sein wird.145 Ein gro-
ßer Vorteil gegenüber China „schlummert“ bislang noch in der Demografie. Wäh-
rend das Durchschnittsalter in Indien derzeit bei 24,7 Jahren liegt, wird sich China
(derzeit: 31,8 Jahre) als erstes Entwicklungsland der Herausforderung einer al-
ternden Bevölkerung stellen müssen.145 Ein weiterer Standortvorteil ergibt sich aus 140 vgl. A.T. Kearney, 2004a 141 Müller, 2005, 18f 142 vgl. Mund, 2005, S.3 143 o.V., 2005b, S.44 144 vgl. Bloomberg, 2005, S.21
52 145 vgl. Schnaas, 2005, S.26ff.
den niedrigen Lohnkosten und der hohen Verfügbarkeit an Arbeitskräften und Ma-
nagementpersonal. Lt. einem Bericht der „Financial Times Deutschland“ beträgt
der indische Durchschnittslohn in Abhängigkeit von Ausbildungsstand und Stand-
ort ein Viertel bis ein Zehntel der westlichen Lohnkosten.146 Arbeitskräfte sind nicht
nur hinreichend quantitativ vorhanden, sondern auch in einer Bandbreite mit un-
terschiedlichen Fähig- und Fertigkeiten. Ebenso unbestritten ist die Qualität des
sekundären und tertiären Bildungssystems: einige der besten Universitäten Asiens
befinden sich in Indien, die durch eine hohe Anzahl von Forschungseinrichtungen
ergänzt werden. Diese Kombination von niedrigen Lohnkosten und hohem Bil-
dungsniveau spielt eine entscheidende Rolle für den Erfolg Indiens. Verstärkt wird
dieser Effekt von dem Faktum, dass indische Manager und Fachkräfte die engli-
sche Sprache beherrschen.
Indien konnte sich in der Welt der Informationstechnologie einen erstklassigen
Namen machen und besitzt sein eigenes „Silicon Valley“ in Bangalore im Bundes-
staat Karnataka. Der Export von Software und IT-basierten Dienstleistungen
wuchs äußerst rasant von 0,5 Mrd. USD in 1995 auf 12 Mrd. USD in 2003/04. Die
Software von mehr als der Hälfte der Fortune 500-Unternehmen wird inzwischen
auf dem indischen Subkontinent programmiert.147 Hr. Azim Premji, der Chef von
Wipro, einem indischen Software-Giganten in Kalkutta, meint:„Den Doppelkräften
Informationstechnologie und Globalisierung gehört Indiens Zukunft“148. Im Ver-
gleich zu China, das als „Fabrik der Welt“ die Hardware produziert, gilt Indien als
„Entwicklungslabor der Erde“. Weiterhin gehört Indien zu den wenigen Ländern
auf die sich das Offshoring von front-und back-office Tätigkeiten derzeitig konzent-
riert.* Der “Offshore Location Attractiveness Index 2004” von A.T. Kearney schätzt
Indien sogar als derzeit attraktivstes Ziel für das Offshoring von Prozessen ein.149
Zunehmend wird der indische Subkontinent nicht nur als Produktions- und Ent-
wicklungsstandort, sondern als einer der größten potentiellen Absatzmärkte der
Welt wahrgenommen. Über die tatsächliche Anzahl der zur Mittelschicht gehören-
den Bevölkerung gibt es allerdings recht unterschiedliche Schätzungen. Von bis
146 vgl. Hagel/Brown, 2005, S. 28 147 vgl. Bronger/Wamser, 2003, S.316 148 Follath, 2005, S.131
*Anm.:front office= customer interaction, back office =data processing, finance, accounting, human resources, knowledge services 149 vgl. A.T.Kearney, 2004b, S.2
53
zu 350 Mio. Einwohnern ist dort die Rede.150 Konservative Schätzungen ge-hen
allerdings eher von 120 bis 150 Mio. kaufkräftigen Einwohnern aus. Wie hoch die
Unterschiede in den Analysen sein mögen, unbestritten bleibt, dass die indische
Mittelschicht ungebrochen wächst und die Kaufkraft rasant zunimmt. Die Konsum-
ausgaben stiegen im Zeitraum von 1994 bis 2000 um ca. 80% an.151 Es muss in
diesem Zusammenhang deutlich gemacht werden, dass es für deutsche Unter-
nehmen fatal wäre, dieses gewaltige Marktpotential zu ignorieren.
Großes Potential liegt auch in den bislang nur wenig genutzten natürlichen Res-
sourcen, die zahlreich in Indien vorhanden sind. Demzufolge gibt es bedeutende
Vorkommen von Kohle (viertgrößte Reserve der Welt), Eisenerze, Manganerze,
Glimmer, Bauxite, Titanerze, Chromeisenerze, Erdgas, Diamanten und Erdöl.152
Wenn auch nur langsam, beginnt sich das Image Indiens zu wandeln. Nicht länger
gelangt das Land ausschließlich dann in die Presse, wenn es als Armutshaus der
Welt angeprangert wird. Dies ist überaus wichtig, da deutsche Unternehmen in
noch umfangreicherem Maße und stärker auf das Potential Indiens aufmerksam
gemacht werden müssen. Angesichts dieser Stärken, über die Indien verfügt, re-
sümiert Hr. Heinrich von Pierer auf der Indien-Konferenz: „Es gibt keinen Zweifel
mehr, dass Indien auf dem Sprung ist zu einem wichtigen Spieler in der Weltwirt-
schaft“141.
3.7 Schwächen und Problembereiche
Hr. Jürgen Fitschen, Mitglied des erweiterten Konzernvorstandes der Deutschen
Bank, äußerte bedauernd auf der Indien-Konferenz des Handelsblatts „Mich er-
schüttert wie wenig Indien immer noch aus seinem Riesenpotenzial macht“141.
Doch Indien nutzt nicht nur nicht seine Potentiale. Es existieren gravierende Prob-
leme, die den Aufstieg zur Weltwirtschaftsnation verzögern oder auf negative Wei-
se nachhaltig beeinträchtigen könnten, wenn diese nicht bewältigt werden. Mit der
Übernahme der Regierung UPA im Mai 2004 drosselte man, als Zugeständnis an
150 Ray, 2005; Michler, 2005 151 Planning Commission, 2002, S.147
54 152 CIA, 2005
die kommunistischen Parteien, das Tempo des Reformprozesses. So urteilt “The
Economist” im August 2005 „Also alarming some economists is the government’s
inability to pursue any additional liberalising economic reforms”143. Gesetzesvor-
haben, wie z.B. die Befreiung der SEZ von den rigiden Arbeitsgesetzen im Mai
dieses Jahres, werden immer wieder mit Verweis auf Verbesserungsmöglichkeiten
verzögert und auch die Freigabe von Branchen für ausländische Investoren, z.B.
Versicherung, stagniert.153
Die Privatisierung von Staatsunternehmen kommt auf Grund von Widerständen
aus dem politischen wie aus dem privaten Sektor bereits seit Reformbeginn nur
schleppend voran. Seit Beginn der Privatisierungsbemühungen konnten nur ca.
41% der geplanten Erlöse aus dem Verkauf von Staatsunternehmen realisiert
werden.154 Die Veräußerung von Gewinn bringenden staatlichen Unternehmen,
z.B. Hindustan Petroleum Corporation Ltd. (HPCL), wurde mit dem Regierungs-
wechsel gestoppt.155 Mit der Ernüchterung der potentiellen ausländischen Investo-
ren einhergehen ausbleibende Einnahmen, die den Staatshaushalt entlasten
könnten. Wie bereits in Kapitel 3.3.1 erörtert, stellt das hohe Haushaltsdefizit eine
Gefährdung der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung Indiens dar und ist Ursache,
dass wichtige Infrastrukturmaßnahmen nicht durchgeführt werden können. Dabei
konstatiert Hr. Heinrich von Pierer auf der Indien-Konferenz: „Kommt Indien bei
der Verbesserung seiner Infrastruktur nicht voran, wird sich dies klar als Wachs-
tumsbremse erweisen“141.
Tatsache ist, dass Investitionsprojekte vollkommen ver-worfen oder z.B. nach Chi-
na vergeben werden, weil es zu tagelang andauernden Elektrizitätsausfällen
kommt. Hinzu kommen ein unzureichend ausgebautes und desolates Straßenver-
kehrsnetz sowie eine defizitäre Wasservorsorgung. So besteht in den 12 größten
indischen Städten eine durchschnittliche Unterversorgung von mehr als 40% mit
Trink- und Brauchwasser.156 Ebenso marode ist das Schienenverkehrsnetz. “The
Economist” schlussfolgert demzufolge im August 2005: „An “infrastructure index“
produced by the government showed hardly any growth in July. (…) Shortages of
153 o.V., (2005b), S.56 154 vgl. Wamser,2005, S.67 155 vgl. Bergé, 2004, S.303 156 vgl. Mertens/Deo, 2003, S.261
55
electricity and bottlenecks in transport will be big constraints on India’s future rate
of growth”143.
Die Attraktivität Indiens als Investitionsstandort wird zusätzlich von der überaus
schwerfälligen Bürokratie und der weit verbreiteten Korruption gemindert. Der
Subkontinent belegt im „Korruptionsindex“ von Transparency International den 90.
Rang von 146 Nationen.157 Einer „Doing-Business-Studie“ der World Bank zufolge
ist mit 37,4%158 die Korruption das größte Hindernis. Lt. dem Geschäftsführer ei-
nes mittelständischen Unternehmens mit Tochtergesellschaft in Indien, statten
Inspektoren alle zwei Wochen der Unternehmung einen Besuch ab, um „nach dem
Rechten zu schauen“. Neben der bitteren Armut werden ferner die hierarchischen
Gesellschaftsstrukturen als Ursachen gesehen.
Trotz der Senkung der Importzölle und dem Abbau von Handelshemmnissen im
Zuge der Reformen 1991, bleibt Indien ein Land mit einem extrem protektionisti-
schen Klima. Das durchschnittliche indische Zollniveau ist sechsmal höher als das
europäische und dreimal höher als das der „South Asian Association for Regional
Cooperation (ASEAN)“-Staaten.159 Das komplizierte System sieht für eine Reihe
von Produkten unterschiedliche Zollsätze vor, die einer enormen Bandbreite unter-
liegen können. Die durchschnittliche Basic Duty von 35% ist demnach nur eine
von mindestens vier Komponenten, von denen für alle Importe zumindest die Spe-
cial Basic Duty (10% des Basic Duty), Additional Duty (24%, 32% oder 40% ab-
hängig von der Güterkategorie) und Special Additional Duty (4%) hinzukom-
men.159 Staatliche Auflagen, wie z.B. aufwendige Etikettierungsvorschriften, und
der Widerstand indischer Unternehmer-Lobbys mit dem Ziel der ausländischen
Konkurrenz den Marktzugang zu verwähren, sind weitere protektionistische Maß-
nahmen. Indien versucht mit aller Macht zum Erzrivalen China aufzuschließen.
Doch während China seinen Anteil am Welthandel auf 6%160 steigern konnte,
steht Indien sich auf dem Weg zurück in die Weltwirtschaft selbst im Weg. Der
„Globalization Index 2004“ von A.T. Kearney und Foreign Policy verweist Indien
auf den vorletzten Rang von 63 untersuchten Nationen. Nur der Iran schneidet
157 vgl. Transparency International, 2004, S.61 158 World Bank, 2005, S.246 159 vgl. European Commission Asia Investment Facility, 2002, S.46f.
56 160 WTO, 2004, S.30
schlechter ab.161 Weiterer Handlungsbedarf besteht auf dem Gebiet der Unter-
nehmenssteuern, die mit 35,9%162 im Jahr 2004 für ausländische Unternehmen zu
den höchsten in Asien gehören und einer enormen Komplexität sowie ständigen
Änderungen unterliegen. Reformbedürftig ist ebenso die völlig veraltete Arbeitsge-
setzgebung.
Die bereits in Kapitel 3.5 angesprochene Kluft zwischen armen und reichen Bun-
desstaaten wird zur Zerreißprobe für den Zusammenhalt Indiens. Ebenso die im-
mer größer werdende Schere zwischen der mittellosen Landbevölkerung und der
wachsenden Mittelschicht ist ein schwelender Unruheherd. Falls es der Regierung
nicht gelingt, alle Bevölkerungsgruppen in den Fortschritt einzubinden und vom
Wirtschaftswachstum profitieren zu lassen, droht sogar politische Instabilität, die
unweigerlich die Anziehungskraft Indiens auf ausländische Investoren schmälern
würde. Die Frage, die es in diesem Zusammenhang zu stellen gilt, ist: Wird Indien
ewig die „developed developing economy“ bleiben, als die der verstorbene ehema-
lige Gouverneur der indischen Zentralbank und Berater der Regierung Gandhi,
L.K. Jha, Indien 1986 betitelte?
161 A.T. Kearney/Foreign Policy, 2005, S.55 162 UNCTAD, 2004, S.78
57
4. DEUTSCH-INDISCHE JOINT-VENTURES
4.1 Investitionsklima
Die Reformen 1991 bedeuteten den Beginn der Transformation Indiens von einer
staatlich gelenkten Planwirtschaft in eine Marktwirtschaft, die schrittweise vollzo-
gen und bislang noch nicht abgeschlossen wurde. Die Maßnahmen wie die Ab-
schaffung des Lizenzsystems, die Deregulierung von FDI und die Vereinfachung
des Genehmigungsprozesses, die den Zugang zum indischen Markt für ausländi-
sche Unternehmen ermöglichten, signalisierten, dass die indische Regierung den
Beitrag, welchen ausländische Investitionen für die wirtschaftliche Entwicklung
eines Landes leisten, erkannt hatte. Den Reformschritten folgte unmittelbar ein
sprunghafter Anstieg der Investitionszuflüsse, die 1997 den Höchststand von
3,6 Mrd. USD163 erreichten. Im Vergleich dazu betrugen die Investitionen 1991
lediglich ca. 75 Mio. USD164. Nach einer Periode der Stagnation mit Zuflüssen von
ca. 2,5 Mrd. USD163 jährlich, stiegen die ausländischen Direktinvestitionen erneut
in 2001 auf 3,4 Mrd. USD163.
Das Klima für ausländische Unternehmen hat sich demnach stark gewandelt; heu-
te sind Investitionen nicht nur politisch willkommen, sondern vielfach umworben.
Während sich die indische Zentralregierung um eine transparente und liberale In-
vestitionspolitik bemüht, haben die einzelnen Bundesstaaten wahre Werbefeldzü-
ge im Kampf um die meisten ausländischen Investitionen begonnen. Am erfolg-
reichsten warben in den letzten Jahren Maharashtra, Delhi, Karnataka, Tamil
Nadu, Andhra Pradesh und Gujarat, die die entwickelten Staaten Indiens darstel-
len und seit 1991 kumuliert über 55% der Investitionen für sich verzeichnen konn-
ten.165 Insgesamt registrierte Indien im Jahr 2004/05 Investitionszuflüsse von
5,3 Mrd. USD166. Laut Handels- und Industrieminister Kamal Nath sollen die Aus-
landsinvestitionen bis März 2006 auf 6,5 Mrd. USD167 anziehen. Während noch
vor den Reformen Europa der Hauptinvestor war, verliert der Kontinent seitdem
bezüglich der Investitionssummen kontinuierlich an Bedeutung. Mittlerweile konnte
163 Kumar, 2004, S.125 164 UNCTAD, 2004 165 vgl. Kumar 2004, 146 166 UNCTAD, 2005, S.306
58 167 o.V., 2005d, S.13
sich die USA als wichtigster Investor positionieren, selbst wenn Mauritius die
Rangliste der Hauptinvestoren seit Jahren anführt. Grund ist ein besonderes In-
vestitions- und Steuerabkommen, so dass ein Großteil der (ausländischen) Inves-
titionen über Mauritius nach Indien gelangt. In der Rangfolge werden die Plätze
drei bis fünf von den Niederlanden, Großbritannien und Japan eingenommen. Im
Zeitraum von 1991 bis Dezember 2004 investierte die deutsche Wirtschaft kumu-
liert ungefähr 1,25 Mrd. USD in Indien. In 2004 lagen die deutschen Direktinvesti-
tionen bei 125 Mio. USD und Deutschland damit auf dem sechsten Rang. Zwar
nahmen die deutschen Investitionen in den letzten Jahren zu, sind aber insgesamt
noch recht gering.168
Die Schwerpunkte der Investitionstätigkeiten bilden der Telekommunikationssek-
tor, die Transportindustrie, der Elektronikbereich einschließlich Computersoftware,
der Handelsbereich und der Dienstleistungssektor.169 Obwohl Indien seit den 90er
Jahren einen enormen Zuwachs verzeichnen kann (2004: 5,3 Mrd. USD166), sind
die Investitionszuströme im Vergleich zu anderen Entwicklungs- und Schwellen-
ländern, insbesondere China (2004: 60,6 Mrd.
USD166), dennoch gering.
Da Indien und China unterschiedliche Methoden anwenden, um die Höhe der In-
vestitionen zu berechnen, ist ein direkter Vergleich nur begrenzt möglich. Indien
verzichtete bislang auf die Anwendung der international anerkannten FDI-
Definition im „Balance of Payments Manual“ des IMFs und berücksichtigt lediglich
„frische“ Investitionen. Die indische Regierung bemüht sich erst seit Kurzem um
die Anpassung der FDI-Definition an internationale Normen. Währenddessen be-
ziehen chinesische Berechnungen ebenfalls Reinvestitionen aus erzielten Gewin-
nen ein. Insgesamt sollen zwischen 25- 50%170 des als FDI deklarierten Kapitals
aus chinesischen Quellen stammen, die über das Ausland zurück nach China ge-
langen. Mit dem so genannten „Round Tripping“ versuchen chinesische Unter-
nehmen die Steuererleichterungen, von denen ausländische Investoren z.B. in
Hongkong oder Macao profitieren, für sich zu nutzen. Demnach wird angenom-
men, dass die Investitionshöhe Indiens um bis zu 81% unterschätzt und die Chi-
168 vgl. BFAI, 2005, S.7 169 vgl. BFAI, 2004, S.18 170 Wamser, 2005, S.115
59
nas stark überschätzt wurde.171 Nichtsdestotrotz kann die unterschiedliche Be-
rechnung nicht darüber hinwegtäuschen, dass das indische Investitionspotential
nicht ausgeschöpft wird und Indien lt. des „Inward FDI Performance Index 2002“
der United Nations Conference on Trade and Development (UNCTAD) als Under-
performer gilt.172 Neben der Bürokratie und Unsicherheit über die Reformbereit-
schaft der neuen Regierung als Ursache, wirken sich ebenfalls das niedrige Ein-
kommensniveau und die defizitäre Infrastruktur negativ auf die Investitionshöhe
aus.173 Doch lediglich die Rolle Indiens als Underperformer in die Waagschale zu
werfen, wäre grundfalsch. Demzufolge beurteilt A.T Kearney Indien als attraktivs-
ten Investitionsstandort weltweit hinter China und den USA. In der Bewertung als
Hochrisikostandort schneidet Indien sogar besser als China ab. Weiterhin äußer-
ten sich ca. 65% der ausländischen Investoren zufrieden über die Erreichung ihrer
Gewinnziele in Indien.174
Abb. 13: Entwicklung FDI von 1991/92 bis 2004/05
0
1.000
2.000
3.000
4.000
5.000
6.000
1991/92 1992/93 1993/94 1994/95 1995/96 1996/97 1997/98 1998/99 1999/00 2000/01 2001/02 2002/03 2003/04 2004/05
Jahre
Mio
. US
D
Quelle: Eigene Darstellung, auf der Grundlage von UNCTAD, 2004, 2005
171 vgl. Goyal, 2004, S. 93 172 vgl. European Commission Asia Investment Facility, 2002, S.31 173 vgl. Kumar, 2004, S.130f.
60 174 vgl. BFAI, 2005, S.28f
4.2 Bestandsaufnahme der deutsch-indischen Joint-Ventures
In den Jahren nach dem Beginn des Reformprozesses, setzte buchstäblich ein
Boom von Kooperationen im Allgemeinen und von Joint-Ventures im Speziellen
ein. Maßgeblich für den sprunghaften Anstieg von Joint-Venture Neugründungen
in dieser Zeit war die Möglichkeit für ausländische Investoren, sich an einer indi-
schen Unternehmung mehrheitlich beteiligen zu können. Demnach lag die Anzahl
der genehmigten Joint-Ventures im Zeitraum von 1991 bis 1994 bei 288.175 Eben-
so wuchs die Zahl derjenigen Gemeinschaftsunternehmen, die de facto ihren Ge-
schäftsbetrieb aufnahmen.
