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90 Jahre BUND Naturschutz

Date post: 12-Mar-2016
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Sonderausgabe der Natur+Umwelt Mai 2003
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Sonderausgabe der Natur+Umwelt Mai 2003 90 Jahre Bund Naturschutz Bayerns Schönheit bewahren
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90 JahreBund Naturschutz

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2.03N+U_U1Sonderausgabe 07.03.2008 18:22 Uhr Seite 1

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am 23. Juni 1913 ist der Bund Naturschutz in Bayerngegründet worden. Die Motive von damals sind auchheute noch entscheidend für unsere vielen engagier-ten Mitglieder: Sie bewahren Natur und Schönheit inihrer Heimat und übernehmen ebenso Verantwor-tung für einen schonenden Umgang mit der Schöp-fung in einer global vernetzten Welt.

Der vor 90 Jahren aktuelle Plan, in die berühmteFalkensteiner Wand am Königssee zum Gedenken anbayerische Heere riesige assyrische Löwen einzumei-ßeln, scheiterte, weil sich eine Gruppe um den Forst-professor Freiherr von Tubeuf, den ersten Vorsitzen-den des BN, schützend vor dieses einzigartige Natur-monument im heutigen Nationalpark Berchtesgadenstellte. Viel Überzeugungsarbeit war noch nötig, bisdas Gebiet vor 25 Jahren endgültig unter Schutzgestellt wurde.

Wir können Ihnen in dieser »Natur+Umwelt« nureine kleine Auswahl der vom Bund Naturschutz inneun Jahrzehnten geretteten Landschaften undKostbarkeiten in allen bayerischen Regionen – vomDonaudurchbruch an der Weltenburger Enge bis zuden Eichenwäldern im Spessart – vorstellen. Oft ver-bergen sich hoch spannende Geschichten hinterunverbauten Landschaften, blühenden Orchideen-wiesen oder mäandrierenden Bächen, die vor derBegradigung bewahrt werden konnten.

Wie ein roter Faden zieht sich durch unsere Ver-bandsgeschichte ein ganzheitliches Naturschutzver-ständnis, auf das wir gemeinsam stolz sein können:So hat unser Engagement für alle Tiere und Pflanzen,für Boden- und Grundwasserschutz und gesundeLebensmittel aus bäuerlicher, ökologischer Landwirt-schaft eine lange Tradition. Konzepte für Energiespar-technik, Bürgersolarkraftwerke und Biogasanlagensind ein ebenso wichtiger Beitrag für Frieden mit derNatur und eine gerechtere Weltordnung wie die vonBN-Orts- und Kreisgruppen gemeinsam mit Kirchen-gemeinden initiierten Friedensgebete und Demon-strationen gegen den Krieg im Irak, der auch um Ölgeführt wurde.

Die Vielfalt der Persönlichkeiten, die ehrenamtlichim Bund Naturschutz tätig sind, spiegelt sich in derFülle ihrer Aktivitäten wieder: Die einen »lieben esklassisch« und setzen sich für bedrohte Tierarten ein,vom Baumeister Biber bis zu den Libellen, unseren»fliegenden Edelsteinen«. Andere finden Erfüllung inder Leitung einer unserer 300 BN-Kindergruppen, woNaturerfahrung mit allen Sinnen sehr oft in Begeiste-rung umschlägt. Wieder andere sehen ihre Aufgabe inpolitischer Lobbyarbeit für ein besseres Verkehrskon-zept. Nur drei Beispiele von vielen, mit denen derBund Naturschutz Zeichen für die heute oft ange-sprochene aktive Bürgergesellschaft setzt.

Ohne den Mut und Ideenreichtum der Mitgliederim Bund Naturschutz gäbe es in Bayern noch mehr

Autobahnen, noch mehr gefährliche Atomkraftwerke,eine Atommüllfabrik in Wackerdorf und eine Vielzahlweiterer Müllverbrennungsanlagen. Nur durch einegroße Gemeinschaftsleistung konnten wir die Na-tionalparke Bayerischer Wald und Berchtesgadendurchsetzen, haben wir bundesweit die meisten Solaranlagen auf den Dächern, eines der bestenNaturschutz- und Abfallgesetze und eine immer nochfrei fließende Donau mit herrlichen Auwäldern zwi-schen Straubing und Vilshofen. Und auch wenn wirmanche Rückschläge verkraften müssen, haben wirkeinerlei Anlass zur Resignation.

Immer wichtiger wird neben diesem Einsatz vorOrt die Vernetzung mit anderen Umweltverbänden,wie Euronatur auf europäischer Ebene. So wirdaktuell in Brüssel um einen besseren Milchpreis fürGrünlandbauern gestritten, und bei den Verhandlun-gen über eine neue Welthandelsordnung steht dieErhaltung auch unserer kommunalen Trinkwasser-versorgungen in Bayern auf dem Spiel.

Liebe Mitglieder und Freunde des BN, mit IhrerMitgliedschaft und Ihren Spenden sichern Sie unserwichtigstes Kapital: die Unabhängigkeit des BundesNaturschutz von staatlichen Geldern oder Wirt-schaftssponsoring und seine gesellschaftliche Rolleals fachkompetenter Vordenker und Wegbereiter fürzukunftsfähige Lösungen.

Wir danken Ihnen für Ihre Unterstützung aktiv vorOrt oder als Mitglied und stiller Förderer im Hinter-grund. Gemeinsam können wir uns freuen über einenzugleich mutigen und kritischen, herzlichen und krea-tiven, ebenso modernen wie traditionsbewusstenVerband. Mit Ihrer Hilfe können wir uns auch inZukunft für den Schutz der Lebensgrundlagen undfür die Bewahrung von Bayerns Schönheit einsetzen.

Es grüßen Sie herzlichProf. Dr. Hubert Weiger, VorsitzenderDoris Tropper, Stellvertretende Vorsitzende Sebastian Schönauer, Stellvertretender Vorsitzender

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Liebe Mitglieder,

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Liebe Mitglieder des Bundes Naturschutz in Bayern,liebe Naturfreunde,90 Jahre freiwilliger, ehrenamt-licher und erfolgreicher Ein-satz zum Wohl von Menschund Natur sind ein beacht-liches Jubiläum und auchGrund zum Feiern. Ein solches

jahrzehntelanges Engagement ver-dient aufrichtigen Dank und höchs-te Anerkennung. Ich gratuliereIhnen daher – auch im Auftrag vonMinisterpräsident Dr. Stoiber – ganzherzlich zu Ihrem »Geburtstag«.

Der Schutz unserer natürlichenLebensgrundlagen ist ein gesamtge-sellschaftliches Anliegen. Gefordertsind Bürger und Staat. ÖffentlicheVerantwortung und bürgerschaft-liches Engagement sind gleicher-maßen gefragt. Ihr Verband hat sichdieser Mitverantwortung gestellt,als dies noch keine Selbstverständ-lichkeit war. Schon bei Ihrer Grün-dung im Jahre 1913 haben Sie zumeinen durch den Zusammenschlussverschiedener privater Natur-schutzeinrichtungen die Effizienzder Interessenvertretung stärkenwollen, zum anderen die Sicherungder Natur, den Schutz vor schädi-genden Eingriffen und die Aufklä-rungsarbeit über die Bedeutung desNaturschutzes in den MittelpunktIhrer Tätigkeit gestellt. StaatlicheAnerkennung erfuhren Sie schondamals durch das Protektorat seinerKöniglichen Hoheit Kronprinz Rup-recht von Bayern, so wie Sie auchspäter zu den beiden ersten staatli-cherseits anerkannten Naturschutz-verbänden in Bayern gehörten.

All Ihre jahrzehntelang erbrach-ten Leistungen, Verdienste undAktivitäten aufzuzählen und zuwürdigen, würde den Rahmen einesGrußwortes bei weitem sprengen.Schließlich reicht die Palette vonder Sicherung wertvoller Biotop-flächen durch Erwerb, über die Be-treuung, Pflege und Gestaltungkaum zählbarer ökologisch wertvol-ler Flächen, bis zur Erstellung fach-licher Konzepte und Programme,sowie schließlich zu einer umfang-reichen Bildungsarbeit im Natur-

schutz. Dabei haben Sie sich immerals engagierter, auch kritischerAnwalt der Natur erwiesen, der mitseiner Sachkompetenz ein wichtigerPartner der Naturschutzverwaltungwar und ist, ob durch fachlicheZuarbeit, durch Übernahme vonTrägerschaften oder durch Mit-wirkung in vielen Gremien als Ver-treter der Naturschutzinteressen.

Heute stehen wir vor neuen He-rausforderungen. Bayern orientiertsich am Leitbild nachhaltiger Ent-wicklung. Unser Ziel ist ökologi-scher Wohlstand für Generationen.Der Bund Naturschutz wirkt dabeimit. Ob im Rahmen des Umwelt-forums, bei Agenda-Prozessen aufden verschiedenen Ebenen oderbeim Aufbau eines landesweitenBiotopverbunds – der Bund Natur-schutz ist wertvoller und geschätz-ter Kooperationspartner im Natur-schutz. Deshalb bestärke ich Sie:Setzen Sie sich auch weiter so moti-viert und engagiert für den Natur-schutz ein. Möge der Einsatz fürBayerns herrliche Natur Ihnen auchviel Freude und persönliche Zufrie-denheit bringen.

Mit der herzlichen Gratulationzur 90-Jahrfeier verbinde ich diebesten Wünsche für eine weiteregedeihliche Entwicklung des Bun-des Naturschutz in Bayern. Dr. Werner Schnappauf, BayerischerStaatsminister für Landesentwick-lung und Umweltfragen

4 Natur + Umwelt BN-Magazin [2-03]

Natur+Umwelt 2-2003Glückwünsche 4, 5, 21, 29Portrait 26Kommentar 28Die Junge Seite 30Bildung 40

Augenblicke aus 90 JahrenGenießen Sie vier bayerische Blicke, auf Landschaften mit BN-Geschichte: das Murnauer Moos, diefrei fließende Donau, der NürnbergerReichswald, das Hafenlohrtal.Ab Seite 6

90 und aktiv: die BN AktionenSchwarzbuch Bayern – Rotes Tuch 14Neue Mitglieder 2290 Jahre, 90 Hektar 23

90 Jahre im RückblickDie Gründung des BN 16Helmut Steininger im Ruhestand 17Fanal Wackersdorf 18Bayern verplant – bewahrt 1915 Jahre Kindergruppen 20Nationalpark Bayerischer Wald 24Das Grüne Band 25Fünf Jahre BN Service GmbH 27

RegionalOberpfalz 32Niederbayern 33Oberbayern 34Oberfranken 36Unterfranken 37Mittelfranken 38Schwaben 39

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Alles Gute, Bund Naturschutz!

Happy BirthdayLieber Bund Naturschutz in Bayern,zu Deinem 90-sten Geburtstag undfür Deine Zukunft alles Gute undweiterhin viel Erfolg wünscht Dir in

herzlicher Verbun-denheit und Dank-barkeit Dein Horst Haitzinger,Karikaturist

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Respekt!Zum neunzigstenGeburtstag sage ichRespekt und ziehemeinen Hut. Hoch-achtungsvollst, mitgroßer Zuneigung.Gerhard Polt, Kabarettist

Im Volk verwurzeltDer Bund Natur-schutz hat sich inden 90 Jahren sei-nes Bestehens zueiner wichtigen

gesellschaftspolitischen Institutionentwickelt. Dies gilt nicht nur fürsein fachliches Know-how, sondernauch für seine enorme Mitglieder-stärke. Letztere zeigt auch, wie festder Umwelt- und Naturschutz imbayerischen Volk verwurzelt ist.Ohne den BN sähe dieses Landheute vermutlich anders aus. Auchdie Städte haben ein starkes Eigen-interesse, die Umwelt sowie Naturund Landschaft zu schützen, nach-haltig zu nutzen und für die kom-menden Generationen zu bewah-ren. In diesem Sinne habe ich ein»Bündnis für das Flächensparen«angeregt. Ich bin sicher, dass der BN diese gesamtgesellschaftlicheAufgabe ebenfalls nachdrücklichunterstützt.Josef Deimer, Vorsitzender des Bayerischen Städtetags

Lebensraum für TiereMir als Botschafterin des Tier-schutzbundes ist natürlich auchsehr viel an unserer Natur gelegen.Sie ist ein wichtiger Lebensraum fürdie Tiere und sollte von uns Men-schen respektvoll behandelt wer-den. Ich wünsche dem Bund Natur-schutz alles Gute und viel Erfolg bei

seinem Bemühen,die Natur zu schüt-zen.Anni Friesinger,Eisschnelllauf-Olympiasiegerin

Gebete nicht umsonstWährend ich diesen Glückwunschzum 90-jährigen Jubiläum des Bun-des Naturschutz in Bayern schreibe,erfüllen mich Freude und Dankbar-keit! Hat doch das gute Zusammen-wirken des BN mit den Bemühun-gen der Vielen um den Erhalt derfrei fließenden Donau zwischenStraubing und Vilshofen nachmenschlichem Ermessen Erfolggehabt. Die monatlichen Gebeteund die alljährlichen Donauseg-nungen waren nicht umsonst. Mögeder beharrliche Einsatz des BN zurBewahrung der Schöpfung auch inallen anderen Bereichen gesegnetsein. Durch die Verleihung desHaas-Lechner-Naturschutzpreisesim Jahre 1998 weißich mich dem BNbleibend verbunden.Emmanuel Jungclaussen OSB,Altabt von Niederalteich

Unermüdliches EngagementGenau wie der Bund Naturschutzhat sich meine Firma den Schutzder Umwelt und die Bewahrungder Schöpfung als Ziel gesetzt. Ichwünsche Ihnen zu Ihrem 90-jäh-rigen Jubiläum alles Gute undhoffe, dass Sie Ihr unermüdlichesEngagement im Sinne des Natur-

schutzes weiterhinfortsetzen.Prof. Dr. Claus Hipp,Unternehmer,Präsident der IHKMünchen und Oberbayern

Wir werden berichtenOb zum Thema Naturpark Bayeri-scher Wald, Donauausbau oder Aus-wilderung von Biber und Wildkatze– seit Jahrzehnten informiert derBayerische Rundfunk sein Publi-kum über Umweltthemen. DerBund Naturschutz ist dabei einerunserer wichtigsten Gesprächs-partner. Mit seinem unermüdlichenEngagement für unsere Lebens-grundlagen hat der BN in den ver-gangenen 90 Jahren entscheidenddazu beigetragen, Bayern als das zubewahren, was es für uns im wahrs-ten Sinne des Wortes ist – Heimat.

Für die künftigen Herausforderun-gen wünsche ich dem BN weiterhinMut, Optimismus und einegute Hand bei allem, was esanzupacken gilt. Wir werdendarüber berichten.Dr. Thomas Gruber, Intendantdes Bayerischen Rundfunks

Gern für Euch auf der BühneServus! Wir suchen uns immer sehrgenau aus, für welchen Veranstalterwir Musik spielen. Der Bund Natur-schutz ist eine Institution, für diewir immer wieder gerne und mitBegeisterung auftreten. Wenn wirderartig sinnvolle ehrenamtlicheTätigkeiten mit unterstützen unddazu beitragen können, dass die inBayern nicht immer entsprechendeAkzeptanz dafür steigt, haben wirunsere Möglichkeiten, etwas Sinn-volles mitzugestalten, ansatzweisewahrgenommen. In diesem Sinnegratulieren wir und wünschen uns

einen starken BN, für den wirimmer wieder gerne auf die Bühnegehen. Biermösl Blosn, Musiker

Tatkräftiger MitstreiterNaturschutz ist leider immer nochdas Bohren dicker Bretter. Mankann eben nicht erwarten, dass dermorgens gepflanzte Baum schonmittags Schatten wirft. Ich bin froh,mit dem Bund Naturschutz einenerfahrenen und tatkräftigen Mit-streiter für den Schutz der biologi-schen Vielfalt zu haben.Prof. Dr. HartmutVogtmann, Präsidentdes Bundesamtes fürNaturschutz

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Alles Gute, Bund Naturschutz!

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Augen-Blicke aus 90 JahrenBayern ist schön. Mancherorts dank dem Bund Naturschutz in Bayern. Denn viele seiner herrlichsten Orte hätte das Land an Raffgier und Fortschrittsglaube verloren, wären nicht Menschen aus dem Bund Naturschutz für sie aufgestanden und eingestanden. Genießen Sie mit uns vier bayerische Blicke,auf großartige Landschaften mit BN-Geschichte. (göß)

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Das Murnauer Moos

Bayern wie gemaltDer Wahl-Murnauer Wassily Kandinsky liebtediese Farben. Föhnvertieftes Bergblau überWarmtönen von Torfmoos, Röhricht und Streu-wiesen. Das Murnauer Moos – Wiege desExpressionismus?

Mit 4200 Hektar ist das Murnauer Moos derbedeutendste Moorkomplex Deutschlands:Ein dichtes Biotopgeflecht aus Seggenrieden,kalkreichen Sümpfen und Altwassern, ausFeucht- und Streuwiesen, aber auch vereinzel-ten Kalktrockenrasen. Die Krönung bildenjedoch – auf einem Zehntel der Fläche – intakteHochmoore mit Mächtigkeiten bis zu 25 Meter.Eine Besonderheit sind die »Köchel«, harteSandsteinrücken, die als Waldinseln aus demMoor ragen. Guter Baustoff, fand in den 20erJahren ein Gutsbesitzer und machte sich daran,am »Langen Köchel« den grünen Sandsteinindustriell abzubauen. Bauern und Bürger wur-den hellhörig, der Kampf ums Moos begann.

Von Anfang an dabei waren Persönlichkeitenaus dem Bund Naturschutz. Schon 1927 gelanges, in der Kernzone einen »Schutzbereich« zuschaffen. Doch das Moos geriet bald weiterunter Druck. Dass es trotzdem noch größten-teils existiert, ist unter anderem Verdienst derMurnauer Botanikerin und UmweltpädagoginIngeborg Haeckel (1903 – 1994), die mit und imBund Naturschutz jahrzehntelang für das Moosstritt. Die Hartsteinwerke sind mittlerweileebenso Geschichte wie die verhinderte Müllver-brennungsanlage bei Eschenlohe oder dievereitelte Flurbereinigung und Entwässerung inden 60er und 70er Jahren.

Ein Kerngebiet von 2355 Hektar steht seit1980 unter Naturschutz; aber auch die natur-räumlich verbundenen Gebiete sind seit 1993 ingroß angelegte Pflege- und Entwicklungskon-zepte oder FFH- und Vogelschutzgebiete ein-bezogen. So werden auch in Zukunft Wachtel-könig und Karlszepter, Weißrückenspecht undGlanzorchis zum Landschaftsbild vor Murnaugehören. Was wiederum die Maler freut.

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Die frei fließende Donau

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UnbändigesBayernManchmal geben 0,96 Prozent den Ausschlag.Wie bei der Donau. Der letzte frei fließendeAbschnitt innerhalb Deutschlands nimmtzwar nur 70 von insgesamt 7300 Kilometerndeutscher Wasserstraßen ein, doch die habenes in sich: Letzter Engpass für den Schiffs-verkehr, wettern die einen, letzte großräumigeund naturnahe Auenlandschaft Mitteleuropas,schwärmen die anderen.

Konflikt war also programmiert, als diebayerische Staatsregierung 1991 ihre großtech-nischen Ausbaupläne für das Prozent-Stückzwischen Straubing und Vilshofen publik mach-te. Keine sieben Wochen dauerte es, bis sich aus Kreisen des Bundes Naturschutz heraus dieerste Bürgerinitiative formiert hatte. WeitereBündnisse wurden geschmiedet, um den Wider-stand möglichst stark in der Bevölkerung zuverankern. Ob Fischer, Bauern, Wanders- oderKirchenleute – der BN brachte sie zusammen.Bald hatte die Donau Tausende von Fürspre-chern entlang der Ufer, aber auch im ganzenLand. Selten hat ein Naturschutzverband einfarbigeres Protestbukett gebunden. Die Aktio-nen reichten von Kanu-Demos und Jugend-Camps über Dokumentarfilme, Benefiz- undOpen-Air-Festivals bis hin zu Grundstücks-käufen, Alternativgutachten und wissenschaft-lichen Kongressen.

Es stellte sich heraus: UmweltfreundlicherGüterverkehr per Schiff und lebendige Flüssesind kein Widerspruch. Die Bayerische Staats-regierung und die Binnenschifffahrt beharrenzwar noch auf Staustufen, doch der maßgeb-lichere Projektträger ist der Bund. Im Juni 2002hat sich der Bundestag mit rotgrüner Mehrheitfestgelegt: Als die volkswirtschaftlich und öko-logisch sinnvollere Lösung soll nun die sanfte,flussbauliche Ausbauvariante verfolgt werden.Die Aussichten für die Donau sind derzeit gut,wenn auch eine Frage weniger Prozente.

