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Analyse der thermischen Alterung von Elastomeren · Alterung Lebensdauer Dielektrik Permittivita¨t...

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PRU ¨ FEN UND MESSEN TESTING AND MEASURING Analyse der thermischen Alterung von Elastomeren Teil 1: Dielektrische Breitbandspektroskopie Alterung Lebensdauer Dielektrik Permittivita ¨t Havriliak-Negami- Funktion Oxidationsprozesse sind eine der Hauptursachen fu ¨ r die alterungsbe- dingte Scha ¨ digung der Elastomerket- ten, ein Vorgang der schließlich zum Versagen des Materials fu ¨ hrt. Der meßtechnische Nachweis der Oxidati- onsprozesse ist dagegen schwieriger. Diese Arbeit zeigt mittels dielektrischer Breitbandspektroskopie die Sta ¨ rke und Geschwindigkeit der Oxidationsvor- ga ¨ nge auf. Hierzu werden die gemes- senen Daten mittels der empirischen Havriliak-Negami (HN) Funktion analy- siert, wobei die Funktionsparameter als ein Maß fu ¨ r die Sta ¨ rke der Oxidation im Elastomer gewertet werden ko ¨ nnen. Als Grundlage der Untersuchung dient ein Styrolbutadienkautschuk mit ver- schieden Vernetzungssystemen (CV, SEV), die unterschiedlich anfa ¨ llig fu ¨r thermisch-oxidative Alterungsvorga ¨ nge sind. Zudem wird der Einfluß von Alte- rungsschutzmitteln in beiden Systemen untersucht. B. Huneke und M. Klu ¨ ppel, Hannover Korrespondenz: B. Huneke DIK e.V. Eupener Str. 33 30519 Hannover Tel. 05 11/8 42 01-0 Fax: 05 11/8 38 68 26 Analysis of Thermal Ageing of Elastomers Dielectric Broad- band Spectroscopy Pact I Ageing Lifetime Dielectric Permativity Havriliak-negami- function The oxidation process is one of the main reasons for the damage of elastomer chains conditioned by ageing, a process which leads to a break down of the material. In com- parison with that it is difficult to analyse the strength of the oxidation process. This paper shows that di- electric broadband spectroscopy can monitor the oxidation process. The measured data are analysed with the empirical Havriliak-Negami (HN) function. It is shown that the function parameter can considered to be a global scale for the strength and ve- locity of the oxidation of the elasto- mer. The analyse is based on a Solu- tion-SBR with various crosslink sys- tems (CV, SEV), which are variously susceptible for thermal-oxidative ageing processes. Furthermore, the impact of ageing protectors for both systems is analysed. Das Versta ¨ ndnis der Alterungsbesta ¨ ndig- keit eines Elastomers stellt eine elementare Voraussetzung fu ¨ r dessen technische An- wendung im Alltag dar. Gerade bei sicher- heitsrelevanten Anwendungen ist die Kenntnis der Lebensdauer eines elastome- ren Bauteils unerla ¨ ßlich. Eine bewa ¨ hrte Methode, um das Alterungsverhalten in einem praktikablen Zeitrahmen analysie- ren zu ko ¨ nnen, ist die thermische Alterung bei unterschiedlichen Temperaturen und anschließender Extrapolation der Ergeb- nisse auf die Betriebstemperatur beim praktischen Einsatz. Eine Schwa ¨ che dieser Methode sind die unterschiedlichen che- mischen Umwelteinflu ¨ sse, die zu einer starken Variation der Materialhaltbarkeit fu ¨ hren ko ¨ nnen. Eine ho ¨ here Betriebstem- peratur kann zu einer bedeutenden Ab- nahme der Lebensdauer eines Kautschuk- bauteils fu ¨ hren, was z. B. auch mit einem starken Ru ¨ ckgang der Bruchdehnung von thermisch-oxidativ bei 120 8C gealter- ten Proben verbunden ist [1]. Die Betriebs- bedingungen ko ¨ nnen in der Praxis zu sehr unterschiedlichen Gebrauchstemperatu- ren fu ¨ hren. So wurden fu ¨r Flugzeuge schon bei relativ niedrigen Fahrgeschwin- digkeiten (32 km/h) Reifentemperaturen von 70 8C gemessen [2], bei schwer bean- spruchten LKW-Reifen sogar Werte von 100 8C [3], also Temperaturbereiche in de- nen eine betra ¨ chtliche thermisch-oxidative Alterung vorliegt. Besonders bei sicher- heitsrelevanten Bauteilen muß deshalb in bestimmten Zeitintervallen u ¨ berpru ¨ ft wer- den, ob sich das Bauteil noch im erlaubten Qualita ¨ tsrahmen befindet. In dieser Arbeit wird gezeigt, daß die Oxi- dation der Elastomerketten, welche die Hauptursache der Scha ¨ digung und des an- schließenden Totalausfalls eines Bauteils ist, mittels dielektrischer Relaxationsspek- troskopie einer quantitativen Analyse zu- ga ¨ nglich ist. Zuna ¨ chst wird die Analyseme- thode vorgestellt, wobei die Auswertung der Meßdaten mittels HN-Funktion im Mit- telpunkt steht. Danach werden die Ȗnde- rungen der Materialeigenschaften bei der thermischen Alterung geschildert. Eine Be- schreibung der Alterungsabha ¨ ngigkeit der Glasu ¨ bergangstemperatur, die auch mit Hilfe von DSC-Messungen gezeigt werden kann [4], soll diese Betrachtungen abrun- den. Dielektrische Relaxations- spektroskopie Zur Untersuchung des Realteils (Speicher- anteil) und des Imagina ¨ rteils (Verlustanteil) der komplexen Permittivita ¨t e* ist der Fre- quenzverlauf des Glasu ¨ bergangs bei unter- schiedlichen Temperaturen in Abb. 1a und 1b dargestellt. Ziel dieser Untersuchung ist es, den Frequenzverlauf des Glasu ¨ ber- gangs mittels des Zeit-Temperatur-Super- positionsprinzips zu beschreiben. Die hier- fu ¨ r verwendeten Parameter ko ¨ nnen dann zur Charakterisierung eines Elastomers ge- nutzt werden. Die wichtigsten Informationen liefert hier- bei das Verlustmaximum der Permittivita ¨t e 00 (Abb. 1b), das mit der Verluststufe im Realteil der Permittivita ¨t e 0 (Abb. 1a) korre- liert. Dementsprechend werden die Tem- peraturbereiche so gewa ¨ hlt, daß eine voll- sta ¨ndige Beschreibung der Verlustmaxima im gemessenen Frequenzspektrum resul- tiert. Ein derartiges Maximum wird modell- haft durch die Debye-Funktion beschrie- ben [5, 6], e* D ðxÞ¼ e 1 þ De 1 þ i*x*s D ð1Þ wobei De die Dipolsta ¨ rke, auch Relaxati- onssta ¨ rke genannt, beschreibt. Falls e s der Grenzwert der realen Permittivita ¨t fu ¨r sehr kleine Frequenzen und e 1 der entsprechende Grenzwert fu ¨r hohe Frequenzen ist, so gilt De ¼ e s e 1 . Die Debye-Relaxationszeit s D liefert die Position des Verlustmaximums, wobei die zugeho ¨ rige Frequenz des Peaks x max ¼ 2 pm max ¼ 1 = s D betra ¨ gt. 376 KGK Kautschuk Gummi Kunststoffe 58. Jahrgang, Nr. 7-8/2005
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Page 1: Analyse der thermischen Alterung von Elastomeren · Alterung Lebensdauer Dielektrik Permittivita¨t Havriliak-Negami-Funktion Oxidationsprozesse sind eine der Hauptursachen fu¨r