Seit Beginn der regelmäßigen Aufzeichnungen der Deutsch-Indischen Handels-
kammer (DIHK) im Jahr 1957 wurden bis Ende 2002 insgesamt 37.196 ausländi-
sche Kooperationsabkommen von den indischen Behörden genehmigt. Davon
wurden 5.102 Kooperationen mit deutschen Unternehmen geschlossen. Weitere
Kooperationspartner kommen aus den USA (7.891), Großbritannien (4.784), Ja-
pan (2.750), Italien (1.568), Schweiz (1.505), Frankreich (1.488), Niederlande
(1.398) und Mauritius (1.208).175
Abb. 14: Entwicklung Joint-Ventures von 1981 bis 2002
0
20
40
60
80
100
120
140
160
180
1981 1985 1989 1993 1997 2001
Jahr
Anza
hl
Quelle: Eigene Darstellung, auf Grundlage von DIHK, 2003, S.VII
175 DIHK, 2003, S.VIIff.
61
Erkennbar ist die deutliche Verschiebung vom Abschluss einer ausschließlich
technischen Kooperation (Lizenzvertrag) hin zur technischen Kooperation in Ver-
bindung mit einer finanziellen Beteiligung (Joint-Venture) nach 1991.
Die Anzahl der genehmigten Kooperationen und der tatsächlich existierenden dif-
feriert jedoch nach wie vor enorm. Nach Schätzungen der DIHK kommen ungefähr
25%175 der Genehmigungen nicht über das Verhandlungsstadium hinaus. Gründe
hierfür sind z.B. Uneinigkeit über die Konditionen zur Errichtung des Gemein-
schaftsunternehmens oder mangelnde Gewinnaussichten infolge veränderter
Wirtschaftsbedingungen. Des Weiteren werden Genehmigungen für technische
Kooperationen für einen Zeitraum von acht bis zehn Jahre erteilt und so stellt der
neu genehmigte Vertrag lediglich die Verlängerung einer bereits bestehenden Ko-
operation dar. Nach Berücksichtigung dieses Sachverhaltes verbleibt ein Gesamt-
bestand von insgesamt 1.595 deutsch-indischen Kooperationen, an denen 780
indische und 777 deutsche Unternehmen beteiligt sind. Der Grund dieser Diskre-
panz liegt in der Tatsache, dass zahlreiche Unternehmen mehrere Kooperationen
pflegen. 611 der insgesamt 1.595 Kooperationsabkommen haben sowohl techni-
schen als auch finanziellen Charakter und sind demnach Joint-Ventures.175*
Eine Aufschlüsselung nach Branchen ergibt, dass insbesondere der deutsche Ma-
schinenbau das Joint-Venture als Eintrittsmöglichkeit in den indischen Markt nutzt.
Weitere wichtige Wirtschaftszweige, die mit einem Partner kooperieren, sind die
Elektrotechnik und Elektronik, die Automobilindustrie und ihre Zulieferer sowie die
Chemie und die Pharmazie.175 Außerordentlich hohe Anziehungskraft für die An-
siedlung deutsch-indischer Joint-Ventures besitzt die Region Mumbai und Pune im
Westen Indiens. Zu den attraktiven Standorten zählen ebenso der Industriegürtel
rund um Delhi im Norden, die Zentren Bangalore, Coimbatore und Chennai im
Süden sowie Kalkutta und Teile Westbengalens. Einer Untersuchung von Wamser
zufolge sind mehrheitlich mittelständische Unternehmen in Indien tätig.176 Wie be-
reits in Kapitel 2.6.2 ausgeführt, können Joint-Ventures als Minderheits-, Paritäts-,
oder Mehrheitsbeteiligung gegründet werden. Bei den deutsch-indi-schen Ge-
meinschaftsunternehmen variiert der Kapitalanteil zwischen 2,5% und 100%.
* Anm.: Die DIHK zählt hierzu ebenfalls 100%ige Tochterunternehmen, deren Gesamtanzahl Ende 2002 149 betrug. Diese werden in der Abb. 15 ebenfalls berücksichtigt, jedoch gesondert dargestellt
62 176 vgl. Wamser, 2005, S.223
Dennoch ist ein deutlicher Trend zur Mehrheitsbeteiligung und zur 100%igen
Tochtergesellschaft erkennbar. Gründe hierfür sind die Anhebung des ausländi-
schen Kapitalanteils an Joint-Ventures auf bis zu 51% in 34 Industriezweigen
1991, die Erhöhung der Kapitalbeteiligungsgrenzen und die vollständige Freigabe
einiger Sektoren seitdem. Darüber hinaus lässt sich eine weitere Tendenz feststel-
len: Seit einigen Jahren verringert sich kontinuierlich insgesamt die Anzahl der neu
genehmigten Joint-Ventures. Demgegenüber steht eine Zunahme von Genehmi-
gungen für 100%ige Tochtergesellschaften. Dies erlaubt die Schlussfolgerung,
dass je stärker sich der indische Markt öffnet, desto mehr ausländische Unter-
nehmen auf die Einbeziehung eines lokalen Partners in Form eines gemeinschaft-
lich gegründeten Unternehmens verzichten.
Abb. 15: Höhe der Kapitalbeteiligung
1991 2002in %
54,8
10,7
34,5
24,2
13,3
25,7
24,4
12,4
dt. Minderheit Parität dt. Mehrheit 100%ige Tochtergesellschaft unbekannt (zumeist neu)
Quelle: Eigene Darstellung, auf der Grundlage von Geissbauer/Siemsen, 1995, S.38; DIHK, 2003,
S.IX
63
4.3 Motive der Joint-Venture Partner
4.3.1 Motive der deutschen Unternehmen
In den ersten vier Jahrzehnten nach Wiedererlangung der Unabhängigkeit war
Indiens Wirtschaft von massiver staatlicher Planung und Kontrolle sowie einer
Vielzahl von dirigistischen Eingriffen gekennzeichnet. Nichtsdestotrotz existierten
in den Unternehmen bereits finanzielle Beteiligungen durch ausländische Partner,
die jedoch vorwiegend aus der Zeit vor der Unabhängigkeit stammten. In Sekto-
ren, die von der indischen Regierung als strategisch bedeutsam eingestuft wur-
den, war es indischen Unternehmen gestattet, ein Technologie-Lizenzabkommen
einzugehen, welches häufig eine finanzielle Beteiligung einschloss. Gleichwohl
war die ablehnende Haltung der indischen Regierung einer ausländischen Prä-
senz gegenüber deutlich spürbar und gipfelte in der Beschränkung ausländischen
Kapitals an Firmen auf einen Anteil von 40% Ende der 70er Jahre. Bis zur Libera-
lisierung 1991 hatten deutsche Unternehmen oftmals kaum eine Möglichkeit, auf
dem indischen Markt überhaupt aktiv zu werden - geschweige denn in direkter und
unabhängiger Form. Wurde der Investitionsantrag von den verantwortlichen Be-
hörden nicht von vornherein abgelehnt, wie in 50%177 aller Anträge vor Reformbe-
ginn, war eine Marktbearbeitung demnach oftmals nur über Lizenzverträge oder
ein Joint-Venture möglich.178
Unmittelbar nach den Liberalisierungsmaßnahmen bestanden neben den Höchst-
grenzen für eine Beteiligung in vielen Sektoren weitere Gründe ein Joint-Venture
zu errichten. Zum einen wurden Investitionsprojekte nur genehmigt, wenn ein indi-
scher Partner als Befürworter agierte oder dieser konnte durch das, an anderer
Stelle bereits erwähnte, „Know-Who“ Genehmigungsprozesse erleichtern und be-
schleunigen. Zum anderen verfügten zu diesem Zeitpunkt nur die wenigsten aus-
ländischen Unternehmen über Erfahrungen auf dem indischen Markt, der in seiner
Erschließung besondere Anforderungen stellt. Das gegründete Gemeinschaftsun-
ternehmen konnte dementsprechend von den Marktkenntnissen des indischen
Mutterhauses profitieren.
177 RKW, 1998, S.17
64 178 vgl. Matter, 2000, S.393
Nach wie vor gibt es, ungeachtet der Fortschritte in der Öffnung der indischen
Wirtschaft, weiterhin ausschlaggebende Motive den Markteintritt in Form eines
Joint-Ventures zu favorisieren. Demnach gilt das wirtschaftliche Umfeld noch im-
mer als stark kontrolliert und mit einer Vielzahl von Restriktionen und Einschrän-
kungen in vielen Wirtschaftsbereichen, z.B. Landwirtschaft und Printmedien, als
überreguliert. Des Weiteren kann in vielen Industrien auch heute noch nicht die
Beteiligung lokaler Partner vermieden werden, u.a. im Einzelhandel, in der Versi-
cherungs- und Telekommunikationsindustrie. Die Gründung einer 100%igen Toch-
tergesellschaft ist in einigen Bereichen daher ausgeschlossen. Selbst in Sektoren,
die inzwischen keinerlei Beschränkungen mehr unterliegen, nimmt die Gründung
eines Tochterunternehmens viel Zeit in Anspruch und ist mit einem hohen Verwal-
tungsaufwand verbunden.
Im Vergleich zu anderen Kooperationsformen, z.B. Lizenzverträge, die nach einem
bestimmten Zeitraum auslaufen, werden in der Errichtung eines Joint-Ventures
Bemühungen zum Aufbau einer langfristigen Präsenz in Indien deutlich. Dies soll
durch die feste Bindung an den Partner, die in einem Gemeinschaftsunternehmen
eingegangen wird, erreicht werden. Darüber hinaus wird im Gegensatz zu einer
rein technischen Kooperation größere Einflussnahme auf Management und lokaler
Produktion und damit die Einhaltung von Produktivitäts- und Qualitätsstandards
möglich. Gleichzeitig kann das Ausmaß des Technologie- und Know-How-
Transfers besser kontrolliert und gesteuert werden.179 Oftmals mangelt es den
Unternehmen, insbesondere mittelständischen, beim Eintritt an Erfahrungen und
einem ausreichenden Pool von Informationen. Dieses Informationsdefizit äußert
sich in geringeren Kenntnissen, „z.B. über lokale Marktbedingungen, über fremde
Sitten und Gebräuche und schlechtere Kontakte zu lokalen Behörden, Arbeits-
märkten und Zulieferfirmen gegenüber einheimischen Unternehmen“180. Die Mög-
lichkeit, an diesen Kenntnissen, den vorhandenen Geschäftsbeziehungen und
dem damit offensichtlichen Wettbewerbsvorteil teilzuhaben, ist vielfach Antriebs-
moment in der Entscheidung für die Gründung eines Joint-Ventures und gegen
eine 100%ige Tochtergesellschaft. Besonders für den deutschen Mittelstand inte-
ressant dürfte in diesem Zusammenhang der Umstand sein, dass es in Indien „ei-
179 vgl. Geissbauer/Siemsen, 1995, S.28 180 Thi Nam Ha, 1997, S.18
65
nen breiten Mittelstand mit langjährigen Erfahrungen in Handel, Produktion und
Dienstleistungen“181 gibt. Der erleichterte Zugang zu indischen Distributionskanä-
len und zu qualifiziertem Personal sowie vom Partner eingebrachte Infrastruktur,
z.B. Immobilien, Produktionsanlagen etc. sprechen ebenso für eine Kooperation.
Der Zugriff auf die Ressourcen des Partners impliziert die Schonung der eigenen
und wird in einigen Fällen darüber hinaus zur notwendigen Voraussetzung für den
Eintritt in den indischen Markt. Eine Vielzahl deutscher mittelständischer Unter-
nehmen kann sich schlichtweg den außerordentlich kostspieligen und zeitrauben-
den Aufbau eines eigenen Distributionsnetzes im Alleingang nicht leisten und wäre
gezwungen, Ambitionen bereits in der Projektierungsphase wieder zu verwerfen.
Besonders während der Gründungsphase kann das Joint-Venture vom Personal-
stamm des indischen Partners profitieren, da Mitarbeiter relativ kurzfristig tempo-
rär oder permanent transferiert werden können. Verfügt das indische Partnerun-
ternehmen zudem über eine gewisse Reputation, kann dies den
Rekrutierungsprozess entscheidend vereinfachen und es können Mitarbeiter mit
den erforderlichen Qualifikationen gewonnen werden, die es vorziehen, in presti-
geträchtigen Häusern tätig zu sein.182
Des Weiteren ist es möglich, dass der indische Partner über zusätzliches Land
und noch nicht genutzte Immobilien verfügt, die eingebracht werden können. E-
benfalls denkbar ist die Ansiedlung des Joint-Ventures auf dem Gelände des indi-
schen Stammhauses. Die damit verbundenen Kosteneinsparungen können ein
beachtliches Ausmaß annehmen, da Preise für den Erwerb oder Anmietung von
Immobilien, in Abhängigkeit vom Standort prohibitiv hoch sein können. Dem Re-
port „Global Market Rents“ von CB Richard Elis (CBRE) zufolge gilt Mumbai als
eine teuersten Städte Asiens hinter Tokio und noch vor Metropolen wie Shanghai
und Taipei.183 Die zuvor genannten Argumente bedeuten für das deutsche mittel-
ständische Unternehmen letztendlich nicht nur einen beschleunigten, sondern
auch günstigeren Zugang zum Binnenmarkt, dessen Erschließung das vorder-
gründige Ziel des Indien-Engagements ist. Joint-Ventures werden vor allem ge-
gründet, um den lokalen Markt zu bedienen. Demnach ist es wahrscheinlich, dass
181 Geissbauer, 1998, S.145 182 vgl. Filliol, 1994, S.136
66 183 CBRE, 2005, S.3
Unternehmen, die den lokalen Markt bedienen wollen, mit einem indischen Partner
kooperieren.184
Die Entscheidung, eine Investition in einem ausländischen und unbekannten Um-
feld zu tätigen, bei dem es sich zusätzlich um ein Entwicklungsland handelt, ist mit
hohem unternehmerischem Risiko behaftet. Das Eingehen einer Kooperation dient
demgemäss als Instrument zur Risikominderung. Zudem kann die Summe für die
Anfangsinvestition verringert werden. Auf Grund des hohen Risikos erfolgt die Er-
schließung eines internationalen Marktes häufig stufenweise. Die Kooperation in
Form eines Joint-Ventures ist ein denkbarer Schritt auf dem Weg zu einem selb-
ständigen Engagement auf dem indischen Markt. Abschließend kann als Motiv für
die Errichtung eines Joint-Ventures die oft kritisierte, kurzfristige Ausrichtung deut-
scher Unternehmen aufgeführt werden. Im Gegensatz zu einem Tochterunter-
nehmen kann die Gewinnschwelle schneller erreicht und Kosten eingespart wer-
den, was der Interessenslage deutscher Unternehmen entspricht. Nichtsdestotrotz
sollten deutsche Investoren die Alternative Gemeinschaftsunternehmen nicht auf
Grundlage des zuletzt genannten Motivs wählen, da Kurzzeitorientierung auf dem
indischen Markt unangebracht ist.
4.3.2 Motive der indischen Unternehmen Die zunehmende Isolierung Indiens im Zeitraum von 1947 bis 1991 bedeutete ne-
ben der Abkopplung vom Welthandel ebenso eine Stagnation der Modernisierung
und des technologischen Fortschritts des Landes. „Dies erklärt sich u.a. aus der
lange Zeit dominierenden Strategie der Importsubstitution bzw. dem System der
Mixed Economy, in denen das Ziel des Produktivitätswachstums grundsätzlich
nicht im Mittelpunkt steht“.185 Für die geschützten indischen Unternehmen bestan-
den weder Anreiz noch Notwendigkeit, effiziente Produktionsstrukturen aufzubau-
en und zu unterhalten. Noch heute operieren viele indische Unternehmen, insbe-
sondere die dem Staatssektor angehören, mit geringer Produktivität auf Grund
veralteter Anlagen und vermarkten Produkte niedriger Qualität. Um diese Entwick-
lungslücken zu schließen, ist die Gründung von Kooperationen im Allgemeinen
184 Beena/Bhandari/Bhaumik/Gokarn/Tandon, 2004, S.137 185 Hauff, 1999, S.241
67
und Joint-Ventures im Besonderen, von Seiten der indischen Regierung beson-
ders willkommen. Das zuvor genannte Argument ist für indische Unternehmen das
Hauptmotiv, eine Partnerschaft mit einem ausländischen Unternehmen einzuge-
hen, da besonders das Joint-Venture für den Transfer von modernen Technolo-
gien und Know-How im Bereich von Marketing, Distribution und Management ge-
eignet scheint. Die Kooperation mit einem deutschen Unternehmen ist darüber
hinaus attraktiv, da Produkte „Made in Germany“ einen exzellenten Ruf in Indien
genießen. Dies gilt insbesondere für die Maschinen- und Anlagebau- sowie Che-
miebranche.186
Lokale Anbieter suchen gemeinsam mit einem ausländischen Partner einen Weg,
die internationale Wettbewerbsfähigkeit über eine Steigerung der Produktivität und
die Herstellung qualitativ hochwertiger Produkte zu erlangen. Dies schließt eine
Auseinandersetzung mit den hohen Qualitätsanforderungen des deutschen Betei-
ligten ein und führt nicht selten zur Überforderung des indischen Unternehmens.
Die Einführung und Zertifizierung von Qualitätsstandards, z.B. der ISO-
Normenfamilie sind dennoch wichtige und von indischer Seite ebenso als notwen-
dig erachtete Maßnahmen, um sich von der Konkurrenz abheben zu können. Im
Zusammenhang mit dem Technologie- und Wissenstransfer ist der Aspekt des
Lernens vom ausländischen Partner und das Einbringen eigener Konzepte für in-
dische Unternehmer von essentiellem Belang. Oftmals werden Gemeinschaftsun-
ternehmen im Rahmen von Diversifizierungsmaßnahmen eingegangen, da der
indische Partner eine Ausweitung seiner Geschäftsaktivitäten sucht.
Wie bereits in Kapitel 4.3.1 aufgeführt, ist die Möglichkeit den Partner langfristig an
sich zu binden, gleichfalls für indische Unternehmen Beweggrund für die Errich-
tung eines Joint-Ventures, mit dem beide Partner ihren Willen zur dauerhaften und
formellen Zusammenarbeit besiegeln.186
Die Gründung eines Joint-Ventures wird in vielen Fällen vom Aufbau neuer Fabri-
kationsanlagen begleitet. Dabei kann der indische Partner von Kosteneinsparun-
gen und gleichzeitigen Ertragssteigerungen profitieren, da weniger Material für die
gleiche Ausbringungsmenge benötigt wird und mehr Produkte in kürzerer Zeit mit
68 186 vgl. Geissbauer/Siemsen, 1995, S.29
einer geringeren Ausschussquote hergestellt werden können. Gleichzeitig impli-
ziert der Einsatz moderner Maschinen vielfach die kostengünstige Weiterqualifizie-
rung des Personalstammes des indischen Unternehmens in Form von Schulun-
gen, Training oder gar Fachkräfteaustausch mit dem deutschen Partner-
unternehmen. Die zunehmende Globalisierung der Märkte und die damit verbun-
denen Chancen wollen natürlich auch indische Unternehmer nicht ungenutzt las-
sen und streben daher den Eintritt auf internationale Märkte an. Mit Hilfe des deut-
schen Partners könnte das indische Unternehmen entweder den nationalen Markt
als „Hub“ für eine Exportstrategie von Produkten in Nachbarländer nutzen oder
erste Erfahrungen auf dem deutschen Markt sammeln und Kontakte aufbauen.