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10 Natur + Umwelt BN-Magazin [2-03]

Bayern unter BannWer Nürnberg auf der Autobahn passiert, magsich wundern. Immer neue Ausfahrten tauchenauf: Nürnberg hier, Nürnberg dort – offenbareine riesige Stadt. Riesig ist aber vor allem derWaldgürtel, der sie umschließt. Hier draußenhatten die Autobahnpioniere leichteres Spiel.

Übernutzt als wohlfeile Rundum-Ressourcewar der Reichswald schon früher fast zugrundegegangen. Seinen ausgelaugten Sandbödenkonnte die aufkeimende Forstwirtschaftimmerhin noch Kiefernwälder abringen. DasErgebnis waren 25 000 Hektar Monotonie. Dochfür Nürnberg war und blieb der ReichswaldGrüne Lunge und Erholungsgebiet. So empör-ten sich viele Bürger, als der Siedlungsdruck inden 60er und 70er Jahren den »Steckerleswald«erneut im Bestand bedrohte. Täglich wurde einHektar abgeholzt – innerhalb eines Menschen-lebens wäre nichts mehr übrig geblieben.

Unterstützt von mehreren Bürgerinitiativenveröffentlichte der Bund Naturschutz 1972 seinReichswaldprogramm. Darin forderte er strengs-ten Schutz und naturnahe Waldwirtschaft.Nach sieben Jahren mit zahlreichen Aktionenund jährlichen Reichswaldfesten war das ersteZiel erreicht: Der Reichswald wurde »Bann-wald«. Die Rodung war fortan verboten undnahm tatsächlich um 98 Prozent ab. Für den BNheißt es seither: Genau hinsehen, welche Pro-jekte eine Ausnahme vom Bannwaldschutzrechtfertigen. Ob Rangierbahnhof, Mülldeponieoder Autobahnkreuz, Flughafenanbindung,Panzerübungsplatz oder Sandgrube – die Listeder vom BN verhinderten Bannbrüche ist lang.

Erfolg hatte auch das Werben für naturnaheWaldwirtschaft. Die Forstverwaltungen habendank engagierter Forstleute im Reichswald denKahlschlag abgeschafft und Laubhölzer gesät.Mittlerweile hat sich bei Jungbäumen der Laub-holzanteil verfünffacht. Auch seltene Pflanzenund Tiere sind wieder häufiger: Neben Auer-huhn, Haselhuhn und Sperlingskauz ist sogarder Schwarzspecht zu beobachten.

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Der Nürnberger Reichswald

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12 Natur + Umwelt BN-Magazin [2-03]

Das Hafenlohrtal

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[2-03] Natur + Umwelt BN-Magazin 13

Bayern ohneStau und SperreWassernot in Bayern? Kein Szenario aus demÖko-Thriller sondern Realität in einigen Gebie-ten Unterfrankens. Die Wasserwerke hatten eshier noch nie leicht, denn die dürftigen Nieder-schläge versickern rasch in porösen Böden und Gesteinen. Ein echter Notstand zeichnetesich jedoch ab, als im Grundwasser zunehmendDünger und Pestizide auftauchten.

Seither haben Wasserwirtschaftler die Hafen-lohr als potenziellen Stausee im Visier. Dasabgelegene Spessart-Flüsschen schlängelt sich25 Kilometer durch ein kleingliedriges Land-schaftsrelief Richtung Main. Nahezu ungestörtkonnten sich hier vielfältige Lebensgemein-schaften entwickeln: Buchen-Eichen-Wälder anden Hängen, Feuchtwiesen und Bruchwälder in den Talauen. Ein Refugium für über 70 Tier-und Pflanzenarten, die in Bayern gefährdetoder vom Aussterben bedroht sind. Beispiels-weise brütet an steileren Ufern der Eisvogel.

Erste Pläne, das Idyll zu fluten, legten dieWasserbehörden 1977 auf den Tisch, 1982 folgteein Raumordnungsverfahren. Doch die Planerstießen vor Ort auf hartnäckigen Widerstand.So schmiedete der Bund Naturschutz 1978 die»Aktionsgemeinschaft Hafenlohrtal«. Ein Bünd-nis kritischer Bürger, Kommunalpolitiker, Fach-leute und Umweltverbände, die unter demVorsitz Sebastian Schönauers gegen den Stau-see kämpften und dabei zu Pionieren einerökologischen Wasserhaushaltspolitik wurden.

Mit Erfolg: Der Oberlauf der Hafenlohr stehtheute unter Naturschutz, eine FFH-Gebietsmel-dung liegt in Brüssel, und die Talsperre selbstwurde nicht gebaut. Vom Tisch ist sie zwarnicht, steckt aber tief in der Schublade. Die offi-zielle Linie der Wasserbehörden folgt heuteweitgehend den Forderungen des BN.

So war der wichtigste Erfolg im Hafenlohrtaldie Signalwirkung: Selbst die europäischeWasserpolitik setzt heute nicht mehr auf Betonund Fernleitungen, sondern auf Grundwasser-schutz, Ökolandbau und dezentrale kommunaleWasserversorgung.

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D as erstmals vorgelegte »Schwarzbuch Gewerbege-biete Bayern« mit bislang unveröffentlichten Luft-

bildern aus allen Regierungsbezirken analysiert scho-nungslos auf hundert Seiten den Gesichtsverlust bay-erischer Heimatlandschaften. 21 Negativ-Beispiele ausallen bayerischen Regierungsbezirken, von der Markt-gemeinde Mömbris in Unterfranken bis zur Stadt Ro-senheim in Oberbayern, belegen die vielfach gesetzes-widrige Ausweisung von Gewerbegebieten im Außen-bereich der Siedlungen, in Talräumen und Über-schwemmungsgebieten, in gerodeten Wäldern oderauch auf wertvollen landwirtschaftlichen Flächen.

»Wir werden zu Unrecht an den Pranger gestellt«,verteidigen sich bereits einige betroffene Bürgermeis-ter. »Die kommunale Konkurrenz, der Druck von Inves-toren und Einzelhandelsketten sowie die marodenKommunalfinanzen lassen uns oft keine andere Wahl«.Richtig ist, dass der beispiellose Ausweisungs-Boom inden letzten Jahren vielfach nur mit hohen Subventio-

nen aus der bayerischen Wirtschaftsförderung für dieteuere Infrastruktur »auf der grünen Wiese« möglichwar. Ohne Rücksicht auf gewachsene Siedlungsstruk-turen entstanden Gewerbegebiete – mit austauschba-ren Schuhschachteln bebaut, garniert mit riesigenParkflächen, in der Regel ohne Bahnanschluss.

Neue Wege statt neuer Straßen»Ab 2010 sollen in Bayern keine neuen Flächen mehrbebaut beziehungsweise in dem Maß des Neubaus ananderer Stelle versiegelte Flächen renaturiert werden«,erklärt Landesvorsitzender Hubert Weiger ein Haupt-ziel der BN-Aktion »Bayerns Schönheit bewahren«.»Dies erfordert einen klaren Vorrang für Flächenrecyc-ling, Nachverdichtungen und Umnutzungen, Maßnah-men gegen die kommunale Konkurrenz bei Gewerbe-gebietsausweisungen und ein Ende des Straßenneu-baus.« Das Schwarzbuch spiele dabei eine wichtigeRolle, so Weiger: »Mit ihm wollen wir Öffentlichkeitund Entscheidungsträger sensibilisieren und Lösun-gen für einen verantwortlicheren Umgang mit denbegrenzten Gütern Landschaft und Boden aufzeigen.«

Die wichtigsten Instrumente einer umweltverträg-licheren Siedlungsentwicklung sind für den BundNaturschutz

14 Natur + Umwelt BN-Magazin [2-03]

Kulmbach macht’s vorDie Stadt verzichtete auf ein neues Gewerbegebiet auf der»grünen Wiese« und sanierte stattdessen die alte Spinnerei.Statt Industriebrache in der Innenstadt und zerstörterLandschaft im Umfeld hat Kulmbach heute ein saniertesGebäude mit Einkaufszentrum in zentraler Lage.

Jetzt bestellenDas »Schwarzbuch Gewerbegebiete Bayern« erhaltenSie zum Preis von 15 Euro bei der BN Service GmbH,Spitalstr. 21, 91207 Lauf, Tel. 0 91 23-9 99 57-0,Fax -99, [email protected],www.service.bund-naturschutz.de.Weitere Informationen zur Aktion »Bayerns Schönheit bewahren« finden Sie im Internet unterwww.bund-naturschutz.de

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BN-Aktion: Bayerns Schönheit bewahren

Schwarzbuch Bayern – Rotes TuchIns Schwarze getroffen hat der Bund Natur-schutz, wie manche »betroffene« Reaktionzeigt, mit seinem »Schwarzbuch Gewerbe-

gebiete Bayern«. Das neu erschienene Werkdokumentiert auf beeindruckende Weise den

Landschaftsfraß durch das Ausweisungs-Wettrennen der letzten Jahre.

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Page 15: 90 Jahre BUND Naturschutz

� die Verpflichtung zur Ausarbeitung von Flächenka-tastern für Recyclingpotentiale – vor der Aufstellungvon Bauleitplänen in allen Städten und Gemeinden,� die Genehmigung von Flächennutzungsplänendurch die Bezirksregierungen, von Bebauungsplänendurch die Landratsämter unter fachlicher Aufsicht derRegierung,� die Beendigung der Subventionierung von Gewer-begebietsausweisungen und Flächen verschwenden-den Bauten, � die Neuregelung der Gewerbesteuer mit kommuna-lem Interessensausgleich, � eine bayerische Bundesratsinitiative für die Einfüh-rung einer Versiegelungsabgabe,� die Entwicklung neuer Nutzungskonzepte für leerstehende Bausubstanz in städtischen und ländlichenRegionen.

Becksteins Worte ohne WirkungÜberraschende Übereinstimmung in der Frage desFlächensparens sieht die stellvertretende BN-Landes-vorsitzende Doris Tropper, die sich auch als BN-Kreis-vorsitzende in Erlangen seit Jahren für die Stärkung derInnenstädte und gegen den Flächenverbrauch enga-giert, zwischen dem Bund Naturschutz und dem baye-rischen Innenminister Günther Beckstein. Der Minis-ter hatte schon im Oktober vergangenen Jahres ineinem »Brandbrief« an alle Bürgermeister Bayernsappelliert, »in Ausübung ihrer Planungshoheit einemsparsamen Umgang mit der vorhandenen Fläche dasnotwendige Gewicht beizumessen«. Beckstein weiter:»Mit diesem Appell greife ich allerdings auch eineohnehin bestehende rechtliche Verpflichtung auf«.Doris Tropper vermisst allerdings die Wirkung diesesSchreibens: »Viele Bürgermeister haben den Briefanscheinend als Geheimsache im Schrank verschwin-den lassen, statt die Konsequenzen für die weitereSiedlungsentwicklung öffentlich zu diskutieren«.

Vernunft in der SpinnereiDass es auch anders geht, zeigt der Bund Naturschutzim »Schwarzbuch« unter anderem an einem Positiv-Beispiel aus dem oberfränkischen Kulmbach. Dort

wurde Mitte der 1990er Jahre ein 44 000 Quadratmetergroßes Gewerbegebiet in einer herrlichen Landschaftgeplant. Auf Kosten von Äckern und Wiesen sollten imGewerbegebiet »Autobahn« Einzelhandels-Großpro-jekte angesiedelt werden. Doch nach Protesten desBundes Naturschutz ließen die Kulmbacher diese Pla-nung fallen und ersetzten sie durch die Umgestaltungder alten Kulmbacher Spinnerei, einer Industriebrachezwischen Bahnhof und Innenstadt. In das sanierteHauptgebäude ist inzwischen das Einkaufszentrum»fritz« eingezogen, weitere sollen folgen. »Wir wollen,dass diese Positiv-Beispiele in Bayern Schule machenund die politischen Rahmenbedingungen für einenverantwortlichen Umgang mit unserem knappsten Gutgeschaffen werden«, wünscht sich Hubert Weiger.

Dass dies möglich ist, beweist auch die Spessart-Gemeinde Rothenbuch. Maßgeblich dank dem Einsatzdes stellvertretenden BN-Landesvorsitzenden Sebasti-an Schönauer, seit 25 Jahren Rothenbuchs zweiter Bür-germeister, hat sich die Gemeinde in einem bayernweiteinmaligen Beschluss verpflichtet, keine neuen Bau-und Gewerbegebiete auszuweisen. Stattdessen nutzendie Rothenbucher vorhandene Flächen mit der Schlie-ßung von Baulücken und dem Verdichten der beste-henden Siedlungsfläche.

[2-03] Natur + Umwelt BN-Magazin 15

Der AutorRichard Mergner,42, ist Landes-beauftragter desBundes Natur-schutz.

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Richtig oder falsch? Behauptungen zum Flächenfraß.Neue Gewerbegebiete schaffen Arbeitsplätze.

In Bayern besteht schon jetzt ein massivesÜberangebot an Gewerbeflächen von circa 20 Prozent.Mehr Ausweisungen bedeuten nur noch mehr Leer-stände. Bayern hatte noch nie so viel Gewerbeflächenwie heute bei gleichzeitig hoher Arbeitslosenquote.Allein in der Datenbank der IHK hat sich das Gewerbe-flächenpotenzial in Bayern von 2001 auf 2002 um 5,2 Prozent auf 13 622 Hektar erhöht, davon besteht fürüber 9000 Hektar Baurecht.Die Menschen haben doch immer schon so viel Flächezum Leben verbraucht.

In nur 18 Jahren wurde die Siedlungsfläche inBayern um 51 Prozent ausgeweitet. In nur anderthalbGenerationen wurde fast genauso viel Land ver-braucht wie in der ganzen menschlichen Siedlungs-geschichte zuvor.Der zunehmende Flächenverbrauch liegt nur an der steigenden Einwohnerzahl.

Seit Ende der 1960er Jahre hat sich derFlächenverbrauch von der Einwohnerentwicklungabgekoppelt, er steigt weit überproportional imVergleich zur Einwohnerzahl.Ist doch egal, ob Fläche in der Stadtoder auf der »grünen Wiese« verbaut wird.

Nach einer Studie des Umweltbundesamtesentspricht ein Hektar innerörtliches Baulandpotenzialmindestens drei Hektar Neubaufläche am Stadtrand,weil hier zusätzliche Verkehrsflächen und Versor-gungseinrichtungen geschaffen werden müssen.

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K ein Herrgotts- oder Malerwinkel schien sicher vorSteinbrüchen, Dämmen oder Deichen, vor Te-

legraphenleitungen, Eisenbahnen und Hotels. ErsteMotorboote knatterten schon über den Königssee. Anden ästhetischen Zumutungen der Neuzeit störte sichdas Bildungsbürgertum schon geraume Zeit. Der Berli-ner Musikprofessor Ernst Rudorff hatte 1889 gewettert:»Die Menschheit ist auf dem besten Wege … dem irdi-schen Dasein jeden edleren Reiz zu rauben.«

Inzwischen war der Heimatschutzgedanke zu einerbreiten Bewegung herangewachsen. In München er-fasste sie eine umtriebige Szene von Intellektuellen,Wissenschaftlern und Künstlern. Prominente Architek-ten und Maler bemühten sich etwa, die Isarauen süd-lich der Stadt durch Grundstückskäufe vor den Inge-nieuren der Elektrizitätswerke zu retten. Ähnlich gingenim Norden der Stadt Mitglieder der Bayerischen Bota-nischen Gesellschaft vor. Sie wollten die GarchingerHeide vor den Bauern bewahren, die dank neumodi-scher Dünger immer weiter vorrückten. Doch wie derSchriftsteller Hermann Löns formulierte, arbeitete dieNaturzerstörung »en gros, der Naturschutz en detail«.

Gemeinsam wendeten sich die letztlich machtlosenVereinigungen mit einer Eingabe an die Regierung:

Naturschutz gehöre in die Hände des Staates. Dervolksnahe Prinzregent Luitpold, selber ein Naturlieb-haber, zeigte Verständnis. Tatsächlich richtete dasInnenministerium 1905 einen »Landesausschuss fürNaturpflege« ein. Besetzt wurde er mit hochrangigenWissenschaftlern, Beamten, Künstlern und Ingenieu-ren. Davon erhoffte man sich Ideenaustausch und effi-ziente Beratung.

Prinz und ProminenzAllein, die Isar wurde weiter reguliert und fiel teilweisetrocken. Die berühmten Stromschnellen von Laufen-burg wurden für ein Kraftwerk gesprengt. Und auf demWendelstein ächzte bald eine Zahnradbahn. Offenbarfehlte dem Gremium der nötige Rückhalt und die Auto-rität. Darum regte der königliche Regierungsrat Reu-bold die Gründung eines privaten Dachverbands an. Ersolle die Arbeit des Ausschusses auf eine breitereGrundlage stellen – gemeint waren vermutlich Finan-zen und Renommee. Als Schirmherr firmierte dennauch Luitpolds Nachfolger, der neue Regent KronprinzRupprecht.

Am 26. Juni 1913 wurde der »Bund Naturschutz inBayern« (BN) gegründet. Dazu trafen sich im Innenmi-nisterium Vertreter des Landesausschusses für Natur-pflege, der Bayerischen Botanischen und der Bayeri-schen Ornithologischen Gesellschaft sowie des Vereinsfür Naturkunde. Laut Protokoll versprachen sie sichdavon, »wirkungsvoller gegen Industrie, Wirtschaftund Behörden auftreten zu können«. Nach außenrepräsentierten den Verein ausschließlich finanziell gutgestellte und angesehene Persönlichkeiten. Anfangswar der BN also ein etwas merkwürdiges Gebilde: einprivat finanzierter Honoratioren-Verein zur Unterstüt-zung eines Ausschusses zur Beratung der Regierung …

Die Konstruktion brachte zwar Reibungsverlustedurch Konkurrenz und Doppelarbeit, doch langfristigprofitierte der BN. Er konnte die flächendeckendeOrganisation des Ausschusses nach und nach für seineeigene Vereinstätigkeit nutzen. Erste Erfolge stelltensich ein. Beispielsweise gelang es dem VorsitzendenProfessor Karl Freiherr von Tubeuf, eine monumentaleNaturverschandelung am Königssee zu vereiteln. Ineine Felswand sollte 1916 zur Kriegserinnerung einriesiger assyrischer Löwe gemeißelt werden. Einfluss-reiche Berliner Sommerfrischler hatten sich das ausge-dacht und schon Spenden gesammelt.

Doch Tubeuf verurteilte in einem bewegt-patrioti-schen Zeitungsartikel die Idee, »das ernsteste, heiligsteNaturland« zu verkünsteln; ihm schauderte bei derVorstellung, noch in der fernsten Einsamkeit aus»glücklichem Selbstvergessen« gerissen und zuschmerzlichen Erinnerungen gezwungen zu werden.Der Löwe blieb Phantasie. Realität wurde 1921 einNaturschutzgebiet und 1978 sogar der NationalparkBerchtesgaden – ganz nach Tubeufs Intention, dieNatur »vor dem Menschen für den Menschen« zuschützen. Ein Motto, das heute so aktuell erscheint wiein der guten alten Zeit.Tino Schlagintweit

16 Natur + Umwelt BN-Magazin [2-03]

Monumentale VerschandelungDer erste großeErfolg des BN: Ein»assyrischer Löwe«in der Falken-steiner Wand amKönigssee, 1916zum militärischenGedenken geplant,wurde nie Realität.Das geretteteNaturmonumentwurde zur Keim-zelle für den Natio-nalpark Berchtes-gaden, gegründet1978, ein weiterergroßer BN-Erfolg.

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1913: Die Gründung des BN

Königlich-bayerischer AmtsnaturschutzDas Bier mag noch dunkel gewesen sein, dieMenschen typisch und die Burschen schneidig –in Ordnung war in der guten alten Zeit schon vieles nicht mehr. Die Kehrseiten des Fortschrittswurden um 1900 sogar in Bayern immer deut-licher – die Zeit war reif für eine starke Natur-schutz-Organisation.

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Page 17: 90 Jahre BUND Naturschutz

E igentlich war Helmut Steininger immer schon da,beim Bund Naturschutz. Als der heutige Landes-

vorsitzende Hubert Weiger sich 1971 als Zivildienstleis-tender bewarb, war es Landesgeschäftsführer HelmutSteininger, der ihn zum Vorstellungsgespräch einlud.Selbst als Hubert Weinzierl, BN-Vorsitzender von 1969bis 2002, sich zu Beginn seiner langen Amtszeit daranmachte, den Verband zur schlagkräftigen, bayernweitpräsenten Umweltorganisation zu entwickeln, konnteer von Beginn an auf seinen »Motor« Helmut Steiningerbauen.

So ist es kein Wunder, dass die Begriffe Landesge-schäftsführer und Helmut Steininger im Bund Natur-schutz zum Synonym geworden sind. So mancher BN-Aktive wird sich mühsam daran gewöhnen müssen,dass der akribische Organisator großer Veranstaltun-gen, der stimmgewaltige Redner der jährlichen Dele-giertenversammlung und die letzte Zuflucht in heiklenfinanziellen, personellen und organisatorischen Fra-gen nun nicht mehr Helmut Steininger heißt.

