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Akzente Versprechen gebrochen! (B. Dombek) . . . . . . . . . . . . . . . 149 Aufsätze Berufshaftpflichtversicherungen (A. Braun) . . . . . . . . . . . . 150 Zur Lage der ausländischen Anwälte in Brüssel nach der Umsetzung der Niederlassungsrichtlinie in Belgien (R. Bierwagen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 Reichweite der Kompetenzen der Rechtsanwaltskammern nach der Reform der Juristenausbildung (M. Quaas/P. Sieben) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 Berufshaftpflichtversicherung: Wie sinnvoll sind Excedentendeckungen im Ausland? Anmerkungen zur hinreichenden Abdeckung des anwaltlichen Haftungsrisikos (S. Kouba) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 Meinungen Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (W. Strüder) . . . . . . . . . . 166 Anmerkung zum Aufsatz „Unterschiede der nationalen Berufsrechte: Notwendigkeit von Kollisionsnormen und Harmonisierung“ von RAuN Prof. Dr. Hans-Jürgen Hellwig, BRAK-Mitt. 2002, 52 ff. (A. Augustin) . . . . . . . . 167 Erwiderung auf den Leserbrief von Frau Amrei Augustin, Rechtsanwältin und Avocat à la Cour (H.-J. Hellwig) . . . . 167 Pflichten und Haftung des Anwalts Überblick (B. Chab) Einfluss der Schuldrechtsreform auf besondere Verjährungsvorschriften? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 Das aktuelle Urteil (A. Jungk) Glaubhaftmachung bei der Wiedereinsetzung (LG Kiel v. 3.4.2002 – 8 S 21/02) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 Rechtsprechungsleitsätze (B. Chab/H. Grams/A. Jungk) Haftung Verkehrsanwalt und Prozessanwalt (BGH v. 29.11.2001 – IX ZR 389/98) . . . . . . . . . . . . . . . . 170 Regressverjährung nach § 51b BRAO (OLG Hamm v. 5.2.2002 – 28 U 34/01) . . . . . . . . . . . . . 170 Verjährungsbeginn § 51b BRAO bei vertraglichen Vereinbarungen (BGH v. 24.1.2002 – IX ZR 228/00) . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 Fristen Überprüfung der Faxnummer (BGH v. 12.3. 2002 – IX ZR 220/01 und BGH v. 24.4.2002 – AnwZ 7/01) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 Fristberechnung ZPO alt/neu durch Personal? (LAG Niedersachsen v. 19.4.2002 – 10 Sa 109/02 und OLG Stuttgart v. 10.6.2002 – 11 UF 29/02) . . . . . . . . . . . 171 Schulung des Kanzleipersonals; beiläufige Fristenkontrolle (OLG Frankfurt v. 17.5.2002 – 1 UF 326/01) . . . . . . . . . . 171 Eingangsstempel „Pforte“ statt „Nachtbriefkasten“ (BGH v. 5.4.2001 – IX ZR 193/00) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 Zusammenschluss von Anwälten (H. Grams) Die überörtliche Sozietät/Die Kooperation . . . . . . . . . . . . 172 Aus der Arbeit der BRAK Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes über die Vergütung der Rechtsanwälte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 Stellungnahme zu der Verfassungsbeschwerde der Rechtsanwältin Karin Meyer-Götz zum 10%igen Gebührenabschlag Ost . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 § 370a AO: Schreiben des Präsidenten der BRAK an die Bundesministerin der Justiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 10%iger Gebührenabschlag Ost: Schreiben des Präsi- denten der BRAK an alle Landesjustizministerinnen und -minister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 Personalien Personalien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 4/2002 Inhalt BRAK Mitteilungen
Transcript

Akzente

Versprechen gebrochen! (B. Dombek) . . . . . . . . . . . . . . . 149

Aufsätze

Berufshaftpflichtversicherungen (A. Braun) . . . . . . . . . . . . 150

Zur Lage der ausländischen Anwälte in Brüssel nach derUmsetzung der Niederlassungsrichtlinie in Belgien(R. Bierwagen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157

Reichweite der Kompetenzen der Rechtsanwaltskammernnach der Reform der Juristenausbildung (M. Quaas/P. Sieben) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162

Berufshaftpflichtversicherung: Wie sinnvoll sindExcedentendeckungen im Ausland? Anmerkungen zur hinreichenden Abdeckung des anwaltlichenHaftungsrisikos (S. Kouba) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165

Meinungen

Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (W. Strüder) . . . . . . . . . . 166

Anmerkung zum Aufsatz „Unterschiede der nationalenBerufsrechte: Notwendigkeit von Kollisionsnormen undHarmonisierung“ von RAuN Prof. Dr. Hans-JürgenHellwig, BRAK-Mitt. 2002, 52 ff. (A. Augustin) . . . . . . . . 167

Erwiderung auf den Leserbrief von Frau Amrei Augustin,Rechtsanwältin und Avocat à la Cour (H.-J. Hellwig) . . . . 167

Pflichten und Haftung des Anwalts

Überblick (B. Chab)Einfluss der Schuldrechtsreform auf besondereVerjährungsvorschriften? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168

Das aktuelle Urteil (A. Jungk)Glaubhaftmachung bei der Wiedereinsetzung(LG Kiel v. 3.4.2002 – 8 S 21/02) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169

Rechtsprechungsleitsätze (B. Chab/H. Grams/A. Jungk)

HaftungVerkehrsanwalt und Prozessanwalt(BGH v. 29.11.2001 – IX ZR 389/98) . . . . . . . . . . . . . . . . 170

Regressverjährung nach § 51b BRAO (OLG Hamm v. 5.2.2002 – 28 U 34/01) . . . . . . . . . . . . . 170

Verjährungsbeginn § 51b BRAO bei vertraglichenVereinbarungen(BGH v. 24.1.2002 – IX ZR 228/00) . . . . . . . . . . . . . . . . . 170

FristenÜberprüfung der Faxnummer (BGH v. 12.3. 2002 – IX ZR 220/01 und BGH v. 24.4.2002 – AnwZ 7/01) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171

Fristberechnung ZPO alt/neu durch Personal?(LAG Niedersachsen v. 19.4.2002 – 10 Sa 109/02 undOLG Stuttgart v. 10.6.2002 – 11 UF 29/02) . . . . . . . . . . . 171

Schulung des Kanzleipersonals;beiläufige Fristenkontrolle(OLG Frankfurt v. 17.5.2002 – 1 UF 326/01) . . . . . . . . . . 171

Eingangsstempel „Pforte“ statt „Nachtbriefkasten“(BGH v. 5.4.2001 – IX ZR 193/00) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172

Zusammenschluss von Anwälten (H. Grams)Die überörtliche Sozietät/Die Kooperation . . . . . . . . . . . . 172

Aus der Arbeit der BRAK

Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes über dieVergütung der Rechtsanwälte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173

Stellungnahme zu der Verfassungsbeschwerde derRechtsanwältin Karin Meyer-Götz zum 10%igen Gebührenabschlag Ost . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176

§ 370a AO: Schreiben des Präsidenten der BRAK an dieBundesministerin der Justiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178

10%iger Gebührenabschlag Ost: Schreiben des Präsi-denten der BRAK an alle Landesjustizministerinnenund -minister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179

Personalien

Personalien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181

4/2002Inhalt

BRAKMitteilungen

IV Inhalt BRAK-Mitt. 4/2002

Berufsrechtliche RechtsprechungBundesverfassungsgericht2

BVerfG 13. 6. 2002 1 BvR 736/02 Anwaltliche Werbung – Briefbögen einer überörtlichen Sozietät (mit Anm. M. W. Huff ) 182

BVerfG 30. 4. 2002 1 BvR 1487/01 Effektiver Rechtsschutz – zur sachlichen Überprüfung eines angefochtenenBescheides einer RAK nach einem Zulassungswechsel desBeschwerdeführers 185

Anwaltsgerichtliche Rechtsprechung2

VerwaltungssachenAGH Berlin 25. 4. 2002 I AGH 11/01 Anwaltliche Werbung – zur Verwendung der Internet-Domain

(n.r.) www.presserecht.de für anwaltliche Tätigkeit (mit Anm. D. Heskamp) 187AGH NRW 15. 2. 2002 1 ZU 52/00 (n.r.) Syndikusanwalt – zur Anerkennung besonderer praktischer Erfahrungen 190Hessischer AGH 17. 9. 2001 2 AGH 7/01 Zulassungswiderruf – zur Bewilligung der öffentlichen Zustellung (LS) 191

Weitere berufsrechtliche Rechtsprechung2

BerufsrechtBGH 11. 4. 2002 I ZR 317/99 Verschwiegenheitspflicht – zu dem Recht eines Rechtsanwalts auf

Verschwiegenheit bei Verletzung von Rechten eines Wettbewerbers (LS) 192BGH 28. 2. 2002 I ZR 195/99 Kanzleibezeichnung – zur Weiterführung des Namens eines Seniorpartners

nach dessen Ausscheiden (LS) 192BGH 6. 12. 2001 I ZR 316/98 Rechtsberatungsgesetz – zu dem Titel „Bürgeranwalt“ einer Fernsehsendung

und der Bezeichnung „Bürgeranwalt – Reporter“ (LS) 192BGH 6. 12. 2001 I ZR 11/99 Rechtsberatungsgesetz – zu einer Fernsehsendung, die über Rechtsfälle

unterrichtet und sich für Verbraucher einsetzt (LS) 192BGH 6. 12. 2001 I ZR 14/99 Rechtsberatungsgesetz – Auskünfte zu allgemeinen Rechtsfragen in einer

Fernsehsendung 192BGH 6. 12. 2001 I ZR 101/99 Rechtsberatungsgesetz – zu einer Fernsehsendung, die Zuschauern bei der

Durchsetzung ihrer Interessen hilft (LS) 195BGH 6. 12. 2001 I ZR 214/99 Rechtsberatungsgesetz – zu der Ankündigung, in einer Fernsehsendung,

anrufenden Zuschauern im Studio Ratschläge zu erteilen (LS) 196BVerwG 22. 2. 2002 6 C 11.01 Keine Verpflichtung der Hochschulen, für Altfälle einen Diplomgrad für

die erste juristische Staatsprüfung zu verleihen 196OLG Celle 24. 4. 2002 3 U 211/01 Abwicklung – zur Vergütung des Praxisabwicklers/Insolvenzverfahren 198OLG Branden-burg 7. 2. 2002 14 W 10/01 Rechtsweg – Rechtsanwalt als Arbeitnehmer/arbeitnehmerähnliche

Person (LS) 199LG Bonn 24. 7. 2001 3 O 251/00 Anwaltliche Werbung – Benennung von Interessenschwerpunkten und

Angebot, Hausbesuche abzustatten (LS) 199LG Koblenz 13. 2. 2002 2 T 88/02 Insolvenzverfahren – zu den Voraussetzungen der Beiordnung eines RA 200AG Oldenburg 21. 3. 2001 E1 C 1034/02 Anwaltliche Werbung – zur Verletzung der Rechte des Konkurrenten (LS) 200

BRAK-MITTEILUNGENInformationen zu Berufsrecht und BerufspolitikHERAUSGEBER: Bundesrechtsanwaltskammer (Littenstr. 9, 10179 Berlin, Tel. 0 30/28 49 39-0, Telefax 0 30/28 49 39-11).E-Mail: [email protected], Internet: http://www.brak.de.Schriftleitung: Rechtsanwalt Stephan Göcken (Geschäftsführer der BRAK)Redaktion: Rechtsanwalt Anton Braun (Hauptgeschäftsführer der BRAK), RechtsanwaltFrank Johnigk, Rechtsanwältin Dr. Heike Lörcher (beide Geschäftsführer der BRAK).Ständiger Mitarbeiter: Rechtsanwalt Mario Axmann, Stuttgart (Rubrik: Berufseinstieg)VERLAG: Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Unter den Ulmen 96–98, 50968 Köln (Marien-burg), Tel. (02 21) 9 37 38-01; Telefax 02 21/ 9 37 38-9 21.E-Mail: [email protected]: Stadtsparkasse Köln (BLZ 37050198) 30602155; Postgiroamt Köln (BLZ37010050) 53950-508.ERSCHEINUNGSWEISE: Zweimonatlich jeweils zum 15. 2., 15. 4., 15. 6., 15. 8.,15. 10., 15. 12.BEZUGSPREISE: Den Mitgliedern der Rechtsanwaltskammern werden die BRAK-Mittei-lungen im Rahmen der Mitgliedschaft ohne Erhebung einer besonderen Bezugsgebührzugestellt. Jahresabonnement 72 € (zzgl. Zustellgebühr); Einzelheft 18 € (zzgl. Versand-kosten). In diesen Preisen ist die Mehrwertsteuer mit 6,54% (Steuersatz 7%) enthalten.

ANZEIGEN: an den Verlag. Anzeigenleitung: Renate Becker (verantwortlich).Gültig ist Preisliste Nr. 17 vom 1. 1. 2002DRUCKAUFLAGE dieser Ausgabe: 121.200 Exemplare (Verlagsausgabe).DRUCK: Westholsteinische Verlagsdruckerei Boyens & Co., Heide/Holstein. Hergestelltauf chlorfrei gebleichtem Papier.URHEBER- UND VERLAGSRECHTE: Die in dieser Zeitschrift veröffentlichten Beiträgesind urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung infremde Sprachen, vorbehalten. Kein Teil dieser Zeitschrift darf ohne schriftliche Geneh-migung des Verlages in irgendeiner Form durch Fotokopie, Mikrofilm oder andere Ver-fahren reproduziert oder in eine von Maschinen, insbesondere von Datenverarbei-tungsanlagen verwendbare Sprache übertragen werden. Das gilt auch für die veröffent-lichten Entscheidungen und deren Leitsätze, wenn und soweit sie von der Schriftleitungbearbeitet sind. Fotokopien für den persönlichen und sonstigen eigenen Gebrauch dür-fen nur von einzelnen Beiträgen oder Teilen daraus als Einzelkopien hergestellt werden.

Druckauflage (II/2002) 119.950 Exemplare.

ISSN 0722-6934

BUNDESRECHTSANWALTSKAMMERBerufliche Vertretung aller Rechtsanwälte in der Bundesrepublik Deutschland; 28 Mit-gliedskammern (27 regionale Rechtsanwaltskammern und Rechtsanwaltskammer beimBundesgerichtshof). Körperschaft des öffentlichen Rechts. Die Rechtsanwaltskammernund die Bundesrechtsanwaltskammer als Dachorganisation sind die Selbstverwaltungs-organe der Anwaltschaft.

GESETZLICHE GRUNDLAGE: Bundesrechtsanwaltsordnung vom 1. August 1959,BGBl. I S. 565, in der Fassung vom 2. 9. 1994, BGBl. I S. 2278.

ORGANE: Hauptversammlung bestehend aus den 28 gewählten Präsidenten der Rechts-anwaltskammern; Präsidium, gewählt aus der Mitte der Hauptversammlung; Präsident:Rechtsanwalt und Notar Dr. Bernhard Dombek, Berlin. Vorbereitung der Organentschei-dungen durch Fachausschüsse.AUFGABEN: Befassung mit allen Angelegenheiten, die für die Anwaltschaft von allge-meiner Bedeutung sind; Vertretung der Anwaltschaft gegenüber Gesetzgeber, Gerichten,Behörden; Förderung der Fortbildung; Berufsrecht; Satzungsversammlung; Koordinie-rung der Tätigkeit der Rechtsanwaltskammern, z. B. Zulassungswesen, Berufsaufsicht,Juristenausbildung (Mitwirkung), Ausbildungswesen, Gutachtenerstattung, Mitwirkungin der Berufsgerichtsbarkeit.

BRAK-Mitt. 4/2002 Aktuelle Hinweise V

Aktuelle Hinweise

Berichte

26. DACH-Tagung vom23.–25. Mai 2002

in Heidelberg

Das Tagungsthema „Die Besteuerung aus-landsbezogener Einkünfte unter Berück-sichtigung der Doppelbesteuerungsab-kommen“ brachte 60 Teilnehmer ausDeutschland, der Schweiz, Liechtenstein,Österreich sowie den Niederlanden,Frankreich, Belgien, Portugal, Großbri-tannien, Polen, Ungarn und Tschechiennach Heidelberg. Damit dokumentiertesich nicht nur der europäische Charakterder „DACH Europäische Anwaltsvereini-gung“, sondern auch die Wichtigkeit dergrenzüberschreitenden Besteuerung.

Trotz des dichten Fachprogramms bliebZeit für einen Bummel durch die Altstadtvon Heidelberg. Herr Bürgermeister Dr.Bess lud zu einem Empfang im prunkvol-len Empfangssaal des Rathauses von Hei-delberg. Anschließend lud die Heidel-berger Kanzlei Lelmer, Dänekamp,Mayer & Knorz freundlicherweise zu ei-nem Sektempfang auf die Schlossterrasse„Altan.“ Dabei konnten wir bei strahlen-dem Sonnenschein einen wunderbarenÜberblick über die Stadt und das Um-land gewinnen. Dann ging es zu einemfestlichen Nachtessen ins stimmungs-volle „Backhaus“ des Schlosses Heidel-berg.

Univ.-Doz. Dr. Claus Staringer, Wien,eröffnete die Vortragsreihe mit „Grund-züge des OECD-Musterabkommens“ undreferierte anschließend über das „Dop-pelbesteuerungsabkommen Österreich-Schweiz mit den seit 1.1.2002 gelten-den Novellierungen“. Über das „Dop-pelbesteuerungsabkommen Deutsch-land-Schweiz“ berichtete RAin BarbaraHamm-Schulte, Lindau. RA lic.iur. Ste-phan Stauber, Chef der Steuerverwaltungdes Kanton Schwyz, erläuterte die„Schweizerische Veranlagungspraxis undStrafbestimmungen unter Berücksichti-gung ausländischer Einkünfte.“ FrauOberregierungsrätin bei der OFD Mün-chen, Helene Wilhelm, hob die „Schwer-punkte des Doppelbesteuerungsabkom-mens Deutschland-Österreich ab 1.1.2003“ hervor.

Ministerialrat im BMF Dr. Jörg-DietrichKramer, LL.M. von der Bundesfinanzaka-

demie Brühl führte die Teilnehmer in die„Grundzüge des deutschen Außensteuer-gesetzes“ ein. Er beantwortete kritischeFragen zu Sinn und Zweck des Gesetzes,zumal das deutsche Außensteuerrechtaus Sicht von Drittländern teilweise be-fremdlich weitgehende Regelungen ent-hält. Das Schlussreferat hielt RA undFachanwalt für Steuerrecht, Dr. MichaelStreck, Präsident des DAV, Köln über„Die Besteuerung ausländischer juris-tischer Personen in der BundesrepublikDeutschland, insbesondere die steuerli-che Behandlung von Familienstiftungenund „abschirmenden“ Kapitalgesell-schaften. Zahlreiche Tagungsteilnehmerbereicherten die Diskussionen auch miteigenen Erfahrungen in den einzelnenSteuergebieten. Die Referate warendurchwegs professionell gehalten – un-terstützt durch die modernen optischenMedien –, so dass ihnen ohne Ermü-dungserscheinungen gefolgt werdenkonnte. Am Ende dankte der Präsidentder DACH, RA Dr. Peter Wieland, Mün-chen, mit Überzeugung und unterstütztvom Beifall des Auditoriums den Vortra-genden für die fachlich und rhetorischwohlgelungene Gestaltung der Vorträge.

Sehr hilfreich war der Umstand, dass dieVortragenden nicht nur auf die ausführli-chen Darlegungen in der umfassendenTagungsdokumentation verweisen konn-ten, sondern dass den Tagungsteilneh-mern auch alle Rechtsquellen abgege-ben wurden. Mit Interesse wird die bal-dige Drucklegung dieser Referate in derDACH-Schriftenreihe (Band 19) erwartet.

Dr. Bruno Derrer, Zürich

Veranstaltungshinweise

27. Dach-Tagung v. 19. bis21. September 2002

in Luzern

Die DACH wird ihre 27. Tagung vom19.–21. 9. 2002 in Luzern durchführen.Unter dem Titel „Grenzenloses Erbrecht– Grenzen des Erbrechts“, werden nam-hafte, sachkundige Kollegen zu den vierKernländer des Verbandes (Deutschland,Österreich, Schweiz, Fürstentum Liech-tenstein) ausführen. Sämtliche Referatewerden in der Schriftenreihe DACHBand 19 publiziert, welcher im Frühjahr2003 erscheinen wird.

Die DACH-Mitglieder erhalten das Pro-gramm und die Anmeldeformulare imJuli 2002. Nicht-Mitglieder wenden sichbitte an: DACH Europäische Anwaltsver-einigung, Kappelergasse 14, CH-8022Zürich, Tel.: 00 41 (0)43 344 70 20, Fax:00 41 (0)43 344 70 21.

64. djtDer 64. Deutsche Juristentag wird vom17. bis 20.9.2002 in Berlin stattfinden.Anlässlich der Eröffnungssitzung am17.9. um 16.00 Uhr werden Bundes-präsident Rau, der Regierende Bürger-meister von Berlin Wowereit und dieBundesjustizministerin Däubler-Gmelinsprechen. Erwartet werden ca. 2500 Teil-nehmer aus Anwaltschaft, Gerichten,Staatsanwaltschaften sowie zahlreicheausländische Gäste. In den fünf Abtei-lungen Zivilrecht, Medienrecht, Straf-recht, Öffentliches Recht und Wirt-schaftsrecht werden erneut sehr unter-schiedliche Themen behandelt werden.Weitere Informationen hierzu im Internetunter www.djt.de. Das „Aktuelle Forum“greift unter dem Thema „Mehr Selbst-ständigkeit für die Dritte Gewalt?“ dieDiskussion um eine stärkere Verselbst-ständigung der Rechtsprechung auf.

IBA – Konferenz vom20. bis 25. Oktober 2002

in Durban

Anwälte aus aller Welt werden zum dies-jährigen IBA – Jahreskongress vom 20.bis 25. Oktober 2002 in Durban, Süd-afrika, erwartet. Das Programm umfasstca. 100 Arbeitsgruppen, u.a.:

• The impact on the banking, invest-ment and financial services industry ofglobal measures to combat abuse ofthe financial system

• Ethics in arbitration

• The impact on the world’s legal sys-tems of international crime and themeasures taken to combat it

• Financing M&A transactions

• Management of the corporate legalfunction in a global context

• Privilege and confidentiality in inter-national litigation

(Fortsetzung Seite VI)

VI Aktuelle Hinweise BRAK-Mitt. 4/2002

• The insurance litigation aftermath of11 September

• Outsourcing – trends and develop-ments

• Growing (or shrinking) pains: how tocope and prosper

• Status and outlooks for the DohaRound

• Globalisation of the legal professionWeitere Informationen im Internet unterwww.ibanet.org/durban/index.asp.

Kontakt: Membership Services, Interna-tional Bar Association, 271 Regent Street,London W1B 2AQ, United Kingdom.Tel: +44 (0)20 7629 1206,Fax: +44 (0)20 7409 0456,E-Mail: member@int-bar. org.

Vorankündigung derUIA-Konferenz 2002

Der 46. UIA-Kongress wird dieses Jahrv. 27. bis 31. 10. 2002 in Sydney stattfin-

den. Die Hauptthemen des Kongresseswerden Schiedsgerichtsbarkeit, Mei-nungsfreiheit und Sportrecht sein. Außer-dem wird es Sonderveranstaltungen zuden Themen „Sydney – Ein internationa-les Finanzzentrum“ und zum Umwelt-recht geben. Anmeldungen können ge-richtet werden an: UIA Centre – 25 RueDu Jour – 75001 Paris – France,Tel.: +33 1 44 88 55 66,Fax: +33 1 44 88 55 77,E-Mail: [email protected] Informationen im Internet unterwww.uianet.org.

EIAS – Tagung am 10./11.Oktober 2002 in Hamburg

Die Arbeitsgruppe im Deutschen Arbeits-gerichtsverband e.V. „Europäisches undInternationales Arbeits- und Sozialrecht(EIAS)“ veranstaltet am 10./11. Oktober2002 in Hamburg (Plenarsaal des Han-seatischen OLG) eine wissenschaftlicheTagung zum Thema:

Leiharbeit/Arbeitnehmerüberlassung:Eine Berwertung aus Sicht des europäi-schen Gemeinschaftsrechts und des bel-gischen, spanischen und deutschen Ar-beits- und Sozialrechts.

Eingeladen sind Arbeits- und Sozialrecht-ler aus Wissenschaft und Praxis. Am 1.Tagungstag beleuchtet Dr. Ulrich Walwei(Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsfor-schung) in einem Eingangsreferat dieökonomische Dimension von Leiharbeit.Anschließend erläutert Gertrud Feustel(Kommission der EU; GD V, Brüssel) denRichtlinienentwurf der Kommission vom20. März 2002 und berichtet vom aktu-ellen Stand des Gesetzgebungsverfah-rens. Am 2. Tagungstag zeigen Prof. Dr.Rolf Wank (Ruhr-Universität, Bochum)und Prof. Dr. Rainer Vor (Hochschule fürTechnik, Wirtschaft und Kultur, Leipzig)die Aspekte der Leiharbeit aus Sicht desdeutschen Arbeits- und Sozialrechts auf.Prof. Dr. Patrick Humblet (UniversitätGent) und RA Román Gil (Madrid) stellendie Regelungen zur Leiharbeit in Belgien

(Fortsetzung von Seite V)

(Fortsetzung Seite VIII)

VIII Aktuelle Hinweise BRAK-Mitt. 4/2002

und Spanien dar. Die praktischen Erfah-rungen mit Leiharbeit werden in einerPodiumsdiskussion unter Leitung vonHarald Schliemann (Vorsitzender Richteram BAG) von sechs Experten aus Belgienund Spanien aus Sicht der Gewerkschaf-ten und Arbeitgeber behandelt.

Tagungssprachen sind Deutsch und Eng-lisch. Ein Fortbildungsnachweis gem.§ 15 FAO wird auf Wunsch ausgestellt.Der Tagungsbeitrag beträgt für Mitgliederdes Deutschen Arbeitsgerichtsverbandese.V. 50 Euro, für Nichtmitglieder 100Euro. Wegen der auf 80 Personen be-grenzten Teilnehmerzahl können Anmel-dungen nur in der Reihenfolge des Ein-gangs der Tagungsgebühr berücksichtigtwerden. Anmeldungen werden bis zum10. September 2002 erbeten an: EIAS c/oRAe Walther Behrens & Partner, Jung-fernstieg 41, 20354 Hamburg, (E-Mail:behrenspp @t-online.de).

Vermischtes

Stellenausschreibung derGesellschaft für Technische

Zusammenarbeit

Die Deutsche Gesellschaft für Techni-sche Zusammenarbeit hat in Bolivien imProjekt „Unterstützung der Reform derStrafrechtsordnung“ die Stelle des/derAnsprechpartners/in zu besetzen.

Der direkte Link zur Ausschreibung: http://www4.gtz.de/personal/jAutoriX/HTML-GUI/pool.jsp?idoc=QSOOORQTKK

GTZ, Personalbereitstellung und-betreuungOE 6033 – Lateinamerika und AsienE-Mail: [email protected],Tel.: +49-61 96-79 32 47,Fax: +49-61 96-79 73 48,Fax direkt auf PC: +49-61 96-79 80 32 47.

LL.M. an der Goethe-Univer-sität Frankfurt a.M.

Der Abschluss „Master of Laws (LL.M.)“mit dem Schwerpunkt Kapitalmarkt-,Bank- und Währungrecht kann jetzt in derBankenstadt Frankfurt am Main erworbenwerden. Bewerbungen von überdurch-schnittlich qualifizierten Hochschulab-solventen der Rechts- und Wirtschaftswis-senschaften aus dem In- und Ausland sindim neu gegründeten „Institute for Law andFinance“ an der Goethe-UniversitätFrankfurt am Main willkommen.

Kontakt: Frau Dr. Rima Dapous, Institutefor Law and Finance, Johann-Wolfgang-Goethe-Universität, Senckenberganlage31, D-60054 Frankfurt am Main,Tel.: +49 (0) 69 – 798 28719,Fax: + 49 (0) 69 – 798 29018,E-Mail: [email protected],Homepage: www.ilf-frankfurt.de.

(Fortsetzung von Seite VI)

4/200215. 8. 2002 33. Jahrgang

Informationenzu Berufsrecht undBerufspolitik

BRAKMitteilungenHerausgeberB U N D E S R E C H T S A N W A LT S K A M M E R

Die Vertreter der Regierungskoalition haben in der Sitzung desRechtsausschusses am 3. 7. 2002 beschlossen, die Beschlussfas-sung über das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (BT-Drucks. 14/8818)/Rechtsanwaltsvergütungsneuordnungsgesetz (BT-Drucks.14/9037) zu vertagen. Damit kann der Deutsche Bundestag indieser Legislaturperiode ein Gesetz zur Anpassung der Ge-bühren der Anwaltschaft nicht mehr verabschieden.

Es steht somit endgültig fest, dass die Bundesministerin der Justizihr Versprechen, für die Anpassung der Gebühren der Anwalt-schaft noch in dieser Legislaturperiode zu sorgen, nicht eingehal-ten hat. Dies gilt sowohl in formeller als auch materieller Hin-sicht. Formell deshalb, weil es einen Entwurf der Bundesregie-rung für ein Anpassungsgesetz in dieser Legislaturperiode nichtrechtzeitig gegeben hat; die Vertreter der Regierungskoalition imDeutschen Bundestag legten immer großen Wert darauf, dass essich bei dem von ihnen eingebrachten Entwurf eines Rechtsan-waltsvergütungsneuordnungsgesetzes nicht um einen Entwurf derBundesregierung handle. Materiell wurde die Zusage nicht ein-gehalten, weil der von der Regierungskoalition eingebrachte Ent-wurf eines Rechtsanwaltsvergütungsneuordnungsgesetzes dasScheitern auf der Stirn geschrieben hatte. Bekannt ist seit Jahr-zehnten, dass die Länder bei Anpassung der Gebühren der An-waltschaft – ob berechtigt oder unberechtigt, mag dahingestelltbleiben – immer eine Gegenfinanzierung durch Anpassung derGebühren des GKG verlangen. Im Entwurf der Regierungskoali-tion sucht man vergeblich nach entsprechenden Bestimmungendes GKG. In Gesprächen wird lediglich von Zusagen der Regie-rungskoalition an die Länder berichtet, man werde in der nächs-ten Legislaturperiode noch rechtzeitig vor dem beabsichtigten In-Kraft-Treten des Rechtsanwaltsvergütungsneuordnungsgesetzeszum 1. 7. 2003 eine Änderung des GKG beschließen, damit dieGegenfinanzierung erfolge.

Wie kann man ernsthaft erwarten, dass die Länder sich auf einederartige Zusage verlassen?

Welchen Wert hat diese Zusage, wenn die Mehrheitsverhältnisseim nächsten Deutschen Bundestag sich ändern?

Soll etwa durch eine derartige Zusage die freie Willensbildungder Abgeordneten des neuen Bundestages gebunden werden?

Es wäre sicherlich falsch, der Bundesministerin der Justiz in die-ser Hinsicht Blauäugigkeit zu unterstellen, wenn man bedenkt,wie viele Gesetze sie nach ihren eigenen Angaben in dieser Le-gislaturperiode– so nachzulesen auf der Internetseite des BMJ –

durchgesetzt hat. Erinnert werden soll nur an das Zivilprozessre-formgesetz sowie das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz. Danndrängt sich der Eindruck auf, die notwendige Ernsthaftigkeit beider Durchsetzung dieses Gesetzgebungsvorhabens hat gefehlt.Die Anwaltschaft hat die Vorschriften für das Rechtsanwaltsver-gütungsgesetz selbst mit erarbeitet; das Bundesministerium derJustiz ist mit einem entsprechenden Gesetz für die Gegenfinan-zierung in Verzug.

Das Gesetz ist allerdings nicht nur an der Unfähigkeit der Bun-desregierung und der sie tragenden Parteien gescheitert, sondernauch an dem offen geäußerten Widerstand der Rechtschutzversi-cherungen. Mit falschen Pressemeldungen wurde seitens des Ge-samtverbands der Versicherungswirtschaft der Eindruck erweckt,bei der Anpassung der Gebühren würden die Interessen der Bür-ger geschädigt; sie seien zukünftig nicht mehr in der Lage, die Prä-mien für eine Rechtschutzversicherung zu tragen. Die Anwalt-schaft wird sich deshalb auf das neue Verhalten der Rechtschutz-versicherungen einstellen müssen. Überdacht werden müssennicht mehr gerechtfertigte Privilegierungen der rechtschutzversi-cherten Partei. Warum soll ein Anwalt kostenlos die Deckungs-schutzzusage bei einer Rechtschutzversicherung einholen?

Warum soll er ohne Vorschuss für eine rechtschutzversicherte Par-tei arbeiten?

Die Notwendigkeit einer Gebührenanpassung wird von nieman-dem bestritten. Selbst die Länder, deren Haushalte durch eine An-passung betroffen sind, bejahen diese. Beispielhaft sind die Äuße-rungen des Justizministers des Landes Baden-Württemberg Prof.Dr. Goll: „Die Rechtsanwaltsvergütung ist seit 1994 nicht mehrerhöht worden. Seither ist der Preisindex für die Lebenshaltungum 15 % gestiegen und alle anderen Gehälter wurden regelmäßigangepasst. Gerade für viele junge Anwältinnen und Anwälte istdie Lage schwierig. Angesichts dessen geht es aus Baden-Würt-tembergischer Sicht nicht um unberechtigte Forderungen.“ DieUntätigkeit ist deshalb allein der Regierungskoalition und derBundesministerin der Justiz zuzurechnen, nicht den Ländern.

„Die Ministerin, aber auch die Bundesregierung, werden sich am22. 9. 2002 daran messen müssen, ob sie ihr Versprechen einge-halten hat/haben.“ – Ich zitiere mich damit selbst (BRAK-Mitt.2002, 49). Jeder muss seine eigene Entscheidung treffen, wenn esdarum geht, weiterhin die Angestellten in den Büros zahlen, dieFamilienangehörigen ernähren und zu dem seit vier Jahren pro-gnostizierten Wirtschaftsaufschwung beitragen zu können.

Bernhard Dombek

Akzente

Versprechen gebrochen!

Das „Gesetz zur Neuordnung des Berufsrechts der Rechtsan-wälte und der Patentanwälte“1 hat jedem RA in § 51 BRAO2 dieVerpflichtung auferlegt, eine Berufshaftpflichtversicherung3 zuunterhalten. Auch wenn ein wesentlicher Teil der Übergangs-schwierigkeiten inzwischen gelöst ist, bestehen weiterhin beider Auslegung des § 51 BRAO, aber auch berufspolitisch offeneFragen.

1. Nachweis der Berufshaftpflichtversicherung

Nach § 51 Abs. 6 BRAO muss der RA den Versicherer im Versi-cherungsvertrag verpflichten, der zuständigen Landesjustizver-waltung und der zuständigen RAK den Beginn, die Beendigung,die Kündigung sowie jede den vorgeschriebenen Versiche-rungsschutz beeinträchtigende Änderung des Versicherungsver-

trages unverzüglich mitzuteilen. Nach § 224a BRAO wurden dieLandesregierungen ermächtigt, durch Rechtsverordnung dieden Landesjustizverwaltungen nach der BRAO zustehendenAufgaben und Befugnisse ganz oder teilweise auf die RAKn zuübertragen. In allen Bundesländern ist das Zulassungs-, aberauch das Rücknahmeverfahren auf die RAKn übertragen wor-den.4 Der zuständigen RAK5 ist somit Beginn und Beendigungoder Kündigung des Versicherungsvertrages sowie jede Ände-rung des Versicherungsvertrages mitzuteilen.

2. Rechtsprechung

Das Nichtbestehen einer Berufshaftpflichtversicherung führtzum Widerruf der Zulassung (§ 14 Abs. 2 Nr. 9 BRAO). In derRegel wird die sofortige Vollziehung angeordnet (§ 16 Abs. 6Satz 3 BRAO), da eine akute Gefahr für die Mandanten besteht,

150 Aufsätze BRAK-Mitt. 4/2002

Braun, Berufshaftpflichtversicherungen

Berufshaftpflichtversicherungen

Rechtsanwalt Anton Braun, Berlin

1 BGBl. I 1994, 2278 ff. 2 BGBl. I 1994, 2278, 2281.3 Siehe dazu auch: Stöhr, Gut versichert?, Anwaltsreport 4/2001, 8 ff.;

ders., Die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung als Pflichtver-sicherung für RAe und Notare, AnwBl. 1995, 234 ff.; Brieske, Die Be-rufshaftpflichtversicherung, AnwBl. 1995, 225 ff.

4 Baden-Württemberg: Verordnung des Justizministeriums zur Über-tragung der Befugnisse nach der Bundesrechtsanwaltsordnung aufdie RAKn vom 30.11.1998, BWGBl. 1999, 56, ab 1.3.1999; Bayern:Verordnung zur Übertragung von Aufgaben und Befugnisse der Lan-desjustizverwaltung nach §§ 224, 224a der Bundesrechtsanwalts-ordnung v. 2.3.1999, GVBl. Bayern 1999, 81, ab 1.1.2000; Berlin:Verordnung zur Übertragung von Befugnisse und Aufgaben nach derBundesrechtsanwaltsordnung v. 12.7.1999, GVBl. Berlin 1999, 433,ab 1.10.1999; Brandenburg: Verordnung zur Übertragung von Auf-gaben und Befugnisse nach der Bundesrechtsanwaltsordnung unddem Gesetz über die Tätigkeit europäischer RAe in Deutschland v.29.4.2002, GVBl. Brandenburg II 2002, 255, ab 1.6.2002; Bremen:Verordnung zur Übertragung von Aufgaben nach der Bundesrechts-anwaltsordnung auf die Hanseatische RAK Bremen v. 14.12.1998,Brem. Gbl. 1998, 381, ab 1.1.1999; Hamburg: Verordnung zurÜbertragung von Befugnissen nach der Bundesrechtsanwaltsord-nung v. 9.2.1999, Hamb. GVBL. 1999, 45, ab 1.3.1999; Hessen:Ver-ordnung zur Regelung von Zuständigkeiten nach der Bundesrechts-anwaltsordnung v. 22.2.1999, GVBl. Hessen 1999, 182, ab1. 7. 1999; Mecklenburg-Vorpommern:Verordnung zur Übertragungvon Aufgaben und Befugnissen nach der Bundesrechtsanwaltsord-nung v. 13.10.1999, GVOBl. M-V 1999, 572, ab 1. 1. 2000; Nieder-sachsen: 3. Verordnung zur Änderung der Verordnung zur Regelungvon Zuständigkeiten in der Gerichtsbarkeit und der Justizverwaltungv. 10.6.1999, Nds.GVBl. 1999, 128, ab 1. 7. 1999; Nordrhein-West-falen: Verordnung zur Übertragung von Befugnissen nach der Bun-desrechtsanwaltsordnung v. 26.1.1999, GVBL. NRW 1999, 40, ab1.7.1999; Rheinland-Pfalz: Landesverordnung zur Übertragung vonAufgaben und Befugnissen nach der Bundesrechtsanwaltsordnung v.21.10.1998, GVBl. Reinland-Pfalz 1998, 290, ab 1.1.1999; Saar-land: Verordnung zur Übertragung von Aufgaben und Befugnissennach der Landesjustizverwaltung auf die RAK des Saarlandes v.15.12.1998, Abl. Saar. 1999, 74, ab 1.2.1999; Sachsen: Verordnungder Sächsischen Staatsregierung zur Übertragung von Befugnissenund Aufgaben nach der Bundesrechtsanwaltsordnung und dem Ge-setz über die Tätigkeit europäischer RAe in Deutschland auf die RAKSachsen v. 11.12.2001, Sächs GVBl. 2001, 727, ab 1.1.2002; Sach-sen-Anhalt: Verordnung über die Übertragung berufsrechtlicher Auf-gaben und Befugnisse auf die RAK des Landes Sachsen-Anhalt v.25.9.2000, GVBl. Sachsen-Anhalt 2000, 576, ab 1.10.2000; Schles-wig-Holstein: Landesverordnung zur Übertragung von Befugnissenauf die RAK v. 16.2.1999, GVOBl. Schl.-H 1999, 60, ab 1.3.1999;

Thüringen: Thüringer Verordnung zur Übertragung von Befugnissennach der Bundesrechtsanwaltsordnung v. 13.9.2000, ThürGVBl.2000, 325, ab 1.1.2001

5 Baden-Württemberg:RAK Freiburg (Gartenstr. 21, 79098 Freiburg i. Br., Tel.: 0761/32563,Fax: 0761/286261); RAK Karlsruhe (Reinhold-Frank-Str. 72, Tel.:0721/25340, Fax: 0721/26627); RAK Stuttgart (Werastr. 23, 70182Stuttgart, Tel.: 0711/246467, Fax: 0711/246396); RAK Tübingen (Pfron-dorfer Str. 2, 72074 Tübingen, Tel.: 07071/84194, Fax: 07071/84195)Bayern:RAK Bamberg (Friedrichstr. 7, 96047 Bamberg, Tel.: 0951/98620-0,Fax: 0951/203503); RAK München (Landwehrstr. 61, 80336 Mün-chen, Tel.: 089/5329440, Fax: 089/53294428, ab 1.10.2002: Tal 33,80331 München); RAK Nürnberg (Fürther Str. 115, 90429 Nürnberg,Tel.: 0911/926330, Fax: 0911/9263333)Berlin:RAK Berlin (Littenstr. 9, 10179 Berlin, Tel.: 030/3069310, Fax: 030/30693199)Brandenburg:RAK Brandenburg (Grillendamm 2, 14776 Brandenburg an der Ha-vel, Tel.: 03381/25330, Fax: 03381/253323Bremen:RAK Bremen (Knochenhauerstr. 36/37, 28195 Bremen, Tel.: 0421/16897-0, Fax: 0421/16897-20)Hamburg:RAK Hamburg (Bleichenbrücke 9, 20354 Hamburg, Tel.: 040/3574410, Fax: 040/357441-41)Hessen:RAK Frankfurt (Bockenheimer Anlage 36, 60322 Frankfurt/Main, Tel.:069/17009801, Fax: 069/1009850); RAK Kassel (Karthäuser Str. 5a,34117 Kassel, Tel.: 0561/12021, Fax: 0561/12027)Mecklenburg-Vorpommern:RAK Mecklenburg-Vorpommern (Bornhövedstr. 12, 19055 Schwe-rin, Tel.: 0385/5574385, Fax: 0385/5574388Niedersachsen:RAK Braunschweig (Bruchtorwall 12, 38100 Braunschweig, Tel.:0531/123350, Fax: 0531/1233566); RAK Celle (Bahnhofstr. 5, 29221Celle, Tel.: 05141/92820, Fax: 05141/928242); RAK Oldenburg(Staugraben 5, 26122 Oldenburg, Tel.: 0441/92543-0, Fax:0441/92543-29)Nordrhein-Westfalen:RAK Düsseldorf (Scheibenstr. 17, 40479 Düsseldorf, Tel.: 0211/495020, Fax: 0211/4950228); RAK Hamm (Ostenallee 18,59063 Hamm, Tel.: 02381/985000, Fax: 02381/985050); RAK Köln (Riehler Str. 30, 50668 Köln, Tel.: 0221/9730100, Fax:0221/97301050)Rheinland-Pfalz:RAK Koblenz (Rheinstr. 24, 56068 Koblenz, Tel.: 0261/30335-0, Fax:

unwiederbringlich Vermögensschäden zu erleiden.6 Die Berufs-haftpflichtversicherung ist auch dann zu unterhalten, wenn einRA gem. § 29a Abs. 2 BRAO von der Kanzleipflicht befreit istund er nicht in Deutschland, sondern im Ausland seine Kanzleiunterhält.7 Fehlende Einkünfte rechtfertigen nicht, dass ein RAeine Berufshaftpflichtversicherung nicht unterhält.8 Es ist mög-lich, sich von der Residenzpflicht nach § 29a BRAO befreien zulassen, nicht jedoch von der Verpflichtung zum Unterhalt einerBerufshaftpflichtversicherung.9 Die Versicherungspflicht knüpftnicht an die Tätigkeit oder die Selbständigkeit des RA, sondernan dessen Zulassung an, im Gegensatz zu den Regelungen fürStB und WP.10 Der Unterschied ist daraus gerechtfertigt, dass einAnwalt nach den §§ 48, 49, 49a BRAO verpflichtet werdenkann, ein Mandat anzunehmen; er hat es somit nicht selbst inder Hand zu entscheiden, ob er als Anwalt tätig wird. Unab-hängig davon geht die BRAO nicht von dem Bild eines Titular-anwaltes aus; die Zulassung als Anwalt ist daran geknüpft, dassder RA auch als Anwalt arbeitet.11

Streit entsteht immer dann, wenn im gerichtlichen Verfahren derRA nachweist, dass er nunmehr wieder eine Berufshaftpflicht-versicherung für die Zukunft abgeschlossen hat. Der AGH Bre-men12 hat in einem derartigen Fall das Widerrufsverfahren für er-ledigt erklärt und die Kosten des Verfahrens dem RA auferlegt.Der AGH Baden-Württemberg13 hatte in einem Verfahren, indem die Bescheinigung über den Abschluss der Berufshaft-pflichtversicherung zwar der zuständigen RAK vorgelegt wor-den war, jedoch von dem RA nicht bewiesen werden konnte,dass sie auch der Landesjustizverwaltung vorgelegt worden war(§ 51 Abs. 6 BRAO), die Kosten des Verfahrens gegeneinanderaufgehoben, weil nicht aufgeklärt werden konnte, ob die Un-terrichtung der Landesjustizverwaltung erfolgt war. Es bestehenZweifel an der Richtigkeit dieser Entscheidung; der RA musssich ein Fehlverhalten seines Versicherers zurechnen lassen; erhat zu überwachen, dass die entsprechenden Nachweise denzuständigen Stellen, bisher Landesjustizverwaltung und RAK,zukünftig nur RAK, zugegangen sind; er muss den entsprechen-den Beweis führen; Nichtbeweisbarkeit geht zu seinen Lasten.