Abschließend lässt sich jedoch feststellen, dass die indischen Unternehmen keine
besondere Präferenz für ein Joint-Venture haben und lediglich den expliziten Vor-
stellungen des deutschen Partners entsprechen.186
4.4 Interkulturelle Einflussfaktoren
Im Rahmen dieser Arbeit kann nur ein Einblick in die komplexe und deutschen
Unternehmern kompliziert scheinende indische (Geschäfts-)Kultur gewährt wer-
den. Dennoch ist es unerlässlich sich bereits in einem frühen Stadium des Enga-
gements mit dieser Thematik auseinander zusetzen, da eine ungenügende Vorbe-
reitung ein Zustandekommen einer Geschäftsbeziehung von vornherein verhin-
dern oder zu Konflikten und unter Umständen zum Scheitern führen kann. Die
Annahme, dass sich kulturelle Gegebenheiten nicht auf die Geschäftsbeziehung
auswirken oder sich indische Geschäftsleute den westlichen Gepflogenheiten völ-
lig angeglichen haben, ist ein schwerwiegender Irrtum.
Wie bereits in Kapitel 3.5 erläutert, sind die indischen kulturellen und gesellschaft-
lichen Rahmenbedingungen sehr komplex und unterscheiden sich deutlich von
denen Deutschlands, d.h. die kulturelle Distanz zwischen beiden Staaten ist e-
norm.187 Zwei Autoritäten auf dem Gebiet des interkulturellen Managements sind
die niederländischen Experten Geert Hofstede und Fons Trompenaars. Hofstede
führte im Zeitraum zwischen 1967 bis 1973 in 53 Niederlassungen des internatio-
187 vgl. Hecht-El Minshawi, 1998, S.2f
69
nalen Unternehmens International Business Machines (IBM) eine Untersuchung
durch, mit dem Ziel, zu beweisen, dass die Unternehmenskultur in den Zweigstel-
len nicht überall die Gleiche sein konnte, da die nationale Kultur nicht vollständig
überdeckt wird. Auch wenn die Repräsentativität dieser Studie vielfach angezwei-
felt wurde, entwickelte Hofstede fünf Dimensionen, die die Ausprägungen der un-
terschiedlichen Kulturen verdeutlichen. Bei den Dimensionen handelt es sich um:
1. Machtdistanz
2. Individualismus vs. Kollektivismus
3. Unsicherheitsvermeidung
4. Maskulinität vs. Feminität
5. langfristige vs. kurzfristige Orientierung
Auf zwei soll an dieser Stelle eingegangen werden. Bei der ersten Dimension
handelt es sich um „Machtdistanz“, welche „das Ausmaß, bis zu welchem die we-
niger mächtigen Mitglieder von Institutionen bzw. Organisationen eines Landes
erwarten und akzeptieren, dass die Macht ungleich verteilt ist“188. Kulturen, bei
denen eine hohe Machtdistanz, z.B. Indien, festgestellt wurde, sind eher bereit
Ungleichheit unter den Mitgliedern der Gesellschaft zu tolerieren. Religionen wie
der Hinduismus, der jedem Mensch auf Grund guter und schlechter Taten in vo-
rausgegangenen Leben seinen Platz zuweist (Karma), begünstigen eine hohe
Machtdistanz. Des Weiteren gibt es in diesen Kulturen entweder keine oder nur
geringe Mobilität in vertikaler Richtung innerhalb der Hierarchien, wie sie im indi-
schen Kastenwesen verankert ist. Indische Unternehmen sind demnach stark hie-
rarchisch gegliedert, in denen Macht und Autorität ungleich verteilt sind und von
den Angestellten Führung und Anleitung durch den Vorgesetzten erwartet wird.189
Auf der einen Seite gelten indische Arbeitnehmer als wenig selbständig, die nur
geringfügig eigeninitiativ tätig werden. Dennoch verfügen sie über ein hohes Maß
188 Hofstede, 2001, S.33
70 189 vgl. Kreuser, 2002, S.151
an Anpassungsfähigkeit an Hierarchien- und Strukturenwechsel.190 Mitarbeiter in
indischen Unternehmen zeigen sich bedingungslos und absolut loyal, wenn der
Vorgesetzte seine Fürsorgepflicht sowohl in materieller als auch in immaterieller
Form wahrnimmt. Ausdruck der Loyalität eines indischen Angestellten ist es, dem
Vorgesetzten nicht zu widersprechen, ihn nicht zu kritisieren und zu verbessern,
um dessen Gesicht unter allen Umständen zu wahren. Ebenso werden Zielvorga-
ben, die unrealistisch sind oder beispielsweise aus Zeitmangel nicht erfüllt werden
können, nicht angezweifelt.191 Ebenso sollte ein deutscher Unternehmer es tun-
lichst vermeiden, den indischen Gesprächspartner offen zu kritisieren oder ihm mit
einem „deutschen Nein“ zu antworten, da dies bedeutet, die Kompetenz des Ge-
genübers anzuzweifeln und alle bisherigen Bemühungen dadurch zunichte ge-
macht würden.
Eine weitere von Hofstede identifizierte Kulturdimension ist „Individualismus vs.
Kollektivismus“ und kennzeichnet den Grad, „inwieweit sich Mitglieder einer Ge-
sellschaft als einzelne, unabhängige Individuen oder als Mitglieder einer Gruppe
verstehen“192. In kollektivistischen Gesellschaften, zu denen auch Indien gehört,
besitzt die Familie zweifellos zentralen Stellenwert, die im Leben eines Inders
„Geborgenheit, von der Wiege bis zum Scheiterhaufen“193 gibt. Ebenfalls im Ge-
schäftsleben erfolgt Definition und Beurteilung des Einzelnen über seine Gruppen-
zugehörigkeit, die z.B. durch Kaste, Bildungsniveau oder Alter bestimmt wird. Die
Gruppe schützt und stärkt seine eigenen Mitglieder, grenzt sich jedoch klar von
anderen, so genannten „Out-Groups“, ab. Eine wichtige Rolle für den Zusammen-
halt unter den Mitgliedern spielen zwischenmenschliche Beziehungen und Harmo-
nie, die es in jedem Fall zu erhalten gilt, auch wenn dies bedeutet, bewusst Infor-
mationen zurückzuhalten. Entscheidungen, die in erster Linie dem Allgemeinwohl
der Gruppe dienen, werden vorwiegend im Konsens getroffen, da die einzelnen
Mitglieder kaum bereit sind, eigene Verantwortung zu übernehmen.
Einige Jahre später entwickelte Trompenaars sieben eigene Kulturdimensionen,
die sich z.T. mit denen Hofstedes decken: 1. Spezifisch vs. diffus, 2. Sequentielle
vs. synchrone Zeiteinteilung, 3. Neutral vs. affektiv, 4. Errungener vs. zugeschrie- 190 vgl. Wamser, 2005, S.256 191 vgl. Kreuser, 2002, S.206 192 Wamser, 2005, S.96 193 Krack, 2004, S.32
71
bener Status, 5. Universalismus vs. Partikularismus, 6. Individualismus vs. Komm-
unitarismus, 7. Interne vs. externe Kontrolle.194 Die erste Dimension beschäftigt
sich mit der Frage, inwieweit das persönliche Verhältnis zwischen Verhandlungs-
partnern eine Geschäftsbeziehung beeinflusst.195 In spezifischen Kulturen sind
Beziehungen über Verträge geregelt. Im Gegensatz dazu zählen in einer diffusen
Kultur, wie Indien, der Aufbau einer persönlichen Beziehung und Geduld als un-
vermeidbare Vorbedingungen für jede geschäftliche Beziehung. Erste Gespräche
führen in Indien in den seltensten Fällen bereits zu Vertragsabschlüssen und die-
nen lediglich dem gegenseitigen Kennen lernen.
Zu diesem Zweck werden, für westliche Unternehmer teilweise sehr persönliche
Fragen zu Familienstand, dem Ehepartner, dessen beruflichen Tätigkeit und An-
zahl der Kinder gestellt. Gespräche werden normalerweise durch Smalltalk einge-
leitet, in denen Alltägliches wie Wetter, Politik und Sport besprochen werden.
Selbst wenn Geschäftsessen generell in Restaurants, in Hotels oder Clubs statt-
finden, kann es vorkommen, dass der indische Geschäftspartner seinen deut-
schen Gast nach Hause zum Essen einlädt. Diese Einladung ohne wirklich triftigen
Grund auszuschlagen, käme einem Affront gleich, ist sie doch Ausdruck der ho-
hen Wertschätzung und Respekts des indischen Gegenübers.196 Für alle Unter-
nehmen, die ein Indien-Engagement ernsthaft anstreben, gilt: „Wer in Indien Ge-
schäfte machen will, darf den Aufbau einer freundschaftlichen Beziehung nicht
außer acht lassen“197.
Das Gefühl für Zeit ist eine weitere von Trompenaars untersuchte Dimension. In
Indien hat sie im Gegensatz zu Deutschland eigentlich keine Bedeutung, da sich
im Grunde früher oder später alles wiederholt. Sie wird nicht als ein knappes und
wertvolles Gut betrachtet, was den Indern den Ruf, unzuverlässig und chronisch
unpünktlich zu sein, eingebracht hat. Die Inder entschuldigen sich bei Unpünkt-
lichkeit gern selbst-ironisch mit der „inoffiziellen“ Zeit „Indian Standard Time
(IST)“.198 Häufig kann der Termin nicht zum ausgemachten Zeitpunkt stattfinden,
da der indische Gesprächspartner noch in einer anderen Besprechung oder noch
194 vgl. Trompenaars, 2004, S.35f. 195 vgl. Trompenaars, 2004, S.67f. 196 vgl. Kreuser, 2002, S.186 197 Kreuser, 2002, S.216
72 198 vgl. Krack, 2004, S.140
nicht in der Firma eingetroffen ist. Denkbar sind ebenfalls Verzögerungen auf
Grund familiärer Verpflichtungen. Deutsche Unternehmer sind hier aufgefordert,
Verspätungen verständnisvoll und geduldig hinzunehmen, selbst aber zu den ver-
einbarten Terminen pünktlich zu erscheinen. Ungeduld hingegen wird in Indien
nicht als Tugend aufgefasst und sie zu zeigen, bedeutet sein Gesicht und damit
den Respekt des anderen zu verlieren. Die Kulturdimensionen, sowohl von
Hofstede als auch von Trompenaars, sollten als Richtlinien dienen und nicht als
absolut gültige Wahrheit interpretiert werden. So existieren in einer Vielzahl von
multinationalen Konzernen und manch indischem Unternehmen nicht länger jene
Strukturen, die durch starre Hierarchie und ungleiche Verteilung von Autorität cha-
rakterisiert sind. Ebenso kann man von der indischen Kultur nicht mehr als rein
kollektivistisch reden. Die Gruppe der „India’s New Yuppies“ leben sehr wohl kon-
sumorientiert und individualistisch und kennzeichnet jene Mitglieder der Bevölke-
rung, die nach Universitätsstudium, u.a. im Ausland, gut bezahlte Jobs bekommen
und innerhalb kürzester Zeit in Führungspositionen aufsteigen.199 Nichtsdestotrotz
sollten deutsche Unternehmer die Eigenarten der indischen (Geschäfts-)Kultur
kennen und respektieren, da das Zwiebelprinzip von Trompenaars in Indien Gül-
tigkeit zu besitzen scheint. Es besagt, dass Veränderungen vornehmlich
oberflächliche Verhaltensweisen tangieren und nicht jene traditionelle
Wertevorstellungen und Normen berühren, die seit der Kindheit tief in der
Persönlichkeit verankert sind.200
4.5 Gesetzliche Rahmenbedingungen
Das 1956 erlassene indische Gesellschaftsrecht, „Companies Act“ und das Devi-
senbewirtschaftungsgesetz, der „Foreign Exchange Management Act (FEMA)“ von
1999, bilden die Gesetzesgrundlage für ausländische Investitionen und Devisen-
transaktionen.201 Seit Einführung der neuen Wirtschaftspolitik 1991 und der damit
verbundenen schrittweisen Öffnung des indischen Marktes bemüht sich die indi-
sche Regierung um eine liberale und transparente Investitionspolitik, um ausländi-
sche Direktinvestitionen zu erleichtern. Demnach kann der ausländische Investor
199 vgl. Wamser, 2005, S.375 200 vgl. Trompenaars, 2004, S.29ff. 201 vgl. DEG, 2002, S.35ff.
73
zwischen der Gründung eines „Liaison Office“, eines Projektbüros „Project Office“,
einer Zweigniederlassung „Branch Office“, eines Joint-Ventures oder einer
100%igen Tochtergesellschaft „Wholly Owned Subsidiary“ als Markteintrittsform
wählen. Grundsätzlich sind Investitionen und Gewinne „frei rückführbar mit Aus-
nahme von Fällen, in denen die Genehmigung laut offizieller Sektorpolitik spezifi-
schen Bedingungen unterliegt“202.
Gegenwärtig können die Partnerunternehmen selbst über die Höhe der ausländi-
schen Beteiligung entscheiden. Demnach kann in der ganzen Bandbreite von ei-
ner Minderheitsbeteiligung bis hin zur 100%igen Tochtergesellschaft gewählt wer-
den. Dennoch ist der Umfang des Engagements häufig davon abhängig, in
welcher Branche der Investor tätig ist, da eine Vielzahl von Sektoren noch immer
einer Lizenzpflicht oder Höchstbeteiligungsgrenzen unterliegt. Die Sektoren Atom-
energie und Eisenbahntransport sind bis dato vollständig dem öffentlichen Sektor
vorbehalten und ermöglichen daher keinerlei Investitionstätigkeit.203 FDI ist weiter-
hin in den Bereichen Glückspiel, Lotterie, Einzelhandel und Landwirtschaft (mit
Ausnahme von Tee) nicht erlaubt.204
In sechs Bereichen, die umwelt-, gesundheits-, sicherheitspolitische sowie strate-
gische Bedeutung für Indien haben, ist die Einholung einer Lizenz nach wie vor
obligatorisch: 1. Destillation and Brauen von Alkohol, 2. Zigarren, Zigaretten und
Tabakersatzprodukte, 3. Luft- und Raumfahrttechnik sowie Verteidigungsausrüs-
tung, 4. industrielle Sprengstoffe, 5. gefährliche Chemikalien und 6. Arzneistoffe
und pharmazeutische Produkte.203 Der Lizenzierungspflicht unterliegen gleichfalls
die Industriebereiche, die den klein- und mittelständischen Unternehmen vorbehal-
ten sowie die Ansiedlung von Industriebetrieben an Standorten, die nicht als In-
dustriestandort ausgewiesen sind.205 Grund-sätzlich ist der Standort inzwischen
jedoch frei wählbar.
202 GOI, 2005b, S.11 203 GOI, 2005c, S.105f. 204 GOI, 2005b, S.2
74 205 vgl. GOI, 2005b, S.6
Abb. 16: Höchstbeteiligungsgrenzen in div. Sektoren
Bran
chen
• Printmedien• Versicherungs-
wesen• Verteidigung• Rundfunk
• Tele-kommunikation
• Fernsehen• Investitions-
gesellschaften im Infrastruktur- u.Dienstleistungs-sektor
• nationale Flug-gesellschaften
• Privatbanken• Atomare
Mineralien• Satellitentechnik
• Software-entwicklung
• Werbebranche• Bergbau
(außer Diamantenu.a. Edelsteine)
• Food Processing• Großhandel
≤ 26% ≤ 49% ≤ 74% ≤ 100%
Quelle: Eigene Darstellung, auf Grundlage von GOI, 2005b, S.34f.
4.5.1 Institutionen
Folgende Institutionen sind in den Genehmigungsprozess involviert:
1. Secretariat for Industrial Assistance (SIA) Das SIA dient als Teil des Department of Industrial Policy and Promotion
(DIPP) im Industrieministerium als “zentrale Vermittlungsstelle für Unterneh-
merunterstützung, Investorenförderung, Entgegennahme und Bearbeitung al-
ler von der Regierung zu genehmigenden Anträge, Mitteilung von Regie-
rungsentscheidungen über eingereichte Anträge, Unterstützung von
Unternehmen und Investoren bei der Planung von Projekten (einschließlich
Kontakten mit anderen Organisationen und Verwaltungen der einzelnen Bun-
desstaaten) und Überwachung der Projektdurchführung“206. Darüber hinaus
informiert das SIA über Änderungen in der Investitions- und Technologiepolitik
durch die indische Regierung.
2. Foreign Investment Promotion Board (FIPB) Das FIPB, welches ebenfalls dem DIPP untersteht, ist verantwortlich für die
Überprüfung der Investitionsanträge, die die Voraussetzung für eine Anmel-
dung über die “automatic route” nicht erfüllen. Des Weiteren gehören zu den
Aufgaben des FIPB die Schaffung von transparenten Verfahren und Investiti-
onsrichtlinien sowie die Förderung von ausländischen Direktinvestitionen.201 206 GOI, 2005d, S.25
75
3. Foreign Investment Implementation Authority (FIIA) Die im SIA eingegliederte FIIA unterstützt die ausländischen Unternehmen in
der zügigen Abwicklung der genehmigten Investitionen und bietet weiterhin ei-
nen Betreuungsservice an, der Hilfe „bei der Einholung der notwendigen Ge-
nehmigungen, der Klärung praktischer Fragen und der Kontaktaufnahme mit
Regierungsstellen zur Lösung von Problemen“ umfasst.201
4. Investment Promotion and Infrastructure Development (IP & ID) Cell Die Aufgaben der IP & ID Cell beinhalten u.a. die Verbreitung von Informatio-
nen über das Investitionsklima in Indien, die Erleichterung von Investitionen
und die Partnersuche für Investitionsprojekte.201
4.5.2 Genehmigungsverfahren
Noch vor 1991 musste das „Secretariat for Industrial Approval (SIA)“, das in „Sec-
retariat for Industrial Assistance“ umbenannt wurde, alle Investitionsanträge bewil-
ligen. Gegenwärtig sind grundsätzlich alle ausländischen Direktinvestitionen über
die „Automatic Approval“, die eine Registrierung bei der Reserve Bank of India
(RBI) darstellt, anmeldbar mit Ausnahme von lizenzpflichtigen Investitionen, von
Anträgen ausländischer Investoren, die bereits ein Joint-Venture oder Abkommen
über die Nutzung von Warenzeichen/Markennamen mit einem indischen Partner
eingegangen sind und eine Investition im gleichen oder verwandten Geschäftsfeld
beabsichtigen (Press Note 1 (2005 Serie)) sowie von allen Investitionsanträgen,
die die für den entsprechenden Sektor geltende Höchstbeteiligungsgrenze über-
schreiten.207 Dabei ist es ausreichend, das zuständige RBI-Regionalbüro über die
Investition innerhalb von 30 Tagen nach Überweisung des Eigenkapitals oder
Ausgabe der Gesellschaftsanteile mittels eines Formulars zu informieren. Die „Au-
tomatic Approval“ bietet dem Investor eine erhebliche Zeitersparnis, da die erfor-
derlichen Genehmigungen innerhalb weniger Wochen erteilt werden.207 Das FIPB
ist hingegen für die Genehmigung der Investitionsanträge verantwortlich die nicht
den Voraussetzungen einer automatischen Genehmigung durch die RBI entspre-
chen und daher der Zustimmung der indischen Regierung bedürfen. Dieses Ver-
76 207 vgl. GOI, 2005b, S.1
fahren der Einzelgenehmigungen wird daher „Specific Approval“ genannt. Hierbei
muss die Genehmigung vor Durchführung der Investition beantragt werden, über
die je nach Sachlage individuell entschieden wird. Das FIPB tritt mit dem ausländi-
schen Investor in Verhandlungen und beurteilt den Investitionsantrag hinsichtlich
des Gesamtnutzens für Indien. Grundsätzlich wird dann über den Investitionsan-
trag innerhalb von 30 Tagen entschieden.208
4.5.3 Gesellschaftsformen
Die Joint-Venture Gesellschaft kann als Neugründung oder als Umwandlung einer
bereits bestehenden indischen Gesellschaft erfolgen. Dabei wird ein Teil des
Stammkapitals an das ausländische Partnerunternehmen übertragen und in der
Satzung dessen Rechte aufgenommen.209 Dennoch raten Experten wie Rechts-
anwalt Jan Eberhardt von der igca GmbH von dieser Alternative ab, da Probleme
hinsichtlich der Bewertung bestehender Vermögensgegenstände auftauchen
könnten und mögliche Altschulden übernommen würden. Da das indische Gesell-
schaftsrecht nicht zwischen indischen und ausländischen Unternehmen unter-
scheidet, ist das deutsch-indische Joint-Venture eine „indische Gesellschaft mit
unabhängiger Rechtsstellung getrennt von der ausländischen Muttergesellschaft“
und unterliegt ebenso wie andere in Indien gegründete Gesellschaft dem Compa-
nies Act.210 In dieser Arbeit wird die Gründung des Joint-Ventures als Kapitalge-
sellschaft angenommen, daher wird nur auf die entsprechenden Gesellschaftsfor-
men eingegangen. Die nur selten angewandten Varianten sind die Gründung des
Joint-Ventures als Personengesellschaft oder als „Joint Working Agreement“.210
1. Private Company Die mit der deutschen GmbH vergleichbare Gesellschaftsform verfügt über ein
Stammkapital von mindestens 100.000 INR (= 1 lakh) und wird von wenigstens
zwei Gesellschaftern gegründet. Neben der Anzahl der Gesellschafter, die 50
nicht überschreiten darf, ist die Haftung auf das eingelegte Kapital beschränkt.