»Nur« gut ein Drittel seines 90-jährigen Bestehenswurden die Geschäfte des Bundes Naturschutz vonHelmut Steininger geführt. Doch es ist nicht übertrie-ben zu sagen, dass der Verband wohl 90 Prozent seinerGröße und Kraft in diesen 34 Jahren gewonnen hat. DieMitgliederzahlen sprechen für sich: 12 500 damals, fast170 000 heute. Als Meisterleistung Steiningers wird derAufbau einer bayernweiten Organisationsstruktur indie Geschichtsbücher des BN eingehen. Als der stu-

[2-03] Natur + Umwelt BN-Magazin 17

GenerationswechselSeit 1. April dieses Jahres ist Peter Rottner,47, als Nachfolger von Helmut SteiningerLandesgeschäftsführer des Bundes Natur-

schutz. Der Jurist kennt den Verband bes-tens. Seit 1976 war er ehrenamtlich in derOrts- und Kreisgruppenarbeit tatkräftigengagiert. Fast zehn Jahre gehörte er demBN-Beirat an, und er leitet den ArbeitskreisRechtsfragen des BUND. Seit fast zwei Jahr-zehnten hat er den BN als Rechtsanwaltin vielen wichtigen Verfahren vor Gerichtvertreten und wichtige Erfolge für die Naturerstritten. Beispiele sind die Rettung des

»Naßangers« im Maintal und zuletzt derBaustopp der Autobahn durch den Gottes-garten bei Kloster Banz. Nun sieht er sich im neuen Aufgabenbereich der Basis desVerbands verpflichtet: »Ein guter Service fürunsere Mitglieder und Aktiven, die fun-dierte Beratung und Information über alle Verbands- und Umweltfragen gehörenebenso zu meinen Zielen wie die solidewirtschaftliche Entwicklung des BN.«

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Naturschutz inWort und TatHelmut Steinin-ger startet 1971für den BN dieWiedereinbürge-rung des Bibersin Bayern.Zusammen mitHubert Weinzierlleitet Steininger1983 die BN-Delegierten-versammlung.

dierte Sozialpädagoge und damalige Berufsberater1969 zum Bund Naturschutz wechselte, war der BegriffKreisgruppe im Verband noch fast ein Fremdwort. Nurin wenigen Landkreisen hatten sich die aktivenUmweltschützer in regionalen Gruppen organisiert,München war das eindeutige Verbandszentrum.

Grüne KarteDer aus dem Rottal stammende Bauernsohn Steiningererkannte die fehlende Flächen-Struktur als entschei-dendes Manko auf dem Weg zur schlagkräftigen Lobbyfür die Natur. Mit ungeheurer Tatkraft und Zähigkeitmachte er sich deshalb daran, in den Landkreiseneigenständige Gruppen zu gründen, eine nach deranderen. Bis er es zusammen mit Hubert Weinzierl,Hubert Weiger und engagierten Naturschützern ausallen Teilen des Landes bis 1976 geschafft hatte, denletzten weißen Fleck auf der Landkarte BN-grün einzu-färben. Und damit nicht genug: Am 10. Juli 1976 grün-dete sich unter maßgeblicher Beteiligung des BN derBund für Umwelt und Naturschutz Deutschland,BUND; Versammlungsleiter: Helmut Steininger.

Wer schon (fast) immer da war, der ist kaum wegzu-denken. Gut also, dass Helmut Steininger dem BundNaturschutz erhalten bleiben könnte. Auf der Delegier-tenversammlung im Mai wird er sich als Schatzmeisterdes Landesverbands zur Wahl stellen. Manfred Gößwald, Leitender Redakteur

Helmut Steininger im Ruhestand

Abschiedvom Selbstver-ständlichenNach genau 34 Jahren als Landesgeschäftsführer des Bundes Naturschutz hat HelmutSteininger sein Amt an Peter Rottner übergeben. Mit ungeheurer Tatkraft hat »Vollblut-Naturschützer« Steininger diese erfolgreiche Periode der BN-Geschichte so entscheidendgeprägt, dass ein Bund Naturschutz ohne ihn vielen kaum vorstellbar scheint.

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W irtschaftsminister Jaumann wusste es schon1979: »Falls Bayern ein Zwischenlager akzep-

tiert, dann in Wackersdorf.« Selbst UmweltministerDicks Schlagzeile »Wiederaufarbeitung im RaumSchwandorf abwegig« zu Silvester 1980 half nichts.Ministerpräsident Franz Josef Strauß hatte alle Wei-chen längst gestellt. Die deutschen Stromkonzerneschickten die eigens gegründete Gesellschaft zur Wie-deraufbereitung von Kernbrennstoffen (DWK) vor.

Der Bund Naturschutz, Bürgerinitiativen und Land-rat Hans Schuierer klärten die Bevölkerung in vielenVeranstaltungen auf und hatten die wissenschaftlichenFakten und die Zustimmung der Bevölkerung auf ihrerSeite. Unzählige BN-Vorträge – allein im Juli 1985 indreißig Orten der Sicherzeitszone – klärten die Öffent-lichkeit auf. 881 000 Einsprüche aus dem In- und Aus-land führten 1988 zum Erörterungstermin in Neun-burg vorm Wald. Er dauerte über einen Monat undwurde zum wissenschaftlichen Desaster für die DWK.

Aus für WAA: Einstieg in AtomausstiegAm 12. April 1989 ließ der VEBA-Vorsitzende von Ben-nigsen-Foerder das Projekt WAA Wackersdorf aus Wirt-schaftlichkeitsgründen fallen. Einige Milliarden DMaber waren bereits im gerodeten Wald verbaut, darun-ter ein Zwischenlager für 1500 Tonnen Atommüll. DerEinsatz von CS-Gas und die Überlastung der Polizei-angehörigen hatten vier Menschenleben gekostet.

Seit 1989 ging in Deutschland kein neues Atomkraft-werk in Betrieb. Um die vorhandenen weiter zu betrei-ben, haben Bundesregierung und Stromwirtschaft be-

schlossen, große Standortzwischenlager zu errichten.Der Kampf gegen den Atommüll hat sich von Wackers-dorf nach Grafenrheinfeld, Gundremmingen undNiederaichbach verlagert.

Im Frühjahr 1979 untermauerte der Bund Natur-schutz sein Nein zur Atomkraft und nannte zwei ener-giepolitische Auswege: die Energieeinsparung und dieSolarenergie. Zur gleichen Zeit zeigten alle handelsüb-lichen Prognosen zum Energieverbrauch steil nachoben – ein schwerer Stand für die Position des BN. Dertatsächliche Energiebedarf blieb weit unter den Prog-nosen. Doch die Energiepolitik wurde unnötig lange infalsche Richtungen gelenkt.

Nur erneuerbare Energien machen SinnEine Wende hin zu erneuerbaren Energien war erst inden 1990er Jahren in Sicht. Das Einspeisegesetz von1990 brachte die Windkraft an den Markt heran. DerSolarstrom fasste in einigen fortschrittlichen Städtendurch die so genannte kostendeckende Vergütung Fuß.Den Durchbruch für den Solarstrom brachte 2000 dasErneuerbare Energien Gesetz. In Niederbayern mach-ten BN-Kreisgruppen frühzeitig darauf aufmerksamund verhalfen der Photovoltaik zu einem bundesweiteinmaligen Boom. Allein im Landkreis Landshutwurden bis Ende 2001 über fünf Megawatt Photovol-taikanlagen installiert. Eine Öffentlichkeitskampagnedes Forums Ökologie Rosenheim mit den BN-Kreis-gruppen Berchtesgadener Land, Rosenheim undTraunstein vom Watzmann zum Wendelstein brachteebenfalls über fünf Megawatt auf die Dächer undwurde mit dem Agenda-Preis ausgezeichnet. Ludwig Trautmann-Popp, BN-Energiereferent

18 Natur + Umwelt BN-Magazin [2-03]

Heiße PhaseBN-VorsitzenderHubert Weinzierlund Landrat HansSchuierer bei einerKundgebung 1985.Allein die WAA-Einwendungen aus den Reihen des Bundes Natur-schutz füllten 18 Aktenordner.

Bürger meisterlichMit seiner Aufklärungsarbeit hat der BN dazu beigetragen, dass die weitausmeisten deutschen Solaranlagen heute in Bayern stehen. Die BN-Aktion Bürger-solardächer bietet auch Bürgern, die kein eigenes Dach besitzen, die Möglichkeit,an der Entwicklung des Solarstroms aktiv teilzunehmen. Im Jahr 2002 konntendamit in BN-Kreis- und Ortsgruppen über 70 Bürgersolardächer mit zusammenmehr als zwei Megawatt Spitzenleistung in Betrieb genommen werden.

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Anti Atom – pro Solar881 000 Einwendungen warenam Ende stärker als wehrhafteBauzäune. 1989 wurde der Bau der Atommüll-Wiederauf-bereitungsanlage Wackersdorfnach neun Jahren Widerstandgestoppt. Der Bund Natur-schutz hatte schon 1979 seinNein gegen die Atomenergieausgesprochen und die Alternativen benannt.

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Bayern verplant – bewahrtAuch so könnte die bayerische Landkarte heute ausschauen. Wenn nicht der Bund Naturschutz mit seinen Mitgliedern und Aktiven und gemeinsam mit Partner-Verbänden und Bürgerinitiativen viele Jahrzehnte lang gekämpft hätte: für dieNatur, für die Landschaften, für die Umwelt – und gegen die Verschwendung von Steuergeldern. Beispiele aus fünf Jahrzehnten.

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Würzburg

Passau

Landshut

Regensburg

München

Nürnberg

Erlangen

Bayreuth

Fürth

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Bamberg

Ansbach

Augsburg

Queralpenautobahngeplant in den 1970ern

Schnellstraße B2 A-neugeplant in den 1980ern

Autobahnring München-Südgeplant seit 1972

Autobahn Kempten-Lindaugeplant seit 1973

Autobahn »B 15 neu«geplant seit den 1970ern

Autobahn Westumfahrung Nürnberggeplant in den 1970ern

Autobahn Westumfahrung Würzburggeplant seit den 1970ern

WAA Wackersdorfgeplant 1979–1989

AKW Vierethgeplant 1973–1998

AKW Pleinting bei Vilshofengeplant 1974–1976

AKW Pfaffenhofengeplant 1978 – 2001

Kohlekraftwerk Franken IIIgeplant 1980–1995

Müllverschwelungsanlage Fürthgeplant 1983–1998

Müllverbrennungsanlage Plattlinggeplant 1985 – 1990

Müllverbrennungsanlage Murnaugeplant 1972 – 1985

Müllverbrennungsanlage Hofgeplant 1982–1994

Müllverbrennungsanlage Erlangengeplant Anfang der 1990er

Magnetschwebebahn Donauriedgeplant in den 1970ern

Staustufen in der Weltenburger Engegeplant 1950 – 1952

Staustufen in der Salzachgeplant in den 1970ern

Staustufen in der Litzauer Lechschleifegeplant 1955 – 1960

Staustufen in der Donau zwischen Straubing und Vilshofengeplant seit 1966

Trinkwassertalsperre im Hafenlohrtalgeplant seit 1978

Trinkwassertalsperre im Kremnitztal geplant in den 1970ern

Hochwasserspeicher Gumpengeplant 1973 – 1978

Hochwasserspeicher Rotmaintalgeplant 1973 – 1976

Hochwasserspeicher Püttlachtalgeplant 1957 – 1988

Freizeitsee Lamitztalgeplant 1991 – 1994

Zweite Start- und Landebahn Flughafen Nürnberggeplant seit den 1970ern

Rangierbahnhof im Nürnberger Reichswaldgeplant 1972 – 1977

Müllverbrennungsanlage Lauingen/Donaugeplant 1979 – 1988

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Sie heißen Dreckspatzen, Moosfrösche und Würm-ratzen und sind in ganz Bayern zuhause. Sie halten

sich vorwiegend an der frischen Luft auf, suchenjedoch bei feuchtem Wetter auch einmal einen Unter-schlupf auf. Ihre Umwelt und die Natur nehmen siegenau unter die Lupe und leben nach dem Motto »dre-ckig aber glücklich«. Sie treten immer in Rudeln aufund werden meist von erfahrenen Muttertieren gelei-tet. Nach Schätzungen von Fachleuten leben heute, 15Jahre nachdem sie erstmals gesichtet wurden, etwa 200aktive Rudel in Bayern.

So oder ähnlich wären die Kindergruppen der Ju-gendorganisation Bund Naturschutz (JBN) wohl ineinem zoologischen Nachschlagewerk beschrieben.Bei den »Muttertieren« handelt es sich um ehrenamtli-che Leiterinnen und Leiter; von ihrem unermüdlichenEngagement lebt die Kindergruppenarbeit vor Ort. DieGruppen treffen sich wöchentlich bis monatlich zuinteressanten Tätigkeiten wie Rindenbootbau, Brotba-cken oder Kläranlagenbesuch. Diese über ganz Bayernverstreuten Aktivitätszentren bilden die Gemeinschaftder JBN. Mancherorts gelingt auch eine äußerst frucht-bare Symbiose zwischen einer JBN-Gruppe und einerKreis- oder Ortsgruppe des Bundes Naturschutz (siehez.B. »Tierhotel Trafoturm« auf Seite 32). Ein Grundstückfür Außenaktivitäten, ein Raum für schlechtes Wetter,ein paar Euro und ein begeistertes Team lassen eineOase des Natur- und Umweltschutzes und eine wirk-liche Gemeinschaft aufblühen.

Der zweite wichtige Ansprechpartner für die Kin-dergruppen ist die JBN-Landesstelle in München.Jeweils ein Bildungsreferent für Kinder, Müpfe (12- bis15-Jährige) und Jugendliche betreut die entsprechendeAltersgruppe und deren Leiter. Sie unterstützen dieehrenamtlichen Landesjugendleiter. Gemeinsam bie-tet dieses Team eine Reihe von Serviceleistungen fürKindergruppen sowie deren Leiterinnen und Leiter.Jede Gruppe, die sich neu gründet, erhält ein Infopaketmit wertvollen Tipps zur Gruppenarbeit und zum Ver-band. Auf Seminaren können sich Gruppenleiterweiterqualifizieren. Als jährliche Finanzspritze zahltdie Landesstelle pro Gruppe 120 Euro.

Frechdachse im wilden WaldIm Herbst treffen sich alle Kindergruppenleiter der JBNzur Landesversammlung. Die Leiter stellen ihre Projek-te vor, Fachreferenten sprechen über spannende The-men. Jeder kann neue Anregungen für die Aktivitätenseiner Gruppe mitnehmen, Gleichgesinnte kennenlernen sowie eigene Ideen einbringen. Wer sich nochweiter engagieren möchte, kann im Arbeitskreis »Kin-der« Projekte planen und umsetzen, natürlich netteLeute treffen und viel Spaß haben.

Ein ganz besonderes Erlebnis für eine Kindergruppeist das alljährliche Kindersommerlager. Ein spannen-des, abwechslungsreiches Programm sorgt dafür, dassalle Teilnehmer unvergessliche Erlebnisse und vieletolle Ideen mit nach Hause nehmen. Dieses Jahr gehtes in den Nationalpark Bayerischer Wald. Unter demMotto »Wilder Wald« dreht sich alles um Wildnis, umKatastrophen, die keine sind, und um die Menschen imBayerischen Wald. Alle JBN-Kindergruppen sind herz-lich eingeladen. (göß)

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Spaßige DrecksarbeitBatzig zur Sache ging’s im Kindersommerlager 2002 »Aben-teuer Grüne Hölle – Eine Reise in den KindernationalparkDonauauen«. Dort lernten die Kinder nicht nur, dass sich aus Donaulehm prima Krokodile bauen lassen. Gemeinsammit ihren Betreuern unterstützten sie auch den Einsatz des BN für den frei fließenden Strom.

Angebote2003 für Grup-pen und Leiter30. 5. bis 1. 6.

Expeditionen ins Tierreich (Naturkundliches Seminar)27. bis 29. 6. Naturerlebnisferien(Seminar zum Thema: Wie organisiere ich eine kleine Freizeit)27. 7. bis 1. 8. Großes Kinder-sommerlager »Wilder Wald«

24. bis 25. 10. Landesversammlungund Tagung »Aus der Praxis für die Praxis«25. bis 26. 10. Arbeitskreis Kinder28. bis 30. 11. Erlebnis Kindergruppe(Basiskurs für Leiter)Fragen und Anmeldung: BerndScheuerlein, JBN, Trivastr. 13,80637 München, Tel. 0 89 - 15 98 96-36, Fax -33, [email protected],Internet www.jbn.de.

15 Jahre Kindergruppen in der JBN

Von Dreckspatzenund Würmratzen

200 Kindergruppen des Bundes Naturschutz sind in Bayern aktiv. Die Jugendorganisation

des BN unterstützt sie mit Rat und Tat,mit Info und Euro. Von Bernd Scheuerlein,

pädagogischer Mitarbeiter der JBN.

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Page 21: 90 Jahre BUND Naturschutz

Botschaftfür die Herzen90 Jahre Rackern fürNatur und Umwelthaben das Land

geprägt. Der Bund Naturschutz hataber nicht nur das ökologischeKapital Bayerns tatkräftig und füralle sichtbar gemehrt. Er hat seineBotschaft »pro Umwelt« auch in dieHerzen und Köpfe der Menschengetragen. Umweltschutz ist schließ-lich Einstellungssache. Wer auf den richtigen Kurs wechselt, für densind Kröten, Spinnen und Fleder-mäuse keine Feinde, sondernFreunde. Mit dieser klaren Philoso-phie des »Anwaltes der Umwelt« hatsich der BN in einem sehr bewegtenJahrhundert behauptet und unter-schiedlichen Weltbildern nachhaltigund zielstrebig Paroli geboten. Ichgratuliere dem BN ganz herzlich zuseinem runden Geburtstag undwünsche ihm, dass er seine Bot-schaft durchsetzungsstark und dau-erhaft in die Zukunft tragen kann –so wie eben Unkraut wächst, blühtund gedeiht!Hartmut Stumpf,UNKRAUT- Moderator

Auf die nächsten 90!Mit dem BN bin ichjournalistisch großgeworden, und ichmuss sagen, die 90merkt man ihm nicht an. Im Gegen-teil: Er hält all diejenigen (Beobach-ter oder Aktiven) auf Trab, die ange-sichts der weit verbreiteten Igno-ranz gegenüber dem Umweltschutzzu resignieren drohen. Auf dienächsten 90!Herbert Fuehr,Nürnberger Nachrichten

Starke MenschenDem Bund Natur-schutz habe ich vielzu verdanken, dennzum ökologischenBewusstsein kam ichdurch den gemein-

samen Kampf gegen den RMD-Kanal. Seitdem ist der BN für meineFamilie und mich zur gesellschafts-politischen Heimat geworden undbeeinflusst zwangsläufig unser täg-

liches Handeln: die Liebe zur Natur,das Engagement für ökologischerzeugte gesunde Lebensmittel,konkret die Umstellung des Betrie-bes zur Öko-Brauerei aus Überzeu-gung. Das wünsche ich dem BN:starke Menschen, die den Rest derWelt mit ihrer positiven Haltunganstecken!Martha Krieger, Öko-Unter-nehmerin, Riedenburger Brauhaus

Kompetenz und LiebeSo vitale 90-Jährigewie der Bund Natur-schutz geben unsallen Zuversicht undMotivation für engagierte Natur-schutzarbeit. Herzlichen Glück-wunsch zum Jubiläum und einendicken Dank an alle, die sich immerwieder mit Kompetenz und Liebefür die wertvolle Natur und Land-schaft unseres schönen Bayern ein-setzen. Wie wäre doch Bayern grauund öd, laut und dreckig, wenn wirnicht diesen lebendigen BN hätten!Die Verhinderung der Wiederaufar-beitung in Wackersdorf, der Erhaltder frei fließenden Donau, die Ein-bürgerung von Biber und Luchs, derNationalpark im Bayerischen Wald,der Erhalt des Hafenlohrtals … DieListe der Erfolge ist lang und lässtsich mit vielen regionalen Erfolgenfortsetzen. Der BN scheut sichnicht, auch brisante politische Ent-wicklungen anzusprechen, um soNaturzerstörung und Ressourcen-verbrauch zu stoppen. An Aufgabenund Herausforderungen mangelt esauch in Zukunft nicht, denken wirnur an die Umsetzung von Natura2000 und die Wasserrahmenricht-linie, an Klima-, Hochwasser- undBodenschutz. Ich freue mich aufweitere gute Zusammenarbeit und wünsche viele künftige runde,vitale Geburtstage.Ruth Paulig, BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN, MdL

Hoffnung auf HoffnungWir leben in bedrohlichen Zeiten.Was heute gilt, ist morgen verwor-fen. Und im Irak-Krieg wurden end-gültig die Hoffnungen auf Vernunftund Humanität in unserer Zeit vonbeiden Kombattanten in die erste

Hälfte des 20. Jahrhundertszurückgeschossen, zurück-gebombt. Die Erkenntnissevon Konrad Lorenz, dasVerhalten des Menschenhätte sich nicht kongruentzur rasanten Entwicklungseines Gehirns verändert, findetgegenwärtig erschütternde Bestäti-gung. Der Faustkeil aus Neandertalist die Präzisionsbombe des HerrnBush … Ob derzeit auch nur einerunserer verantwortlichen Politikerdie Marginalie eines 90. Geburts-tages des Bundes Naturschutzernsthaft wahrnimmt? Und dochwird dieses Datum einmal mehrGewicht haben als viele prominentepolitische Gedenktage. Unsere Kin-deskinder, sofern sie sich überhauptnoch als Teil der Schöpfung begrei-fen können, werden wissen, wemsie lebenswertes Leben zu dankenhaben: Der BN ist einer der Väterder globalen Umweltbewegung, aufderen Fahne steht »Kämpft, damitwir Hoffnung auf Hoffnung haben!«Ich gratuliere von ganzem Herzen.Baron Enoch zu Guttenberg,Dirigent

Blick für ZukunftsthemenHerzlichen Glückwunsch zum90. Geburtstag! Bitte behalten Sieauch künftig Ihren klaren Blick fürwichtige Zukunftsthemen, wie etwa das Flächensparen. Denn: Wiegedankenlos gehen wir doch mitdem Raum um, der uns in Deutsch-land zur Verfügung steht. Indem wir Naturräume immer mehr durchBauten zersiedeln und durch Stra-ßen zerschneiden, stören wir die für uns Menschen so wichtigenNaherholungsgebiete und zerstörenLebensräume für Pflanzen undTiere. Deshalb: Nur eine durch-dachte Flächennutzung sichertlangfristig den Schutz der Natur.Raumordnung und Landesplanungstellen dafür die Weichen.