Der BGH14 hat in einem ähnlichen Fall der Klage eines RA statt-gegeben, in dem dieser im laufenden Verfahren nachgewiesenhat, dass jedenfalls für die Zukunft wieder voller Versicherungs-schutz bestand. Hinsichtlich der Kostentragungspflicht stehtdiese Entscheidung nicht im Widerspruch zu den zuvor zitiertenEntscheidungen des AGH Bremen15 bzw. AGH Baden-Würt-temberg16; die RAK hatte in diesem Fall den Rechtsstreit nicht fürerledigt erklärt. Zu entscheiden war deshalb die Frage, ob derWiderruf der Anwaltszulassung zurückzunehmen ist, wennzwar in der Vergangenheit kein Versicherungsschutz bestandenhat, für die Zukunft jedoch wiederum Versicherungsschutz be-steht. Entgegen der Auffassung des BGH ist in derartigen Fällenaus dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung der Widerruf auf-recht zu erhalten; es kann nicht richtig sein, dass der Anwalt, derversichert, er arbeite nicht als RA, seine Zulassung verliert,wenn er keine Berufshaftpflichtversicherung unterhält, währendder Anwalt, der in der Vergangenheit als Anwalt gearbeitet hat,für diesen Zeitraum aber ebenfalls keine Vermögensschaden-haftpflichtversicherung unterhalten hat, im Widerrufsverfahrensich erfolgreich verteidigen und die Zulassung beibehaltenkann. In beiden Fällen besteht die Gefahr, dass der RA von Man-danten aufgrund von Schlechtleistung in Anspruch genommenwird und für die Bearbeitung keinen Versicherungsschutz ge-nießt, also kein Haftungssubstrat den Mandanten für etwaigeSchäden zur Verfügung stellt. Es besteht in derartigen Fällen dieGefahr, dass ein Anwalt, der ohne Versicherungsschutz gearbei-tet hat, die Vermögensinteressen seiner Mandanten, die er nachAbschluss des Vermögensschadenhaftpflichtversicherungsver-trages betreut, nicht in der Weise behandelt, wie dies geschehenwäre, wenn er auch für den vergangenen Zeitraum Versiche-rungsschutz genossen hätte und nicht die Angst haben müsste,dass er für Fehler in dieser Zeit persönlich ohne Schutz einerVersicherung haftet.

3. Seine Berufstätigkeit

Bewusst formuliert § 51 Abs. 1 Satz 1 BRAO, dass der RA seineBerufstätigkeit mit einer Berufshaftpflichtversicherung gegenHaftpflichtgefahren für Vermögensschäden absichern muss. Da-mit wird jedoch nicht ein Freiraum geschaffen für RAe, die mei-nen, dass das Haftpflichtrisiko für ihre Berufstätigkeit so niedrigsei, dass sie keiner Berufshaftpflichtversicherung bedürfen. § 51Abs. 4 BRAO sieht deshalb ausdrücklich eine Mindestversiche-rungssumme von 250 000 Euro für jeden Versicherungsfall vor,unabhängig vom entstehenden Haftpflichtrisiko. Deshalb hat je-der Anwalt, unabhängig vom Umfang seiner Tätigkeit, eine Ver-mögensschadenhaftpflichtversicherung über diese Mindestver-sicherungssumme abzuschließen.17 Nicht ausreichend ist esdeshalb aber auch, dass RAe mit regelmäßig höheren Risiken als250 000 Euro in Deutschland eine Vermögensschadenhaft-pflichtversicherung nur über diesen Betrag abgeschlossen ha-ben. Damit wird der gesetzlichen Wertung nicht Rechnung ge-tragen. Der Mandant soll geschützt werden. Wenn regelmäßigdas Risiko für Schäden höher liegt, ist der Anwalt auch berufs-rechtlich verpflichtet, eine Vermögensschadenhaftpflichtver-sicherung mit höheren Deckungssummen als die Mindestver-scherungssumme von 250 000 Euro abzuschließen. Beim Ver-stoß kann dies berufsrechtlich (§§ 113, 43 BRAO) geahndetwerden.

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Braun, Berufshaftpflichtversicherungen

0261/30335-22); RAK Zweibrücken (Landauer Str. 17, 66482 Zwei-brücken, Tel.: 06332/8003-0, Fax: 06332/8003-19)SachsenRAK Sachsen (Glacisstr. 6, 01099 Dresden, Tel.: 0351/318590, Fax:0351/3360899)Sachsen-AnhaltRAK Sachsen-Anhalt (Gerhart-Hauptmann-Str. 5, 39108 Magdeburg,Tel.: 0391/25272-10, Fax: 0391/25272-03)SaarlandRAK Saarbrücken (Am Schlossberg 5, 66119 Saarbrücken, Tel.:0681/588280, Fax: 0681/581047)Schleswig-HolsteinRAK Schleswig-Holstein (Gottorfstr. 13, 24837 Schleswig, Tel.:04621/93910, Fax: 04621/939126)ThüringenRAK Thüringen (Bahnhofstr. 27, 99084 Erfurt, Tel.: 0361/65488-0,Fax: 0361/65488-20).

6 BayAGH, BRAK-Mitt. 1996, 167; BayAGH, Beschl. v. 20.7.1998 –BayAGH I - 13/97; BayAGH, Beschl. v. 4.5.1998 – BayAGH I - 12/97;AGH Bremen, Beschl. v. 3.12.1997 – AGH 5/97; AGH BW, Beschl.v. 12.8.1996 – 2 AGH 8/96 (I).

7 AGH NRW, BRAK-Mitt. 1997, 206; BGHZ 137, 200 = BRAK-Mitt.1998, 40 = AnwBl. 1998, 156 = NJW 1998, 1078.

8 BayAGH, Beschl. v. 27.4.1997 – BayAGH I - 24/97.9 AGH Hamburg, BRAK-Mitt. 1998, 45.

10 §§ 67 StBerG, 54 WPO; siehe dazu auch: BVerfG, Beschl. v.28.3.2002 – 1 BvR 1082/2000 in Abänderung zu BGHSt 46, 67 =NJW 2000, 2366 = wistra 2000, 430.

11 BGH, NJW-RR 1991, 1325 = BRAK-Mitt. 1991, 101; BGH, BRAK-Mitt. 1993, 43; BGH, Beschl. v. 21.11.1994 – AnwZ (B) 44/94; BGH,Beschl. v. 27.5.1991 – AnwZ (B)12/91; siehe dazu auch: Pfeiffer, DerSyndikusanwalt, in: Festschrift für Oppenhoff, S. 253 ff.

12 Beschl. v. 23.4.1996 – 2 AGH 3/96.13 Beschl. v. 12.8.1996 – AGH 8/96 (I).

14 BGH, BRAK-Mitt. 2001, 228 = NJW 2001, 3131 = AnwBl. 2001, 570mit Anm. Henssler, EWiR 2001, 913 und Kilian, MDR 2001, 1138gegen AGH Hessen, Beschl. v. 8.5. 2000 – 2 AGH 13/99.

15 Siehe Fn. 12.16 Siehe Fn. 13.17 Siehe dazu schon: Braun, Berufshaftpflichtversicherungen, BRAK-

Mitt. 1994, 202 ff.

Dieser berufsrechtlichen Verpflichtung, eine ausreichendeVermögensschadenhaftpflichtversicherung abzuschließen, wirdnicht dadurch genügt, dass ein RA in Deutschland eine Vermö-gensschadenhaftpflichtversicherung mit einer Mindestversiche-rungssumme unterhält, die Restgefahren – Schäden über 250 000Euro – über eine Versicherung der Sozietät im Ausland versuchtzu schützen. Dies ergibt sich aus mehreren Gründen. Nach der-zeitigen Erkenntnissen wird für eine Versicherung, die z. B. aufdem Londoner Markt abgeschlossen wird, in Deutschland keineVersicherungssteuer abgeführt. Der Anwalt setzt allerdings diePrämie für die Vermögensschadenhaftpflichtversicherung inDeutschland als Betriebsausgaben an. Es besteht die Gefahr, dassbei einer Steuerprüfung diese Betriebsausgaben nicht anerkanntwerden, da die entsprechende Versicherungssteuer in Deutsch-land nicht abgeführt wird. Darüber hinaus gilt bei Versicherun-gen, die im europäischen Ausland abgeschlossen wurden, in derRegel nicht das Verstoßprinzip; es gilt das claims-made Prinzip.Dies widerspricht aber dem System des § 51 BRAO.18

4. Prämiengestaltung

Die nachfolgende Tabelle zeigt, dass der Wettbewerb unter denVermögensschadenhaftpflichtversicherern weiterhin nicht aus-geprägt ist. Erhebliche Änderungen zu den Feststellungen in denVorjahren19 können nicht festgestellt werden. Aus dem Rahmenfällt lediglich die Assekuranz Freier Berufe GmbH; diese rech-net ihre Prämie nach dem Jahresnettohonorarumsatz des ein-zelnen RA aus. Die Versicherung birgt in sich die Gefahr, dassbei Falschangaben das Recht zur Anfechtung wegen arglistigerTäuschung durch den Versicherer besteht und somit der durch§ 51 BRAO bezweckte Schutz des Mandanten beeinträchtigtwerden kann. Entsprechende Gefahren bestehen jedoch auchdann, wenn die Zahl der Vorschäden falsch angegeben wird; dasRecht zur Anfechtung wegen arglistiger Täuschung soll in die-sen Fällen nur dann entfallen, wenn trotz Meldung der Haft-pflichtansprüche keine Regulierung erfolgen musste.20

Seit dem Jahre 2000 ist darüber hinaus zu berücksichtigen, dassdie Versicherer genauer als bisher die Versicherungsläufe beob-achten. Prämienaufkommen und Schadensverlauf haben sichz. B. insbesondere bei Steuerberatern, Wirtschaftsprüfern, No-taren und Anwaltsnotaren negativ zu Lasten der Versicherungs-wirtschaft entwickelt.21 Versicherer haben im Jahre 2001 be-gonnen, auch im Anwaltsbereich Vermögensschadenhaftpflicht-versicherungen aufgrund eines nicht mehr deckendenVersicherungsverlaufes zu kündigen. Bisher bestand zwischender Versicherungswirtschaft und der Anwaltschaft eine Verein-barung, dass in einem Losverfahren dem RA in den Fällen, in de-nen er keinen neuen Versicherer findet, ein Vermögensschaden-haftpflichtversicherer zugeteilt wird; dies war notwendig, da essich bei der Vermögensschadenhaftpflichtversicherung entge-gen der Versicherung im Kraftfahrzeugbereich nicht um einePflichtversicherung handelt, also kein Kontrahierungszwang be-steht. Da das Losverfahren jedoch längere Zeit in Anspruchnahm, sind inzwischen einige Versicherer dazu übergegangen,Änderungskündigungen auszusprechen; die Prämien erhöhen

sich dann erheblich. So ist in einem Fall bei einer Vermögens-schadenhaftpflichtversicherung mit einer Jahresversicherungs-prämie i.H.v. 7000 Euro eine neue Prämie i.H.v. 70 000 Euro an-geboten worden. Derart hohe Prämien kommen einem Berufs-verbot gleich. Berufspolitisch wird man deshalb erörternmüssen, wie die Anwaltschaft sich zukünftig verhalten will.22

Wird innerhalb der Kündigungsfrist keine neue Vermögensscha-denhaftpflichtversicherung abgeschlossen, entzieht die RAK dieZulassung; in der Regel wird die sofortige Vollziehung angeord-net. Dies trifft auch Mitarbeiter, die über einen RA für ihre Tätig-keit bei diesem RA versichert sind. Es empfiehlt sich deshalb un-mittelbar nach Kündigung Kontakt mit anderen Versicherernaufzunehmen, wenn das Änderungsangebot nicht angenom-men werden soll. Häufig hilft in diesen Fällen die Einschaltungeines Versicherungsmaklers wie z. B. der Firma Hoesch & Part-ner GmbH23. Die Empfehlung, einen Versicherungsmakler ein-zuschalten, gilt im Übrigen auch in den Fällen, in denen fürmehrere RAe eine Vermögensschadenhaftpflichtversicherungabgeschlossen werden soll oder die Mindestversicherungs-summe überschritten wird.

5. Vertrauensschadenversicherung

Nach § 152 VVG besteht kein Versicherungsschutz bei vorsätz-lichem Handeln. Darüber hinaus regelt § 4 Nr. 5 AVB, dass dieVermögensschadenhaftpflichtversicherung leistungsfrei ist inden Fällen, in denen die Haftpflichtversicherung wegen Scha-densstiftung durch wissentliches Abweichen von Gesetz, Vor-schrift, Anweisung oder Bedingung des Berechtigten oder sons-tige wissentliche Pflichtverletzung nicht leisten muss. Für diewissentliche Pflichtverletzung ist Vorsatz, der in der Haftpflicht-versicherung auch die Schadensfolgen umfassen muss, nicht er-forderlich.24 Der Einwand wissentlicher Pflichtverletzung wirdvon Vertretern Geschädigter nicht selten erhoben. Der Geschä-digte beraubt sich damit gerade der Möglichkeit, die Haft-pflichtversicherung für den Schaden eintreten zu lassen.25

Während Notarkammern einen aus Kammerbeiträgen gebilde-ten Vertrauensschadenfonds als öffentlich-rechtliches Zweck-vermögen unterhalten,26 bestehen derartige Einrichtungen beiden RAKn in der Regel nicht.27

Der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages hat in der14. Legislaturperiode in einer Petition28 folgendes ausgeführt:29

„Gerade der vorsätzlich zum Nachteil seines Mandanten han-delnde Anwalt wird gleichermaßen bemüht sein, sich hierausergebenden Schadensersatzansprüchen zu entziehen. Auchwenn es sich um seltene Einzelfälle handelt, hält der Ausschussdeshalb für die Ausgestaltung der Berufshaftpflichtversicherungfür Anwälte eine Regelung für erforderlich, die auch bei vor-sätzlicher Pflichtverletzung Versicherungsschutz bietet und eineBefriedigung entsprechender Ansprüche des Geschädigten si-

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Braun, Berufshaftpflichtversicherungen

18 Meßmer, Die Berufshaftpflichtversicherung des deutschen RA, VW1998, 294; siehe dazu auch Kouba, BRAK-Mitt. 2002, 165 ff. – in die-sem Heft.

19 Siehe dazu: Braun, Berufshaftpflichtversicherungen, BRAK-Mitt.1994, 202, 204; Gelzleichter, Berufshaftpflichtversicherungen undSchadensfreiheitsrabatt, BRAK-Mitt. 1995, 6; Braun, Berufshaft-pflichtversicherungen, BRAK-Mitt. 1997, 5.

20 KG, MDR 1998, 744.21 Pohl, Schadensverlauf und Ursachenanalyse in der Berufshaftpflicht-

versicherung, WPK-Mitt. 2001, 94 ff.; BNotK-Intern 1/2002, 4 ff.;Mahlstedt, Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung für Steuerbe-rater, DSWR 2002, 218 ff.

22 Siehe dazu 7. Berufspolitik.23 Hoesch & Partner GmbH & Co. KG Rüsterstraße 1 60325 Frank-

furt/Main, Telefon 069/ 717070 Telefax 069/ 727375.24 BGH, MDR 1991, 419.25 Terbille, Haftpflichtversicherung und Haftung von Anwälten und

Notaren, MDR 1999, 1426, 1427.26 Terbille, a.a.O., MDR 1999, 1426, 1427; Hagen, Bindungswirkung

in der Vertrauensschadenversicherung?, DNotZ 2000, 809; Werner,Vermögensschaden-Versicherungen im Bereich notarieller Tätigkeit,BerlAnwBl. 1995, 375; Wolff, Notarhaftung – Die sogenannte Ver-trauensschadenversicherung und der Vertrauensschadenfonds derNotarkammern, VersR. 1993, 272; Stüer, Notare als Solidargemein-schaft, DVBl. 1989, 1137; Zimmermann, 1. Gesetz zur Änderung derBNotO und Staatshaftungsgesetz, DNotZ 1982, 90 ff.

27 Ausnahmen: RAKn Freiburg und München, beabsichtigt im BezirkRAK Koblenz.

28 Pet. 4-14-07-3031-036773.29 Pet.-Ausschuss, Prot. 14/65, S. 9 ff.

chert. Entsprechende Regelungen sehen z. B. die §§ 67 Abs. 3Nr. 3 und Abs. 4 Nr. 3 der Bundesnotarordnung (BNotO) vor.Nur so lässt sich ein begründeter Vertrauensverlust gegenüberden Organen der Rechtspflege, zu deren Inanspruchnahme demEinzelnen keine Alternative zur Verfügung steht, verhindern.“Die Anwaltschaft ist zu dieser Petition vor Erlass nicht gehörtworden. Die Bundesregierung ist allerdings durch den Petiti-onsausschuss aufgefordert, Abhilfe zu schaffen. Der Präsidentder BRAK hat deshalb in einem Schreiben vom 21. 3. 2002 andie Bundesministerin der Justiz folgendes ausgeführt:

„Aus der Beschlussempfehlung ist zu entnehmen, dass das Bun-desministerium der Justiz um eine Stellungnahme nachgesuchtwurde. Die BRAK ist vor Abgabe der Erklärung des Bundesmi-nisteriums der Justiz bedauerlicherweise nicht gehört worden.

Ob eine Berufshaftpflichtversicherung auch für Vorsatztaten ein-treten soll, ist eine Grundsatzfrage. Diese kann nicht in einer Be-schlussempfehlung des Deutschen Bundestages an dem betrof-fenen Berufsstand vorbei geregelt werden. Es ist aus meinerSicht auch nicht ausreichend, erst im Gesetzgebungsverfahrendie Anwaltschaft mit einer derartigen Änderung zu konfrontie-ren. Wenn der BRAK die Gelegenheit gegeben worden wäre,schon im Petitionsverfahren Stellung nehmen zu können, hättesie folgende Gedanken mit eingebracht:

1. Die vom Petitionsausschuss gerügte Lücke im Gesetz liegtnicht vor. Das Risiko eines vorsätzlichen Vergehens ist schonjetzt versicherbar, von den Berufshaftpflichtversicherern je-doch – bewusst – nicht angeboten worden.

2. Eine generelle Ausweitung des Versicherungsschutzes der Be-rufshaftpflichtversicherung ist abzulehnen. Bei Vorsatztatenobliegt es allein dem Versicherungsnehmer, den Versiche-rungsschutz bis zur Höhe der vereinbarten Jahreshöchst-leistung, damit auch ggf. mehrfach, abzurufen. Dies wird demGrundgedanken einer Versicherung nicht gerecht: Der Ver-sicherer muss dagegen geschützt werden, dass Eintritt undUmfang seiner Leistungspflicht in hohem Maße vom Verhal-ten des Versicherungsnehmers abhängig ist (BGH, NJW 1965,1585, 1587). Das Risiko ist nämlich dann nicht mehr kalku-lierbar. Die Versicherungsprämie würde im Übrigen erheblichanzuheben sein, nach unseren Informationen zu verdoppeln.

3. Wenn man dem Gedanken eines Versicherungsschutzes fürvorsätzlich begangene Pflichtverletzungen nahe treten will,dann kann es sich jedoch bei einer derartigen Versicherungnicht um die Versicherung eines einzelnen RA handeln.

a) Eine Versicherung gegen Vorsatztaten kompensiert Ver-trauensschäden. Die Abwendung solcher Vertrauensschä-den von der Anwaltschaft fällt insgesamt in den Funk-tionsbereich der RAK (BGH, NJW 1993, 1334). Deshalbwäre nicht der einzelne Berufsträger, sondern die KammerAdressat einer derartigen Vertrauensschadenversicherung.

b) Würde der einzelne Anwalt einen Versicherungsvertrag,der einen vorsätzlich herbeigeführten Schaden einbe-zieht, unterhalten, so besteht die Gefahr einer Sittenwid-rigkeit des Versicherungsvertrages gem. § 138 BGB (Prölss/Martin, § 61 VVG Rd. Nr. 29). Diese Gefahr wird nurdurch einen Versicherungsschutz für die RAK gebannt. Daaber die Kammer nicht Versicherungsnehmer einer Be-rufshaftpflichtversicherung sein kann, empfiehlt es sich,den Versicherungsschutz aus der Berufshaftpflichtversi-cherung und den für vorsätzliches Vergehen inhaltlich zutrennen.“

Das Bundesministerium der Justiz hat mit Schreiben v. 2. 5. 2002u. a. folgendes entgegnet: „Das Bundesministerium der Justizhat in der vorliegenden Petitionsangelegenheit insbesonderekeine Aussage dahingehend getroffen, dass im Bereich derRechtsanwaltschaft die Berufshaftpflichtversicherung auch für

Vorsatztaten eintreten solle oder andere Sicherungssysteme fürFälle wissentlicher Pflichtverletzungen von RAen geschaffenwerden sollten. Im Verfahren der Umsetzung des Beschlussesdes Deutschen Bundestages in der Petitionsangelegenheit wirddie BRAK wie üblich beteiligt werden.“

Die Anwaltschaft wird im Petitionsverfahren vom Bundesminis-terium der Justiz nicht gehört; mit der Petition wird jedoch dieBundesregierung aufgefordert, Abhilfe zu schaffen, also eineVertrauensschadenversicherung einzuführen. Im späteren Ge-setzgebungsvorhaben soll die Anwaltschaft gehört werden. Je-der mag sich selbst ein Bild von der Sinnhaftigkeit dieses Ver-fahrens machen. Die Einführung einer Vertrauensschadenversi-cherung wäre im Übrigen mit erheblichen zusätzlichen Kostenverbunden. Ein Schadensfall mit einer Schadenssumme von 10 Millionen DM würde eine Versicherungsprämie i.H.v. ca.100 DM je Anwalt pro Jahr verursachen.

6. Auskunftsverpflichtung

Der Geschädigte hat immer ein Interesse daran, seine Scha-densersatzansprüche erfolgreich durchzusetzen. Grundsätzlichhat der geschädigte Mandant keinen direkten Anspruch gegendie Versicherung bei der Durchsetzung etwaiger Schadenser-satzsprüche; der RA ist deshalb nicht verpflichtet, dem Man-danten Auskunft über den Umfang und das Bestehen einer Be-rufshaftpflichtversicherung zu erteilen.30 Dies stellt den Man-danten jedoch nicht rechtlos. Aus einem Titel gegen den RAkann er den Anspruch des RA gegen die Versicherung pfändenund sich zur Einziehung überweisen lassen.31 Sind Versicherungund Versicherungsscheinnummer nach erfolgreich durchgeführ-tem Schadensersatzprozess gegen den RA dem Geschädigtennicht bekannt, so bestehen dennoch Aussichten, erfolgreichdiese Ansprüche durchzusetzen. Kenntnis des geschädigtenMandanten von der Gesellschaft, bei der sein RA eine Berufs-haftpflichtversicherung unterhalten hat, sind nicht notwendig.32

Die Zahl der Vermögensschadenhaftpflichtversicherer, die eineentsprechende Versicherung für die Anwaltschaft anbieten, istüberschaubar. Es kann ein Pfändungs- und Überweisungsbe-schluss gegen alle auf dem Markt vertretenen Versicherer erlas-sen werden.

Dennoch gibt es Fälle, in denen ein Dritter ein berechtigtes In-teresse daran hat, dass er Namen und Versicherungsscheinnum-mer der Berufshaftpflichtversicherung des RA erfährt. So ist z. B.ein Fall bekannt geworden, in der die Witwe eines RA von demAbwickler der Kanzlei um die Angabe der Vermögensschaden-haftpflichtversicherung bat, da diese von Mandanten im Wegedes Schadensersatzes als Erbin in Anspruch genommen wurde.Im Hinblick auf die Verschwiegenheitspflicht sowie das Landes-datenschutzgesetz wurde die Auskunft nicht erteilt. SoweitRAKn die Auskunft verweigern, wird nach Übertragung des Zu-lassungsverfahrens auf diese und den damit ursprünglich denLandesjustizverwaltungen obliegenden Aufgaben zu prüfensein, ob die RAKn nicht anstelle der Landesjustizverwaltungengetreten sind, die insoweit keine Verschwiegenheitspflicht zubeachten hatten.

Soweit Gegenargumente aus Landesdatenschutzgesetzen vor-getragen werden, um das berechtigte Interesse des Geschädig-ten auf Auskunft gegenüber der RAK zu verneinen, wird zu prü-fen sein, ob die dafür häufig gegebene Begründung noch hält.

BRAK-Mitt. 4/2002 Aufsätze 153

Braun, Berufshaftpflichtversicherungen

30 LG Tübingen, AnwBl. 1995, 371 = VersR. 1996, 892.31 Hartung/Holl/Römermann, Anwaltliche Berufsordnung, 2. Aufl., § 51

BRAO Rdnr. 21.32 A.A. Weidemann, Stumpfes Schwert Anwaltshaftung, NJW 2002,

196, 197.

(Fortsetzung S. 157)

154 Aufsätze BRAK-Mitt. 4/2002

Braun, Berufshaftpflichtversicherungen

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156 Aufsätze BRAK-Mitt. 4/2002

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I. Vom Beruf unserer Zeit zur Gesetzgebung

Vierzig Jahre nach In-Kraft-Treten des EG-Vertrages wurden be-sondere Regeln für die Niederlassung von RAen geschaffen.Aus Brüsseler Sicht mag man sich fragen, ob dies der Mühenoch wert war angesichts der vom EG-Vertrag unmittelbar ge-währten Rechte, deren sich diejenigen Anwälte, die an grenz-überschreitenden Dienstleistungen interessiert sind, voll be-wusst sind.

Immerhin hat die Arbeit an der Richtlinie und deren Verab-schiedung jedoch den bisher langsam verlaufenden Öffnungs-prozess beschleunigt und die gemeinschaftsrechtlichen Grund-freiheiten in das allgemeine Bewusstsein gehoben. Die zwanzigJahre nach der Dienstleistungsrichtlinie 77/249 verabschie-dete Niederlassungsrichtlinie stellt daher einen weiteren nütz-lichen Schritt auf dem Weg in einen wirklichen Binnenmarktdar.

Die Richtlinie schafft bzw. bekräftigt die Freiheiten der Anwälte,die Gemeinschaftsbürger sind, nicht dagegen regelt sie die Stel-lung von Anwälten aus Drittstaaten; für Letztere ist unter ande-rem das 1994 geschlossene Abkommen über den Handel mitDienstleistungen (GATS) zu berücksichtigen.

BRAK-Mitt. 4/2002 Aufsätze 157

Bierwagen, Zur Lage der ausländischen Anwälte in Brüssel nach der Umsetzung der Niederlassungsrichtlinie in Belgien

Nach der Rspr.33 soll das berechtigte Interesse zu verneinen sein,weil bereits bei Abschluss des Beratungs- und Vertretungsvertra-ges mit dem RA der Betroffene die Angaben über die Berufs-haftpflichtversicherung des RA von diesem hätte in Erfahrungbringen können. Eine derartige Argumentation erscheint zumin-dest lebensfremd; der Mandant, der die Vertretung seiner Inter-essen durch den RA erbittet, wird zu Beginn zur Schaffung einesentsprechenden Vertrauensverhältnisses mit Sicherheit nicht da-nach fragen, bei welcher Vermögensschadenhaftpflichtversiche-rung der RA versichert ist.

7. Berufspolitische Überlegungen

7.1. „Sozialisierung“

Die Anwaltschaft wird in den nächsten Jahren die Frage zu be-antworten haben, wie sie zukünftig Fälle behandelt wissen will,in denen einzelne Anwälte in mehreren Fällen relativ hoheSchadenssummen verursacht haben. Ein Beispiel: Einem Anwaltwurde die Vermögensschadenhaftpflichtversicherung mit derBegründung gekündigt, in den letzten fünf Jahren habe er eineVersicherungsprämie i.H.v. ca. 20 000 Euro gezahlt; aus mehre-ren Schadensfällen habe die Versicherung Leistungen i.H.v. ins-gesamt 500 000 Euro erbringen müssen. Berufspolitisch stelltsich die Frage, ob der jetzt eingeschlagene Weg weitergegangenwerden soll, also dem Versicherungsnehmer der Vertrag durchÄnderungskündigung beendigt wird mit dem Angebot, zu einererheblich höheren Versicherungsprämie, unter Umständen eineVerzehnfachung der bisherigen Versicherungsprämie, eine neueVermögensschadenhaftpflichtversicherung abzuschließen. Derandere Weg wäre, dass derartige Änderungskündigungen aus-geschlossen werden, jedoch die Allgemeinheit bei schlechtemVersicherungsverlauf zukünftig höhere Prämien zahlen muss.

Berufspolitisch wird man sich allerdings auch überlegen müs-sen, ob nicht an den Ursachen anzusetzen ist. Ein wesentlicherTeil der Vermögensschadenhaftpflichtversicherungsfälle ent-steht aufgrund von Fristversäumnissen, also mangelnder Orga-nisation im Anwaltsbüro. Darüber hinaus entstehen Fehler, weildie Rechtslage verkannt wird. Jeder Vermögensschadenhaft-pflichtfall verursacht einen erheblichen Ansehensverlust für dieAnwaltschaft; während ein hervorragend bearbeiteter Sachver-halt durch ein RA häufig nur die Aufmerksamkeit weniger erhält,wird ein Fall, in dem ein RA einen Fehler begangen hat, Hun-derten, teilweise Tausenden von Personen, ob gewollt oderungewollt, erzählt. Derartige RAe schädigen damit durch ihrVerhalten das Ansehen der Anwaltschaft allgemein. Überlegtwerden muss deshalb auch, ob nicht eine sanktionierte Fortbil-dungspflicht eingeführt werden muss.34

7.2. „Genossenschaft“

Versicherungsgesellschaften betreuen das Geschäft „Vermö-gensschadenhaftpflichtversicherung“ nicht mit dem Ziel, keineGewinne zu erwirtschaften. Lange Jahre ist das Geschäft der Ver-mögensschadenhaftpflichtversicherungen bei den großen Versi-cherern auch deshalb betrieben worden, weil die Anwaltschafteine interessante Klientel für andere Versicherungen, insbeson-dere Lebensversicherungen, gewesen ist. Nachdem nunmehrflächendeckend in allen Bundesländern das Rechtsanwaltsver-sorgungswerk eingeführt ist, hat dieses Interesse nachgelassen.In jeder einzelnen Sparte des Versicherers, auch der Vermö-gensschadenhaftpflichtversicherung, wird geprüft, ob sie nichtnur kostendeckend ist, sondern auch Gewinne abwirft.

Würde die Anwaltschaft sich dazu entschließen, die Vermö-gensschadenhaftpflichtversicherung für alle Anwälte im Rah-men einer Genossenschaft selbst zu betreiben, so würde selbst-verständlich auf Gewinne verzichtet werden mit der Folge, dasssich dies zu Gunsten einer niedrigeren Prämie für RAe durch-schlägt.

33 BVerwG, NVwZ 1988, 623 = DVBl. 1988, 1012 = Buchholz 402.43§ 21 MRRG Nr. 1.

34 Ernst, „Strafbewehrung der Fortbildungsverpflichtung“: Die erste For-derung aller Justizreform in Deutschland, BRAK-Mitt. 2002, 2.

Zur Lage der ausländischen Anwälte in Brüssel nach der Umsetzung derNiederlassungsrichtlinie in Belgien

Rechtsanwalt Dr. Rainer Bierwagen*, Brüssel/Berlin

* Dr. Rainer M. Bierwagen, Kemmler Rapp Böhlke, Brüssel, RA zuge-lassen KG (Berlin), niedergelassen in Brüssel beim Barreau Françaisde Bruxelles, Mitglied der Commission des membres de barreauxétrangers.

(Fortsetzung von S. 153)

Die „Europäisierung“ der Anwaltschaft wird umso dringlicher, alsdie Gemeinschaftsorgane begonnen haben, sich um die bishernational gebliebenen Bereiche der Justiz zu kümmern. Seit demIn-Kraft-Treten des Vertrages von Amsterdam arbeitet die Kom-mission verstärkt daran, dass weder die Komplexitäten noch dieDisparitäten der Rechts- und Verwaltungsordnungen der Mit-gliedstaaten die Einzelnen und die Unternehmen daran hindern,von ihren Rechten als Unionsbürger vollen Gebrauch zu ma-chen. Dazu zählt ein besserer Zugang zum Recht in Europa, dieVerbesserung der Anerkennung gerichtlicher Entscheidungenund eine größere Konvergenz im Bereich des Zivilrechts.

II. Zur Richtlinie 98/5, der „Niederlassungsrichtlinie“

Die Mitgliedstaaten sollten die Niederlassungsrichtlinie für An-wälte v. 16.2.1988 bis zum 14.3.2000 umsetzen1.

Die Regeln der Richtlinie stellen einen Kompromiss dar undsind nicht immer zufrieden stellend. Luxemburg war über ver-schiedene Einzelheiten besonders aufgebracht und hat dieRichtlinie vor dem Gerichtshof angegriffen; ein Urteil erging erstnach Ablauf der Umsetzungsfrist der Richtlinie2.

Man kann deshalb davon ausgehen, dass die Richtlinie – wieschon diejenige über die Dienstleistung – durch die Rspr. näherausgelegt wird. Die Umsetzung in den Mitgliedstaaten sowiedie Handhabung der Normen durch nationale Behörden wirddazu reichen Anlass geben. Hinzu kommen Fälle auf EU-Ebenewie etwa Vertragsverletzungsverfahren, die den Gerichtshof un-mittelbar in die Debatte einbeziehen.

Beispielsweise sind Frankreich und Italien wegen Behinderun-gen bei der Niederlassung ausländischer Anwälte nach Artikel226 des EG-Vertrages (früher Art. 169 EGV) durch die Europäi-sche Kommission „abgemahnt” bzw. verklagt worden3.

Gegen Frankreich und Irland sind wegen ausgebliebener Um-setzung Vertragsverletzungsverfahren im September 2001 an-hängig gemacht worden4. Die Kommission hat des weiteren Bel-gien, Luxemburg und die Niederlande im April 2002 verklagt5.

III. Die Umsetzung der Richtlinie in Belgien

Das Königreich Belgien hat die Richtlinie mit dem Gesetz v. 22.11.2001 erst anderthalb Jahre nach Ablauf der Umsetzungs-frist in nationales Recht umgesetzt.

Dies ist trotz der großen Zahl ausländischer Anwälte in Brüsselnicht weiter erstaunlich, zumal interne Schwierigkeiten des Lan-des, das drei Sprachen als offizielle Gerichtssprachen aner-kennt, hinzukommen. In Belgien sind die für jeden Gerichtsbe-zirk eingerichteten RAKn für die Zulassung der RAe und für dieEintragung ausländischer Anwälte zuständig.

In Brüssel gibt es zwei Standesorganisationen, den wallonisch-sprachigen Ordre Français des Avocats und die flämisch-spra-chigen Balie te Brussel mit mehr als 3000 bzw. 2000 Anwälten.Auf Landesebene gab es einen einzigen Standesverband, der2001 zerfiel und durch einen Ordre des barreaux francophoneet germanophone auf der einen Seite und einen niederländi-schen Standesverband auf der anderen Seite ersetzt wurde.

Die Arbeitsgruppen der beiden Brüsseler Standesvertretungenhaben sich mehrmals getroffen, um eine gemeinsame Haltungauszuarbeiten. Im Vergleich mit der Lage in anderen Ländernfiel diese Arbeit den Belgiern leichter, da sie bereits seit vielenJahren mit der Präsenz ausländischer Anwälte konfrontiert sindund daher Regeln erlassen haben.

Ausländische Anwälte stellen zahlenmäßig einen bedeutendenTeil der Brüsseler Anwaltschaft, und zwar mehr als 300 Anwälte.Ich betone bewusst „zahlenmäßig“, denn mit Ausnahme der1992 ins Leben gerufenen Commission des membres de bar-reaux étrangers associés du Barreau français de Bruxelles habenausländische Anwälte keine Vertretung ihrer Interessen6.

Viele ausländische Kollegen haben in der Vergangenheit nurwenig mit den örtlichen Standesvertretungen zu tun gehabt, daihre Arbeit sich auf europäisches Recht und die EuropäischeKommission bezog, während sie kaum mit belgischen Anwältenzusammenarbeiteten. Dies hat sich in den letzten Jahren geän-dert, in denen vermehrt auf ein Angebot von Dienstleistungenim belgischen Recht und damit einhergehend die Zusammen-arbeit mit belgischen Anwälten Wert gelegt wurde und in denengrößere multinationale Kanzleien entstanden.

Die Richtlinie führt dazu, dass sich auch die an internem belgi-schem Recht kaum Interessierten um ihre Niederlassung in Bel-gien kümmern müssen.

IV. Zu den wichtigsten Änderungen im Einzelnen

1. Die Eintragung in Brüssel

a) Der Ansatz in der Richtlinie

Die Richtlinie sieht in Artikel 3 eine Eintragung des ausländi-schen Anwalts beim Barreau français oder dem Balie te Brusselvor. Die Kammer des Herkunftslandes wird davon benachrich-tigt. Diese Vorschrift wird durch Artikel 477 quinquies Code ju-diciaire/Gerechtlijk Wetboek umgesetzt. Wer ist nun verpflich-tet, sich eintragen zu lassen?

Es geht nach Artikel 3 der Richtlinie um die Niederlassung nachArtikel 43 des EG-Vertrages (ex Artikel 52 EGV) und nicht umdie reine Dienstleistung nach Artikel 49 des EG-Vertrages (exArtikel 59 EGV).

Die belgischen Kollegen sind sehr daran interessiert, dass alleausländischen Anwälte sich einschreiben. Ihr Interesse ist je-denfalls auf eine gewisse Kontrolle gerichtet; in Deutschlanddürfte dies nicht anders sein. Kaum bekannt ist, dass der Bâton-nier/Stafhouder und der Conseil de l’Ordre/Raad von de Ordeeine wichtige Rolle spielen. Sie werden in alle möglichen Streit-fragen – wie etwa die der Fristen für die Abgabe von Schriftsät-zen vor Gericht und selbst die der Schlichtung in laufenden Sit-zungen – hineingezogen. Der Bâtonnier muss dementspre-chend seine anwaltliche Tätigkeit für ein Jahr aufgeben oderstark einschränken.

In der geschilderten Lage fühlen sich viele belgische Kollegendurch die große Zahl ausländischer Konkurrenten verunsichert.Sie kennen sie nicht. Sie sprechen häufig deren Sprache nicht.

158 Aufsätze BRAK-Mitt. 4/2002

Bierwagen, Zur Lage der ausländischen Anwälte in Brüssel nach der Umsetzung der Niederlassungsrichtlinie in Belgien

1 Siehe Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 98/5 des Europäischen Parla-mentes und des Rates zur Erleichterung der ständigen Ausübung desRechtsanwaltsberufs in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in demdie Qualifikation erworben wurde, v. 16. 2. 1998, ABl. EG 1998 L 77S. 36.

2 Siehe Urt. v. 7.11.2000 in der Rs. C-168/98, Klage Luxemburg gegenParlament und Rat, EuGHE 2000-I, 9131.

3 Urteil des Gerichtshofes v. 7.3.2002 in dem Vertragsverletzungsver-fahren gegen Italien wegen Verletzung der Artikel 43 und49 EG-Vertrag und der Richtlinie 89/48, Rechtssache C-145/99,ABl. EG 1999, C 188 S. 18 und Pressemitteilung der KommissionIP/99/486 v. 12.7.1999.

4 Siehe Rechtssache C-351/01 v. 18.9.2001, ABl. EG 2001 C 317 S. 17,Rechtssache C-362/01 v. 24.9.2001, ABl. EG 2001 C 317 S. 20.In den Verfahren gegen Frankreich hat der Generalanwalt Alber am6.6.2002 seine Schlussanträge gehalten.

5 Siehe Rechtssachen C-132/02 v. 9.4.2002, ABl. EG 2002 C 131S. 12, C-142/02 v. 16.4.2002, ABl. EG 2002, C 131 S. 13 und C149/02 v. 25.4.2002, ABl. EG 2002, C 156 S. 6.

6 Der Commission gehören seit Beginn RAin Andrea Weigel-Verdche-val und der Verfasser an.

Es gelten verschiedene Standesregeln; die Regeln des CCBEschaffen kein einheitliches Standesrecht. Und die Kollisionsre-geln hinsichtlich des anwendbaren Standesrechts und der dafürzuständigen Kammern sind bisher noch nicht klar.

Natürlich haben die belgischen Kollegen auch ein finanziellesInteresse. Je breiter die Beitragsgrundlage ist, desto geringerkönnen die Beiträge für alle ausfallen.

b) Zur Bestimmung der Niederlassungsfreiheit

Die entscheidende Frage ist, wer muss sich anmelden? Wer istniedergelassen?

Die Ansätze einer Antwort lassen sich den Schlussanträgen desGeneralanwalts Léger in der Sache Gebhard und in der Urteils-begründung des Gerichtshofes finden7. Zu betonen ist, dassdiese Ausführungen nur mögliche Ansätze enthalten können.Denn jeder Fall muss neu analysiert werden. So gibt es zum Ur-teil in Sachen Gebhard mehrere Anmerkungen, die aus Urteilund den Schlussanträgen alle etwas anderes herauslesen. Auchein neueres Urteil in einem Vertragsverletzungsverfahren gegenItalien trägt wenig zur Klärung bei, denn es verweist im We-sentlichen einfach auf die bisherige Rspr.8.

Woran liegt das? Die „Schräglage“ des Falles Gebhard rührt da-her, dass er zunächst auf Fragen der Dienstleistung zugeschnit-ten war und die Beteiligten erst zu einem späten Zeitpunkt aufdie Frage der Niederlassung eingingen. Hier erst stellte sich dieentscheidende Frage, nämlich ob sich Gebhard trotz des italie-nischen Verbots als deutscher Anwalt in Italien niederlassendurfte. Im Anschluss an die Rspr. des Gerichtshofes, die aus demGebot der Inländergleichbehandlung – nach den Bestimmun-gen des Aufnahmestaates für seine eigenen Angehörigen – einallgemeines Diskriminierungs- und Belastungsverbot gemachthat, war die italienische Regelung kaum haltbar.

Generalanwalt Léger prüft die Abgrenzung der Niederlassungvon der Dienstleistung sehr eingehend. Seine Ausführungen zuden noch zulässigen Schranken des Niederlassungsrechts derausländischen Anwälte sind kurz gehalten; sie werden von ei-nigen Kommentatoren überlesen. Herr Gebhard war die meisteZeit in Italien und hatte dort den räumlichen Schwerpunkt sei-ner Tätigkeit.

Generalanwalt Léger prüft zunächst die traditionellen Kriterien,d.h., ob der Aufenthalt eher vorübergehend oder auf Dauer seiund wo der räumliche Schwerpunkt der Tätigkeit liege. Er hältbeide Kriterien für nicht gegeben und verweist beispielhaft aufden Fall eines im Vereinigten Königreichs ansässigen Patentan-walts, der dauerhaft und fast ausschließlich deutsche Mandan-ten berät (Rdnr. 39).

Der Generalanwalt geht sodann darauf ein, ob Herr Gebhardtrotz der genannten Umstände in Deutschland und nicht in Ita-lien niedergelassen ist, etwa wenn er gezwungen sei, eine Nie-derlassung in Italien zu unterhalten. Er prüft, ob eine ständigeNiederlassung mit der Dienstleistungsfreiheit vereinbar seinkann und verneint dies für den Regelfall. Er fordert, dass derje-nige, der sich auf die Dienstleistungsfreiheit berufen will undeine ständige Niederlassung hat, nachweisen müsse, diese Nie-

derlassung sei für die Ausübung der Tätigkeit notwendig und dieLeistung ohne sie nicht zu erbringen (Rdnr. 56). Erst danach prüfter das zeitliche und das räumliche Kriterium (Rdnr. 60).

Insoweit räumt er zwar ein, dass Artikel 60 des Vertrages einenzeitweiligen Aufenthalt im Aufnahmestaat abdeckt, vertritt je-doch die Auffassung, dass der dienstleistende RA nur aus-nahmsweise werde nachweisen können, dass die Gründung ei-ner Kanzlei im Aufnahmestaat unerlässlich ist (Rdnr. 71). Im FallGebhard schloss der Generalanwalt aus alledem, dass das Nie-derlassungsrecht zur Anwendung kommt.

Die Ausführungen des Gerichtshofes sind ebenfalls kurz. DieRichter einigten sich darauf, dass es um die Niederlassungsfrei-heit gehe (so auch der Generalanwalt) und dass die italienischeRegelung die Niederlassung eines ausländischen Anwalts nichtausschließen dürfe.

Das jüngste Urteil des Gerichtshofs, das Ausführungen zur Ab-grenzung der Dienstleistung von der Niederlassung enthält, be-schränkt sich bedauerlicherweise im Wesentlichen darauf, her-kömmliche Formulierungen zu wiederholen3.

Systematisch ist klar, dass Niederlassungs- und Dienstleistungs-freiheit einander ausschließen und dass die Voraussetzungen ei-ner Niederlassung strenger sind als die einer Dienstleistung. BeiAnwälten erlangt die Abgrenzung besondere Bedeutung da-durch, dass die nationalen Rechtsordnungen unterschiedlichsind. Der Gerichtshof hat in seiner Rspr. zur Auslegung derGrundfreiheiten von RAen hervorgehoben, dass die Dienstleis-tungsfreiheit nicht zur Umgehung der strengeren Vorschriftender Niederlassungsfreiheit missbraucht werden darf (siehe etwadie Urteile in den Sachen Van Binsbergen9 und Gullung10). Aufder anderen Seite hat der Gerichtshof, etwa im Urteil Vlasso-poulou11, hervorgehoben, dass die Mitgliedstaaten die Integra-tion eines Anwalts aus einem anderen Land nicht durch un-überwindliche Schranken behindern dürfen. Sie dürfen ins-besondere nicht verlangen, dass nur derjenige als Anwaltzugelassen werden darf, der das nationale Studium und die na-tionalen Prüfungen erfolgreich absolviert hat.

c) Zu den Auswirkungen für „Brüsseler“ Anwälte

Was bedeutet dies nun für die Situation der ausländischen An-wälte in Belgien? Ausgangspunkt hierfür ist, dass der EuGH imFall Gebhard im Wesentlichen seine bestehende Rspr. bestätigthat. Die Dienstleistung ist daher anhand herkömmlicher Krite-rien von der Niederlassung abzugrenzen. Zu bedenken ist da-bei auch, dass aufgrund des Gemeinschaftsrechts ein Anwaltdurchaus an mehreren Orten niedergelassen sein kann.

• Ein allein in Brüssel tätiger Anwalt, der in Deutschland vonder Residenzpflicht befreit wurde, wird in Brüssel niederge-lassen sein.

• Ein in Brüssel und in Deutschland tätiger Anwalt wird dage-gen versucht sein, sich nur einem Regelwerk – und dann eherdem deutschen – zu unterwerfen. Er wird argumentieren,dass er im anderen Land keine Niederlassung unterhält. Hierist nach den Umständen der Tätigkeit im einen oder anderenLand denkbar, dass in einem Mitgliedstaat Niederlassung, imanderen Dienstleistung anzunehmen ist.