PRUFEN UND MESSENTESTING AND MEASURING

Analyse der thermischen Alterungvon ElastomerenTeil 1: Dielektrische Breitbandspektroskopie

Alterung � Lebensdauer � Dielektrik �Permittivitat � Havriliak-Negami-Funktion

Oxidationsprozesse sind eine derHauptursachen fur die alterungsbe-dingte Schadigung der Elastomerket-ten, ein Vorgang der schließlich zumVersagen des Materials fuhrt. Dermeßtechnische Nachweis der Oxidati-onsprozesse ist dagegen schwieriger.Diese Arbeit zeigt mittels dielektrischerBreitbandspektroskopie die Starke undGeschwindigkeit der Oxidationsvor-gange auf. Hierzu werden die gemes-senen Daten mittels der empirischenHavriliak-Negami (HN) Funktion analy-siert, wobei die Funktionsparameter alsein Maß fur die Starke der Oxidation imElastomer gewertet werden konnen.Als Grundlage der Untersuchung dientein Styrolbutadienkautschuk mit ver-schieden Vernetzungssystemen (CV,SEV), die unterschiedlich anfallig furthermisch-oxidative Alterungsvorgangesind. Zudem wird der Einfluß von Alte-rungsschutzmitteln in beiden Systemenuntersucht.

B. Huneke und M. Kluppel, Hannover

Korrespondenz:

B. Huneke

DIK e.V.

Eupener Str. 33

30519 Hannover

Tel. 05 11/8 42 01-0

Fax: 05 11/8 38 68 26

Analysis of Thermal Ageing ofElastomers Dielectric Broad-band Spectroscopy Pact I

Ageing � Lifetime � Dielectric �Permativity � Havriliak-negami-function

The oxidation process is one of themain reasons for the damage ofelastomer chains conditioned byageing, a process which leads to abreak down of the material. In com-parison with that it is difficult toanalyse the strength of the oxidationprocess. This paper shows that di-electric broadband spectroscopy canmonitor the oxidation process. Themeasured data are analysed with theempirical Havriliak-Negami (HN)function. It is shown that the functionparameter can considered to be aglobal scale for the strength and ve-locity of the oxidation of the elasto-mer. The analyse is based on a Solu-tion-SBR with various crosslink sys-tems (CV, SEV), which are variouslysusceptible for thermal-oxidativeageing processes. Furthermore, theimpact of ageing protectors for bothsystems is analysed.

Das Verstandnis der Alterungsbestandig-keit eines Elastomers stellt eine elementareVoraussetzung fur dessen technische An-wendung im Alltag dar. Gerade bei sicher-heitsrelevanten Anwendungen ist dieKenntnis der Lebensdauer eines elastome-ren Bauteils unerlaßlich. Eine bewahrteMethode, um das Alterungsverhalten ineinem praktikablen Zeitrahmen analysie-ren zu konnen, ist die thermische Alterungbei unterschiedlichen Temperaturen undanschließender Extrapolation der Ergeb-nisse auf die Betriebstemperatur beimpraktischen Einsatz. Eine Schwache dieserMethode sind die unterschiedlichen che-mischen Umwelteinflusse, die zu einerstarken Variation der Materialhaltbarkeitfuhren konnen. Eine hohere Betriebstem-peratur kann zu einer bedeutenden Ab-nahme der Lebensdauer eines Kautschuk-bauteils fuhren, was z. B. auch mit einemstarken Ruckgang der Bruchdehnungvon thermisch-oxidativ bei 120 8C gealter-ten Proben verbunden ist [1]. Die Betriebs-bedingungen konnen in der Praxis zu sehrunterschiedlichen Gebrauchstemperatu-ren fuhren. So wurden fur Flugzeugeschon bei relativ niedrigen Fahrgeschwin-digkeiten (32 km/h) Reifentemperaturenvon 70 8C gemessen [2], bei schwer bean-spruchten LKW-Reifen sogar Werte von100 8C [3], also Temperaturbereiche in de-nen eine betrachtliche thermisch-oxidativeAlterung vorliegt. Besonders bei sicher-heitsrelevanten Bauteilen muß deshalb inbestimmten Zeitintervallen uberpruft wer-den, ob sich das Bauteil noch im erlaubtenQualitatsrahmen befindet.In dieser Arbeit wird gezeigt, daß die Oxi-dation der Elastomerketten, welche dieHauptursache der Schadigung und des an-schließenden Totalausfalls eines Bauteilsist, mittels dielektrischer Relaxationsspek-troskopie einer quantitativen Analyse zu-ganglich ist. Zunachst wird die Analyseme-thode vorgestellt, wobei die Auswertungder Meßdaten mittels HN-Funktion im Mit-telpunkt steht. Danach werden die Ønde-rungen der Materialeigenschaften bei derthermischen Alterung geschildert. Eine Be-schreibung der Alterungsabhangigkeit derGlasubergangstemperatur, die auch mit

Hilfe von DSC-Messungen gezeigt werdenkann [4], soll diese Betrachtungen abrun-den.