Prof. Dr. AndreasTroge, Präsident desUmweltbundesamtes

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Alles Gute, Bund Naturschutz!

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22 Natur + Umwelt BN-Magazin [2-03]

Den Vögelein im Walde lauschen… zuerst daheim im Sessel und dann draußen in derNatur: Mit den beiden Vogelstimmen-CDs erkennen Siedie Stimmen unserer gefiederten Freunde schnell undsicher wieder. Für Vogelliebhaber ein Muss, und auch zumEntspannen ideal.

Ihr Geschenk für den Bund Naturschutz

Zum Geburtstag – ein neues MitgliedLebenslustige Menschen, Freunde des Lebens, Bund Naturschützer. Nurdank seiner Mitglieder hat der Bund Naturschutz seit 90 Jahren die Kraft,Bayerns Schönheiten zu bewahren.Machen Sie dem BN jetzt das schönste Geburtstagsgeschenk: Finden Sie neue Lebensfreunde, werben Sie ein Neu-Mitglied. Als Dankeschönerhalten Sie eine Jubiläumsprämie Ihrer Wahl.

Die Welt im TaschenformatSo klein, so weit, so gut: Mitdem BN-Taschenfernglaserleben Sie die schönstenAugenblicke in der Naturhautnah. Die achtfache

Vergrößerung eröffnet Ihnenein ruhiges Bild auf die Schönheitenvon Tieren und Landschaften.

Willkommen auf derSeite des Lebens!Sie haben einen Freundoder Bekannten davonüberzeugt, ein Freunddes Lebens zu werdenund dem Bund Natur-schutz beizutreten? –Einfach gemeinsam diebeigeheftete Beitritts-karte ausfüllen undabsenden.Vielen Dank!

Werben und gewinnenAchtung! Geht diebeigeheftete Beitrittserklärung bis 31. Juli 2003 bei uns ein, nehmen Sie als erfolgreicher Werber an derVerlosung einer traumhaften BN-Reise teil! Das Ziel derReise bestimmen Sie. Einfach in den BN-Reisekatalogschauen und auswählen. Für zwei Personen und imWert von 1600 Euro – zum Beispiel nach Ligurien, in die Hohe Tatra …Der BN-Reisekatalog ist erhältlich bei der BN ServiceGmbH, Spitalstr. 21, 91207 Lauf, Tel. 0 91 23-9 99 57-0,Fax -99, [email protected],www.service.bund-naturschutz.de.

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Der Stuben-Biber fürZuhausGanz »echt« ist erzwar nicht und auch keinTiger – im Unterschied zu seinenAnverwandten in freier Wildbahn aber jederzeitbereit zum Knuddeln: Der BN-Stubenbiber. 20 cmgroß mit wunderbar weichem Biberfell aus Plüsch.

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Große Jubiläumsaktion

90 Jahre – 90 Hektar

90 Jahre Bund Naturschutz. Mit Ihrer Hilfe wollen wir in diesem Jubiläumsjahr 90 Hektarwertvollste Biotope durch Ankauf dauerhaftschützen und damit vielen bedrohten Arten helfen. Ein Geschenk für Bayerns Natur.

Stille Bergwälder, friedliche Seen, zauberhafte Mooreund Fluss-Auen voll pulsierenden Lebens – noch

gibt es sie: Stücke intakter Heimatnatur. Doch die klei-nen und großen Naturwunder, die den Charakter derbayerischen Landschaften ausmachen, schwindenimmer mehr. Wir meinen, unsere Heimat muss ihrnatürliches Gesicht behalten dürfen. Damit auch unse-re Kinder und Enkel sich an der Vielfalt des Lebens, annaturnahen Wäldern, bunten Wiesen und in der Luftblitzenden Libellen freuen können.

Oft besteht die einzige Möglichkeit, unsere letztenNaturschönheiten zu beschützen, darin, gefährdete

Teichlberg – Rückzugsraum für Storch und LuchsAm Südabfall des Teichlbergs im Landkreis Tirschen-reuth liegt ein Mosaik aus naturnahen Laubwäldern,aus Basaltblockschutt, Quellgebieten, Waldwiesen,Gebüschen und Tümpeln. Dort findet man seltensteArten wie Schwarzstorch, Uhu, Waldschnepfe, Hohl-taube, Sperlingskauz, Rauhfußkauz, Kreuzotter undMoorfrosch. Das naturnahe Gebiet gibt sogar demLuchs eine lange verlorene Heimat zurück. Um dieseseinmalige Gebiet für die Zukunft zu sichern, müssenwir jetzt zehn Hektar Schlüsselflächen ankaufen. Bitteunterstützen Sie uns dabei, die notwendigen 80 000Euro aufzubringen!

Bitte helfen Sie uns, die Naturschönheiten Bayernsmit ihrer einzigartigen Vielfalt seltener Tiere undPflanzen zu beschützen! Herzlichen Dank.(Einen Überweisungsschein für Ihre Spende finden Sieanbei eingeheftet.)Ihr Prof. Dr. Hubert Weiger, BN-Vorsitzender

Donau-Ried – Bayerns Vielfalt beschützenDie Feuchtgebiete Mertinger Höll und Ruten imDonau-Ried beherbergen eine enorme Vielfalt seltenerTiere und Pflanzen. Der vom Aussterben bedrohteGroße Brachvogel findet hier eine letzte Zuflucht.Doch Austrocknung und belastetes Wasser bedrohendas Idyll. Um das Überleben von Brachvogel, Kiebitzund Weißstorch noch zu sichern, müssen wir dringenddie Wiesen und Moore erhalten und miteinander ver-netzen. 40 Hektar angekaufter Schutzflächen sind dafürnotwendig. Dafür muss der BN 61 200 Euro als Eigen-mittel aufbringen. Das schaffen wir nur mit Ihrer Hilfe!

Biotope käuflich zu erwerben. Für den Naturschutzangekaufte Flächen kann niemand mehr zerstören. Miteinem durch Ankauf gesicherten Biotop bewahren wirzugleich ein Stück unverwechselbare Landschaft sowieTiere und Pflanzen verschiedenster bedrohter Arten.Angekaufte Schutzflächen sind der sicherste Weg, Hei-matnatur zu erhalten, umfassend und dauerhaft. Fürdiese drei Ankaufs-Projekte benötigen wir Ihre Hilfe:

Steinachtal – das Naturparadies bewahrenDas Steinachtal und die Linder Ebene erstrecken sichüber die bayerischen Landkreise Coburg, Kronach undLichtenfels sowie den thüringischen Landkreis Sonne-berg. Bunte Brachflächen, naturnahe Fließgewässerwie die Föritz und von Seerosen bedeckte Waldteichebilden ein stilles Naturparadies. Über 40 stark gefähr-dete oder vom Aussterben bedrohte Tier- und Pflan-zenarten leben hier: von der Bachmuschel über dasBraunkehlchen bis zur Grünen Keiljungfer. Jetzt habenwir die Chance, 50 Hektar dieser unersetzbaren Bio-topflächen zu sichern und damit Tiere und Pflanzendauerhaft zu schützen. Die Landwirte und Grundbesit-zer sind verkaufsbereit – um diese Chance zu nutzen,benötigen wir jetzt dringend Ihre Unterstützung!

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Nachdem 1872 bereits der Yellowstone-National-park in den USA gegründet war, begann im Jahr

1911 eine Diskussion über die Schaffung eines Natio-nalparks im Böhmerwald. Aber erst 1965 kam es zueinem legendären »Gipfeltreffen« tschechischer, öster-reichischer und deutscher Naturschützer auf demDreisessel, und die Diskussion begann erneut im Früh-jahr 1966. Es war in Ostafrika, wo ich mit ProfessorBernhard Grzimek über eine Passage seines Buches»Wildes Tier, Weißer Mann« diskutierte, in der er dieMöglichkeit der Schaffung eines Nationalparks inMitteleuropa bezweifelte. Wenige Zeit danach, imFrühjahr 1966, durchstreiften wir intensiv den InnerenBayerischen Wald; der Nationalpark-Fachmann revi-dierte daraufhin seine Befürchtung.

Kurz danach trugen wir diese Idee dem BayerischenMinisterpräsidenten Alfons Goppel vor. Damit wurdeeine lebhafte politische Diskussion eröffnet, dieschließlich nach vier Jahren, 1970, zur Gründung desersten Nationalparks im Bayerischen Wald führte. 1991wurde diese Idee noch gekrönt durch die Schaffung des tschechischen Nationalparks im Böhmerwald.Schließlich gelang es im Jahre 1997, den Nationalparkim Bayerischen Wald auf die beinahe doppelte Flächevon nunmehr 23 000 Hektar zu erweitern.

Der weite BlickEhrlich gesagt, keiner unter uns, die wir Ende der1960er Jahre die jahrelang währende Leidensgeschich-

te auf dem Weg zu diesem Nationalpark mit-erlebten, hatte damals geglaubt, dass ausdem ungeliebten Kind der BayerischenStaatsforstverwaltung einmal das viel ge-rühmte Aushängeschild der Staatsregierungwerden sollte. Wer erinnert sich noch andiese hitzigen Debatten, als wir um denSchutz der Altbestände vor dem gierigenZugriff der Motorsägen rangen? Entschei-dend für den Durchbruch der Nationalpark-idee war, das ist unbestritten, der Weitblickdes 1970 neu ins Amt gekommenen Land-wirtschaftsministers Dr. Hans Eisenmann,der über seinen Waldnationalpark bis zum

Tode die schützende Hand gehalten und sogar so un-populäre Naturschutzmaßnahmen verfügt hat wie dasLiegenlassen großflächiger Windwürfe, damit sich dieNatur zurückentwickeln konnte. Dass diese Entschei-dung richtig war, ist heute unstrittig.

Bundespräsident Roman Herzog hat dies am 7. Ok-tober 1995 knapp und präzise ausgedrückt, als er sagte:»Wir müssen wieder lernen, dass man die Natur nichtnur nutzen, nicht nur ausnutzen kann, sondern dassman die Natur auch einfach liegen lassen kann, entge-gen allen vermeintlichen Erkenntnissen der deutschenForstwirtschaft.« Zugegeben, als studierter Forstmannhabe ich Verständnis für die Identitätskrise manchesForstkollegen, wenn er erkennen muss, dass der Waldauch ohne uns, und oftmals sogar viel besser undnatürlicher wächst.

Altes EuropaDer große Wald im Herzen Europas, der herzynischeWald der Römer, ist ein in sich geschlossener, großer,naturnaher Lebensraum. Der demokratische Aufbruchin Osteuropa, die Beseitigung des Grenzzauns zwi-schen Bayern, der Tschechischen Republik und Öster-reich haben den Naturraum am ehemals EisernenVorhang wieder zur Einheit werden lassen. Jetzt ist dieZeit gekommen, die Vision des grenzüberschreitendenNationalparks, wie wir sie bereits zur Zeit des PragerFrühlings entwickelt hatten, als Natur schützende undVölker verbindende Idee zu verwirklichen.

Denn es steht nicht weniger auf dem Spiel als dieletzte Chance, das größte zusammenhängende Wald-gebiet in Mitteleuropa und damit ein Stück abendlän-discher Kultur der Nachwelt zu erhalten. Die nächstenGenerationen werden uns nicht danach fragen, wieviele Autobahnen, Schifffahrtskanäle oder Kernkraft-werke wir zurückgelassen haben, sondern wo der Waldgeblieben ist. Hier schlägt das Grüne Herz Mitteleuro-pas, hier entspringen Quellen der abendländischenKultur, die auch eine Waldkultur ist.

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GipfeltreffenHubert Weinzierl (links) und Professor Wolfgang Haber(Mitte) erläutern 1969 vom Lusengipfel aus Politikern dasGebiet des geplanten Nationalparks.

Erfolgreicher WegDer NationalparkBayerischer Wald,hier ein Fußwegzum Rachel, stehtheute für interna-tionales Renom-mee im Natur-schutz ebenso wiefür große Beliebt-heit bei Erholungs-suchenden undnicht zuletzt fürden wirtschaft-lichen Erfolg einerganzen Region.

Nationalpark Bayerischer Wald:Eine Vision wurde Wirklichkeit

Das Grüne Herz EuropasDie Geschichte des Nationalparks im Bayerischen

Wald ist noch etwas älter als der Bund Naturschutz.Und doch ist sie vor allem eine Erfolgsgeschichte

des BN. Von Hubert Weinzierl, BN-Ehrenvorsitzenderund ein »Vater des Nationalparks«

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Initiiert hatte das erste deutsch-deutsche Natur-schützertreffen nach der Wende Prof. Hubert Weiger

vom Bund Naturschutz (BN). Und auch die Grundideezum Grünen Band stammte aus den Reihen des Ver-bands. Schon seit Jahren war der Ornithologe Dr. KaiFrobel Vogel-Seltenheiten hinter den Grenzanlagen aufder Spur, wenn auch nur mit dem Fernglas. Er blickte ineine ökologische Schatzkammer. Feuchtwiesen, Ma-gerrasen, Moore, Wälder, Uferzonen lagen gleich einerPerlenkette aufgereiht an einem Brachestreifen querdurchs Land. Eine historische Chance!

An sich war es gewagt, die Grenze, auf welche Weiseauch immer, schützen zu wollen. Trotzdem stieß dasGrüne Band in Politik und Öffentlichkeit auf offene

durch das Raster des behördlichen Naturschutzes fal-len oder die Zeit drängt, gehen der BN und seinBundesverband BUND auf eigene Faust vor. Mit Spen-dengeldern haben sie bereits über 130 Hektar erwor-ben, die fürs Grüne Band unverzichtbar sind.

Große VisionFrischen Wind brachte das neu gefasste Bundesnatur-schutzgesetz, das überregionalen Biotopverbund for-dert. So konnte der BN im Auftrag des Bundesamts fürNaturschutz die erste vollständige Biotopkartierungdes Grünen Bandes vornehmen. Demnach sind auchheute noch 85 Prozent unbeeinträchtigt. Und fast dieHälfte der Fläche beherbergt Biotoptypen, die laut

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Spuren im BandOhne Schutz wäredas Grüne Band,Deutschlandsgrößter Biotopver-bund an der ehe-maligen Grenze,bald Vergangen-heit. Noch 85 Pro-zent sind heuteintakt, aber erstein Drittel stehtunter rechtlichemSchutz. Im Juni2002 machteHubert Weiger,hier mit MichailGorbatschow,BUND-Vorsitzen-der AngelikaZahrndt undBundesumwelt-minister JürgenTrittin, erstmalsdie Idee »GrünesBand Europa«publik.

Das Grüne Band

Grenzfall imNaturschutz

Wendezeit im Dezember ’89. Politisches Tauwetter hat den »Eisteich« erfasst. In der Hofer Gaststätte feilen 400 Naturschützer aus Ost und West an einer Vision: Aus der mörderischen innerdeutschen Grenze soll ein lebendiges Symbol der Einheit werden – und zugleich der größte Biotopverbund Deutschlands.

Ohren. Doch der schlüsselfertige Naturkorridor littunter den Erfordernissen und Wirren der Wendezeit.Bald war er vielfach von Landstraßen, Autobahnen zer-schnitten, legal oder illegal beackert oder sogar vonGewerbegebieten angenagt. Ohne Lobby, so zeigtesich, hatte das Grüne Band keine Chance. Deshalbmachte es der BN zu einem seiner wichtigsten Projekte.

Spenden retten LebenDoch Naturschutz auf 1400 Kilometer Strecke ist einPräzedenz- und Grenzfall: Mangelnde gesetzlicheGrundlagen, eine Vielzahl von Zuständigkeiten, Akteu-ren und Hemmnissen bremsten die Ausweisung vonSchutzgebieten. Da waren Traktoren und Bagger oftschneller als die Kartierer.

Um die Aktivitäten besser abstimmen zu können,gründete der Verband eigens ein Projektbüro. UnterLeitung von Dr. Liana Geidezis und Dr. Kai Frobel koor-diniert und plant es bundesweit Pressearbeit, Ausstel-lungen, Kunstaktionen, Grundstückskäufe und nichtzuletzt die Zusammenarbeit mit Partnern. Mit Erfolg:Das Grüne Band ist als Schutzziel etabliert, ein Drittelsteht rechtmäßig unter Schutz. Wo wertvolle Flächen

Roter Liste als gefährdet gelten. 32 Abschnitte geltennun als bundes- oder landesweit bedeutsame Schwer-punkt- und Entwicklungsgebiete – zusammen überdrei Viertel der Fläche. Aber für einen überregionalenBiotopverbund sind im Prinzip alle Flächen relevant,auch die scheinbar wertlosen. Es lohnt sich, die Lückenzu schließen.

Ein Quantensprung für alle Schutzbemühungenwäre, wenn sich die Bundesregierung an den Koali-tionsvertrag erinnerte. Dort versprach sie, ökologischbesonders wertvolle Bundesliegenschaften wie imGrünen Band zu »sichern«. Sie müsste dazu lediglichdie bundeseigenen Flächen den Ländern oder Natur-schutzverbänden kostenlos und zweckgebunden über-tragen. Knapp zwei Drittel des Grünen Bandes wärenauf einen Streich gerettet.

Die jüngsten Visionen des BN gehen über die Reso-lution aus dem »Eisteich« weit hinaus. Seit im vergan-genen Sommer Michail Gorbatschow die Schirmherr-schaft für das Grüne Band übernommen hat, wird eszusehends international. Der Eiserne Vorhang als Vor-lage? Es gibt viel zu tun zwischen Eismeer und Adria.Tino Schlagintweit

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I rgendwann während unseres Spaziergangs über die-sen paradiesischen Einödhof führt mich Stephan

Kreppold an eine Stelle mit weitem Blick ins Umland.Hier eröffnet sich der ganze Reiz der sanftbuckeligenLandschaft zwischen Dachau und Aichach, die Schwa-ben und Oberbayern miteinander verbindet. Doch derBio-Bauer macht mich auf etwas anderes aufmerksam.»Schade nur«, sagt er, »dass wir auf unserer Öko-Inselvon 10 000 armen Schweinen umzingelt sind.« Dabeideutet er auf drei, vier ringsum gelegene, blendendweiß getünchte Hallen – Großmastbetriebe, in denenjeweils 1000 bis 2000 Tiere ihr tristes Leben fristen.

Was muss das für ein Gefühl in einem Menschenauslösen, den ich nur wenige Momente zuvor erlebte,wie er am Laufstall dem massigen Stier namens Fran-ziskus aus seiner Herde von knapp 100 Angus-Rindernfast zärtlich über Stirn und Nase strich? Bei einem Bau-ern, der in einem Nutztier mehr sieht als nur Schlacht-vieh. Der weiß, dass der würdelose Umgang mit denTieren auch die Würde seines Berufsstands in Fragestellt. Und der das in sich spürt, was auch seine FrauTheresia später in wenigen Worten zum Ausdruckbringt: »Überall bei unserer Arbeit treffen wir auf Be-seeltes: in den Tieren, in den Pflanzen und im Boden.«

Un-konventionelle LandwirteFür Theresia und Stephan Kreppold, 53 und 57, gibt eskeine erstrebenswerte Alternative dazu, Bäuerin undBauer zu sein. Und dennoch stehen sie seit über 20 Jah-ren in offenem Widerspruch zu dem, was sich konven-tionelle Landwirtschaft nennt. Ihr Bioland-Hof, ein100-Hektar-Ackerbaubetrieb mit extensiver Rinderhal-tung, einem großen Gemüsegarten und einem florie-renden Hofladen, ist zu einem überzeugenden Gegen-modell des allgemeinen »Wachsens oder Weichens«geworden.