• Wer allerdings eine Kanzlei in Brüssel unterhält, wird nachden Ausführungen des Generalanwalts Léger schwerlich sa-gen können, er sei an diesem Ort nicht niedergelassen. Und

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Bierwagen, Zur Lage der ausländischen Anwälte in Brüssel nach der Umsetzung der Niederlassungsrichtlinie in Belgien

7 Urteil des Gerichtshofes v. 30.11.1995 in der Rechtssache C-55/94,Gebhard, Slg. 1995, I-4165. Zum Sachverhalt: Herr Gebhard ist in Stuttgart zugelassen, hat dortkeine Kanzlei, sondern ist freier Mitarbeiter und verbringt 20 Prozentseiner Zeit in Deutschland. In der übrigen Zeit berät er in seiner Kanz-lei in Italien im Wesentlichen nicht im italienischen Recht. Für dasitalienische Recht greift er auf italienische Kollegen zurück. Er hat beider Anwaltskammer seine Zulassung beantragt.

8 Siehe das Urteil des Gerichtshofes v. 7.3.2002 in dem Vertragsverlet-zungsverfahren gegen Italien wegen Verletzung der Artikel 43 und 49EG-Vertrag und der Richtlinie 89/48, Rechtssache C-145/99 undPressemitteilung der Kommission IP/99/486 v. 12.7.1999.

9 Johannes Henricus Maria van Binsbergen/Bestuur van de Bedrijfsver-eniging voor de Metaalnijverheid, EuGHE 1974, 1299.

10 Claude Gullung/Conseil de l’ordre des avocats du barreau de Colmaret de Saverne, EuGHE 1988, 111.

11 Irene Vlassopoulou/Ministerium für Justiz, Bundes- und Europaange-legenheiten Baden-Württemberg, Rs. C-340/89, EuGHE 1991, I-2357.

wer unterhält die Kanzlei? Ein äußeres Anzeichen stellt dieeigene Präsentation dar. Wer sich auf dem Briefkopf, in Bro-schüren oder der Webseite als Ansprechpartner in Brüsseldarstellt, wird sich wohl vor Ort niedergelassen haben.

Können diejenigen, die den Briefkopf nur als Werbung benut-zen, geltend machen, sie seien nicht am Orte tätig? Doch wohleher nicht.

Wie sieht es nun mit denjenigen aus, die ihre Zeit zwischenBrüssel und Berlin teilen? Ich meine, auch hier handelt es sichhäufig um Niederlassung – eben die erste oder die zweite oderdie dritte12.

Selbstverständlich bleiben die Vorschriften über die grenzüber-schreitende Dienstleistung unberührt; dabei gibt es Grauzo-nen13.

2. Zu den Kammerbeiträgen

Eine der Konsequenzen der Eintragung ist die Beitragspflicht.Früher wurde von den ausländischen Anwälten ein niedrigererBeitrag gefordert als von den Brüsseler Anwälten; er war nachder Zeit der Anwaltszulassung bemessen. Diese „Privilegierung“wurde aufgehoben und stattdessen eine teilweise einkommens-abhängige Bemessung eingeführt. Der einkommensabhängigeTeil des Kammerbeitrages bemisst sich bei ausländischen An-wälten nach der Hälfte ihres weltweiten Einkommens; insoweitwerden die Ausländer pauschal besser gestellt.

Ein (geringerer) Teil der Beiträge dient der Finanzierung von Ver-sicherungen, unter anderem einer kollektiven Berufshaftpflicht-versicherung, einer Unfallversicherung sowie einer Versiche-rung für zusätzliche Krankenversorgung und für Tagegeld.

Die Kollektivversicherungen, die nunmehr auch die ausländi-schen Anwälten einschließen, sind häufig nur dann finanziellinteressant, wenn sie nicht zusätzlich zu einer doppelten Ab-deckung derselben Risiken führen und soweit nicht die Mit-gliedschaft in der belgischen Sozialversicherung gefordert wird.

Hinsichtlich der Berufshaftpflichtversicherung lässt der Barreaueine Ausrechnung der Prämien zu, falls vergleichbarer Versi-cherungsschutz nachgewiesen wird14. Eine Ausrechnung sollteauch für die anderen Versicherungen erfolgen.

Die Berufshaftpflichtversicherung muss seit Mai 1999 Scha-densfälle von mindestens 50 Millionen belgischen Franken (dasentspricht 1 239 400 Euro) abdecken, Artikel 477 sexies, § 3Code judiciaire.

Der deutsche Mindestversicherungsschutz für Anwälte ent-spricht dieser Anforderung nicht. Da die deutsche Versicherungzudem teurer ist als die belgische, liegt es nahe, eine Versiche-rung in Belgien abzuschließen. Dies kann jedoch dazu führen,dass deutsche RAKn die Gleichwertigkeit der belgischen Versi-cherung nach § 51a BRAO in Frage stellen. Angeführt wird bei-spielsweise das Erfordernis der Zulassung des Versicherers inDeutschland. Die geltende Fassung von § 51 BRAO ist gemein-schaftsrechtwidrig, denn sie verstößt gegen die Niederlassungs-freiheit.

3. Zur Lage angestellter Anwälte

Es gibt wohl zwei Mitgliedstaaten, in denen Anwälte nicht an-gestellt sein dürfen, Belgien und Italien. Das belgische Gesetzbesagt, dass ein Anwalt nicht angestellt sein darf, Artikel 477 se-xies, § 5 Code judiciaire. Dennoch haben ausländische in Brüs-sel tätige Anwälte ein Interesse daran, bei ihrer ausländischenKanzlei angestellt zu bleiben. Die Richtlinie überlässt es denMitgliedstaaten, ob sie die Anstellung von Anwälten zulassenoder nicht.

Die belgischen Kollegen verstehen, dass diese Lage für einigeKanzleien, insbesondere aus Großbritannien, ein Problem dar-stellt. Sie selbst wollen keine angestellten Anwälte und wollenauch ihr System nicht gefährden. Es wurde im Gesetz keine Aus-nahmeregelung getroffen. Der Barreau hat jedoch angedeutet,dass eine pragmatische Lösung gefunden werde; wie bisherwerde im Einzelfall vom Verbot befreit. Die Formulierung desGesetzes lässt ein solches Vorgehen zu. Die Ausnahme dürfte al-lerdings nur für ausländische Kollegen praktisch werden, die beieiner ausländischen Kanzlei arbeiten.

Ausländische Anwälte können sowohl untereinander als auchmit belgischen RAen zusammenarbeiten, Artikel 477 octiesCode judiciare. Allerdings müssen sie die belgischen Standesre-geln hinsichtlich der Zusammenarbeit mit Berufsträgern andererGruppen beachten.

Nach Artikel 477 octries, § 1er Code judiciare kann eine aus-ländische Kanzlei ein Filiale oder eine Zweigstelle in Belgien er-richten. Soweit die ausländische Kanzlei jedoch Regeln unter-liegt, die mit grundlegenden belgischen Regeln unvereinbarsind, beanspruchen die belgischen Regeln Vorrang, soweit diesvom allgemeinen Interesse am Schutz des Mandanten und Drit-ter geboten ist.

Der Conseil de l’Ordre kann dem ausländischen Anwalt unter-sagen, in Belgien als Mitglied einer Gruppe tätig zu werden, dienach belgischer Auffassung berufsfremde Partner hat. Dies trifftnach Artikel 477 octies, § 5 Code judiciare dann zu, falls dieGruppe Anteilseigner hat, die keine Anwälte sind, falls derName der Gruppe auch von Nichtanwälten benutzt wird oderfalls Nichtanwälte, de jure oder de facto, die Entscheidungender Gruppe mitbestimmen können.

Bei den in Brüssel tätigen RAen die nach deutschem Verständ-nis Syndizi sind, stellen sich ähnliche Fragen.

Die Zusammenarbeit von Anwälten mit Berufsträgern andererDisziplinen ist nach belgischer Auffassung mit der Unabhängig-keit eines Anwalts und der Würde der Anwaltschaft insgesamtunvereinbar, Artikel 477 sexies, § 4 Code judiciaire.

Der Gerichtshof hat in dieser Hinsicht mit seinem Urteil in Sa-chen Wouters u.A. gegen Algemene Raad van de NederlandseOrdre van Advocaaten v. 19. Februar 2002 Klarheit geschaf-fen15. Er stellte fest, dass das Verbot des Zusammenschlussesvon RAen und WP eine Wettbewerbsbeschränkung enthält,(die im gegebenen Fall von einer Unternehmensvereinigung,nämlich einer RAK, herrührte) dass jedoch solche Wettbe-werbsbeschränkungen für die ordnungsgemäße Ausübung desRechtsanwaltsberufs erforderlich und insoweit gerechtfertigtsind.

4. Die Beratung im belgischen Recht

Können ausländische Anwälte nach der Umsetzung der Richtli-nie im belgischen Recht beraten? Die Antwort lautet: Ja. Es gibtin Belgien kein Beratungsmonopol der Anwälte.

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Bierwagen, Zur Lage der ausländischen Anwälte in Brüssel nach der Umsetzung der Niederlassungsrichtlinie in Belgien

12 Siehe dazu Rdnr. 24 im Urteil Gebhard und das Urteil Klopp von1984 (Rs. 107/83, EuGHE 1984, 2971) in Tz. 19. Zum erstgenannten:(24) Folglich kann eine Person in mehr als einem Mitgliedstaat i.S.d.Vertrages niedergelassen sein, und zwar namentlich im Fall von Ge-sellschaften durch die Errichtung von Agenturen, Zweigniederlassun-gen oder Tochtergesellschaften (Artikel 52) und, wie der Gerichtshofim Fall von Angehörigen der freien Berufe ausgeführt hat, durch dieEinrichtung eines zweiten Berufsdomizils (vgl. Urt. v. 12.7.1984 inder Rechtssache 107/83, Klopp, Slg. 1984, 2971, Rdnr. 19).

13 Artikel 1 (4): Die Ausübung des Rechtsanwaltsberufs i.S. dieser Richt-linie berührt nicht die Erbringung von Dienstleistungen, die unter dieRichtlinie 77/249/EWG fallen.

14 Dieser Fall wird bereits von der Richtlinie geregelt.15 Rs. C-309/99. Siehe dazu die Anmerkung von Lörcher, Anwaltliches

Berufsrecht und europäisches Wettbewerbsrecht, NJW 2002, 1092.

Das bedeutet, dass an sich auch ein Frisör Rechtsrat erteilendarf. Die Gesetzeslage ist also ganz anders als in Deutschlandnach dem Rechtsberatungsgesetz.

Falls ein ausländischer Anwalt vor Gericht auftreten will, musser das im Einvernehmen mit einem hier zugelassenen Anwalttun, Artikel 477 sexies, § 1 Code judiciaire. Diese Beschränkungist aber leider nicht gefallen, ist jedoch weniger stringent aus-gestaltet als diejenige, die für die Ausübung der Dienstleis-tungsfreiheit gilt. Artikel 477 sexies fordert, dass der ausländi-sche Anwalt im Einvernehmen mit einem belgischen Kollegenhandelt, der ihn vor der mündlichen Verhandlung dem Gerichts-präsidenten vorstellt. Wie das Einvernehmen ausgestaltet undnachgewiesen wird, bleibt offen. Bei der Dienstleistung dage-gen verlangt Artikel 477 sexies, § 1 Code judiciaire zusätzlich,dass der ausländische Anwalt auch dem Präsidenten der An-waltskammer vorgestellt werden muss.

5. Die leidige Frage der Berufsbezeichnung

Die Frage der Berufsbezeichnung ist in der Commission seit Jah-ren immer wieder kontrovers diskutiert worden. Leider hat sieauch in der Richtlinie eine umständliche und nicht immerzweckmäßige Regelung gefunden. Belgien hat diese umständli-che Regelung in Artikel 477 quinquies, § 3 Code judiciaire über-nommen.

Der deutsche RA hat seinen Titel in deutscher Sprache zu führen.Außerdem ist die Zulassung in Deutschland zu erwähnen oderdie RAK. Das heißt, Briefpapier und Visitenkarte können dannetwa lauten „RA, zugelassen beim KG in Berlin“. Ein griechi-scher Anwalt muss seinen Titel in griechischer Sprache oder ei-ner Transliteration schreiben; die belgischen Standesvertreterhaben jedoch erklärt, dass sie sich in diesem Fall einer Überset-zung nicht in den Weg stellen würden.

Hinzuzufügen ist der Hinweis auf die Niederlassung in einer derSprachen der Kammer, bei der sich ein RA eingetragen hat. InBrüssel dann etwa avocat établi à Bruxelles oder advocaat ge-vestigd te Brussel. Anwälte einer ausländischen Sozietät habenden Namen und die Rechtsform der Gruppe zu erwähnen sowiedie Namen der in Belgien tätigen Anwälte aufzuführen (Artikel477 octies, § 6 Code judiciaire).

Diese kasuistische Regelung entspricht der Richtlinie; allerdingskann man auch eine einfachere Lösung wählen, wie es der deut-sche Gesetzgeber getan hat.

Die belgischen Anwälte haben bei ihrer Tätigkeit von Brüsselaus einen natürlichen Wettbewerbsvorteil. Da es drei Gerichts-sprachen gibt, können sie ihre Berufsbezeichnung verwenden,ohne zusätzlich ihre belgische Zulassung klarstellen zu müssen.

6. Zur Frage der Berufs- und Standesregeln

Es fragt sich, welche Regeln gelten, wenn ein Anwalt an zweiOrten, etwa in Düsseldorf und in Brüssel, niedergelassen ist. An-gemessene Kollisionsregeln sind noch zu entwickeln.

Nach der Richtlinie werden ausländische Anwälte sowohl denBerufs- und Standesregeln des Herkunftsstaates wie denjenigendes Aufnahmestaates unterworfen. Artikel 477 sexies, § 2 Codejudiciaire hat diese Regelung in belgisches Recht umgesetzt.Die Norm gilt für alle im Aufnahmestaat ausgeübten Tätigkeiten.Lassen sich diese aber klar abgrenzen? Gilt die Norm für dieWahrnehmung z. B. eines wettbewerbsrechtlichen Mandats,das ein Düsseldorfer Anwalt, der auch in Brüssel auf dem Brief-kopf firmiert, in Düsseldorf und in Brüssel wahrnimmt?

Für die Durchsetzung der Standesregeln gelten komplizierteVorschriften. Artikel 477 septies erklärt die für die belgischenRAe geltenden Vorschriften für auch auf die ausländischen An-wälte anwendbar.

Der Bâtonnier muss die zuständigen Stellen des Herkunftsstaa-tes von der Aufnahme disziplinarrechtlicher Verfahren in Kennt-nis setzen, sie über die Vorwürfe sowie den Verfahrensablauf in-formieren und ihnen Gelegenheit geben, dazu Stellung zu neh-men.

7. Die Zulassung als belgischer Anwalt

Die Richtlinie sieht vor, dass ein ausländischer Anwalt nach dreiJahren Tätigkeit im Gastland seine Anerkennung als „einheimi-scher” Anwalt beantragen kann. Artikel 477 nonies Code judi-ciaire setzt die Vorschrift in belgisches Recht um.

Diese Möglichkeit ist besonders in Frankreich und in Luxem-burg auf Widerstand gestoßen. Denn es wird jemand zur An-waltschaft zugelassen, der nicht unbedingt dieselbe beruflicheQualifikation wie die Inländer erworben hat.

Dennoch sollte man nicht übersehen, dass es wahrscheinlichwenige Fälle geben wird, in denen ein Ausländer in seinemGastland als Berater im nationalen Recht tätig wird.

Eine besondere Konstellation gibt es in Brüssel. Hier beratenausländische Anwälte hauptsächlich im Gemeinschaftsrecht.Da dieses Teil der nationalen Rechtsordnung ist, qualifizierensich die meisten der ausländischen Anwälte, ohne Ausbildungim internen Recht, nach drei Jahren für den belgischen Barreau.Die belgischen Regeln sehen vor, dass ein ausländischerAnwalt bereits nach kürzerer Tätigkeit in belgischem Recht alsbelgischer Anwalt zugelassen werden kann, sofern er dem Con-seil de l’Ordre seine Kenntnisse und Berufserfahrung nach-weist.

In allen anderen Fällen gilt die belgische Regelung für die An-erkennung ausländischer Hochschulabschlüsse16. Der ausländi-sche Abschluss als solcher reicht nicht aus. Vielmehr muss eineschwierige Prüfung abgelegt werden. Erst danach kann eine Zu-lassung als avocat stagiaire erfolgen, die nach drei Jahren in einenormale Zulassung umgewandelt wird. Die früher geltende Re-gelung war eingliederungsfreundlicher. Nach Gemeinschafts-recht könnte der Aufnahmestaat den ausländischen Berufsab-schluss auch ohne förmliche Prüfung anerkennen17.

Für deutsche Anwälte dürfte dies in der Regel nicht interessantsein, da die Beratung im belgischen Recht weniger profitabel istals die in deutschem oder europäischem.

8. Die Vertretung in den Standesorganen

Die Richtlinie sieht vor, dass die Anwälte aus den Mitgliedstaa-ten auch in den Standesorganisationen vertreten sein müssen.Das bedeutet hier das aktive und passive Wahlrecht zum Con-seil de l‘Ordre und zum Bâtonnat. Beide Ehrenämter sind be-gehrt, ihre Ausübung ist jedoch mit viel Aufwand und einemrichtigen Wahlkampf verbunden.

Die Richtlinie legt hierzu in Artikel 6 lediglich Mindestanforde-rungen fest:

„(2) Für die unter ihrer ursprünglichen Berufsbezeichnung täti-gen RAe ist eine angemessene Vertretung in den Berufsorgani-sationen des Aufnahmestaats sicherzustellen. Diese Vertretungumfasst mindestens das aktive Wahlrecht bei der Wahl der Or-gane dieser Berufsorganisationen.“

BRAK-Mitt. 4/2002 Aufsätze 161

Bierwagen, Zur Lage der ausländischen Anwälte in Brüssel nach der Umsetzung der Niederlassungsrichtlinie in Belgien

16 Richtlinie 89/48, ABl. EG 1989 L 19 S. 16.17 Siehe dazu die Vorlagefrage der Corte Suprema di Cessazione im Fall

Christine Valia Morgenbesser/Consiglio dell’Ordine degli Avvocati diGenova, Rechtssache C-313/01, ABl. EG 2001 C 389 S. 17, sowie dasUrteil des Gerichtshofes v. 7. 3. 2002 in dem Vertragsverletzungsver-fahren gegen Italien wegen Verletzung der Artikel 43 und 49 EG-Ver-trag und der Richtlinie 89/48, Rechtssache C-145/99.

Gemessen an der Zahl der ausländischen Anwälte sollten diesesicherlich einen Vertreter im Conseil stellen können. Das erfor-dert aber, dass alle ausländischen Anwälte sich an der Wahl be-teiligen und möglichst auf wenige Kandidaten einigen. Jedochsind die meisten ausländischen Anwälte an einer Teilnahme amBarreau nicht sonderlich interessiert, und dies könnte dazuführen, dass sie keinen Vertreter stellen18.

Eine Möglichkeit wäre daher, den ausländischen Anwälten ei-nen Sitz im Conseil zu reservieren. Der Vertreter könnte dannentweder allein von den ausländischen Anwälten gewählt wer-den oder derjenige Ausländer sein, der bei der allgemeinenWahl die meisten Stimmen auf sich vereinigte. Diese Möglich-keit ist im belgischen Gesetz zwar nicht vorgesehen, wäre abermit der Richtlinie voll vereinbar.

In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage nach demWahlmodus für die Commission des membres de barreaux

étrangers associés du barrreau de Bruxelles. Die Richtlinie siehtkeine besonderen Gremien für Vertretung der Interessen aus-ländischer Anwälte vor. Derzeit besteht die Commission fort.

Als die belgischen Kollegen diese Commission ins Leben riefen,hatten sie eine Wahl vorgesehen. Als sich sieben Kandidaten fürsechs Plätze stellten, wurde keine Wahl durchgeführt, sonderndie ausländischen Mitglieder „kooptiert“. Dieses System hat bis-lang funktioniert und wird zunächst beibehalten. Es entsprichtjedoch nicht unbedingt dem in Wahlen ausgedrückten Willender ausländischen Kollegen.

V. Ausblick

Angesichts der Tatsache, dass die Mehrzahl der ausländischenAnwälte sich zwar niederlässt, aber wenig im internen Rechttätig ist, ist die Zurückhaltung in standesrechtlichen Angelegen-heiten verständlich. Gemessen an der Bedeutung des Standes-rechtes in Konfliktfragen und an der fortschreitenden Euro-päisierung der Anwaltschaft ist sie jedoch kurzsichtig. Gerade inBrüssel sind größeres Engagement und die aktive Vertretung derInteressen angezeigt.

162 Aufsätze BRAK-Mitt. 4/2002

Quaas/Sieben, Reichweite der Kompetenzen der Rechtsanwaltskammern nach der Reform der Juristenausbildung

18 Bei den Wahlen im Juni 2002 gab es keinen ausländischen Kandida-ten. (Zum Vergleich: Als die flämischen und wallonischen Standes-organisationen noch nicht getrennt waren, stellten die Flamen etwaein Viertel der Anwälte, aber anfangs keinen Vertreter.)

I. Einleitung

Der Bundestag hat mit Beschl. v. 5.4.2002 den Entwurf einesGesetzes zur Reform der Juristenausbildung, BT-Drucks. 14/7176, angenommen. Der Bundesrat hat dem Gesetz am27.4.2002 zugestimmt, das damit am 1.7.2003 in Kraft tretenwird. Gem. Art. 2 des Gesetzes werden die §§ 59 Abs. 1 und 73Abs. 2 Nr. 9 BRAO dahin gehend geändert, dass die Anwälte so-wie deren Kammern verstärkt im Rahmen der Juristenausbil-dung tätig werden sollen. Damit stellt sich für die einzelnenRechtsanwaltskammern (RAK) die Frage, in welchem Rahmenund in welchem Umfang eine – auch finanzielle – Beteiligungan der Ausbildung von Studierenden und Referendaren möglichund erforderlich ist. Denkbar sind neben dem Angebot eigenerAusbildungslehrgänge die Beteiligung an einem neu zu grün-denden Ausbildungsinstitut, die Gründung oder Unterstützungeines Anwaltsinstituts in Zusammenarbeit mit einer Universitätsowie sonstige Angebote für RAe zur Fort- und Weiterbildung.Ziel sollte jeweils sein, die anwaltspezifische Ausbildung vonStudierenden und Referendaren sowie die Fortbildung vonRAen mit kammereigenen Mitteln zu fördern. Das kostet Geld,macht Arbeit und erfordert verantwortungsbewusstes Handeln.Lohnt sich der Aufwand?

Bei einer solchen Ausweitung der Kammertätigkeit ist nicht aus-zuschließen, dass es zu Konflikten insbesondere mit den örtli-chen Anwaltvereinen und dem DAV kommt. EntsprechendeAus- und Fortbildungstätigkeiten der RAKn treten in Konkurrenzzu den umfangreichen Angeboten dieser Vereine. Zudem ist mitKlagen von RAen zu rechnen, die einen Einsatz ihrer Kammer-beiträge für solche (Dienst-)Leistungen ablehnen. Es stellt sichvor diesem Hintergrund die Frage, inwieweit sich die Anwalts-

kammern unter Geltung des neuen Rechts auch finanziell beider Aus- und Weiterbildung von Studierenden und Referenda-ren, aber auch von RAen engagieren können. Dabei wird vor al-lem die bisherige Rspr. des BGH zu den Befugnissen der An-waltskammern zu berücksichtigen sein.

II. Allgemeine Rechtsgrundlagen

Für eine vertiefte Auseinandersetzung mit dieser Frage ist zu-nächst festzustellen, welche Aufgaben und Kompetenzen denRAKn grundsätzlich zugewiesen sind und inwieweit sich dieBeteiligung an der Juristenausbildung oder weiter gehendeAusbildungsaktivitäten in die Aufgaben der Kammern einfügenlassen.

1. Allgemeine Aufgabenzuweisung

Die RAKn sind grundsätzlich befugt, Aufgaben wahrzunehmen,die ihnen durch Gesetz zugewiesen sind und die sich aus derFunktion der Kammern ergeben.1 Eine allgemeine Kompetenz-norm, in der die Zuständigkeiten und Aufgaben der RAK ver-bindlich und abschließend aufgezählt werden, enthält die inso-weit maßgebliche BRAO nicht. Neben einer Vielzahl besonde-rer Aufgabenzuweisungen2 werden im Gesetz die Aufgaben desVorstandes (§ 73 BRAO) sowie der Kammerversammlung (§ 89BRAO) näher bestimmt. Die Gesamtaufgaben der RAK ergeben

Reichweite der Kompetenzen der Rechtsanwaltskammern nach der Reformder Juristenausbildung

von Rechtsanwalt Dr. Michael Quaas, M.C.L., Fachanwalt für Verwaltungsrecht, undRechtsanwalt Dr. Peter Sieben, Stuttgart

1 St. Rspr. des BGH, siehe etwa Urt. v. 26.10.1989 – I ZR 242/87,BGHZ 109, 154, 157, m.w.N.

2 Siehe die Übersichten bei Feuerich/Braun, BRAO, 5. Aufl. 2000, § 73Rdnr. 3; Hartung, in Henssler/Prütting, BRAO, 1997, § 73 Rdnr. 5, so-wie Jessnitzer/Blumberg, BRAO, 9. Aufl. 2000, § 73 Rdnr. 2.

sich damit insbesondere aus den §§ 73, 89 BRAO.3 Der in den§§ 73, 89 BRAO genannte Katalog ist, wie sich aus dem Wort„insbesondere“ in § 73 Abs. 2 BRAO ergibt, nicht abschließend.Dementsprechend nimmt der BGH in st. Rspr. an, dass sich derFunktionsbereich der Kammern auch auf alle Angelegenheitenerstreckt, die von allgemeiner und nicht rein wirtschaftlicher Be-deutung für die Rechtsanwaltschaft sind und die Gesamtheit derRAKn berühren.4

2. Begrenzung der Kammerzuständigkeiten, verfassungsrecht-licher Hintergrund

Die Kammerzuständigkeit ist verfassungsrechtlich dadurch be-grenzt, dass es sich bei der RAK um eine zwangsmitgliedschaft-lich verfasste Einrichtung handelt. Das BVerfG geht in ständigerRspr. davon aus, dass es sich bei der Zwangsmitgliedschaft umeinen Eingriff in Art. 2 Abs. 1 GG handelt, der den verfassungs-rechtlichen Anforderungen genügen muss.5 Die Kammern sindnur zur Erfüllung legitimer öffentlicher Aufgaben unter Beach-tung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit befugt.6 Die RAKdarf aus diesem Grund grundsätzlich keine Aufgaben wahr-nehmen, die nicht gruppenspezifischen Zielen der RAe dienen.Solche Ziele liegen außerhalb des Verbandszwecks, derenWahrnehmung verletzt die Rechte der zwangsweise verfasstenMitglieder.7 Insbesondere dürfen Haushaltsmittel nicht für ver-bandsfremde Zwecke verwendet werden.8

III. Beteiligung an der Juristenausbildung als ausdrücklichzugewiesene Aufgabe der RAK nach § 73 Abs. 2 Nr. 9BRAO n.F.

Rechtsgrundlage zur Beteiligung an der Juristenausbildung istnach der Neuregelung der BRAO zunächst § 73 Abs. 2 Nr. 9BRAO n.F. Nach dieser Vorschrift obliegt es dem Vorstand derRAK, bei der Ausbildung und Prüfung der Studierenden und derReferendare mitzuwirken, insbesondere qualifizierte Arbeitsge-meinschaftsleiter und Prüfer vorzuschlagen. Im Ergebnis ist da-von auch die finanzielle Beteiligung an der Juristenausbildungals Aufgabe der Kammer umfasst.

1. Wortlaut und Entstehungsgeschichte

Der Wortlaut des § 73 Abs. 2 Nr. 9 BRAO n.F. betrifft die Mit-wirkung an der Ausbildung und Prüfung von Referendaren undStudierenden, insbesondere durch den Vorschlag geeigneterAusbilder und Prüfer. Die eigenständige Tätigkeit im Rahmender Juristenausbildung ist vom Wortlaut der Vorschrift zunächstnicht erfasst. Andererseits wird durch das Wort „insbesondere“deutlich, dass damit gerade nicht abschließend die Befugnisseder Kammer festgelegt werden sollten. Die Kompetenz der RAK

zur umfassenderen Beteiligung an der Juristenausbildung kanndaher im Wege der (erweiternden) Auslegung der Vorschrift des§ 73 Abs. 2 Nr. 9 BRAO n.F. entnommen werden.

Anhaltspunkte dafür ergeben sich vor allem aus der Entste-hungsgeschichte der Vorschrift. Nach § 73 Abs. 2 Nr. 9 BRAOa.F. war allein die Mitwirkung bei der Ausbildung der Referen-dare Aufgabe des Vorstands der RAK. Diese wurde durch die Ge-setzesänderung um die Mitwirkung bei der Ausbildung und Prü-fung der Studierenden erweitert. Dem Kammervorstand obliegtes nach der Neufassung des Gesetzes,

„… bei der Ausbildung und Prüfung der Studierenden und derReferendare mitzuwirken, insbesondere qualifizierte Arbeitsge-meinschaftsleiter und Prüfer vorzuschlagen“.

Ziel dieser Gesetzesänderung war ausweislich der Entwurfsbe-gründungen, die RAKn verstärkt in die Juristenausbildung ein-zubeziehen.9 In diesem Sinne lässt sich argumentieren, der Ge-setzgeber habe den Kammern über ihren bisherigen limitiertenBeitrag an der Juristenausbildung hinaus einen umfassendenAusbildungsauftrag zuweisen wollen. Nimmt man das an, ist dieBeteiligung an der Juristenausbildung Aufgabe der Kammern.Systematische oder teleologische Bedenken gegen diese Ausle-gung bestehen nicht. Dementsprechend sind die Kammern auchbefugt, die erforderlichen finanziellen Mittel für diese Beteili-gung an der Ausbildung von Studierenden und Referendareneinzusetzen, denn ohne den Einsatz von Mitteln kann die Auf-gabe nicht erfüllt werden.

2. Verhältnismäßigkeit

Damit stellt sich die Frage, ob die – finanzielle – Beteiligung ander Ausbildung von Studierenden und Referendaren verhältnis-mäßig ist. Dem Merkmal der Verhältnismäßigkeit ist bislangdurch die Rspr. keine allgemein gültige Kontur verliehen wor-den. In Anlehnung an die Rspr. des BVerfG wird verlangt, dassdie Kammertätigkeit sich allein auf die Erfüllung der ihnen zu-gewiesenen öffentlichen Aufgaben zu beschränken habe.10 Andem legitimen Ziel besteht im Hinblick auf die Beteiligung ander Juristenausbildung kein Zweifel.

Bedenken ergeben sich vorwiegend aufgrund der damit ver-bundenen Kosten, die aus den Mitgliedsbeiträgen aufgebrachtwerden müssen. Aus diesem Grund könnte die Beteiligung ander Juristenausbildung deshalb unverhältnismäßig sein, weilden Mitgliedern die Kosten der Beteiligung durch die Mitglieds-beiträge zwangsweise auferlegt werden und diese (Zwangs-)Um-lage nicht mehr durch den Zweck gerechtfertigt ist. So lässt sicheinwenden, dass die Beteiligung an dem zusätzlichen Angebotim Rahmen der Juristenausbildung ebenso von den rein pri-vatrechtlichen und dementsprechend finanzierten Anwaltverei-nen wahrgenommen werden könnte.11 Im Unterschied zu derim Gesetz vorgesehenen Hilfe bei der Auswahl von Arbeitsge-meinschaftsleitern und Prüfern, die, wenn überhaupt, nur ge-ringe Kosten verursacht, erfordert die weiter gehende Beteili-gung an der Juristenausbildung etwa durch eigene Veranstaltun-gen finanziell erhebliche Mittel.

Soweit ersichtlich, gibt es keine Rspr. zu der Frage, in welchemUmfang sich eine Kammer finanziell in einzelnen Tätigkeitsfel-dern engagieren darf und ab wann die Tätigkeit der Kammer un-verhältnismäßig ist. Letztlich kommt es auf den Einzelfall an. So-weit die Mitwirkung bei der Ausbildung von Studierenden und

BRAK-Mitt. 4/2002 Aufsätze 163

Quaas/Sieben, Reichweite der Kompetenzen der Rechtsanwaltskammern nach der Reform der Juristenausbildung

3 Feuerich/Braun, BRAO, 5. Aufl. 2000, § 73 Rdnr. 6 ff., sowie Jessnit-zer/Blumberg, BRAO, 9. Aufl. 2000, § 73 Rdnr. 1.

4 Zusammenfassend Jessnitzer/Blumberg, BRAO, 9. Aufl. 2000, § 73Rdnr. 1; enger Kleine-Cosack, BRAO, 3. Aufl. 1997, § 73 Rdnr. 5 ff.aufgrund verfassungsrechtlicher Überlegungen. Dazu sogleich sub.2.

5 Grundlegend BVerfG, Urt. v. 29.6.1959 – 1 BvR 394/58, BVerfGE 10,89, 102; Beschl. v. 18.12.1974 – 1 BvR 430/65 und 259/66, BVerfGE38, 281, 297 f.; ebenso BVerwG, Urt. v. 10.6.1986 – 1 C 9/86, NJW1987, 337 338; ausf. Pietzcker, JuS 1985, 27, 29 ff.

6 Beschl. v. 18.12.1974 – 1 BvR 430/65 und 259/66, BVerfGE 38, 281,297 f.; zuletzt Beschl. v. 7.12.2001 – 1 BvR 1806/98 – NVwZ 2002,335, 337 (Kammerbeschluss); krit. Kleine-Cosack, BRAO, 3. Aufl.1997, § 62 Rdnr. 6 ff.

7 BGH, Beschl. v. 13.5.1985 – AnwZ (B) 49/84, NJW 1986, 992 ebd.;Pietzcker, NJW 1987, 305, 306 f.; Kleine-Cosack, BerufsständischeAutonomie und Grundgesetz, 1986, S. 150.

8 BGH, AnwBl. 1982, 65; zit. nach. Feuerich/Braun, BRAO, 5. Aufl.2000, § 73 Rdnr. 11; ebenso Hartung, in Henssler/Prütting, BRAO,1997, § 73 Rdnr. 9; wohl auch Grunewald, NJW 2002, 1369, 1370.

9 Begründung des Gesetzentwurfs von SPD und BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN, BT-Drucks. 14/7176, 15; ebenso Begründung des Gesetz-entwurfs des Bundesrats, BT-Drucks. 14/7463, 13. Beide Entwürfestimmen mit der Gesetzesfassung überein.

10 Siehe nur Kleine-Cosack, Berufsständische Autonomie und Grund-gesetz, 1986, S. 150 ff.; Pietzcker, NJW 1987, 305, 306.

11 Vgl. etwa Grunewald, NJW 2002, 1369, 1370.

Referendaren erstens notwendig ist und sich zweitens die da-durch verursachten zusätzlichen Kosten im Verhältnis zur übri-gen Kammertätigkeit im Rahmen halten, ist die Beteiligung ander Ausbildung von Studierenden und Referendaren nicht un-verhältnismäßig. In Anbetracht der Absicht des Gesetzgebers,die Kammern verstärkt auch in die Ausbildung von Studieren-den und Referendaren einzubinden, beschränkt sich die Befug-nis der RAK nicht auf untergeordnete Tätigkeiten in diesem Be-reich. Die Gründung eigener Ausbildungseinrichtungen sowiedie Beteiligung daran ist demnach grundsätzlich zulässig. EineInstitutionalisierung darf jedoch nicht dazu führen, dass mitHilfe eines maßgeblichen Teils der Kammerbeiträge das Ange-bot von privatrechtlichen Anbietern sowie den originär für dieAusbildung von Studierenden und Referendaren zuständigenstaatlichen Stellen zumindest teilweise verdrängt wird.

IV. Fortbildung der RAe als Aufgabe der RAK

Daneben stellt sich die Frage, ob aufgrund der Neuregelung des§ 73 Abs. 2 Nr. 9 BRAO auch die Fortbildung der RAe als Auf-gabe der RAK angesehen werden kann. Vom Wortlaut der geän-derten Vorschrift, die explizit die Beteiligung bei der Ausbildungvon Studierenden und Referendaren betrifft, ist diese Aufgabenicht umfasst. Ein allgemeiner Ausbildungsauftrag, der die Fort-bildung von RAen einbezieht, ist ausweislich der Gesetzesbe-gründung nicht beabsichtigt gewesen.12 Damit könnte sich dieBefugnis der Kammern zum Angebot von Fortbildungsmöglich-keiten nur aus ihrer allgemeinen Aufgabe ergeben.

1. Systematische Bedenken

Insoweit werden jedoch systematische Bedenken geltend ge-macht, weil gem. § 177 Abs. 2 Nr. 6 BRAO die Fortbildung derRAe ausdrücklich der BRAK zugewiesen sei und daher von denörtlichen RAKn nur insoweit wahrgenommen werden könne, alslokale rechtliche Besonderheiten etwa im Miet- oder Familien-recht betroffen seien.13 In Anbetracht der unscharfen Konturie-rung des Tätigkeitsfeldes der RAK überzeugt das systematischeArgument jedoch nicht. Die Aufgaben der örtlichen Kammernund der BRAK sind nicht derart klar definiert und damit unter-scheidbar, dass daraus auf eine grundsätzlich nur subsidiäre Zu-ständigkeit der RAK im Hinblick auf die Fort- und Weiterbildungder RAe geschlossen werden kann.14

2. Aus- und Weiterbildung als allgemeiner Belang der RAK

Die Befugnis der RAK zur finanziellen Beteiligung an der Aus-und Fortbildung von RAen besteht somit nach den vom BGHentwickelten Grundsätzen dann, wenn es sich dabei um eineAngelegenheit handelt, die von allgemeiner und nicht rein wirt-schaftlicher Bedeutung für die Rechtsanwaltschaft ist und dieGesamtheit der RAKn berührt. Einer ausdrücklichen Aufgaben-zuweisung bedarf es insoweit nach der st. Rspr. des Anwalts-senats beim BGH nicht.15

a) Belange der Anwaltschaft

Der Funktions- und Aufgabenkreis der Kammern reicht nachdieser Rspr. über die ihnen ausdrücklich durch Gesetz oder Sat-zung zugewiesenen Aufgaben hinaus und umfasst auch die Be-lange der Anwaltschaft, welche den Berufsstand als Ganzen

berühren.16 Ihre Grenze findet diese Ausdehnung der Kammer-tätigkeit aus verfassungsrechtlichen Gründen dort, wo erstenskeine Belange der Kammer wahrgenommen werden und zwei-tens die Wahrnehmung der Aufgabe als unverhältnismäßig an-gesehen werden muss. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz be-trifft nicht nur die Mitgliedschaft in der Kammer sowie die Kam-mertätigkeit an sich, sondern auch die konkrete Art, in der dieKammer ihre Aufgaben wahrnimmt.17 Es müsste sich demnachbei der Fortbildung der RAe um eine Aufgabe handeln, die dieBelange der Anwaltschaft insgesamt betrifft und nicht unver-hältnismäßig ist.18

b) Beispielsfälle

Zur Verdeutlichung der von der Rspr. angewandten Maßstäbesollen zunächst einige Beispielsfälle betrachtet werden. DerBGH hat die finanzielle Unterstützung von (anwaltlichen) Lehr-kräften, die im Nebenberuf Rechtskundeunterricht für Anwalts-gehilfen erteilen und von staatlicher Seite nicht ausreichendvergütet wurden, als legitime Aufgabe der Kammer angesehen.Das Gericht führt dazu wörtlich aus:

„Die ordnungsgemäße Ausbildung des in den Anwaltskanzleientätigen Büropersonals ist eine Angelegenheit, die alle RAe an-geht. Jeder Anwalt muss daran interessiert sein, sich in größt-möglichem Umfang auf seine Mitarbeiter verlassen zu können.Das ist nur der Fall, wenn diese gut ausgebildet werden, undzwar nicht nur durch praktische Anleitung in den Kanzleien,sondern auch durch Unterricht an den Berufsschulen. Dass dieordnungsgemäße Ausbildung der Anwaltsgehilfen insgesamt ge-währleistet ist, muss deshalb als Angelegenheit von allgemeinerBedeutung für die Rechtsanwaltschaft angesehen werden.“ 19

Weiterhin wurde von der Rspr. in folgenden Fällen die Zustän-digkeit der RAK bejaht: die Frage der bundeseinheitlichen Ein-führung des Anwalts-Notariats, die Frage der freiwilligen außer-gerichtlichen Rechtshilfe, die Bildung eines Strafrechtsaus-schusses, die Einrichtung eines Anwaltssuchservice.20 Darüberhinaus hat das BVerfG entschieden, dass Unterstützungs- undSterbegeldregelungen der RAK verfassungsrechtlich nicht zu be-anstanden sind.21 Demgegenüber ist nach überwiegender An-sicht die Wahrnehmung eines allgemeinpolitischen Mandatsoder die Wahrnehmung rein wirtschaftlicher Interessen der An-waltschaft nicht Aufgabe der RAK.22

c) Aus- und Weiterbildung der RAe als Belange der RAK

Die Annahme, dass die Aus- und Weiterbildung auch der RAeBelange sind, welche die Anwaltschaft als Ganzes betreffen unddie damit von der RAK generell wahrgenommen werden kön-nen, geht in dieser allgemeinen Form zu weit. Dass die Fortbil-dung der RAe grundsätzlich eine Kammeraufgabe ist, wird in§ 177 Abs. 2 Nr. 6 BRAO zunächst ausdrücklich bestimmt. Dar-über hinaus betrifft die Weiterbildung auch die Gesamtheit derAnwaltschaft und ist auch ohne ausdrückliche Kompetenznormals Aufgabe der RAK anzusehen. Im Übrigen kommt es auf die

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Quaas/Sieben, Reichweite der Kompetenzen der Rechtsanwaltskammern nach der Reform der Juristenausbildung

12 Begründung des Gesetzentwurfs von SPD und BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN, BT-Drucks. 14/7176, 15.

13 Feuerich/Braun, BRAO, 5. Aufl. 2000, § 73 Rdnr. 15.14 I. E. auch Kleine-Cosack, BRAO, 3. Aufl. 1997, § 73 Rdnr. 1a.15 Siehe nur Kleine-Cosack, BRAO, 3. Aufl. 1997, § 62 Rdnr. 5 ff., der

diese Rspr. unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten ablehnt.

16 Ausdrücklich BGH, Urt. v. 2.4.1998 – 1 ZR 4/96, NJW 1998, 2533,2534 m.w.N., st. Rspr.

17 Pietzcker, JuS 1985, 27, 30.18 Aus dieser Überlegung leitet der BGH in st. Rspr. trotz erheblicher

Kritik in der Literatur eine Klagebefugnis der RAK gem. § 13 Abs. 2UWG bei Wettbewerbsverstößen ab, siehe nur BGH, Urt. v. 2.4.1998– 1 ZR 4/96, NJW 1998, 2533, 2534 mit zahlr. Nachw.

19 BGH, Beschl. v. 17.5.1976 – AnwZ (B) 39/75, BGHZ 66, 297, 300.20 Ausf. Nachweise bei Feuerich/Braun, BRAO, 5. Aufl. 2000, § 89

Rdnr. 4,21 BVerfG, Beschl. v. 9.11.1989 – 1 BvR 1315/89, NJW 1990, 2122 ebd.

(Kammerentscheidung).22 Vgl. BVerwG, Urt. v. 17.12.1989 – 5 C 56.79, BVerwGE 64, 281;

Kleine-Cosack, BRAO, 3. Aufl. 1997, § 63 Rdnr. 12 m.w.N.

Rechtsform, in der die Kammer ihre Aufgaben wahrnimmt, nichtan, soweit für die jeweilige Tätigkeit nicht hoheitliches Handelnerforderlich ist.23 Damit ist grundsätzlich die Gründung einerAus- und Fortbildungs-GmbH oder die maßgebliche Beteiligungan einem Anwaltsinstitut zulässig.

Die wesentliche Beschränkung der zulässigen Kammertätigkeitergibt sich indessen für die Aus- und Fortbildung der RAe ausdem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. So wird zwar das An-gebot einzelner – thematisch und zeitlich begrenzter – Fortbil-dungsveranstaltungen, etwa auch solche, die es dem Fachan-walt ermöglichen, seiner Fortbildungspflicht zu genügen (§ 15FAO), vom allgemeinen Kompetenzbereich der RAK umfasstsein. Eine etwa überregional ausgerichtete und dementspre-chend beworbene Fortbildungstätigkeit wird dagegen regel-mäßig den zulässigen Rahmen überschreiten und unverhältnis-mäßig sein. Das bedeutet jedoch nicht, dass RAe nur Fortbil-dungsveranstaltungen der Kammer wahrnehmen könnten, der

sie angehören. Dagegen sprechen schon praktische Erwägun-gen. Allerdings darf das Aus- und Fortbildungsangebot nicht aufeine überregionale Bedeutung abzielen. Die Fortbildung ist da-mit zwar nicht aus systematischen Gründen inhaltlich auf lokalerechtliche Besonderheiten, wegen des Verhältnismäßigkeits-grundsatzes jedoch im Hinblick auf die angesprochenen RAe lo-kal begrenzt.

V. Zusammenfassung und Ergebnis

Nach der Neufassung des § 73 Abs. 2 Nr. 9 BRAO lässt sich dieBefugnis der RAK zur Beteiligung an der Juristenausbildung un-mittelbar aus dem Gesetz entnehmen. Ihre Grenze findet die fi-nanzielle Beteiligung der RAK im Grundsatz der Verhältnis-mäßigkeit. Entsprechendes gilt für die Aus- und Fortbildung vonRAen durch die einzelne RAK. Auch solche Tätigkeiten werdendurch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eingeschränktund sind in Anbetracht des bestehenden Ausbildungsangebotsnur begrenzt möglich.

BRAK-Mitt. 4/2002 Aufsätze 165

Kouba, Berufshaftpflichtversicherung: Wie sinnvoll sind Excedentendeckungen im Ausland?

23 Kleine-Cosack, BRAO, 3. Aufl. 1997, § 62 Rdnr. 15.

In den letzten Jahren haben sich insbesondere die internationa-len Versicherungsmakler an größere und mittelständische An-waltskanzleien mit dem Anliegen gewandt, sog. Excedenten-deckungen für ihr deutsches Berufshaftpflicht-Risiko auf demLondoner Markt abzuschließen. Lediglich die Pflichtversiche-rung wird bei ihrem deutschen Versicherer belassen. Jedoch dür-fen die damit verbundenen Gefahren nicht außer Acht gelassenwerden. Denn ein gutes Risk Management befasst sich nichtnur mit der Höhe der zur Verfügung stehenden Versicherungs-summe, sondern auch mit der Definition des Versicherungs-falles, also mit der Frage, wann der Versicherer im Falle einesSchadens überhaupt leistet. Hier gibt es gravierende Unter-schiede, die vor allem bei Beendigung des Versicherungsvertra-ges existenzbedrohende Folgen haben können. Während inDeutschland der Berufshaftpflicht für den RA traditionell dasVerstoßprinzip zugrunde liegt, werden in London Berufshaft-pflichtpolicen ausschließlich auf Claims-Made-Basis abge-schlossen. Dieser Artikel soll die Gefahr möglicher Deckungs-lücken ins Bewusstsein rufen, indem er die Unterschiede derbeiden Versicherungsfalldefinitionen und die damit einherge-henden Folgen deutlich macht.