Darüber hinaus existieren Restriktionen, die die Veräußerung von Geschäftsan-
208 vgl. GOI, 2005d, S.18 209 vgl. DIHK, 2001, S.23f 210 vgl. DEG, 2002, S.49ff.
77
teilen durch die Gesellschafter betreffen. Ebenso ist es untersagt, öffentlich die
Anteile zum Kauf anzubieten.211
2. Public Company
Für die Public Company, der deutschen AG ähnelnd, gelten die Beschränkun-
gen der Private Company nicht. Demnach können die Gesellschafter ihre Kapi-
talanteile frei veräußern. Die Public Company muss über ein Stammkapital von
mindestens 500.000 INR und sieben Gesellschaftern verfügen. Der mit der
Gründung eines Joint-Ventures in dieser Gesellschaftsform verbundene Auf-
wand ist relativ hoch.211 Bei der Firmierung ist zu beachten, dass eine Public
Limited Company mit der Bezeichnung „Limited“ und eine Private Limited Com-
pany mit „Private Limited“ abschließt.
Da ausländische Gesellschaften dem indischen Gesellschaftsrecht, „Companies
Act“ unterliegen, müssen diese ebenfalls den Registrierungsbestimmungen nach-
kommen. Demnach ist die Gesellschaft beim „Registrar of Companies“ in dem
Bundesstaat anzumelden, in dem diese ihren Sitz haben wird.
4.6 Gründungsprozess
Dem eigentlichen Gründungsprozess geht eine intensive Phase der Informations-
beschaffung voraus, die das Fundament für jedes Auslandsengagement darstellt
und daher keinesfalls unterschätzt oder vernachlässigt werden sollte. Zunächst
muss eine eingehende Überprüfung der unternehmensinternen Ressourcen und
damit die Feststellung, ob das eigene Unternehmen überhaupt in der Lage ist, ei-
ne Investitionstätigkeit aufzunehmen, erfolgen.212 Die Erstellung eines Stärken-
Schwächen-Profils hilft bei der Beantwortung dieser Problemstellung. Des Weite-
ren gilt es, zuverlässige und tiefgründige Informationen über die indischen Rah-
menbedingungen, die ebenso die Markt-, Branchen- und Konkurrenzsituation ein-
schließen, zu gewinnen. Da das unternehmerische Umfeld in Indien ständigen
Veränderungen unterworfen ist, bedarf es einer kontinuierlichen Aktualisierung der
211 vgl. DEG, 2002, S.51f.; GOI, 2005b, 14
78 212 vgl. Geissbauer/Siemsen, 1995, S.32
erhobenen Daten. Die schriftliche Fixierung der Ergebnisse aus der Informations-
beschaffungsphase in einem Informationsplan dient damit als Basis nachfolgender
unternehmerischer Entscheidungen.213
Nachdem Indien als Investitionszielland und der Markteintritt in Form eines Joint-
Ventures als geeignet befunden wurden, beginnt nun der Prozess der eigentlichen
Errichtung des Gemeinschaftsunternehmens. Bereits in einer frühen Phase der
Gründung sollte über mögliche Konfigurationen des Joint-Ventures nachgedacht
werden. Dabei können mehrere Modelle überprüft werden, um sie auf Grund z.B.
rechtlicher oder ressourcenbedingter Restriktionen von vornherein auszuschließen
oder sie in die engere Wahl zu ziehen. Die Erkenntnisse und mitunter entwickelte
Präferenzen können als Kriterium in die Evaluation möglicher Partner einfließen.
Des Weiteren gewähren die erworbenen Kenntnisse Sicherheit in der Verhand-
lungsphase und verhindern, dass das eigene Unternehmen „Opfer“ einer Über-
rumpelungstaktik wird. Trotz Präferenzen bezüglich der Joint-Venture Ausgestal-
tung sollte das Unternehmen flexible und offen für alternative Vorschläge sein,
denn dem indischen Partner die eigenen Vorstellungen ohne jede Rücksicht auf
dessen Bedürfnisse lediglich aufzudiktieren, schafft eine denkbar schlechte Basis
für eine langwierige und erfolgreiche Zusammenarbeit.214
Abb. 17: Phasen der Joint-Venture Gründung
JointVenture
Informations-beschaffung
Partner-wahl
Verhandlungs-prozess
Vertrags-gestaltung
Genehmigung Registrierung
Quelle: Eigene Darstellung
4.6.1 Partnerwahl
Die Bedeutung des lokalen Partners für den Erfolg oder Misserfolg eines Joint-
Ventures kann nicht genug betont werden. Dieser sollte erst nach sorgfältigster
213 vgl. Weis, 1998, 184ff 214 vgl. Weis, 1998, S. 221
79
Prüfung und nicht nach einer groben Einschätzung ausgewählt werden. Obwohl
die Einbeziehung mehrerer Partner in ein Joint-Venture denkbar ist, soll im Rah-
men dieser Arbeit auf die Errichtung eines Gemeinschaftsunternehmens zwischen
zwei Partnern, der so genannten Joint-Venture Triade, eingegangen werden.
4.6.1.1 Die Suche nach einem geeigneten Partner und Kontaktaufnahme
Einen Mangel an kooperationswilligen Unternehmen werden deutsche Unterneh-
mer in Indien nicht beklagen müssen. Mögliche Partner, die für die Gründung ei-
nes Gemeinschaftsunternehmens in Indien in Frage kommen, sind:
• „staatliche Unternehmen und Regierungsstellen,
• private Unternehmen bzw. Investoren,
• öffentliche Entwicklungshilfegesellschaften bzw. internationale Organisationen
und
• Banken bzw. Venture-Capital-Fonds“215.
In diesem Zusammenhang kann festgestellt werden, dass vorwiegend mit der
zweiten Gruppe, den privaten Unternehmen bzw. Investoren, kooperiert wird. Auf
der Suche nach einem Partner kann das deutsche Unternehmen entweder eine
aktive oder eine passive Rolle einnehmen. Eine aktive und zielgerichtete Ausrich-
tung der Suche findet Ausdruck in der Teilnahme an Delegationsreisen, die z.B.
von Wirtschaftsverbänden wie dem Ostasiatischen Verein e.V. oder Handelskam-
mern angeboten werden und Messen. Interessensverbände wie der German-
Indian-Roundtable (GIRT) bieten regelmäßig Stammtische in mehreren Städten
an, in denen man mit anderen vor allem mittelständischen Unternehmern in
zwangloser Atmosphäre Kontakte knüpfen und Erfahrungen austauschen kann.
80 215 Weis, 1998, S.226
Zudem können in Deutschland Informationen über mögliche Kooperationspartner
eingeholt und Kontakte vermittelt werden durch die Deutsch-Indische Handels-
kammer (DIHK), der Deutschen Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG)
und Bundesagentur für Außenwirtschaft (bfai).
Nicht zu unterschätzen ist bei der Partnersuche ebenfalls der persönliche Kontakt
zu anderen, bereits indienerfahrenen Joint-Venture Managern. Hinweise und
Ratschläge von ihnen können das Erfahrungsdefizit wenigstens z.T. kompensie-
ren. Oftmals tun sich deutsche Geschäftsleute schwer, andere Unternehmen, um
Informationen und Rat zu fragen, weil es als Eingeständnis einer Schwäche miss-
verstanden wird. Scham und falscher Stolz können jedoch in diesem Fall einen
hohen Preis haben. Eine passive Rolle einzunehmen, bedeutet nicht zielgerichtet
nach einem Partner zu „fahnden“, sondern vielmehr eine „Positioning-Watching-
Waiting“-Strategie zu verfolgen. Hierbei wird eine abwartende Position eingenom-
men bis man eher zufällig auf einen Partner stößt. Hauptargument für eine derarti-
ge Strategie ist die Möglichkeit, hohe Suchkosten zu vermeiden. Selbst wenn die
passive Suche durchaus erfolgreich sein kann, ist es ratsam aktiv einen Partner zu
suchen, da es möglich wird, eine große Anzahl von potentiellen Kooperationspart-
nern kennen zu lernen und zu vergleichen.216
Neben dem Lerneffekt und den ersten Erfahrungen im Umgang mit indischen Un-
ternehmen, kann das Ergebnis dieses Prozesses die Erkenntnis sein, dass das
eigene Anforderungsprofil überdacht und angepasst werden muss. Neben den
aktiven und passiven Suchstrategien, verfügen häufig deutsche Unternehmen be-
reits über langjährige Handelsbeziehungen oder Geschäftsfreundschaften zu ei-
nem indischen Partner, bevor es überhaupt zu Verhandlungen über die Gründung
eines gemeinsamen Unternehmens kommt. Die erste Kontaktaufnahme erfolgt in
den meisten Fällen per Anschreiben, das neben der Vorstellung des eigenen Un-
ternehmens auch die Information darüber enthält, wie man auf das indische Un-
ternehmen aufmerksam geworden ist. Im Folgenden werden üblicherweise die
Motive des Anschreibens dargelegt. Dies endet mit der Frage, ob ebenfalls Inte-
resse an einer Zusammenarbeit besteht.217
216 vgl. Weis, 1998, S.260 217 vgl. Quack, 2000, S.84
81
4.6.1.2 Anforderungskriterien und Erwartungen
Weitaus problematischer als das „Aufspüren“ kooperationswilliger Unternehmen
scheint dagegen die Evaluation und damit die Identifikation eines tatsächlich ge-
eigneten indischen Partners zu sein. Sinnvoll ist daher die Erstellung eines Kata-
loges mit detaillierten Anforderungen, der die Eigenschaften des Idealpartners
formuliert. Dabei werden die Merkmale, über die der zukünftige Kooperationspart-
ner verfügen sollte, mit Hilfe zweier Kriterien bewertet. Muss-Kriterien, „Knock-
Out-Criteria“ sind jene, die das potentielle Partnerunternehmen zwingend erfüllen
muss und für die weitere Berücksichtigung im Auswahlverfahren ausschlaggebend
sind. Kann-Kriterien, „Additional-Criteria“ dienen dazu, die Kandidaten, die sich in
der engeren Wahl befinden, voneinander hinsichtlich besonderer Vorzüge oder
Eignung zu unterscheiden.218 Bei der Formulierung des Kataloges muss ein Kom-
promiss zwischen möglichst detaillierten und dennoch erfüllbaren Anforderungen
geschaffen werden, da bei zu unrealistischen Wunschvorstellungen u.U. kein pas-
sender Partner gefunden werden.
Die Mehrheit der deutschen Unternehmen, die beabsichtigen, mit einem indischen
Unternehmen zu kooperieren, erwartet umfangreiche Markterfahrung in der Ziel-
branche. Das zukünftige Partnerunternehmen sollte sich auf dem regionalen oder
sogar nationalen Markt etabliert haben und eine gewisse Reputation besitzen. Des
Weiteren sollte der ideale Partner über beständig gute Beziehungen zu Lieferan-
ten, Distribuenten und Kunden verfügen, die überdies kontaktiert werden können,
um den Ruf des Unternehmens einzuschätzen. Häufig werden ebenfalls fundierte
Erfahrungen in den Bereichen Im- und Export vorausgesetzt.219 Eine solide Fi-
nanzsituation des indischen Kooperationspartners ist ebenso wichtige Vorbedin-
gung, da diese nicht nur das eigene finanzielle Risiko begrenzt, sondern zudem
den Zugang zu externen Finanzierungsquellen im Zuge möglicher Expansionsbe-
strebungen verbessert.219 Als weitere Variable in der Entscheidung für ein be-
stimmtes Unternehmen als zukünftigen Partner gilt, ob bestimmte Ressourcen,
z.B. Grundstücke, Gebäude, Personal mitgenutzt werden können. Ein indisches
Unternehmen scheint demnach interessant, wenn dieses „wichtige Rohstoffe lie-
218 vgl. Weis, 1998, S.251
82 219 vgl. Geissbauer/Siemsen, 1995, S.33
fern kann, über effiziente Produktionsanlagen verfügt, ein weit reichendes Distribu-
tionsnetz unterhält oder selbst Abnehmer der gemeinsamen Produktion ist“220.
Ebenso spielt der Ausbildungsstand des Personals sowohl im Management als
auch in anderen Schlüsselfunktionen eine wichtige Rolle in diesem Zusammen-
hang. Selbst wenn der Einfluss von Behörden und staatlichen Institutionen kon-
stant abnimmt, erwarten deutsche Unternehmen ein dichtes Netzwerk von Kontak-
ten, das genutzt werden kann, um Bürokratiehindernisse abzubauen und um einen
Wettbewerbsvorteil durch Informationsvorsprünge zu erlangen.219 Darüber hinaus
sollte der indische Kooperationspartner langjährige und gute Beziehungen zu
Banken unterhalten.
Vielfach wird von Unternehmen ebenfalls die Kompatibilität der Unternehmenskul-
turen als Entscheidungskriterium herangezogen. Diese umfasst die „erlernten Wis-
sens- und Erfahrungsvorräte, die Wertvorstellungen, Denkmuster und Verhaltens-
normen“ und repräsentiert „auch stets landesspezifische Werte und Normen“221.
Gerade weil es sich bei der Unternehmenskultur um ein tief verwurzeltes und u.U.
seit Jahrzehnten praktiziertes Werte- und Normgefüge handelt, gilt die Zusam-
menführung zweier verschiedener Kulturen als äußerst schwierig und ist, wenn
überhaupt, nur sehr langsam möglich. Zentrale Bedeutung kommt im Rahmen der
Partnerwahl dem Wunsch deutscher Unternehmer zu, in Indien einen vertrauens-
würdigen Partner zu finden. Den Aufbau einer persönlichen Beziehung, gekenn-
zeichnet durch Respekt füreinander und Vertrauen schon vor oder während der
Verhandlungsphase, sehen deutsche Unternehmen als wichtige Voraussetzung
für ein erfolgreiches gemeinsames Wagnis an. Diese Erwartungshaltung ent-
spricht den Aussagen, die bereits in Kapitel 2.6.2 getroffen wurden. Demzufolge
ist gegenseitiges Verständnis und Vertrauten ist die Basis jeglicher Kooperation.
220 Geissbauer/Siemsen, 1995, S.33 221 Quack, 2000, S.75
83
4.6.1.3 Evaluation und Selektion
Nachdem eine Grobauswahl getroffen wurde, sollten insbesondere für die Grün-
dung eines Joint-Ventures mehrere potentielle Partner sorgfältig und gewissenhaft
evaluiert werden, da es sich um eine recht intensive Form der Zusammenarbeit
mit hohem Kapitaleinsatz handelt. Lediglich ein Unternehmen in diesen Prüfungs-
prozess einzubeziehen, ist nicht empfehlenswert, da man sich um wichtige Ver-
gleichsmöglichkeiten bringt. Dennoch ist die Berücksichtigung nur eines möglichen
Kandidaten in der Praxis keine Ausnahme.222
Elementarer Bestandteil im Zuge des Evaluierungsprozesses sind Reisen nach
Indien, um den potentiellen Partner und die örtlichen Gegebenheiten kennen zu
lernen. Firmenbesichtigungen ermöglichen die Bewertung des Standortes allge-
mein, der vorhandenen Produktionsanlagen, Qualität der Produkte und des Ge-
ländes für eine spätere Expansion. Gespräche mit dem Management und weiteren
hochrangigen Mitarbeitern geben überdies Aufschluss über Unternehmenspolitik, -
kultur und fachliche Kompetenzen. Des Weiteren sollten die Eigentumsverhältnis-
se durchleuchtet werden. Referenzen zum Unternehmen über Image, Bonität und
Marktstellung können von Wettbewerbern eingeholt werden. Ratsam ist zudem,
falls es sich um ein indisches Familienunternehmen handelt, sich über das Ge-
schäftsgebaren und den Ruf der Familie vor Ort zu informieren. Möglicherweise
erhält man Hinweise auf Probleme oder Konflikte innerhalb der Familie, die die
Unternehmenspolitik beeinflussen könnten. Die finanzielle Situation des möglichen
Kooperationspartners kann durch Überprüfung der betriebswirtschaftlichen Unter-
lagen, z.B. Bilanz, GuV-Rechnung und Auftragsbücher erfolgen. Ebenso sind die
Kennzahlen Gewinn, Wirtschaftlichkeit, Produktivität und Rentabilität wichtige Indi-
katoren für die Zielerreichung eines Unternehmens. Die erhobenen Daten ergeben
ein Ist-Profil der infrage kommenden Unternehmen, das mit dem im Anforderungs-
katalog erstellten Soll-Profil verglichen wird. Befragungen unter Unternehmen ha-
ben ergeben, dass solche, die mehrere potentielle Partner im Evaluationsprozess
berücksichtigt und dabei die im Katalog festgelegten Anforderungen genannten
84 222 vgl. Weis, 1998, S.261f.
Kriterien überprüft haben, erfolgreicher waren im Bestreben um ein dauerhaftes
Engagement im Rahmen eines Gemeinschaftsunternehmen.223
Indische Geschäftsleute sind berühmt und gleichermaßen berüchtigt für die Fähig-
keit, eine harmonische und vertrauensvolle Atmosphäre schaffen zu können. Trotz
dessen darf bei der Selektion des Partners nicht vergessen werden, dass es sich
bei der Errichtung eines Joint-Ventures um eine strategische Zweckehe handelt.
Das favorisierte Unternehmen sollte demnach objektiv auf Grundlage der im Be-
wertungsverfahren erreichten Punkte und nicht aus Sympathie selektiert werden.
4.6.2 Der Verhandlungsprozess
Nach den ersten Treffen, in denen festgestellt wird, ob die „Chemie“ stimmt und
man zueinander passt, beginnt nun die eigentliche Phase der Vertragsverhand-
lung. Nicht zu unterschätzen ist die Sympathie der Entscheidungsträger füreinan-
der, denn sie hat maßgeblichen Anteil am Erfolg für die Kooperation. Insbesonde-
re in Indien dienen diese ersten Treffen dem Aufbau der bereits in Kapitel 4.4
erwähnten persönlichen Beziehung, ohne jedoch verbindliche Zusagen treffen zu
müssen. Die Erstellung des Stärken- und Schwächenprofils des eigenen Unter-
nehmens in Vorbereitung auf den Markteintritt ist hilfreiches Dokument im Ver-
handlungsprozess, auf dessen Grundlage die strategische Zielsetzung für das En-
gagement bestimmt werden kann.
Verhandlungen im indischen Umfeld können mitunter recht langwierig sein und
haben oftmals fast politischen Charakter, „da die Geschäftsbeziehung zwischen
den Verhandlungspartnern als Teil gesamtwirtschaftlicher Beziehungen des aus-
ländischen und indischen Staates“ verstanden wird.224 Auch in dieser Phase der
Joint-Venture Gründung gilt: je gründlicher die Vorbereitung, desto größer die
Chancen für ein Erfolg versprechendes Resultat.