Die Entwicklung des traditionsreichen Familienbe-triebes lässt sich als eine Erfolgsgeschichte des ökolo-gischen Landbaus beschreiben, der heute in Bayernetwa 4000 Betriebe auf einer Fläche von 100 000 Hektarumfasst. Natürliche Vielfalt, fruchtbarer Boden undgesunde Ernährung waren die Schlüsselbegriffe derÖko-Pioniere, die inmitten einer immer lebensfeind-licheren Umwelt ein Stück heile Welt schaffen wollten –so auch das Ehepaar Kreppold. Weitere Motive kamenhinzu, wie etwa der Mut zum regionalen Wirtschaften,das politische Engagement im Bund Naturschutz oderdie Lust, eine angepasste Technik für den Bio-Landbauzu entwickeln.

Die weibliche WendeDoch all das genügte nicht, um daraus auf Dauer Kraftfür die Zukunft zu schöpfen – vor allem genügte es The-resia nicht. Sie, die Bäuerin gelernt und Sozialpädago-gik studiert hatte, begann irgendwann, das Leben aufdem Lande mit »typisch weiblichen« Komponenten zubereichern: Feste im Jahreskreis, meditative Tänze unddas Erzählen volkstümlicher Märchen waren äußereZeichen ihrer Sehnsucht nach einer umfassenderenPersönlichkeit. Davon ließ sich auch ihr Mann anste-cken, dessen große bildhauerische Figuren seitdem dieGäste am Hof empfangen.

Der Öko-Landbau, so lehrt das Beispiel, bringt nichtnur die Natur auf den Bauernhof zurück, sondern auchetwas des ganzheitlichen Lebens von einst. Aber es istein anderes Selbstbewusstsein, das daraus erwachsenist, und eine neue Kultur, die jetzt gepflegt wird – undauch gefeiert. »Uns geht es so gut«, strahlt Stephan,»dass wir das mit anderen teilen möchten.« Deshalblädt er mich auf das nächste Hoffest ein, wo alles zu-sammenkommt: die Politik und das Essen, die Musikund das Handwerk, die Kunst und die Kuh, der Bauerund der Pfarrer, die Landfrau und die Verbraucherin,die Tiere und die Kinder, das Kabarett und die Mär-chen.

Dann erzählt Theresia vielleicht auch vom »Kürbis-kind« – und gibt so etwas von dem Geheimnis preis,warum die Saat unter ihren Händen so prächtig auf-geht oder warum der von Stephan kultivierte Ackermehr gibt als genug. »Es lebten einmal ein Mann undeine Frau«, beginnt das Märchen. »Eines Tages säte dieFrau einen Kürbiskern aus. Bald war daraus eine hüb-sche, kräftige Pflanze gewachsen, und ein kleiner Kür-bis hing daran. Sie tauften ihn ihr ›Kürbiskind‹ undfühlten sich glücklich und reich …«

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Neues vom Lebenauf dem LandAuf ihrem Bioland-hof fördern The-resia und StephanKreppold auch den Umgang mitneuen Energienund neuer Kunst.

KontaktTheresia und Stephan Kreppold,Wilpersberg 1,86551 Aichach,Tel. 08258-211,Fax 08258-1061

Theresia und Stephan Kreppold

Vom Märchen,dass Bauer zu seinkeine Kunst ist

Naturschutz lebt vonMenschen – und vonMärchen. Zumindestauf dem Bio-Bauern-hof von Theresia undStephan Kreppold,wo das Bodenlebenebenso gepflegt wirdwie das kulturelle.Deshalb gedeihenhier nicht nur diePflanzen, auch dieMenschen blühenauf. Ein Portrait vonChristoph Markl-Meider

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E inen Schlafwagen von Nürnberg nach Moskau? –Keine Chance, dafür haben wir keine Rangierer

mehr am Bahnhof …« Es ist schwer geworden, inDeutschland Visionen zu verwirklichen. Alle redendavon, aber wenn es konkret wird, gilt das »Geht nicht– gibt’s nicht« schnell nicht mehr.

Vor fünf Jahren ist die Bund Naturschutz ServiceGmbH angetreten, den wirtschaftlichen Geschäftsbe-trieb des BN zu übernehmen, dabei den ökologischenPositionen des Verbandes gerecht zu werden undumfangreiche Service-Leistungen vor allem für die BN-Mitglieder anzubieten. In einer langen Reihe von Auf-gaben – Anzeigen-Akquise, Druck- und Verlagsabwick-lung, Versand von Publikationen und Werbemitteln,Umweltmessen, Kulturveranstaltungen, Umweltbera-tung und mehr – stand von Anfang an die Organisationökologischer Reisen mit an vorderster Stelle.

Und bald war ein Traum geboren: Wenn der BNgerne Gruppenreisen in Nationalparke organisieren,dabei etwas Ausgefallenes bieten, auf Flüge aberbewusst verzichten wollte: Was lag da näher als eineErlebnisreise mit der Transsibirischen Eisenbahn zumBaikalsee im fernen Asien?

Rote Listen, grüne JobsTrotz mancher Mühen und Skepsis: Der Traum wurdeWirklichkeit, im Februar dieses Jahres bereits zumsiebten Mal. Für die BN GmbH bedeutet das mehr alssieben mal 15 300 Bahn-Kilometer. Denn im Zuge derReisen ließ sich vieles realisieren, was den Naturschüt-zern am Herzen liegt. So konnte in Kooperation miteiner sibirischen Umweltorganisation, der »Ökologi-schen Welle Baikal«, erstmals eine Rote Liste bedrohterPflanzen der Baikalregion erstellt werden. Eine Frauaus Irkutsk hat über die BN-Reisen einen Arbeitsplatzfür ökologische Exkursionsprogramme erhalten. Undüber sein Reiseangebot gewann der Bund Naturschutznicht zuletzt auch zahlreiche neue Mitglieder, diedurch ihren Beitritt in den Genuss der Mitgliederrabat-te von bis zu 100 Euro kommen.

Visionen wirtschaftlich umsetzen – das steigendeInteresse an den BN-Reisen zeigt, dass dies möglich ist.

Zugegeben, ökologisches Wirtschaften ist und bleibtstets eine Gratwanderung. Sobald Waren produziertwerden, Menschen oder Güter sich von A nach Bbewegen, ist dies mit Energieaufwand verbunden. Aberje nach Art des Transports gibt es erhebliche Unter-schiede, die die BN Service GmbH transparent macht.Mit einer neuen Verbandsposition »ÖkologischesBeschaffungswesen« versucht sie Antworten zu geben,mit ihren Produkten und Dienstleistungen bietet sieAlternativen. Denn wie könnte der Bund Naturschutzglaubwürdig gegen neue Flughafen-Startbahnen spre-chen, wenn er gleichzeitig Flugreisen anbieten würde?Wie könnte er mehr regionale Produkte einfordern,wenn seine GmbH im Nationalpark-Laden BayerischerWald Plastikspielzeug aus Fernost verkaufen würde?

Plüschbiber, garantiert heimischDen eigenen Ansprüchen auch durch zugleich wirt-schaftliches und ökologisches Handeln gerecht zu wer-den, ist nicht immer leicht. Aber immerhin: Im Früh-jahr präsentiert die BN GmbH den ersten Plüsch-Biber,der nicht aus Fernost stammt. Über eine Million Eurokonnte das Team der BN Service GmbH 2002 durchökologisches Wirtschaften umsetzen und dabei aucheinen kleinen Gewinn erzielen. Die anspruchsvolleAufgabe kann sogar Spaß bringen – viel Herzblut undgute Nerven vorausgesetzt, und Visionen.

Der Wunsch, dass der Schlafwagen für ökologischeRusslandreisen doch noch direkt ab Nürnberg startetund es somit auch wieder einen freien Rangierer imBahnhof gibt, ist vorerst ein Traum geblieben. Abervielleicht kommt ja auch in diesen Stillstand nochBewegung. Gewinnen würden alle: Die Reisenden, diedeutsche Arbeitslosenstatistik und das Image der Bah-nen. Ökologischer Service ist keine Utopie. (göß)

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Der AutorBenedikt Bisping,35, ist seit fünf Jahren GmbH-Geschäftsführer.Kontakt: BN ServiceGmbH, Spitalstr. 21,91207 Lauf, Tel.09123-9 99 57-0,Fax -99, www.service.bund-naturschutz.de

Reise-TräumeÖkologische Ver-antwortung underfolgreiches Wirt-schaften: Dieerfolgreichen BN-Reisen, hier Teil-nehmer am Baikal-see, zeigen, dasssich beides verbin-den lässt.

Fünf Jahre BN Service GmbH

Öko-Visionen wirtschaftlich umsetzenVor fünf Jahren hat der Bund Naturschutz eine GmbH gegründet. In kurzer Zeit istsie zum stattlichen Öko-Dienstleister gewachsen, mit hohen Ansprüchen an die eigeneArbeit. Benedikt Bisping über die ökologischen Visionen der BN Service GmbH

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Wer in Archive steigt und in alten Unterlagen blät-tert, kann dort zuweilen auf überraschende Aus-

sagen stoßen. Zum Beispiel diese: »Viele Verantwortli-che halten die Natur noch immer für einen miserablenVerhau, so dass wir uns als Gegenbewegung, als Oppo-sition zur Begradigung, Bereinigung und Entwässe-rung verstehen müssen. Viele Techniker sehen in derErschließung noch immer die Ordnung und nicht denKahlschlag, weil ihre Seelen so monoton gewordensind wie die Kartoffelschläge und so einfältig wie dieneuen Autostraßen.«

Das liest sich wie der Kommentar zur jüngstenRegierungserklärung von Umweltminister WernerSchnappauf. Tatsächlich aber stammt der Text aus demGründungsprogramm des Bundes Naturschutz (BN),wie es Carl Freiherr von Tubeuf 1913 verkündet hat.

In den vergangenen 90 Jahren scheint sich in SachenUmwelt- und Naturschutz also nicht viel bewegt zuhaben. Was damals schon beklagt wurde, liegt heuteimmer noch im Argen. Der Schutz der Natur und derUmwelt – so lernen wir also – ist ähnlich wie das Boh-ren dicker Bretter. Das ist die nüchterne Bilanz zum 90-jährigen Geburtstag des BN. Da haben wir nun einenJubilar, der wacker gekämpft, aber auf den ersten Blicknicht viel bewegt hat. Schon vor Jahrzehnten wurde inBayern – hoch offiziell – eine Trendumkehr beim Land-verbrauch gefordert. Fakt ist, dass Bayern im Jahre 2003auf diesem Gebiet trauriger Spitzenreiter unter denalten Bundesländern ist. Täglich werden im Freistaatrund 28 Hektar Land überbaut und versiegelt. VonTrendumkehr keine Spur.

Und weiter: Die Roten Listen bedrohter Arten wer-den immer länger, nicht kürzer. Mehr als die Hälfte derWaldfläche Bayerns ist geschädigt. Hinzu kommen Kli-maveränderungen und steigende Hochwassergefahrals Folge massenhaften Verkehrs, der immer noch wei-ter expandiert. Nur zögerlich wird Flüssen und Bächenwieder mehr Raum gegeben. Waren 90 Jahre BundNaturschutz in Bayern also für die Katz?

Ganz bestimmt nicht. Natürlich hat es Misserfolgegegeben. Aber Naturschützer, so hat der ehemaligeBN-Chef Hubert Weinzierl einmal gesagt, sind »Trieb-täter«. Weil das so ist, haben sie sich in all den 90 Jahrennicht entmutigen lassen. Sie haben hartnäckig immerwieder Sand ins Getriebe der Verwaltung geworfen unddamit schlimme Planungen verhindert.

Ohne den BN und ohne den langen Atem derUmweltbewegung gäbe es heute vermutlich weder denAlpen-Nationalpark Königssee, mit dem vor rund 100Jahren eigentlich alles angefangen hat, noch den

Nationalpark Bayerischer Wald. Auch der weltberühm-te – und mit einem Europa-Diplom geadelte – Donau-durchbruch an der Weltenburger Enge wäre ohne dievehementen Proteste des BN in den fünfziger Jahreneinem Wasserwerk zum Opfer gefallen.

Schließlich wäre der Freistaat kaum das erste Bun-desland gewesen, das 1970 ein Umweltministeriumeingerichtet hat, wenn nicht der Bund Naturschutzimmer wieder nachgebohrt hätte. Dass die Donau zwi-schen Straubing und Vilshofen noch immer ein freifließender Fluss ist, kann sich der BN ebenfalls aufseine Fahnen schreiben, auch wenn ein letzter Rest anAngst geblieben ist.

Heute klingt es nur noch wie ein schlechter Traum,dass der BN noch in den sechziger Jahren zu seinen Sit-zungen im bayerischen Innenministerium zusammen-kam. 20 Jahre später kaufte er Sperrgrundstücke, umbesonders gefährdete Landschaftsteile dem Zugriff derPlaner und Straßenbauer zu entziehen. Und dann pro-filierte sich der einst ziemlich brave Honoratioren-Ver-ein als Gegner von Atomstrom und atomarer Wieder-aufarbeitungsanlage.

Das alles ist am Bund Naturschutz, der heute ausguten Gründen darauf beharrt, überparteilich zu sein,nicht spurlos vorüber gegangen. Da hat es heiße Dis-kussionen im Vorstand gegeben, und so mancher BN-Veteran hat verärgert sein Mitgliedsbuch zurückgege-ben, weil die Loyalität zur CSU größer war als die zurNatur. Und es hat auch so manche verbandsinterneKritik gegeben, weil der Kurs nicht immer geradlinigwar. Positionen zu überdenken und sie, wenn nötig,auch zu korrigieren, ist nicht das Schlechteste. Jeden-falls hat sich der BN engagiert in die öffentliche Diskus-sion eingebracht. Das Entstehen eines Umweltbe-wusstseins ist vermutlich der größte gesellschaftspoli-tische Erfolg des BN.

Mit der Weisheit und der Erfahrung eines 90-Jähri-gen kann der Bund Naturschutz heute festhalten, esgibt das »Sowohl« und das »Als auch«. Viel wurdeerreicht, vieles aber ist auch noch unerledigt. Es gehtnicht nur um die kleine überschaubare Welt vor derHaustür, es geht auch um das Handeln des Einzelnenin einer globalen, schwer überschaubar gewordenenWelt. Da kommt es nicht nur auf einen langen Atem an,sondern auch, Verbündete zu finden. Dies wird es sein,was die Naturschützer jetzt noch lernen und intensi-vieren müssen: Das Gespräch mit anderen gesell-schaftlichen Gruppen, mit der Wirtschaft, mit denGewerkschaften, mit den Bauern. Nur wer Mehrheitenschafft, wird etwas bewegen können.

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Christian Schneider ist Redakteur der »Süddeutschen Zeitung«. Natur- und Umweltthemen bildeneinen Schwerpunkt seiner journalistischen Tätigkeit. Für »Natur+Umwelt« wirft er einen kritischenBlick auf 90 Jahre Bund Naturschutz.

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Page 29: 90 Jahre BUND Naturschutz

Frieden mit der NaturSelten ist dieMenschheit so nach-drücklich und dra-matisch wie in die-sen Tagen daraufhingewiesen worden, dass Friedeneine zentrale Lebensqualität undwesentliche Voraussetzung für dieMoral einer Gesellschaft und dieWürde jedes Einzelnen ist. JedeNaturschutzbewegung ist auchFriedensbewegung, weil Friedenmit der Natur Grundlage und Zieleiner verantwortlichen, humanenGesellschaft ist. Wir brauchen dieVielfalt der Arten und Lebensräumein einer naturnahen, nicht überfor-derten Landschaft aus vielen Grün-den. Wir brauchen die Natur füreine erlebenswerte Zukunft in einerGesellschaft, die bereit ist, mit demNachbarn und mit der Kreatur zuteilen. Der Bund Naturschutz hatsich bei allem umwelt- und natur-schutzfachlichem Engagement seit90 Jahren für dieses gesellschaftspo-litische Ziel eingesetzt, denn jedesgerettete Biotop ist auch ein Schritthin zu mehr Menschlichkeit aufdieser Erde. Ich verbinde meinenGlückwunsch mit Dank und Res-pekt vor dem bisher Geleisteten.Ludwig Sothmann, Vorsitzender des Landesbundes für Vogelschutz

Lasst uns streiten!Auch die Naturbraucht eine Lobby,denn gerade inGroßstädten ist Flä-chenfraß eines derHauptprobleme. Der

BN ist dabei traditionell eine Bürste,die auch mal gegen den Strich bürstet – gelegentlich auch gegenmeinen, und das ist wichtig. MitBeharrlichkeit und Nachhaltigkeitkonnte schon manches im »Gro-ßen« also in der Stadt- und Landes-planung auf’s richtige Maß redu-ziert werden und vieles im Kleinen,zum Beispiel Gewässerrenaturie-rungen, verändert werden. Im 90.Jahr ist der BN damit ebenso kriti-scher wie unverzichtbarer Partnerder Politik geworden. Und für Nürn-

berg gilt weiterhin: Wenn wir unsvöllig einig sind, hat einer von bei-den was falsch gemacht, drum lasstuns weiter fröhlich und solidarischstreiten.Dr. Ulrich Maly, SPD, Oberbürger-meister der Stadt Nürnberg

Lebensschutz auch für den MenschenIch gratuliere sehr herzlich zu 90Jahren engagierter und erfolgrei-cher Naturschutzarbeit. Natur-schutz wird immer mehr zumLebensschutz für alle Geschöpfe,auch für den Menschen. In derSpanne meines Lebens haben wirdie Erdbevölkerung von zwei aufsechs Milliarden Menschen ver-dreifacht. Das ist eine gefährlicheEntwicklung. Wir haben enorm vielfür die Zivilisation, für unser Wohl-befinden getan, aber wir müssenuns davor hüten, der Natur Konkur-renz zu machen. Allein die Zunah-me von immer verheerenderenNaturkatastrophen ist ein Zeichendafür. Ich erinnere nur an die sint-flutartigen Hochwasser im vergan-genen Jahr in Ostdeutschland. Wirhaben Flüsse in schnell fließendeWasserstraßen verwandelt. Die be-gleitenden, artenreichen Auenwäl-der wurden trockengelegt, und nunfehlt das Geld, diese Eingriffe in dieNatur ausreichend zu reparieren.Die Schönheit der intakten Natur istunser aller Erbe und ich wünschedem Bund Naturschutz in Bayernweiterhin viel Erfolg bei seinerwichtigen Mission, diese Schönheitzu bewahren. Herz-lichst IhrProf. Heinz Siel-mann, Tierfilmerund Gründer derHeinz Sielmann Stiftung

Mut, Ausdauer und Gottes SegenDie Bibel bezeichnet im Schöp-fungsbericht die Erde als einen Gar-ten, der den Menschen zum Hütenund Bebauen anvertraut ist. Mitgroßer Eindringlichkeit macht dasBild des Gartens gerade modernenMenschen im Zeitalter der indus-triellen Nutzung der Erde klar, wiezerbrechlich und fragil die Gleich-gewichte in der Natur gelagert sind,

und wie sehr Gottes Schöp-fung vorsorgenden undnachhaltigen Umgangbraucht. Nicht zuletzt imBlick auf künftige Generatio-nen erklärt sich das gestei-gerte Maß unserer Verant-wortung im Umgang mit der Schöp-fung. »Wir haben diese unsere Erdevon unseren Kindern nur geliehen«,lautet die logische Prämisse. DemBund Naturschutz zu seinem 90.Geburtstag und allen Menschen, diesich im Sinne eines nachhaltigenund ökologischen Umgangs mit derNatur um die Bewahrung derSchöpfung und die Sicherung derLebensmöglichkeiten gegenwärti-ger und zukünftiger Generationenbemühen, wünsche ich von HerzenMut, Ausdauer und Gottes Segen.Dr. Dr. Anton Losinger, Weihbischof,Augsburg

Pflege der HeimatHeimatpflege – aufden Punkt gebracht– umfasst sowohl dieErhaltung der natür-lichen als auch dergeschichtlich gewor-

denen Eigenart unseres Landes.Baukultur und Landschaft, Brauch-tum und Natur, der Mensch undseine Umwelt – Faktoren, die sichgegenseitig ergänzen. So auch diebeiden Institutionen des Natur-schutzes und der Heimatpflege, diesich seit 90 Jahren im Sinne gemein-samer Aufgaben und Ziele eng ver-bunden wissen in der Forderungeines verantwortlichen Umgangsmit dem, was unser Land kenn-zeichnet und dem Menschen seineUmwelt zur Heimat werden lässt.Ohne die öffentliche Wirksamkeitdes Bundes Naturschutz wäre Bayern um Vieles, was zur Lebens-qualität beiträgt, ärmer.Hans Roth, Geschäftsführer und Vorstandsmitglied des BayerischenLandesvereins für Heimatpflege,Gründungsverein des BN

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Alles Gute, Bund Naturschutz!