Grundsätzlich kommen drei denkbare Zeitpunkte in Betracht,die für die Festlegung des Versicherungsfalles gem. § 149 VVG,also die Entstehung des Versicherungsanspruches, herangezo-gen werden können:

– die schadenverursachende Handlung des Versicherungsneh-mers (Verstoßprinzip);

– der Eintritt des Schadens beim Auftraggeber oder bei einemDritten (Schadenereignisprinzip);

– die Geltendmachung von Haftpflichtansprüchen gegen denVersicherungsnehmer (Anspruchserhebungs- oder Claims-made-Prinzip).

Verstoßprinzip

Für die Berufshaftpflichtversicherung der RAe ist der Versiche-rungsfall in § 5 Abs. 1 AVB-RA definiert:

„ Versicherungsfall i.S. dieses Vertrages ist der Verstoß, der Haft-pflichtansprüche gegen den Versicherungsnehmer zur Folge ha-ben könnte.“

Als Verstoß gilt dabei die einzelne Pflichtverletzung des RA, diein einer Handlung oder Unterlassung bestehen kann. Der Ver-sicherungsfall tritt demnach in dem Zeitpunkt ein, in dem dieschadenverursachende Handlung oder Unterlassung begangenwird. In den in der Praxis äußerst relevanten Unterlassungsfäl-len (Fristversäumnisse) tritt der Versicherungsfall in dem letztenZeitpunkt ein, in dem die Handlung noch hätte nachgeholt undder später eingetretene Schaden hätte vermieden werdenkönnen.

Ein wesentlicher Vorteil der Zugrundelegung des Verstoßprin-zips für den Versicherungsnehmer ist, dass er damit der Gefahr,dass zwischen der Pflichtverletzung durch den Anwalt und demSichtbarwerden des Schadens unter Umständen Jahre vergehenkönnen, begegnen kann. Es sind nämlich alle Verstöße – soweitsie in den sachlichen und summenmäßigen Deckungsbereichfallen – gedeckt, die der Anwalt während der Versicherungszeitbegeht. Diese während der Versicherungszeit begründete Leis-tungspflicht des Versicherers besteht auch nach Beendigung desVersicherungsverhältnisses fort. Die Versicherung deckt damitauch Haftpflichtansprüche, die gegen die Erben eines Anwaltsoder gegen den Anwalt selbst geltend gemacht werden, nach-dem er die Berufsausübung bereits aufgegeben hat. Damit isteine zeitliche Kongruenz sichergestellt. Denn nur für die Dauerder Berufsausübung besteht die Gefahr, Fehler zu begehen, undgleichzeitig die Notwendigkeit der Sicherung gegen Schädenaus solchen Berufsversehen.

Ebenso verhält es sich bei einem etwaigen Wechsel des Versi-cherers. Die Fehler, die während des Versicherungsvertrages bei

Berufshaftpflichtversicherung: Wie sinnvoll sind Excedentendeckungen im Ausland?Anmerkungen zur hinreichenden Abdeckung des anwaltlichen Haftungsrisikos

Rechtsanwältin Susanne Kouba1, München

1 Die Autorin, RAin Susanne Kouba, ist tätig im Bereich Vermögens-schadenhaftpflicht bei der Swiss Re Germany AG.

Versicherer A begangen wurden, sind unabhängig vom Zeit-punkt ihres Zutagetretens und von einem Wechsel zu Versiche-rer B gedeckt.

Schadenereignisprinzip

Während in den AHB (den allgemeinen Haftpflichtbedingun-gen, die in erster Linie auf Personen- und Sachschäden abstel-len) das Schadenereignisprinzip gilt, ist dieses für die Vermö-gensschadenhaftpflichtversicherung weniger geeignet, da dergenaue Zeitpunkt, in dem ein Vermögensschaden eingetretenist, meist nicht oder nur schwer bestimmt werden kann. Mandenke hier etwa an Beratungsfälle, in denen zum Fehler des An-walts noch eine Vermögensdisposition des Mandanten hinzu-kommt. Hier kommt man zu ähnlichen Abgrenzungsschwierig-keiten wie sie jeder Jurist – zumindest aus seinen Studienzeiten– im Zusammenhang mit der Prüfung des § 263 StGB kennt.Darüber hinaus liegt bei Anwaltshaftungsfällen – anders als bei-spielsweise bei einem Verkehrsunfall, wo Verstoß und Scha-denseintritt meist nur Sekundenbruchteile auseinander liegen –der Schadenseintritt häufig zeitlich viel später als die begangenePflichtverletzung, so dass im Hinblick auf etwaige Deckungs-lücken auf die Ausführungen zum Claims-made-Prinzip verwie-sen werden kann.

Claims-made-Prinzip

Der Versicherungsfall tritt im Falle des claims-made-Prinzipsdann ein, wenn der Geschädigte seine Ansprüche gegen den RAgeltend macht. Da dieser Zeitpunkt jedoch unter Umständen et-liche Jahre nach Beendigung der Berufstätigkeit liegen kann,muss der Berufsangehörige den Versicherungsvertrag auch nachBeendigung seiner Berufstätigkeit bis zum Ablauf aller denkba-ren haftungsrechtlichen Verjährungsfristen aufrechterhalten.Zwar verjähren Ansprüche des Mandanten bekanntlich gem.der aus Sicht des Anwalts sehr günstigen Vorschrift des § 51bBRAO unabhängig von der Kenntnis des Geschädigten von denanspruchsbegründenden Tatsachen innerhalb von drei Jahren abEntstehung des Anspruchs. Jedoch bewirkt zum einen die BGH-Rspr. zur Sekundärverjährung eine nicht unerhebliche Verlän-gerung der gesetzlichen Verjährungsfristen. Zum anderen ist eslediglich eine Frage der Zeit, bis der Gesetzgeber die spezialge-setzliche Verjährung der – nunmehr mit einem subjektiven Ele-ment versehenen – regelmäßigen Verjährung anpasst.

Zwar besteht die Möglichkeit, das Problem mit Hilfe einerNachhaftungsdeckung zu entschärfen. Eine solche wird jedochauf dem Londoner Versicherungsmarkt kaum und wenn über-haupt dann maximal für 2 Jahre angeboten. Zudem ist eine sol-che Lösung nicht geeignet, sämtliche Unsicherheiten aus demWeg zu räumen, weil sich der Zeitraum für die Nachhaftungschon wegen der unklaren Verjährungszeiträume nicht mit letz-ter Sicherheit vorherbestimmen lässt. Um hier abzuhelfen,

müsste die Nachhaftungsversicherung ihrerseits mit dem Ver-stoßprinzip arbeiten, um alle denkbaren Schäden abzudecken.

Jedoch nicht nur im Falle der Beendigung der Berufsausübungergeben sich deckungsrechtliche Probleme. Ein ebenso großes,wenn nicht sogar noch schwer wiegenderes Problem stellt einmit einem Versichererwechsel einhergehender Wechsel der Ver-sicherungsfalldefinition während der Berufstätigkeit dar. Nach-dem die auf dem Londoner Markt erhältlichen Claims-made-Po-licen in aller Regel nur für jeweils ein Jahr abgeschlossen sindund jährlich neu platziert werden müssen, kann sich der Versi-cherungsnehmer der Fortführung seines Versicherungsvertragesnie sicher sein. Kommt es – wie Ende letzten Jahres (nicht nur)als Folge der Anschläge vom 11. September – zu einer Kapa-zitätsverknappung und Marktverhärtung, so kann es dem einenoder anderen Versicherungsnehmer passieren, plötzlich ohneoder jedenfalls mit deutlich verringertem Versicherungsschutzdazustehen. Es bleibt ihm in diesem Fall letztlich nur die Mög-lichkeit, seine Deckung wieder auf dem deutschen Versiche-rungsmarkt zu platzieren. Dann hat er jedoch für Fehler, die erin der Vergangenheit begangen hat und die noch nicht zutagegetreten sind, keinen Versicherungsschutz mehr, obgleich er inder Vergangenheit regelmäßig seine Versicherungsprämie ge-zahlt hat.

Ein anderes nicht weniger häufig anzutreffendes Problem habenJuniorpartner, die die Kanzlei wechseln wollen. Ist beispiels-weise die neue Kanzlei in Deutschland nach dem Verstoßprin-zip versichert, entsteht ebenfalls besagte Deckungslücke. Es gibtzwar in einigen Policen Klauseln, nach denen Ex-Partner in dembestehenden Versicherungsschutz mitversichert bleiben. Jedochist fraglich, inwieweit ein Ex-Partner von Änderungen des Versi-cherungsvertrages nach seinem Ausscheiden noch Kenntnis hatoder gar Einfluss darauf nehmen kann (bei claims-made ist jaimmer die Ausgestaltung des Versicherungsvertrages zum Zeit-punkt der Anspruchserhebung maßgeblich). Des Weiteren wirdsich ein junger erfolgversprechender Anwalt bei seiner Karriere-planung nicht gerne von der jeweiligen Ausgestaltung des Ver-sicherungsschutzes und eines etwaigen Wechsels der Versiche-rungsfalldefinition leiten lassen wollen.

Fazit

Dies alles macht deutlich, dass die Versicherung des deutschenBerufshaftungsrisikos auf Claims-made-Basis zu nicht unerheb-lichen Deckungslücken führen kann, die über den Preis keines-wegs wettgemacht werden können. Ein angemessener Versiche-rungsschutz liegt dann nicht vor, wenn die Gefahr besteht, dassfür eine während der Versicherungszeit begangene Pflichtver-letzung wegen späterer Beendigung oder Veränderung desVersicherungsverhältnisses der Versicherungsschutz entfallenkönnte. Insofern ist es ratsam, entsprechende Deckungen sorg-fältig zu überprüfen.

166 Meinungen BRAK-Mitt. 4/2002

RechtsanwaltsvergütungsgesetzSehr geehrte Damen und Herren Kollegen!Ich habe in der letzten Mitteilung Ihre Stellungnahme zum Ent-wurf des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes gelesen.Um nicht den Eindruck entstehen zu lassen, dass die Anwalt-schaft grundsätzlich damit einverstanden sei, dass nunmehr

ein neues Rechtsanwaltsvergütungsgesetz an die Stelle derBRAGO treten soll, möchte ich hiermit meine deutliche Ableh-nung gegenüber diesem Gesetz zum Ausdruck bringen. Damitist nicht verbunden, dass ich grundsätzlich in bestimmtem Rah-men Anpassungen und Änderungen der BRAGO für nicht wün-schenswert halte; diese bedürfen aber nicht eines neuen Ge-setzes.

Meinungen

Es ist zunächst einmal festzuhalten, dass die RAe mit Sicherheitmit der BRAGO seit über 40 Jahren ordnungsgemäß und ver-nünftig arbeiten konnten. Die immer wieder aufgestellte Be-hauptung, die BRAGO sei unübersichtlich, vermag ich so ohneweiteres nicht zu teilen. Die BRAGO hat einen vernünftigenlogischen Aufbau, der sicherlich für jeden Juristen auch nacheiner geringen Einarbeitungszeit ohne weiteres nachzuvollzie-hen ist. Ob der Mann auf der Straße damit arbeiten kann undmuss, dürfte sicherlich zweitrangig sein. In diesem Zusammen-hang möchte ich allerdings gleich vorweg sagen, dass mir dieArt und Weise, die im Rechtsanwaltsvergütungsgesetz dasGanze anders gestalten soll, mit Sicherheit nicht übersicht-licher erscheint. Im Übrigen wird sich auch der Mann auf derStraße kaum nach den Änderungen in einem solchen Gesetz inder Lage sehen, genau zu ermitteln, was er denn nun zahlenmuss und was nicht.

Wenn man ein Gesetz glaubt ändern zu müssen, muss man sichzunächst einmal fragen, ob dieses Gesetz sich nichtbewährt hat. Dieses muss man absolut mit Nein beantworten.Ist der Entwurf des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes tatsächlichübersichtlicher, wie behauptet wird? Auch dazu sage ich ein-deutig Nein! Man kann natürlich z.B. damit argumentieren, dassman das Gesetz ja gestrafft habe, da das neue Gesetz über 120Paragraphen hatte. Schaut man sich das Ganze allerdings ein-mal näher an, stellt man fest, dass im Wesentlichen die Bestim-mungen erhalten geblieben sind, man allerdings eine Straffungdadurch erreicht hat, dass man nunmehr Paragraphen mit 4 undmehr Absätzen schafft, während früher diese Bestimmungen ineigenen Paragraphen enthalten waren.

Wenn weiterhin immer das Argument kommt, dass eine Anpas-sung notwendig sei, weil heute 70 % der Fälle sich außerge-richtlich erledigen ließen und von daher eine Strukturreformnotwendig sei, möchte ich doch gerne einmal wissen, woherdenn diese Zahl stammt. Ich kann diese Zahl mit Sicherheit an-hand meiner Praxis und auch aufgrund von Erfahrungen vonKollegen, mit denen ich gesprochen habe, jedenfalls nichtteilen.

Sie haben im Übrigen, wie Ihrer Stellungnahme zu entneh-men ist, auch deutliche Schwachstellen bereits des Gesetzes-entwurfes aufgedeckt. Vieles von dem kann ich sicherlich auchin vollem Umfang unterstützen, angefangen von dem völlig ab-surden Vorschlag, die Beweisgebühr wegfallen zu lassen, wasdann auch noch damit begründet wird, den RAen nicht dieMöglichkeit zu geben, durch unsinnige Beweisanträge eine sol-che Beweisgebühr erst entstehen zu lassen.

Es ist zwar auf der anderen Seite sicherlich nicht zu verkennenund begrüßenswert, dass insbesondere im Bereiche des Straf-rechtes der Entwurf erhebliche Gebührensteigerungen vor-sieht; man sollte sich allerdings nicht zu früh freuen und denTag nicht vor dem Abend loben, was heißen soll, dass wohlkaum jemand erwarten kann, dass diese Anhebungen letztlichim Gesetzgebungsverfahren Realität werden, da dieses auch zueiner ganz erheblichen Anhebung der Pflichtverteidigerge-bühren führen würde und, da dieses Länderausgaben sind, dieLänder mit Sicherheit diese Gebührenerhöhung in dieser Formnicht mittragen werden. Ich würde daher zunächst einmal an-regen, in der Anwaltschaft eine Erhebung durchzuführen, obman denn überhaupt ein solches Gesetz will oder ob man nichtvernünftige Änderungen auch im Rahmen der bereits bewähr-ten BRAGO durchsetzen kann. Dieses ist ohne weiteres mög-lich. Anstatt dass man monatelang hier Aktivitäten in den Ent-wurf eines solchen Gesetzes investiert hätte, wäre es sinnvollergewesen, gegenüber der derzeitigen Regierung darauf zu drän-gen, die seit dem Jahre 1994 nicht angehobenen Sätze der

BRAGO vernünftig anzuheben. Dieses hätte mehr Nutzengebracht.

Rechtsanwalt Walter Strüder, Aachen

Anmerkung zum Aufsatz „Unterschiede dernationalen Berufsrechte: Notwendigkeit

von Kollisionsnormen und Harmonisierung“von RAuN Prof. Dr. Hans-JürgenHellwig, BRAK-Mitt. 2002, 52 ff.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

im Zusammenhang mit dem vorbezeichneten Aufsatz erlaubeich mir den folgenden Hinweis:

Prof. Dr. Hellwig unterstreicht zu Recht die unterschiedlichenRegelungen des deutschen und französischen Standesrechts be-treffend die Vertraulichkeit der Korrespondenz unter Anwalts-kollegen (S. 55 unten). Dabei ist das französische Standesrechtjedoch noch strenger als von Prof. Dr. Hellwig dargestellt:

Gem. Artikel 3 der einheitlichen französischen Standesregeln(„Réglement intérieur Harmonisé“) unterliegt jedwede zwi-schen französischen Anwälten geführte Korrespondenz dem Be-rufsgeheimnis und ist streng vertraulich. Etwas anderes gilt le-diglich, wenn der Autor eines Schreibens dieses ausdrücklich als„offiziell“ kennzeichnet.

Daraus folgt, dass in Ermangelung eines solchen Vermerks Schrei-ben von gegnerischen französischen Kollegen aufgrund ihresstreng vertraulichen Charakters nicht in Kopie an die Mandant-schaft weitergeleitet werden dürfen. Der Mandant kann den An-walt von dieser Verschwiegenheitspflicht auch nicht entbinden.

Dies stößt bei deutschen Mandanten und Kollegen aufgrund desin Deutschland gesetzlich verankerten umfassenden Auskunfts-anspruchs regelmäßig auf Unverständnis.

Die Regeln zur strengen Vertraulichkeit der Korrespondenz zwi-schen Anwaltskollegen werden in der französischen Lehre un-einheitlich begründet. Gemeinhin wird vertreten, die Vertrau-lichkeit sei zur Erfüllung der dem Anwalt übertragenen Funktionals Organ der Rechtspflege („Auxiliaire de Justice“) notwendig,insbesondere bei zwischen Anwälten geführten Vergleichsver-handlungen, damit im Falle ihres Scheiterns keine der Parteienmit den ursprünglich von ihr gemachten Zugeständnissen kon-frontiert werden könne.

Mit freundlichen kollegialen GrüßenAmrei AugustinAvocate (Paris)Rechtsanwältin (Berlin)

Erwiderung auf den Leserbrief vonFrau Amrei Augustin, Rechtsanwältin und

Avocat à la Cour

Ich danke Frau Kollegin Augustin für die Korrektur meiner Aus-führungen, die auf Informationen aus dem CCBE beruhen. Wiemeine Nachforschungen ergeben haben, ist die Sach- undRechtslage jedoch weiterhin nicht eindeutig.

Die Kompetenz zum Erlass standesrechtlicher Regelungen lag inFrankreich traditionell bei den einzelnen Barreaux (vergleichbarden deutschen RAKn). Insgesamt gibt es 181 Barreaux, von de-nen einige nicht einmal 20 Mitglieder haben. Die dezentrale Re-gelungskompetenz und die großen Unterschiede zwischen den

BRAK-Mitt. 4/2002 Meinungen 167

einzelnen Barreaux haben dazu geführt, dass die Standesregelnder 181 Barreaux in vielen Einzelfragen teilweise gravierend von-einander abwichen. Selbst der Briefverkehr zwischen Kollegenverschiedener Barreaux war behindert, weil die Standesregelnüber die Vertraulichkeit bzw. Nichtvertraulichkeit der zwischen-anwaltlichen Korrespondenz stark voneinander abwichen. Eskam deshalb immer wieder zu standesrechtlichen Verfahren.Durch Gesetz v. 31.12.1990 wurde deshalb der Conseil Natio-nal des Barreaux geschaffen mit der Aufgabe, auf die Harmoni-sierung der Standesregeln der 181 Barreaux hinzuwirken. DieserConseil National des Barreaux hat im September 1997 mehrereBeschlüsse betreffend die Grundsätze der anwaltlichen Berufs-ausübung, die berufliche Verschwiegenheitspflicht und die Ver-traulichkeit der zwischenanwaltlichen Korrespondenz gefasstund die örtlichen Barreaux aufgefordert, diese Beschlüsse in ört-liches Standesrecht ihres Bezirks umzusetzen. Dem sind die mei-sten Barreaux gefolgt. Mehrere Barreaux hingegen, unterFührung des Barreau de Tours, haben dies abgelehnt. Der jewei-lige Procureur Général hat daraufhin bei der jeweiligen Courd’Appel den Antrag gestellt, die Ablehnungsbeschlüsse für nich-tig zu erklären und die örtlichen Barreaux anzuweisen, die Be-schlüsse von September 1997 des Conseil National des Barreauxumzusetzen. Die Cours d’Appel haben antragsgemäß entschie-

den. Dagegen hat das Barreau de Tours Rechtsmittel eingelegt.Die Cour de Cassation hat daraufhin durch Urt. v. 13.3.2001 ent-schieden, dass der Conseil National des Barreaux die erforderli-che Rechtskompetenz für bindende standesrechtliche Vorgabenhat. Das Barreau de Tours hatte parallel zu diesem Verfahren ge-gen die Beschlüsse des Conseil National des Barreaux den Con-seil d’Etat, das oberste französische Verwaltungs- und Verfas-sungsgericht, angerufen. Der Conseil d’Etat gab den Fall mit Ent-scheid v. 27.10.2000 an das Tribunal des Conflits ab, um klärenzu lassen, ob es sich um eine Verwaltungsstreitigkeit handele.Diese Frage wurde vom Tribunal des Conflits mit Entscheid vom18.6.2001 bejaht. Darauf verhandelte der Conseil d’Etat denStreit in der Sache und entschied durch Urt. v. 27.7.2001, dass –entgegen der Auffassung der Cour de Cassation im Urt. v.13.3.2001 – der Conseil National des Barreaux nicht die rechtli-che Kompetenz hat, den einzelnen Barreaux verbindliche stan-desrechtliche Vorgaben zu machen. Wie es in dieser Frage inFrankreich praktisch weitergehen soll, ist völlig offen.Diese Erfahrungen aus Frankreich zeigen, wie segensreich es ist,dass wir in Deutschland in Form der Berufsordnung für RAe eineinheitliches Regelwerk haben.

Rechtsanwalt und Notar Prof. Dr. Hans-Jürgen Hellwig,Frankfurt

168 Pflichten und Haftung des Anwalts BRAK-Mitt. 4/2002

Überblick

Pflichten und Haftung des Anwalts

Rechtsanwälte Bertin Chab und Holger GramsRechtsanwältin Antje Jungk

Allianz Versicherungs-AG, München

Überblick

Einfluss der Schuldrechtsreform auf besondere Ver-jährungsvorschriften?Die Neuregelung des Schuldrechts in den §§ 194 ff. BGB n.F. hatin weiten Bereichen Erleichterungen für die forensische und an-waltliche Praxis geschaffen. So ist die häufige Verjährung gem.§ 196 BGB a.F. um ein Jahr verlängert worden. Man muss sichauch keine Gedanken mehr darüber machen, ob nun bestimmteLeistungen für den Gewerbebetrieb des Schuldners erfolgtenoder nicht. Auch muss nicht mehr klargestellt werden, dassheute ein Taxifahrer so zu behandeln ist wie bei In-Kraft-Tretendes BGB ein „Lohnkutscher“.

Neue Streitpunkte könnten entstehen, weil der Beginn der re-gelmäßigen Verjährungsfrist nach § 199 Abs. 1 Ziff. 2 BGB n.F.nun auch abhängig ist von der Kenntnis des Gläubigers von denden Anspruch begründenden Umständen und der Person desSchuldners. Diese Technik ist dem Rechtsanwender aber bereitsdurch § 852 BGB a.F. geläufig; im Übrigen wurden Schwierig-keiten bei der Sachverhaltswürdigung dadurch abgemildert,dass die Kenntnis nicht taggenau bestimmt werden muss, denn§ 199 Abs. 1 BGB n.F. bestimmt, dass die regelmäßige Ver-jährung mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem die Voraus-setzungen Anspruchsentstehung und Kenntnis eintreten. Damitist dem Anwalt ein kalkulierbares Instrument an die Hand ge-geben.

Die Vereinheitlichung nach neuem Recht in diesem Bereichwirft die Frage auf, inwieweit die Schuldrechtsmodernisierungvielleicht schon heute Einfluss ausübt auf Verjährungsvorschrif-ten außerhalb der §§ 194 ff. BGB n.F. und inwieweit de lege fe-renda Änderungen wünschenswert sind, um Systembrüche zuvermeiden oder auch nur Unebenheiten zu glätten. In einer Ru-brik, in der es vornehmlich um Anwaltshaftung geht, liegt esnahe, in erster Linie an § 51b BRAO, der Verjährungsvorschriftfür Ersatzansprüche gegen RAe (bzw. § 68 StBerG entsprechendfür StB) zu denken. § 51b BRAO ist in diesem Zusammenhangschon deshalb besonders interessant, weil nach st. Rspr. einer-seits die Verjährungsfrist kenntnisunabhängig zu laufen beginnt(z.B. BGH, NJW 1992, 2766). Weil dies in manchen Fällen –insbesondere bei Dauermandaten – aber zu schwer verständli-chen Ergebnissen führte, hat der BGH andererseits die so ge-nannte „Sekundärverjährung“ konstruiert. Der Anwalt muss denMandanten spätestens bei Mandatsende oder rechtzeitig vor Ab-lauf der Primärverjährung auf eigenes Fehlverhalten und evtl.daraus entstandene Schadenersatzansprüche sowie auf die Ver-jährungsfrist hinweisen, wenn er hierzu Anlass hat. Durch dieSchuldrechtsmodernisierung hat sich daran auch nichts geän-dert, denn § 199 Abs. 1 BGB n.F. bezieht sich ausdrücklich aufdie „regelmäßige Verjährungsfrist“, also auf § 195 BGB. Hein-richs hat in einem schon Mitte 2001 erschienenen Beitrag (BB2001, 1417) für etwas Unruhe gesorgt, indem er für die Regel-verjährung u.a. auch Beispiele aus der Anwaltshaftung heranzogund hier zu stark verlängerten Fristen kam. An dieser Stelle dazunur so viel: Wenn besondere Verjährungsvorschriften subjektive

Elemente zur Voraussetzung dafür machen, dass die Verjährunganläuft, dann ist dies ausdrücklich geregelt. Wo eine entspre-chende Regel fehlt, verjähren Ansprüche auch dann, wenn derGläubiger keine Kenntnis hat. So verjähren Mängelgewähr-leistungsrechte des Bauherrn nach wie vor in fünf Jahren nachAbnahme, auch wenn der Bauherr die Mängel nicht kennt(§ 638 Abs. 1 BGB a.F. bzw. § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB n.F.). Ge-rade das letzte Beispiel zeigt, dass der Gesetzgeber Fälle kennt-nisabhängiger und Fälle kenntnisunabhängiger Verjährung ne-beneinander bestehen lassen möchte. Man darf also keinesfallsden Fehler machen, aus der Neufassung der regelmäßigen Ver-jährung auf eine inhaltliche Änderung besonderer Verjährungs-vorschriften zu schließen. So sind etwa in § 2332 BGB schon im-mer beide Konzepte bewusst nebeneinander verwandt worden.Die Verjährung von Pflichtteilsansprüchen lief und läuft erst an,wenn der Berechtigte vom Eintritt des Erbfalls und von der be-einträchtigenden Verfügung Kenntnis hat (würde insoweit § 199Abs. 1 BGB n.F. entsprechen), während der Ergänzungsan-spruch nach § 2329 BGB drei Jahre nach Eintritt des Erbfalls un-abhängig von der Kenntnis hiervon verjährt. Man mag das inEinzelfällen als ungerecht empfinden, die Regelung hat aberauch ihre guten Gründe.

Gleich ob abhängig von Kenntnis oder nicht, ist ohnehin durchdie Schuldrechtsmodernisierung eine wichtige Neuerung insRecht der Verjährung getreten. Bislang galt lediglich für § 852a.F. BGB (dort Abs. 2), dass Verhandlungen den Lauf der Ver-jährungsfrist hemmen. Weiter gehend sind hier allenfalls noch§ 3 Ziff. 3 PflVersG und § 12 Abs. 1, 2 VVG. Die Hemmungdurch Verhandlung ist nun auch aufgenommen worden in derallgemeinen Vorschrift des § 203 BGB, die auch auf beson-dere Verjährungsregeln anzuwenden wäre. Damit ergebensich jenseits von Fragen der Kenntnis des Gläubigers von sei-nem Anspruch schon deutliche Verbesserungen in dessen Posi-tion.

Um nun auf § 51b BRAO zurückzukommen: Für die Beibehal-tung in der jetzigen Fassung sprechen gute Gründe. Sollte mandennoch darüber nachdenken, diese Verjährungsregel in einerzweiten Reformstufe an die allgemeine Regelverjährung anzu-passen und ein subjektives Element zur Voraussetzung des Ver-jährungsbeginns zu machen, wären jedenfalls die Überlegun-gen, die die Rspr. zur Konstruktion der „Sekundärverjährung“mit ihren Ausnahmen und Ausnahmen von Ausnahmen geführthaben, mit einem Schlag obsolet (so auch Heinrichs, a.a.O.).Dass der Mandant auch über den Ablauf der Verjährung durchden Schädiger, sprich Anwalt, zu belehren ist, wenn dieser nichteine Verlängerung der Frist um nochmals drei Jahre riskierenmöchte, stellt ohnehin eine Einmaligkeit dar. Kein Handwerkerwird aus Verbraucherschutzgründen dazu verpflichtet, über dieVerjährung von Mängelgewährleistungsansprüchen zu beleh-ren, wenn solche im Raum stehen.

Rechtsanwalt Bertin Chab

Das aktuelle Urteil

Glaubhaftmachung bei der WiedereinsetzungZu den Anforderungen an die beim Transport von fristgebun-denen Schriftsätzen zum Briefkasten zu beachtende Sorgfaltund an die Glaubhaftigkeit eines Wiedereinsetzungsvortrags.

LG Kiel, Beschl. v. 3.4.2002 – 8 S 21/02

Besprechung:

Während der IX. ZS des BGH durch eine Vielzahl unzulässigerRechtsbeschwerden derzeit weitgehend davon abgehalten wird,

interessante Fälle aus dem Bereich der Anwaltshaftung zu ent-scheiden, kämpfen viele Anwälte um Wiedereinsetzung in denvorigen Stand. Häufigster Grund dürfte derzeit die unzutref-fende Berechnung der Berufungsbegründungsfrist sein (s. dazuunten die Rechtsprechungsleitsätze). Die Rspr. zur Wiederein-setzung ist bereits so umfangreich, dass man zu fast jeder Situa-tion etwas finden kann. Manchmal kommt es aber auch zu un-gewöhnlichen Vorkommnissen, bei denen der Rekurs auf bereitsEntschiedenes fehlgeht.

Einem unlängst vom LG Kiel entschiedenen Fall lag in der Tat einnicht alltäglicher Sachverhalt zugrunde. Die Angelegenheitbegann an sich harmlos: Die äußerst sorgfältige und zuverläs-sige Rechtsanwaltsgehilfin B. einer Berliner Anwaltskanzlei warbeauftragt, mehrere Briefe, u.a. den streitgegenständlichen Be-rufungsbegründungsschriftsatz, in den Postbriefkasten einzu-werfen. Für den weiteren Geschehensablauf seien hier einigePassagen aus dem Wiedereinsetzungsantrag der Prozessbevoll-mächtigten zitiert:

„Auf dem Gehweg der S-Straße stolperte sie kurz vor dem Bahn-hof F. über einen Pflasterstein. Durch eine Ausgleichbewegungkonnte sie sich gerade noch abfangen, sonst wäre sie gestürzt.Allerdings konnte es Frau B. nicht vermeiden, dass ihr die Brief-umschläge herunterfielen. Zudem ist sie dabei auf die Briefum-schläge getreten, die vor ihr auf den Gehweg gefallen waren. Alssie die Umschläge aufhob, musste sie feststellen, dass insbe-sondere die für Kiel bestimmten einzelnen Umschläge stark mitHundekot beschmutzt waren. Frau B. wollte die Umschläge sonicht zur Post geben. Frau B. vernichtete deshalb die Briefe undwarf sie in einen in der Nähe befindlichen Abfalleimer. Da sichder Unterzeichner (sc. der Prozessbevollmächtigte) nicht mehrim Büro befand, konnte sie auch nicht noch einmal zurückge-hen, um den Schriftsatz erneut auszufertigen und unterschrei-ben zu lassen. Zudem kannte sie die Akte und wusste daher,dass die Frist für die Berufungsbegründung erst am 15.2.2002ablaufen würde. Sie wollte am darauf folgenden Montag, dem4.2.2002, den Unterzeichner bitten, den Schriftsatz noch ein-mal zu unterzeichnen und ihn nunmehr abzusenden. Bei einemTelefonat am Sonntagabend, dem 3.2.2002 erfuhr Frau B., dasses ihrer Großmutter mütterlicherseits sehr schlecht gehe unddass damit gerechnet werden müsse, dass diese in absehbarerZeit sterben würde. Tatsächlich ist die Großmutter der Frau B.dann auch am 11.2.2002 verstorben. Aus diesem Grund vergaßdie Mitarbeiterin über das Wochenende ihren guten Vorsatz, amMontag den Schriftsatz erneut auszudrucken und dem Unter-zeichner zur Unterschrift vorzulegen. Erst durch die Nachrichtdes LG Kiel v. 20.2.2002 erinnerte sie sich wieder an den Vor-fall.“

Der Geschehensablauf wurde entsprechend durch eidesstattli-che Versicherungen der Angestellten glaubhaft gemacht. § 236Abs. 2 Satz 1 ZPO verlangt eine Glaubhaftmachung (§ 294 ZPO)der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen. Es ist eingeringerer Grad von Wahrscheinlichkeit erforderlich, um zeit-aufwendige Beweiserhebungen zu vermeiden. Das LG Kiel hieltdas Wiedereinsetzungsgesuch für unbegründet, weil „der dar-gelegte Sachverhalt aus mehreren Gründen ein derart hohesMaß an Unwahrscheinlichkeit ausweist, dass auch die Ver-sicherung an Eides statt nicht ausreichend ist, um die Glaubhaf-tigkeit des dargestellten Vortrags herbeizuführen“. Auch hier diewesentlichen Details aus der Begründung im Zitat:

„Unwahrscheinlich erscheint zunächst, dass die Mitarbeiterin B.die aufzugebende Post lose in der Hand trug. Eine solche Hand-lungsweise wäre nur dann nachvollziehbar, wenn die Mitarbei-ter der Kanzlei üblicherweise die Post nicht auf diesem Wegeaufgeben. Unwahrscheinlich erscheint weiter, dass die Mitar-beiterin B. auf dem Gehweg der S-Straße über einen Pflaster-stein gestolpert ist. Dass auf einem großstädtischen Gehweg ein

BRAK-Mitt. 4/2002 Pflichten und Haftung des Anwalts 169

Das aktuelle Urteil

Pflasterstein liegt, ist ungewöhnlich; ungewöhnlich ist weiter,dass dieser zur hellen Mittagszeit – nach Darlegung der Kl. kurznach 13.00 Uhr – von einer Fußgängerin übersehen wird. Auchder weitere Hergang ist unwahrscheinlich. Nach Darlegung derKl. ist Frau B. zwar gestolpert, jedoch nicht gefallen. Nicht nach-vollziehbar erscheint, dass sie aufgrund dieses Umstandes die inder Hand gehaltenen Briefe loslassen musste. Selbst wenn manein solches Fallen der Briefe unterstellt, ist es wiederum un-wahrscheinlich, dass alle vier Schreiben durch Hundekot be-schmutzt werden. Gleiten Briefe in Stehhöhe aus der Hand, sokommt es zu einer Streuung dieser Objekte derart, dass kaumalle Umschläge gleichzeitig in Kontakt mit auf dem Gehweg lie-gendem Hundekot geraten. Ebenso unwahrscheinlich ist, dassFrau B. anschließend auch noch auf sämtliche Umschläge ge-treten ist. Ist die Darstellung der Kl. bis zu diesem Punkt bereitsin einem hohen Maße unglaubwürdig, so erfährt dies durch dieweitere Darstellung noch eine Steigerung. Es ist nahezu unvor-stellbar, dass eine als Rechtsanwaltsgehilfin erfahrene Bürokraftmit jahrelanger Erfahrung nicht nur die verschmutzten Briefum-schläge, sondern auch die darin enthaltenen Schriftsätze ineinen öffentlichen Papierkorb wirft. (Es) hätte nichts näher gele-gen, als den Inhalt aus den verschmutzten Umschlägen zu ent-nehmen und umgehend mit einem neuen Umschlag zu verse-hen.“

Die Begründung des LG zeigt, dass der Erfolg der Glaubhaftma-chung ganz wesentlich davon abhängt, welche (Lebens-)Erfah-rung das Gericht mitbringt. Der „typische“ Fall, dass die Ange-stellte es einfach vergisst, den Schriftsatz einzuwerfen, hätte dasGericht vermutlich eher von der Richtigkeit des Vorbringensüberzeugt, obwohl die Gefahr, dass ein solcher Sachverhaltnachträglich konstruiert wird, m.E. viel größer ist als im hier be-schriebenen Fall.

Letztlich hat das LG Kiel die Ablehnung der Wiedereinsetzungu.a. auch darauf gestützt, dass im weiteren Verlauf nicht bemerktwurde, dass die Berufung nicht begründet war, weil ausweislicheiner Kopie des Fristenkalenders eine Vorfrist v. 8.2.2002 nichtgestrichen war. Dies hätte Anlass für eine Überprüfung seinmüssen. Unter diesem – aber nur diesem – Aspekt erscheint dieEntscheidung im Ergebnis nachvollziehbar.

Rechtsanwältin Antje Jungk

Rechtsprechungsleitsätze

Haftung

Verkehrsanwalt und ProzessanwaltFür den mangelhaften Entwurf einer Berufungsbegründung, dieder Verkehrsanwalt zur Einreichung bei dem Prozessgerichtdem Prozessbevollmächtigten zuleitet, haftet unbeschadet derVerantwortlichkeit des Prozessbevollmächtigten (auch) derVerkehrsanwalt im Rahmen seines Auftrags (Ergänzung zuBGH, NJW 1988, 1079).

BGH, Urt. v. 29.11.2001 – IX ZR 389/98, NJW 2002, 1417

Anmerkung: Das Urteil stellt eine konsequente, von der Litera-tur bereits vorweggenommene (Zugehör-Sieg, Handbuch derAnwaltshaftung, Rdnr. 219; Rinsche, Die Haftung des RA unddes Notars, 6. Aufl., Rdnr. I 174) Weiterentwicklung der höchst-richterlichen Rspr. zum Verhältnis der Pflichten des Verkehrs-und des Prozessanwalts gegenüber dem Mandanten dar. Da-nach haben beide Anwälte selbstständige Mandate mit unter-schiedlichem Umfang und Pflichtenkreisen, die nicht deckungs-

gleich sind, sich aber überschneiden können. In einem solchenFall können beide Anwälte ausnahmsweise gesamtschuldne-risch haften. Keiner der beiden Anwälte ist im Verhältnis zumMandanten Erfüllungsgehilfe des anderen. Interne Gebührentei-lungs- und Haftungsfreistellungsvereinbarungen haben auf dasAußenverhältnis zum Mandanten keinen Einfluss.

Für den Inhalt der beim Prozessgericht eingereichten Schrift-sätze ist primär der sie unterzeichnende Prozessanwalt verant-wortlich. Ist, wie hier, vereinbart, dass der Verkehrsanwalt dieSchriftsätze fertigt und der Prozessanwalt sie unter seinem Brief-kopf einreicht (sog. „Stempelmandat“), beschränkt sich die Haf-tung des Prozessanwalts auf für ihn aufgrund seines Informa-tionsstands erkennbare Fehler, wie z. B. fehlerhafte Rechtsaus-führungen, mangelnde Schlüssigkeit oder Substantiierung.Bedenken muss er dem Verkehrsanwalt mitteilen. Die Verant-wortung liegt jedoch in diesen Fällen (mindestens) ebenso beimVerkehrsanwalt.

Rechtsanwalt Holger Grams

Regressverjährung nach § 51b BRAO1. Liegt die Pflichtverletzung des Anwalts darin, unnötiger-weise auf eine Sicherheit des Mandanten in dessen Namen ver-zichtet zu haben, ist der Schaden i.S.d. § 51b BRAO bereits mitdem Zugang der Verzichtserklärung entstanden, nicht erst mitGeltendmachung der Sicherheit.

2. Eine Erklärung, auf die Einrede der Verjährung werde bis zueinem bestimmten Zeitpunkt unter der Bedingung verzichtet,dass die Verjährung zum Zeitpunkt der Abgabe der Erklärungnoch nicht abgelaufen ist, ist unwirksam, wenn zu diesem Zeit-punkt tatsächlich schon Verjährung eingetreten war. (eigeneLeitsätze)

OLG Hamm, Urt. v. 5.2.2002 – 28 U 34/01

Anmerkung: Die Pflichtverletzung des RA lag darin, auf ein Ver-mieterpfandrecht, das dem Mandanten zustand, teilweise ver-zichtet zu haben, obwohl dazu keine Verpflichtung bestand.Das OLG nimmt die Abgrenzung nach der „Risiko-Schaden-For-mel“ des BGH zugunsten des beklagten Anwalts vor. Bei unkla-rer Vertragsgestaltung etwa sei für den Anspruchsteller regel-mäßig bei Vertragsabschluss erst eine risikobehaftete Situationentstanden, ein Vermögensnachteil erst dann, wenn der Ver-tragsgegner Rechte aus der unklaren Regelung geltend macht.So sei der Fall aber vorliegend nicht gelagert. Durch den Ver-zicht auf das Vermieterpfandrecht hinsichtlich eines erstrangi-gen Teilbetrages sei der Schaden des Kl. bereits eingetreten, weilschon dadurch die materielle Rechtslage verändert wurde, ohnedass es eines weiteren Tätigwerdens des dadurch Begünstigtenbedurfte.

Rechtsanwalt Bertin Chab

Verjährungsbeginn § 51b BRAO bei vertraglichen Ver-einbarungena) …

b) Unterbreitet der Mandant infolge eines Anwaltsfehlers einungünstiges Vertragsangebot, tritt der Vermögensschaden erstmit dessen Annahme ein.

BGH, Urt. v. 24.1.2002 – IX ZR 228/00, NJW 2002, 1421

Anmerkung: Der Beginn der Verjährungsfrist nach § 51b BRAO,1. Alt., mit „Anspruchsentstehung“ führt immer wieder zu Dis-kussionen. Wann entsteht der Schaden, wenn dem Anwalt eine

170 Pflichten und Haftung des Anwalts BRAK-Mitt. 4/2002

Rechtsprechungsleitsätze

unklare oder ungünstige vertragliche Gestaltung vorgeworfenwird? Der BGH unterscheidet hierbei zwischen einer „objekti-ven Verschlechterung der Vermögenslage“ und einer bloßen„Vermögensgefährdung“ (so z.B. BGH, NJW 2000, 1263). BeiFristversäumnissen sieht der BGH den Vermögensnachteil be-reits mit Fristablauf als eingetreten an, obwohl auch hier dieMöglichkeit besteht, dass sich der Gegner nicht auf die Ver-jährung beruft. Bei vertraglichen Vereinbarungen soll der Scha-den aber erst entstehen, wenn der Vertragspartner Gestaltungs-rechte auch tatsächlich ausübt (so z.B. bei BGH, NJW 1996,2929). Diese Linie verfolgt der BGH im Urt. v. 24.1.2002 wei-ter: Nicht bereits das ungünstige Angebot zur Anpassung desErbbauzinses, sondern erst die Annahme durch den Vertrags-partner war entscheidend. Anders wäre es gewesen, wenn dieErklärung als einseitiges Leistungsbestimmungsrecht einzuord-nen gewesen wäre.

Rechtsanwältin Antje Jungk

Fristen

Überprüfung der FaxnummerZur Art der erforderlichen Kontrollmaßnahmen für den Fall,dass der Sendebericht über ein Faxschreiben mit fristgebunde-nem Inhalt keine Empfängerkennung ausweist.

BGH, Beschl. v. 12.3.2002 – IX ZR 220/01, NJW-RR 2002, 860

Bei Übersendung eines Schriftsatzes per Telefax reicht es nichtaus, wenn der RA lediglich kontrolliert, ob die im Sendeberichtwiedergegebene Empfängernummer mit derjenigen überein-stimmt, die von der Bürokraft im Adressfeld des Schriftsatzesvermerkt ist, da hierdurch nicht gewährleistet ist, dass ein et-waiger Fehler bei der Ermittlung der Empfängernummer auf-gedeckt wird. (eigener Leitsatz)

BGH, Beschl. v. 24.4.2002 – AnwZ 7/01

Anmerkung: Den beiden Entscheidungen lagen ganz ähnlicheSachverhalte zugrunde: Die Angestellten waren jeweils beauf-tragt, die Adresse und Faxnummer des im Schriftsatz bereits be-zeichneten Gerichts herauszusuchen und einzutragen. In einemFall nahm die Angestellte die Nr. des OLG München statt des –ebenfalls in München ansässigen – BayObLG, im anderen Fallging der Schriftsatz an das BVerfG statt an den BGH. In beidenFällen prüften die Angestellten die Übereinstimmung zwischenSendebericht und auf dem Schriftsatz angegebener Faxnummer;ein Empfängername war aus den Sendeberichten nicht ersicht-lich. Die Prozessbevollmächtigten hatten die Faxnummern auf-grund der zutreffenden Vorwahl bzw. der ersten Ziffern für plau-sibel gehalten.

Der Senat für Anwaltssachen hat – im Gegensatz zum IX. ZS –die Wiedereinsetzung abgelehnt. Ein Abgleich der Faxnummeraus dem Sendebericht mit derjenigen im Adressfeld des Schrift-satzes reicht ihm nicht aus, sondern es muss die zutreffende Er-mittlung der Empfängernummer nochmals kontrolliert werden.Im Ergebnis muss also die Empfängernummer zweimal aus demVerzeichnis herausgesucht werden, um sicherzustellen, dassman sich nicht verguckt hat. Diese Forderung erscheint dochsehr weitgehend. Muss man dann auch die Adresse doppelt her-aussuchen? In dem vom IX. ZS entschiedenen Fall hatte die An-gestellte tatsächlich ein zweites Mal nachgesehen – und wiederdie falsche Nr. erwischt … Ob dies erforderlich war, lässt der IX.ZS ausdrücklich offen.

Rechtsanwältin Antje Jungk

Fristberechnung ZPO alt/neu durch Personal?Im Übergangszeitraum des § 26 Ziff. 5 EGZPO ist eine Über-tragung der Fristberechnung auf geschultes Büropersonal zuläs-sig. Es muss aber glaubhaft gemacht werden, dass gerade die An-wendung alten bzw. neuen Rechts Inhalt der Schulung war.

LAG Niedersachsen, Beschl. v. 19.4.2002 – 10 Sa 109/02

Die Unkenntnis des § 26 Ziff. 5 EGZPO gereicht dem Prozess-bevollmächtigten zum Verschulden.