223 vgl. Weis, 1998, S.272 224 vgl. Weis, 1998, S.278
85
4.6.2.1 Vorbereitung
Eine sorgfältige Vorbereitung ist eine unerlässliche Voraussetzung für eine erfolg-
reiche Vertragsverhandlung, um eine eigene Taktik entwickeln und mit dieser den
Verhandlungsprozess aktiv mitgestalten zu können. „Je sorgfältiger sich das Un-
ternehmen auf die Verhandlungen vorbereitet, desto besser ist es in der Lage, die
Geschehnisse zu beeinflussen“.225
Die Phase der Vorbereitung setzt sich aus einer inhaltlichen und einer formalen
Komponente zusammen. Die inhaltliche Vorbereitung wiederum kann in zwei Be-
standteile unterteilt werden. Die erste, die so genannte psychologische Vorberei-
tung, dient der Klärung von der Funktion des Gespräches sowie des Kommunika-
tionsstiles.226 Wie bereits zuvor in Kapitel 4.4 angesprochen ist das gegenseitige
Kennen lernen und der Aufbau einer Vertrauensbasis für Gespräche mit indischen
Geschäftspartnern elementar. Bezüglich der Kommunikationsstile differenziert der
britische Kulturanthropologe, Edward T. Hall zwischen low- und high-context-
Kulturen. In low-context-Kulturen, wie der deutschen, wird direkt, klar und sachlich
argumentiert. Seine Meinung offen und kritisch zu äußern, ist Teil des Kommuni-
kationsverständnisses. In Indien, einer high-context-Kultur, ist wie etwas gesagt
wird wichtiger, als das was. Intonation, Lautstärke und der nonverbalen Kommuni-
kation kommen in diesen Kulturen eine große Bedeutung zu. In einer Konversation
bedienen sich die Inder einer blumigen Sprache und verzichten auf die Mitteilung
bloßer Fakten, da viele Informationen auf Grund des engmaschigen Beziehungs-
netzwerkes als vorausgesetzt gelten und deshalb nicht explizit geäußert werden
müssen.227
Die zweite Komponente, die faktenorientierte Vorbereitung, zielt auf die Formulie-
rung von Zielen ab, die das Ergebnis der Verhandlungen darstellen und deren Er-
reichung sichergestellt werden sollen.226 Es gilt zusätzlich zu klären, welche Infor-
mationen, z.B. über Partnerunternehmen einschließlich der Entscheidungsträger
und über das eigene Unternehmen, für die Verhandlung relevant sind.
225 Weis, 1998, S.279 226 vgl. Quack, 2000, S.86f.
86 227 vgl. Kreuser, 2002, S.217f.
Der zweite Teil der Vorbereitungsphase umfasst die formale Vorbereitung, in der
das Verhandlungsteam, der Verhandlungsort, die Terminplanung und die Tages-
ordnung festgelegt werden. Die einzelnen Mitglieder des Verhandlungsteams soll-
ten über interkulturelle wie auch soziale Kompetenzen verfügen und bereits Erfah-
rungen im Verhandeln mit ausländischen Partnern gesammelt haben. Die
Besprechungen können am Standort des eigenen Unternehmens, dem des indi-
schen Verhandlungspartners oder an einem neutralen Ort stattfinden. Häufig fin-
den die Verhandlungen in Indien in neutraler Atmosphäre in Hotels oder Clubs
statt. Als Verhandlungsort wird Indien von deutschen Unternehmen bevorzugt, um
bei dieser Gelegenheit das Profil vom Gesprächspartner und der Rahmenbedin-
gungen zu komplettieren.228 Wie bereits in Kapitel 4.4 angesprochen, muss be-
sonders in Indien die Terminplanung äußerst anpassungsfähig gestaltet und mit
ausreichend Zeitpuffer versehen werden. In diesem Zusammenhang gilt es, die
Vielzahl an religiösen und politischen Feiertagen zu berücksichtigen, die von Jahr
zu Jahr variieren. Das Kernelement dieser der Verhandlung vorangehenden Pha-
se ist es, Affinität für die unterschiedlichen Kulturzugehörigkeiten zu entwickeln
und sich bewusst zu werden, dass Verlauf und Inhalt der Gespräche mit indischen
Geschäftsleuten von den uns vertrauten abweichen werden.
4.6.2.2 Ablauf
Üblicherweise werden die Gespräche durch die Begrüßung, die Überreichung von
Gastgeschenken und dem zuvor erwähnten Smalltalk eröffnet. Zur Eröffnung für
Verhandlungen mit indischen Unternehmern gehört zusätzlich der Austausch von
Visitenkarten. Dieser ist in Indien enorm wichtig, da er Aussage über die akademi-
sche Ausbildung, berufliche Stellung und den damit verbundenen Status trifft.229
Grundsätzlich gilt, nur mit den Gesellschaftern oder Geschäftsführern zu verhan-
deln, da Entscheidungen in indischen Unternehmen auf oberster Ebene getroffe-
nen werden.230 Sowohl die anfängliche Unterhaltung über scheinbar belanglose
Dinge als auch der Austausch von Visitenkarten sind Handlungen, um eine per-
sönliche Beziehung zu schaffen. Das Ziel ist es, das Vertrauen des indischen Ge-
228 vgl. Weis, 1998, S.279f. 229 vgl. Kreuser, 2002, S.175 230 vgl. Kreuser, 2002, S.159
87
schäftspartners zu gewinnen und damit das Fundament für Geschäfte auf dem
indischen Subkontinent zu legen.
Trotz hoher Flexibilität und eines beträchtlichen Verhandlungsspielraumes, die
zweifelsfrei erforderlich sind, um den Bedürfnissen beider Parteien gerecht zu
werden, sollte das deutsche Unternehmen nicht um jeden Preis auf einen Kon-
sens aus sein und eigene Vorstellungen und Anforderungen an eine Zusammen-
arbeit aufgeben. Laut Aussage von Rechtsanwalt Jan Eberhardt von der igca
GmbH sind die „Inder hinter der weichen Front knallhart“, besitzen eine ausge-
prägte Händlermentalität und sind extrem preissensitiv. Indische Geschäftsleute
sind zudem als äußerst geschickte Verhandlungspartner bekannt, die ihr Verhal-
ten an die gerade gegebenen Umstände adaptieren können und daher eine voll-
ständige Einschätzung der Absichten schwierig ist. Darüber hinaus gelten sie als
glänzende Rhetoriker, die in der Lage sind, im Bruchteil einer Sekunde von einem
harmonisch geprägten in einen energisch aggressiven Kommunikationsstil zu
wechseln.231 Falls es in einer Verhandlungsrunde zu derartigem Verhalten kommt,
ist es die Aufgabe des deutschen Gesprächspartners, ruhig zu bleiben und die
Verhandlung auf der sachlichen Ebene weiterzuführen. Des Weiteren sind, zumin-
dest für deutsche Verhältnisse, ungewöhnliche Geschäftspraktiken während des
Verhandlungsprozesses zu erwarten. So sind in die Verhandlungen viele Perso-
nen involviert, von denen weder Name noch Position bekannt ist. Es ist ebenso
möglich, dass während einer Besprechung einige Angestellte die Verhandlung
verlassen, während andere, ebenfalls unbekannte Personen, die Räumlichkeiten
betreten.232
Erst in dieser Phase können eigene Ideen über Umfang und Gestaltung der Ko-
operation, mit Berücksichtigung der Interessen des Partners, konkretisiert werden.
Optional kann vor Aufnahme der Verhandlungen eine Vertraulichkeitsvereinba-
rung, „Non Disclosure Agreement (NDA)“, zwischen den beiden Parteien ge-
schlossen werden, um sich die Diskretion des indischen Verhandlungspartners
bezüglich der Verwendung vertraulicher Informationen zu sichern. In den einzel-
nen Verhandlungsrunden wird versucht über den Gegenstand der Zusammenar-
231 vgl. Kreuser, 2002, S.217
88 232 vgl. Kreuser, 2002, S.224
beit, gemeinsame Zielsetzung, Höhe der Beteiligung, Rechte und Pflichten der
Partner, und Gewinnverteilung zunächst eine Annäherung der üblicherweise stark
divergierenden Ausgangspositionen und letztendlich eine Einigung durch beidsei-
tige Zugeständnisse und Kompromisse zu erreichen. In dem so genannten „Letter
of Intent (LOI)“, einer Absichtserklärung, legen die Parteien die grundsätzlichen
Absichten und Zielsetzungen des Joint-Ventures schriftlich nieder.233 Konnte eine
Einigung in den wesentlichen Punkten erzielt werden, wird die Grobstruktur im
„Memorandum of Understanding (MOU)“ festgehalten und dient somit dem indi-
schen Partner als Unterlage für die Beantragung notwendiger Genehmigung und
Registrierung bei den Behörden. Die erteilten Genehmigungen besitzen eine Gül-
tigkeit von zwei Jahren und markieren den Zeitraum, in dem die Parteien verbind-
liche Vereinbarungen treffen müssen.234 Wie beim LOI handelt es sich beim MOU
um einen Vorvertrag, der nicht rechtlich bindend ist. Die schriftliche Niederlegung
der erzielten Fortschritte ist auf Grund der vorherrschenden „Chaltahai-
Einstellung“ in Indien außerordentlich wichtig. Diese besagt, dass solange es gut
läuft, es so weiter laufen kann und dann sieht man weiter. Da wenig ausgespro-
chen wird, gilt alles als neu verhandelbar, falls sich neue Gegebenheiten einstellen
sollten.227 Die endgültige Struktur und Ausgestaltung des Gemeinschaftsunter-
nehmens wird nach der Einigung detailliert im „Joint-Venture-Agreement“ schrift-
lich fixiert.
4.6.3 Die Vertragsgestaltung
4.6.3.1 Allgemeiner Aufbau
Im Kapitel 3.4 wurde bereits darauf hingewiesen, dass Indien ein auf britisches
Recht beruhendes Rechtssystem besitzt und sich somit ebenso die Vertragsges-
taltung am „Common Law“ orientiert. Auch wenn ein Handschlag und das „Wort
eines Freundes“ ausreichen, um die Kooperation zu besiegeln, ist die schriftliche
und präzise formulierte Niederlegung des Vereinbarten in Indien elementar und
dient der eigenen Absicherung. Grundsätzlich kann dieses Abkommen individuell
gestaltet werden. Beim „Joint-Venture-Agreement“ handelt es sich demnach um
233 vgl. Weis, 1998, S.283 234 vgl. Matter, 2000, S.387
89
einen formlosen, privatrechtlichen Vertrag zwischen den beiden Gründungspart-
nern, der sowohl technische als auch kaufmännische Inhalte der zukünftigen Ko-
operation regelt.235 Im „Financial Collaboration Agreement“, dem Vertrag über die
finanzielle Zusammenarbeit, der zwischen beiden Partnern vereinbart wird, wer-
den die Höhe der Kapitalbeteiligung, die Organisation sowie die Rechten und
Pflichten der Partner festgehalten.209 Darüber hinaus wird ein zweiter Vertrag, das
„Technical Collaboration Agreement“, zwischen dem ausländischen Unternehmen
und dem neu gegründeten Joint-Venture geschlossen. Dieser Lizenzvertrag klärt
die Einzelheiten des Technologietransfers, insbesondere die „Vermittlung oder
Weitergabe von Produktinformationen, Training des Personals, Qualitätssicherung
der Produkte und Integration regelmäßiger Verbesserungen“.236
Wie bereits im Kapitel 4.5.3 ausgeführt, kann das Joint-Venture als Private Limited
Company oder als Public Limited Company gegründet werden. Für beide Gesell-
schaftsformen müssen neben dem eigentlichen „Joint-Venture-Agreement“ die
Gründungsurkunde, das „Memorandum of Association “ und die Satzung, die „Ar-
ticles of Association“, ausgearbeitet werden. Während im „Memorandum“ der Ge-
schäftszweck dokumentiert wird, enthalten die „Articles“ Vereinbarungen, die die
Organisation und die Verwaltung der Gesellschaft betreffen. Sämtliche Verträge,
die durch die Unterschrift der ranghöchsten Delegationsmitglieder ratifiziert wer-
den, unterliegen dem indischen Recht. Juristische Beratung durch eine indische
Anwaltskanzlei, private Beratungsunternehmen oder Institutionen wie der DIHK
sollte frühzeitig in der Phase der Vertragsgestaltung in Anspruch genommen wer-
den, um späteren Unstimmigkeiten aus dem Weg zu gehen.
4.6.3.2 Die Inhalte im Einzelnen Wie angedeutet, ist der Joint-Venture Vertrag formlos und daher die Ausgestal-
tung von Fall zu Fall unterschiedlich, dennoch sollten Eckpunkte wie die Grund-
struktur der Kooperation, der Einsatz von Ressourcen, Organisation und Koordina-
tion, Ergebnisverwendung, Konflikt- und Vertrauensregelungen sowie die Beendi-
gung der Kooperation unbedingt vereinbart werden.237
235 vgl. Weis, 1998, S.286 236 Matter, 2000, S.388
90 237 vgl. Quack, 2000, S.104
Auf einige ausgewählte Punkte wird in diesem Abschnitt eingegangen. Die Partei-
en einigen sich in dem „Joint-Venture-Agreement“ über die mögliche Einbringung
von Sachmitteln, z.B. Gebäuden oder Maschinen und deren Bewertung, von im-
materiellen Vermögensgegenständen, z.B. Lizenzen oder Nutzungsrechte an
Technologien und/oder Markenzeichen, von Humanressourcen und von finanziel-
len Mitteln. Hierbei ist die Höhe der Kapitalbeteiligung von großer Bedeutung, da
diese den Erwerb eines bestimmten gesellschaftsrechtlichen Anteils an einer Per-
sonen- oder Kapitalgesellschaft darstellt und somit über den Grad der Einfluss-
nahme auf die Steuerung des Joint-Ventures entscheidet.238 Die Höhe des einzu-
bringenden Kapitals ist im „Memorandum“ und „Articles of Association“ fixiert.
Zudem kann die Einbringung in Raten und zu einem Zeitpunkt, an dem das Unter-
nehmen die Einlage benötigt, erfolgen. Mögliche Konstellationen für den deut-
schen Partner beinhalten eine Minderheits- (bis zu 50%), Paritäts- (50:50) oder
Mehrheitsbeteiligung (über 50%). Erst ab einer Beteiligung von mindestens 26%
verfügt das deutsche Unternehmen über eine Sperrminorität, mit der es gelingt,
wichtige Entscheidungen die nach dem „Companies Act“ von 1956 einer Dreivier-
tel-Mehrheit bedürfen wie z.B. Erhöhung des Kapitals, Änderungen in der Grün-
dungsurkunde, Start eines neuen Geschäftsbereiches, Änderung des Namens und
die Blockierung der Aufnahme eines hohen Kredites per Veto.209 Abb. 18: Eckpunkte des Joint-Venture Vertrages
Der Joint Venture
Vertrag
Grundstruktur- Zweck der Zusammenarbeit- Kooperationsbereiche- Beginn u. Dauer der Kooperation- Fragen der Haftung
Ergebnisverwendung- Gewinn- u. Verlustverteilung- Ansprüche an Erfindungen u.
Schutzrechte
Einsatz von Ressourcen- materielle- immaterielle- finanzielle- personelle- organisatorische Organisation u. Koordination
der Kooperationsaufgaben- Aufgabenbeschreibung- Zuständigkeiten- Entscheidungsbefugnisse- Informationsrechte
Konflikt- u. Vertrauensregelung- Verhandlung in speziellen Gremien- Einsatz von Mediatoren- Schieds- u. ordentliche Gerichte- Geheimhaltung- Wettbewerbsverbot- Vertragsstrafen
Beendigung der Kooperation- Konsequenzen bei Ausscheiden
eines Partners- Auflösung der Kooperation als
Ganzes- Ausschluss von Kündigungen
Quelle: Eigene Darstellung, auf der Grundlage von Quack, 200, S.119 238 vgl. Quack, 2000, S.108
91
Eine paritätische Beteiligung bedeutet, dass beide Partner gemeinsam die Unter-
nehmenspolitik bestimmen und gleichermaßen am Verlust oder Erfolg des Joint-
Ventures beteiligt sind. In einer Mehrheitsbeteiligung behält es sich der deutsche
Partner vor, die bestimmende Instanz für unternehmenspolitische Entscheidun-
gen, z.B. Anpassung des Produktprogramms zu sein. Dies erleichtert die Koordi-
nation der Aktivitäten zwischen dem Joint-Venture und dem deutschen Stamm-
haus, birgt auf der anderen Seite jedoch die Gefahr, dass der indische Partner
schnell Interesse am gemeinsamen Erfolg des Gemeinschaftsunternehmens ver-
liert.239 Ein wichtiger Aspekt in der Organisation der Kooperationsaufgaben ist ne-
ben der Schaffung von Aufgaben- und Zuständigkeitsbereichen die Bestimmung
der Geschäftsführung.
Denkbar sind hier die Varianten der Geschäftsführung durch das deutsche Unter-
nehmen, den indischen Partner, externe indische Manager oder durch beide Part-
ner gemeinsam. Die Gewinnung und Entsendung von Expatriates für einen dauer-
haften Einsatz in Indien ist gerade in mittelständischen Unternehmen schwierig
und kann häufig wegen der hohen finanziellen Aufwendungen nicht realisiert wer-
den. Dieser Umstand und die größere Erfahrung, ein Unternehmen in Indien zu
leiten, sind Gründe für die Geschäftsführung durch den indischen Partner, auch
wenn dieser nicht über die Kapitalmehrheit verfügen sollte. Eine gemeinsame Ge-
schäftsführung findet man oftmals in Joint-Ventures mit paritätischen Beteiligungs-
verhältnissen. Die Einstellung eines externen indischen Geschäftsführers gilt als
attraktive Lösung, da dieser weder mit der deutschen noch mit der indischen Seite
eine Verbindung unterhält und daher keinem Interessenskonflikt ausgesetzt ist.
Des Weiteren verfügt ein externer indischer Manager über Kenntnisse über die
lokalen Verhältnisse auf der einen Seite, ist aber auf der anderen Seite deutlich
günstiger als ein deutscher Expatriate.240
Als unternehmerisches Organ mit Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis
trifft in Indien das „Board of Directors“, einer Kombination aus Vorstand und Auf-
sichtsrat, alle wichtigen Entscheidungen.209 Weiterhin gilt das „Board of Directors“
als wichtiges Kontrollinstrument des Joint-Ventures. Die Anzahl der Board-
239 vgl. Geissbauer/Siemsen, 1995, S.39f.
92 240 vgl. Geissbauer/Siemsen, 1995, S.42f.
Mitglieder spiegelt dabei nicht zwangsläufig die Beteiligungsverhältnisse wider.
Der Partner, dem die Geschäftsführung zugesprochen wurde, stellt üblicherweise
den „Managing Director“, die andere Seite dafür häufig den „Chairman“, der den
Vorsitz des „Boards“ innehält. Vorstellbar ist ebenfalls die Übertragung beider Äm-
ter auf eine Person. Ist das deutsche Unternehmen für den technischen Bereich
verantwortlich, sollte es einen „Technical Director“ im „Board“ stellen. Des Weite-
ren ist es zweckmäßig, „Alternate Directors“ zu bestellen, wenn die regelmäßige
Anwesenheit eines „Directors“ an den „Board Meetings“ nicht gewährleistet ist,
z.B. weil dieses Amt von einem Manager des deutschen Partnerunternehmens
bekleidet wird. Dabei handelt es sich vorwiegend um indische Wirtschaftsprüfer,
Rechtsanwälte oder in Indien lebende Ausländer, die dann stellvertretend für den
„Director“ agieren.241
Da indische Unternehmen häufig stark hierarchisch orientiert sind, ist es ratsam
einen hochrangigen Mitarbeiter oder den Geschäftsführer des deutschen Unter-
nehmens zum „Member of the Board“ zu bestellen, um den Führungsanspruch im
neu gegründeten Joint-Venture zu unterstreichen und zu sichern. In diesem Zu-
sammenhang ist außerdem zu berücksichtigen, dass der indische Partner Perso-
nen zu „Directors“ ernennen könnte, denen es nicht an Prestige, dafür aber an
fachlicher Kompetenz mangelt. Regelungen im „Joint-Venture Agreement“ zur Er-
gebnisverteilung beziehen sich auf die Gewinn- und Verlustermittlung sowie deren
Verteilung, über die die Jahreshauptversammlung des Unternehmens nach Emp-
fehlung des „Board of Directors“ entscheidet. Zusätzlich wird unter diesem Aspekt
der Anspruch auf die Nutzung und Verwertung gemeinsamer Erfindungen ge-
klärt.242 Die Bestimmung einer unabhängigen Wirtschaftsprüfgesellschaft, die
durch das indische Gesellschaftsrecht vorgeschrieben ist, wird ebenfalls im Ver-
trag festgehalten und bezweckt die Bewertung der Unternehmenssituation durch
eine neutrale Instanz.