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Detektive fahnden mit S-Bahn, Bus und Tram nach dem ominösen Mister X:Die Jugendorganisation des BN entdeckt spielerisch den umweltfreundlichenNahverkehr einer Stadt. Von Helge Bendl

FA N G D E N A G E N T E N !

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Sein Name ist – nein, das tut hier und jetztwirklich nichts zur Sache. Er stellt sich jaauch nicht lässig als James Bond vor, hat

kein Martiniglas in der Hand und keine leichtbekleidete Dame im Arm. Er macht ebenfallsnicht mit allerlei Peinlichkeiten als hektischerJohnny English auf sich aufmerksam. Der mys-teriöse »Mister X« – so nennen ihn voller Res-pekt Mitarbeiter und Gegner – hat nun wirklichkeine Zeit für solche Spielereien. Er ist wiedereinmal unterwegs in geheimer Mission. Undsteht jetzt trotz jahrelanger Erfahrung voreinem gewaltigen Problem. Jemand hat ihn ver-raten, die Deckung ist aufgeflogen, und eineganze Horde von scharf kombinierenden Detek-tiven jagt ihn durch die Stadt. Kann er entkom-men?

gerade aufhält. Sie haben nämlich die deutschePolizei in Form von Oberwachtmeister Schmo-rell um Unterstützung gebeten, der sie aus derZentrale mit Nachrichten versorgt. DieseZusammenarbeit zahlt sich aus, ihre Ermittlun-gen führen sie aber trotzdem – auch hier inNürnberg – selbst. Zwar sind Eva-Maria, Isabel-la, Eva, Hannah und Bella auf den ersten Blicknicht als Scotland-Yard-Mitarbeiter zu erken-nen; Passanten tippen eher auf eine ganz nor-male Gruppe von Jugendlichen. Doch das Fün-fer-Team ermittelt professionell und versucht,sich in den Agenten hineinzuversetzen: In wel-che Linie wird er wohl als nächstes umsteigen?Wo wird er sich ausruhen? Oder hält er dieDetektive zum Narren und ist längst wieder amanderen Ende der Stadt? Schnelligkeit ist

Auffällig unauffällig steht der Spion mitschwarzem Mantel, schwarzem Hut und Son-nenbrille an der U-Bahn-Station im ZentrumNürnbergs und studiert den Fahrplan. Verstecktsein Gesicht hinter den großen Lettern einerBoulevardzeitung. Hastet die Rolltreppe hinauf.Reiht sich ein in die Schlange am Fahrkartenau-tomaten. Macht auf dem Weg zur Bushaltestel-le kurz Station im Irish Pub – hier werden ihndie Verfolger von Scotland Yard wohl nicht ver-muten. Nimmt kurz entschlossen die Tram zumMarientor, um in den Menschenmassen unter-zutauchen, die rund um den Hauptbahnhofunterwegs sind. Doch es gibt kein Entkommen:Die Beamten sind ihm dicht auf den Fersen.

Denn immer wieder bekommen die Detektiveper Telefon einen Tipp, wo sich der Gesuchte

Trumpf. Die Jugendlichen erwischen am Renn-weg gerade noch die U-Bahn, gondeln miteinem Bus am Rathaus vorbei – und verpassenden Gesuchten am Nordostbahnhof nur knapp.Weiter geht die Suche – vielleicht hat ja einanderes Ermittler-Team mehr Glück.

1983 wählte eine Jury »Scotland Yard« zum»Spiel des Jahres« – die JugendorganisationBund Naturschutz (JBN) hat die Suche nachdem ominösen Agenten Mister X nun schonzum zweiten Mal in die Wirklichkeit des Nürn-berger Verkehrsverbunds übertragen. Nach derPremiere in Franken ziehen in diesem Jahrandere Gruppen in Städten wie Ulm, Würzburg,München und Passau nach. »Mister X kann nurmit S-Bahnen, Bussen und der Tram flüchten,und auch seine Verfolger dürfen nur öffentliche

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Pfingstlager: Planet der AffenMüpfe und Jugendliche

von 12 bis 27 Jahren

� 6. bis 9. Juni 2003,Forchheim Schleuseninsel BügBin ich eine Ich-AG? Oder wie hochsteht uns schon das Wasser? Geht esuns um Lebensstile? Oder brauch icheine Typberatung? Wohin führt unsder schnelle Weg? Antworten be-kommt ihr beim »Planet der Affen«,dem großen JBN-Pfingstlager zumThema »Entschleunigung«.Bitte »langsam« anmelden, also ganzschnell, Preis 75 Euro

Regional und regenerativ durch BayernJugendliche ab 16 Jahren

� 2. bis 9.August 2003,quer durch BayernAuf unserer energiepolitischen Rad-tour sehen wir uns in den herrlichenLandschaften Bayerns Beispiele füreine fortschrittliche Energieerzeugungund -nutzung an. Die Tour richtet sichan Jugendliche und jung gebliebeneErwachsene, die Urlaub und Energie-politik verbinden wollen.Anmelden bis 12. 7. 03, Preis 75 Euro

Donau-SchlauchbootfahrtMüpfe von 12 bis 15 Jahren

� 18. bis 20. Juli 2003,Abfahrt DeggendorfDie bei der JBN schon zur Traditiongewordene Donau-Schlauchbootfahrtdarf heuer, im UN-»Jahr des Wassers«,natürlich nicht fehlen. Drei Tage langwerden wir mit viel Musik, Müpfenund Mut die Donau hinunterfahrenund die erfolgreiche Verhinderung desDonauausbaus feiern. Also, Naturge-nuss auf dem Fluss ist angesagt.Anmelden bis 27. 6. 03, Preis 50 Euro

NaturerlebnisferienMultiplikatoren der Jugendarbeit

� 27. bis 29. Juni 2003, Rottenbach-Pfaffenwinkel an der AmmerWer erinnert sich nicht gern an dieerste Nacht unter freiem Himmel?Lager, Freizeiten und Fahrten gehörenzu den erlebnisreichen Abenteuerneiner Kindergruppe. Das Seminar sollKindergruppenleiter und Interessiertefür Naturerlebnisferien begeisternund methodisch befähigen, eigeneZeltlager mit Kindern durchzuführen.Anmelden bis 6. 6. 03, Preis 35 Euro

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Infos und AnmeldungJBN, Trivastraße 13, 80637 München,Tel. 0 89-15 98 96-30,Fax 089-15 98 96-33,[email protected], Internet www.jbn.de

Informationen zu den geplanten Mister-X-Spielen inMünchen (31. Mai) und Passau (14. Juni) bei der JBN,Adresse siehe Info-Ecke

Verkehrsmittel benutzen«, erklärt Silas Schmo-rell von der JBN Erlangen. Als »Oberwachtmeis-ter« ist der 20-jährige Student einer der Organi-satoren des Nürnberger Spiels und betreut dieTelefonzentrale, die den Detektiven Tipps beider Jagd nach dem Spion gibt – der muss näm-lich trotz Protesten immer wieder seinen ak-tuellen Standort mitteilen.

Bei der Jagd nach Mister X muss es also nichtimmer London sein wie beim Brettspiel. Auch inFranken oder anderen Städten Bayerns kann derGeheimdienstler schnell untertauchen. Alleindie Nürnberger S-Bahn befördert im Jahr 100Millionen Passagiere, in der ganzen Region sind168 Millionen Fahrgäste unterwegs. Und weilder Verkehrsverbund mit fast 11 400 Quadratki-lometern Ausdehnung hinter Berlin und Rhein-

gut man sich in einer Stadt mit öffentlichenVerkehrsmitteln bewegen kann«, sagt der JBN-Aktivist Schmorell. Vielleicht, so sein Hinterge-danke, könnte man mit solchen Angebotenauch neue Mitstreiter für die Jugendgruppegewinnen. Zur Mister-X-Jagd in Nürnberg ka-men dieses Mal zwar nicht so viele Teilnehmerwie erwartet – bei der Premiere im vergange-nen Jahr machten dagegen stolze 70 Teilneh-mer in verschiedenen Teams Jagd auf den omi-nösen Agenten. Der kam durch die Übermachtseiner Verfolger ganz schön ins Schwitzen undwählte die Taktik, mit der S-Bahn große Stre-cken zurückzulegen, um seine Verfolger abzu-hängen. Die hatten den Fahrplan quasi schonim Blut: Ein Teil der Detektive hatte sich einganzes Wochenende lang bei einem Seminar

Main an dritter Stelle in Deutschland steht, hatder geheimnisvolle Agent auch viel Platz zumUntertauchen. Doch die Spielleiter machendem Flüchtigen einen Strich durch die Rech-nung: Zu weit vom Stadtzentrum darf er sichnicht entfernen, damit die Jäger ihre Chancebekommen. Die müssen ihn möglichst schnellfinden, nach drei Stunden ist das Spiel nämlichvorbei und der Agent darf sich rühmen, dieErmittler ausgetrickst zu haben.

»Natürlich soll diese Aktion wie bei einemGeländespiel den Jagdinstinkt wecken undSpaß machen. Aber wir wollen auch zeigen, wie

mit den Vor- und Nachteilen des öffentlichenPersonennahverkehrs (ÖPNV) beschäftigt.

Innerhalb von drei Stunden wurde der Ge-heimdienstler damals gleich drei Mal ge-schnappt; trotz allerlei Versteckspielen hinterden Sitzen der Straßenbahn und kleinen Ver-folgungsjagden durch die U-Bahn-Stationenschlug der Arm des Gesetzes am Ende also dochzu. Die Haft im JBN-Hauptquartier in einemTurm der alten Stadtmauer scheint jedoch –2002 wie 2003 – erträglich gewesen zu sein:Gummibärchen und andere Süßigkeiten sindaus den Polizei-Protokollen als Siegerlohn be-ziehungsweise Gefangenenverpflegung über-liefert. Eine Urkunde für hervorragende Leis-tungen bei der Suche nach dem gefährlichenAgenten gibt es selbstverständlich auch.

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Unter Leitung von Tina Dornerverwandelten die Kindergrup-

pen »Eulen«, Turmfalken« und»Wildkatzen« den Trafoturm amAlteglofsheimer Dorfweiher in einregelrechtes Hotel für bedrohteTierarten. Mit großer Begeisterungund manch blauem Daumen zim-merten und befestigten die KinderNisthilfen und Nistkästen für Nutz-insekten, Turmfalken, Singvögelund Fledermäuse. Der wuchtigeSchleiereulenkasten, der im Turm

keinen Platz mehr fand, bekam ineiner benachbarten Scheune einAusweichquartier.

Mit wie viel Fachwissen diejungen Artenschützer ans Werk gin-gen, beweist ihre Bewerbung fürden Umweltpreis des LandkreisesRegensburg. Darin schreiben sie:»Die Schleiereule sucht in unsererGegend dringend Brutplätze. Diemeisten Ställe und Scheunen sind

32 Natur + Umwelt BN-Magazin [2-03]

Heimat Tongrube: Der Flächen-ankauf ist für den BN oft die einzi-ge Möglichkeit, gefährdete Biotopezu retten. Positiver Nebeneffekt:Dringend notwendige Renaturie-rungs- bzw. Optimierungsmaß-

nahmen können problemlos rea-lisiert werden. Die KreisgruppeTirschenreuth hat deshalb bislangsechs Biotope mit insgesamt 21Hektar erworben, zuletzt einenBiotopkomplex am Südabfall des Teichlberges bei Fuchsmühl.Akut gefährdet war das zehn Hek-tar große Areal durch Verfüllungund Fichtenaufforstung. Der BNwill es nun gezielt optimieren.Davon profitieren so seltene Artenwie Schwarzstorch, Uhu, Hohltau-be, Raufußkauz, Kreuzotter undsogar der Luchs. Die stattlichen80 000 Euro Grunderwerbskostenwird der Bayerische Naturschutz-fonds dankenswerterweise mit 85 Prozent bezuschussen.

Sei kein Frosch: Amphibienschutzmit Frosch Felix und der Wasser-kreislauf standen auf dem Pro-gramm des »Agenda-Parcours2003« im Oberpfälzer Freilandmu-seum Neusath-Perschen, der imMärz anlässlich des Weltwasserta-ges und des Internationalen Jahresdes Süßwassers stattfand. Zusam-men mit dem »Forum für Umwelt,Kultur und Soziales« (FUKS) be-treute die Kreisgruppe Schwandorfdort zwei von 14 Stationen des

Wasser-Parcours. 65 Schulklassenmit über 1800 Kindern aus der gan-zen Oberpfalz nutzten begeistertdas interessante Angebot, das ohneerhobenen Zeigefinger für dieBedeutung und Gefährdung desnassen Elements sensibilisierte.N

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Brutplatz gesucht… und gefunden: Turmfalken bekamenNistkästen im Alteglofsheimer »Tier-hotel«, Schleiereulen nebenan in einerScheune.

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Mehr zum Wasser-ParcoursInformationen über die Gemein-schaftsaktion des BN Schwandorfund des »FUKS« gibt es im Internetunter: www.umwelt-fuks.de/aktuell.html

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Kreisgruppe Regensburg

Tierhotel TrafoturmUnkonventionelle Aktionen einzelner Kreis- oder Ortsgruppen ent-puppen sich oft als Erfolgsprojekte des Bundes Naturschutz von lan-desweiter Bedeutung. Bestes Beispiel dafür ist das »Tierhotel«, dasdrei Regensburger Kindergruppen in Alteglofsheim eingerichtet haben.

aber so neu, dass sie keine Einflug-löcher mehr haben. Deshalb wirdein Schleiereulenkasten, der fast sogroß ist wie eine Hundehütte, voninnen an die Scheunenwand ge-schraubt und ein Einflugloch in dieWand gesägt. So kann die Eule inden Nistkasten, aber nicht in dieScheune selbst, wo vielleicht gifti-ges Zeug oder Dünger rumsteht,was ihr gefährlich werden könnte.«Kundige Erläuterungen finden sichauch zu den anderen Tierarten undzur Bedeutung des umgestaltetenDorfweihers als Lebensraum.

Kein Wunder, dass die Bewer-bung erfolgreich war: Stolz nahmendie Nachwuchs-Naturschützerneben der Preisurkunde auch 300Euro »Belohnung« und das aus-drückliche Lob von Landrat Mir-beth entgegen. Auch »Natur+Um-welt« freut sich über so viel Engage-ment und hofft, dass die vorbild-liche Aktion landesweit viele Nach-ahmer findet. Verdient hätte sie esallemal. Helmut Schultheiß (asw)

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Kreisgruppe Landshut

Was lange währt

zenarten entstanden. Als mit Auflö-sung der Bundeswehrgarnison dortdann ein Baugebiet ins Gesprächkam, beantragte die Kreisgruppe dieAusweisung als Naturschutzgebiet.Die folgenden Verhandlungen mün-deten schließlich in einen Konsens:278,5 Hektar des ehemaligen Stand-ortübungsplatzes wurden unterSchutz gestellt, 20 Hektar stehen imIsartal für die Siedlungsentwicklungzur Verfügung.

Für den Artenschutz hat dasNaturschutzgebiet überregionaleBedeutung. Nachgewiesen sind bis-lang 65 Vogelarten, darunter Wes-penbussard, Steinschmätzer und

[2-03] Natur + Umwelt BN-Magazin 33

30 Jahre: Dieses Jubiläum feiertedie BN-Kreisgruppe Freyung-Grafenau mit 160 Gästen im März.Anlass für die Gründung der Kreis-gruppe war der Schutz der Ilz, bisheute eine der Kernaufgaben. ImRahmen der Feier ehrte Landesge-schäftsführer Helmut Steiningerlangjährig aktive Mitglieder mitder goldenen beziehungsweise sil-bernen Ehrennadel (siehe Foto v. l.:

Karel Kleyn, Helmut Steininger,Karl Edenhofner, KreisvorsitzendeHeike Dülfer, Walter Peschl undBN-Ehrenvorsitzender HubertWeinzierl).

Auch die Kreisgruppe Passaufeiert heuer ihr 30-jähriges Beste-hen – mit einer Geburtstagsreisean die Goitzsche bei Bitterfeld in Sachsen-Anhalt. Dort erobertsich die Natur die durch Tagebauentstandene »Mondlandschaft«zurück, zu besichtigen vom 29.Mai bis 1. Juni unter fachkundigerFührung. Anmeldung und Auskünfte:BN-Kreisgruppe Passau, Tel. 0851-9 66 93 66, Fax 08 51-9 66 93 62,[email protected].

Flechten: Nach einem Jahr Vorar-beit der BN-Ortsgruppe begannenAnfang April die Flechtenkartie-rungsarbeiten auf einem 36 Quad-ratkilometer großen Areal derGemeinde Ortenburg. Das Projektsoll Aufschluss über Erkrankungender Flechten geben, die sehr emp-findlich gegenüber Luftverunreini-gungen sind. Es wurde von Prof.Dr. Roman Türk, Flechtenexperteund Pflanzenphysiologe von derUni Salzburg, angeregt. Ergebnissesind bis Ende Juni zu erwarten.

Naturführer: Die neue BN-Bro-schüre »Naturerlebnis BayerischerWald mit Bus und Bahn« stellt 20Wanderungen und Radtouren vor.

Jede Streckeist mit Weg-beschrei-bung, Kar-tenaus-schnitt undFahrplanan-

gaben versehen. Dem Donautalzwischen Hofkirchen und Schlöge-ner Schlinge ist dagegen das imMorsak Verlag, Grafenau, erschie-nene Buch »Naturerlebnis Donau-tal« gewidmet.Die Broschüre ist kostenlos erhält-lich voraussichtlich ab 15. Juni bei der BN-Service GmbH, Tel.09123-9995 70, [email protected]. N

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Standort NaturWo früher dieBundeswehr übte,tummeln sichheute Warzenbei-ßer und Wechsel-kröte, fliegt dieHufeisen-Azur-jungfer und blühtder Gelbe Finger-hut.

Heidelerche, zwölf Amphibienarten,darunter Wechselkröte und Kamm-molch, 50 Tagfalter- und Widder-chenarten, 30 Heuschrecken- und25 Libellenarten sowie sensationelle85 Wildbienenarten und 426 Blüten-pflanzenarten. Zum Festakt imJanuar 2002 anlässlich der Unter-schutzstellung initiierte der BNauch das Natur-Kunst-Projekt»Terra incognita« mit 25 Künstlern,war doch das ehemals gesperrteMilitärgelände den meisten Bürgernein »unbekanntes Land«.Kurt Schmid (asw)

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Ende Oktober 2001 trat die Ver-ordnung für das Naturschutz-

gebiet (NSG) »Ehemaliger Standort-übungsplatz Landshut mit Isar-leiten« in Kraft. Das Areal ist dasgrößte Naturschutzgebiet einerkreisfreien Stadt in Bayern. Zu ver-danken ist dieser Erfolg dem Einsatzder Kreisgruppe Landshut des Bun-des Naturschutz (BN) unter ihremVorsitzenden Paul Riederer (sieheN+U 1/02).

Bis 1994 war das 300 Hektargroße Gelände ein militärischerÜbungsplatz, auf dem bereitsdamals Lebensräume für vieleschutzbedürftige Tier- und Pflan-

… wird endlich gut: Wie aus einem militärischenÜbungsgelände das erste Naturschutzgebiet Lands-huts mit 278 Hektar Lebensraum für bedrohte Artenwurde, ist eine Erfolgsstory des Bundes Naturschutz.

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Das nach langjährigen Untersu-chungen begonnene Verfahren

soll klären, welche von drei mögli-chen Sanierungsvarianten realisiertwird. Diese Vorentscheidung stelltdie Weichen für die Zukunft der Sal-zach. Alle Varianten orientieren sicham ökologischen Leitbild des frei

fließenden Flusses, was der BundNaturschutz begrüßt. Doch die vor-gelegten Sanierungskonzepte sindnoch immer zu sehr technikfixiertund für eine natürliche Flussdyna-mik nicht ausreichend.

Dies zeigt sich an der Frage, wieder weiteren Eintiefung der Salzachund der damit verbundenen Schä-digung ihrer Aue entgegengewirktwerden kann – Ziel des grenzüber-greifenden Großprojekts. Zur Ein-

tiefung kommt es, wenn wie bei derSalzach der Flussoberlauf und vieleNebenflüsse wie die Saalach ver-baut sind. Dann wird die Fließge-schwindigkeit insgesamt höher, dieKiesschicht des Flussbetts jedochimmer geringer, weil zu wenig Geschiebe nachkommt.