Dielektrische Relaxations-spektroskopie

Zur Untersuchung des Realteils (Speicher-anteil) und des Imaginarteils (Verlustanteil)der komplexen Permittivitat e* ist der Fre-quenzverlauf des Glasubergangs bei unter-schiedlichen Temperaturen in Abb. 1a und1b dargestellt. Ziel dieser Untersuchung istes, den Frequenzverlauf des Glasuber-gangs mittels des Zeit-Temperatur-Super-positionsprinzips zu beschreiben. Die hier-fur verwendeten Parameter konnen dannzur Charakterisierung eines Elastomers ge-nutzt werden.Die wichtigsten Informationen liefert hier-bei das Verlustmaximum der Permittivitate 00 (Abb. 1b), das mit der Verluststufe imRealteil der Permittivitat e 0 (Abb. 1a) korre-liert. Dementsprechend werden die Tem-peraturbereiche so gewahlt, daß eine voll-standige Beschreibung der Verlustmaximaim gemessenen Frequenzspektrum resul-tiert. Ein derartiges Maximum wird modell-haft durch die Debye-Funktion beschrie-ben [5, 6],

e*DðxÞ ¼ e1 þDe

1þ i*x*sD

ð1Þ

wobei De die Dipolstarke, auch Relaxati-onsstarke genannt, beschreibt. Falls es

der Grenzwert der realen Permittivitat fursehr kleine Frequenzen und e1 derentsprechende Grenzwert fur hoheFrequenzen ist, so gilt De ¼ es ÿ e1. DieDebye-Relaxationszeit sD liefert diePosition des Verlustmaximums, wobei diezugehorige Frequenz des Peaksxmax ¼ 2 p mmax ¼ 1 = sD betragt.

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Die Debye-Funktion geht hierbei von eineneinzigen Relaxationsprozeß mit der Relaxa-tionszeit sD aus. Dielektrische Messungen(vgl. Abb. 1a und b) weisen aber in derRealitat ein anderes Verhalten auf. Es hatsich gezeigt, daß das Verlustmaximum in

der Breite variieren und zudem auf derHochfrequenzflanke des Maximums eineandere Steigung aufweisen kann.Um diese Erkenntnisse umzusetzen wer-den zwei empirische Parameter einge-fuhrt, ein Breitenexponent a und ein

Asymmetrieexponent b. Der Breitenpara-meter a (0 � a � 1) beschreibt eine zuneh-mende Breite des Verlustmaximums mitabnehmendem a, wobei a ¼ 1 der De-bye-Funktion entspricht. Die Grafiken (a)und (c) in Abb. 2 zeigen die Auswirkung

Abb. 1. Realteil (a) und Verlustteil (b) der dielektrischen Permittivitat in Abhangigkeit der Temperatur und der Frequenz fur einen ungealterten L-SBR (CV-System)

Abb. 2. Auswirkung der Variation des Breitenparameters a und des Asymmetrieparameters b auf den Kurvenverlauf: (a) Realteil der Permittivitat:Variation von a, b konstant, (b) Realteil der Permittivitat: Variation von b, a konstant, (c) Verlustteil der Permitivitat: Variation von a, b konstant, (d)Verlustteil der Permittivitat: Variation von b, a konstant

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des Parameters a. Beim Realteil der Permit-tivitat fuhrt eine Abnahme von a zu einemAbflachen des Kurvenverlaufs, und beimVerlustteil zu einer Verbreiterung des Ver-lustmaximums. Die um diesen Parametererweiterte Debye-Funktion wird als Cole-Cole-Funktion bezeichnet [5, 7]:

e*CCðxÞ ¼ e1 þDe

1þ ði*x*sCCÞa ð2Þ

Der zweite Parameter, der Asymmetrieex-ponent b (0 � b � 1) beschreibt eine un-terschiedliche Steigung der Hoch- undNiedrigfrequenzflanke des Verlustmaxi-mums (Abb. 2b und d). Dies wird durchdie Cole-Davidson-Funktion erfaßt, dieeine um den Asymmetrieparameter erwei-terte Debye-Funktion darstellt [5, 8, 9]:

e*DDðxÞ ¼ e1 þDe

ð1þ i*x*sCDÞb

ð3Þ

Die Kombination beider Erweiterungen istdie Havriliak-Negami-Funktion, wobei bei-de Parameter eins gesetzt wieder die De-bye-Funktion ergeben [5, 10, 11]:

e*HNðxÞ ¼ e1 þDe

ð1þ ði*x*sHNÞaÞb

ð4Þ

Hierbei ist zu beachten, daß die Relaxati-onszeit sHN in der Havriliak-Negami-Funk-tion nicht einer einzigen Relaxation, wiedie Relaxationszeit sD der Debye-Funktion,entspricht. Die Havriliak-Negami-Relaxati-onszeit sHN liegt bei kleineren Werten alsdie Debye-Relaxationszeit sD. Im Gegen-satz zu sD, das die Relaxationszeit im Ver-lustmaximum liefert, bezeichnet sHN denMittelwert der Relaxationszeiten uber einRelaxationszeitspektrum. Zur Bestimmungdes Frequenzmaximums mmax mussen so-mit die Parameter a und b berucksichtigtwerden [5, 12–14]:

xmax ¼ 2pmmax ¼1

sHN

sinbp

2þ 2c

� �1=b

sinbcp

2þ 2c

� �ÿ1=b

ð5Þ

Experimentelles

Die Auswahl der untersuchten Materialienwurde so getroffen, daß Proben mit ver-schiedener Alterungsanfalligkeit vermes-sen werden konnten. Hierzu wurde ein Lo-sungsstyrolbutadienkautschuk (L-SBR) mit25 % Vinyl- und 25 % Styrolgehalt ver-wendet (VSL2525-0), der mit zwei Vernet-zungssystemen vulkanisiert wurde. Das er-ste System ist ein konventionelles Vernet-zungssystem (CV), das mehr Schwefel