Bereits zu Beginn der Kooperation sollten so genannte Ausstiegsszenarien erar-
beitet und im Vertrag niedergelegt werden. Bevor man in Indien jedoch überhaupt
ein Joint-Venture eingeht, sollte man sich mit den Konsequenzen der Press Note
241 vgl. Geissbauer/Siemsen, 1995, S.37 242 vgl. Quack, 2000, S.110
93
18 (1998 Serie), der so genannten „No Objection Clearance“ befassen, die besagt,
dass die Genehmigung des (Ex-)Partners erforderlich ist, um ein neues Unter-
nehmen zu gründen, erneut eine Zusammenarbeit einzugehen oder auch nur ein
Lizenzabkommen über die Nutzung von Warenzeichen/Markennamen zu unter-
zeichnen. Selbst wenn die Press Note 1 (2005 Serie) diese Praxis im vergange-
nen Jahr korrigiert hat, in dem sie die Anwendung auf Investitionen im gleichen
Geschäftsfeld beschränkt, bedeutet dies unter Umständen die Aufwendung enor-
mer finanzieller Mittel, um sich regelrecht „freizukaufen“.243 Im Anschluss findet die
Phase der Einholung von Genehmigungen und der Registrierung des deutsch-
indischen Joint-Ventures bei den Behörden statt.
4.7 Gründe für das Scheitern von Joint-Ventures und Erfolgsfaktoren
Staatliche Restriktionen, die schier undurchdringbare Bürokratie, die schwierige
Infrastruktursituation und die nach wie vor weit verbreitete Korruption stellen ohne
jeden Zweifel große Herausforderungen für das deutsch-indische Joint-Venture
dar, dennoch sind es hauptsächlich folgende endogene und damit firmeninterne
Einflussfaktoren, die für das Scheitern von Kooperationen bereits vor oder nach
der Aufnahme der Geschäftstätigkeit verantwortlich sind:
4.7.1 Unzulängliche Vorbereitung
Viele deutsche Unternehmen verfügen vor Beginn ihres Indien-Engagements nicht
über ausreichende Kenntnisse über die Komplexität und Schwierigkeitsgrad des
lokalen Marktes. Die überzogenen Vorstellungen vom Standort Indien beginnen
bei einer zu optimistischen Schätzung des Marktpotentials, das eine kaufkräftige
Mittelschicht von über 350 Mio. Menschen, wie bereits in Kapitel 3.6 erwähnt, um-
fassen soll. Trotz kaum vorhandener Marktforschung ist eine eigene fundierte Be-
darfsanalyse elementar.244 Sich dabei nur auf offizielle indische Schätzungen zu
verlassen, wäre grob fahrlässig, da diese zumeist überhöht und nicht aktuell sind.
243 vgl. GOI, 2005c, S.9
94 244 vgl. Geissbauer/Siemsen, 1995, S.56
Konsequenz einer nicht ausreichenden Indienvorbereitung kann ebenfalls der Ein-
tritt in den indischen Markt mit einer falschen Strategie sein. Allgemein gilt der in-
dische Konsument als sehr preissensitiv, der den Preis tendenziell über die Quali-
tät stellt. Nichtsdestotrotz werden Kundenbindungsmaßnahmen und hohe Service-
standards immer wichtiger, um die Loyalität der Kunden zu gewinnen.245 Oftmals
müssen das Produktprogramm oder Produkte selber modifiziert und der Preis an
die indischen Verhältnisse angepasst werden. Auch dem Lockruf Indiens als Bil-
ligproduktionsland sollte man nicht ungeprüft folgen. Indien verfügt sicherlich noch
immer über ein allgemein niedriges Kostenniveau und damit über einen wichtigen
Standortvorteil. Dennoch zeigt die Befragung von Wamser, dass diejenigen Pro-
banden, die Niederlassungen in den Zentren wie Mumbai und Delhi haben, über-
durchschnittlich unzufrieden mit dem Kostenniveau und der -entwicklung sind. Zu-
dem bedeuten in Indien oftmals niedrige Kosten ebenso niedrige Produktivität und
Qualität.246 Erst nach einer kritischen Berücksichtigung aller Kostenfaktoren sollte
die Entscheidung, in Indien zu investieren, getroffen werden.
Eine angemessene Vorbereitung berücksichtigt neben allen indienrelevanten In-
formationen auch eine Einschätzung der Stärken und Schwächen des eigenen
Unternehmens. Ausgangspunkt jedes Auslandsengagements muss die Beantwor-
tung der Frage sein, ob das Unternehmen über finanzielle Ressourcen und aus-
reichend Kapazitäten verfügt, um die Geschäftstätigkeit in einem ausländischen
Zielmarkt aufnehmen und auch über eine längere Durststrecke hinweg aufrechter-
halten zu können. Gerade in Indien ist eine „geduldige“ und gleichermaßen flexible
Zeitplanung überaus wichtig. Lt. einer Befragung von Weis, muss der Zeitbedarf
mit dem Faktor drei multipliziert werden, um einen realistischen Planungshorizont
zu erhalten.247 Eine falsche zeitliche Planung ist demnach immer Ausdruck einer
mangelhaften Vorbereitung.
Zu einer angemessenen Vorbereitung gehören ebenso Markterkundungsreisen
nach Indien und die Einbindung von Beratern, Experten und erfahrenen Joint-
Venture Managern. Dies gewinnt insbesondere an Bedeutung, wenn z.B. mittel-
ständische Unternehmen nicht über die entsprechenden Ressourcen verfügen, um
245 vgl. European Commission Asia Investment Facility, 2002, S.19 246 vgl. Wamser, 2005, S.344ff. 247 vgl. Weis, 1998, S.196
95
Datenerhebungen eigenständig vorzunehmen. Sämtliche Ergebnisse sollten
schriftlich in einem Informationsplan festgehalten werden, dessen Daten regelmä-
ßig überprüft und aktualisiert werden. Weis stellt ebenfalls in seiner Untersuchung
fest, dass Erfahrungen in der Gründung von Joint-Ventures auf anderen ausländi-
schen Märkten durchaus hilfreich sind, dennoch garantieren diese nicht unbedingt
den Erfolg des Joint-Ventures in Indien.248
4.7.2 Nicht ausreichende Berücksichtigung der indischen Mentalität
Wie in Kapitel 4.4 dargestellt ist die indische (Geschäfts-)Kultur äußerst komplex
und nicht mit der deutschen vergleichbar. Da die Auseinandersetzung mit der
Mentalität und Verhaltensweisen des indischen Partners einen weiteren Erfolgs-
faktor darstellt, ist eine entsprechende Vorbereitung, um die notwendige Sensibili-
tät zu entwickeln, unverzichtbar. Eisele zufolge ist die psychische Distanz, mit der
das „Gefühl der Vertrautheit zu einem Markt oder Land“ bezeichnet wird, von e-
normer Signifikanz. Er empfiehlt Kooperationen vorwiegend mit Partnern einzuge-
hen, die eine möglichst niedrige Distanz aufweisen. Weisen die potentiellen Part-
ner große Differenzen bezüglich „Sprache, Kultur, Verbraucherverhalten, Rechts-
normen, Kaufkraft, Verhandlungspraktiken etc.“ auf, sollte der Markteintritt über
ein Joint-Venture nur nach reiflicher Überlegung und äußerst vorsichtig erfol-
gen.249
Dennoch kann, nach Meinung der Verfasserin dieser Arbeit, die enorme psychi-
sche Distanz zwischen Deutschland und Indien - zumindest teilweise - durch in-
tensive Vorbereitung kompensiert werden. Darüber hinaus wird dem indischen
Partner Respekt und das „Commitment“ bewiesen, das für eine langfristige und
enge Zusammenarbeit nötig ist. Die lokalen kulturellen Gegebenheiten zu kennen,
bedeutet weiterhin, dass eine nachteilige Position, in die man sich durch Naivität
und Unkenntnis manövriert, vermieden werden kann. Ein ausgeprägtes Kulturver-
ständnis ermöglicht z.B. einen leichteren Umgang mit dem indischen „No prob-
lem“-Syndrom, dem deutsche Unternehmen bei der Beantwortung wichtiger Fra-
248 vgl. Weis, 1998, S.209
96 249 vgl. Eisele, 1995, S.136
gestellungen häufig zuviel Gewicht beimessen, dass tatsächlich jedoch keinerlei
Aussagekraft besitzt. Jene Unternehmen, die nicht die Auseinandersetzung mit
der indischen Geschäftskultur suchen, reagieren mit großer Irritation auf von deut-
scher Seite häufig kritisierten Charaktereigenschaften der indischen Partner, wie
z.B. die ausgeprägte indische Händlermentalität und Unzuverlässigkeit in punkto
Einhaltung von Terminen oder der Erfüllung von Vereinbarungen.
4.7.3 Unsystematische Partnerwahl
Ganz entscheidende Bedeutung für den Erfolg eines Joint-Ventures kommt der
Wahl des Partners zu. Allzu häufig wird auf eine aktive und systematische Part-
nersuche verzichtet und das Unternehmen, zu dem als erstes Kontakt bestand, als
Partner für das Joint-Venture ausgewählt. Bestenfalls bringt sich das Unterneh-
men um die Möglichkeit herauszufinden, ob der gewählte Partner der bestmögli-
che ist, schlimmstenfalls setzt es sich dem Risiko aus, in seinen Bemühungen den
indischen Markt zu erschließen, zu scheitern. Vorwiegend mittelständische Unter-
nehmer stehen in der Kritik, unternehmerische Entscheidungen weniger auf Grund
strategischer Überlegungen zu fällen, sich sondern vielmehr lediglich auf ihr
Bauchgefühl zu verlassen. Einer strategischen Partnerwahl sollte in jedem Fall ein
Soll-Partnerprofil zu Grunde liegen, in dem die wichtigsten Anforderungskriterien
fixiert wurden.
Im Rahmen der Evaluierung sollte ebenso erwogen werden, ob nicht sogar aus
bislang bestehenden Geschäftsbeziehungen eine intensivere Zusammenarbeit in
Form eines Gemeinschaftsunternehmens entwickelt werden kann. Demnach ist
das Risiko des Scheiterns als gering zu bewerten, wenn bereits im Vorfeld eine
Partnerschaft wachsen und ein Vertrauensverhältnis geschaffen werden konnte.
Ist dies nicht der Fall, sollte die Evaluierung mehrerer potentieller Kandidaten un-
bedingt auf der Grundlage der im Soll-Profil festgelegten Kriterien erfolgen. Neben
der Kompatibilität der „harten Faktoren“, z.B. Größe und Ressourcenbasis, die
bereits von Bleicher/Hermann als förderlich für den Erfolg konstatiert wird250, ist lt.
Eisele eine Ähnlichkeit der „weichen Organisationsmerkmale“, die sich auf Kultur,
250 vgl. Bleicher/Hermann, 1991, S.22
97
Führungsstile und -instrumente sowie die Strategie einer Unternehmung beziehen,
ein ebenso nicht zu unterschätzender Erfolgsfaktor.251 Die Kongruenz der Unter-
nehmensstrategien und Organisationskulturen der Partner ermöglichen demzufol-
ge eine einfachere Führung des Gemeinschaftsunternehmens. Auf Grund der be-
reits im Kapitel 4.6.3.2 ausgeführten Press Note 18 (1998 Serie), „No Objection
Clearance“ sowie der Press Note 1 (2005 Serie) ist eine umfangreiche Evaluation
und sorgfältige Selektion des Partners für ein deutsch-indisches Joint-Venture von
enormer Bedeutung.
4.7.4 Divergierende Zielvorstellungen
Ein weiterer Hauptgrund für das Misslingen von Joint-Ventures ist das Versäumnis
der Partner, die Erwartungen und Zielsetzungen an das gemeinsame Unterneh-
men abzustimmen. Zielvorstellungen sollten bereits in einem frühen Stadium der
Verhandlungsphase geäußert und mit denen des indischen Partners in Einklang
gebracht werden. Unterbleibt diese Analyse oder wird nicht rechtzeitig vorgenom-
men, so stellt Eisele fest, ist die Entwicklung von ernsthaften Konflikten nur eine
Frage der Zeit.252 „Zielkonflikte treten insbesondere bei Fragen der Unterneh-
mensführung, bei Investitionsentscheidungen oder bei der Entscheidung über eine
lang- oder kurzfristige Ertragsorientierung auf“253. Die Übereinstimmung von stra-
tegischen Interessen und Zielsetzungen sollte, um Missverständnisse und Schwie-
rigkeiten von vornherein aus dem Weg zu räumen, schriftlich und detailliert im
„Joint-Venture-Agreement“ niedergelegt sein. Deren Einhaltung und Weiterent-
wicklung sollte Gegenstand regelmäßiger Überprüfungen sein. Ist eine Einigung
über die Zielsetzungen nicht möglich oder absehbar, dass diese in der Zukunft
divergieren, sollten, Eisele zufolge, die Unternehmen auf die Gründung eines
Joint-Ventures verzichten.252
251 vgl. Eisele, 1995, S.115 252 vgl. Eisele, 1996, S.99
98 253 vgl. Geissbauer/Siemsen, 1995, S.79
4.7.5 Streit über Kompetenzverteilung und Unternehmensführung
Das Gerangel um Kompetenzbereiche oder die Unternehmensführung resultiert
häufig aus dem Versäumnis, während der Verhandlungsphase klare Vereinbarun-
gen über die Aufgabenverteilung zwischen den Partnern zu treffen. Dies ist jedoch
wichtige Voraussetzung für die Koordination der Aktivitäten und die Steuerung des
Joint-Ventures. Kommt es auf Grund mangelnder Kompetenzverteilung zu Fehl-
entscheidungen, sind kostspielige Korrekturmaßnahmen notwendig, um das Joint-
Venture wieder „auf Kurs“ zu bringen. Deshalb ist eine sorgfältige und ausführliche
Gestaltung des Vertrages, in dem Kompetenzen eindeutig dem jeweiligen Partner
zugewiesen werden, von besonderer Bedeutung. Demnach könnte dem indischen
Partner die Verantwortung über die Produktion übertragen werden, während dem
deutschen Partnerunternehmen die Qualitätssicherung als Kompetenzbereich
vorbehalten ist.254
Um eine für beide Seite zufriedenstellende Lösungen herbeizuführen, sollte die
Verhandlungsphase gewissenhaft geplant und mit ausreichend Zeitpuffer verse-
hen werden. Wichtiger als detaillierte Vertragsvereinbarungen ist jedoch in diesem
Zusammenhang die Erreichung eines tatsächlichen Konsenses zwischen den
Partnern. Dies gilt ebenso für die Festlegung der Unternehmensführung. Während
deutsche Unternehmen dem indischen Partner häufig nicht die alleinige Unter-
nehmensführung zutrauen oder die Durchsetzung der eigenen Interessen nicht
gewährleistet sehen, befürchten indische Unternehmen die Entsendung von deut-
schen Expatriates, die im deutschen Partnerunternehmen nicht zu den erfolg-
reichsten zählen oder über keine Indienerfahrung verfügen. Wie bereits in Kapitel
4.6.3.2 erwähnt, ist die Bestellung eines externen indischen Managers zum Ge-
schäftsführer eine sinnvolle Alternative, bei der beide Seiten eine loyale Interes-
senvertretung erwarten können.
254 vgl. Geissbauer/Siemsen, 1995, S.54
99
4.7.6 Mangelnde Kooperationsbereitschaft
Die unzureichende Kooperationsbereitschaft ist einer der häufigsten Vorwürfe, mit
denen indische Unternehmen die deutschen Partner konfrontieren. Dabei werden
insbesondere mangelndes Engagement, fehlender Support und unzureichende
Kommunikation kritisiert. Ein Grund liegt sicherlich in der unterschiedlichen strate-
gischen Bedeutung, die dem Joint-Venture von den Partnerunternehmen beige-
messen wird. Für die Mehrheit der deutschen Partner stellt das gemeinsame Un-
ternehmen eine von mehreren Komponenten in der internationalen Strategie dar,
von dem erwartet wird, dass es sich unternehmerischen Entscheidungen unter-
ordnet. Demgegenüber sehen die indischen Partner in dem Gemeinschaftsunter-
nehmen die Möglichkeit, die eigene Wettbewerbsposition nachhaltig zu verbes-
sern und so die eigene Existenzgrundlage auf dem nationalen Markt zu sichern.
Aus diesem Grund sollte Verständnis für die Situation des Partners gezeigt und
Bemühungen unternommen werden, um eine faire Lösung zu finden, die den Be-
dürfnissen beider Seiten gerecht wird.255 Des Weiteren ist es die Aufgabe des
deutschen Partners, das Joint-Venture von Gründung bis zur Auflösung ständig zu
begleiten und die notwendige Unterstützung zu gewährleisten. Dabei spielen die
physische Präsenz, z.B. durch die regelmäßige Teilnahme an den Board Meetings
und die kontinuierliche Kommunikation zwischen den Partnern eine wesentliche
Rolle, um letztendlich die Entwicklung des Joint-Ventures mitzubestimmen.
Ein weiterer Grund für die mangelnde Kooperation von Seiten der deutschen Part-
ner ist die Furcht vor einem übermäßigen Technologie-Transfer, der dem deut-
schen Partner seinen vorhandenen Wettbewerbsvorsprung entzieht und dem indi-
schen Partner die Chance gibt, sich längerfristig in lokale oder gar internationale
ernstzunehmende Konkurrenz zu entwickeln. In jedem Fall sollten bei Gründung
eines Joint-Ventures Maßnahmen zur Technologiesicherung getroffen werden, die
ein über den vertraglich vereinbarten hinausgehenden Knowledge-Transfer unter-
binden. Neben vertraglichen Vereinbarungen im „Technical Collaboration Agree-
ment“ sollten zu diesem Zweck ebenfalls organisatorische Maßnahmen ergriffen
werden. Demnach macht die Unterbringung des Joint-Ventures auf dem Firmen-
100 255 vgl. Geissbauer/Siemsen, 1995, S.81
gelände eine vollständige Geheimhaltung unmöglich. Erschwert wird die Geheim-
haltung ebenso, wenn Mitarbeiter des indischen Partnerunternehmens im gemein-
samen Unternehmen beschäftigt werden, selbst wenn der Zutritt nur auf Grund
einer Zugangsberechtigung erlaubt ist.256
Die Ernennung von „Gatekeepern“ im deutschen Unternehmen, die als einzige zur
Weitergabe von Informationen berechtigt sind und derart den Informationsfluss
steuern und überwachen, ist äußerst sinnvoll. Bei all diesen Maßnahmen sollte
jedoch nicht übersehen werden, dass es längerfristig nicht möglich ist, das eigene
Unternehmen gegen eine Abwanderung von Technologie vollständig abzuschot-
ten. Mit Eingang einer Kooperation gewährt man dem ausländischen Partner das
Recht und die Pflicht zu lernen und vom eigenen Wissen zu profitieren. Genau als
solches wird das Joint-Venture vom indischen Partner verstanden; als Instrument
in einer lernenden Organisation. Mit dieser Einstellung ist das indische Pendant
vielen deutschen Partnern einen Schritt voraus.
4.7.7 Misstrauen
Die oben genannten Maßnahmen können zum einen recht aufwendig sein, zum
anderen könnten sie vom indischen Partner als mangelnder Vertrauensbeweis
gewertet werden. Die Situation, in der der indische Partner seinem deutschen Ge-
genüber das Vertrauen entzieht, kommt einem Scheitern der Kooperation gleich.
Dennoch ist gegenseitiges Verständnis und Vertrauen als Basis jeglicher Koopera-
tion nicht als indienspezifisch zu bezeichnen. Eisele zufolge ist das Vertrauen ein
ganz wesentlicher Faktor für den Erfolg eines jeden Joint-Ventures. Er geht sogar
noch einen Schritt weiter und bezeichnet das Vertrauen als eine „conditio sine qua
non“ und somit als Grundlage jeder Kooperation.257
Die Bedeutung des Vertrauens resultiert aus der begrenzten Rationalität beider
Kooperationspartner, die es unmöglich macht, auf zukünftige Geschehnisse adä-
quat zu reagieren und auf die Kompensierung fehlender Informationen zu verzich-
256 vgl. Filiol, 1994, S.176ff 257 vgl. Eisele, 1995, S.150
101
ten.258 Demnach ersetzt das Vertrauen zwischen den Partnern diese fehlenden
Informationen, ermöglicht so einen erweiterten Handlungsspielraum und bedeutet
letztlich den Verzicht der Beteiligten auf opportunistische Handlungsweisen.259
Wichtige Voraussetzung für das Schaffen einer vertrauensvollen Beziehung ist die
Bereitschaft beider Partner in dieses zu investieren und langfristig zu pflegen.