Gegen diese Symptome gehenWasserbauingenieure gerne mitweiterer Verbauung und Staustufenvor, was die Problematik nur weiter

34 Natur + Umwelt BN-Magazin [2-03]

Wilde Feier: Seit Juli 2002 bietet dieBN-Kreisgruppe Rosenheim Kin-dergeburtstage in der freien »Wild-nis« an. Kinder ab fünf Jahren kön-nen so die Natur vor ihrer Haustü-re kennen lernen und entdecken,was unter und über der Erde soalles krabbelt und kriecht und wel-che Wunderwelt sich im Bachwas-

ser verbirgt. Für die Geburtstags-feier im Grünen sind den Wün-schen der Kinder und Eltern (fast)keine Grenzen gesetzt: Spiele undAbenteuer, Waldrallye, Gewässer-bestimmung oder Nachtwande-rung – die Natur bietet nahezuunerschöpfliche Möglichkeiten.Spielerisch und mit allen Sinnen

erforschen das Ge-burtstagskind undseine Freunde dieNatur und ihre Ge-heimnisse. Betreutwird das außer-gewöhnliche Ange-bot von VeronikaMaurer, die aufWunsch auch Aus-

flüge zum Imker, Jäger oder Schä-fer organisiert.Nähere Auskünfte (Kosten, Teil-nehmerzahl) sowie individuelleTerminabsprache gibt es bei derBN-Kreisgruppe Rosenheim, Ve-ronika Maurer, Tel. 0 80 31-1 28 82.

Biotopmüll: Die BN-OrtsgruppeNeuburg nahm sich dieses Pro-blems an und untersuchte 50 städ-tische Biotope, die im Arten- undBiotopschutzprogramm (ABSP)erfasst sind (siehe N+U 4/02). NachAbschluss der Überprüfung imFrühjahr 2002 stellte man Erschre-ckendes fest: Etwa 80 Prozent derBiotope waren durch Bauschutt,Hausmüll und vor allem Garten-

abfälle verunstaltet, wertvolleTrockenrasen vernichtet, Auwald-ränder geschädigt und Amphi-bienbiotope (siehe Foto) verfüllt.Insgesamt lagern etliche tausendKubikmeter Müll in den ABSP-Biotopen und beeinträchtigenderen Funktion.

Eine entsprechende Übersichtlegte die Ortsgruppe dem Neubur-

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KreisgruppenBerchtesgadener Land,

Traunstein, Altötting

Jahrhundertchance für die Salzach

Frei fließt sie noch, die Salzach zwischenFreilassing und Burghausen, doch von

natürlicher Flussdynamik kann nichtdie Rede sein. Seit den siebziger Jahren

setzen sich deshalb Naturschützer für dieRenaturierung dieses Flussabschnitts ein.

Greifbarer Erfolg: Im November 2002wurde das Raumordnungsverfahren

»Sanierung Untere Salzach« eingeleitet.

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flussabwärts verlagert. Davon,solchermaßen den Teufel mit demBeelzebub auszutreiben, hat mansich bei der Salzach immerhin ver-abschiedet; Staustufenlösungenwerden nicht weiter verfolgt. Den-noch reichen die Konzepte nachAnsicht des BN nicht aus, um dasEntwicklungspotenzial des natur-schutzfachlich europaweit bedeut-samen Ökosystems der Fluss-Auedauerhaft zu sichern. Durch diefortgesetzte Eintiefung wurde dieAue von der für sie existenziellenGewässerdynamik abgekoppelt undhat bereits gravierende Schädenerlitten. Notwendig sind daherNachbesserungen. Von Naturschüt-zern favorisiert wird die Realisie-rung der »Aufweitungsvariante« alsbestehender Optimierungsmöglich-keit.

Insbesondere die KreisgruppeBerchtesgaden macht sich seit lan-gem zusammen mit anderen Natur-schutzverbänden, dem Österreichi-schen Naturschutzbund und der»Aktionsgemeinschaft LebensraumSalzach« für eine frei fließende,

naturnahe Salzach bis Burghausenstark. Schon 1987 hatten sich Ver-bände und Initiativen zur grenz-überschreitenden »Aktionsgemein-schaft Lebensraum Salzach«zusammengeschlossen. Einer derInitiatoren war Erich Prechtl, seit1986 Vorsitzender der BN-Kreis-gruppe Berchtesgadener Land undbis heute einer von drei Sprechernder Aktionsgemeinschaft. Ein Jahrnach ihrer Gründung legte diese mit der Broschüre »Die Zukunft derSalzach« ihre Forderungen für eineumfassende Sanierung des Flussesvor. Sie entsprechen weitest gehendden Ergebnissen der »Wasserwirt-schaftlichen RahmenuntersuchungSalzach« (WRS) aus den 1990er Jah-ren, der wesentlichen Grundlage fürdas derzeitige Verfahren. Die Auf-weitungsvariante wird darin als diedem ökologischen Leitbild nächst-liegende Alternative bewertet.

Das Raumordnungsverfahrenbietet eine greifbare Chance füreine naturnahe Sanierung der Salzach. Nach Ansicht des BN wärehierfür, angesichts der europäi-

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ger Stadtrat und dem LandratsamtNeuburg-Schrobenhausen vor. Diedort angesiedelte Untere Natur-schutzbehörde überprüfte und be-stätigte die gemeldete Liste. Inzwi-schen hat auch die Stadt positivreagiert und per Stadtratsbeschlussallein für dieses Jahr 40000 Eurofür die Biotopsanierung bereit-gestellt. Für die Säuberung allerbetroffenen Gebiete muss eine Ge-samtsumme von 130000 Euro auf-gewendet werden – Anlass genugfür die von der Stadt ebenfallsbeschlossene Öffentlichkeitsar-beit, die das ökologische Bewusst-sein der Bevölkerung schärfen soll.

Zumindest was das Abladen vonGartenabfällen angeht, trifft die

Bürger nach Ansicht des BN ohne-hin nicht alle Schuld: Währendnoch vor fünf Jahren Gartenabfällekostenlos bei den Wertstoffhöfenim Landkreis abgegeben werdenkonnten, gibt es seit Einführungder Biokompostieranlage nur nocheine einzige Sammelstelle, und dieAbgabe dort ist gebührenpflichtig.Nun will die Stadt ihr Entsor-

gungsangebot für Grünabfälle ver-bessern.

Doppeljubiläum: Im Februar 2003feierte die Kreisgruppe Landsbergam Lech ihr 30-jähriges Bestehenim 90. Jahr des Bundes Natur-schutz. Ausgezeichnet wurden beidiesem Doppeljubiläum 51 Mit-glieder mit der silbernen und drei

Mitglieder mit der goldenenEhrennadel, feierlich überreichtvom BN-LandesvorsitzendenHubert Weiger (siehe Foto). Mitihrem ehrenamtlichen Einsatzunterstützten die Geehrten denErhalt von wertvollen Flächen wieEgelsee, Ampermoos, Thanner Filzund Hurlacher Heide, wie Kreis-vorsitzender Gerhard Breutel inseinem Rückblick anerkennendresümierte. Außerdem zeigten siepolitisches Engagement gegen-über dem Pharmakonzern Eli Lilly,aber auch bei Themen wie demFrauenwald, der Raistinger Schleife und beim noch laufendenVerfahren gegen die Braunkohle-staubverbrennung.

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Die Salzach und ihre AnwohnerZiel einer Renaturierung der Unteren Salzach muss diegefährdete Flussaue sein, die Lebensraum für selteneund bedrohte Arten wie Eisvogel und Kammmolch undGeophyten wie das dort in Massen auftretende Schnee-glöckchen ist.Weitere Informationen zur Salzach-Sanierung: KurtSchmid, BN-Fachabteilung München, Tel. 089-54 82 98 63Fax 089-54 82 98 18, E-Mail [email protected]

schen Naturschutzrichtlinien undder EU-Wasserrahmenrichtlinie,des finanziellen Aufwands und derlangfristigen Auswirkungen, eineoptimierte Aufweitungsvariante diebeste Lösung. Zwar ist auch denBN-Aktiven klar, dass die Salzachnicht wieder wie vor der Verbauung1817 fließen kann, doch ein wenigmehr Courage hätten sie sich vonden Planern schon gewünscht: »Wirhätten mehr Mut zu einem natur-nahen Fluss und mehr Gelassenheithinsichtlich der natürlichen dyna-mischen Prozesse erwartet«, so dasFazit von Erich Prechtl.Kurt Schmid, Andrea Siebert

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Kreisgruppe Wunsiedel

SchatzkästleinEgertal

B iber, Fischotter, Bekassine undSchwarzstorch sind auf dem

knapp drei Hektar großen Teich-grundstück in der Egeraue beiMarktleuthen herzlich willkommen,und auch Eisvogel, Himmelsleiterund Prachtlibellen sollen hier aufDauer eine Heimstatt haben. DerAnkauf ist der erste Schritt im Land-kreis Wunsiedel auf dem Weg zumSchutz des Egertales im Rahmen

des Arten- und Biotopschutz-programmes. Wunsiedels BN-Geschäftsführer Karl Paulus siehtdas neue Grundstück als »Kristal-lisationspunkt des Naturschutzes« in dem landesweit bedeutendenTalraum an.

Bereits im März konnte die Kreis-gruppe weitere 2,4 Hektar Auewie-sen am Zusammenfluss von Egerund Röslau kaufen. Das Gebiet,unmittelbar im bayerisch-böhmi-schen Grenzstreifen gelegen, wirdebenfalls zu einem Kerngebiet desBiotop- und Artenschutzes entwi-ckelt. Für beide »Perlen« brachteder Bund Naturschutz aus Spendenund Mitgliedsbeiträgen sowie einerbeachtlichen Förderung durch den

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Spielräume: Vom Schmetterlings-garten bis zum »MitmachkofferWald« reicht die Umweltbildungs-palette des BN in Forchheim.Anlässlich des 30-jährigen Kreis-gruppenjubiläums würdigte Vor-sitzender Heinrich Kattenbeckbesonders die von DiplombiologinClaudia Munker-Hahn betreuteKindergarten-Aktion: Eine eigenskonzipierte Arbeitsmappe sollErzieherinnen, Eltern, Kinder und

den Träger ermuntern,die Außenanlagen der

Einrichtung naturnahzu gestalten. Nach-

dem 2002 be-reits 18 Kinder-

gärten mitmachten,

geht die Aktion jetzt in die nächsteRunde: Durch die Unterstützungdes bayerischen Umweltministe-riums können weitere 15 Kinder-gärten betreut werden. So bekom-men nicht nur Tiere und Pflanzen,sondern auch Kinder mehr Spiel-Raum.

Verkehrsverbund: Wer in Ober-franken mit Bus und Bahn reist,braucht Geduld. Die 52 Kilometerzwischen Wartenfels (LandkreisKulmbach) und Kirchenbirkig(Landkreis Bayreuth) beispiels-weise sind günstigenfalls in fünfStunden zu schaffen, was mit zehnStundenkilometern etwa Postkut-schentempo entspricht. Höchste

Zeit alsofür einenOberfrän-kischenVerkehrs-verbund(OVV),den derBN mit

Unterstützung von 30 Gemeindenfordert. Eine überdimensionaleLitfaßsäule warb dafür bereits inBayreuth und Naila (siehe Foto: li.Landesbeauftragter Richard Merg-ner, re. Hofs BN-GeschäftsführerWolfgang Degelmann). Gebremstwird der Elan von den geringenNahverkehrszuschüssen des Frei-staats für Oberfranken.

Standort: Mit dem Ende der Lan-desgartenschau 2002 ist die fahr-bare Umweltstation der Kreisgrup-pe Kronach umgezogen. NeuerStandort ist der Kaulanger, wo derfarbenfrohe Bauwagen auf einerStreuobstwiese an der Rodachinnenstadtnah zu erreichen ist.Die günstige Lage wollen die Kro-nacher Aktiven für Aktionen rundum das tausendjährige Stadtjubi-läum 2003 nutzen.

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Kostbarkeiten der NaturIn den BN-Grundstücken der Egerauenbei Marktleuthen und am Zusammen-fluss zwischen Eger und Röslau findetder Fischotter Zuflucht. Auch Gebän-derte Prachtlibelle und Gelbe Teichrosekönnen sich hier heimisch fühlen.

bayerischen Naturschutzfonds109000 Euro auf. Mit den neuenFlächen konnte die Kreisgruppe dieseit ihrem Bestehen durch Kaufgeretteten Lebensräume auf 33Hektar steigern – ein schönes Ge-burtstagsgeschenk für die Natur.Tom Konopka (asw)

Ein vom Bund Naturschutz erworbenes Teichgrundstück bei Markt-leuthen ist die jüngste Perle in der Kette wertvoller Flächen, die sichdurch das Egertal ziehen. Gemeinsam mit weiteren Grundstücken des BN und des Freistaates Bayern soll die Neuerwerbung ein Eldora-do für die bedrohten Tierarten des Tales werden.

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Über zehn Jahre ist es her, seit im Landkreis Rhön-Grabfeld der BundNaturschutz und die örtliche »Main-Post« gemeinsam den Wett-bewerb »Naturnaher Garten« ins Leben riefen. Seitdem hat sich vielesgetan, nicht zuletzt zum Wohle der Tier- und Pflanzenwelt.

aus Mittelstreu beigetragen: mitunermüdlicher Beratung, fachkun-digen Tipps, besonders aber mitihrer Pflanzentauschbörse zweimalpro Jahr. Getauscht werden dortnicht nur Raritäten der heimischenPflanzenwelt, sondern mindestensebenso eifrig Erfahrungen undErfolgsrezepte.

Und die Wettbewerbsgärten derStartphase? Dort tummeln sich

inzwischen Ringelnatter und Ei-dechse, schwirren Erdhummelnund Rosenkäfer, überwuchert derEfeu alte Baumstümpfe und sindstandortfremde Nadelbäume ganzverschwunden. Zu kleinen Para-diesen sind die Gärten geworden –für seltene Arten wie für das Herzihrer Besitzer.Helmut Schultheiß (asw)

[2-03] Natur + Umwelt BN-Magazin 37

Vorbildlich: Agieren statt debat-tieren hat sich die BN-OrtsgruppeWiesentheid/Geiselwind seit 17Jahren auf die Fahnen geschrie-ben. Regelmäßig säubern dieNaturschützer die Fluren, legen

zur Verfügung, der amtliche Natur-schutz hilft bei der Finanzierung,und die Obstbaumschnittkursewerden bei einer örtlichen Gärtne-rei durchgeführt.

Aufwändig: Den bayernweitbedrohten Edelkrebs will die BN-Kreisgruppe Bad Kissingen unterihrem Vorsitzenden Ulf Zeidlerwieder in den Bächen der Rhönansiedeln. Zur notwendigen Nach-zucht pachteten die Naturschützereinen Waldsee, eines der letztenEdelkrebs-Refugien, an und ent-schlammten ihn. Zuvor hatte mandie dort lebenden Krustentiereabgefangen. Zusammen mit 400zusätzlichen Exemplaren bilden

sie den Grundstock für die Krebs-nachzucht. Das beispielhafte Pro-jekt wird vom Landschaftspflege-verband, der Sparkassenumwelt-stiftung und dem Jägerverein BadKissingen gefördert.

Kreativ: Ab 23. September drehtsich bei der BN-Kreisgruppe Würz-burg zwölf Monate lang alles umdie Verbindung von Natur und

Kunst. Koope-rationspartnerdes Natur-kunstprojektssind Stadt undLandkreisWürzburg,Künstlerverbände und Bildungs-einrichtungen. Zwei Veranstal-tungskalender (Herbst/Winter2003/04 und Frühjahr/Sommer2004) erläutern das Gesamtpro-gramm.Wer mit Ideen oder einem eigenenProjekt beitragen will, wendet sichan Klaus Isberner von der Kreis-gruppe Würzburg, Luitpoldstr. 7a,97082 Würzburg, Tel. 09 31-4 39 72,[email protected]. N

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ParadiesischIm naturnahenGarten fühlen sichRosenkäfer ebensoheimisch wie dieselten gewordeneZauneidechse.Fo

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Franziska Burmester, seinerzeitOrtsgruppenvorsitzende des

Bundes Naturschutz (BN), verfolgteals Initiatorin der landkreisweitenAktion vielfältige Ziele: informierenund motivieren, die Augen öffnenund Erfahrungen austauschen, vorallem aber für den naturnahen Gar-ten begeistern und so kleine Natur-paradiese schaffen. In einer Artikel-reihe informierte die Bad Neustäd-ter Main-Post-Redaktion über dieMerkmale des naturnahen Gartensund stellte die 20 Gärtnerinnen undGärtner vor, die einer ebenso sach-kundigen wie kritischen Jury mutigdas Tor zu ihrem grünen Reich auf-taten. Von der unerwartet positivenResonanz zeugten eine Fülle vonLeserbriefen, Anrufe bei Jurymit-gliedern und »Wallfahrten« neugie-rig gewordener Rasenmäher-Freaks.

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Kreisgruppe Rhön-Grabfeld

Garten für Arten

Seitdem hat sich vieles getan: EinStammtisch wurde gegründet, dernaturnahe Garten war über Jahre alsVortragsthema bei vielen Vereinenaktuell, und die Zahl der naturnahgestalteten Gärten ist im Landkreiskräftig gewachsen. Zu diesem Erfolghat ganz wesentlich Gertrud Illig

Feuchtbiotope an und pflanzenregionale Obstbaumsorten (sieheFoto). Die kontinuierliche Arbeitträgt Früchte: Privatpersonen undGemeinden stellen Grundstücke

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Bund Naturschutz: Wie hat sich der Fürther Naturschutz in

100 Jahren verändert?Pfeifenberger: Am Anfang standenNaturdenkmäler wie alte Bäumeund Aussichtspunkte im Blick derNaturschützer. Ästhetik und Ökolo-gie waren eng verknüpft, staatlicherund ehrenamtlicher Naturschutzkaum getrennt. Der Umweltschutzkam erst relativ spät.Welche Rolle spielte der BN dabei?Pfeifenberger: Bis Anfang der 1970erJahre organisierte der BN in Fürthüberwiegend Wanderungen undVorträge. Seither ist er aber zur her-ausragenden umweltpolitischenKraft geworden.Konnten Lebensräume gerettet werden?Pfeifenberger: Manch schlimmerStraßenbauplan, zum Beispiel inden Fürther Talauen, aber auch imUmland, wurde durch den Wider-stand engagierter Bürger und desBN verhindert, einiges an Lebens-qualität bewahrt. Das unrühmlicheEnde der Schwelbrennanlage Fürthund der Reststoffdeponie bei Groß-

habersdorf, beides auch politischeSkandale, sind dem Einsatz des BNmit zu verdanken.Wo musste der BN Niederlagenhinnehmen?Pfeifenberger: Eine Niederlage fin-det quasi permanent statt, allein derfortgesetzte Flächenverbrauch undStrukturen, die nur auf Autoverkehrsetzen. Diese Entwicklung von derSchönheit hin zur Unwirtlichkeitwollte ich durch die Gegenüberstel-lung von Fotos dokumentieren.(asw)

38 Natur + Umwelt BN-Magazin [2-03]

Kein Ende: Seit 15 Jahren tobt dieAuseinandersetzung um die Ans-bacher Thermoselect-Anlage. Nunwill der Abfallentsorgungsverband(AEV) seinen 49-Prozentanteildem Energiekonzern EnBW ver-kaufen, der bereits die Anteils-mehrheit an der Betreiberfirmahält. Die Privatisierung würdejegliche demokratische Kontrolleverhindern: Bei einemMüllaufkommen, dasbereits heute 50 Prozentunter der kalkuliertenMenge liegt, müssen nichtnur die Müllgebührendrastisch steigen. Auch dieVerbrennung von Fremd-und Giftmüll ist wahr-

scheinlich, um die Anlage auszu-lasten. Die resultierende höhereSchadstoffbelastung ist unkontrol-lierbar, wenn der AEV seine Anteileverkauft. Bereits 2001 hatte AEV-Chef und Oberbürgermeister RalfFelber damit geliebäugelt (sieheN+U 3/01). Die Geschichte der seit1998 abwechselnd in Bau undBaustopp befindlichen Anlage füllt

zahllose Aktenordner voll juristi-scher Auseinandersetzungen, dieinzwischen beim Verwaltungsge-richtshof (VGH) angelangt sind.Obwohl dieser noch nicht über diejüngste BN-Klage entschieden hat,

wird seit Sep-tember 2002wieder malweitergebaut.

Schafe alsGärtner: ZurPlage entwi-

ckelten sich Lupinen in einem von der BN-Ortsgruppe Herzogen-aurach seit 20 Jahren betreutenBiotop bei Niederndorf. Selbstintensivste mechanische Bekämp-

fungsversuche scheiterten. Nunsoll sich, nach dem Vorbild desRhönschafprojekts, ein Schäferaus Vach mit seinen Tieren desProblems annehmen.N

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EindrucksvollDie Puschendorfer Eiche (Foto: 1906)gilt als einer der ältesten Bäume imLandkreis Fürth.