(3,6 phr) als Beschleuniger (0,7 phr) bein-haltet. Beim zweiten System wurde weni-ger Schwefel (1,7 phr) als Beschleuniger(2,5 phr) verwendet, was als semieffizien-tes Vernetzungssystem (SEV) bezeichnetwird. Beim Beschleuniger handelt es sichum Cyclohexylbenzthiazolsulfenamid(CBS), außerdem beinhalten beide Mi-schungen Stearinsaure (1 phr) und Zink-oxid (3 phr). Bei beiden Systemen lagenzwei Varianten vor, eine Erste ohne Alte-rungsschutz und eine Zweite mit Alte-rungsschutzmittel (CV-IPPD, SEV-IPPD)(1,5 phr IPPD / N-Isopropyl-N 0-phenyl-p-phenylendiamin).Die thermische Alterung erfolgte an denfur die dielektrischen Messungen benotig-ten dunnen Elastomerscheiben (ca. 1 mmDicke und 20 mm Durchmesser) im War-meschrank bei 120 8C unter zirkulierenderUmluft bzw. Stickstoff. Dies und die Unter-bringung der Proben auf einem Metallgit-ter im Warmeschrank soll eine moglichstgleichmaßige Alterung von allen Seitengewahrleisten. Dies geschah zeitgleichan allen vier untersuchten Modellsystemen(CV, CV-IPPD, SEV, SEV-IPPD) in den Alte-rungsstufen eins, zwei, vier, sieben undvierzehn Tagen.Fur die dielektrischen Messungen kam eindielektrischer Analysator der Firma Novo-control zum Einsatz, der frequenz- undtemperaturabhangige Messungen im Be-reich 10ÿ1 Hz bis 106 Hz sowie ÿ 100 8Cbis 150 8C ermoglicht. Die Meßvorrichtungentspricht der eines Kondensators, wobeidie Probe als Dielektrikum zwischen zweiElektroden eingebaut ist. Als Meßergeb-nisse resultieren aus der zwischen den bei-den Elektroden angelegten Spannung derje nach Polungsrichtung fließende Stromund die Phasenverschiebung zwischen bei-den Großen. Die komplexe Impedanz Z*berechnet sich aus dem komplexen StromI* und der Spannung U*:

Z* ¼ U*

I*ð6Þ

Unter Berucksichtigung des Zusammen-hangs zwischen komplexer Impedanz Z*und der komplexen Kapazitat C*P der Probe

Z* ¼ ÿ i

xC*Pð7Þ

ergibt sich mit

e* ¼ C*PC0

ð8Þ

der Zusammenhang zwischen den Meß-großen und der fur die Analyse benotigtenkomplexen Permittivitat e* ¼ e 0 ÿ i e 00.

Die Gleichung fur die komplexe Permittivi-tat enthalt somit die angelegte SpannungU*, den gemessenen Strom I*, die jewei-lige Frequenz x und die Kapazitat C0 desKondensators ohne Dielektrikum:

e* ¼ ÿ il*

xC0U*ð9Þ

In die Kapazitat C0 fließt die bekannteelektrische Feldkonstante e0 und die Pro-bengeometrie ein,

C0 ¼ e0

p D2

ÿ �2

dð10Þ

wobei D den Durchmesser und d die Dickeder kreisformigen Probe beschreibt.Unter Verwendung des Phasenwinkels dkann nun der Realteil und der Imaginarteilder komplexen Permittivitat berechnetwerden:

e 0 ¼ e* cos de 00 ¼ e* sin d

ð11Þ

Ergebnisse und Diskussion

Permittivitat des Elastomers

In Abb. 3 ist beispielhaft der Einfluß der Al-terungszeit auf den Temperaturverlauf derPermittivitat (Polarisierbarkeit) bei kleinenFrequenzen (0,1 Hz) dargestellt. Abb. 3azeigt den Realteil e 0 der Permittivitat desCV-Systems ohne Alterungsschutzmittel.Der aus Abb. 3a bei ÿ 50 8C unterhalbder Glasubergangstemperatur ablesbareWert liegt fur alle sechs Alterungsstufeneinheitlich bei ca. 3,3 und erst bei hoherenTemperaturen divergieren die Kurven (furdas Vakuum ist e 0 ¼ 1, und kann auchfur Luft naherungsweise als eins betrachtetwerden).Der Kurvenverlauf fur die ungealterte Pro-be zeigt mit Erreichen der Glastemperatureinen sehr schnellen Anstieg um anschlies-send wieder abzufallen. In der dreidimen-sionalen Darstellung 1a wird fur die unge-alterte Probe die Permittivitat e 0 zusatzlichuber das verwendete Frequenzspektrumgezeigt. Hier wird mit steigender Frequenzeine Verschiebung der Stufe zu hoherenTemperaturen und ein Abflachen deutlich.Fur Temperaturen unterhalb der Glasstufetritt die Permittivitat e 0 als fast konstantesPlateau in Erscheinung. Dieses Verhaltenerklart sich durch die unterschiedlicheCharakteristik der auftretenden Polarisati-on. Im Plateau unterhalb der Glastempera-tur liegt hauptsachlich eine Verschiebungs-polarisation vor, hierbei werden die elektri-schen Ladungen in neutralen Atomen undMolekulen gegeneinander verschoben

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und so Dipolmomente induziert. Mit Errei-chen der Glasubergangstemperatur wer-den nun die Polymerketten aufgeschmol-zen, sodaß eine zweite Polarisation in Er-scheinung tritt, die als Orientierungspolari-sation bezeichnet wird. Die bisher einge-frorenen permanenten Dipolmomente imElastomer werden nun langs des elektri-schen Feldes ausgerichtet. Hierbei spieltdie Frequenz eine große Rolle, denn beiÛberschreitung einer kritischen Frequenzreicht die Relaxationszeit s nicht mehraus, um alle Dipole im elektrischen Feldauszurichten. Das sichtbare Absinken derPermittivitat (Abb. 1a) oberhalb der Glas-stufe mit steigender Frequenz ist die Folge[15, 16].Der Abfall des Realteils der Permittivitat beihoheren Temperaturen kann mit thermischinduzierter Dephasierung der Dipole er-klart werden. Die zunehmenden thermi-schen Dipol-Fluktuationen fuhren bei stei-gender Temperatur dazu, daß die Dipol-momente nicht vollstandig in Richtungdes elektrischen Feldes ausgerichtet wer-den, sondern zum Teil „zuruckklappen“,d. h. die Ausrichtung der molekularen Di-pole im elektrischen Wechselfeld wirddurch thermische Fluktuationen mit stei-gender Temperatur zunehmend unter-druckt. Dies außert sich in einer Abnahmevon De mit steigender Temperatur ober-halb der Glastemperatur (vergl. Abb. 1aund 3a). Ein Ruckgang bis auf den Wertder verbleibenden Verschiebungspolarisa-tion ist im Fall der ungealterten Probe er-kennbar. Eine temperaturabhangige Be-schreibung dieses Effekts ist durch die On-sagergleichung gegeben [17, 18]:

De ¼ 1

3e0

Fl2

kBT

N

Vð12Þ

Neben den Naturkonstanten e0 (Permittivi-tat des Vakuums) und kB (Boltzmannkon-stante) enthalt die Gleichung die Tempera-tur T, die Zahlendichte N / V der Dipole unddas molekulare Dipolmoment l. In denAbbildungen 5a bis e sind Anpassungsge-raden auf Basis von Gleichung (12) ge-zeigt. Der von Onsager vorausgesagteTemperaturverlauf wird fur alle Systemetendenziell wiedergegeben. Zudem be-rucksichtigt der Onsager-Faktor F die Wir-kung der Polarisation der Umgebung aufden permanenten Dipolmoment l einesMolekuls, wobei F wie folgt berechnetwird:

F ¼ esðe1 þ 2Þ2

3ð2es þ e1Þð13Þ

Der Dipolmoment l variiert im Material,sodaß l als Mittelwert von li aufzufassenist, wobei i die unterschiedlichen Dipolty-pen beschreibt. Die GesamtzahlendichteN / V der Dipole ist nicht bekannt undauch F konnte nicht exakt berechnet wer-den, da e1 vom zweiten Relaxationspro-zeß beeinflußt wird. Beide Prozesse kon-nen erst bei hohen Frequenzen(m > 1 MHz) eindeutig getrennt werden.Aus diesem Grunde muß F l2 N / V als Fit-parameter gewahlt werden.Parallel zu der Stufe im Realteil e 0 zeigt sichim Verlustteil e 00 der Permittivitat ein Maxi-mum (Abb. 1b). Dieses Verlustmaximumerreicht seinen hochsten Wert in der Tief-temperaturflanke der Polarisationsstufe,also im Bereich des maximalen Anstiegsvon e 0. Diese Korrelation wird durch eineverstarkte Energiedissipation hervorgeru-fen, die mit der Zunahme der Polarisationwahrend des Glasubergangs einhergeht(Fluktuations-Dissipationsgesetz). Bei der

in Abb. 1 gezeigten Messung wird eineVerschiebung der Glasubergangstempera-tur von uber 60 8C zwischen 0,1 Hz und1 MHz festgestellt. Auch von mechani-schen Messungen ist eine derartige Ab-hangigkeit der Glastemperatur von derFrequenz bekannt.

Auswirkung der thermischenAlterung

Die Abbildungen 3a und b zeigen die Aus-wirkung der thermischen Alterung auf denReal- und den Verlustteil der Permittivitatin Abhangigkeit der Probentemperaturbei einer Frequenz von 0,1 Hz. Beim Real-teil der Permittivitat e 0 steigt die Hohe derPolarisationsstufe bis zur viertagigen Alte-rung an, wobei die Permittivitat unterhalbdes Glasubergangs, die uberwiegend aufder Verschiebungspolarisation beruht, furalle sechs Alterungsstufen ungefahr aufdem gleichen Niveau liegt. Dies legtnahe, daß die gemessene Erhohung derPermittivitat e 0 von der Orientierungspola-risation hervorgerufen wird. Dazu mussenzusatzliche Dipolmomente im Elastomermit der thermischen Alterung entstandensein. Bei den beiden weiteren Alterungs-stufen (sieben- und vierzehntagig) ist einAbsinken der Stufenhohe zu beobachten,scheinbar nimmt die Dipoldichte wiederab. Da aber diese Stufen zu weit hoherenTemperaturen verschoben wurden, liegensie nun im Bereich starkerer thermischerFluktuationen, sodaß eine um die thermi-sche Fluktuation bereinigte Permittivitatfur die Bewertung herangezogen werdenmuß.Beim Verlustteil der Permittivitat (Abb. 3b)zeigt sich eine deutliche Verschiebung desMaximums zu hoheren Temperaturen. Au-

a) b)

Abb. 3. Realteil (a) und Verlustteil (b) der dielektrischen Permittivitat bei 0,1 Hz in Abhangigkeit der Temperatur fur das CV-System bei verschiedenenAlterungsstufen

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ßerdem ist eine mit der Alterung zuneh-mende Verbreiterung des Verlustmaxi-mums zu erkennen. Die Veranderungder Glasubergangstemperatur Tg (Tempe-raturwert fur das Verlustmaximum) istdeutlich ausgepragt. Fur die ungealterteProbe ergibt sich fur die Glastemperaturein Wert von ÿ 35 8C, die maximal geal-terte Probe besitzt eine Tg von 8 8C. DerEinfluß der thermischen Alterung auf dieLage des Glasubergangs ist somit starkausgepragt.Als weiteres Phanomen ist in Abb. 1b einmassiver Anstieg von e 00 fur hohe Tempe-raturen und kleine Frequenzen zu erken-nen. Dieser dissipative Prozeß wird vonfreien Ladungstragern (Ionen) im Materialverursacht. Diese sind bei hohen Tempera-turen zunehmend beweglicher und fuhrenim Bereich kleiner Frequenzen zu einer si-gnifikanten Ionenleitung. Der ionischeCharakter der Ladungstrager macht sichim simultanen Anstieg der e 0-Werte imGrenzbereich hoher Temperaturen undkleiner Frequenzen bemerkbar (sieheAbb. 1a). Dies ist darauf zuruckzufuhren,daß sich die Ionen bei genugend großenPeriodendauern einer Polungsrichtung anden Grenzflachen zu den metallischenElektroden anreichern, da Ionen nicht indas Metall eindringen konnen. Dieser Ef-fekt wird Elektronenpolarisation genannt.Analoge Effekte der Ionenleitung bzw.

Elektronenpolarisation sind auch inAbb. 3b bzw. 3a im Bereich hoher Tempe-raturen zu erkennen. Beide Effekte neh-men mit der Alterung zunachst zu, dannaber wieder ab. Dies laßt auf eine Zunah-me der Ionenkonzentration bzw. -Beweg-lichkeit bei der Alterung schließen, was beiden hohen Alterungsstufen jedoch wiederkompensiert wird.