Kennzeichen einer von Misstrauen geprägten Partnerschaft, sind die Besetzung
von wichtigen Positionen mit eigenem Personal, der Verweis auf die vertraglichen
Vereinbarungen in Konfliktfällen sowie die „sparsame“ Ausstattung des Joint-
Ventures mit Finanz- und Humanressourcen. Eisele stellt zusammenfassend fest,
dass von einer Gründung eines Joint-Ventures eindringlich abgesehen werde soll-
te, falls die Partner nicht in der Lage sein sollten, ein von Vertrauen geprägtes
Verhältnis aufzubauen.258
4.8 Zweckmäßigkeit des Joint-Ventures im Vergleich mit anderen Formen der Markterschließung am Beispiel 100%ige Tochtergesell- schaft
Den Vorzügen, die das Joint-Venture als besonders enge Form der Kooperation
bietet, stehen hohe Risiken und Kosten gegenüber, die u.U. den Verlust der ge-
samten Investitionssumme bedeuten können. Die für die hohe Misserfolgsquote
verantwortlichen Gründe wurden bereits im vorigen Punkt, Kapitel 4.7, dargelegt.
In Kapitel 4.2 wurde der Trend zur Erschließung des indischen Marktes in Form
einer 100%igen Tochtergesellschaft, „wholly owned subsidiary“, ausgeführt. Nach
Meinung von Dr. Mahavadi von der Mahavadi Management & Technology Servi-
ces GmbH wird sich diese Tendenz in den kommenden Jahren fortsetzen und so-
gar noch verstärken.260 Ursächlich für diese Verschiebung ist die zunehmende
Öffnung des Marktes durch den Abbau gesetzlicher Restriktionen für ausländische
Investitionen. Seit Januar 1997 ist die Genehmigung von Tochtergesellschaften
gesetzlich geregelt.
Vorher unterlagen sämtliche Anträge auf Gründung einer 100%igen Tochterunter-
nehmung einer Einzelgenehmigung und wurden daher von Fall zu Fall beurteilt 258 vgl. Eisele, 1996, S.101 259 vgl. Eisele, 1995, S.152f
102 260 Aussage auf dem Treffen des German-Indian Roundtable (GIRT), 12. September 2005
und entschieden. Inzwischen kann ein ausländisches Unternehmen in einigen In-
dustriebereichen sogar unter der „Automatic Approval“ der RBI eine Tochterge-
sellschaft gründen und damit auf die Einbeziehung eines indischen Partners ver-
zichten. Die Vorteile des geschäftlichen „Alleinganges“ liegen eindeutig in der
Unabhängigkeit und der damit verbundenen Eigenverantwortung. Es besteht we-
der Abstimmungsbedarf mit einem Partnerunternehmen noch ist eine Einmischung
in die Geschäftspolitik zu befürchten. Deutsche Unternehmen argumentieren den
Verzicht auf einen indischen Partner mit der Begründung, eigenständig eine höhe-
re Effektivität und Produktivität erreichen zu können. Zudem kann die Gefahr eines
unerwünschten Technologietransfers reduziert werden.261
Die Gründung einer Tochtergesellschaft ist vor allem für solche Unternehmen ge-
eignet, die bereits über gründliche Marktkenntnisse und ausreichende Ressourcen
verfügen, um sämtlichen Erfordernissen eines alleinigen Markteintritts zu entspre-
chen. Insbesondere multinationale Unternehmen (MNC), die eine globale Strate-
gie verfolgen, bevorzugen die uneingeschränkte Kontrolle über eine ausländische
Tochtergesellschaft, um die Einhaltung globaler Qualitätsstandards zu gewährleis-
ten.184
In Indien ist die Gründung einer 100%igen Tochtergesellschaft nach wie vor mit
einem nicht unerheblichen Verwaltungsaufwand verbunden und ist nicht in allen
Industriebereichen zugelassen. Darüber hinaus ist die Errichtung einer eigenstän-
digen Präsenz, insbesondere der Aufbau von Vertriebsstrukturen, in Indien über-
aus zeit- und kostenaufwendig und bedeutet ein hohes unternehmerisches Risiko.
Demzufolge repräsentiert der Markteintritt über eine Kooperation bzw. Joint-
Venture für mittelständische Unternehmen oftmals die einzige Alternative, über-
haupt in Indien tätig zu werden, da die Zusammenarbeit mit einem lokalen Part-
nerunternehmen einen erleichterten und beschleunigten Marktzugang ermöglicht.
Ein deutsch-indisches Joint-Venture bedeutet insbesondere für ein mittelständi-
sches Unternehmen die Möglichkeit, in einem ausländischen Geschäftsumfeld
Erfahrungen zu sammeln, die bei einer späteren Expansion auf weitere Zielmärkte
eingebracht werden können. Zudem gibt die notwendige Adaptation der Produkte
261 vgl. Geissbauer/Siemsen, 1995, S.30
103
an indische Bedürfnisse wichtige Impulse für deren Weiter- bzw. Neuentwick-
lung.262
Ein Joint-Venture bietet außerdem die Chance, positive Elemente indischer und
deutscher Managementstile miteinander zu kombinieren, um so eine effektive Un-
ternehmensstruktur und Unternehmenskultur zu schaffen.263 Die Entscheidung,
die Markterschließung in Form eines Joint-Ventures und damit in Zusam-
menarbeit mit einem indischen Partner oder unabhängig über eine 100%ige Toch-
tergesellschaft vorzunehmen, lässt sich nicht generalisieren und muss vor dem
Engagement von jedem Unternehmen individuell getroffen werden. Der Ge-
schäftsführer der DIHK, Hr. Dirk Matter, rät im Fall einer Joint-Venture Gründung
sowohl von einer Minoritäts- als auch von einer Paritätsbeteiligung ab, da in die-
sen Konfigurationen die Steuerung und Kontrolle des Joint-Ventures nicht gewähr-
leistet werden könne. Selbst wenn eine Paritätsbeteiligung mit jeweils 50% zu-
nächst eine „win-win-situation“ für beide Partner bedeutet, können
Unstimmigkeiten und Machtgerangel, wie bereits in Kapitel 2.6.2 beschrieben, zur
völligen Manövrierunfähigkeit des Joint-Ventures führen.
Joint-Ventures sind vor allem dann empfehlenswert, wenn die potentiellen Part-
nerunternehmen Interesse an einer längerfristigen Zusammenarbeit hegen.264 In
jedem Fall muss bei Überlegungen hinsichtlich der Form des Engagements in In-
dien, das bei einer Auflösung eines Joint-Ventures benötigte „Non-Objection Certi-
ficate“ des ehemaligen indischen Partnerunternehmens, berücksichtigt werden.
262 vgl. Geissbauer/Siemsen, 1995, S.74 263 vgl. Geissbauer/Siemsen, 1995, S.55
104 264 vgl. DIHK, 2001, S.19
5. FALLBEISPIEL:
HAKO-WERKE INTERNATIONAL GMBH, BAD OLDESLOE
5.1 Unternehmensprofil
Die Erfindung der ersten Kleinmotorhacke durch Hans Koch kennzeichnet die An-
fänge des Unternehmens HAKO im Jahr 1924. Das exakte Datum der Gründung
ist nicht mehr nachvollziehbar, gleichwohl erfolgte mit Beginn der Montage und
Serienfertigung von Motorhacken in Pinneberg im Jahr 1948 die formelle Aufnah-
me der Geschäftstätigkeit. Der Umzug des Unternehmens 1954 von Pinneberg
nach Bad Oldesloe, dem heutigen Hauptsitz HAKOs, markiert einen weiteren Mei-
lenstein in der Entwicklung. Sieben Jahre später startete das Unternehmen die
Kehrsaugmaschinenfertigung. Neben der Herstellung und dem Vertrieb von Ma-
schinen für die Gebäude- und Bodenreinigung sowie der Außenreinigung, die die
Kernkompetenzen der HAKO darstellen, umfasst das aktuelle Produkt-Portfolio die
Bereiche Transportlogistik und Grundstückpflege. Die Mission sieht das Unter-
nehmen in der Unterstützung der Kunden bei der „kontinuierlichen Verbesserung
von Qualität, Wirtschaftlichkeit und Umweltverträglichkeit der professionellen Bo-
denreinigung und Grundstückpflege.“265 Das breite Produktprogramm, das zu-
nehmend eine Ausrichtung auf Großkunden, z.B. Handelsketten und Großindust-
rie erfährt, wird durch individuelle Beratung und einem Paket an Kundenbindungs-
maßnahmen wie Finanzdienstleistungen, Gebrauchtmaschinen und Leihgeräten
sowie einem mobilen Kundendienst komplettiert. Neben hohen Qualitätsstandards
bilden Forschung und Entwicklung weitere Eckpfeiler in der HAKO-Unternehmens-
philosophie: demnach gilt die Prämisse, 30% Umsatz mit Produkten zu generie-
ren, die nicht länger als drei Jahre auf dem Markt sind. Diese Strategie findet ins-
265 www.hako.com
105
besondere im Umsatz der Hako-Werke für das Geschäftsjahr 2004 ihren Nieder-
schlag, der um 9,2% auf 116,7 Mio. EUR stieg und damit das beste Ergebnis in
der Unternehmensgeschichte, mit derzeit rd. 830 Mitarbeitern, repräsentiert. Die
HAKO-Werke GmbH bildet den Nukleus der 1996 gegründeten internationalen
HAKO Holding GmbH & Co. KG. Zu dieser Holding zählen auf der einen Seite
mehrere Produktgesellschaften, in denen arbeitsteilig an verschiedenen Standor-
ten in Bad Oldesloe, Trappenkamp/Bad Segeberg, Glindow, Walthershausen, Ko-
zalin (Polen), Adison und Minneapolis (USA) sowie in Coimbatore (Indien) produ-
ziert wird. Auf der anderen Seite unterhält die HAKO Holding GmbH & Co. KG ein
weltweites Distributionsnetz in Form eigener Vertriebsgesellschaften, z.B. in
Skandinavien, Frankreich, Spanien, China und Australien sowie eine Vielzahl von
Händlern und Importeuren in über 60 Ländern.
Abb. 19: Strukturen der HAKO Holding GmbH & Co.KG
55,6
98,6
100%
100%
100%
100%
100%
100%
Produkt- gesellschaften
Hako-Werke, D
PowerBoss
Minuteman, USA
Vertrieb Hako-Werke, D
Labor Hako, F
Hako G&G Group, Skand.
Hako Machines, GB
Hako España, E
Hako Italy, I
Hako Netherland Group, NL
Hako Belgium, B
Hako Polska, Pol
Hako Australia, AUS
I & B Cleaning, China
Wega Nova, CH
Händler Importeure , Indien
Multicar, D
100%
26%
100%
100%
100%
90,1
100%
20%
100%
100%
100%
99,9
Hilco Chemie, NL
Hako Technology, Pol
Hako Holding GmbH & Co.KG
Hako-Werke International
Vertrieb
Parker
Multi-Clean
Quelle: Eigene Darstellung, auf Grundlage von HAKO, 2005, S.11
Bereits in den 60er Jahren begann die globale Ausrichtung der Geschäftsaktivitä-
ten des Unternehmens, dass derzeit ca. 60% des Umsatzes außerhalb Deutsch-
lands erzielt.
106
Abb. 20: Umsatz nach Regionen 2004, gesamt 321 Mio. EUR
19,8%
3,0%
37,3%
39,9%
Inland Europa USA Fernost
Quelle: Eigene Erstellung, auf Grundlage von HAKO, 2005, S.8
Von dieser Erfahrung und der hohen Affinität zur Erschließung von ausländischen
Märkten profitierend, begann HAKO mit eigenen finanziellen Mitteln im Jahr 1993
die Erschließung des indischen Marktes. Die Gesellschaft war eines der ersten
deutschen Unternehmen, die ein dauerhaftes Engagement in Indien nach den ein-
geleiteten Wirtschaftsreformen Anfang der 90er Jahre anstrebten. Die Ausgangs-
position für jenes Geschäftsjahr kann nicht ohne unverhältnismäßigen Aufwand
ermittelt werden. Dennoch ist festzustellen, dass HAKO zu diesem Zeitpunkt noch
die Strukturen eines mittelständischen Unternehmens besaß.
5.2 Motivation für ein Engagement in Indien
In den 90er Jahren erkannte die Geschäftsleitung von HAKO, dass sich in Asien
die neuen globalen Wachstumsmärkte entwickeln und dort neue Möglichkeiten
eröffnen würden. Um dieses Potential nicht ungenutzt zu lassen, wurde über ein
Engagement auf dem asiatischen Kontinent in Form einer Produktionsstätte nach-
gedacht. China und Indien, beides Länder, in denen zu diesem Zeitpunkt die
107
Gründung einer 100%igen Tochtergesellschaft nicht möglich war, wurden in Be-
tracht gezogen. Zum Zweck der Markterkundung wurden mehrere Sondierungs-
reisen in einem Zeitraum von neun Monaten nach China und Indien unternommen,
auf denen bereits Kontakt zu verschiedenen Unternehmen hergestellt wurde. In
Indien stellte man fest, dass der Markt für Reinigungsmaschinen mit einem ge-
schätzten Volumen von 1 Mio. EUR verhältnismäßig klein war und dass nur einige
Importeure dort agierten. Auf Grund der geringen Marktgröße wurde auf eine um-
fassende Marktstudie verzichtet und lediglich eine Übersicht zur Markt-, Konkur-
renz- und Kundensituation erstellt.
Im Vergleich zwischen indischen und chinesischen Rahmenbedingungen wurde
die Rechtssicherheit auf dem indischen Subkontinent als höher eingeschätzt. Dar-
über hinaus wurden das englischsprachige Managementpersonal, die Orientierung
an das englische Rechtssystem und die Verfügbarkeit hoch qualifizierter Ingenieu-
re in Indien positiv bewertet. Der ausschlaggebende Aspekt in der Wahl des ge-
eigneten Investitionsstandorts war jedoch die Einschätzung in Indien einen besse-
ren Partner gefunden zu haben. Während die chinesischen Unternehmen hohe
Anfangsinvestitionen als Voraussetzung für das Eingehen einer erfolgreichen Zu-
sammenarbeit erwarteten, stimmten die Vorstellungen der indischen Verhand-
lungspartner, zunächst ein kleines Unternehmen zu gründen und dann gemein-
sam langfristig zu wachsen, mit denen HAKOs überein. Darüber hinaus wäre die
Aufbringung derartig hoher Summen für das Unternehmen nicht möglich gewesen.
Zudem entsprach die Beschränkung auf die Rolle des Fabrikanten der chinesi-
schen Unternehmen während der ausländische Partner Know-how als auch finan-
zielle Ressourcen bereitstellen zu hat, nicht den Anforderungen von HAKO. Im
Gegensatz dazu überzeugte die Bereitschaft der indischen Unternehmen, eine
aktive Rolle in einer möglichen Kooperation zu übernehmen. Indien schien dem-
nach bei der Beurteilung aller Faktoren schlichtweg die bessere Lösung zu sein.
Die Tatsache, dass die Bemühungen um einen Eintritt auf den indischen Markt
kurz nach Initiierung des Reformprozesses begannen, ist eher zufällig.
108
5.3 Die Entscheidung für ein Joint-Venture und die Partnerwahl
Generell besteht keine Ausrichtung der HAKO-Unternehmenspolitik, die Erschlie-
ßung eines ausländischen Marktes in Form eines Joint-Ventures vorzunehmen.
Dennoch entsprach diese Option der Risikostrategie des Unternehmens, für das
Indien-Engagement einen starken und erfahrenen Partner einzubinden, der bereits
in der Region etabliert war und über Kenntnisse der lokalen Rahmenbedingungen
verfügte. Zudem erwartete HAKO vom zukünftigen Partnerunternehmen die Un-
terstützung im Umgang mit den schwierigen bürokratischen Verhältnissen, für den
viel Zeit und Geld hätte aufgewendet werden müssen. Darüber hinaus bestand zu
dieser Zeit keine weitere Alternative um auf dem indischen Markt direkt tätig zu
werden. Die Gesellschaft verfolgte anfänglich eine aktive Suchstrategie, die je-
doch nicht zum Erfolg führte. Bei der Evaluierung der potentiellen Partner, die an-
hand von Bilanzen, Geschäftsberichten (so fern vorhanden) und Firmenbesichti-
gungen in Indien erfolgte, entsprach kein indisches Unternehmen den Anforde-
rungen. Außer einer soliden Finanzsituation erwartete HAKO eine vernünftig struk-
turierte Tätigkeitsweise und Exporterfahrungen aus Handelsbeziehungen zu west-
lichen Firmen.
Die Beziehungen zum heutigen Joint-Venture Partner gehen auf die Kontaktauf-
nahme des indischen Unternehmens, dass 1991 auf der Frankfurter Messe „Au-
tomechanika“ auf HAKO aufmerksam wurde, zurück. ROOTS Industries Inc., ge-
gründet 1970, ist einer der führenden indischen Hupen-Hersteller mit Hauptsitz in
Coimbatore im Bundesstaat Tamil Nadu. ROOTS suchte zu dieser Zeit nach Opti-
onen seine Geschäftstätigkeit zu diversifizieren. Zudem glaubte das indische Un-
ternehmen an das hohe Potential von Reinigungsmaschinen auf dem Subkonti-
nent. Nach Überprüfung der betriebswirtschaftlichen Unterlagen wurde gemein-
schaftlich ein Business Plan für drei Jahre entwickelt, um Zweck und Ziel des
Joint-Ventures sowie die benötigten finanziellen Ressourcen abzubilden. Daraus
ergab sich für HAKO und ROOTS eine hohe Kongruenz der Zielvorstellungen oder
wie Herr Rüdiger Schröder, Geschäftsführer der HAKO-Werke International GmbH
es bezeichnet, eine „Überkreuz-Interessenslage“. ROOTS unterhielt zu diesem
Zeitpunkt bereits ein Joint-Venture mit Bosch und signalisierte damit HAKO, dass
109
es sich bereits mit den hohen Qualitätsanforderungen westlicher Unternehmen
hatte auseinandersetzen müssen. Auf eine umfangreiche Evaluation verzichtete
ROOTS, da das Unternehmen HAKO als überaus kompetenten Partner wahr-
nahm.
5.4 Vertragsgestaltung
Die bereits erwähnte hohe Zielkongruenz der Unternehmen ist ausschlaggebend
für die relativ kurze und konfliktfreie Verhandlungsphase, die mit Unterzeichnung
der Verträge nur zwölf Monate nach Kontaktaufnahme abgeschlossen werden
konnte. Die Ausgestaltung des Vertragswerkes, bestehend aus dem „Joint-
Venture Agreement“, „Technical Collaboration Agreement“ und einem „Exclusive
Sales Contract“, erfolgte in Kooperation mit der Deutsch-Indischen Handelskam-
mer. Auf Grundlage der zuvor genannten Verträge wurde 1993 die Joint-Venture
Gesellschaft unter dem Namen Roots Multiclean Ltd. in Coimbatore im Bundes-
staat Tamil Nadu als Public Limited Company mit einer Summe von 510.000 DM
als Stammkapital gegründet.
Abb. 21: Gründung Roots Multiclean Ltd.
Quelle: Eigene Darstellung
110
Hauptsächlich wurde Coimbatore als Standort für das Joint-Venture gewählt, da
das indische Partnerunternehmen dort seinen Hauptsitz hat. Zudem ist Tamil Na-
du durch die Ansiedlung zahlreicher Maschinenbauunternehmen ein äußerst att-
raktives Tätigkeitsumfeld. Des Weiteren verweist der Geschäftsführer der HAKO-
Werke International GmbH auf die weniger komplexen Religionsstrukturen als im
Norden, die sich auf die Mitarbeiterschaft auswirken und Konfliktpotential hätten
darstellen können. Während sich die neu errichtete Produktionsstätte nicht auf
dem Firmengelände des indischen Partners befindet, wurden die Bereiche Verwal-
tung und Marketing in dessen Geschäftsräumen untergebracht.