OLG Stuttgart, Beschl. v. 10.6.2002 – 11 UF 29/02

Anmerkung: Die „Haftungsfalle des Jahres“ ist die Versäumungder Berufungsbegründungsfrist aus dem Grunde, dass bereitsdie von der Berufungseinlegung unabhängige Berufungsbe-gründungsfrist notiert wurde, obwohl die letzte mündliche Ver-handlung noch im Jahr 2001 stattfand und demzufolge altesRecht Anwendung fand. Auch wenn in manchen Fortbildungs-veranstaltungen für Anwälte offenbar nicht auf die Übergangs-vorschrift des § 26 Ziff. 5 EGZPO hingewiesen worden ist (so derVortrag im Fall des OLG Stuttgart), muss ein Anwalt sie findenkönnen.

Ob die Fristberechnung in diesen Fällen an Personal delegiertwerden durfte, wurde von den Gerichten unterschiedlich gese-hen. Das LAG Niedersachsen meinte vernünftigerweise „ja“. Al-lerdings verlangte es, dass genau über die betreffende Proble-matik Schulungen erfolgten und dass dies glaubhaft gemachtwird. Dabei reichte ihm die Versicherung, dass eine mehrstün-dige Schulung gerade zum „Übergangsrecht“ besucht wurde,nicht aus. Hier hätte man aber wohl getrost unterstellen dürfen,dass das – sehr einfach festzustellende – Kriterium der letztenmündlichen Verhandlung Gegenstand der Schulung war, oderjedenfalls einen richterlichen Hinweis zur weiteren Darlegunggeben können.

Rechtsanwältin Antje Jungk

Schulung des Kanzleipersonals; beiläufige Fristenkon-trolleDie Tatsache, dass die langjährig fehlerfrei tätige Büroange-stellte die ihr bei ihrer Ausbildung vermittelte Tatsache verges-sen hat, dass der auf Heiligabend fallende Werktag nicht alsFeiertag anzusehen ist, beruht gerade nicht auf unzureichenderSchulung durch den Prozessbevollmächtigten.

Da dem Prozessbevollmächtigten am 21.12.2001 nicht die Ak-ten, sondern lediglich der Fristenkalender vorgelegt worden ist,war er auch nicht selbst zur erneuten Fristenkontrolle ver-pflichtet.

OLG Frankfurt, Beschl. v. 17.5.2002 – 1 UF 326/01

Anmerkung: Das OLG Frankfurt hat hier zu Recht Wiederein-setzung in den vorigen Stand wegen der unverschuldeten Ver-säumung der Berufungsfrist gewährt. Die Büroangestellte hattedie Frist, die am 24.12.2001 ablief, erst für den 27.12.2001 imFristenkalender notiert, da sie irrtümlich davon ausging, dass der24.12. einem Feiertag gleichgestellt sei. Zur Begründung erläu-terte sie, dass der 24.12. für sie immer arbeitsfrei gewesen sei.Das OLG stellt fest, dass dieses Versehen nicht auf unzurei-chender Schulung durch den Anwalt beruht, da die Büroange-stellte in ihrer Ausbildung gelernt hatte, welche Tage Feiertagesind und welche nicht.

Die von der Rspr. statuierte Pflicht des Prozessbevollmächtigtenzur beiläufigen Fristenüberprüfung bei Aktenvorlage sei hiernicht zum Tragen gekommen, weil der Anwalt die Akte erst am26.12., also nach Fristablauf, bearbeitet hatte. Die Durchsichtder fristgebundenen Sachen mit der Büroangestellten am 21.12.

BRAK-Mitt. 4/2002 Pflichten und Haftung des Anwalts 171

Rechtsprechungsleitsätze

hatte lediglich anhand des Fristenkalenders, jedoch – zulässi-gerweise – ohne Akten stattgefunden. Dabei konnte der Fehlervom Anwalt nicht festgestellt werden.

Rechtsanwalt Holger Grams

Eingangsstempel „Pforte“ statt „Nachtbriefkasten“Zum Beweiswert des Eingangsstempels

BGH, Urt. v. 5.4.2001 – IX ZR 193/00

Anmerkung: Ausgerechnet in einem Anwaltsregressprozess er-hielt der Berufungsschriftsatz des Klägervertreters einen Ein-gangsstempel des Gerichts mit der Bezeichnung „Pforte“ vom26.10.1999 – und damit einen Tag verspätet – , während der Klä-gervertreter nach eigener Darstellung den Schriftsatz selbst amAbend des 25.10.1999 in den Nachtbriefkasten gesteckt hatte.

Sowohl der Anwalt als auch Justizbedienstete wurden vor demOLG und vor dem BGH (!) als Zeugen vernommen. Als öffent-liche Urkunde i.S.d. § 418 Abs. 1 ZPO bringt der Eingangs-stempel Beweis für den Zeitpunkt des Eingangs, der allerdingsgegenbeweislich erschüttert werden kann. Dieser Gegenbeweissei aber hier nicht gelungen. Obwohl „für sich genommen“ keinGrund erkennbar sei, dem Zeugen nicht zu glauben, sei es vordem Hintergrund der erläuterten Organisation innerhalb desGerichts in höchstem Maße unwahrscheinlich, dass der mit demPfortenstempel versehene Schriftsatz der Klägerseite über denNachtbriefkasten eingegangen sei.

Der Verfasser war bei den Beweisaufnahmen nicht zugegen.Dennoch fragt man sich beunruhigt, wie es überhaupt nochmöglich ist, den Beweiswert des Eingangsstempels zu erschüt-tern. Selbst wenn man konstatiert, dass den Gerichten ange-sichts der Flut der Schriftsätze, die täglich eingehen, wenigFehler unterlaufen, so spricht doch die Erfahrung dafür, dassAbhandenkommen und Verwechselungen letztlich nie ausge-schlossen werden können. Derselbe Senat hatte mit Urt. v.30.3.2000, NJW 2000, 1872 (auch in diesem Prozess ging esum Haftpflichtansprüche gegen Anwälte!), noch zur weiterenAufklärung der Sache an das Berufungsgericht zurückgewie-sen. In diesem Falle lagen allerdings schon bestimmte Anhalts-punkte vor, die für Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mitdem Nachtbriefkasten sprachen. Solche Tatsachen müssen of-fenbar vorhanden sein, die widerspruchsfreie Aussage des An-waltes oder des jeweiligen Mitarbeiters allein scheint nicht zugenügen.

Rechtsanwalt Bertin Chab

Zusammenschluss von Anwälten

Die überörtliche SozietätIm vorletzten Heft (BRAK-Mitt. 2002, 67) wurde dargestellt, dasssämtliche Sozien einer Anwaltssozietät in der Rechtsform derGesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) für Schadensersatzan-sprüche wegen anwaltlicher Pflichtverletzungen neben demGesellschaftsvermögen der GbR unbeschränkt gesamtschuldne-risch mit ihrem Privatvermögen haften (vgl. § 51a Abs. 2 Satz 1BRAO).

Nichts anderes gilt bei überörtlichen Sozietäten. Dort erstrecktsich die gesamtschuldnerische Haftung auf sämtliche Sozien inallen Standorten (Borgmann/Haug, Anwaltshaftung, 3. Aufl.Kap. VII, Rdnr. 4; Zugehör-Sieg, Handbuch der Anwaltshaftung,Rdnr. 376 ff.). Dies wird auch nicht dadurch eingeschränkt, dassggf. nur einzelne Sozien an einem bestimmten Gericht zugelas-

sen sind, weil das Anwaltsmandat selbst im Falle eines Prozess-mandats neben der reinen Prozessvertretung eine Vielzahl wei-terer Elemente (z. B. Sachverhaltsaufklärung, Beratung und Be-lehrung) umfasst, die auch durch nicht am Prozessgericht zuge-lassene Sozien erfolgen können (Zugehör-Sieg, a. a. O., Rdnr.377 f.; a. A. OLG Düsseldorf, JurBüro 1993, 686; MDR 1994,411; NJW-RR 1995, 376; dieser Aspekt dürfte jedoch wegen derErweiterungen der Postulationsfähigkeit durch die Änderungendes § 78 ZPO künftig ohnehin nur noch eine untergeordneteRolle spielen).

Auch bei überörtlichen Zusammenschlüssen gelten ohne Ein-schränkung die Grundsätze der Rechtsscheinhaftung der Mit-glieder einer Scheinsozietät bei gemeinsamem Auftreten aufBriefbogen und/oder Kanzleischild auch dann, wenn im Innen-verhältnis überhaupt keine gesellschaftsrechtliche Verbindungzwischen den Standorten bzw. den einzelnen Anwälten besteht(vgl. Borgmann/Haug, a.a.O., Rdnr. 4; Einzelheiten s. im letztenHeft, BRAK-Mitt. 2002, 119).

In noch größerem Maße als bei örtlichen besteht bei überört-lichen Zusammenschlüssen aus haftungsrechtlicher Sicht dasRisiko, dass die Anwälte keine Einblicksmöglichkeiten in dieArbeit der Kollegen in den anderen Standorten haben, abergleichwohl gegenüber den Mandanten voll in der Verantwor-tung stehen, so dass interne Haftungsfreistellungsvereinbarun-gen hier einerseits noch größere Bedeutung gewinnen, anderer-seits im worst case (z. B. bei Schäden, die den Versicherungs-schutz übersteigen oder wegen wissentlicher Pflichtverletzungoder mangels originärer anwaltlicher Tätigkeit überhaupt nichtvom Versicherungsschutz umfasst sind) eben doch keine abso-lute Sicherheit gewährleisten können (vgl. BGH, NJW 1999,3040 = BRAK-Mitt. 1999, 257 m. Anm. Borgmann = EWiR1999, 1165 m. Anm. Jungk). Im Außenverhältnis ggü. dem Man-danten ist an die Möglichkeit einer personellen Haftungsbe-schränkung auf das Privatvermögen einzelner (Schein-)Soziengem. § 51a Abs. 2 Satz 2 und 3 BRAO zu denken (vgl. Grams,AnwBl. 2001, 233 und 292).

Auch für die überörtliche Sozietät (und ebenso für die überört-liche Scheinsozietät) findet in der anwaltlichen Berufshaft-pflichtversicherung § 12 der Allgemeinen Versicherungsbedin-gungen für die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung vonRAen (AVB-A) Anwendung, da hiernach als Sozien alle Berufs-angehörigen gelten, die ihren Beruf nach außen hin gemein-schaftlich ausüben. Im Regulierungsfall tritt der Versicherer miteiner sog. Durchschnittsleistung ein. Sind Sozien bei verschie-denen Versicherern versichert, wird eine Versicherungsleistungunter den Versicherern im Verhältnis der versicherten Anwälteaufgeteilt. Unterschiedlich hohe Versicherungssummen könnenzu Deckungslücken führen (Einzelheiten s. Grams, BRAK-Mitt.2002, 67).

Die KooperationNicht selten findet man auf Briefbögen von Anwaltskanzleienden Begriff der Kooperation als Bezeichnung für eine überört-liche oder gar internationale Zusammenarbeit mit anderen An-waltskanzleien. Entscheidungen zu der Frage, ob auch sämt-liche Mitglieder einer solchen Kooperation gesamtschuldne-risch haften, sind nicht bekannt. In wettbewerbsrechtlicherHinsicht begründet die Verwendung des Begriffes Kooperationauf dem Briefbogen jedenfalls nicht den Rechtsschein einer So-zietät (BGH, NJW 1993, 1331), weil dieser Begriff nach Auffas-sung des I. ZS des BGH nicht geeignet ist, beim rechtsuchendenPublikum falsche Vorstellungen über die Art des beworbenenDienstleistungsangebots zu begründen. Mit dem Begriff der Ko-operation sei eine Vorstellung von einer Zusammenarbeit ohnebestimmte gesellschaftsrechtliche Verpflichtungen verbunden.Dieser Auffassung ist zuzustimmen.

172 Pflichten und Haftung des Anwalts BRAK-Mitt. 4/2002

Zusammenschluss von Anwälten

Im Einzelfall kann es allerdings durchaus auch auf die Gestal-tung des Briefbogens ankommen. Wird nämlich hierdurch derAnschein einer Sozietät erweckt, wenn z.B. der Begriff Koope-ration nur versteckt angebracht ist, die Gestaltung im Übrigenaber den Eindruck einer „firmenmäßigen“, gesellschaftsrecht-lich verfestigten Form der Zusammenarbeit indiziert, hat dieswiederum eine gesamtschuldnerische Haftung aller auf demBriefkopf genannten Anwälte nach den Grundsätzen derScheinsozietät zur Folge (vgl. Borgmann/Haug, Kap. VIII,Rdnr. 6; Zugehör-Sieg, a. a. O., Rdnr. 422; Grams, BRAK-Mitt.2002, 119).

Nicht gangbar sein dürfte dagegen der Weg, durch die Verwen-dung der Bezeichnung Kooperation zu einer Beschränkung dergesamtschuldnerischen Haftung zu gelangen, wenn in Wirk-lichkeit eine echte überörtliche Sozietät besteht.

Bei grenzüberschreitenden, internationalen Kooperationen be-steht natürlich die schwer kalkulierbare Gefahr einer Inan-spruchnahme auch der deutschen Anwälte vor ausländischenGerichten (mehr zur Haftung internationaler Sozietäten in dernächsten Ausgabe).

Rechtsanwalt Holger Grams

BRAK-Mitt. 4/2002 Aus der Arbeit der BRAK 173

Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzesüber die Vergütung der Rechtsanwälte

Die vollständige Stellungnahme der BRAK zu dem Entwurf derRegierungskoalition (RVNeuOG) und dem Entwurf der FDPBundestagsfraktion (RVG) kann im Internet unterwww.brak.de/„Gesetzgebung“/„Rechtsanwaltsgebühren“ ein-gesehen werden. Wegen der Länge dieser Stellungnahme ist sieim Folgenden nur auszugsweise abgedruckt.

Grundsätzliche Kritik

a) Vergütungsverzeichnis

Das Vergütungsverzeichnis ist ausweislich der Begründung vor-geschlagen worden, um das Vergütungsgesetz übersichtlicherund transparenter zu gestalten. Ob dies erreicht werden kann,wird die Praxis zeigen. Problematisch ist aber das Zitiergebot in§ 10 Abs. 2 RVNeuOG. Es kann von dem RA nicht erwartet wer-den, dass er in jeder Kostennote den Gebührentatbestand mitseiner Nr. im Vergütungsverzeichnis benennt. Allein die Ter-minsgebühr, die die bisher in § 31 Abs. 1 BRAGO geregelte Ver-handlungsgebühr ersetzt, ist in 90 unterschiedlichen Nrn. desVergütungsverzeichnisses geregelt. Diese Änderung kann wederauf einem Formular noch in einem Computerprogramm prakti-kabel dargestellt werden. § 9 Abs. 2 RVG verzichtet zu Recht aufdie Benennung der angewandten Gebührenvorschriften im Ver-gütungsverzeichnis.

b) Wegfall der Beweisgebühr

Beide Entwürfe sehen vor, dass zukünftig die Beweisgebühr nichtmehr entstehen soll. Stattdessen soll die Verfahrensgebühr ange-hoben werden und zusätzlich eine Terminsgebühr entstehen.

Der Wegfall der Beweisgebühr wird insbesondere von RAen,die vornehmlich im Familienrecht oder Baurecht tätig sind,äußerst kritisch beurteilt. Es wird befürchtet, dass insbesonderebei Kanzleien mit den genannten Schwerpunkten erheblicheEinbußen entstehen werden.

Eine Verschlechterung des bisherigen Gebührenaufkommens istvor allem in Ehescheidungsverfahren zu befürchten. Regel-mäßig fällt im geltenden Recht bei der Vernehmung des Ehegat-ten die Beweisgebühr an mit der Folge, dass der RA 30/10abrechnen kann. Die Höhe dieser Gebühren ist – wie eineBefragung des DAV anlässlich der Gebührenanpassung zum

1.1.1987 ergeben hat1 – notwendig, um eine dem Aufwand desAnwalts entsprechende Vergütung zu gewährleisten.

Gleiches gilt für Bauprozesse, bei denen regelmäßig recht um-fangreiche Beweisaufnahmen mit mehreren Beweisterminenund einer sehr aufwendigen Vorbereitung durch den Anwaltdurchgeführt werden. Dies wird nicht dadurch ausgeglichen,dass ohne Beweisaufnahme zukünftig 2,5 Gebühren entstehen,da gerade in Ehescheidungssachen immer die Beweisgebühr an-fiel und in Bausachen zum überwiegenden Teil.

Ein Ausgleich erfolgt jedenfalls in Familiensachen, die häufig imProzesskostenhilfeverfahren zu bearbeiten sind, nicht aufGrund der Tatsache, dass die außergerichtlichen Gebühreni.H.v. 0,5 (RVG) bzw. 0,75 (RVNeuOG) anzurechnen sind. Ge-rade bei sozial schwachen Mandanten wird es außerordentlichschwierig sein, diese außergerichtlichen Gebühren zu erhalten,zumal im Streitfall durch Annäherung der Pfändungsfreigrenzenpraktisch eine Pfändung unmöglich ist. Die Argumentation derKompensation aus der Anhebung der Gebühren in den FGG-Verfahren geht nach Auffassung der BRAK fehl. Es gibt seit demKindschaftsreformgesetz und der gemeinsamen elterlichenSorge als Normalfall kaum noch Verfahren im Verbund oder iso-lierter Art über die elterliche Sorge. Umgangsverfahren sindzwar weiterhin zu bearbeiten; die Verfahren, die in diesem Be-reich zu bearbeiten sind, sind jedoch sehr arbeitsaufwendig. Indiesen Verfahren fiel bisher durch Einholung eines psychologi-schen Gutachtens die Beweisgebühr an; diese entfällt nunmehr.

Hausratsverfahren kommen in der Praxis kaum noch vor, daStreitereien um den Hausrat vom Arbeitsaufwand in keiner Re-lation zur Vergütung standen und auch in Zukunft stehen.

Vor allem bei spezialisierten RAen, die in den genannten Rechts-gebieten in der Überzahl sein dürften, kann aber das Argumentnicht gelten, dass der Wegfall der Beweisgebühr hier aufgewo-gen wird durch die Tatsache, dass zukünftig auch in anderen Pro-zessen, in denen im geltenden Recht Beweisaufnahmen eher sel-ten sind, immer 2,5 Gebühren abgerechnet werden können.

Dem Wegfall der Beweisgebühr kann die BRAK jedoch unterder Voraussetzung zustimmen, dass an anderen Stellen nicht zuLasten des RA von dem Entwurf der Expertenkommission abge-wichen wird. Als Gesamtpaket ist dieser Entwurf trotz des Weg-falls der Beweisgebühr für die Anwaltschaft akzeptabel. Sollte

Aus der Arbeit der BRAK

1 AnwBl. 1986, 285 ff.

an anderer Stelle, insbesondere bei den Anrechnungsvorschrif-ten, eine Verschlechterung für die Anwaltschaft eintreten, mussausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass die Anwaltschaftweitere Gebühreneinbußen, insbesondere die Streichung derBeweisgebühr, nicht hinnehmen kann.

c) Unausgewogenheit

Der Entwurf eines RVNeuOG ist unausgewogen.

Dieser Entwurf gründet sich ebenso wie das RVG der FDP-Bun-destagsfraktion auf einen von einer durch die Bundesministerinder Justiz eingesetzten Expertenkommission erarbeiteten Ent-wurf eines Gesetzes über die Vergütung der RAe (RVG-E). Schondieser Bericht der Sachverständigenkommission sah gegenüberder bisherigen Rechtslage erhebliche Verschlechterungen vor:1. § 3 Abs. 1 BRAGO: Nach dem Kommissionsentwurf darf die

schriftliche Erklärung des Auftraggebers zur Honorarver-einbarung nicht nur nicht in der Vollmacht, sondern auchnicht in einem Vordruck, der auch andere Erklärungen um-fasst, enthalten sein.

2. § 20 Abs. 1 BRAGO: Reduzierung der Erstberatungsgebührvon bis zu 180 Euro auf bis zu 100 Euro.

3. Streitwertbegrenzung auf höchstens 30 Millionen Euro fürjeden Gegenstand in § 21 Abs. 3 des Kommissionsentwurfs.

4. § 28 Abs. 3 BRAGO: Reduzierung des Tage- und Abwesen-heitsgelds von 31 Euro auf 30 Euro für eine Geschäftsreisevon mehr als 4 bis 8 Stunden und auf 55 Euro statt 56 Eurobei einer Geschäftsreise von mehr als 8 Stunden.

5. § 31 Abs. 1 BRAGO: Wegfall der Beweisgebühr; insbeson-dere Auswirkungen bei der Zwangsverwaltung. Nach § 70BRAGO erhält der RA je 5/10 der vollen Gebühr als Pro-zessgebühr für die Wahrnehmung der im Verfahren stattfin-denden Termine und für die Vertretung im Beweisaufnah-meverfahren. Nach dem Kommissionsentwurf soll er je einehalbe Gebühr als Verfahrensgebühr und als Terminsgebührerhalten. Die Beweisgebühr ist weggefallen, so dass insge-samt max. 1,0 Gebühr gegenüber 1,5 Gebühren nach derBRAGO anfallen kann.

6. Keine Terminsgebühr für die Wahrnehmung der Aufgebots-termine (Vergütungsverzeichnis Anmerkungen zu Nr. 3103Abs. 2 Nr. 1).

7. § 52 BRAGO: Beschränkung der Verkehrsanwaltsgebührauf max. 1,5 Gebühren.

8. § 54 BRAGO: Der RA, dessen Tätigkeit sich auf die Vertre-tung in der Beweisaufnahme beschränkt, erhält nach demgeltenden Recht für den Rechtszug je 5/10 der Prozess- undder Beweisgebühr. Nach dem Kommissionsentwurf soll erdie Hälfte der dem Prozessbevollmächtigten zustehendenVerfahrensgebühr erhalten.

9. § 74 BRAGO: Der RA erhält nach geltendem Recht für dieTätigkeit im Verfahren über einen Antrag auf Restschuldbe-freiung und im Verfahren über einen Insolvenzplan eine be-sondere volle Gebühr. Nach dem Kommissionsentwurf soller für das Insolvenzplanverfahren 1,0 Gebühren und für denAntrag auf Restschuldbefreiung 0,5 Gebühren erhalten. Al-lerdings entfällt die Beschränkung in § 74 Abs. 1 Satz 3BRAGO, nach der der RA die Gebühr nur einmal nach demhöchsten Gebührensatz erhält, wenn er sowohl im Verfah-ren über einen Antrag auf Restschuldbefreiung als auch imVerfahren über einen Insolvenzplan tätig wird.

10. In Bußgeldverfahren soll eine Dreiteilung vorgenommenwerden. Bei einer Geldbuße bis 40 Euro ohne Nebenfolgensoll der RA eine niedrigere Vergütung erhalten, die Vergü-tung bei Geldbußen von 40 bis 5000 Euro soll in etwa gleichbleiben. Eine bessere Vergütung soll der RA bei Geldbußenüber 5000 Euro erhalten.

11. Die Gebühren in Verfahren nach dem Gesetz über die in-ternationale Rechtshilfe in Strafsachen sollen nach demKommissionsentwurf sinken. Für die Beistandsleistung sollder RA statt 85 bis 1270 Euro nun 80 bis 580 Euro erhalten.Die Terminsgebühr soll statt 170 bis 2500 Euro für den ers-ten Verhandlungstag bzw. 170 bis 1270 Euro für jeden wei-teren Verhandlungstag nun für jeden Verhandlungstag 110bis 780 Euro betragen. Als Verfahrensgebühr erhält der ge-richtlich bestellte RA 264 Euro und als Terminsgebühr 356Euro. Nach geltendem Recht erhält der bestellte RA für dieBeistandsleistung 340 Euro und als Terminsgebühr 680 bzw.635 Euro.

12. Die Verfahrensgebühr für Sozialgerichtsverfahren soll von50 bis 660 Euro auf 40 bis 520 Euro sinken. Hinzu kommtallerdings die Terminsgebühr von 20 bis 260 Euro. In derzweiten Instanz soll die Verfahrensgebühr 60 bis 620 Euround die Terminsgebühr 30 bis 310 Euro gegenüber 60 bis780 Euro im geltenden Recht betragen, vor dem BSG statt90 bis 1300 Euro 80 bis 1000 Euro als Verfahrensgebührzzgl. 40 bis 500 Euro als Terminsgebühr.

Der Entwurf des RVNeuOG sieht darüber hinaus noch fol-gende Verschlechterungen vor:

– Kappung der Beratungsgebühr und für die Ausarbeitung einesschriftlichen Gutachtens auf 200,00 Euro als „Strafe“ dafür,dass der Anwalt keine Honorarvereinbarung getroffen hat(§ 32 RVG).

– Perpetuierung des Gebührenabschlages gem. Einigungsver-tragsgesetz (§ 60 RVG).

– Kappung der Geschäftsgebühr auf einen Gebührenrahmenvon 0,5 bis 1,5 (VV Nr. 2300).

– Kappung der Gebühr für die Mitwirkung bei einer außerge-richtlichen Einigung oder Erledigung mit den Gläubigern überdie Schuldenbereinigung auf der Grundlage eines Planes von250,00 Euro auf 125,00 Euro (VV Nr. 2508).

– Erhöhung der Anrechnung von 0,5 auf 0,75 der außerge-richtlichen Vertretungsgebühren auf die nachfolgenden ge-richtlichen Gebühren (Vorbemerkung Teil 3 Abs. 4).

– Anrechnung der Verfahrensgebühr des selbständigen Beweis-verfahrens auf die Verfahrensgebühr des Rechtszuges in vollerHöhe statt i.H.v. 0,5 (Vorbemerkung Teil 3 Abs. 5).

– Kappung der Verfahrensgebühr von 1,5 auf 1,3 (VV Nr. 3100).

– Kappung der Verfahrensgebühr bei Auftragserledigung undRücknahme von 1,0 auf 0,8 (VV Nr. 3101).

– Kappung der Terminsgebühr für Erlass des Versäumnisurteilsvon 1,0 auf 0,5 (VV Nr. 3105).

– Streichung der Gebühr für die Streitverkündung i.H.v. 0,3(bisher VV Nr. 3105).

– Kappung der Verfahrensgebühr im Berufungsverfahren von1,8 auf 1,6 (VV Nr. 3200).

– Kappung der Gebühr für die vorzeitige Beendigung des Auf-trages von 1,3 auf 1,1 (VV Nr. 3201).

– Kappung der Verfahrensgebühr im Revisionsverfahren von2,5 auf 2,3 (VV Nr. 3202).

– Kappung der Antragsgebühr nach §§ 115 Abs. 2 Satz 2, 3, 118Abs. 1 Satz 3, 121 GWB von 2,5 auf 2,3 (VV Nr. 3204).

– Kappung der Gebühr für die vorzeitige Beendigung des Auf-trages in den Fällen der Nr. 3204 von 2,0 auf 1,8 (VV Nr.3205).

– Kappung der Verfahrensgebühren in Verfahren vor den Lan-dessozialgerichten, in denen der RA Betragsrahmengebührenerhält, in der Höchstgebühr von 620,00 Euro auf 500,00 Euro(VV Nr. 3206).

174 Aus der Arbeit der BRAK BRAK-Mitt. 4/2002

– Kappung der Verfahrensgebühr in Verfahren vor dem BSG, indenen der RA Betragsrahmengebühren erhält, in der Höchst-gebühr von 1000,00 Euro auf 800,00 Euro (VV Nr. 3207).

– Kappung der Terminsgebühr in sozialgerichtlichen Verfahrenbei Versäumnisurteil von 1,3 auf 0,8 (VV Nr. 3209).

– Streichung der Streitverkündungsgebühr von 0,3 in Verfahrender Sozialgerichtsbarkeit (bisher VV Nr. 3211).

– Kappung der Verfahrensgebühr in Zwangsvollstreckungsver-fahren von 0,4 auf 0,3 (VV Nr. 3303).

– Streichung der Gebühr für die Vertretung in Verteilungsver-fahren nach §§ 858 Abs. 5, 872 bis 877, 882 ZPO von 0,8(bisher VV Nr. 3304).

– Kappung der Terminsgebühr in Zwangsvollstreckungsverfah-ren von 0,4 auf 0,3 (VV Nr. 3304).

– Kappung der Korrespondenzanwaltsgebühr von 1,5 auf 1,0(VV Nr. 3412).

– Kappung der Verfahrensgebühr in Verfahren über die Be-schwerde gegen die Nichtzulassung der Revision von 1,8 auf1,6 (VV Nr. 3503).

– Kappung der Gebühr für die vorzeitige Beendigung des Auf-trags in Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzu-lassung der Revision von 1,3 auf 1,1 (VV Nr. 3504).

– Kappung der Verfahrensgebühr für die Vertretung im Be-schwerdeverfahren vor dem Patentgericht von 1,5 auf 1,3 (VVNr. 3507).

– Kappung des Höchstbetrages für die Verfahrensgebühr in Ver-fahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung derBerufung vor dem Landessozialgericht von 310,00 Euro auf250,00 Euro (VV Nr. 3508).

– Kappung des Höchstbetrages der Verfahrensgebühr in Verfah-ren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revi-sion vor dem BSG von 500,00 Euro auf 400,00 Euro (VV Nr.3509).

– Anrechnung der Grundgebühr für die erstmalige Einarbeitung(VV Nr. 5100) auf die Grundgebühr in Strafverfahren (VV Nr.4100).

– Kappung des Höchstbetrages der Verfahrensgebühr in straf-rechtlichen Revisionsverfahren von 1200,00 Euro auf 930,00Euro (VV Nr. 4131).

– Kappung des Höchstbetrages des Zuschlages für die Ver-fahrensgebühr in strafrechtlichen Revisionsverfahren von1500,00 Euro auf 1162,50 Euro (VV Nr. 4132).

– Kappung des Höchstbetrages der Terminsgebühr je Hauptver-handlungstag in strafrechtlichen Revisionsverfahren von1200,00 Euro auf 470,00 Euro (VV Nr. 4133).

– Kappung des Höchstbetrages der Einigungsgebühr im Privat-klageverfahren bezüglich des Strafanspruchs und des Kosten-erstattungsanspruchs von 150,00 Euro auf 100,00 Euro (VVNr. 4147).

– Kappung des Höchstbetrages der Verfahrensgebühr bei einerGeldbuße von weniger als 40,00 Euro von 150,00 Euro auf100,00 Euro (VV Nr. 5101).

– Kappung der Terminsgebühr für jeden Tag, an dem ein Terminin einer Bußgeldsache von weniger als 40,00 Euro stattfindet,von 150,00 Euro auf 100,00 Euro (VV Nr. 5102).

– Kappung des Höchstbetrages der Verfahrensgebühr bei einerGeldbuße von weniger als 40,00 Euro vor dem AG von150,00 Euro auf 100,00 Euro (VV Nr. 5107).

– Kappung des Höchstbetrages der Terminsgebühr je Hauptver-handlungstag bei einer Geldbuße von weniger als 40,00 Eurovor dem AG von 300,00 Euro auf 200,00 Euro (VV Nr. 5108).

Unausgewogen ist der Entwurf aber auch deshalb, weil hoch-spezialisierte Anwälte teilweise keine ausreichende Anpassungihrer Gebühren erhalten.

Familienrecht

Durch die Streichung der Beweisgebühr wird sich die wirt-schaftliche Situation der im Familienrecht spezialisiertenRAe erheblich verschlechtern. Dies kommt auch deutlich imEntwurf zum Ausdruck, in welchem dargelegt wird, dass imRahmen der Prozesskostenhilfe erhebliche Einsparungen fürdie Länder erfolgen werden. Diese gehen im Wesentlichen zuLasten der Fachanwälte für Familienrecht, die überwiegenddie Scheidungsverfahren im Wege der Prozesskostenhilfe be-arbeiten. Einen entsprechenden Ausgleich durch außergericht-liche Tätigkeit, insbesondere durch die nicht volle Anrechnungder außergerichtlichen Gebühren, wird allein deshalb schonnicht erfolgen, weil die Mandanten häufig nicht leistungsfähigsind.

Baurecht

In allen größeren Bauverfahren ist das gerichtliche Verfahren miteiner Beweisaufnahme verbunden. Diese Gebühr entfällt zu-künftig, so dass RAe, die in diesem Fachgebiet spezialisiert sind,erhebliche Gebühreneinbußen hinnehmen müssen.

Sozialrecht

Nicht hinnehmbar ist, dass spezialisierte Anwälte im Sozialrechtnoch weitere Einbußen hinnehmen müssen. Dies geschiehtdurch die Konzeption der Terminsgebühr. Die Terminsgebühr er-hält der RA für die Vertretung in einem Verhandlungs-, Erörte-rungs- oder Beweisaufnahmetermin oder für die Wahrnehmungeines von einem gerichtlich bestellten Sachverständigen anbe-raumten Termins oder für das Mitwirken an einer auf die Ver-meidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten Bespre-chung ohne Beteiligung des Gerichts; dies gilt nicht für Bespre-chungen mit dem Auftraggeber.

Vorgesehen ist im Entwurf für die erste Instanz, dass die Ter-minsgebühr in Verfahren, in denen der RA Betragsrahmenge-bühren erhält, 20,– bis 380,– Euro (Gebührentatbestand Nr.3106) beträgt und auch entsteht, wenn nach § 105 Abs. 1 SGGohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschie-den wird. In den übrigen Verfahren erster Instanz beträgt die Ter-minsgebühr 1,2 (Gebührentatbestand Nr. 3104) und entstehtauch, wenn in einem Verfahren, für das die mündliche Ver-handlung vorgeschrieben ist, im Einverständnis mit den Parteien(…) ohne mündliche Verhandlung oder wenn nach § 105Abs. 1 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbe-scheid entschieden wird. Die Gebühr entsteht nicht, (…) soweitlediglich beantragt ist, eine Einigung der Parteien über nichtrechtshängige Ansprüche zu Protokoll zu nehmen und soweitlediglich Verhandlungen zur Einigung über solche Ansprüchegeführt werden (Gebührentatbestand Nr. 3104). In Verfahren, indenen der RA Betragsrahmengebühren erhält, beträgt die Ter-minsgebühr vor den Landessozialgerichten 30,– bis 430,– Euro(Gebührentatbestand Nr. 3210), vor dem BSG 40,– bis 700,–Euro (Gebührentatbestand Nr. 3211). Im Übrigen beträgt dieGebühr 1,5 Gebühren, wobei die Anmerkung zum Gebühren-tatbestand Nr. 3104 entsprechend anzuwenden ist (Gebühren-tatbestand Nr. 3208). Diese Ausgestaltung der Terminsgebührkann zu einem Anreiz für RAe führen, in Verfahren, in denennach umfangreicher gerichtlicher Ermittlung sich die Erfolglo-sigkeit des Rechtsmittels abzeichnet, das Rechtsmittel nichtnach außergerichtlicher Erörterung mit dem Rechtsmittelführerzurückzunehmen, sondern hierzu einen Verhandlungs- oderErörterungstermin vom Gericht durchführen zu lassen. Zumin-dest sollte für die Sozialgerichtsbarkeit sichergestellt werden,dass durch das Gebührenrecht für RAe außerterminliche Erledi-gungen, und seien es auch solche durch Rücknahme vonRechtsmitteln, weder erschwert noch behindert werden.

BRAK-Mitt. 4/2002 Aus der Arbeit der BRAK 175

Stellungnahmezu der Verfassungsbeschwerde derRechtsanwältin Karin Meyer-Götz

zum 10%igen Gebührenabschlag Ost

a) unmittelbar gegen den Beschl. d. OLG Dresden v. 24.1.2001– 22 WF 452/00 –

b) mittelbar gegen den sog. Gebührenabschlag Ost

Az. d. BVerfG: 1 BvR 487/01

Erarbeitet vom Verfassungsrechtsausschuss der BRAK:

RA Dr. Christian Kirchberg, Karlsruhe, Vorsitzender und Bericht-erstatterRA Prof. Dr. Michael Uechtritz, StuttgartRA Dr. Michael Quaas, StuttgartRA Dr. Christian D. Bracher, BerlinRAuN Dr. Wolfgang Kuhla, BerlinRAuN Prof. Dr. Bernhard Stüer, MünsterRA Frank Johnigk, BRAK, Berlin

I.

Die Bfin. ist RAin in Dresden. Sie wendet sich gegen einen Be-schluss des OLG Dresden, mit dem ihre Beschwerde gegen ei-nen Vergütungsfestsetzung-Beschluss des Familiengerichts nach§ 128 Abs. 1 BRAGO zurückgewiesen worden ist. Die Bfin. warin einem Ehescheidungsverfahren der in München lebendenAstin. als Hauptbevollmächtigte und eine weitere RAin in Mün-chen als Korrespondenzanwältin beigeordnet worden. DasOLG billigte die Rechtsauffassung des Familiengerichts, wonachvon den geltend gemachten Gebühren der Bfin. ein Abschlagvon 10% hätte gemacht werden müssen, weil für die Vergütungder Sitz der Anwaltskanzlei maßgebend und insoweit die Er-mäßigung der Gebühren nach Anl. 1 Kap. III Sachgeb. AAbschn. III Nr. 26 a Satz 1 EV v. 31.8.1990 (BGBl. II, 889) i.V.m.§ 1 Ermäßigungssatz-AnpassungsVO v. 15.4.1996 (BGBl. I, 604)zu berücksichtigen gewesen sei. Auch der Umstand, dass die ingleicher Sache in München als Korrespondenzanwältin tätigeKollegin die vollen Gebühren habe abrechnen können, recht-fertige keine einschränkende Auslegung der genannten Rege-lung des Einigungsvertrages.

Mit der Verfassungsbeschwerde rügt die Bfin. eine Verletzungdes Gleichheitssatzes insbesondere deshalb, weil die Gründe,die den Gesetzgeber zu der Regelung des 10%igen Ostab-schlags bei den Anwaltsgebühren (allgemein schlechtere wirt-schaftliche Verhältnisse und geringeres Einkommen der Man-danten in den neuen Bundesländern) veranlasst hätten, die Ge-bührenermäßigung jedenfalls dann nicht rechtfertigen könnten,wenn es um einen Auftraggeber gehe, der in den alten Bundes-ländern wohne. Außerdem seien die Sach- und Personalkostenihrer Kanzlei nicht geringer als die einer Kanzlei in den altenBundesländern. Auch in den alten Bundesländern spiele es fürdie Anwendung der BRAGO keine Rolle, ob ein RA sein Büro ineiner teuren Großstadt oder etwa auf dem flachen Lande habe.Es sei deshalb nicht (mehr) gerechtfertigt, insoweit zwischen denalten und neuen Bundesländern zu differenzieren.

II.

Die Frage, ob und wie lange sich die zunächst 20%ige und ab1996 nur noch 10%ige Gebührenermäßigung für RAe mit Kanz-leisitz in den neuen Bundesländern und Berlin auch und geradein Ansehung des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) aufrecht-erhalten lässt, hat die Verfassungsgerichtsbarkeit bereits zu wie-derholten Malen beschäftigt:

Mit Beschl. v. 19.10.1995 (DtZ 1997, 233) hat der Berliner Ver-fassungsgerichtshof eine Verletzung des Gleichbehandlungs-

grundsatzes verneint. Durch die (damals noch 20%ige) Gebüh-renermäßigung sei den besonderen wirtschaftlichen Verhältnis-sen der im Beitrittsgebiet ansässigen RAe und Rechtsuchendenangemessen Rechnung getragen worden. Erst dann, wenn ein-deutige und verlässliche Daten dafür vorlägen, dass sich diewirtschaftlichen Verhältnisse innerhalb und außerhalb des Bei-trittsgebiets angeglichen hätten, könne der Rechtfertigungsgrundfür die Gebührenermäßigung „seine die Differenzierung legiti-mierende Kraft einbüßen“. An solchen Daten fehle es bisher.

Die 2. Kammer des Ersten Senats des BVerfG hat mit im We-sentlichen gleicher Begründung durch Beschl. v. 22. 10. 1997(NJW 1998, 1700) eine direkt gegen die (nunmehr 10%ige) Ge-bührenermäßigung gerichtete Verfassungsbeschwerde nicht zurEntscheidung angenommen. Zur Verdeutlichung ihrer Entschei-dung hat die Kammer ergänzend auf die geringere Besoldungder Beamten und die geringere Vergütung der Beschäftigten derIndustrie sowie auf die geringeren Gerichts- und Notarkosten imBeitrittsgebiet verwiesen.

In ihrem Beschl. v. 15.3.2000 (NJW 2000, 1939), bei dem es umeine Verfassungsbeschwerde von RAen aus den alten Bundes-ländern gegen die Vereinheitlichung der Postulationsfähigkeitim Bundesgebiet ging, hat die gleiche Kammer des BVerfG al-lerdings (bereits) offen gelassen, „… ob die bisher zur Rechtfer-tigung des Gebührenabschlags herangezogene Begründung derschlechteren wirtschaftlichen Situation im Beitrittsgebiet […]heute noch Geltung hat“. Allein die höheren Gebühren für An-wälte aus den alten Bundesländern geböten jedenfalls keineUnterschiede in der Postulationsfähigkeit. Der sich daraus bis-her ergebende Konkurrenzschutz zugunsten der RAe in denneuen Bundesländern habe nicht vorrangig der Einkommens-steigerung, sondern der „Steigerung der Anwaltsdichte“ gedient.

Mit ihrem weiteren Beschl. v. 9.8.2000 (NJW 2000, 3555) hatdie 2. Kammer des Ersten Senats des BVerfG schließlich auchdie unterschiedlichen tariflichen Regelungen im öffentlichenDienst des Landes Berlin für Arbeitnehmer, deren Arbeitsver-hältnisse im West- bzw. Ostteil Berlins begründet wurden, je-denfalls vor dem Hintergrund der bereits beabsichtigten weite-ren Angleichung der Tarifbedingungen wegen der „weiterhinvorhandenen unterschiedlichen wirtschaftlichen Verhältnissezwischen den alten und den neuen Bundesländern“ jedenfallszurzeit noch als zulässige Differenzierung nach Maßgabe desArt. 3 Abs. 1 GG angesehen.

III.

Die den Ost-Anwälten auch dann auferlegte Gebührenermäßi-gung, wenn der Auftraggeber seinen Sitz oder seine Wohnungin den alten Bundesländern hat, soll sich jedenfalls nach der bis-her vorliegenden einfach-rechtlichen Rspr. auch nicht durcheine teleologische Reduktion der einschlägigen Regelung desEinigungsvertrages verhindern lassen.

Die Erwägungen des Gesetzgebers, so das KG in seinem Beschl.v. 4.8.1992, auf die eine Gebührenermäßigungsvorschrift ver-fassungsrechtlich einwandfrei gestützt werden kann, „… erfor-dern eine generalisierende, von Einzelfällen oder besonderenSituationen abgehobene Betrachtungsweise (BVerfGE 68, 193,219). Unter diesem Gesichtspunkt bestehen insbesondere keineverfassungsrechtlichen Bedenken, soweit die hier beanstandeteErmäßigungsvorschrift Satz 1 davon ausgeht, dass die im Bei-trittsgebiet Niedergelassenen RAe im Regelfall von Beteiligtenmandatiert werden, die in diesem Gebiet, also im engeren Be-reich der dortigen Anwaltskanzlei ansässig sind. Soweit dies fürin Ost-Berlin eingerichtete Kanzleien mit Rücksicht auf die be-sondere Situation im vereinigten Berlin nicht im vollen Umfangzutreffen mag, kann der Anwendung der Ermäßigungsvorschriftdurch eine Gebührenvereinbarung begegnet werden …“. Die-

176 Aus der Arbeit der BRAK BRAK-Mitt. 4/2002

ser Auffassung hat sich etwa das BVerwG noch in seinem Be-schl. v. 2.9.1999 (NJW 2000, 452) angeschlossen.

Demgegenüber bestehen hinsichtlich der Gebührenermäßi-gung bei Beauftragung eines Ost-Anwalts, der mit West-Anwäl-ten in überörtlicher Sozietät verbunden ist, unterschiedlicheAuffassungen. Während etwa das OLG Jena noch in seinem Be-schl. v. 15. 2. 2000 (NJW 2001, 685 m. krit. Anm. Nolting, NJW2001, 660) unter Berufung auf entsprechende Entscheidungendes OLG Nürnberg und des OLG Brandenburg auch in einemsolchen Fall den Gebührenabschlag zum Zuge kommen lassenwill, vertritt das KG hierzu neuerdings die Auffassung, bei Be-auftragung einer überörtlichen Sozietät zwischen Ost- undWest-Anwälten müsse im Regelfall unabhängig davon, wo derSchwerpunkt der Bearbeitung gelegen habe, keine Gebühren-ermäßigung hingenommen werden (Beschl. v. 8.5.2001, NJW2001, 3059).

Während das BVerwG mit zwei Urt. v. 20.1.2000 (LKV 2000,309) schließlich auch die abgesenkte Besoldung von Landesbe-amten im Beitrittsgebiet (immer noch) für verfassungsrechtlichunbedenklich erklärt hat, hat das VG Dresden dem BVerfG mitBeschl. v. 21.12.1999 (LKV 2000, 217) die Frage vorgelegt, obdie abgesenkte Besoldung von erstmalig im Beitrittsgebiet ver-wendeten Beamten, Richtern und Soldaten gem. § 73 BBesGüber das Jahr 1995 hinaus mit der Übergangsvorschrift des Art.143 Abs. 2 GG vereinbar sei und im Übrigen mit Blick auf dieunterschiedlichen wirtschaftlichen Verhältnisse sowie die Un-terschiede im Steueraufkommen und beim allgemeinen Bezahl-niveau in den alten Bundesländern einerseits und in den neuenBundesländern andererseits gerechtfertigt werden könnte: „EineAbweichung über einen signifikant längeren Zeitraum hinauswürde einen verfassungswidrigen Zustand auch dann noch per-petuieren, wenn längst nur noch solche Unterschiede zwischendem Beitrittsgebiet und dem alten Bundesgebiet festzustellensind, die auch unter den alten Bundesländern auszumachensind …“, so das VG.

IV.

Für das Land Berlin ist aufgrund einer entsprechenden Bundes-rats-Initiative, gegen die die Bundesregierung keine Bedenkenerhoben hat (vgl. Henke, AnwBl. 2001, 507), der Wegfall desGebührenabschlags Ost absehbar.

Zur Begründung dieses Gesetzesentwurfs heißt es u.a. wie folgt:

„Der Einigungsvertrag hat für die Beitrittsgebiete einen Abschlagfür Justizgebühren und -entschädigungen vorgesehen, der heutenoch 10 % beträgt. Durch den Ermäßigungssatz werden insbe-sondere die im Beitrittsgebiet domizilierenden RAe belastet,weil sie bei gleichen Sach- und Personalkosten für dieselbe Ar-beit weniger Geld erhalten als ihre Kollegen in Nichtbeitrittsge-bieten. Überdies ergeben sich aus den gespaltenen Gebühren-regelungen zahlreiche Abrechnungsschwierigkeiten, die dieJustizverwaltung belasten. In Berlin stellt sich der Gebührenab-schlag auch als Behinderung der Niederlassungsfreiheit für RAedar, weil die Verlegung einer Kanzlei in den Beitrittsteil der Stadtnur bei Inkaufnahme von Einnahmeverlusten möglich ist. DurchZuzug und Vermischung der Bevölkerung aus beiden Teilen derStadt haben sich die Lebensverhältnisse insgesamt angeglichen,so dass eine Entlastung des Beitrittsgebiets nicht mehr erforder-lich ist. Mit dem Gesetz wird der Abschlag für das Beitrittsgebietvollständig beseitigt. Damit wird ein Schritt in Richtung Norma-lität getan, für den die Zeit 10 Jahre nach der staatsrechtlichenZusammenführung der alten und der neuen Länder in Berlin reifist.“ (BT-Drucks. 14/6477 v. 27. 6. 2001).