Analyse mit der Havriliak-Negami-Funktion

Zur quantitativen Charakterisierung derobigen Alterungsphanomene, d. h. z. B.Bestimmung der Dipolstarke De und desBreitenparameters a fur die unterschied-lich lang gealterten Proben, wird die imTheorieteil beschriebene Havriliak-Nega-mi-Funktion verwendet. Hierzu wurdedie Temperatur in 58-Schritten vonÿ 100 8C bis 150 8C erhoht, der Frequenz-durchlauf ging von 0,1 Hz bis 1 MHz, wo-bei ca. sechs Frequenzen pro Dekade ver-wendet worden sind.In Abb. 4 werden fur einen konventionellvernetzten L-SBR jeweils der Realteil(oben) und der Verlustteil (unten) der kom-plexen Permittivitat in Abhangigkeit desFrequenzspektrums dargestellt. Die Sym-bole zeigen die experimentellen Meßer-gebnisse und die Linien die ermittelten An-passungskurven.

Die ermittelten Anpassungskurven addie-ren sich aus zwei Teilfunktionen unddem Therm fur den Leitungsverlust bei ho-hen Temperaturen und niedrigen Frequen-zen [19]. Das jeweilige Verlustmaximumeiner Kurve wird durch die Havriliak-Nega-mi-Funktion beschrieben (Gleichung 4).Um den Abfall von e 0 im Hochfrequenzbe-reich wiedergeben zu konnen, wird dieserBereich zusatzlich durch eine Cole-Cole-Funktion unterlegt (Gleichung 2). DieserHochfrequenz-Prozeß soll hier nicht weiteruntersucht werden, da er weitgehend au-ßerhalb des Meßbereichs liegt. Damit diegesuchten Parameter bestimmt werdenkonnen, muß das Verlustmaximum mog-lichst vollstandig im gemessenen Fre-quenzfenster liegen. Bei der in Abb. 4 ge-zeigten ungealterten Probe liegen nur 11Temperaturschnitte im Frequenzfenster.Ebenso verhalt es sich bei den gealtertenProben des L-SBR, wobei sich das auswert-bare Frequenzspektrums mit der thermi-schen Alterung zu hoheren Temperaturenverschiebt.Abb. 5 zeigt die mit Gleichung (4) gefun-dene Dipolstarke De fur funf verschiedeneAlterungsstufen der vier Modellsysteme inAbhangigkeit der inversen Probentempe-ratur. Wie oben beschrieben, verschiebtsich das auswertbare Frequenzspektrummit der thermischen Alterung zu hoherenTemperaturen, sodaß auch die zugehori-

Abb. 4. Experimentelle Daten(Symbole) und Anpassungslinien

mit Gl. (4) fur verschiedeneTemperaturen am Beispiel des

ungealterten CV-Systems, wobeidie obere Darstellung den Real-teil und die untere Darstellung

den Verlustteil der Permittivitatzeigt

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gen Parameter erst bei hoheren Tempera-turen zu finden sind. Gut erkennbar ist derRuckgang der Dipolstarke mit steigenderTemperatur aufgrund der zunehmendenthermischen Fluktuation der Dipole bei al-len Alterungsstufen. Fur die ungealtertekonventionell vernetzte L-SBR/CV-Probebetragt De im Mittel etwa 0,5. Schonnach eintagiger Alterung betragt De imMittel ca. 1 und bei viertagiger Alterungschon 1,5.Fur die oberhalb der Glastemperatur ge-messene Permittivitat dominiert die Orien-tierungspolarisation der Dipole im Elasto-mer. Die daraus bestimmte DipolstarkeDe kann dementsprechend nur durch einAnwachsen der Dipolanzahl im Materialerhoht werden. Als Ursache fur die Zunah-me der Dipole kann eine Oxidation der Ela-stomerketten mit der thermischen Alte-rung angenommen werden. Untersuchun-gen per Infrarotspektroskopie an gealter-ten Elastomeren zeigen ein Anwachsender unterschiedlichen Oxidationsprodukte

in den Proben [20]. Zudem kann eine Um-lagerung der Schwefelbrucken von SX

(X > 1) nach S2 zu einer Zunahme der Di-polstarke fuhren. Ab vier Tagen Alterungscheint die CV-Probe nicht weiter zu oxi-dieren, d. h. die DipolstarkeDe strebt einenGrenzwert zu. Ebenso wie bei der CV-IPPD-Probe, ist bei einer Dipolstarke vonca. 1,5 ein Maximum erreicht.Die SEV-Proben in Abb. 5 unterscheidensich nur im Vernetzungssystem von denobig beschriebenen CV-Proben. Die Dipol-starke liegt bei der ungealterten SEV-Probedeutlich unterhalb der Werte der ungeal-terten CV-Probe. Als Ursache hierfurkann der kleinere Schwefelanteil in denSEV-Proben angenommen werden, wasoffensichtlich eine geringere Anzahl anpermanenten Dipolen zur Folge hat. Wah-rend bei den CV-Proben die Dipolstarkeschon nach eintagiger thermischer Alte-rung deutlich angestiegen ist, bleibt siebeim SEV bis zur zweitagigen Alterungfast stabil. Dies deutet auf eine geringere

Oxidationsanfalligkeit der semieffizientenVernetzungssysteme hin. Erst nach siebenTagen Alterung erreicht die Dipolstarke beibeiden Vernetzungssystemen fast das glei-che Niveau.Die Grafiken (c) und (d) in Abb. 5 zeigendie ermittelten Dipolstarken fur die mit Al-terungsschutzmittel (IPPD) versehenen Mi-schungen. Die Ergebnisse (a) und (c) derkonventionell vernetzen Proben unter-scheiden sich nur geringfugig voneinan-der, d.h. das Alterungsschutzmittel hatnur eine geringe Wirkung. Bei den semief-fizienten Mischungen (b) und (d) verringertdas Alterungsschutzmittel dagegen ubereinen erheblichen Zeitraum die Oxidation.Bei der eintagigen Alterung sind nahezukeine weiteren Dipole an den Elastomer-ketten entstanden, und auch nach siebenTagen thermischer Alterung ist die Dipol-starke in den SEV-Proben erheblich gerin-ger als bei den SEV-IPPD-Proben ohne Al-terungsschutzmittel.