Am Gemeinschaftsunternehmen hält HAKO eine Beteiligung von 26% und
ROOTS Industries 34%. Die verbleibenden 40% befinden sich gestreut im Besitz
verschiedener Anteilseigner, unter ihnen viele Mitarbeiter. Die Minderheitsbeteili-
gung HAKOs war angestrebt worden, um die Notwendigkeit einer Konsolidierung,
die eine höhere Beteilung zur Folge gehabt hätte, zu vermeiden. Dennoch verfügt
HAKO über eine Sperrminorität, um bei bestimmten Themen, z.B. Änderung des
Produktprogramms ein Veto einlegen zu können. Dies bedeutet, dass es sich bei
Roots Multiclean Ltd. um ein Unternehmen mit indischer Identität handelt, nicht
nur im rechtlichen sondern vielmehr im Sinne der Unternehmensmentalität und der
Wirkung nach außen. Inzwischen gibt es aber erste Überlegungen, die Kapitalein-
lage zu einem noch nicht definierten Zeitpunkt zu erhöhen. Die vertraglich verein-
barten Aufgaben des Joint-Ventures bestehen zum einen in der Produktion eines
kleinen Teiles des weltweiten Angebotsspektrums an Reinigungsmaschinen und
zum anderen im Vertrieb einschließlich Service von importierten HAKO-Produkten.
Der Vertrieb der Produkte erfolgt über ein eigenes Netz aus neun Verkaufs- und
Service-Niederlassungen in den Ballungszentren sowie über Händler in dünner
besiedelten Regionen. Im Vertrag existiert keine Klausel, die die Höhe des Local
Sourcing regelt, allerdings wird versucht, auf Grund der immer noch sehr hohen
Importzöllen einen möglichst großen Anteil der Materialen in Indien zu beschaffen.
Neben den klassischen Entwicklungszentren Deutschland und USA, findet seit
ungefähr drei Jahren eine begrenzte Entwicklungsaktivität in Indien statt. Während
HAKO sich im Kooperationsabkommen verpflichtete, das Joint-Venture mit finan-
ziellen Ressourcen und Know-how auszustatten, war die Aufgabe des indischen
111
Partners die Einbringung von Management und personellen Ressourcen. Rege-
lungen über den Umfang des Knowledge-Transfers finden sich im „Technical Col-
laboration Agreement“. Um einem darüber hinaus gehenden unbeabsichtigten
Knowledge-Transfer vorzubeugen, werden Produkte in Indien produziert, die be-
reits seit längerem zum Portfolio von HAKO gehören. Ferner wird versucht, den
Informationsfluss zu steuern und zu überwachen.
Das Joint-Venture wird von einem indischen „Managing Director“, der ebenfalls
Mitglied des zehnköpfigen „Board of Directors“ ist, geführt. Während ROOTS e-
benfalls den „Chairman“ und somit den Vorsitzenden des „Boards“ stellt, vertritt
der Geschäftsführer der HAKO-Werke International GmbH als Mitglied des
„Board“ die Interessen des deutschen Partners. Es finden vierteljährlich „Board-
Meetings“ statt, an denen der Geschäftsführer der HAKO-Werke International
GmbH mindestens an zwei teilzunehmen versucht. Für den Fall seiner Abwesen-
heit und die dauerhafte Vertretung vor Ort wurde ein „Alternate Director“ bestellt.
Auf Grund der Kostenintensität wurden bisher keine deutschen Expatriates ent-
sandt und dies ist auch für die Zukunft nicht angedacht. Der Joint-Venture Vertrag
enthält zusätzlich eine Klausel, die die Beendigung der Kooperation thematisiert.
In diesem Zusammenhang wurde ein Ausstiegsszenario erarbeitet, in dem sich die
Joint-Venture Partner dazu verpflichten, sich gegenseitig die Anteile zum Kauf an-
zubieten. Der Geschäftsführer der HAKO-Werke International GmbH äußert sich
zufrieden über die Einhaltung der Verträge durch den indischen Partner und sieht
keine Notwendigkeit für eine nachträgliche Anpassung der Verträge.
5.5 Problembereiche und Konfliktpotential
In der Anfangsphase entsprachen sowohl die Produktivität als auch die Qualität
nicht den Erwartungen des deutschen Kooperationspartners. Auf Grund organisa-
torischer Rahmenbedingungen befanden sich beide Kenngrößen auf einem nied-
rigen Niveau, so dass über einen Zeitraum hinweg größere Anstrengungen benö-
tigt wurden, um befriedigende Ergebnisse in Bezug auf Produktivität und Qualität
zu erreichen. In dieser Phase wurden beispielsweise Mitarbeiter der Qualitätssi-
cherung der HAKO-Werke nach Indien entsandt, die die Produktion des ersten
112
Loses überwachten und dabei die erforderlichen Qualitätsstandards verdeutlich-
ten. Das bisher erreichte Kosten-/Produktivitätsverhältnis ist akzeptable, jedoch
noch verbesserungswürdig.
Nach wie vor ist es allerdings ein großes Problem geeignete und kompetente Her-
steller, die hochwertige Komponenten liefern, zu finden. Aus diesem Grund wurde
im Oktober 2004 eine „Export Oriented Unit (EOU)“ errichtet. Dabei handelt es
sich um eine Produktionsstätte, die ausschließlich für den Export produziert und
steuerliche Erleichterungen bzw. Anreize erhält. Ein weiterer Grund für die Errich-
tung ist die Möglichkeit, Komponenten vom Weltmarkt ohne Einfuhrzölle zu impor-
tieren. Dennoch kritisiert der Geschäftsführer der HAKO-Werke International
GmbH die schwerfällige und undurchschaubare Bürokratie, die u.a. die Realisie-
rung staatlich geförderter Projekte behindert. So ist z.B. nicht erlaubt, Produkte,
die nicht in der EOU, aber in unmittelbarer Nähe von demselben Unternehmen
produziert wurden, in die EOU zu verlagern oder in einem Container mit Produkten
der EOU zu transportieren. Weiterhin funktioniert der Transport des Materials so-
wie der gefertigten Produkte nicht reibungslos, da das ohnehin desolate Straßen-
netz nicht für große LKWs ausgelegt ist. Doch nicht nur die externen Rahmenbe-
dingungen stellen Herausforderungen für die Joint-Venture Partner dar. Demnach
ergab sich im Zeitraum von 1997 bis 2001, während der Abwesenheit des vorma-
ligen und heutigen Geschäftsführers der HAKO-Werke International GmbH, eine
Krisensituation, die das Joint-Venture insgesamt gefährdete.
In dieser Zeit nahmen die Verantwortlichen der HAKO-Werke nicht ihre Rolle als
unterstützender Kooperationspartner wahr. Das Joint-Venture Roots Multiclean
wurde vernachlässigt und die Kommunikation sowie Koordination zwischen den
Partnern verebbte. Auf Grund grober Qualitätsmängel stand man kurz vor dem
Entschluss, die Produktion zurück nach Deutschland zu verlagern. Damit stand
das Joint-Venture zweifellos unmittelbar vor der Auflösung. Diese konnte jedoch
mit der Rückkehr des heutigen Geschäftsführers durch ausführlichen Dialog mit
dem indischen Partner und, wie zuvor beschrieben, die Durchsetzung der Quali-
tätsansprüche abgewendet werden.
113
Zukünftige Konflikte könnten sich ergeben, falls Indien als Entwicklungsstandort
aus einer gruppeninternen Entscheidung heraus nicht genügend berücksichtigt
und Roots Multiclean die Weiterentwicklung zum Entwicklungszentrum verwährt
würde. Gegenwärtig wird mit jährlichen Zuwachsraten von 30% auf dem indischen
Markt gerechnet, die allerdings nur über die Weiter- und Neuentwicklung von Pro-
dukten, in die sich der indische Kooperationspartner stärker eingebunden sieht,
erreicht werden können.
5.6 Ergebnisse
Das Joint-Venture Multiclean Roots hat die Erwartungen beider Stammhäuser er-
füllt. Während HAKO der Eintritt in den indischen Markt gelang, konnte der indi-
sche Partner ein neues Geschäftsfeld aufbauen, hohe Zuwachsraten realisieren
und Qualität sowie Know-how4 erlangen. Die Produkte sind nach Anpassung des
Preises und Veränderung einiger Bauteile auf Grund der lokalen Gegebenheiten
durchaus wettbewerbsfähig und derzeit nahezu konkurrenzfrei. Es existieren im-
portierte Konkurrenzprodukte, die jedoch über Handelshäuser und Händler ver-
trieben werden und damit deutlich schlechter positioniert sind.
Für die derzeit 260 beschäftigten Mitarbeiter war das Geschäftsjahr 2004/05 mit
einem Umsatz von 6,4 Mio. EUR erneut ein sehr erfolgreiches Jahr. Bis auf die
Jahre 1993/94 und 1997/98 war Roots Multiclean immer profitabel und konnte den
Gewinn nach Steuern auch im Geschäftsjahr 2004/05 um 45% im Vergleich zum
Vorjahr steigern. Das heutige Verhältnis beschreibt der Geschäftsführer der HA-
KO-Werke International GmbH als eines, dass von hohem gegenseitigem Re-
spekt, Vertrauen und beidseitiger Kooperationsbereitschaft gekennzeichnet ist.
5.7 Erfolgsfaktoren
Voraussetzung einer jeden erfolgreichen Kooperation, so der Geschäftsführer der
HAKO-Werke International GmbH, ist die wirkliche Bereitschaft zu kooperieren.
Eine weitere Schlüsselkomponente für den Erfolg eines Joint-Ventures besteht in
114
der Wahl des Partners, der eine sorgfältige und genaue Prüfung vorangehen soll-
te. Der Geschäftsführer vergleicht ein Gemeinschaftsunternehmen mit einer Ehe,
für die ebenso ein Partner gefunden werden müsse, mit dem man sich vertrüge,
damit diese funktionieren und Bestand haben könne. Eine ebenso große Rolle
spielt in dieser strategischen Ehe das Vertrauen, dass nur durch große Anstren-
gungen beider Seiten geschaffen und aufrechterhalten werden kann. Zudem muss
besonderes Einfühlvermögen für die indischen Besonderheiten in Bezug auf Un-
ternehmenskultur und Tätigkeitsweisen, entwickelt werden. Seit ungefähr vier bis
fünf Jahren findet regelmäßig ein Fachkräfteaustausch aus den Bereichen Produk-
tion, Qualität und Entwicklung statt, die nicht nur auf die kontinuierliche Verbesse-
rung der Produkte abzielt, sondern auch dem Kulturenaustausch und dem Kennen
lernen der „anderen Seite“ dient.
Bevor das Joint-Venture gegründet wird, sollte unbedingt ein gründlicher Vergleich
der Zielvorstellungen erfolgen, z.B. wie bei Roots Multiclean durch die gemeinsa-
me Erarbeitung eines Business Plans. Ziele und Inhalte des Joint-Venture sollten
sehr genau im Vorfeld definiert und ausführlich im Kooperationsabkommen fest-
gehalten werden. Unabdingbar für den Erfolg einer deutsch-indischen Kooperation
ist die Präsenz vor Ort, z.B. durch die regelmäßige Teilnahme an den Board Mee-
tings, um die Richtung, in die das Joint-Venture vorangetrieben werden soll, mit-
zubestimmen. Es reicht nicht, die Umstände aus der Ferne zu beurteilen und zu
kritisieren. Die Anwesenheit vor Ort ist notwendig, um Probleme zu lösen und um
dem indischen Partnerunternehmen die Unterstützung, die es benötigt, anbieten
zu können. Joint-Venture gelten anspruchsvoller als Tochtergesellschaft, da sie
einen höheren Koordinationsaufwand bedeuten und damit mehr Zeit beanspru-
chen, die die Unternehmen auch bereit sein müssen zu investieren. Die fortwäh-
rende Kommunikation und der Informationsaustausch zwischen den Partnern gel-
ten als ganz wesentliche Erfolgsfaktoren für ein Joint-Venture.
Die Frage nach der Zweckmäßigkeit eines Joint-Ventures beantwortet Herr
Schröder, sei abhängig von einer Vielzahl von Faktoren, wie z.B. finanzielle Res-
sourcen und Managementkapazität. Ein Joint-Venture bedeutet zunächst zwar
den geringeren Investitionsaufwand, dafür ist das Risiko zu Scheitern allerdings
größer. Dennoch schätzt er die Erschließung des indischen Marktes in Form eines
115
Joint-Ventures als zweckmäßig für mittelständische Unternehmen ein und würde
erneut eine Kooperation mit einem indischen Partner eingehen.
Abb. 22: Roots Multiclean Ltd. in Coimbatore, Tamil Nadu
Quelle: Hako
116
6. FAZIT
Die Arbeit zeigt, dass die internationale Kooperation als Markteintrittsform für mit-
telständische Unternehmen eine attraktive Alternative ist. Kooperationen werden
von dieser Kategorie Unternehmen häufig zur Erschließung neuer Absatzmärkte,
Nutzung von Kostenvorteilen und Erzielung länderspezifischen Know-hows ge-
wählt.
Ziel einer jeden internationalen Kooperation ist die Erreichung des „Joint-Com-
petitive Advantage“, welcher die Wettbewerbsposition der Partnerunternehmen
nachhaltig stärken und verbessern soll. Das Joint-Venture als spezielle Ausprä-
gung der internationalen Kooperation zeigt sich dabei als besonders enge und
höchst anspruchsvolle Form der Zusammenarbeit, bedingt durch die hohe Bin-
dungsintensität auf Grund der Kapitalbeteiligung der Partnerunternehmen. Trotz
der hohen Misserfolgsquote des „gemeinsamen Wagnisses“ ist die Gründung von
Joint-Ventures äußerst populär, da gekonnt Stärken kombiniert und Ressourcen
geschont werden können.
Seit 1991, mit dem Beginn der Wirtschaftsreformen, öffnet Indien schrittweise den
nationalen Markt und ermöglicht auch deutschen Unternehmen den Zutritt. Mit
einem jährlichen Wirtschaftswachstum von 6,9% für 2004/05 sowie 2005/06 ist
Indien inzwischen zum zweiten Wachstumsmotor Asiens nach China aufgestie-
gen. Indiens Ministerpräsident Manmohan Singh traut dem Land sogar bis zu 10%
Wachstum in den nächsten zwei bis drei Jahren zu.266 Das Land bietet Investiti-
onsmöglichkeiten in vielen Branchen, z.B. die Automobil-, Biotechnologie und
Pharmaindustrie, chemische Industrie, Maschinen- und Ausrüstungsbau sowie die
Nahrungsmittelindustrie. Darüber hinaus gilt der Subkontinent als weltweit bedeu-
tendster Offshore Standort. Auch als Absatzmarkt, mit 150 bis 350 Mio. kaufkräfti-
gen Einwohnern, Tendenz steigend, gelangt Indien mehr und mehr in den Fokus
des globalen Interesses. Es ist bereits die Rede von einem neuen asiatischen Ti-
ger. Doch die aufstrebende Volkswirtschaft hat noch eine andere Seite. Demnach
mindern die defizitäre Infrastruktur, Korruption, Bürokratie, das weiterhin protektio-
nistische Klima, z.B. Höchstbeteiligungsgrenzen in einer Vielzahl von Sektoren
266 o.V. 2005d, S.13
117
und die zunehmenden regionalen Disparitäten die Attraktivität Indiens als bedeu-
tendes Investitionszentrum.
Die komplexen Rahmenbedingungen, fehlende Erfahrung und Informationen las-
sen mittelständische Unternehmen die Alternative Joint-Venture als Markter-
schließungsstrategie in Betracht ziehen. Des Weiteren wurden das Interesse am
Aufbau einer langfristigen Präsenz, die Nutzung von Partnerressourcen und des-
sen Kenntnisse, die Möglichkeit der Risikominderung als Hauptmotive für die Ein-
bindung eines indischen Partnerunternehmens identifiziert. Den Markteintritt, der
nicht hätte im Alleingang bewältigt werden können, zügig und kostengünstig vor-
nehmen zu können, ist primäres Ziel einer Joint-Venture Gründung eines deut-
schen, mittelständischen Unternehmens. Der Gründungsprozess, dem eine inten-
sive Informationsbeschaffungsphase vorausgeht, umfasst die Partnerwahl, den
Verhandlungsprozess, die Vertragsgestaltung und die abschließende Genehmi-
gung und Registrierung durch bzw. bei den indischen Behörden. Es wurde festge-
stellt, dass trotz enorm anspruchsvoller Rahmenbedingungen, die hohe Misser-
folgsquote vor allem „hausgemachte“ Ursachen hat. Als Bedingungen für den
Erfolg einer deutsch-indischen Joint-Venture Gründung wurden folgende Faktoren
erarbeitet:
1. Umfangreiche Vorbereitung
2. Auseinandersetzung mit der indischen Mentalität
3. Aktive und systematische Partnerwahl
4. Abstimmung der Zielvorstellungen beider Partner
5. Konsens plus Regelungen über Kompetenzverteilung und Unternehmensfüh-
rung
6. Aufrichtige Kooperationsbereitschaft
7. Vertrauen
118
Bei Berücksichtigung der zuvor genannten Erfolgsfaktoren ist das Joint-Venture
für ein mittelständisches Unternehmen durchaus eine geeignete Markterschlie-
ßungsstrategie, selbst wenn derzeit auf Grund der zunehmenden Liberalisierung
der Trend zur Gründung einer 100%igen Tochtergesellschaft existiert.
Die Frage nach einer optimalen Markterschließungsstrategie kann jedoch nicht
allgemeingültig beantwortet werden, da diese von jedem Unternehmen individuell
entwickelt werden muss. Dennoch hat die Arbeit das Ziel, Auskunft über Indien als
Investitionsstandort und strategische Hinweise, wie ein mittelständisches Unter-
nehmen erfolgreich den Markteintritt über ein Gemeinschaftsunternehmen realisie-
ren kann, zu geben. Es bleibt zu hoffen, dass auch Mittelständler im Joint-Venture
eine Alternative sehen, um am Riesenpotential Indiens zu partizipieren, denn wie
Dr. Lamprecht, Wirtschaftsreferent der Deutschen Botschaft in Neu-Delhi am 11.
Juli 2005 auf einem Stammtischtreffen des GIRT in Hamburg verkündete: “Noch
ist es nicht zu spät, sich in Indien zu engagieren!“
119
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Freiling, Jörg:
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Freiling, Jörg / Estevão, Maria-José:
Wirtschaftlichkeitsrechnung von E-Business-Investitionen im Mittelstand
– Problemstellungen und Lösungsmöglichkeiten
Bremen 2003
Nr. 3:
Siebert, Marco:
Die Stiftung als Gestaltungsinstrument der Unternehmensnachfolge aus
steuerlicher Sicht
Bremen 2004
Nr. 5:
Schulenburg, Nils:
Preparing Latido for Basel II – Vorbereitung eines kleinen Dienstleistungsunter-
nehmens auf die neuen Basler Eigenkapitalrichtlinien
Bremen 2004
Nr. 6:
Winkler, Stefan
Zyklusphänomene in der BWL und ihre Bedeutung für das Management
von Unternehmen
Bremen 2006
Nr. 7:
Lowski, Björn / Rodewald, Inga / Scholz, Thilo / Soffel, Janina:
Existenzgründung aus der Arbeitslosigkeit – Eine empirische Untersuchung der
Förderinstrumente Überbrückungsgeld und Existenzgründungszuschuss
Bremen 2006
Nr. 8
Schade, Michael
Imagetransfer durch Sportsponsoring
Bremen 2007
Nr. 9
Kühn, Andrea
Das Jointventure als spezielle Form der internationalen Kooperation – Markter-
schließungsstrategie für den deutschen Mittelstand in Indien?
Bremen 2008
Nr. 10 (in Vorbereitung)
Rohde, Eva
Eine kompetenzorientierte Betrachtung der Mitarbeiter-Kunden-Interaktion in Be-
zug auf Dienstleistungsunternehmungen unter Berücksichtigung des
Empowerments
Bremen 2008
Kontaktadresse für Bestellungen und Rückfragen jeglicher Art:
LEMEX-Lehrstuhl für Mittelstand, Existenzgründung und Entrepreneurship
Frau Heidrun Sobing
Universität Bremen
Fachbereich 7 - Wirtschaftswissenschaft
Postfach 33 04 40
D-28334 Bremen
Tel.: (0421) 218-9652
Fax.: (0421) 218-4336
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