V.

Die BRAK ist der Auffassung, dass die Voraussetzungen für dienach Maßgabe des Einigungsvertrages immer noch differenzier-

ten Gebühren- und Entschädigungsregelungen im Justizbereichnicht nur im Lande Berlin, sondern insgesamt entfallen sind. DieSondersituation nach Herstellung der staatlichen Einheit, dieeine entsprechende Differenzierung vorübergehend auch undgerade in Ansehung des Art. 3 Abs. 1 GG (noch) rechtfertigenkonnte, besteht nicht mehr. Je länger die Sonderregelung auf-rechterhalten wird, desto mehr werden ihre grundsätzliche Frag-würdigkeit und ihre strukturellen Schwächen im Einzelnen of-fenbar. Die Untätigkeit des Gesetz- bzw. Verordnungsgebers be-gründet darüber hinaus den Verdacht, mit der Aufrechterhaltungder Gebührensonderregelung sollten Ziele verfolgt werden, diemit der sie anfangs rechtfertigenden, grundsätzlichen Ungleich-heit der wirtschaftlichen Verhältnisse im sog. Beitrittsgebiet ei-nerseits und in den alten Bundesländern andererseits nichtsmehr zu tun haben.

Die Beantwortung der Frage, wann sich die wirtschaftlichen Ver-hältnisse beider Teile Deutschlands so angeglichen haben, dassdie hier interessierenden Sonderregelungen entfallen können,ist zwar zunächst dem Gesetz- und Verordnungsgeber aufgege-ben. Die Verfassung setzt ihm insoweit jedoch Grenzen. DasBVerfG hat bereits in seinem Urteil zum Saarstatut deutlich ge-macht, dass ein schrittweiser Rechtsangleichungsprozess unddementsprechende Einschränkungen von Verfassungsnormennur dann „… für eine Übergangszeit hingenommen werdenkönnen, wenn sie in einem unmittelbaren Zusammenhang mitder Regelung stehen, die in ihrer gesamten Tendenz darauf ge-richtet ist, dem der Verfassung voll entsprechenden Zustandnäher zu kommen.“ (BVerfGE 4, 157, 170). Gleiches gilt für dieAbweichung von Bestimmungen des Grundgesetzes nach Wie-derherstellung der staatlichen Einheit: sie sind und waren nachUmfang und Dauer „auf das unvermeidbare Minimum“ zu re-duzieren (vgl. Wendt, in Sachs, GG, Komm., 2. Aufl. 1999,Rdnr. 8 zu Art. 143 m. w. N.).

Die Übergangsbestimmung des Art. 143 Abs. 1 GG hat entspre-chende Abweichungen, soweit u.a. der Abschnitt I des Grund-gesetzes (Grundrechte) betroffen ist, darüber hinaus grundsätz-lich bis zum 31. 12. 1992 befristet. Allerdings hat das BVerfG beider Beurteilung von Ungleichbehandlungen von Ost- und West-bürgern Art. 143 Abs. 1 GG bislang dann nicht für anwendbarerklärt bzw. seine Anwendung vermieden, wenn die Verschie-denartigkeit der wirtschaftlichen oder sonstigen Lebensverhält-nisse als sachlicher Differenzierungsgrund herangezogen wer-den konnte und damit eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG oderanderer betroffener Grundrechte entfiel (Übersicht bei Kirn, inv. Münch/Kunig, GG, Komm., Bd. 3, 3. Aufl. 1996, Rdnr. 8 f. zuArt. 143). Diese Rspr. ist mit dem Argument kritisiert worden, die„flexible Grundrechtsinterpretation“ berücksichtige nicht, dassArt. 143 Abs. 1 GG einen speziellen Gleichheitsgrundsatz ent-halte, der den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 ver-dränge; außerdem werde dadurch die zeitliche Begrenzung desArt. 143 Abs. 1 GG unterlaufen bzw. umgangen und die verfas-sungsrechtliche Legitimation dieser Übergangsbestimmung„ausgehöhlt“ (vgl. Kirn, a.a.O., sowie etwa Kyrill/A. Schwarz, inv. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Komm., 4. Aufl. 2001, Rdnr. 14zu Art. 143).

Ob diese Kritik grundsätzlich berechtigt ist, kann hier dahinste-hen. Denn jedenfalls nach Ablauf von mehr als 10 Jahren kannnach Meinung der BRAK nicht mehr davon gesprochen werden,die hier streitigen Sonderregelungen seien weiterhin ausnahms-weise zur Bewältigung einer Übergangssituation geboten. Dieim Einigungsvertrag (Anl. I Kap. III Sachgeb. A Abschn. III Nr. 27)enthaltene Ermächtigung des Bundesministers der Justiz, dieu.a. hinsichtlich der BRAGO bestimmten Ermäßigungssätze zurAnpassung an die wirtschaftlichen Verhältnisse neu festzusetzenoder aufzuheben, hat sich auch und gerade unter Berücksichti-gung der in Art. 143 Abs. 1 und 2 GG enthaltenen Fristen für

BRAK-Mitt. 4/2002 Aus der Arbeit der BRAK 177

Übergangsbestimmungen (2 bzw. 5 Jahre) deshalb inzwischenzu einer Rechtspflicht verdichtet, der der Bundesjustizministermit der Reduzierung der Ermäßigung von 20 % auf 10 % imJahre 1996 (§ 1 VO v. 15.4.1996, BGBl. I, 604) nur unvollkom-men bzw. unzureichend nachgekommen ist. Dies gilt umsomehr, als es nach Ablauf von weiteren 5 Jahren an und für sichnahe gelegen hätte, dazutun, wieso es trotz des inzwischen er-reichten Standes der Angleichung der wirtschaftlichen Verhält-nisse in Ost und West und trotz der auch in den alten Bundes-ländern bestehenden Unterschiedlichkeiten der Lebens- undwirtschaftlichen Verhältnisse weiterhin geboten ist, den aus-nahmsweise für eine Übergangszeit eingeführten Gebührenab-schlag Ost für RAe aufrechtzuerhalten. Auch dies ist jedochnicht geschehen.

Hinzu kommt im vorliegenden Fall der Umstand, dass dieserGebührenabschlag auch im Verhältnis zu einer AuftraggeberinAnwendung finden soll, die ihren Wohnsitz in den alten Bun-desländern hat und deren dortige Korrespondenzanwältin fürdie gleiche Tätigkeit die ungeschmälerten Gebühren beanspru-chen kann. Je älter eine Übergangsbestimmung wird, destomehr verlieren jedoch die generalisierenden Überlegungen desGesetzgebers (vgl. erneut KG, Beschl. v. 4.8.1992, DtZ 1992,395, 396) ihre rechtfertigende Kraft und desto eher erscheinteine verfassungskonforme Interpretation i.S. einer teleologi-schen Reduktion geboten. Genauso, wie inzwischen bei der Be-auftragung überörtlicher Sozietäten von Ost- und Westanwältenim Regelfall die Anwendung des Gebührenabschlags unabhän-gig davon verneint wird, wo der Schwerpunkt der Bearbeitungliegt (vgl. erneut KG, Beschl. v. 8.5.2001, NJW 2001, 3059),muss nach Meinung der BRAK deshalb zur Vermeidung nichtmehr hinnehmbarer Ungleichheiten der Gebührenabschlag je-denfalls auch dann entfallen, wenn es um die Beauftragungdurch Mandanten aus den alten Bundesländern geht. Dies giltumso mehr, als diese Konstellation der Regelung der Gebühren-ermäßigung ersichtlich nicht zugrunde gelegen hat (vgl. erneutKG, Beschl. v. 4.8.1992, a.a.O, sowie die Amtlichen Erläute-rungen v. 23.9.1990 zu der hier interessierenden Ermäßigungs-vorschrift der Anlage I zum Einigungsvertrag, BGBl. II , 885).

§ 370a AO: Schreiben des Präsidenten derBRAK an die Bundesministerin der Justiz

Berlin, 29.5.2002

Sehr geehrte Frau Bundesministerin Prof. Dr. Däubler-Gmelin,

öffentliche Beratungen im Rahmen des Deutschen Anwaltstagesin München Anfang Mai betreffend die durch das Steuerverkür-zungsbekämpfungsgesetz seit 1.1.2002 eingetretene Rechtslagenehme ich zum Anlass, mich an Sie zu wenden:

Durch Artikel 2 Nr. 5 Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetz(StVBG) wurde zum 1.1.2002 der neue Verbrechenstatbestandder gewerbs- und bandenmäßigen Steuerhinterziehung als§ 370a in die Abgabenordnung eingefügt. Durch die Ausgestal-tung des § 370a AO als Verbrechen ist die gewerbs- oder ban-denmäßige Steuerhinterziehung auch taugliche Vortat der Geld-wäsche (§ 261 StGB) geworden, wobei der Gegenstand derGeldwäsche nach dem neu gefassten § 261 Abs.1 Satz 3 StGBunrechtmäßig erlangte Steuervergütungen und Vermögensbe-standteile sein sollen, hinsichtlich derer Abgaben hinterzogenworden sind.

Diese schon während des Gesetzgebungsverfahrens u.a. vonanwaltlicher Seite kritisierten Änderungen begegnen wegen ih-rer kriminalpolitischen, steuerrechtlichen und strafprozessualenKonsequenzen erheblichen Bedenken. Ein korrigierendes Ein-

greifen des Gesetzgebers ist dringend geboten. Denn die ge-genwärtigen Regelungen führen einerseits zu einer Kriminali-sierung von Verhaltensweisen, deren Gewicht eine Einstufungals Verbrechen unter keinen Umständen rechtfertigt. Anderer-seits haben die Regelungen steuer-, straf- und strafprozessrecht-liche Konsequenzen, die teilweise zur Gesetzessystematik undzu anerkannten fiskalpolitischen Interessen in offenem Wider-spruch stehen und zudem für die rechts- und steuerberatendePraxis faktisch unüberwindliche Schwierigkeiten in der Bera-tung der Bürger mit sich bringen.

Als Voraussetzung für eine Einstufung der gewerbsmäßigenSteuerhinterziehung als Verbrechen ist die Festlegung einerStrafbarkeitsschwelle unabdingbar, die hinsichtlich der Tat-schwere dem Verbrechenscharakter des § 370a AO Rechnungträgt: Durch die Einbeziehung der gewerbsmäßigen Steuerhin-terziehung in den neuen Verbrechenstatbestand droht bei derderzeitigen Formulierung eine unangemessene Kriminalisierungeiner Vielzahl von Steuerbürgern in Bagatellfällen. Der Begriffder Gewerbsmäßigkeit wird in § 370a AO weder in quantitati-ver noch in qualitativer Hinsicht präzisiert. Darum wird bei derGesetzesauslegung auf das anhand anderer Straftatbestände(z.B. § 244 StGB) entwickelte allgemeine Verständnis des Be-griffs Gewerbsmäßigkeit zurückzugreifen sein bzw. zurückge-griffen werden. Hiernach liegt ein gewerbsmäßiges Handelnvor, wenn der Täter subjektiv die Absicht hat, sich durch einewiederholte Begehung des Delikts eine fortlaufende Einnahme-quelle von „einiger Dauer“ und „einigem Umfang“ zu verschaf-fen (so bereits BGHSt 1, 383). Die gewerbsmäßige Begehung er-fordert weder ein „kriminelles Gewerbe“ noch das tatbedingteErschließen wirtschaftlicher Vorteile als einzige oder auch nurmaßgebliche Einnahmequelle. Nach der gegenwärtigen Rege-lung würde beispielsweise das in mehreren Veranlagungs-zeiträumen aufeinander folgende Verschweigen von Kapitaler-trägen in der Einkommenssteuererklärung mit der Folge einerentsprechend zu geringen Steuerfestsetzung die Voraussetzun-gen des gewerbsmäßigen Handelns erfüllen. Die Einordnungdieses Verhaltens bzw. vergleichbarer Fälle als Verbrechen ist of-fensichtlich unangemessen.

Die Ausgestaltung als Verbrechen hat darüber hinaus schwer-wiegende Konsequenzen: Es entfallen die Einstellungsmöglich-keiten nach §§ 153, 153a StPO und § 398 AO. Auch das Straf-befehlsverfahren nach § 407 StPO scheidet aus. Die Möglich-keit einer strafbefreienden Selbstanzeige gem. § 371 AO bestehtnicht, da § 370a AO in dem Katalog des § 371 AO nicht genanntist. In einer Vielzahl von Fällen kommt eine „Rückkehr in dieSteuerehrlichkeit“ mit der Folge der Straffreiheit nicht in Be-tracht, obwohl sich in den denkbaren Konstellationen die An-wendung von § 371 AO nach dem Gesetzeszweck geradezuaufdrängt. Das widerspricht in Fällen leichter und mittlerer De-linquenz der vom Gesetzgeber in § 371 AO getroffenen Grund-satzentscheidung für den Vorrang fiskalischer vor Strafverfol-gungsinteressen.

Infolge der Ausgestaltung als Verbrechen ist die gewerbsmäßigeSteuerhinterziehung taugliche Vortat der Geldwäsche, § 261Abs. 1 Nr. 1 StGB. Im Zusammenspiel mit der neuen Fassung desAbs. 1 Satz 3 („im Fall des § 370a AO gilt Satz 9 auch für un-rechtmäßig erlangte Steuervergütungen sowie für Vermögens-bestandteile, hinsichtlich derer Abgaben hinterzogen wordensind“) droht eine nicht zu rechtfertigende Isolierung des Steuer-pflichtigen und eine weitgehende – u.U. sogar die umfassende– „Infizierung“ seines Vermögens: Die Tathandlungen des § 261beziehen sich auf Gegenstände, die aus rechtswidrigen Vortaten„herrühren“. Nach der Neufassung sind tauglicher „Gegen-stand“ der Geldwäsche „erlangte Steuervergütungen“ sowie„Vermögensbestandteile, hinsichtlich derer Abgaben hinterzo-gen worden sind“. Diese ursprünglich für den Schmuggel und

178 Aus der Arbeit der BRAK BRAK-Mitt. 4/2002

die gewerbsmäßige Steuerhehlerei konzipierte Formulierungdes Gegenstandsbegriffs passt für die Steuerhinterziehung nicht.Denn die weite Formulierung der 2. Alternative („Vermögens-bestandteile, hinsichtlich derer Abgaben hinterzogen wordensind“) führt dazu, dass beispielsweise in Fällen einer Steuerhin-terziehung durch die unrichtige oder unvollständige Angabevon Einkünften aus selbständiger Tätigkeit sämtliche Einkünfteaus selbständiger Tätigkeit als „Vermögensbestandteile“ i.S.d.§ 261 Abs.1 Satz 3 AO angesehen werden könnten. Die gesam-ten Einkünfte des Betreffenden aus selbständiger Tätigkeit könn-ten nach der derzeitigen Gesetzesfassung damit bei einemgewerbsmäßigen Handeln (s.o.) tauglicher Gegenstand derGeldwäsche werden, wären also infolge der Kriminalstrafen-androhung des § 261 StGB dem offenen Wirtschaftsverkehr ent-zogen. Auf die ebenfalls in jeder Hinsicht unangemessene Folgeder Einziehung der gesamten „kontaminierten“ Einkünfte imWege des erweiterten Verfalls (§ 73a StGB) weise ich ferner hin.

Vor dem Hintergrund der Rspr. des BGH zur Geldwäsche durchdie Annahme von Anwaltshonoraren führt die mit der Gesetzes-änderung verbundene „Bemakelung“ des Vermögens einesSteuerpflichtigen, bei dem eine gewerbsmäßige Steuerhinter-ziehung in Betracht kommt, zu schwerwiegenden Konsequen-zen für die rechts- und steuerberatenden Berufe und die Verfüg-barkeit der von ihnen angebotenen Dienstleistungen für denBürger. Denn infolge der „Bemakelung“ erheblicher Teile desVermögens eines Steuerpflichtigen ist es einem RA oder StB, derdie Möglichkeit einer gewerbsmäßigen Steuerhinterziehung(s.o.) bei seinem Mandanten erkennt, bei Kriminalstrafenandro-hung untersagt, Honorare aus dem „infizierten“ Vermögen sei-nes Mandanten, also nicht nur aus hinterziehungsbedingt er-langten Beträgen, entgegenzunehmen. Hieraus ergäben sich so-wohl gewichtige Konsequenzen für die Berufsausübung vonRAen und StB als auch massive Einschränkungen für die Verfüg-barkeit von Beratungsleistungen für den Bürger. Beides ist un-vertretbar.

Auch der Strafrahmen des § 370a AO (1 Jahr bis 10 Jahre) er-scheint unangemessen. Er steht überdies in einem Spannungs-verhältnis zu dem fein abgestimmten System der Strafrahmen imBesonderen Teil des StGB sowie zur Strafdrohung bei vergleich-baren anderen abgabenbezogenen Straftatbeständen: Regel-mäßig sieht das StGB für banden- und gewerbsmäßiges Han-deln auch bei der Verletzung höchstpersönlicher Rechtsgüter –unter Anerkennung minderschwerer Fälle – lediglich einenStrafrahmen von maximal 6 Monaten bis 10 Jahren vor (§§ 184Abs. 4, 267 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, 244 Abs. 1 Nr. 2, 260 Abs. 1,263 Abs. 3 Nr.1 StGB). Bei dem vergleichbaren Delikt des ge-werbsmäßigen bzw. bandenmäßigen Schmuggels (§ 373 AO),also die Hinterziehung von Eingangsabgaben, sieht das Gesetzeine Freiheitsstrafe von 3 Monaten bis zu 5 Jahren vor, wobei dieGewerbsmäßigkeit als unselbständige tatbestandliche Abwand-lung der §§ 370, 372 AO ausgestaltet ist. Diese Gesetzessyste-matik spricht dafür, die bandenmäßige bzw. gewerbsmäßigeSteuerhinterziehung – entgegen der gegenwärtigen Rechtslage –als Vergehen mit erhöhtem Mindeststrafrahmen auszugestalten.

Diese und andere (vgl. dazu Burger, wistra 2002, 1 ff. sowie Sal-ditt, StV 2002, 214 ff.) Bedenken und Folgewirkungen der seit1.1.2002 geltenden Regelungen machen eine Korrektur durchden Gesetzgeber erforderlich. Soweit anlässlich des diesjähri-gen Anwaltstages in München verschiedentlich darauf hinge-wiesen worden ist, die erforderlichen Begrenzungen bzw. Kon-kretisierungen ließen sich über das Gesetzgebungsmaterial er-schließen, dem sich der gesetzgeberische Wille hinsichtlicheiner begrenzten Anwendung der neuen Vorschriften entneh-men lasse, macht dies ein gesetzgeberisches Handeln nicht ob-solet. Denn ob und wann der BGH solche Erwägungen des Ge-

setzgebers im Rahmen einer Grundsatzentscheidung in eine be-schränkende Auslegung des § 370a AO einmünden lassen kann,ist derzeit gänzlich offen. Bis zu einer solchen Entscheidungdroht die Einleitung einer Vielzahl von Ermittlungsverfahren ge-gen zahlreiche Bürger wegen des (tatsächlich unangemessenen)Verbrechensvorwurfs einer gewerbsmäßigen Steuerhinterzie-hung. Auf die erwähnten mit der Einordnung des § 370a AO alsVerbrechen verbundenen strafprozessualen Konsequenzenkönnte sich eine einschränkende Auslegung des § 370a AOdurch den BGH ohnehin nur sehr begrenzt und dann auch al-lenfalls mittelbar auswirken.

Der Handlungsbedarf für den Gesetzgeber gerät auch nicht da-durch in Wegfall, dass der Bundesminister der Finanzen demVernehmen nach erwägen soll, Teile der sich aus den Regelun-gen ergebenden steuerlichen Konsequenzen im Wege eines sogenannten Nichtanwendungserlasses einer praktischen Umset-zung zu entziehen. Denn ein derartiger Nichtanwendungserlasskönnte seiner Natur nach ohnehin nur steuerliche Fragestellun-gen erfassen. Darüber hinaus bände er bekanntlich weder Justiznoch Gerichte.

Im Namen der deutschen Anwaltschaft ersuche ich Sie daher,die dringend erforderlichen gesetzlichen Änderungen und Prä-zisierungen vorzunehmen. Die BRAK ist gerne bereit und bietetan, Ihr Haus bei dem Entwurf der erforderlichen Änderungenberatend zu unterstützen.

Mit freundlichen Grüßen

(Dr. Dombek)

10%iger Gebührenabschlag Ost:Schreiben des Präsidenten der BRAK an alle

Landesjustizministerinnen und -minister

Ich hatte Ihnen am 26. April 2002 die Resolutionen der 91.Hauptversammlung der BRAK zur BRAGO-Strukturreform undzum 10%igen Gebührenabschlag Ost zugesandt. In der Zwi-schenzeit haben sowohl die FDP-Bundestagsfraktion (RVG, BT-Drucks. 14/8818 v. 18.4.2002) als auch die Fraktionen von SPDund Bündnis 90/Die Grünen (RVNeuOG, BT-Drucks. 14/9037v. 14.5.2002) einen Entwurf für ein Rechtsanwaltsvergütungsge-setz bzw. ein Rechtsanwaltsvergütungsneuordnungsgesetz ein-gebracht. Die erste Beratung im Deutschen Bundestag hat am16. Mai 2002 stattgefunden.

Die Anwaltschaft hat es begrüßt, dass die Entwürfe eingebrachtworden sind. Presseberichten zufolge hat der Rechtsausschussdes Deutschen Bundestages allerdings beschlossen, zu den Ge-setzentwürfen erst Ende Juni 2002 eine Anhörung durchzu-führen. Es steht daher zu befürchten, dass das Gesetzgebungs-verfahren um mehrere Wochen verzögert und das In-Kraft-Tre-ten zum 1. Juli 2003 gefährdet wird.

1. Die letzte Gebührenanpassung erfolgte für die Anwaltschaftdurch das Kostenrechtsänderungsgesetz 1994 zum 1.7.1994.Seit der letzten Gebührenanhebung sind somit 8 Jahre verstri-chen. Dagegen ist der Preisindex für die Lebenshaltung zwi-schen dem 1.1.1994 und April 2002 im gesamten Bundesgebietvon 97,1 auf 112,1 – somit um insgesamt 15 – Prozentpunktegestiegen (Quelle: Statistisches Bundesamt).

Die Angestelltengehälter sollen nach den Angaben des Bundes-ministeriums der Justiz von 1994 bis heute um insgesamt 26 %gestiegen sein.

BRAK-Mitt. 4/2002 Aus der Arbeit der BRAK 179

Dagegen ist bei der Umsatz- und Einkommensentwicklung derRAe für den Zeitraum 1993 bis 1999 Stagnation bzw. in einigenBereichen sogar ein Rückgang zu verzeichnen. Nach den Er-gebnissen der STAR-Untersuchungen des Instituts für Freie Be-rufe in Nürnberg ist der persönliche Jahresüberschuss eines An-walts in einer Einzelkanzlei von 73 000 DM 1994 auf 58 000DM 1999 gesunken (BRAK-Mitt. 2002, 18). Noch immer gehenmehr als 50 % der Anwaltschaft ihrem Beruf als Einzelanwaltnach. In lokalen Sozietäten ist der persönliche Jahresüberschusspro Anwalt von 133 000 DM 1994 auf 124 000 DM 1999 ge-sunken und in überörtlichen Sozietäten von 269 000 DM auf208 000 DM (BRAK-Mitt. 2002, 18).

Diese Zahlen machen deutlich, dass eine Gebührenanpassungfür die Anwaltschaft dringend notwendig ist. In allen anderenBereichen sind die Einkommen und Vergütungen gestiegen, le-diglich die Anwaltschaft wartet seit 8 Jahren auf eine Ge-bührenanpassung. Sie kann zu Recht nicht nur die Einbringung,sondern auch die Verabschiedung des Rechtsanwaltsvergü-tungsneuordnungsgesetzes in dieser Legislaturperiode erwar-ten. Das weitere Hinauszögern einer Gebührenstrukturreformund der damit verbundenen Gebührenanpassung ist nicht hin-nehmbar.

2. Das Einigungsvertragsgesetz sieht einen 10%igen Abschlagauf die Gebühren der BRAGO für die Tätigkeit von RAen vor, dieihre Kanzlei in dem in Artikel 3 des Vertrages genannten Gebieteingerichtet haben oder die vor Gerichten oder Behörden, dieihren Sitz in dem in Artikel 1 Abs. 1 des Vertrages genannten Ge-biet haben, im Auftrag eines Beteiligten tätig werden, der seinenWohnsitz oder Sitz in dem in Artikel 3 des Vertrages genanntenGebiet hat. Der 10%ige Gebührenabschlag Ost bedarf dringendder Aufhebung.

Das Honorar wird bei etwa gleich hohen Kosten wie in den al-ten Bundesländern in den neuen Bundesländern in dreifacherHinsicht gekürzt. Zum einen erfolgt der Abschlag von 10 % aufdie Gebühren der BRAGO. Zum anderen kürzen geringereStreitwerte das Honorar und der in den neuen Bundesländernhöhere Anteil an Beratungs- und Prozesskostenhilfesachenbringt ohnehin eine erhebliche Minderung des Gebührenauf-kommens der in den neuen Bundesländern tätigen RAe mit sich.

Insbesondere die Benachteiligung durch die niedrigeren Streit-werte in den neuen Bundesländern zeigt der Vergleich zwischender Vertretung eines ostdeutschen Arbeitnehmers im produzie-renden Gewerbe im Kündigungsschutzverfahren und der Ver-tretung des westdeutschen Arbeitnehmers im produzierendenGewerbe ebenfalls im Kündigungsschutzverfahren. Im Oktober2000 verdiente beispielsweise der ostdeutsche Arbeitnehmerdurchschnittlich 1990,– Euro brutto monatlich (Quelle: Statisti-sches Bundesamt). Der Gegenstandswert des Kündigungs-schutzverfahrens beträgt somit 5970,– Euro (§ 12 Abs. 7ArbGG). In einem arbeitsgerichtlichen Verfahren ohne Beweis-aufnahme und ohne Vergleich fallen zwei Gebühren i.H.v. je-weils 338,– Euro an. Hinzuzurechnen sind die Auslagenpau-schale i.H.v. 20,– Euro und 16 % Umsatzsteuer, so dass ohneBerücksichtigung des 10%igen Gebührenabschlags insgesamt807,36 Euro in Rechnung gestellt werden können.

Arbeitet der gleiche Arbeitnehmer in einem der alten Bundes-länder, verdient er monatlich durchschnittlich 2810,– Euro brutto(Quelle: Statistisches Bundesamt). Der Gegenstandswert beträgtsomit im Kündigungsschutzverfahren 8430,– Euro. Es fallen eineProzess- und eine Verhandlungsgebühr von jeweils 449,– Eurozuzüglich Auslagenpauschale und 16 % Umsatzsteuer an. DerRA kann damit 1064,88 Euro in Rechnung stellen.

Dies zeigt, dass selbst dann, wenn man den 10%igen Ge-bührenabschlag nicht berücksichtigt, allein der Unterschied desGegenstandswerts eine Gebührendifferenz zu Lasten des An-

walts in den neuen Bundesländern von 24,18 % ausmacht.Berücksichtigt man zusätzlich noch den gesetzlichen 10%igenGebührenabschlag, dann beträgt eine Gebühr bei dem ostdeut-schen Arbeitnehmer nicht 338,– Euro, sondern 304,20 Euro. ImErgebnis kann der RA nicht 807,36 Euro, sondern 728,94 Euroin Rechnung stellen und ist damit nicht nur gegenüber seinemwestdeutschen Kollegen um 24,18 %, sondern sogar um31,55 % schlechter gestellt.

Im Handel, Kredit- und Versicherungsgewerbe differieren dieVerdienste zwischen Arbeitnehmern in den neuen Bundeslän-dern und Arbeitnehmern in den alten Bundesländern nicht sodeutlich. Im Oktober 2000 verdiente der ostdeutsche Arbeit-nehmer monatlich durchschnittlich 2041,– Euro (Quelle: Sta-tistisches Bundesamt), so dass der RA bei einem Streitwert von6123,– Euro (§ 12 Abs. 7 ArbGG) insgesamt 893,20 Euroberechnen kann. Der westdeutsche Arbeitnehmer verdient

180 Aus der Arbeit der BRAK BRAK-Mitt. 4/2002

Ost West Differenz(ohne 10%igen

Gebühren-abschlag)

Streitwert (produzierendes 5970,– Euro 8430,– Euro 2460,– EuroGewerbe) gem. § 12 (3 x 1990,– Euro) (3 x 2810,– Euro) = 29,18 %Abs. 7 ArbGG

10/10 Prozessgebühr 338,– Euro 449,– Eurogem. §§ 11, 31 I 1,62 I BRAGO

10/10 Verhandlungsgebühr 338,– Euro 449,– Eurogem. §§ 11, 31 I 2,62 I BRAGO

Entgelte für Post- und 20,– Euro 20,– EuroTelekommunikations-dienstleistungengem. § 26 BRAGO

Umsatzsteuergem. § 25 II BRAGO 111,36 Euro 146,88 Euro

gesamt 807,36 Euro 1064,88 Euro 257,52 EuroGebührenminderung ohne = 24,18 %Gebührenabschlag Ost

Ost West Differenz(mit 10%igem

Gebühren-abschlag)

Streitwert (produzierendes 5970,– Euro 8430,– Euro 2460,– EuroGewerbe) gem. § 12 (3 x 1990,– Euro) (3 x 2810,– Euro) = 29,18 %Abs. 7 ArbGG

10/10 Prozessgebühr 304,20 Euro 449,– Eurogem. §§ 11, 31 I 1,62 I BRAGO

10/10 Verhandlungsgebühr 304,20 Euro 449,– Eurogem. §§ 11, 31 I 2,62 I BRAGO

Entgelte für Post- und 20,– Euro 20,– EuroTelekommunikations-dienstleistungengem. § 26 BRAGO

Umsatzsteuergem. § 25 II BRAGO 100,54 Euro 146,88 Euro

gesamt 728,94 Euro 1064,88 Euro 335,94 EuroGebührenminderung ohne = 31,55 %Gebührenabschlag Ost

2680,– Euro durchschnittlich (Quelle: Statistisches Bundesamt),damit kann der RA im gleichen Kündigungsschutzverfahren1064,88 Euro in Rechnung stellen. Ohne Berücksichtigung des10%igen Gebührenabschlags ergibt sich somit eine Differenzvon 16,12 %.

Berücksichtigt man auch hier zusätzlich den 10%igen Ge-bührenabschlag, kann der Prozessvertreter für den ostdeutschenArbeitnehmer nur 806,20 Euro und damit 24,29 % weniger ver-langen, als wenn er den westdeutschen Arbeitnehmer vertretenwürde.

Hinzu kommt, dass der Wegfall des Gebührenabschlags Ost fürden Ostteil der Stadt Berlin bereits aufgehoben worden ist.Wenn innerhalb der Stadt Berlin keine unterschiedlichen Ge-bührensätze mehr gelten, kann das Kriterium des Kanzleisitzesgenerell nicht mehr maßgeblich sein. Es ist nicht einzusehen,

weshalb der RA in einem östlichen Bezirk der Stadt Berlin den10%igen Gebührenabschlag nicht mehr hinnehmen muss, derRA in Potsdam nur wenige Kilometer weiter jedoch sehr wohl.

Ich wäre Ihnen verbunden, wenn Sie diese Argumente der An-waltschaft für die Gebührenanpassung und gegen den 10%igenGebührenabschlag Ost bei den Beratungen in der Justizminis-terkonferenz berücksichtigen würden.

Mit freundlichen Grüßen

(Dr. Dombek)

BRAK-Mitt. 4/2002 Personalien 181

Ost West Differenz(ohne 10%igen

Gebühren-abschlag)

Streitwert (Handel, Kredit- 6123,– Euro 8040,– Euro 1917,– Euround Versicherungs- (3 x 2041,– Euro) (3 x 2680,– Euro) = 23,84 %gewerbe) gem. § 12Abs. 7 ArbGG

10/10 Prozessgebühr 375,– Euro 449,– Eurogem. §§ 11, 31 I 1,62 I BRAGO

10/10 Verhandlungsgebühr 375,– Euro 449,– Eurogem. §§ 11, 31 I 2,62 I BRAGO

Entgelte für Post- und 20,– Euro 20,– EuroTelekommunikations-dienstleistungengem. § 26 BRAGO

Umsatzsteuergem. § 25 II BRAGO 123,20 Euro 146,88 Euro

gesamt 893,20 Euro 1064,88 Euro 171,68 EuroGebührenminderung ohne = 16,12 %Gebührenabschlag Ost

Ost West Differenz(mit 10%igem

Gebühren-abschlag)

Streitwert (Handel, Kredit- 6123,– Euro 8040,– Euro 1917,– Euround Versicherungs- (3 x 2041,– Euro) (3 x 2680,– Euro) = 23,84 %gewerbe) gem. § 12Abs. 7 ArbGG

10/10 Prozessgebühr 337,50 Euro 449,– Eurogem. §§ 11, 31 I 1,62 I BRAGO

10/10 Verhandlungsgebühr 337,50 Euro 449,– Eurogem. §§ 11, 31 I 2,62 I BRAGO

Entgelte für Post- und 20,– Euro 20,– EuroTelekommunikations-dienstleistungengem. § 26 BRAGO

Umsatzsteuergem. § 25 II BRAGO 111,20 Euro 146,88 Euro

gesamt 806,20 Euro 1064,88 Euro 258,68 EuroGebührenminderung ohne = 24,29 %Gebührenabschlag Ost

Bundesverdienstkreuz erster Klasse fürRechtsanwalt Dr. Herbert Sernetz

Der Bundespräsident hat dem Präsidenten des BayerischenAGH, RA Dr. Herbert Sernetz aus München, das Verdienstkreuz1. Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschlandverliehen. Der Orden ist Herrn Präsidenten Dr. Herbert Sernetzam 1. 7. 2002 durch Herrn Justizminister Dr. Weiß ausgehän-digt worden.

RA Dr. Herbert Sernetz wurde am 16. 8. 1977 erstmals zumBayerischen AGH berufen. Seit 1989 ist er Vorsitzender des4. Senates des Bayerischen AGH und war seit 1994 ständigerVertreter des Präsidenten.

Seit 1997 ist RA Dr. Herbert Sernetz Präsident des Bayeri-schen AGH, einer der größten Anwaltsgerichtshöfe im Bun-desgebiet mit fünf Senaten, zuständig für die OLG-BezirkeBamberg, München und Nürnberg. Als Präsident hat RADr. Sernetz die anwaltsgerichtliche Rspr. maßgeblich mitge-prägt.

Damit gehört Herr Präsident Dr. Herbert Sernetz zu den wich-tigsten Repräsentanten der bayerischen Anwaltschaft.

Die Kammer München gratuliert dem Geehrten zu der Verlei-hung der hohen Auszeichnung.

Rechtsanwalt Hansjörg StaehlePräsident der RAK München

Personalien

Bundesverdienstkreuz am Bande fürRechtsanwalt Freimut Höchstädter

Der Bundespräsident hat RA Freimut Höchstädter aus Ingolstadtdas Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundes-republik Deutschland verliehen. Der Orden ist RA FreimutHöchstädter am 1. 7. 2002 durch Herrn Justizminister Dr. Weißausgehändigt worden.

Seit 1986 ist RA Höchstädter Mitglied des Kammervorstandesund Vertreter der Anwaltschaft im Landgerichtsbezirk Ingolstadt.Seit Einführung des Fachanwalts für Familienrecht ist RA Höch-städter Vorsitzender eines der zuständigen Fachausschüsse. Seinbesonderes Interesse gilt u.a. den Fragen der Aus- und Weiterbil-dung qualifizierter Mitarbeiter im Ausbildungsberuf zum Rechts-anwaltsfachangestellten. Seit 1990 ist RA Höchstädter Vorsitzen-der des Prüfungsausschusses für Rechtsanwaltsfachangestellte inIngolstadt und seit 1994 im Berufsbildungsausschuss.

Die Kammer München gratuliert dem Geehrten zu der Verlei-hung der hohen Auszeichnung.

Rechtsanwalt Hansjörg StaehlePräsident der RAK München

Wilhelm-von-Humboldt-Plakettefür Rechtsanwalt Dr. Michael Quaas

RA Dr. Michael Quaas, Mitglied des Vorstandes der RAK Stutt-gart, wurde durch den Bundesverband der Freien Berufe mitder Wilhelm-von-Humboldt-Plakette ausgezeichnet. Verliehenwurde die Ehrung anlässlich des Tages der Freien Berufe durchden Präsidenten des Bundesverbandes der Freien Berufe, Dr.med. Ulrich Oesingmann. Geehrt wurde Dr. Quaas vor allemfür seine Verdienste als Vorsitzender des Arbeitskreises „Be-rufsrechte“, dem Dr. Quaas seit 1995 vorsteht. Unter seinerLeitung gelang die Entwicklung einer einheitlichen Definitiondes Begriffes „Freie Berufe“, die wesentlichen Einfluss auf dieentsprechende Formulierung in § 1 Abs. 2 PartGG hatte. Dr.Quaas ist Vorsitzender des BRAK-Ausschusses Verwaltungspro-zessrecht, Mitglied des BRAK-Ausschusses Verfassungsrechtund Vorsitzender des Ausschusses Berufsrecht der RAK Stutt-gart.

182 Berufsrechtliche Rechtsprechung BRAK-Mitt. 4/2002

Bundesverfassungsgericht

Anwaltliche Werbung – Briefbögen einer überörtli-chen Sozietät; BRAO § 59b; BORA § 10; GG Art. 12

* 1. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dassder BGH § 10 Abs. 1 Satz 1 BORA für materiell verfassungs-gemäß – insbesondere für mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar –ansieht.

* 2. Es ist nicht ersichtlich, dass der vom Satzungsgeber ver-folgte Zweck – das Informationsinteresse der Rechtsuchendenzu gewährleisten – mit einem weniger beeinträchtigenden Mit-tel hätte erreicht werden können.

* 3. Von einem RA, der als wesentliche Grundpflicht akzeptiert,dass er jeden Interessenkonflikt vermeiden muss, kann die Ein-sicht erwartet werden, dass er insoweit umso mehr auf die Auf-merksamkeit seiner Mandanten angewiesen ist, je größer dieKanzlei ist, der er angehört.

BVerfG, Beschl. v. 13.6.2002 – 1 BvR 736/02

Aus den Gründen:

I. Der beschwerdeführende RA wendet sich gegen das für die ineiner Sozietät zusammengeschlossenen RAe geltende Gebot,auf ihren Briefbögen die Namen sämtlicher deutscher Gesell-schafter aufzuführen.

1. Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 der Berufsordnung für RAe (im Fol-genden: BORA; BRAK-Mitt 1996, 241) müssen auf Briefbögenauch bei Verwendung einer Kurzbezeichnung die Namen sämt-licher Gesellschafter mit mindestens einem ausgeschriebenenVornamen aufgeführt werden.

a) Der Bf. – ein deutscher Staatsangehöriger, der als RA beim LGDüsseldorf zugelassen ist und seinen Kanzleisitz in Düsseldorfhat – ist Mitglied einer Partnership englischen Rechts. Die Part-nership mit rund 250 Partnern und etwa 1000 RAen hat ihrenSitz in London. In dem vom Bf. verwendeten Briefkopf findetsich lediglich die auffällig herausgestellte Kurzbezeichnung derPartnership sowie der Name des Bf. In der Fußzeile heißt es:„Die Liste der Partner ist bei der oben angegebenen Adresse ein-sehbar.“ Ferner wird auf die Abrufbarkeit dieser Liste im Internethingewiesen.

b) Die RAK Düsseldorf gab unter Berufung auf § 10 Abs. 1 Satz 1BORA dem Bf. auf, sämtliche Partner, die als RAe bei einemdeutschen Gericht zugelassen sind, auf seinem Briefbogen auf-zuführen. Die dagegen gerichtete Klage blieb erfolglos.

Nach Auffassung des BGH (NJW 2002, 1419) ist § 10 Abs. 1Satz 1 BORA verfassungsgemäß. Diese Vorschrift habe ihreGrundlage in § 59 b Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe e, Nr. 3, 4, 5 Buch-stabe a und Nr. 8 BRAO. Der mit § 10 Abs. 1 BORA verbundeneEingriff in die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG) sei durchausreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt und ver-hältnismäßig. Die Vorschrift diene dem Informationsinteresseder Rechtsuchenden. Wer anwaltliche Leistungen in Anspruchnehme, wolle ohne komplizierte Nachfrage wissen, wem er dieWahrnehmung seiner rechtlichen Belange anvertraue und obder Beauftragte nicht zugleich widerstreitende Interessen ver-trete oder auf sonstige Weise in der Gefahr einer Interessenkol-lision stehe. Diese Informationsfunktion bestehe trotz der elek-tronischen Medien. Dass der Satzungsgeber in § 10 Abs. 1

Berufsrechtliche Rechtsprechung

Bundesverfassungsgericht*Leitsatz der Redaktion (Orientierungssatz)

BORA nur die Angabe der Gesellschafter und nicht der ange-stellten RAe, in Bürogemeinschaft verbundenen RAe und freienMitarbeiter fordere und die RAK den Kanzleien bei Verände-rungen in der Zusammensetzung der Gesellschafter eine Fristzur Änderung der Briefbögen einräume, erscheine vertretbar,weil der dargelegte Zweck der Regelung noch deutlich bessererfüllt werde als durch den Verzicht auf die Information. Durchdiese Einschränkungen werde auch dem Gesichtspunkt der Zu-mutbarkeit Rechnung getragen. Das Benennungsgebot sei auchbei einer großen Zahl von Sozien nicht unerfüllbar. Neben demKopfbogen könne die Rückseite des Kopfbogens, notfalls einweiterer Bogen verwendet werden. Ein weniger einschneiden-des Mittel zur Erreichung des Normzwecks fehle. Sowohl dieAnforderung einer Liste der Partner oder der Abruf übers Inter-net erforderten Aktivitäten auf Seiten der Rechtsuchenden.

2. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Bf. die Verletzungseiner Grundrechte aus Art. 12 Abs. 1 sowie aus Art. 3 Abs. 1GG. Es fehle an einer Ermächtigungsgrundlage für § 10 Abs. 1BORA. Jedenfalls sei diese Norm materiell verfassungswidrig,da sie unverhältnismäßig sei. Das Gesellschafternennungsgebotsei nicht erforderlich, da ausreichend andere Mittel zur Infor-mation zur Verfügung stünden: der Vertrag, die Aufforderung derBekanntgabe bei Vertragsabschluss oder der Verweis auf das In-ternet. Außerdem kenne kein anderer Beruf ein dem § 10 Abs. 1BORA entsprechendes Briefkopfgebot. Das Gebot sei auch un-zumutbar, da es bei großen und internationalen Sozietäten an-gesichts der ständigen Fluktuation der Sozien praktisch nichtmehr erfüllbar sei.

II. Die Voraussetzungen für die Annahme der Verfassungsbe-schwerde (§ 93a Abs. 2 BVerfGG) liegen nicht vor.

1. Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche ver-fassungsrechtliche Bedeutung zu (§ 93a Abs. 2 Buchstabe aBVerfGG). Das BVerfG hat bereits entschieden, dass zu derdurch Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleisteten Freiheit der Be-rufsausübung jede Tätigkeit gehört, die mit der Berufsausübungzusammenhängt und dieser dient.

In den Bereich berufsbezogener Tätigkeiten fällt auch die beruf-liche Außendarstellung der Grundrechtsberechtigten. StaatlicheMaßnahmen, die ihn dabei beschränken, sind Eingriffe in dieseFreiheit (vgl. BVerfGE 85, 248, 256; 94, 372, 389). Eingriffe indie Freiheit der Berufsausübung erfordern nicht nur eine gesetz-liche Grundlage, sondern sind nur dann mit Art. 12 Abs. 1 GGvereinbar, wenn sie durch ausreichende Gründe des Gemein-wohls gerechtfertigt werden und dem Grundsatz der Verhältnis-mäßigkeit entsprechen, wenn also das gewählte Mittel zur Er-reichung des verfolgten Zwecks geeignet und auch erforderlichist und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schweredes Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründedie Grenze der Zumutbarkeit noch gewahrt ist (vgl. BVerfGE 76,196, 207; 94, 372, 389 f.; 101, 331, 347 ff.).

2. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zurDurchsetzung von Grundrechten des Bf. angezeigt (§ 93aAbs. 2 Buchstabe b BVerfGG).

a) Es begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dassder BGH in § 59b Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe e, Nr. 3, 4, 5 Buch-stabe a und Nr. 8 BRAO eine ausreichende Ermächtigungs-grundlage für § 10 Abs. 1 Satz 1 BORA sieht.

b) Außerdem ist es auch verfassungsrechtlich nicht zu bean-standen, dass der BGH § 10 Abs. 1 Satz 1 BORA für materiellverfassungsgemäß – insbesondere für mit Art. 12 Abs. 1 GG ver-einbar – ansieht.

aa) Dem BGH ist darin zuzustimmen, dass diese Vorschrift ge-wichtigen Belangen des Gemeinwohls dient. Die Norm dient inerster Linie dem Informationsinteresse der Rechtsuchenden. DerBriefbogen ist für die Mandanten eine wichtige Informations-quelle über die Personen der Gesellschafter (vgl. Feuerich/Braun, BRAO, 5. Aufl. 2000, § 10 BORA Rdnr. 2; Römermann,in Hartung/Holl, Anwaltliche Berufsordnung, 2. Aufl. 2001, § 10BORA Rdnr. 29).