Abb. 5. Dipolstarke De in Abhangigkeit der inversen Temperatur fur die vier Modellsysteme jeweils mit funf Alterungsstufen {Symbole: mit Havriliak-Negami-Funktion ermittelten Werte, Linien: Anpassungskurven nach Gleichung (12)}: (a) L-SBR/CV, (b) L-SBR/SEV, (c) L-SBR/CV-IPPD, (d) L-SBR/SEV-IPPD{(a) bis (d): unter Luftatmosphare thermisch gealtert}; (e) L-SBR/CV {unter Stickstoff thermisch gealtert}

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Die Dipolstarke zeigt somit deutlich, daßdas mit weniger Schwefel vernetzte semi-effiziente Elastomer deutlich weniger an-fallig auf Oxidationsprozesse reagiert, alsdas schwefelreichere konventionell ver-netzte Elastomer. Auch erweist sich dasverwendete Alterungsschutzmittel nur inden SEV-Proben als gut wirksam.Die Anzahl der Sauerstoffmolekule kann inabsoluten Zahlen zwar mit dieser Methodederzeit nicht bestimmt werden, sie liefertaber die Moglichkeit durch einen Vergleichzwischen der ungealterten Probe und denthermisch gealterten Pendants eine relati-ve Abschatzung der Starke und Geschwin-digkeit der Elastomerketten-Oxidation.Um den Einfluß von Sauerstoff auf die Ent-wicklung der Dipolstarke De beurteilen zukonnen, wurden Proben aus dem CV-Sy-stem unter Stickstoffatmosphare ther-misch gealtert (Abb. 5e). Auch hier kannein Anstieg der Dipolstarke beobachtetwerden, wenn auch nicht so ausgepragtwie bei dem unter einer Luftatmospharegealterten CV-System. Die Annahme,daß der im Elastomer befindliche Sauer-stoff nach kurzer Zeit aufgebraucht istund wegen der Stickstoffatmospharekein externer Sauerstoff in das Materialeindringen kann, legt die Vermutungnahe, daß freie Schwefelmolekule zumAnstieg der Dipolstarke beitragen konnen.Der enthaltende Schwefel bildet bei derVulkanisation vor allem polysulfidischeBrucken. Die thermische Alterung bewirkteine zunehmende Verkurzung dieserSchwefelbrucken, wobei der großte Teildes frei werdenden Schwefels fur neuemeist monosulfidische Brucken aufge-braucht wird. Aus dem Anstieg der Dipol-starke kann somit gefolgert werden, daßSchwefelmolekule neue Verbindungenan den Kohlenstoffketten des Elastomersbilden, und somit weitere Dipole entste-hen.Abb. 6 zeigt den mit Gleichung (12) ermit-telten Wert des Fitparameters F l2 N / V(molekulare Dipolenergie) in Abhangigkeitder Alterungsdauer. Beim CV-System istein schneller Anstieg zu Beginn der Alte-rung erkennbar, bei langen Alterungszei-ten geht die Kurve in ein Sattigungsniveauuber. Fur das SEV-System kann ein erheb-lich langsamerer Anstieg beobachtet wer-den, ein mogliches Sattigungsniveau wirdauch nach siebentagiger Alterung nicht er-reicht. Das Alterungsschutzmittel IPPD istunerwartet ohne großen Einfluß auf die Er-gebnisse. Der Kurvenverlauf fur das unterStickstoff gealterte CV-System {N2} liegtebenfalls deutlich unterhalb des unter

Luftatmosphare gealterten CV-Systems.Gut erkennbar ist der fehlende starke An-stieg zu Beginn der Alterung. Dies erlaubtdie Folgerung, daß die Dipolbildung durchSauerstoffoxidation bei kurzeren Alte-rungszeiten dominiert, wahrend Umlage-rungen der Schwefelbrucken vor allemlangerfristig die Dipolenergie erhohen,falls bis dahin noch keine Sattigung einge-treten ist.In Tab. 1 wird ein weiterer Parameter ge-mittelt uber die Meßtemperaturen darge-stellt. Dies ist der Breitenparameter a,der die Verbreiterung des Verlustmaxi-mums der Permittivitat e 00 beschreibt, wo-bei eine zunehmende Verbreiterung durcheinen abnehmenden Parameter a ausge-druckt wird. Fur alle vier Modellsystemekann ein Ruckgang des gemittelten Brei-tenparameters a beobachtet werden. EinUnterschied kann im wesentlichen nurzwischen den konventionellen und semief-fizienten Vernetzungssystemen gefundenwerden. Bei beiden CV-Proben ist eine star-ke Verbreiterung des Verlustmaximumsder Permittivitat zwischen der ungealter-ten und der eintagig gealterten Probe zuerkennen. Bei den SEV-Proben ist dagegender Ruckgang des Breitenparameters a indiesem Bereich nicht so stark ausgepragt.

Ein Vergleich zwischen den Werten von CVund SEV zeigt, daß die Ergebnisse fur dieungealterten Proben mit ca. a ¼ 0,45 na-hezu identisch sind. Allerdings fallen dieWerte fur CV erheblich schneller ab und er-reichen nach siebentagiger Alterung mitca. a ¼ 0,20 einen kleineren Wert alsbeim SEV (a ¼ 0,25). Die Ergebnisse furdie ungealterten Proben zeigen, daß dieBreite des Verlustmaximums nicht nach-weislich von der hoheren Schwefelmengein den CV-Systemen beeinflußt wird.Der Breitenparameter a, der aus dem Ver-lustmaximum der Permittivitat e 00 be-stimmt wird, beschreibt die Breite desSpektrums an Relaxationszeiten s der Di-pole im Elastomer. Die RelaxationszeitsHN liefert hierbei den durchschnittlichenWert, der fur ein Material uber die gesamteBreite bestimmt wird. Fur ein ideales Mate-rial ware die Breite a genau eins, d. h. esgibt nur eine Relaxationszeit s im Elasto-mer. Im realen Material variiert die Relaxa-tionszeit, d. h. die Dipole benotigen eineunterschiedliche Zeit um sich im elektri-schen Feld auszurichten. Die Verbreiterungdes Relaxationszeitspektrums und der da-mit einhergehende Ruckgang des Breiten-parameters a mit der thermischen Alte-rung zeigt somit eine zunehmende Auf-spreizung der Relaxationszeiten an. Nach-dem die Dipolstarke De als Maß fur die an-steigende Oxidation der Elastomerkettengewertet werden kann, erweist sich derRuckgang des Breitenparameters a alsein Hinweis auf die zunehmende Vielfaltder fur die Dipole verantwortlichen Mole-kulstrukturen, die sich an den Ketten anla-gern. Mit zunehmender Alterung erhohtsich somit nicht nur die Anzahl der Dipole,auch die Art der entstehenden Dipole mußmit wachsender Zahl variieren.Mit Gleichung (5) laßt sich aus der Havri-liak-Negami-Relaxationszeit sHN schließlichdie Glasfrequenz mmax berechnen. DieseGlasfrequenz entspricht der Spitze des Ver-lustmaximums der Permittivitat. DieserPunkt der maximalen Energiedissipationbefindet sich im Bereich der großten Stei-