100 Jahre NaturschutzArno Pfeifenbergers Buch hat 128 Seiten,ist im Städtebilder-Verlag erschienen undkostet 18 Euro. Nach Deckung der Kostenfließt der Erlös in Natur- und Arten-schutzprojekte des BN Fürth.Bezug über die BN-GeschäftsstellenFürth-Stadt und Fürth-Land, den Buchhandel oder direkt beim Verlag,Schwabacher Str. 17, 90762 Fürth

NachrufIhren langjähri-gen MitstreiterWerner Gräbnerverlor die Kreis-gruppe Nürn-

berg-Stadt im Dezember2002. Seit 1979 im Vorstand,engagierte er sich für denArtenschutz und gegen Wald-sterben und Atomenergie undwurde 1997 mit der GoldenenVereinsnadel geehrt. DasKnoblauchsland war ihmebenso ein Herzensanliegenwie das NaturschutzgebietZiegellach. Als Mitglied desNaturschutzbeirates setzte ersich für die ökologische Stadt-entwicklung ein. Wir verlierenin Werner Gräbner auch einenfür seine Geradlinigkeit undHilfsbereitschaft geschätztenFreund, den wir sehr ver-missen werden.Tom Konopka

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Kreisgruppen Fürth-Land und Fürth-Stadt

Lokale LebensqualitätArno Pfeifenbergers Buch über den Natur- und Umweltschutz in Fürthbehandelt ein unbeachtetes Kapitel Lokalgeschichte. Der bisherigeVorsitzende der Kreisgruppe Fürth-Land – seit März geführt von Wolf-gang Siebert – sieht sein Werk als Beitrag zum 90-jährigen Bestehendes Bundes Naturschutz. Mit dem Autor sprach Tom Konopka.

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Untersucht wurde für das »Ge-samtökologische Gutachten

Donauried« (GÖG) der 75 Kilometerlange Donautalabschnitt von Neu-Ulm bis Donauwörth. Auf 42 000Hektar Gesamtfläche finden sichacht Naturschutz- und 19 Land-schaftsschutzgebiete; die Donau-Auen bis Lauingen sind als Feucht-gebiet internationaler Bedeutung(RAMSAR-Gebiet) eingestuft. Eineentscheidende Rolle spielt das Riedauch für die Donau als europäischeBiotopverbundachse, denn es ist noch reich an intakten Lebens-räumen:� Auwälder mit Altwässern, Quel-len und den Brennen, in denenTrockenpflanzen und Tagfalter hei-misch sind,� Niedermoore wie das Leipheimerund das Gundelfinger Moos und die

Mertinger Höll, Heimat für Feuchteliebende Stromtalpflanzen, Vögel,Amphibien und Libellen,� extensiv genutzte Grünlandge-biete, wichtig für Brachvogel, Bekas-sine, Kiebitz und Weißstorch,� wertvolle Einzelstrukturen wieStreuwiesen (siehe Naturnotizen)und Gräben wie der Klosterbachmit dem deutschlandweit größtenBestand der bedrohten Bachmu-schel.

Die beeindruckende Biodiver-sität ist jedoch in Gefahr durch dieseit 200 Jahren betriebene Verbau-ung der Donau, durch Kiesabbauund Intensivlandwirtschaft. Altwäs-ser verlanden, Grundwasserabsen-kung bedroht die Niedermoore undsinkende Extensivnutzung gefähr-det die Wiesenbrüter. Hier setzt der

GÖG-Maßnahmenkatalog an. Dasses mit seiner Realisierung ein wenighapert, kann man wohl der Baye-rischen Staatsregierung, nicht aberden Naturschützern vorwerfen: Der Bund Naturschutz und dieArbeitsgemeinschaft SchwäbischesDonauried bemühen sich seit zweiJahren intensiv um konkrete Um-setzungsprojekte.Andrea Siebert

[2-03] Natur + Umwelt BN-Magazin 39

HintergrundDas 400 Seiten starke Donauried-Gutachten ist auchauf CD und auf derWebsite des Bayeri-schen Umweltmi-nisteriums nachzu-lesen (www.bay-ern.de/LFU/natur/landschaftsentwick-lung/donauried/).Weitere Informatio-nen zum BN-Enga-gement im Donau-ried: Christine Mar-graf, FachabteilungMünchen, Tel. 0 89-54 82 98-63, Fax -18

Im Verbund: Eines der Umset-zungsprojekte im Rahmen desGesamtökologischen GutachtensDonauried ist der Streuwiesenver-bund zwischen Donauwörth undHöchstädt (siehe N+U 4/01). Diefrüher zur Gewinnung von Stall-einstreu genutzten Nasswiesensind Lebensraum für Arten wieWollgras und Braunkehlchen

(Foto). DasProjektsoll dieverbliebe-nen Streu-wiesen-

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und so durch genetischen Aus-tausch die Artenbestände überle-bensfähig halten.Informationen: BN-KreisgruppenDillingen, Tel. 0 90 71-15 89, undDonau-Ries, Tel. 09 06-236 38,sowie Dipl.-Biol. Martin Königs-dorfer, Tel. 0 90 90-9 22 98 73

Parkplatz Biotop: Der jüngste Kon-flikt zwischen Golf und Natur-schutz im Landkreis Lindau spieltesich am Golfplatz Lindau-Schön-bühl ab. Ausgerechnet die benach-barten Fenkwiesen mit Biotop undbeträchtlicher Amphibienpopu-lation hatten sich die Golfer alsParkplatz ausgeguckt. 200 Stell-plätze hätten es der inoffiziellen

Planung zufolge werden sollen.Bereits 1987 hatte die Regierungvon Schwaben dies abgelehnt, wasdie Golfer dazu veranlasste, von»sklavischem Festhalten an altenBeschlüssen« zu sprechen. DieBN-Kreisgruppe informierte um-gehend Stadt, Landratsamt undBezirksregierung und alarmiertedie Öffentlichkeit. Auf einer Bür-

gerversammlung Ende 2002beantragte KreisvorsitzenderErich Jörg erfolgreich, dieStadt solle die bedrohtenFenkwiesen von jeglicherParkplatzplanung ausnehmenund damit den alten Regie-rungsbeschluss stützen. DerVorstoß zeigte Wirkung: Die

Golfer zogen ihre Pläne zurückund seit Ende Februar bekräftigtein einstimmiges Stadtratsvotumden Beschluss der Bürgerver-sammlung. Das Biotop wird nichtangetastet, ein Fleckchen Land-schaft ist dem Flächenfraß ent-rissen.

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Kleinod Leipheimer MoosHier kommt noch die stark bedrohteUferschnepfe vor. Typisch für Streu-wiesen im Ried sind zum BeispielSibirische Schwertlilie und Wollgras.

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Kreisgruppen im Donau-Ried

Beeindruckende BiodiversitätSeit Juli 1999 liegt das 1,25 Millionen Euro teure Großgutachten fürdas Donauried vor. Heute gibt es fünf offizielle Umsetzungsprojekte,an denen der Bund Naturschutz aktiv beteiligt ist. Wiesenbrüter,Weißstorch und weitere Arten haben so eine Überlebenschance.

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H eute steht die Natur des Menschen – mit seinenBedürfnissen, Sehnsüchten, Ängsten und Hoff-

nungen – im Mittelpunkt erfolgreicher Umweltbil-dung. Denn nur wenn wir die Herzen der Menschenerreichen, haben unsere ökologischen Botschaften dieChance, gelebt zu werden. Also auf den Bauch zielen,um den Kopf zu erreichen? Der Mensch ist keine »klap-pernde Denk- und Rechenmaschine – ohne Leidenund Begehren«, wie es Friedrich Nietzsche einmal for-muliert hat. Er funktioniert nicht wie ein Automat, inden man oben die Infos zur nachhaltigen Entwicklunghineinwirft und unten die zukunftsfähigen Verhaltens-weisen herauskommen.

Unser Verhalten wird vielmehr von unterschwelli-gen Gefühlen und Motiven gesteuert. 90 Prozent derProzesse in unserem Hirn laufen unbewusst ab, dashaben Hirnforscher längst erkannt. Die Kunst einererfolgreichen Bildung ist es, gerade diese prägendenEbenen im Menschen anzusprechen.

Pädagogik der SinneDer klassische Akademiestil steht aus dieser Sicht aufdem Prüfstand. Während noch vor zwei Jahrzehntendie Wissensvermittlung im Mittelpunkt stand, ist imZeitalter des Internets das Informationsbedürfnis inder Bildungsarbeit in den Hintergrund getreten. Ge-fragt sind neue Wege der Kommunikation über Bilder,Literatur, Bewegung, Spiel, Musik – eine Pädagogik derSinne. Gerade die vernachlässigten Sinne wie Riechen,Schmecken und Tasten lassen die Vielfalt, den Duftund die Schönheit der Naturwelten in ihrer Fülle erblü-hen. Sie kommen der ungestillten Sehnsucht des Men-schen nach Natur in einer entfremdeten Welt entgegen.Denn auch Bildungswillige wollen nicht immer belehrt,sondern verzaubert werden. Lebendigkeit mit allen Sin-nen spüren – das ist der Genusswert neuen Lernens.

In den siebziger und achtziger Jahren galt es, dieGrenzen der Ressourcen und des Wachstums zu erken-

nen. Jetzt ist die Zeit reif, das gesammelte Umweltwis-sen in politisches Handeln zu übersetzen. Der Nach-haltigkeits-Weltgipfel von Johannesburg hat einenunübersehbaren Bildungsauftrag erteilt, der uns ver-pflichtet, die im 20. Jahrhundert gesammelte Er-kenntnis jetzt am Beginn des 21. Jahrhunderts umzu-setzen. Das Bildungskapitel der Agenda 21 (Aktions-programm der Umweltkonferenz von Rio 1992) gibtuns dazu gute Tipps: Empfohlen wird beispielsweise,eine »kooperative Beziehung zu den Medien, populä-ren Theatergruppen sowie der Unterhaltungs- undWerbebranche« zu pflegen, um von deren Erfahrungenmit der Beeinflussung von öffentlichen Verhaltens-

40 Natur + Umwelt BN-Magazin [2-03]

25 Jahre BN-Bildungswerk

Eine Bildungsreise in die ZukunftWarum war Casanova so erfolgreich bei den Frauen? Weil er sich um sie bemüht hat, auf sie eingegangen ist. Zugegeben, der Sprung von einem Frauenhelden zur ökologischen Bildungsarbeitist gewagt, doch das Geheimnis des Erfolgs ist das gleiche: das Bemühen um den Menschen,der persönliche Dialog. Von Beate Seitz-Weinzierl, Leiterin des BN-Bildungswerks.

Foto: Seitz-Weinzierl Foto: Seitz-Weinzierl

Der promovierten Philologin und Volkskundlerinschreibt man zunächst eher nüchternen Realitäts-

sinn, Disziplin und andere preußische Tugenden zu.Immer wieder löst sie Erstaunen aus, wenn sie sich alsMärchenerzählerin bekennt. Vor allem sieht sichDorothea Streller in der Tradition der Volksmärchenund beschränkt sich bewusst auf europäische Märchen. Volksmärchen mag sie deshalb, weil sie derErfahrung entspringen und Lebensweisheiten in

Die Erzählerin Dorothea Streller

Märchenhafter NaturschutzVom Typus Träumer ist sie nicht, Dorothea Strelleraus Murnau, ehemalige Dozentin des Goethe-Instituts in London, Dublin, Athen und Murnau.Seit vielen Jahren im Naturschutz engagiert,erzählt sie heute Märchen.

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und Verbrauchsmustern zu lernen. Wenn Bildung fürnachhaltige Entwicklung ihre Bezeichnung verdienensoll, ist sie herausgefordert, geistige Biotope als Forenfür die Suche nach Werten und Sinn zu pflegen. Nachdem Wegfall von sinn- und orientierungsstiftendenStrukturen ist eine Leere entstanden, die ehemals sinn-gebende Institutionen und Traditionen nicht mehrauszufüllen vermögen. Gerade aber bei der Frage nacheinem zukunftsfähigen Lebensstil gilt es zu erkennen,dass hinter einem übersteigerten Konsum auf demErlebnismarkt ungestillter Lebenshunger und eineverdeckte Suche nach Sinn stecken.

Alternative LebensentwürfeDies ist die Herausforderung der viel gescholtenenSpaßgesellschaft an uns. Und die Stunde der ökologi-schen Ethik. Alternative Lebensentwürfe sind gefragt,die den Charme der Einfachheit und das Glück desimmateriellen Reichtums an Zeit, Stille und Weite ver-mitteln. Die Spaßgesellschaft verdrängt Werte. EineWertegesellschaft kann aber durchaus Spaß vertragen.Wissen allein genügt nicht mehr. Leidenschaftliche

[2-03] Natur + Umwelt BN-Magazin 41

Foto: Photoshopping Foto: Seitz-Weinzierl Foto: Greifenhagen

mündlicher Überlieferung weitergeben. Mit ihrem Kön-nen begeistert Dorothea Streller seit über einem Jahr-zehnt die Besucher des BN-Bildungswerks.

Es ist ihr anzumerken, wie Märchen gerade die ande-re Seite in ihr wachrufen – die Welt der Träume, derWeisheit und der Lebenskunst. Märchen erschließenvergessene Seelenlandschaften, die in unserer durchra-tionalisierten Welt längst ausgedörrt sind. Sie lassenarchaische Wesenverwandtschaften von Mensch, Tier,Pflanze und Kosmos erahnen, das Wilde in uns entde-cken. Die tiefe Verbindung des Menschen zur Naturweltund die paradoxe Logik des Unbewussten – im Märchenwerden sie angesprochen. Da löst gerade der »Dumm-ling« unter den drei Brüdern am ehesten die ihmgestellten schier unlösbaren Aufgaben, weil er auf dieHilfe der Tiere zurückgreifen kann, denen er einst selbstfreundlich geholfen hat.

Und was hat das alles mit Naturschutz zu tun? Märchen sind zeitlose Geschichten, die uns in aktuellenSituationen viel zu sagen haben. Märchenhelden sinddie, die der Versuchung des Wohllebens und des Reich-

Überlebenspolitik und Lust auf Zukunft sollten zuunseren neuen Bildungsinhalten werden. Neue The-men, kreative Formen und ein fröhlicher Zugang sinddie Voraussetzungen für diesen neuen, vor uns liegen-den Bildungsabschnitt. Dazu brauchen wir starke Ortefür menschliche Begegnungen, inspirierende Denk-werkstätten mit der Offenheit für die Pluralität derKulturen und die Bereitschaft zurAchtung des Fremden. Und erstwenn ein nachhaltiger Lebensstil zuKult(ur) wird, sind wir am Ziel un-serer Bildungsreise in die Zukunftangelangt.

tums widerstehenund auf Umwegen zuihrem Lebensglück gelan-gen. Märchen machendeutlich, dass WachstumZeit braucht. Oft muss etwas drei-mal probiert werden, bis sich eine Lösung auftut – einAffront gegen die pausenlose Beschleunigungsgesell-schaft. Und nur wenn die Balance zwischen materiellenund immateriellen Werten gefunden wird, stellt sichnachhaltiges Lebensglück ein.

Auch dass Menschen egoistisch handeln und wenigRücksicht auf die »nichtsnutzige« Natur nehmen, ist imMärchen nichts Neues. Von Äsop ist aus dem 6. Jahr-hundert v. Chr. das Märchen »Der Baum auf dem Feld«überliefert.

Dorothea Streller lächelt viel sagend und betont, dassdie Märchen etwas ganz Realistisches an sich haben.Deshalb gefällt ihr auch der Satz von Goethe so gut:»Ein Märchen hat seine Wahrheit und muss sie haben,sonst wäre es kein Märchen.« Beate Seitz-Weinzierl (hl)

Der Baum auf dem FeldAuf dem Felde eines Bauern wuchs einBaum, der keinerlei Frucht hervorbrach-te; nur, dass er den Grillen und den Sper-lingen zur Herberge diente. Der Bauerwollte den Baum fällen, eben weil ernichts trug. Er nahm also eine Axt undversetzte dem Baum einen Hieb. Dabaten ihn die Grillen und die Sperlinge,er möchte doch ihre Herberge nicht zer-stören, damit sie bleiben und singenund auch ihn, den Bauern, erfreuenkönnten. Der Bauer tat, als ob er taubwäre und versetzte dem Baum einenzweiten Hieb, und einen dritten. Da öff-nete sich eine Höhlung, und heraus flogein Bienenschwarm, und auch Honigquoll heraus. Er probierte ihn, und dannwarf er die Axt weit weg und fing so-gleich an, den Baum als heilig zu ver-ehren und zu pflegen. Äsop (6. Jahrhun-dert v. Chr.)

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Bereits im Jahre 1947 bot Berta Habersack, dieWitwe des königlich bayerischen Generals der

Artillerie Ferdinand Habersack, dem Bund Natur-schutz in Bayern ihr an den Ufern des Ammersees gele-genes Anwesen für Lehr- und Forschungszwecke an.Seit dieser Zeit diente Wartaweil als Tagungsort für Per-sönlichkeiten des Naturschutzes aus dem In- und Aus-land ebenso wie als Bildungsstätte für Studenten undLehrer. Aus Freude an dem baum- und vogelreichenGrundstück, das auch botanische Seltenheiten birgt,schenkte Berta Habersack Haus und Grundstück 1957dem Bund Naturschutz zur Verwendung für Lehr- undNaturschutzzwecke. Ab Juli 2003 präsentiert sich dasehemalige Wohnhaus nach einem großen Umbau alsmodernes Bildungszentrum mit Wohn-, Aufenthalts-,Seminar- und Arbeitsräumen.

Bildung für Bayerns JugendDas Naturschutz- und Jugendzentrum Wartaweil istdamit unter dem Dach des BN-Bildungswerks Wiesen-felden die zweite Bildungsstätte des Bundes Natur-schutz, die ein Programm mit Tagungen, Seminarenund Workshops für ganz Bayern anbietet. Als BN-Zent-rum für Kinder und Jugendliche wendet es sich vorallem an Schulklassen. Da das Naturschutzzentrumzugleich als regionale Ökostation des BN dient, stehenspeziell Seminare zum Arten- und Biotopschutz inSüdbayern auf dem Plan. Insbesondere das Wasser inFlüssen, Seen und Feuchtgebieten sowie der Wald unddie Alpen kommen groß heraus. Die Voraussetzungenhierfür sind ideal: Wartaweil liegt inmitten einer Viel-zahl von reizvollen Biotopen.

Was lockt die Kleinen und das Kind im Manne ammeisten im Wald? – Auf einen Baum zu klettern. Genaudas machen die Besucher des Naturschutzzentrumsauch, wenn es ums Thema Wald geht. Beim Baum-klettern verbessern die Schüler ihre Kondition undKoordination, sie steigern ihr Konzentrationsvermö-

gen, erleben verantwortungsvolle Zusammenarbeitund können Rücksichtnahme, Eigeninitiative undSelbstbewusstsein entwickeln. Den Pädagogen desJugendzentrums Wartaweil geht es also keineswegs nurum die Vermittlung von naturkundlichem Wissen. DerMensch steht immer gleichermaßen im Mittelpunkt –und die Erkenntnis, dass Spaß beim Lernen den größ-ten Erfolg bringt.

Ziel des Projektes »WasserWeltWartaweil« ist es, dieökologischen Zusammenhänge des LebensraumesWasser möglichst anschaulich und dem Alter der Kin-der angepasst zu vermitteln. Kinder ab der viertenKlasse fischen nach Kleinstlebewesen in einem Bachund im See. Anschließend bestimmen die Schülerdiese Tiere durch den Einsatz von Binokularen odermit der Becherlupe. Schüler höherer Klassen könnenzusätzlich physikalische, biologische und chemischeGüteindikatoren bestimmen. Mit dem Boot entneh-men die jungen Wissenschaftler dazu Wasserprobenaus verschiedenen Tiefen des Ammersees, um siedirekt vor Ort im mobilen Wasserlabor zu analysieren.Mit einer Multiparametersonde und einem PC könnenzusätzlich Schichttiefendiagramme zu Temperaturund Leitfähigkeit des Wassers erstellt werden.

Ein gastfreundliches HausFeuer machen, Stockbrot backen, sich bewirten lassen,übernachten – alles ist möglich im Naturschutz- undJugendzentrum Wartaweil, an Gastlichkeit soll es nichtmangeln. Deshalb stellt das Zentrum seine Räume unddas Gelände sowohl BN-Mitgliedern als auch Schul-klassen und anderen Gruppen auch für selbst organi-sierte Veranstaltungen zur Verfügung.

Keine Frage: Wer einen oder mehrere Tage auf demwald- und wasserreichen Gelände der Ökostation War-taweil verbracht hat, der war im Herzen der Natur. Undnimmt die Natur im Herzen mit nach Hause.Axel Schreiner, Holger Lieber

Fotos: Schreiner

EinladendDie »Villa Haber-sack« strahlt Ruheund Gemütlichkeitaus. Das wald- und wasserreicheGelände direktam Ammerseebeschert ein-drucksvolle Erleb-nisse in der Natur.

Naturschutz- und Jugendzentrum Wartaweil

Umweltbildung im Herzen der NaturDas Naturschutz- und Jugendzentrum Wartaweil des Bundes Naturschutz ist nichtnur Bayerns älteste Umweltbildungs-Einrichtung. Es besticht auch durch seine Lageinmitten eines naturnahen Waldes direkt am Ammersee-Ufer. Wasser und Wald sindhier deshalb die großen Themen – vor allem für Kinder und Jugendliche.

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