Der Mandant kann so erkennen,ob die Gefahr der Vertretungwiderstreitender Interessen be-steht oder ob eine anderweitigeInteressenkollision zu befürchtenist.

bb) Das Benennungsgebot ist auch ein geeignetes Mittel für dieErreichung des verfolgten Zwecks. Selbst wenn sich das ange-strebte Ziel möglicherweise durch eine strengere Regelung nochbesser erreichen ließe, wird dadurch die Eignung der Regelungnicht in Frage gestellt (vgl. BVerfGE 101, 331, 349). Weder ist zubeanstanden, dass sich der Satzungsgeber im Rahmen seinesGestaltungsspielraums darauf beschränkt hat, auf dem Briefkopflediglich die Angabe der Namen der Gesellschafter zu verlan-gen und nicht zusätzlich die Nennung der angestellten RAe, derin Bürogemeinschaft verbundenen RAe und freier Mitarbeiter,noch kann der Bf. Rechte aus der nachsichtigen Handhabungder Norm (die RAK gewährt Fristen zur Änderung des Briefbo-gens und verlangt nur die Angabeder inländischen Gesellschafter)ableiten. Damit werden wenigs-tens die nötigsten Vorkehrungenin Ansehung der Gemeinwohlbe-lange getroffen.

cc) Es ist auch nicht ersichtlich, dass der vom Satzungsgeber ver-folgte Zweck mit einem weniger beeinträchtigenden Mittel hätteerreicht werden können. Nachvollziehbar weist der BGH dar-auf hin, dass die Anforderung einer Liste der Partner in der Kanz-lei, aus einem Register oder aus dem Internet besondere Akti-vitäten des Rechtsuchenden erfordert, zu denen der Mandantnur aus gegebenem Anlass greifen wird. Von einem RA, der alswesentliche Grundpflicht akzeptiert, dass er jeden Interessen-konflikt vermeiden muss, kann die Einsicht erwartet werden,dass er insoweit umso mehr auf die Aufmerksamkeit seiner Man-danten angewiesen ist, je größer die Kanzlei ist, der er angehört.Die Bedeutung der Briefkopf-Information hat mit dem Anwach-sen der Kanzleizusammenschlüsse eher zugenommen. MildereMittel sind nicht solche, die dem Mandanten ein Mehr an In-itiative und Kontrollpflichten überbürden.

dd) Die Beschränkung seiner Berufsausübungsfreiheit ist demBf. auch zuzumuten. Es leuchtet ein, wenn der BGH ausführt,dass das Informationsinteresse des Rechtsuchenden und der an-deren Beteiligten umso gewichtiger ist, je unübersichtlicher dieVerhältnisse sind.

Damit der Mandant erkennenkann, ob ein Gesellschafter be-reits die Gegenpartei vertritt, istes für ihn wichtig, durch denBriefkopf über die Namen der

Gesellschafter informiert zu werden. Demgegenüber führt derBf. letztlich nur an, dass er die Vorschrift für lästig und antiquierthält. Diese Belange haben deutlich geringeres Gewicht. ImÜbrigen sind die technischen Probleme der Briefkopfgestaltungauch bei einer großen Anzahl von Gesellschaftern – wie der vor-liegend eingereichte Kopfbogen zeigt – überwindbar.

BRAK-Mitt. 4/2002 Berufsrechtliche Rechtsprechung 183

Bundesverfassungsgericht

Erkennen, ob Gefahrder Vertretung

widerstreitenderInteressen vorliegt

Keine Rechte ausnachsichtiger

Handhabung derNorm durch RAK

Information über dieNamen der

Gesellschafter

c) Das Gebot, die Gesellschafter auf dem Briefkopf aufzuführen,verletzt auch nicht Art. 3 Abs. 1 GG. Da das Verbot widerstrei-tender Interessen nur für RAe – und zum Beispiel nicht für StBoder WP – gilt, ist es sachlich gerechtfertigt, für RAe spezielleRegelungen vorzusehen.

Von einer weiteren Begründung wird gem. § 93d Abs. 1 Satz 3BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 93d Abs. 1 Satz 2BVerfGG).

Anmerkung: Überraschend schnell – innerhalb von rund 10 Wochen – hatdie 2. Kammer des Ersten Senats des BVerfG über die Verfas-sungsbeschwerde der betroffenen RAe gegen das BGH-Urt. v.19.11.20011 entschieden. Diese rasche Entscheidung ist geradein Zeiten des zunehmenden Sozietätswechsels von Anwältenausdrücklich zu begrüßen.

Schön wäre es allerdings, wenn dies gerade bei Verfassungsbe-schwerden, die für das anwaltliche Berufsrecht entscheidendsind, öfters in diesem Tempo der Fall wäre. Auch wenn natür-lich bei den anstehenden Senatsentscheidungen zur Frage derKlagebefugnis der öffentlich-rechtlichen Kammern2 und derFrage des Interessenkonflikts bei Sozietätswechsel3 vielleichtnoch mehr Fragen zu bedenken sind, als dies im Fall der Nen-nung aller Anwaltsgesellschafter auf dem Briefbogen der Fallwar.

Mit dem Beschl. v. 13.6.2002 ist jetzt endgültig entschieden:Die Regelung des § 10 BORA ist auch unter verfassungsrecht-lichen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden.

Doch beide Entscheidungen, die des BGH4 und des BVerfGkönnen meines Erachtens nicht überzeugen. Es wäre besser ge-wesen, wenn beide Gerichte sich zu einer liberaleren Handha-bung des § 10 BORA durchgerungen hätten. Insbesondere dieFrage, ob in der heutigen Zeit tatsächlich diese Norm noch zeit-gemäß ist, wäre zu verneinen gewesen. Der richtige Weg wäregewesen, § 10 BORA zu beanstanden und der Satzungsver-sammlung eine Frist zur Neuregelung zu gewähren. Vielleichtbleibt ja ein wenig Hoffnung: Aus beiden Beschlüssen lässt sichkeine Pflicht herauslesen, dass § 10 BORA eine „Pflichtvor-schrift“ für die Berufsordnung der Anwälte ist, also die Sat-zungsversammlung durchaus die Möglichkeit der Änderunghätte, was allerdings bei der derzeitigen Zusammensetzung eherungewöhnlich wäre.

Zwar folgt der BGH dem BVerfG in seiner st. Rspr.5 insoweit, alses in § 10 BORA eine die Berufsfreiheit einschränkende Norm(Art. 12 GG) erblickt, die nur dann gerechtfertigt ist, wenn zwin-gende Gründe des Gemeinwohls vorliegen.

Doch gleich in fünf Vorschriften der BRAO (§ 59b Abs. 2Nr. 1 e, 4, 4, 5 a und 8) sieht der BGH die Pflicht zur Angabeder Namen in § 10 BORA abgesichert. Es soll das Verbot derWahrnehmung widerstreitender Interessen sichern helfen, die

zulässige Werbung beschreiben, Tätigkeitsverbote sollen einge-halten werden, Klarheit über die Vertragspartner schaffen unddie Pflichten der beruflichen Zusammenarbeit näher regeln.Dies alles aus § 10 BORA herauszulesen bedarf schon einigerKunst.

Um so bedauerlicher ist es, dass das BVerfG dieser Argumenta-tion in seinem Beschl. v. 13.6.2002 nun auch noch ausdrück-lich zustimmt und dies ohne jegliche Auseinandersetzung, auchwenn dies – wie ich natürlich weiß – bei Kammerbeschlüssennicht erforderlich ist. Denn einige der angeführten Ermächti-gungsgrundlagen für § 10 BORA – gerade der Klarheit über denVertragspartner und die Werbung – sind doch sehr zweifelhaft.Was zum Beispiel die Pflicht zur Angabe aller Partner mit derWerbung zu tun hat, bleibt unerfindlich.

Auffällig an dem Beschluss der Verfassungsrichter ist dabeieines: Ihre Ausführungen zu § 10 BORA im Spannungsfeld zurBerufsfreiheit (Art. 12 GG) stützen die Richter alleine auf denGesichtspunkt, dass die Norm in erster Linie dem Informations-interesse des Rechtsuchenden dient. Er steht im Vordergrund,seine rasche Information soll das ausschlaggebende Argumentsein. So richtig begründet wird dies nicht. Sollte hierin – statt dieFrage der Nennung des Briefbogens zu klären – eher eine Vor-entscheidung für das Verfahren des Interessenkonflikts beiSozietätswechsel6 zu sehen sein? Denn dann könnte die an-stehende Entscheidung in dieser Richtung ausgehen: Wer aufdem Briefbogen steht, egal ob nun tatsächlich ein mit dem Man-dat befasster Anwalt, egal ob Partner oder Scheinsozius, sobaldauf dem Briefbogen der Name erscheint, ist man für die Man-date verbrannt, dass heißt, ein Sozietätswechsel wäre erheblicherschwert. Wer nicht auftaucht, der hat hier bessere Chancen.

Doch die weitere Begründung der Richter, dass nämlich die oftnachlässige Handhabung der Kammern bei der Änderung nichtso schlimm ist, mag in keiner Weise zu überzeugen, auch wennhier vielleicht, wie der Beschluss 2 b dd vermuten lässt, nichtsehr umfangreich vorgetragen worden zu sein scheint. Dennwenn jetzt alle – insbesondere die RAKn und das BVerfG – dieAuffassung vertreten, dass § 10 I BORA die entscheidende In-formationsquelle für die Mandanten sei, müssten die Kammerneigentlich von sofort an sehr konsequent die Umsetzung derVorschrift überwachen. Dies geschieht schon nicht7 im Hinblickauf die Nennung der Partner. Denn hier wird nicht nur eine Vor-schrift nicht überwacht, vielmehr gehen die Kammern immerwieder von einer so genannten „Aufbrauchfrist“ aus, in der alteBriefbögen trotz Änderung bei den Partnern noch weiter ver-wendet werden dürfen. Und gehandelt wird nur, wenn Rügenbei den Kammern eingehen. Eine Pflicht der einzelnen Kanz-leien – etwa zur Übersendung eines jeweils aktuellen Briefbo-gens – gibt es bisher nicht. Dies ist aber mit dem vom BGH indiesem Beschluss gemachten Ausführungen eigentlich in keinerWeise in Einklang zu bringen, auch wenn das BVerfG hier ge-wisse Zugeständnisse macht. Das gleiche gilt für die Pflicht zurNennung eines Vornamens des auf dem Briefbogen stehendenAnwalts. Hier gibt es eine Vielzahl von Briefbögen, die sich mitder Nennung eines abgekürzten Vornamens begnügen. Fälle,dass Kammern hiergegen vorgingen, sind nicht bekannt.

Insgesamt bleibt leider festzuhalten: Auch das BVerfG hat nichtfür mehr inhaltliche Klarheit der Frage gesorgt, ob die Nennungaller Partner wirklich im Lichte des Art. 12 GG notwendig ist.

Rechtsanwalt Martin W. Huff, NJW-Schriftleitung, Frankfurt a. M.

184 Berufsrechtliche Rechtsprechung BRAK-Mitt. 4/2002

Bundesverfassungsgericht

1 NJW 2002, 1419 = BRAK-Mitt. 2002, 136 m. kritischen Anm. Huff, LMH. 7/2002 § 10 BORA Nr. 1, und Römermann, EWiR § 10 BORA 1/02,337, und eher zustimmender Anmerkung Dahns, BRAK-Mitt 2002,139; lesenswerte Vorinstanzen: AnwGH Hamburg, NJW 2001, 2553,und AnwGH Nordrhein-Westfalen, NJW 2001, 2555.

2 1 BvR 981/00 s. ausführlich dazu Grunewald, NJW 2002, 1369.3 1 BvR 238/01 mit einstweiliger Anordnung BVerfG, NJW 2001, 1562

zu BGH, NJW 2001, 1572, dazu auch Henssler, NJW 2001, 1521.4 Dazu ausführlich Huff, LM H. 7/2002 § 10 BORA Nr. 1. 5 Z. B. die Grundsatzentscheidung BVerfGE 94, 389 = NJW 1996, 3067.

6 S. dazu oben Fn. 3.7 Deutlich dazu Kleine-Cosack, NJW-Cassette Mai 2002 Nr. 10.

Effektiver Rechtsschutz – zur sachlichen Überprüfungeines angefochtenen Bescheides einer Rechtsanwalts-kammer nach einem Zulassungswechsel des Be-schwerdeführers; BRAO § 43c; FAO §§ 5, 22; GG Art.19 Abs. 4

* 1. Ein RA, der bei einer RAK einen Antrag auf Verleihungeiner Fachanwaltsbezeichnung eingereicht hat, muss nacheinem Zulassungswechsel keinen neuen Antrag bei der nun-mehr zuständigen RAK stellen, da er sonst ggf. unzumutbareNachteile im Hinblick auf die Dreijahresfrist des § 5 FAO hin-nehmen müsste.

* 2. Die §§ 22 Abs. 1 FAO und 43c Abs. 1 Satz 1 BRAO habenals Zuständigkeitsregelungen keine eigenständige materielleBedeutung. Insbesondere haben sie keinen Bezug zu den sach-lichen Vorschriften für die Verleihung der Fachanwaltsbezeich-nung.

* 3. Zwar fehlt eine gesetzliche Regelung darüber, welche Aus-wirkung der Zulassungswechsel während des gerichtlichenVerfahrens hat. Es könnte aber nahe liegen, den zivil- und ver-waltungsprozessualen Grundsatz heranzuziehen, dass nachRechtshängigkeit die gerichtliche Zuständigkeit durch eineVeränderung der sie begründenden Umstände nicht berührtwird.

BVerfG, Beschl. v. 30.4.2002 – 1 BvR 1487/01

Aus den Gründen:

I. Die Bfin. wendet sich mit der Verfassungsbeschwerde gegendie Ablehnung ihres Antrags auf Verleihung der Bezeichnung„Fachanwältin für Arbeitsrecht“ durch die RAK H. sowie einenBeschluss des AGH, nach dessen Begründung sich der Antrag aufgerichtliche Entscheidung wegen eines Zulassungswechsels derBfin. erledigt haben und deshalb unzulässig geworden sein soll.

1. Die Bfin. war bis ins Jahr 2000 als Syndikusanwältin tätig,wobei sie schwerpunktmäßig arbeitsrechtliche Fälle bearbei-tete. Anschließend war sie als selbständige RAin in einer Kanz-lei L. beschäftigt. Mit Schreiben v. 4.8.2000 beantragte die Bfin.bei der RAK H. die Verleihung der Bezeichnung „Fachanwältinfür Arbeitsrecht“. Zum Beleg der besonderen praktischen Kennt-nisse gem. § 5c der Fachanwaltsordnung (im Folgenden: FAO)reichte sie eine Liste über 200 bearbeitete arbeitsrechtliche Fälleals Syndikusanwältin und eine weitere Liste über 22 Fälle ausdem Gebiet des Arbeitsrechts ein, mit denen sie sich als RAinbefasst hatte. Mit Bescheid v. 28.11.2000 lehnte die RAK H. denAntrag ab. Die Bfin. habe die besonderen praktischen Kennt-nisse gem. § 5c FAO nicht nachgewiesen, da nur ein Teil der alsRAin bearbeiteten Fälle anerkannt werden könne und die Fälle,mit denen sie als Syndikusanwältin befasst gewesen sei, über-haupt nicht berücksichtigt werden könnten. Insoweit fehle es aneiner selbständigen Bearbeitung als RAin. Gegen diesen Be-scheid stellte die Bfin. Antrag auf gerichtliche Entscheidung.Während des gerichtlichen Verfahrens verzog sie in einen an-deren Kammerbezirk und wurde am 29.5.2001 bei der dort zu-ständigen RAK als RAin zugelassen. Am 20.7.2001 wurde überden Antrag auf gerichtliche Entscheidung mündlich verhandelt.In diesem Termin beantragte die RAK H. als Agin. wegen des Zu-lassungswechsels, die Hauptsache für erledigt zu erklären,während die Bfin. an ihren Sachanträgen festhielt und ergän-zend einen Antrag auf erneute Zulassung im Zuständigkeitsbe-reich der RAK H. überreichte. Nach Erörterung des Vorgangsverkündete das Gericht am Schluss der Sitzung folgenden Be-schluss: Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird zurück-gewiesen, weil er – die Astin. ist nach eigener Einlassung nicht

mehr Mitglied der Agin., so dass es auch eines Schriftsatznach-lasses nicht mehr bedarf – wegen Erledigung der Hauptsacheunzulässig geworden ist. Aus diesem Grund werden die Kostendes Verfahrens der Astin. auferlegt.

2. Mit der Verfassungsbeschwerde rügt die Bfin. die Verletzungvon Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3und Art. 103 Abs. 1 GG. Die Entscheidung des Gerichts verstoßegegen das aus Art. 3 Abs. 1 GG hergeleitete Willkürverbot, dasie formell und materiell grob rechtswidrig sei. Es sei keine Ent-scheidung in der Hauptsache ergangen, weshalb der Grundsatzdes effektiven Rechtsschutzes verletzt worden sei. Eine Erledi-gung der Hauptsache sei nicht eingetreten. Auch genüge die Be-gründung des gerichtlichen Beschlusses nicht rechtsstaatlichenAnforderungen. Es bleibe unklar, auf welche Weise der fortbe-stehende rechtswidrige Bescheid der RAK H. sich erledigt habe.Offen bleibe ferner, weshalb das Gericht bei unterstellter Erle-digung zur Unzulässigkeit des Antrags auf gerichtliche Ent-scheidung gelange. Ebenso werde eine inhaltliche Auseinan-dersetzung mit den grundrechtsrelevanten Auswirkungen desBeschlusses vermieden. Durch die Ablehnung des Antrags aufVerleihung der Bezeichnung „Fachanwältin für Arbeitsrecht“werde sie in ihrem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG verletzt.Durch ihre Tätigkeit als Syndikusanwältin habe sie die erforder-lichen besonderen praktischen Erfahrungen erworben. Es treffenicht zu, dass sie die Fälle nicht selbständig bearbeitet habe. Zu-dem seien auch RAe zahlreichen Bindungen zu Mandanten,aber auch innerhalb der Kanzlei, ausgesetzt.

3. Zu der Verfassungsbeschwerde haben sämtliche Länder mitAusnahme von Bremen und Sachsen-Anhalt sowie der BGH, dieBRAK und der DAV Stellung genommen; ein vergleichbarer Fallsei bisher durch die Anwaltsgerichtshöfe der Bundesländer nichtentschieden worden. Der BGH verweist hinsichtlich der Frage,ob bei einem Zulassungswechsel während des laufenden Ver-fahrens Erledigung eingetreten sei, auf den Beschl. v. 11.7.1994(BRAK-Mitt 1995, 73). Die Bundesrechtsanwaltskammer ist derAuffassung, dass die Verfassungsbeschwerde unzulässig sei, dadie Bfin. ihr Rechtsschutzbegehren durch Umstellung des An-trags gegen die RAK, in deren Bezirk sie nunmehr zugelassen ist,hätte weiterverfolgen können. Der DAV hält die Verfassungsbe-schwerde wegen Verstoßes gegen Art. 19 Abs. 4 GG für be-gründet.

II. Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Ent-scheidung an, weil dies zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1BVerfGG genannten Rechte angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buch-stabe b BVerfGG). Auch die weiteren Voraussetzungen des § 93cAbs. 1 BVerfGG liegen vor. Die angegriffene gerichtliche Ent-scheidung verletzt die Bfin. in ihrem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG.

1. Die Verfassungsbeschwerde wirft keine Fragen vongrundsätzlicher verfassungsrechtlicher Bedeutung auf. Die fürdie Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen Fra-gen zum effektiven Rechtsschutz hat das BVerfG bereitsentschieden (vgl. BVerfGE 60, 253, 266; 84, 34, 49; 101, 106,122 f.).

2. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist zur Durchset-zung des Grundrechts der Beschwerdeführerin aus Art. 19 Abs. 4 GG angezeigt.

a) Der Rechtsschutz, den Art. 19 Abs. 4 GG dem Einzelnen imHinblick auf die Wahrung oder Durchsetzung seiner subjektivenöffentlichen Rechte gewährt, verlangt eine tatsächliche wirk-same gerichtliche Kontrolle. Die Gewährleistung schließt einenmöglichst lückenlosen gerichtlichen Schutz gegen Verletzungender Individualrechtssphäre durch Eingriffe der öffentlichen Ge-

BRAK-Mitt. 4/2002 Berufsrechtliche Rechtsprechung 185

Bundesverfassungsgericht

walt ein. Ein solcher Rechtsschutz ist von besonderer Bedeu-tung, wenn es um die Abwehr von Grundrechtsverletzungenoder um die Durchsetzung verfassungsrechtlicher Gewährleis-tungen zugunsten des Einzelnen gegenüber der öffentlichen Ge-walt geht (vgl. BVerfGE 60, 253, 266; 101, 106, 122 f.). Das Ver-fahrensgrundrecht des Art. 19 Abs. 4 GG garantiert damit nichtnur den Zugang zu den Gerichten, sondern gewährleistet darü-ber hinaus auch die tatsächliche Wirksamkeit des Rechts-schutzes (vgl. BVerfGE 35, 382, 401 f.). Daraus folgt grundsätz-lich die Pflicht der Gerichte, die angefochtenen Verwaltungsaktein rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht vollständig nachzuprü-fen (vgl. BVerfGE 84, 34, 49). b) Die angegriffene gerichtliche Entscheidung hält einer verfas-sungsrechtlichen Prüfung anhand dieses Maßstabs nicht stand.

aa) Das Gericht hat der Bfin.keinen effektiven Rechtsschutzgewährt. Es fehlt wegen des Zu-lassungswechsels an einer sachli-chen Überprüfung des angefoch-

tenen Bescheids der RAK H. Wenn die Auffassung des Gerichtszutreffend wäre, könnte im Streit um eine Fachanwaltsbezeich-nung nur ein „sesshafter“ RA effektiven Rechtsschutz erhalten.Müsste bei einem Zulassungswechsel ein neuer Antrag bei dernunmehr zuständigen RAK gestellt werden, ergäben sich imHinblick auf die Dreijahresfrist gem. § 5 FAO Auswirkungen aufdie Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung; denn nach dieserVorschrift sind für den materiellen Erfolg des Antrags nur dieFälle maßgeblich, die in der genannten Frist unmittelbar vor An-tragstellung bearbeitet worden sind. Träfe die Rechtsauffassungin dem angegriffenen Beschluss zu, dass sich ein Antrag auf Ver-leihung der Fachanwaltsbezeichnung bei Verlegung von Wohn-sitz und Kanzlei in einen anderen Kammerbezirk erledigt undein neuer Antrag zu stellen ist, wäre die Berufsausübungsfreiheitauch dadurch berührt, dass von einem Wohnsitz- und Zulas-sungswechsel Abstand genommen werden müsste, bis das ge-richtliche Verfahren auf Erteilung der Fachanwaltsbezeichnungabgeschlossen ist.

bb) Eine vollständige Überprüfung des angefochtenen Be-scheids der RAK H. war auch nicht ausnahmsweise entbehrlich.Die Argumentation, dass der Antrag auf gerichtliche Entschei-dung wegen Erledigung der Hauptsache unzulässig gewordensei, überzeugt nicht. Die Hauptsache ist im vorliegenden Falldas Begehren der Bfin., die Bezeichnung „Fachanwältin für Ar-beitsrecht“ führen zu dürfen.

Unabhängig von der Frage, werim anhängigen Verfahren für dieVerwaltungs- und Gerichtsent-scheidung zuständig war und istoder welche rechtlichen Auswir-kungen der Zulassungswechselhat, besteht das Begehren der Bfin. auf eine gerichtliche Ent-scheidung zu dem im August 2000 gestellten Antrag fort; es hatsich nicht erledigt.

cc) Für den Beschluss des Gerichts mag die Überlegung maß-geblich gewesen sein, dass durch den Zulassungswechsel eineEntscheidung des zunächst angerufenen Gerichts über die Ver-pflichtung der ursprünglich zuständigen RAK zur Verleihung derFachanwaltsbezeichnung nicht mehr ergehen könne. Das über-zeugt vor dem Gebot des Art. 19 Abs. 4 GG nicht. Gem. § 22Abs. 1 FAO ist der Antrag, die Führung einer Fachanwaltsbe-zeichnung zu gestatten, bei der RAK einzureichen, welcher derAst. angehört. § 43 c Abs. 1 Satz 1 der Bundesrechtsanwalts-ordnung (im Folgenden: BRAO) bestimmt, dass die RAK, wel-cher der RA angehört, für die Verleihung der Fachanwaltsbe-zeichnung zuständig ist. Grund für diese Regelungen ist, dassnur diejenige Kammer, deren Mitglied der RA ist, über die Per-

sonalakte verfügt und damit feststellen kann, ob der Ast., wievon § 3 FAO gefordert, unmittelbar vor Antragstellung minde-stens drei Jahre ununterbrochen zur Anwaltschaft zugelassen ist(vgl. Hartung/Holl, Anwalt 2001, § 22 FAO Rdnr. 5). Der Zweckist aber nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens erfüllt. Eineeigenständige materielle Bedeutung haben die Zuständigkeits-vorschriften nicht, insbesondere haben sie keinen Bezug zu densachlichen Voraussetzungen für die Verleihung der Fachan-waltsbezeichnung. Die Verleihung hat Geltung für das ganzeBundesgebiet. Der Bfin. kann auch nicht entgegengehalten wer-den, dass sie es versäumt habe, durch eine Änderung ihres An-trags eine gerichtliche Entscheidung in der Sache herbeizu-führen. Zum einen erscheint es zweifelhaft, ob das angerufeneGericht im Verhältnis zu einer RAK aus einem anderen Bundes-land, die am Verwaltungsverfahren nicht beteiligt war, entschei-den kann (vgl. zu diesem Problem im verwaltungsgerichtlichenVerfahren: BVerwG, Beschl. v. 24.2.1988, Buchholz 310 § 53VwGO Nr. 15; ebenso BGH, BRAK-Mitt. 1995, 73). Zum ande-ren kann eine unterlassene Antragsänderung keine Erledigungherbeiführen. Schließlich hätte das Gericht, sofern es dies für er-folgversprechend gehalten hätte, auf eine entsprechende An-tragstellung hinwirken müssen. Zwar fehlt eine gesetzliche Re-gelung darüber, welche Auswirkung der Zulassungswechselwährend des gerichtlichen Verfahrens hat. Es könnte aber naheliegen, den zivil- und verwaltungsprozessualen Grundsatz her-anzuziehen, dass nach Rechtshängigkeit die gerichtliche Zu-ständigkeit durch eine Veränderung der sie begründenden Um-stände nicht berührt wird (vgl. § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO und § 83VwGO i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 1 GVG).

dd) Im Hinblick auf die Bedeutung effektiven Rechtsschutzeshätte in den angegriffenen gerichtlichen Beschluss die Erwä-gung einbezogen werden müssen, dass hierdurch der ableh-nende Bescheid der RAK H. bestandskräftig wurde. Dadurch istin erheblicher Weise in die Berufsausübungsfreiheit der Bfin.eingegriffen worden, sofern sie auf die Bezeichnung nach demGesetz Anspruch hatte, die Entscheidung also von Anfang anrechtswidrig war. Es stünde dann ohne eine sachliche gerichtli-che Überprüfung als Ergebnis prozessualer Handhabung fest,dass die Voraussetzungen für die Verleihung der Fachanwalts-bezeichnung bei der Bfin. nicht vorlagen, was sogar bei einerUmzulassung aufgrund eines neuen Antrags zu berücksichti-gen wäre. Hinzu kommt, dass die Frist von drei Jahren für denNachweis der selbständig bearbeiteten Fälle gem. § 5 FAO vonder Antragstellung ab berechnet wird, so dass die angegriffenegerichtliche Entscheidung bereits aus zeitlichen Gründen dazuführen kann, dass ein Teil der von der Bfin. als Syndikusanwäl-tin bearbeiteten Fälle nicht mehr berücksichtigt werden kann,obwohl der BGH auch die Erfahrungen eines Syndikusanwaltsfür berücksichtigungsfähig hält (vgl. BGH, NJW 2001, 3130).

ee) Die Gewährung effektiven Rechtsschutzes hat das Gerichtferner durch sein Vorgehen nach der Übergabe des Antrags derBfin. auf erneute Zulassung im Bezirk der RAK H. in der münd-lichen Verhandlung an den Vertreter der Agin. vereitelt. Die Bfin.wollte offenbar – ungeachtet ihres eigenen Rechtsstandpunktes– auf die geäußerte Rechtsansicht des Gerichts reagieren, dochnoch eine sachliche Überprüfung des angefochtenen Bescheidszu erreichen. In der gerichtlichen Entscheidung wird hieraufnicht eingegangen, obgleich sich aufgedrängt hätte, um eineAussetzung oder die Vertagung der Verhandlung in Erwägung zuziehen, bis über den Antrag auf Zulassungswechsel entschiedenworden ist.

3. Soweit die Bfin. in der Ablehnung ihres Antrags auf Verlei-hung der Bezeichnung „RAin für Arbeitsrecht“ durch die RAK H.eine Verletzung von Art. 12 Abs. 1 GG sieht, ist die Annahmeder Verfassungsbeschwerde derzeit nicht angezeigt, da hierzueine gerichtliche Entscheidung in der Sache bisher fehlt.

186 Berufsrechtliche Rechtsprechung BRAK-Mitt. 4/2002

Bundesverfassungsgericht

Begehren auf einegerichtliche

Entscheidung hatsich nicht erledigt

Keine Gewährungeffektiven

Rechtsschutzes

Anwaltliche Werbung – zur Verwendung der Internet-Domain www.presserecht.de für anwaltliche Tätig-keit; BRAO § 43b; BORA § 6; UWG § 3

* 1. Die von einem RA verwendete Domain „www.presse-recht.de“ verstößt gegen § 43b BRAO i. V. m. § 6 BORA.

* 2. Wer eine Homepage mit der Bezeichnung eines Rechtsge-bietes verwendet ohne jeden weiteren Hinweis darauf, dass essich um eine Anwaltshomepage handelt, täuscht den Internet-nutzer.

* 3. Mit der Verwendung des allgemeinen Begriffs „Presse-recht“ erreicht ein Anwalt eine Kanalisierung von Kundenströ-men und verschafft sich dadurch eine Alleinstellung, die geeig-net ist, diesem unter der Vielzahl seiner Kollegen einen Vor-sprung im Zugang zu Mandanten zuzuweisen.

AGH Berlin, Beschl. v. 25.4.2002 – I AGH 11/01 (n. r.)

Aus den Gründen:

I. Der Ast. ist ein in Berlin zugelassener RA und schwerpunkt-mäßig auf dem Gebiet des Presserechtes tätig. Die RAK wurdevon Kollegen im September 2000 unterrichtet, dass der Ast.eine Homepage unter Verwendung der Internet-Domain www.presserecht.de betreibt. Nach allgemeinen Ausführungen überWesen und Bedeutung der Pressefreiheit heißt es dann wörtlichauf der Internetseite wie folgt: „Mit dem Internet-Forum Presse-recht.de will die Rechtsanwaltskanzlei (…) Berlin dafür einePlattform bieten.“ Es werden dann Nachrichten angeboten überEntscheidungen, Beiträge, Gesetzestexte, aktuelle Nachrichtensowie die Seite „Über uns“, in der die Kanzlei sich selbst vor-stellt, Arbeitsschwerpunkte mitteilt und darauf verweist, dass dieKanzlei die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissen-schaft, den Berliner Rundfunk 91,4, Lausitzer Rundschau, Mär-kische Oderzeitung und den Trierischen Volksfreund berät, imÜbrigen auch einen „ausgewählten Mandantenstamm flexibelund erfolgreich“ berät und vertritt.

Die Agin. wandte sich mit Schreiben v. 31.1.2001 an den Kol-legen und wies darauf hin, dass nach ihrer Auffassung die Wer-bung unsachlich sei und zudem der Domain-Begriff standes-und wettbewerbswidrig sei. Die Kammer erwäge deshalb, eineRüge zu erteilen, der Ag. möge sich zu den erhobenen Vorwür-fen äußern. Der Ag. erwiderte mit Schreiben v.16.2.2001 und rügte zunächst das Verfahren, ohne in der Sacheselbst Stellung zu nehmen. Daraufhin erteilte die Agin. dem Ast.unter dem 6.6.2001 eine Rüge und untersagte gleichzeitig dieVerwendung der Internet-Domain unter dem Namenwww.presserecht.de. Gegen den dem Ast. am 8.6.2001 zuge-stellten Bescheid wurde durch Schriftsatz v. 3.7.2001 seiner Ver-fahrensbevollmächtigten, der am 7.7.2001 beim AGH einge-gangen ist, Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt, soweitmit diesem Bescheid die Untersagung der Verwendung des Do-main-Namens verfügt wird. Zur Begründung führt der Ast. aus,dass der angegriffene Bescheid lediglich mit einem Hinweis aufein vorangegangenes Schreiben begründet sei, was nicht aus-reiche. Es fehle an einer ordnungsgemäßen Anhörung, derBescheid sei zudem nur von dem Abteilungsvorsitzenden un-terzeichnet. Zudem sei die Verwendung des Domain-Namensweder eine irreführende Werbung noch unter wettbewerbs-rechtlichen Gesichtspunkten zu beanstanden. Er verweist

schließlich auf weitere Anwaltskanzleien, die lnternetseiten un-ter gegnerischen Domains betreiben. Der Ast. beantragt, denBescheid der Agin. vom 6.6.2001 aufzuheben, soweit dem Ast.damit untersagt wird, für seine anwaltliche Tätigkeit die Internet-Domain www.presserecht.de zu verwenden.

Die Agin. hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen. Sie ver-weist darauf, dass sie als Berufsorganisation im Rahmen der ihrübertragenen Aufgaben Belehrungen erteilen könne und imRahmen dieser Belehrung auch die Einleitung bestimmter Kon-sequenzen verlangen dürfe. Das normale Verfahren vor Ertei-lung der Rüge und der Untersagung der .Verwendung des Do-main-Namens sei eingehalten worden, weil dem Ast. rechtli-ches Gehör gewährt worden sei. Der dem Ast. zugestellteRügebescheid sei vom Abteilungsvorsitzenden eigenhändig un-terzeichnet worden, der in den Akten verwahrte Originalbe-schluss von allen an der Entscheidung beteiligten Vorstandsmit-gliedern unterzeichnet worden. Die Verwendung des Domain-Namens sei sowohl ein Verstoß gegen das Sachlichkeitsgebotbei der Werbung des RA wie auch eine irreführende Werbung,weil damit eine Branchenbesetzung erfolgt sei und beim recht-suchenden Publikum der Eindruck erweckt werde, es handelesich wenn nicht um den einzigen, so doch um den führendenRA in dieser Branche.

II. Der zulässige und rechtzeitig gestellte Antrag des Ast. ist un-begründet. Der angegriffene Bescheid ist weder formal noch imErgebnis zu beanstanden.

1. Das von der Kammer gewählte Verfahren, dem Ast. die Ver-wendung des beanstandeten Domain-Begriffes zu untersagen,ist formal nicht zu beanstanden. Zu den Aufgaben der RAKgehört gem. § 73 BRAO auch die Belehrung der Mitglieder derKammer in Fragen der Berufspflichten. Dabei kann eine Beleh-rung auch mit einer Aufforderung verbunden sein, künftig ent-sprechend dieser Rechtsauffassung zu handeln, weil eine solcheAufforderung nur eine Nebenfolge der erteilten Belehrungist (vgl. Feuerich/Braun, Kommentar zur BRAO, 5. Aufl., § 73Rdnr. 21; Jesnitzer/Blumenberg, § 73 Rdnr. 4). Folgerichtig wirdallgemein davon ausgegangen, dass eine solche mit einer Auf-forderung verbundene Belehrung auch gem. § 223 BRAO an-fechtbar sei (vgl. Feuerich/Braun, a.a.O., § 223 Rdnr. 28; Henss-ler/Prütting, Kommentar zur BRAO, § 223 Rdnr. 16).

2. Die Agin. hat dem Ast. rechtliches Gehör gewährt, in dem sieim Schreiben v. 31.1.2001 unter Hinweis auf die Homepageihre Rechtsauffassung darlegte und ihm Gelegenheit zur Stel-lungnahme gab. Damit war dem Ast. der Sachverhalt zur Kennt-nis gegeben, den die Agin. später zur Grundlage ihrer Entschei-dung machte, er hatte zudem Gelegenheit, sich hierzu zuäußern. Mehr aber wird für die Gewährung rechtlichen Gehörsnicht verlangt.

3. Die vom Ast. verwandte Do-main www.presserecht.de istzwar unter wettbewerbsrechtli-chen Gesichtspunkten nicht zubeanstanden, es verstößt jedoch

gegen § 43 b BRAO i.V.m. § 6 BORA. Die Rspr. zur Verwendungderartigen Domains war bis zur Entscheidung des BGH vom17.5.2001 (I ZR 216/99, Revisionsentscheidung zum Urteil desOLG Hamburg www.mitwohnzentrale.de) nicht eindeutig. lndieser Entscheidung hat der BGH die Übung, Gattungsbegriffe

BRAK-Mitt. 4/2002 Berufsrechtliche Rechtsprechung 187

Anwaltsgerichtliche Rechtsprechung

Anwaltsgerichtliche RechtsprechungOrientierungssätze/*Leitsätze der Redaktion

www.presserecht.deverstößt nicht gegenWettbewerbsrecht

als Internetadresse zu verwenden, als rechtmäßig anerkannt.Allein mit dem Argument einer Kanalisierung von Kundenströ-men lasse sich eine Wettbewerbswidrigkeit nicht begründen.Ein Abfangen von Kunden durch Verwendung eines solchen Do-main-Namens sei nur dann unlauter, wenn sich der Werbendezwischen den Mitbewerber und dessen Kunden stellt, um die-sem eine Änderung des Kaufentschlusses aufzudrängen. Mit derVerwendung des Gattungsbegriffes geschehe dieses aber nicht.Der Verwender habe nur einen sich bietenden Vorteil genutzt,ohne dabei in unlauterer Weise auf bereits den Mitbewerbernzuzurechnende Kunden einzuwirken. Gleichzeitig hat der BGHaber klargestellt, dass die Zulässigkeit der Verwendung von be-schreibenden Begriffen als Domain-Namen auch Grenzenhabe. Zum einen könne sie missbräuchlich sein, wenn der Ver-wender nicht nur die Gattungsbezeichnung unter einer Top-Le-vel-Domain (hier „de“) nutzt, sondern gleichzeitig andereSchreibweisen oder die Verwendung derselben Bezeichnungunter anderen Top-Level-Domains blockiert. Zum anderendürfte die Verwendung von Gattungsbezeichnungen aber auchnicht irreführend sein.

Unter Berücksichtigung dieser Rspr. ist die Wahl der Interneta-dresse durch den Ast. mindestens unter dem Gesichtspunkt desstandeswidrigen Herausstellens der eigenen Leistung und we-gen Irreführung zu beanstanden.

a) Die Wahl der Internetadressedes Ast. zur Bezeichnung einerAnwaltshomepage ist irreführendund damit unsachlich i.S.v.§ 43b BRAO. Wer eine Home-

page mit der Bezeichnung eines Rechtsgebietes verwendet ohnejeden weiteren Hinweis darauf, dass es sich um eine Anwalts-homepage handelt, täuscht den Internet-Nutzer (so auch Müller,Internet-Domains von Rechtsanwaltskanzleien, WRP 2002,160/163). Dass es sich bei dem streitgegenständlichen Inter-netangebot um die Homepage eines RA handelt, steht nach An-sicht des Gerichts außer Zweifel. Dies ergibt sich schon daraus,dass die Internetseite mit den Worten „Ein Service der Rechts-anwaltskanzlei“ (…) eingeleitet wird, sowie aus dem Umstand,dass ein wesentlicher Teil des Internet-Auftritts die über den Link„Über uns – Kontakt“ angebundene Unterseite darstellt, die aus-schließlich Informationen zur Kanzlei des Ast. enthält, insbe-sondere die neue Kanzleianschrift sowie die Telekommunika-tionsnummern. Dem steht nicht entgegen, dass der an letzterStelle in der linken Zeile aufgeführte Link mit der Bezeichnung„Arbeitsgemeinschaft der Verlagsjustiziare“ auf eine entspre-chende weitere Unterseite verweist. Dieser Link ist nicht nurdurch einen Strich erkennbar abgesetzt von den sonstigen, of-fenbar vorrangigen Verweisen, die betreffende Seite enthält zu-dem nur relativ nichtssagende Informationen zu einer in wel-cher Rechtsform auch immer bestehenden Arbeitsgemeinschaft.Irgendwelche konkreten Aktivitäten dieser Arbeitsgemeinschaftgehen aus der Internetseite jedenfalls nicht hervor. Im Übrigenist dieser Bereich ausdrücklich als zugriffsbeschränkt gekenn-zeichnet. Mit der Eingabe der Internetadresse „Presserecht“ ge-ben Internetnutzer nach allgemeiner, dem erkennenden Gerichtaufgrund eigener Sachkunde geläufiger Erfahrung zu erkennen,dass sie ganz allgemeine Informationen über das Presserecht (Li-teratur, Publikationen, Link- oder Entscheidungssammlungen,Gesetzestexte, Veranstaltungen zum Presserecht etc.) suchen.Sie bringen mit der Eingabe der Internetadresse „Presserecht“ je-denfalls nicht unmittelbar die Erwartung zum Ausdruck, auf dieInternetseite eines bestimmten, in Berlin ansässigen RA gelan-gen zu wollen, der sich angabegemäß auf das Presserecht spe-zialisiert hat. In diesem Fall hätten sie über Suchmaschinen un-ter Eingabe der Begriffskombination „RA“ und „Presse“ wesent-lich schneller Erfolg. Die Irreführung wird auch nicht dadurchrelativiert, dass ein Internetnutzer möglicherweise relativ

schnell bemerkt, dass er nicht die von ihm gesuchten allgemei-nen Informationen zum Presserecht, sondern das Angebot einerindividuellen Einzelkanzlei vorfindet. Selbst wenn nämlich dieerwähnte Fehlvorstellung durch den weiteren Inhalt der Inter-netseiten des Ast. wieder beseitigt würde, liegt eine Irreführungi.S.d. § 3 UWG jedoch schon dann vor, wenn ein nicht uner-heblicher Teil des Publikums durch Angaben, die geeignet sindirrezuführen, angelockt und veranlasst wird, sich mit dem be-worbenen Angebot überhaupt oder näher zu befassen (st. Rspr.vgl. z.B. BGHZ 104, 384, 385 – Fachkrankenhaus; BGH, Urt. v.18.12.1981 – I ZR 198/79, GRUR 1982, 242, 244 = WRP 1982,270, 271 – Anforderungsscheck für Barauszahlungen; Urt. v.21.4.1988 – I ZR 82/86, GRUR 1988, 100, 702 = WRP 1989,13, 15 – Meßpuffer; Urt. v. 8.6.1989 – 1 ZR 233/87, GRUR1989, 855, 856 = WRP 1990, 235, 236 – Teilzahlungskauf II;Urt. v. 1.2.1990 – I ZR 161/87, GRUR 1990, 532, 533 = WRP1990, 701, 702 – Notarieller Festpreis).

b) Die Verwendung der Internetadresse „Presserecht“ für eineAnwalts-Homepage verletzt das Sachlichkeitsgebot gem. § 43bBRAO auch unter dem Gesichtspunkt des unzulässigen Sich-Herausstellens. Nach § 43b BRAO ist dem RA Werbung nur er-laubt, soweit sie über die berufliche Tätigkeit in Form und Inhaltsachlich unterrichtet und nicht auf die Erteilung eines Auftragesim Einzelfall gerichtet ist. Gemessen an Art. 121 GG beschränkt§ 43b BRAO das Werbeverbot im Kern auf die Verbote der „ir-reführenden Werbung“ und der „gezielten Werbung um Praxis“,das auch ein „reklamehaftes Sich-Herausstellen“ gegenüber Be-rufskollegen umfasst. Im vorliegenden Fall bewirkt die Wahl derInternetadresse, dass alle Internetnutzer bei Eingabe der URL„www.presserecht.de“ ausschließlich Zugang zur Homepagedes Ast. erhalten. Zwar hat der BGH in der Entscheidung „Mit-wohnzentrale“ ausgeführt, dass allein die Kanalisierung vonKundenströmen keine Wettbewerbswidrigkeit i.S.d. UWG be-gründen könne, wenn der Werbende mit der Verwendung desGattungsbegriffs nur einen sich ihm bietenden Vorteil genutzthabe, ohne dabei in unlauterer Weise auf bereits dem Mitbe-werber zuzurechnende Kunden einzuwirken. In dem vom BGHentschiedenen Fall ging es jedoch allein um die Anwendung desUWG auf nicht standesrechtlich gebundene Gewerbetreibende,während im vorliegenden Fall zusätzlich die Besonderheitendes anwaltlichen Berufsrechts zu berücksichtigen sind. Ein RAist nämlich kein Gewerbetreibender, sondern ein unabhängigesOrgan der Rechtspflege (§ 1 BRAO), das sich bei seiner Tätigkeitnicht maßgeblich vom Streben nach Gewinn, sondern von derVerwirklichung des Rechts seines Mandanten leiten lässt. So solldas Vertrauen der Rechtsuchenden darin gestärkt werden, dassAnwälte nicht aus Gewinnstreben zu Prozessen raten oder dieSachbehandlung an Gebühreninteressen ausrichten (BVerfG,NJW 1988, 195). Dieser Unterschied tritt besonders im Bereichder Werbung in Erscheinung. Werbung, die diesen Unterschiedaufhebt, wird in st. Rspr. der Anwaltsgerichte als berufswidrigangesehen. Danach sind neben dem Verbot der irreführendenWerbung insbesondere aufdringliche Werbemethoden unzu-lässig, die Ausdruck eines rein geschäftsmäßigen, ausschließlichan Gewinn orientierten Verhaltens sind. Dazu gehören das un-aufgeforderte direkte Herantreten an potentielle Mandanten (ge-zielte Werbung) und das sensationelle oder reklamehafte Sich-Herausstellen (BVerfG, NJW 1992, 1613). Das Urteil des BGH„Mitwohnzentrale“ kann daher auf die vorliegende, maßgeblichvom Berufsrecht geprägte Fallkonstellation nicht übertragenwerden. Wenn demgemäß eine Kanalisie-rung von Kundenströmen vorliegtund diese auf das Verhalten desAnwalts zurückzuführen ist undzu einem reklamehaften Heraus-stellen führt, verstößt dies – un-

188 Berufsrechtliche Rechtsprechung BRAK-Mitt. 4/2002

Anwaltsgerichtliche Rechtsprechung

Adresse als RA-Home-page ist irreführend

und unsachlich

Kanalisierung vonKundenströmen und

reklamehaftesHerausstellen

beschadet des erwähnten BGH-Urteils – gegen anwaltliches Be-rufsrecht. Bei einer Internetrecherche kommt als Suchmöglich-keit neben der Verfolgung von Links und dem Zugriff auf Such-maschinen insbesondere die direkte Eingabe der Internetadressein Betracht. Insbesondere bei der Suche nach allgemeinen The-men wie etwa dem „Presserecht“ muss sich der Nutzer bei Ver-wendung von Suchmaschinen in aller Regel durch eine mehrere10 000 Einträge umfassende Ergebnisliste arbeiten. Dies veran-lasst einen nicht unerheblichen Teil der Nutzer zu einer deutli-chen Zurückhaltung bei der Verwendung von Suchmaschinen.Insoweit bietet sich nämlich als einfacherer Weg zur Erzielungeines zufrieden stellenden Ergebnisses vor allem die direkte Ein-gabe verschiedener, in Bezug auf das Suchthema nahe liegen-der Domains an. Dabei weiß der Internetnutzer, dass die Ver-wendung allgemeiner, nicht kennzeichnungskräftiger Gattungs-bezeichnungen als Domainnamen weit verbreitet ist und beidirekter Eingabe zielsicheren Zugriff auf die gewünschten Infor-mationen und Anbieter gewährleistet. Diese Verbraucherge-wohnheiten nutzt der Ast. aus. Mit der Verwendung des allge-meinen Begriffs „Presserecht“ lenkt er all diejenigen Nutzer aufseine Homepage, die sich mittels der direkten Eingabe der Do-main ohne konkrete Kenntnis des Website-Betreibers ganz all-gemein Informationen zum Presserecht, nicht jedoch aus-schließlich über einen einzelnen RA bzw. eine einzelne An-waltskanzlei verschaffen wollen.