Abb. 6. Vergleich der ermittelten ParameterF l2 N / V aus den Anpassungsgeraden

Tab. 1. Mittelwert des Breitenparameters a fur die untersuchten Vernetzungssysteme undAlterungsstufen (im Warmeschrank bei 120 8C)

Material ungealtert 1 Tag 2 Tage 4 Tage 7 Tage

L-SBR/CV 0,44 0,27 0,26 0,22 0,20

L-SBR/SEV 0,42 0,34 0,36 0,29 0,25

L-SBR/CV-IPPD 0,47 0,31 0,27 0,30 0,21

L-SBR/SEV-IPPD 0,41 0,35 0,31 0,27 0,26

L-SBR/CV {N} 0,48 0,46 0,36 0,30 0,25

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gung des Realteils e 0 der Permittivitat undkann als dielektrische Glasubergangstem-peratur bezeichnet werden.Abb. 7 zeigt den Zusammenhang zwi-schen der Temperatur und der aus denMeßdaten bestimmten Glasfrequenz mmax

fur alle vier Modellsysteme. Da die Glasfre-quenz mit der Glastemperatur korreliert,kann aus dieser Darstellung die Entwick-lung der Glasubergangstemperatur Tg inAbhangigkeit von der Frequenz und derAlterungsdauer abgelesen werden. Furalle Proben zeigt sich die bekannte Abhan-gigkeit der Glastemperatur von der Fre-quenz, ein Verhalten, das aus frequenzab-hangigen mechanischen Messungen be-kannt ist. Bei allen vier Modellsystemenfindet sich ein gleichmaßiger Anstieg derGlastemperatur mit der thermischen Alte-rung.Wie schon bei der Dipolstarke De und denBreitenparameter a ist die Veranderungbeim alterungsanfalligen CV-System amgroßten. Die geringste Zunahme der Glas-temperatur zwischen der ungealterten

und siebentagig gealterten Probe findetsich wieder beim SEV-IPPD-System. DerEinfluß des Alterungsschutzmittels in derkonventionellen Mischung kann fast ver-nachlassigt werden, entscheidend ist dasVernetzungssystem. Bei beiden semieffizi-enten Systemen ist die Zunahme der Glas-ubergangstemperatur Tg erheblich gerin-ger als bei den konventionellen Vernet-zungssystemen.

Zusammenfassung

Der Nachweis von Oxidationsprozessen anungefullten Elastomeren ist mittels dielek-trischer Messungen und anschließenderAnalyse per Havriliak-Negami-Funktionmoglich. Hierzu werden die Veranderun-gen des Speicher- und Verlustteils derkomplexen Permittivitat wahrend der ther-mischen Alterung betrachtet, und als Er-gebnisse die Variation der Dipolstarke Deund des Breitenparameters a gefunden.Fur die Dipolstarke konnte eine Zunahmemit wachsender thermischer Alterung ge-

funden werden. Dies bedeutet das neueDipole an den Elastomerketten entstehenmussen, zusatzlich zu den schon vorhan-denen, die hauptsachlich aus den bei derVernetzung angelagerten zyklischenSchwefelmolekulen bestehen. Die thermi-sche Alterung fand in einem Warme-schrank unter Umluft statt, einer Umge-bung, bei der es zu oxidativen Prozessenim Elastomer kommt, wie Untersuchungenper Infrarotspektroskopie bestatigen. So-mit kann ein Zusammenhang zwischender Oxidation und der Zunahme der Dipol-starke als gesichert angenommen werden.Die Veranderung des Breitenparameters azeigt zudem eine Verbreiterung des Ver-lustmaximums der Permittivitat, also eineZunahme des Spektrums der moglichenRelaxationszeiten s der Dipole. Die zuneh-mende Variation dieser Zeit, welche die Di-pole zum Ausrichten im elektrischenWechselfeld benotigen, weist auf eine stei-gende Inhomogenitat der Dipole an denElastomerketten hin.

Abb. 7. Abhangigkeit der Frequenzlage der Verlustmaxima von der Temperatur fur die vier Modellsysteme: (a) L-SBR/CV, (b) L-SBR/SEV, (c) L-SBR/CV-IPPD, (d) L-SBR/SEV-IPPD {thermische Alterung unter Luftatmosphare}

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Fur den konventionell vernetzten L-SBRkann auf diese Weise eine sehr starke An-falligkeit fur die oxidativen Effekte bei derthermischen Alterung gefunden werden,das verwendete Alterungsschutzmittelblieb nahezu unwirksam. Die semieffizientvernetzten L-SBR-Mischungen, die weni-ger Schwefel enthalten, waren dagegenbei gleichen Alterungsbedingungen weni-ger von der Oxidation der Elastomerkettenbetroffen. Eine Wirksamkeit des verwen-deten Alterungsschutzmittels konnte hiernachgewiesen werden.Durch die Ermittlung der Glasfrequenzmmax fur die unterschiedlich lang gealtertenL-SBR-Proben konnte eine betrachtlicheVerschiebung der Glasubergangstempera-tur Tg zu hoheren Werten bei allen vier Mo-dellsystemen des L-SBR gefunden werden.Diese fur technische Anwendungen sehrrelevante Materialeigenschaft erweistsich als massiv alterungsanfallig undkann nicht vernachlassigt werden. Dieschwefelreichen konventionell vernetztenElastomere waren hier ebenfalls am stark-sten betroffen. Bei den semieffizienten Mi-schungen ist diese Verschiebung erheblichkleiner und wird zudem durch das verwen-dete Alterungsschutzmittel verringert.

Danksagungen

Wir bedanken uns beim Bundesministeri-um fur Bildung und Forschung (BMBF)fur die finanzielle Unterstutzung(FK01RC0135). Bei E. Peregi, Dr. J. G. Mei-er, Dr. U. Giese und Dr. T. Alshuth (alle DIK)bedanken wir uns fur die konstruktive Zu-sammenarbeit.

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Die Autoren

Dipl.-Phys. Bernd Huneke ist wissenschaftlicherMitarbeiter der Abteilung Materialkonzepte undModellierung am DIK, Hannover, Dr. ManfredKluppel ist Leiter dieser Abteilung.

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