Durch diese Kanalisierung vonKundenströmen verschafft sichder Ast. eine Alleinstellung. Diedirekte Eingabe der Domain be-

wirkt ausschließlich den Zugang zur Homepage des Ast. DerAst. verschafft sich durch die monopolisierende Besetzung derallgemeinen Bezeichnung „Presserecht“ einen privilegiertenZugang zu potentiellen Mandanten. Dahinter steht jedenfallsauch die Motivation, im Internet über das normale Maß hinausAufträge erteilt zu bekommen. Die Domain „Presserecht“ ist ge-eignet, einem RA unter der Vielzahl seiner Kollegen einen Vor-sprung im Zugang zu Mandanten zuzuweisen (LG München,CR 2001, 128). Internetnutzer, die an Rechtsfragen im Zusam-menhang mit der Presse oder gar an der Beantwortung einerkonkreten Rechtsfrage im Zusammenhang mit dem Presserechtinteressiert sind, werden auf die Seite des Anwaltsbüros des Ast.geleitet, welches man im Allgemeinen unter dem Begriff „Pres-serecht“ zunächst nicht vermutet. Sie werden sich sodann miteiner gewissen Wahrscheinlichkeit mit den Dienstleistungendes Ast. näher befassen und ihm möglicherweise Mandate er-teilen. Es ist nicht erkennbar, dass der Ast. mit seinem Internet-auftritt ausschließlich andere Zwecke verfolgt. Dieser Beurtei-lung steht auch die Entscheidung des OLG Hamburg (WRP2001, 717 „startup.de“) nicht entgegen. Das OLG hat ausge-führt, dass eine unlautere Absatzbehinderung dann vorliegt,wenn sich aus der Besonderheit der lnternetadresse für das an-gesprochene Publikum die Vorstellung ergibt, dort über das be-treffende Angebot umfassend informiert zu werden, und es sodadurch davon abgehalten wird, auch noch weitere Anbieter imInternet aufzusuchen. Das Gericht verneinte bezüglich der In-ternetadresse jedoch zu Recht eine Kanalisierungsfunktion, daein Internet-Nutzer verständigerweise von vorneherein nicht da-von ausgeht, dass er unter der Internetadresse „www.start-up.de“ ein vollständiges Beratungsangebot über Unterneh-mensgründungen vorfinden wird. Anders verhält es sich jedochbei der Internetadresse „Presserecht“, die aufgrund ihrer umfas-senden Bezeichnung eines kompletten Rechtsgebietes einebenso umfassendes Informationsangebot erwarten lässt. DerAst. kann sich schließlich nicht darauf berufen, dass andere RAeim Internet ebenfalls beschreibende Domains benutzen. Zumeinen mögen diese anderweitigen Internetangebote ebenfallsberufswidrig sein. Zum anderen ist dem Gericht aus eigener An-schauung bekannt, dass nahezu jede größere Anwaltskanzlei in

Deutschland eine Internet-Seite unterhält, deren Internetadresseaber im Wesentlichen nicht aus einer beschreibenden Angabe,sondern normalerweise aus dem Kanzleinamen oder einem ausihm abgeleiteten Kürzel besteht. Die vom Ast. angeführten An-gebote von Anwaltskanzleien mit beschreibender Internet-adresse vermögen demgegenüber schon aufgrund ihrer zahlen-mäßigen Geringfügigkeit nicht den Nachweis für eine abwei-chende allgemeine Übung zu erbringen.

III. 1. Die sofortige Beschwerde war gem. § 223 Abs. 3 BRAOzuzulassen, da über eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Be-deutung zu entscheiden war.

Anmerkung:Die nicht rechtskräftige Entscheidung des AGH Berlin ergingzum anwaltlichen Berufsrecht, sie hat jedoch durch die Fall-gruppe des „Vorsprungs durch Rechtsbruch“ auch Bedeutungfür die wettbewerbsrechtliche Beurteilung anwaltlicher Internet-Präsenzen.

Der AGH führt zwei Gründe an, aufgrund derer die Verwendungder Domain „presserecht.de“ zur Bezeichnung einer Anwalts-homepage einen Verstoß gegen das Sachlichkeitsgebot nach§ 43b BRAO i.V.m. § 6 BORA darstellen soll: Erstens stelle dieVerwendung dieser Domain im vorliegenden Fall eine Irre-führung dar. Die hierzu erforderliche Fehlvorstellung sieht derAGH in einer Erwartung des Nutzers, unter dieser Domain einumfassendes Informationsangebot zum Presserecht vorzufin-den. Die auf der Seite des Ast. vorgehaltenen Texte sollen nichtzur Vermeidung einer Irreführung ausreichen, da die Seite da-rüber hinaus auch umfangreiche Angaben zu dessen Kanzleiund anwaltlicher Tätigkeit enthält.

Ob ein Internet-Nutzer mit der genannten Domain tatsächlicheine derart konkrete Vorstellung verbindet, kann bezweifelt wer-den. Bei der Vergabe einer DE-Domain spielt es regelmäßigkeine Rolle, welche Inhalte mit ihr bezeichnet werden sollen.Dem Anbieter steht die Gestaltung seiner Internet-Seitengrundsätzlich frei. Dementsprechend weisen die Inhalte man-cher Seiten kaum eine Beziehung zur Wortbedeutung der ver-wendeten Domain auf. Viele Domains werden überdieszunächst nur registriert, ohne dass unter ihnen auch ein Infor-mationsangebot vorgehalten wird. Diese Unzulänglichkeitender Suche nach Inhalten über die Eingabe von Begriffs-Domainssind der Mehrzahl der Nutzer bekannt.

In den letzten Jahren hat sich zwar in bestimmten Bereicheneine Übung herausgebildet, die einigermaßen verlässlicheRückschlüsse von der Wortbedeutung einer Domain auf dasunter ihr vorgehaltene Angebot zulässt. So findet man unterdenjenigen Domains, die auf geschützte Kennzeichen wie Na-men oder Marken lauten, im Regelfall ein Angebot des Kenn-zeicheninhabers. Die Regelungen des Kennzeichenrechts unddie einschlägige Rspr. haben insoweit zu einer allgemeinenÜbung geführt. Gibt man hingegen einen Gattungsbegriff in dieURL-Zeile des Browsers ein, so erweist sich diese Suchmethodebereits als erheblich weniger zielgenau. Die allgemeine Übungwird in diesem Bereich von der wettbewerbsrechtlichenRechtslage bestimmt, in dessen Geltungsbereich die Nutzungvon Gattungsdomains zu wettbewerbsrechtlich relevantenZwecken nicht schlechthin irreführend ist. Auch der AGH ver-tritt die Auffassung, dass die Domain „presserecht.de“ unterrein wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten nicht zu bean-standen sei.

Dass es darüber hinaus eine allgemeine Übung gibt, wonachGattungsdomains vorwiegend zur Bezeichnung allgemeiner In-formationsangebote verwendet werden, ist in dieser Allgemein-heit kaum anzunehmen. Nicht jeder Internet-Anbieter verfolgtdas Ziel, den Nutzer passend zur Wortbedeutung des verwen-deten Domainbegriffs sachlich zu informieren. Hierzu besteht

BRAK-Mitt. 4/2002 Berufsrechtliche Rechtsprechung 189

Anwaltsgerichtliche Rechtsprechung

Verschaffung einerAlleinstellung

auch keine allgemein gültige Verpflichtung. Soweit man es fürwünschenswert hält, Gattungsbegriffe für Informationsportalefrei zu halten, bedürfte dies einer eindeutigen gesetzlichen odersatzungsmäßigen Regelung. Das Irreführungsverbot des Berufs-und Wettbewerbsrechts ist für eine solche Ordnungsaufgabewenig geeignet, da es allein auf die zurzeit herrschenden Ge-pflogenheiten abstellt, die gerade im vorliegenden Fall nicht ein-deutig sind.

Man wird daher die relevanten Erwartungen des durchschnittli-chen Nutzers dahin reduzieren können, dass er bei Eingabe derDomain „presserecht.de“ lediglich erwartet, dort möglicher-weise irgendwelche, nicht näher bestimmten Inhalte zumThema vorzufinden. Hierzu kann durchaus auch das Informati-onsangebot eines Anwalts gehören, der sich beruflich mit dieserMaterie befasst. Dies sollte jedenfalls dann gelten, wenn es nichtausschließlich aus Selbstanpreisungen besteht, sondern auchpresserechtliche Informationen enthält. Die auf der Seite eben-falls vorhandenen Angaben zur Kanzlei und zur Tätigkeit desAnbieters werden den Nutzer kaum irritieren, sofern er dortüberhaupt ein Informationsangebot vorfindet, das eine Bezie-hung zu dem eingegebenen Domain-Begriff aufweist. Es kannjedenfalls nicht mit Sicherheit angenommen werden, dass untereiner Gattungsdomain stets eine wettbewerbsneutrale, rein aufden Domainbegriff bezogene Internet-Präsenz erwartet wird.

Der zweite vom AGH angeführte Rechtsgrund ist die Verletzungdes berufsrechtlichen Sachlichkeitsgebotes unter dem Gesichts-punkt des unzulässigen Sich-Herausstellens. Die in der Ent-scheidung genannten Fallgruppen treffen den vorliegenden Fallindes nicht unmittelbar. Weder ist die Nutzung einer Domainein unaufgefordertes direktes Herantreten an potentielle Man-danten, noch kann in dem Wort „Presserecht“ etwas Reklame-haftes gesehen werden. Die Kritik richtet sich vielmehr gegenden nicht eindeutig geregelten Aspekt der Vereinnahmung einesallgemeinen Begriffes durch einen einzelnen Rechtsanwalt unddie Nutzung der daraus resultierenden Vorteile. Geht man davon aus, dass der durchschnittliche Nutzer bei Ein-gabe der Domain auch damit rechnet, das Internet-Angebot ei-nes RA vorzufinden, so ist nicht erkennbar, dass die Nutzung derVorteile einer Gattungsdomain stets ein unzulässiges Sich-Her-ausstellen i.S. eines aufdringlichen, rein geschäftsmäßigen undausschließlich am Gewinn orientierten Verhaltens sein muss.Eine solche Auslegung würde letztlich auf ein Verbot der Nut-zung solcher Domains durch RAe hinauslaufen. Damit wäre derAnwaltschaft ebenfalls die Möglichkeit versperrt, unter solchenDomains ein qualitativ hochwertiges Informationsangebot vor-zuhalten, das keinerlei Züge einer aufdringlichen Selbstanprei-sung aufweist. Eine derartige Beschränkung läge zumindestnicht i.S.d. informationssuchenden Nutzers. Auch der Umstand, dass jede Domain nur ein einzelnes Inter-net-Angebot bezeichnen kann, dass mithin ein einzelner RA ei-nen bestimmten Begriff zur Bezeichnung seiner Homepage mo-nopolisieren kann, vermag ohne das Hinzutreten weiterer Um-stände die Annahme eines unsachlichen Herausstellens dereigenen Leistung nicht zu begründen. Es handelt sich um eineim System der Domain-Namen selbst begründete Eigenart, diealle Internet-Anbieter betrifft. Hierzu hat sich der BGH in seinerMitwohnzentrale-Entscheidung im Einzelnen geäußert. DieseProblematik weist auch keine besonderen berufsrechtlichenAspekte auf. Es besteht daher kein Erfordernis, von den durchden BGH aufgestellten Grundsätzen abzuweichen. Ein unzulässiges Sich-Herausstellen sollte in der Nutzung der Vor-teile, die sich aus der Verwendung einer Gattungsdomain erge-ben, mithin nur dann gesehen werden, wenn aus den Inhalten derbetreffenden Seiten hervorgeht, dass es dem Anbieter ausschließ-lich auf das Anpreisen der eigenen Leistung und nicht zumindestauch auf eine sachliche Information der Nutzer ankommt.

Rechtsanwalt Dr. Dieter Heskamp, Essen

Syndikusanwalt – zur Anerkennung besonderer prak-tischer Erfahrungen; BRAO § 46; FAO §§ 5, 6

* 1. Die Bearbeitung einzelner Fälle als Syndikus reicht selbstdann nicht aus, wenn der Syndikus im Zweitberuf RA ist, danach herrschender Rspr. des BGH die Tätigkeit des Syndikuskeine anwaltliche Tätigkeit ist.

* 2. Nach dem Willen der Satzungsversammlung sollte bei demNachweis der praktischen Erfahrungen auf dem Fachgebiet be-wusst an die formale Voraussetzung der selbständigen Bearbei-tung bestimmter Fallzahlen als RA angeknüpft werden, wobei„selbständig“ i.S. einer anwaltlichen Unabhängigkeit auszu-legen ist.

* 3. Bei der Tätigkeit, die der Syndikus für seinen Dienstherrenleistet, sind die den Grundsatz der freien Advokatur kenn-zeichnenden typischen Wesensmerkmale der freien Berufs-ausübung, die das Bild des RA bestimmen, als nicht gegebenanzusehen.

AGH Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 15.2.2002 – 1 ZU 52/00(n.r.)

Aus den Gründen:

I. Die im Jahre 1956 geborene Astin. ist seit dem 25.7.1990 alsRAin bei dem AG Köln und dem LG Köln zugelassen. Seit dem1.2.1999 ist sie als juristische Mitarbeiterin (Syndikusanwältin)in der Bundesgeschäftsstelle des (…) angestellt. Ihr dienstlicherEinsatz erfolgt in Bonn, Berlin bzw. an anderen Orten in derBundesrepublik Deutschland. Nach dem schriftlichen Anstel-lungsvertrag v. 26.11.1998 beträgt ihr monatliches Bruttogehalt7150,00 DM. Nebentätigkeiten bedürfen der vorherigen Zu-stimmung des (…). Mit Freistellungserklärung v. 7.9.1999 wurdeder Astin. unwiderruflich gestattet, ihren Arbeitsplatz uneinge-schränkt und jederzeit zur Wahrnehmung ihrer anwaltlichenGeschäfte zu verlassen. Sie durfte auch jederzeit während derDienststunden in ihrer Kanzlei für ihre Mandantschaft anwalt-lich tätig werden.

Mit Schreiben v. 3.4.2000 beantragte die Astin. bei der Agin., ihrdie Führung der Bezeichnung „Fachanwältin für Arbeitsrecht“gem. § 4, 5, 10 FAO zu gestatten. Ihrem Antrag fügte sie 3 Be-scheinigungen der juristischen Fachseminare – Institut für ange-wandtes Recht –, Bonn, v. 20.8.–20.9. und 5.10.1997 über dieerfolgreiche Teilnahme an einem Fachlehrgang im Arbeitsrechtmit positiven Klausurergebnissen bei. Zum Nachweis ihrer be-sonderen praktischen Erfahrungen im Fachgebiet überreichtedie Astin. eine Fall-Liste über die von ihr im Zeitraum 1997–2000 bearbeiteten 127 Arbeitsrechtsmandate sowie eine Anlage„Ergänzungen zur Kurzbeschreibung“. Gleichzeitig teilte dieAstin. im Antrag v. 3.4.2000 mit, dass die Fälle lfd. Nr. 1–24 und127 von ihr im Rahmen ihrer damals nebenberuflichen Tätigkeitals RAin im Büro der RAe (…), heute RAe (…), in Köln bearbei-tet worden seien; die Bearbeitung der ab lfd. Nr. 25 aufgeliste-ten Fälle sei im Rahmen ihrer Tätigkeit als Syndikusanwältinbeim (…) erfolgt.

Mit Bescheid v. 21.8.2000 lehnte die Agin. den Antrag auf Ge-stattung der Führung der Bezeichnung „Fachanwältin für Ar-beitsrecht“ ab mit der Begründung, dass die Astin. die überwie-gende Zahl ihrer Arbeitsrechtsfälle im Rahmen ihrer Syndikus-tätigkeit beim (…) bearbeitet habe. Angesichts der Entscheidungdes BGH v. 13.3.2000 (AnwZ (B) 25199, BRAK-Mitt. 2000, 143)sah sich die Agin. außerstande, diese Fälle als anwaltliche Fällei.S.d. FAO anzuerkennen.

Gegen diesen der Astin. am 4.9.2000 durch Niederlegungzugestellten Bescheid richtet sich der beim AGH am 29.9.2000 eingegangene Antrag auf gerichtliche Entscheidung v.28.9.2000.

190 Berufsrechtliche Rechtsprechung BRAK-Mitt. 4/2002

Anwaltsgerichtliche Rechtsprechung

Die Astin. hält den angefochtenen Bescheid für rechtswidrig,Ihre Tätigkeit als angestellte Syndikusanwältin beim (…) sei imHinblick auf die von ihr gesammelten praktischen Erfahrungenauf dem Gebiet des Arbeitsrechts der eines RA gleich zu er-achten; sie habe die von ihr nachgewiesenen Fälle als freie undnicht weisungsgebundene Anwältin bearbeitet. Auch sei sienicht für ihren Arbeitgeber – (…) – tätig geworden, sondern seiin den von ihr benannten Fällen mit Vollmacht rechtschutz-suchender Gewerkschaftsmitglieder für diese selbst – nicht fürihren Arbeitgeber - tätig geworden. Diese forensische Tätigkeitsei nicht vom Verbot des § 46 BRAO betroffen. Es handele sichum uneingeschränkt anwaltliche Tätigkeit.Die Astin. beantragt, den Beschl. v. 19.8.2000 aufzuheben undihr das Führen der Bezeichnung „Fachanwältin für Arbeitsrecht“zu gestatten. Die Agin. beantragt, den Antrag auf gerichtlicheEntscheidung zurückzuweisen.II. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist form- und frist-gerecht gestellt und damit zulässig. Er bleibt jedoch in der Sa-che ohne Erfolg.

Die Astin. hat die Voraussetzungen für die Gestattung desFührens der Bezeichnung „Fachanwältin für Arbeitsrecht“ nichterfüllt, weil der Nachweis der besonderen praktischen Erfah-rungen im Fachgebiet nicht erbracht wurde.

Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 lit. c) FAO gilt der Erwerb besondererpraktischer Erfahrungen auf dem Gebiet des Arbeitsrechts alsnachgewiesen, wenn der Ast. innerhalb der letzten 3 Jahre vorAntragstellung 100 Fälle aus den in § 10 Ziff. 1 und 2 FAObestimmten Bereichen, davon die Hälfte gerichts- oder rechts-förmliche Verfahren, selbstständig bearbeitet hat. Stets muss derBewerber die Fälle als weisungsfreier unabhängiger RA bear-beitet haben. Die Bearbeitung einzelner Fälle als Syndikusreicht selbst dann nicht aus, wenn der Syndikus im ZweitberufRA ist, da nach herrschender Rspr. des BGH die Tätigkeit desSyndikus keine anwaltliche Tätigkeit ist. (vgl. BGH, Beschl. v.13.3.2000 – AnwZ (B) 25/99, sowie auch BGH, WM 1999, 970,971).

An dieser Rechtsauffassung hält der BGH auch in seiner neue-ren Rspr. fest.

Nach dem Beschluss des BGH v.18.6.2001 (AnwZ (B) 41/00 – ab-gedruckt in NJW 2001, 3130,3131) ist die Ausübung des Be-rufs des Syndikusanwalts nichtals selbstständige anwaltliche

Tätigkeit i.S.d. § 5 FAO anzusehen. Nach dem Willen der Sat-zungsversammlung sollte bei dem Nachweis der praktischen Er-fahrungen auf dem Fachgebiet bewusst an die formale Voraus-setzung der selbständigen Bearbeitung bestimmter Fallzahlenals RA angeknüpft werden, wobei „selbständig“ i.S. einer an-waltlichen Unabhängigkeit auszulegen ist.

Entgegen der Meinung der Astin. ist auch aus § 46 BRAO nichtherzuleiten, dass die Tätigkeit des Syndikusanwalts als anwaltli-che Tätigkeit anzusehen ist. Aus § 46 BRAO ergibt sich vielmehr,dass der Syndikusanwalt innerhalb seines festen Beschäfti-gungsverhältnisses nicht anwaltlich tätig wird, auch wenn er indieser Vorschrift als RA bezeichnet ist. Der Satzungsgeber hat in§ 5 FAO keinen abweichenden Begriff anwaltlicher Tätigkeit zu-grunde gelegt (BGH, Beschl. v. 18.6.2001 – AnwZ (B) 41/00m.w.N.). Im Gesetzgebungsverfahren ist der Vorschlag, durcheine Änderung des § 46 BRAO dem Syndikusanwalt einzuräu-men, dass er auch im Angestelltenverhältnis als Anwalt tätig ist,ausdrücklich abgelehnt worden. Der Rechtsausschuss ist bei sei-nen Beratungen zu dem Ergebnis gelangt, dass das in §§ 1–3BRAO normierte Berufsbild des RA, wie es sich auch in der All-gemeinheit von ihm als unabhängigem Organ der Rechtpflegegebildet hat, mit der Tätigkeit unvereinbar ist, wenn der Syndi-

kus als Anwalt auftritt. Bei der Tätigkeit, die der Syndikus für sei-nen Dienstherrn leistet, sind dann, wenn er persönlich mit derMaterie des Einzelfalles befasst wird, die den Grundsatz derfreien Advokatur kennzeichnenden typischen Wesensmerkmaleder freien Berufsausübung, die das Bild des RA bestimmen„alsnicht gegeben anzusehen“. Nach einhelliger Auffassung desRechtsausschusses standen die auch vom BVerfG anerkanntenGemeinschaftsgüter (BVerfG, NJW 1993, 317), die – geradedem Mandanten gegenüber – die Stellung des RA als unabhän-giges Rechtspflegeorgan sichern und damit der Funktionsfähig-keit der Rechtspflege dienen, einer Änderung des § 46 BRAO indem gewünschten Sinne entgegen.

Kern dieser grundlegenden Rspr. des BGH ist, dass die beson-dere Qualifikation und Reputation als RA nicht aus berufsfrem-den Erfahrungen gespeist werden soll, wie es bei einem Syndi-kus der Fall wäre.

Da die Astin. nach ihren eigenen Erklärungen im Antrag v.3.4.2000 nur 25 der in der Fall-Liste aufgeführten Arbeitsrechts-mandate im Rahmen ihre damaligen nebenberuflichen Tätigkeitim Büro Köln der RAe (…), heute RAe (…), als RAin bearbeitethat, alle weiteren Fälle in ihrer Eigenschaft als juristische Mitar-beiterin-(Syndikusanwältin) des von ihr bearbeitet wurden, kön-nen diese Fälle als Nachweis des Erwerbs besonderer prakti-scher Erfahrungen nicht anerkannt werden. Sie erfüllen nicht dievom Satzungsgeber der FAO bewusst stark formalisierten Vor-aussetzungen des § 5 Abs. 1 Satz 1 lit. c) FAO.

Soweit der BGH in seiner Entscheidung vom 18. 6. 2001 aus-geführt hat, dass bei der Gewichtung der Fälle, die der Bewer-ber um eine Fachanwaltsbezeichnung für den Erwerb besonde-rer praktischer Erfahrungen nach § 5 FAO nachweisen muss, dieweiteren Erfahrungen als Syndikusanwalt auf dem betreffendenFachgebiet berücksichtigt werden können, wenn er schon eineerhebliche Anzahl nicht unbedeutender Mandate im Rahmenselbständiger Tätigkeit wahrgenommen hat, kann das Vorliegendieser Voraussetzungen nicht festgestellt werden. Die Astin. hatnach eigenen Angaben lediglich 25 Fälle im Rahmen ihrer sein-erzeitigen Nebentätigkeit als RAin bearbeitet. Dass es sich da-bei um Fälle von besonderem Gewicht gehandelt hat, wird vonder Astin. nicht behauptet.

Eine Berücksichtigung der von der Astin. als Syndikusanwältinbearbeiteten Fälle kann daher bei der Beurteilung, ob die Astin.besondere praktische Erfahrungen i.S.d. § 5 FAO erworben hat,nicht erfolgen.

Zu Recht hat die Agin. daher den Antrag auf Gestattung derFührung der Bezeichnung „Fachanwältin für Arbeitsrecht“zurückgewiesen.

Zulassungswiderruf – zur Bewilligung der öffent-lichen Zustellung; BRAO § 229; ZPO §§ 203, 204,208; VwZG § 15

* 1. Für die Zustellung einer Widerrufsverfügung einer RAK gel-ten gem. § 229 BRAO die Vorschriften der ZPO über die Zu-stellung entsprechend.

* 2. Dass diese Verweisungsvorschrift der BRAO nicht nur Zu-stellungen von gerichtlichen Entscheidungen betrifft, ergibtsich aus dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte der Vor-schrift.

* 3. Die durch § 229 BRAO vorgeschriebene entsprechendeAnwendung bedeutet jedoch nicht, dass die RAK als die imVerwaltungsverfahren tätige Körperschaft Zustellungen selbstbewilligen könnte.

Hessischer AGH, Beschl. v. 17.9.2001 – 2 AGH 7/01Volltext unter www.brak.de

BRAK-Mitt. 4/2002 Berufsrechtliche Rechtsprechung 191

Anwaltsgerichtliche Rechtsprechung

Kein abweichenderBegriff anwaltlicher

Tätigkeit durchSatzungsversammlung

Rechtsberatungsgesetz – zu einer Fernsehsendung,die über Rechtsfälle unterrichtet und sich für Ver-braucher einsetzt; RBerG Art. 1 § 1 Abs. 1; UWG § 1;GG Art. 5

* 1. Für die Einstufung als erlaubnispflichtige Rechtsbesorgungkann in Anbetracht der Tatsache, dass nahezu alle Lebensbe-reiche rechtlich durchdrungen sind und kaum eine wirtschaft-liche Betätigung ohne rechtsgeschäftliches Handeln möglichist oder ohne rechtliche Wirkung bleibt, nicht allein auf dierechtlichen Formen und Auswirkungen des Verhaltens abge-stellt werden.

* 2. Die Einschränkung der Presse- und Rundfunkfreiheit mussgeeignet und erforderlich sein, den Schutz des allgemeinen Ge-setzes – hier des Rechtsberatungsgesetzes – zu bewirken.

*3. Wird nur die von der Berichterstattung in Medien ausge-hende publizistische Wirkung genutzt, um Forderungen vonZuschauern durchzusetzen, ohne dass der Schwerpunkt derHilfestellung des Senders im rechtlichen Bereich liegt, ist nichtvon einer Rechtsbesorgung i.S.d. Rechtsberatungsgesetzes aus-zugehen. Der Handelnde muss unmittelbar auf rechtlichemGebiet tätig werden.

BGH, Urt. v. 6.12.2001 – I ZR 11/99

Volltext unter www.brak.de

Rechtsberatungsgesetz – Auskünfte zu allgemeinenRechtsfragen in einer Fernsehsendung; RBerG Art. 1§ 1 Abs. 1; UWG § 1; BGB § 823 Abs. 2

1. Werden in einer Fernsehsendung Auskünfte zu allgemein in-teressierenden Rechtsfragen anhand von Fällen erteilt, die Zu-schauer in der laufenden Sendung schildern, verstößt dies nichtgegen das Verbot, ohne Erlaubnis geschäftsmäßig fremdeRechtsangelegenheiten zu besorgen.

2. Dagegen liegt in der Ankündigung einer Fernsehanstalt, Zu-schauern außerhalb der Fernsehsendung am Telefon Rechtsratzu erteilen, ein Angebot zu einer Rechtsberatung i.S.d. RBerGArt. 1 § 1 Abs. 1.

BGH, Urt. v. 6.12.2001 – I ZR 14/99

Aus demTatbestand:

Der Bekl., der als öffentlich-rechtliche Anstalt organisierteBayerische Rundfunk, sendete am 18. 2. 1997 in zwei Teilen imdritten Programm des Bayerischen Fernsehens den Beitrag „WirSchuldenmacher“. Während der Sendung, in der der Bekl.zunächst die persönliche Situation einzelner betroffener Schuld-ner zeigte und die Regelungen des künftig geltenden Insolvenz-rechts darstellte, wurden wiederholt eine für Zuschauer ge-schaltete Telefonnummer und eine Telefaxnummer gezeigt. ImLaufe der Sendung eingehende Anrufe von Zuschauern oder Zu-schriften nahmen die Moderatoren entgegen und leiteten sie aneine Gesprächsrunde weiter, die aus einem Schuldnerberater,dem Vorstandsmitglied einer Sparkasse, einem Ministerialbe-amten und einem RA und Konkursverwalter bestand. Der Inhaltder Gespräche mit den Zuschauern im Einzelnen ergibt sich ausdem Klageantrag.

192 Berufsrechtliche Rechtsprechung BRAK-Mitt. 4/2002

Weitere berufsrechtliche Rechtsprechung

Berufsrecht

Verschwiegenheitspflicht – zu dem Recht einesRechtsanwalts auf Verschwiegenheit bei Verletzungvon Rechten eines Wettbewerbers; BRAO § 43aAbs. 2; BORA § 2

* Verletzt ein RA die Rechte eines Wettbewerbers (hier: un-zulässige Benutzung einer Internet-Domain), ist er auf Grundder ihn treffenden Verschwiegenheitspflicht nicht verpflichtet,im Rahmen eines die Schadensberechnung dienenden Aus-kunftsbegehrens die Namen seiner Mandanten mitzuteilen.BGH, Urt. v. 11.4.2002 – I ZR 317/99Volltext unter www.brak.de

Kanzleibezeichnung – zur Weiterführung des Namenseines Seniorpartners nach dessen Ausscheiden; BGB§ 12; UWG § 3; PartGG § 2; HGB § 24

1. Eine Vereinbarung, mit der ein namengebender Senior-partner einer Anwaltskanzlei seinen Sozien gestattet, seinenNamen in der Kanzleibezeichnung auch nach seinem Aus-scheiden weiterzuführen, verstößt nicht gegen ein gesetzlichesVerbot, auch wenn es in der Folge zu Verwechslungen kommt,weil der Seniorpartner nach seinem Ausscheiden entgegen derursprünglichen Absicht seine anwaltliche Tätigkeit in eigenerPraxis fortsetzt. Einer Irreführungsgefahr kann dadurch begeg-net werden, dass in der Namensleiste auf das Ausscheiden desNamengebers und auf den Umstand hingewiesen wird, dassdieser inzwischen in anderer Kanzlei tätig sei (Ergänzung vonBGH, Urt. v. 17.4.1997 – I ZR 219/94, GRUR 1997, 925 = WRP1997, 1064 – ausgeschiedener Sozius).2. Ist die Fortführungsbefugnis einer Gesellschaft bürgerlichenRechts erteilt, umfasst sie grundsätzlich auch die Weiterver-wendung des Sozietätsnamens als Namen einer Partnerschaft,in die die Sozietät umgewandelt wird. BGH, Urt. v. 28.2.2002 – I ZR 195/99Volltext unter www.brak.de

Rechtsberatungsgesetz – zu dem Titel „Bürgeranwalt“einer Fernsehsendung und der Bezeichnung „Bürger-anwalt – Reporter“; RBerG Art. 1 § 1 Abs. 1; UWG § 1

1. Erhalten die Beteiligten eines Streitfalls in einer Fernsehsen-dung die Möglichkeit, den Sachverhalt aus ihrer Sicht darzu-stellen, und versuchen die Reporter der Fernsehanstalt – ohneauf die rechtlichen Probleme des Falles näher einzugehen –durch die Darstellung gegenüber einer breiten Öffentlichkeiteine einverständliche Problemlösung herbeizuführen, liegtkeine Rechtsbesorgung i.S.d. Rechtsberatungsgesetzes vor. 2. In dem Titel „Bürgeranwalt“ einer Fernsehsendung und derBezeichnung „Bürgeranwalt – Reporter“ für die Reporter die-ser Sendung liegt keine Ankündigung einer Rechtsbesorgung. BGH, Urt. v. 6.12.2001 – I ZR 316/98

Volltext unter www.brak.de

Weitere berufsrechtliche RechtsprechungOrientierungssätze/*Leitsätze der Redaktion

Der Kl., ein RA in R., hat den Bekl. wegen Verstoßes gegen dasRechtsberatungsgesetz auf Unterlassung in Anspruch genom-men. Er ist der Ansicht, der Bekl. habe in der Sendung Rechts-beratung angekündigt und den Anrufern Rechtsrat erteilt. In derSendung habe nicht die Belehrung der Allgemeinheit im Vor-dergrund gestanden, sondern die Erteilung von Rechtsrat in kon-kreten Einzelfällen.

Der Kl. hat beantragt, den Bekl. unter Androhung von Ord-nungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen, in Fernsehsen-dungen unter Einblendung einer Telefonnummer und einer Te-lefaxnummer Rechtsrat zu erteilen und die Erteilung von Rechts-rat an Zuschauer anzukündigen, insbesondere wenn dies mitfolgenden Worten geschieht:

(...)*

Der Bekl. ist der Klage entgegengetreten und hat geltend ge-macht, es seien während der Sendung mehrere 100 Zuschauer-anfragen eingegangen, von denen häufig gestellte Fragen undfür Schuldner typische Probleme ausgewählt worden seien. Esseien nur Rechtsprobleme in allgemeiner Art dargestellt undhierzu Informationen gegeben worden. Rechtsberatung liegenur vor, wenn die Befassung mit einer fremden Rechtsangele-genheit mit einer gewissen Intensität erfolge. Die kurze Zeithabe nur eine sehr knappe Sachverhaltsschilderung und die Er-teilung mehr oder weniger allgemeiner Ratschläge zugelassen.

Im Lichte der Presse- und Rundfunkfreiheit nach dem Grundge-setz sei es zulässig, exemplarisch Rechtsfälle und Rechtspro-bleme des Alltags an konkreten Einzelfällen darzustellen. Er-gänzend hat der Bekl. sich auf Verjährung berufen.

Das LG hat den Bekl. antragsgemäß verurteilt, wobei es – überden Antrag des Kl. hinaus – einzelne Passagen der Moderationin dem Unterlassungsgebot zusätzlich gesondert hervorgeho-ben hat.

Das Berufungsgericht hat den Bekl. nach dem Antrag des Kl. ver-urteilt.

Mit seiner Revision begehrt der Bekl. weiter, die Klage abzu-weisen. Der Kl. beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Aus den Gründen:

I. Das Berufungsgericht hat den Unterlassungsanspruch gem.§ 823 Abs. 2 i.V.m. § 1004 BGB und Art. 1 § 1 RBerG für be-gründet erachtet und hierzu ausgeführt:

Der Kl. sei befugt, den Unterlassungsanspruch geltend zu ma-chen, weil er als RA gegen einen Verstoß gegen das Rechtsbe-ratungsgesetz, das auch den Schutz seiner Betätigung be-zwecke, vorgehen könne. Der Bekl. habe in der Sendung v.18. 2.1997 angeboten und angekündigt, Rechtsberatung im Ein-zelfall zu erteilen und diese Ankündigung auch umgesetzt. DenZuschauern sei nicht nur ermöglicht worden, während der Sen-dung anzurufen, sondern auch in der Pause zwischen den zweiSendeteilen und nach Abschluss der zweiten Sendung. Durchdie vorangegangenen Filmbeiträge und die Darstellung deszukünftig gültigen Insolvenzrechts sei für die Zuschauer klarge-stellt gewesen, dass Gegenstand der Anrufe nicht wirtschaftlicheoder soziale Probleme einer Überschuldung, sondern dieKlärung rechtlicher Verhältnisse sein sollte. Der Bekl. habe inden im Klageantrag aufgeführten Dialogen konkrete Rechtsfra-gen beantwortet und Rechtsberatung im Einzelfall und ge-schäftsmäßig ohne die erforderliche Erlaubnis erteilt. DasRechtsberatungsgesetz diene wichtigen Gemeinwohlinteressen.Deren Schutz gelte auch gegenüber Presse und Rundfunk. Ihr

Informationsauftrag erfordere nicht, Zuschauern aufgrund zufäl-lig eingehender und in keinem systematischen Zusammenhangstehender Anrufe individuell Rechtsrat zu erteilen.

Die Ansprüche des Kl. seien nicht verjährt. Die dreijährige Ver-jährungsfrist des § 852 BGB sei ebenso wenig abgelaufen wiedie kurze Verjährungsfrist des § 21 UWG.

II. Die Revision des Bekl. hat teilweise Erfolg. Sie führt zur Auf-hebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung derKlage, soweit der Bekl. nicht angekündigt hat, außerhalb der be-anstandeten Sendung Rechtsrat zu erteilen. Im Übrigen (Ankün-digung, außerhalb der Sendung Rechtsrat zu erteilen) bleibt esbei dem vom Berufungsgericht ausgesprochenen Unterlas-sungsgebot.

1. Das Berufungsgericht ist zutreffend von der Bestimmtheit desKlageantrags ausgegangen. Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO darfein Unterlassungsantrag nicht so undeutlich gefasst sein, dassder Streitgegenstand und der Umfang der Prüfungs- und Ent-scheidungsbefugnis des Gerichts nicht mehr klar umrissen sind,sich der Bekl. deshalb nicht erschöpfend verteidigen kannund im Ergebnis dem Vollstreckungsgericht die Entscheidungdarüber überlassen bleibt, was dem Bekl. verboten ist (vgl.BGH, Urt. v. 24.11.1999 – I ZR 189/97, GRUR 2000, 438, 440= WRP 2000, 389 – Gesetzeswiederholende Unterlassungsan-träge; BGHZ 144, 255, 263 – Abgasemissionen; BGH, Urt. v.26.10.2000 – I ZR 180/98, GRUR 2001, 453, 454 = WRP 2001,400 – TCM-Zentrum; Urt. v. 9.11.2000 – I ZR 167/98, GRUR2001, 529, 531 = WRP 2001, 531 – Herz-Kreislauf-Studie).

Dem entspricht der Klageantrag. In ihm wird durch wörtlicheWiedergabe der zwei Sendeteile die beanstandete Verletzungs-form angeführt und der allgemein gehaltene Begriff der Erteilungvon Rechtsrat ausreichend konkretisiert.

2. Der Unterlassungsanspruch des Kl. ist nach § 1 UWG i.V.m.Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG nur im vorstehend angeführten Umfangbegründet.

a) Der Kl. ist entgegen der Ansicht der Revision als unmittelbarbetroffener Wettbewerber des Bekl. sachbefugt.

Als unmittelbar von einer zu Wettbewerbszwecken begangenenHandlung betroffen sind grundsätzlich diejenigen Mitbewerberanzusehen, die zu dem Verletzer in einem konkreten Wettbe-werbsverhältnis stehen. Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis istdann gegeben, wenn beide Parteien gleichartige Waren oderDienstleistungen innerhalb desselben Endverbraucherkreises ab-zusetzen versuchen mit der Folge, dass das konkret beanstandeteWettbewerbsverhalten den anderen beeinträchtigen, d.h. im Ab-satz behindern oder stören kann (vgl. BGH, Urt. v. 5.10.2000 –I ZR 210/98, GRUR 2001, 258 = WRP 2001, 146 – Immobilien-preisangaben; BGH, Urt. v. 5.10.2000 – I ZR 237/98, GRUR2001, 260 = WRP 2001, 148 – Vielfachabmahner; Groß-komm/Erdmann, § 13 UWG Rdnr. 13 f.; Pastor/Ahrens/Jestaedt,Der Wettbewerbsprozeß, 4. Aufl., Kap. 23 Rdnr. 6 f.).

Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Der Bekl. hatden Zuschauern angeboten, sie in der zweiteiligen Sendung vom18. 2. 1997 in dem Zeitraum von 45 Minuten zwischen den Sen-deteilen und für 30 Minuten nach Ende der Sendung rechtlich zuberaten. Der Bekl. hat trotz seiner andersartigen Branchenzu-gehörigkeit als Fernsehanstalt im Verhältnis zum Kl. gleichartigeDienstleistungen innerhalb desselben Abnehmerkreises angebo-ten und ist dadurch in Wettbewerb zu dem Kl. getreten.

Ohne Erfolg macht die Revision geltend, der Kl. habe seine Be-einträchtigung nicht ausreichend dargelegt. Für die Annahmeeines konkreten Wettbewerbsverhältnisses ist jedoch nicht derNachweis erforderlich, dass dem Kl. aufgrund der Fernsehsen-dung tatsächlich Mandate entgangen sind. Ausreichend ist, dass

BRAK-Mitt. 4/2002 Berufsrechtliche Rechtsprechung 193

Weitere berufsrechtliche Rechtsprechung

* Anmerkung der Schriftleitung: Vom Abdruck des Antrages wurde abgese-hen. Er umfasst 14 Frage- und Antwortsequenzen der in der Fernsehsen-dung durchgeführten Telefonrunde.

der Wettbewerbsverstoß des Bekl. geeignet ist, den Kl. – wie vor-liegend gegeben – im Absatz seiner Dienstleistungen unmittel-bar zu behindern. Das ist bei dem im Sendebereich des Bekl.ansässigen Kl. der Fall.

b) Das Berufungsgericht hat in sämtlichen im Klageantrag ange-führten in der laufenden Sendung ausgestrahlten 14 Fälleneinen Verstoß gegen Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG gesehen. Das hältder revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Eine – erlaubnispflichtige – Besorgung fremder Rechtsangele-genheiten i.S.d. Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG liegt vor, wenn eine ge-schäftsmäßige Tätigkeit darauf gerichtet und geeignet ist, kon-krete fremde Rechtsangelegenheiten zu verwirklichen oder kon-krete Rechtsverhältnisse zu gestalten (vgl. BGH, Urt. v.16.3.1989 – I ZR 30/87, GRUR 1989, 437, 438 = WRP 1989,508 – Erbensucher; Urt. v. 18.5.1995 – III ZR 109/94, NJW1995, 3122; Urt. v. 30.3.2000 – I ZR 289/97, GRUR 2000, 729,730 = WRP 2000, 727 – Sachverständigenbeauftragung, jeweilsm.w.N.).

In der Rspr. ist anerkannt, dass die in Zeitungen und Zeitschrif-ten an die gesamte Leserschaft gerichtete allgemeine Rechtsbe-lehrung über juristische Fragen aufgrund einer (fingierten) An-frage anhand eines typischen Sachverhalts von allgemeinem In-teresse zulässig ist, weil nicht die Rechtsberatung im konkretenFall im Vordergrund steht (vgl. BGH, Urt. v. 13.12.1955 – I ZR20/54, GRUR 1957, 425, 426 – Ratgeber; Urt. v. 13.2.1981 – IZR 63/79, GRUR 1981, 529, 530 = WRP 1981, 385 – Rechts-beratungsanschein).

Ob die Erteilung von Rat zu Rechtsverhältnissen in Medien auf-grund eines konkreten Falles als Verstoß gegen das Rechtsbera-tungsgesetz aufzufassen ist (so HenssIer/Prütting, BRAO, Art. 1§ 1 RBerG Rdnr. 6; Rennen/Caliebe, Rechtsberatungsgesetz,3. Aufl., Art. 1 § 1 Rdnr. 21; Altenhoff/Busch/Chemnitz, Rechts-beratungsgesetz, 10. Aufl., Rdnr. 50 f., 53; König, Rechtsbera-tungsgesetz, S. 71; Hirtz, EWiR 1998, 853, 854; HenssIer/Holt-hausen, EWiR 1999, 419, 420) oder die Darstellung und Be-sprechung eines typischen Sachverhalts anhand eines konkretenFalles zulässig ist, wenn nicht der Einzelfall im Vordergrundsteht (in diesem Sinn: OLG Dresden, AfP 1996, 180; OLG Köln,NJW 1999, 504, 505 f.; Flechsig, ZUM 1999, 273, 275; Prinz/Peters, Medienrecht, Rdnr. 238), ist umstritten.

Bei der Abgrenzung erlaubnisfreier Geschäftsbesorgung von er-laubnispflichtiger Rechtsbesorgung wird vom BGH auf den Kernund den Schwerpunkt der Tätigkeit abgestellt, weil eine Besor-gung wirtschaftlicher Belange vielfach auch mit rechtlichen Vor-gängen verknüpft ist.

Daher ist zu fragen, ob die Tätig-keit überwiegend auf wirtschaft-lichem Gebiet liegt und dieWahrnehmung wirtschaftlicherBelange bezweckt oder ob dierechtliche Seite der Angelegen-

heit im Vordergrund steht und es wesentlich um die Klärungrechtlicher Verhältnisse geht. Für die Einstufung als erlaubnis-pflichtige Rechtsbesorgung kann in Anbetracht der Tatsache,dass nahezu alle Lebensbereiche rechtlich durchdrungen sindund kaum eine wirtschaftliche Betätigung ohne rechtsgeschäft-liches Handeln möglich ist oder ohne rechtliche Wirkungbleibt, nicht allein auf die rechtlichen Formen und Auswirkun-gen des Verhaltens abgestellt werden. Es bedarf vielmehr einerabwägenden Beurteilung des jeweils beanstandeten Verhaltensdanach, ob es sich hierbei um Rechtsbesorgung handelt oderob es um eine Tätigkeit geht, welche von anderen Dienstlei-stern erfüllt werden kann, ohne dass die Qualität der Dienst-leistung oder die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege und die

zu ihrer Aufrechterhaltung benötigten Rechtsberater beein-trächtigt werden (BGH, Urt. v. 25.6.1998 – I ZR 62/96, GRUR1998, 956, 957 = WRP 1998, 976 – Titelschutzanzeigen fürDritte; BGH, GRUR 2000, 729, 730 – Sachverständigenbeauf-tragung, jeweils m.w.N.; vgl. auch Großkomm. UWG/Te-plitzky, § 1 Rdnr. G 119). Zudem ist mit Rechtsberatung i.S.d.Rechtsberatungsgesetzes grundsätzlich nur die umfassendeund vollwertige Beratung der Rechtsuchenden gemeint(BVerfGE 97, 12, 28).

Diese Grundsätze sind auch bei der Beurteilung, ob durch diekonkrete Gestaltung einer Fernsehsendung gegen das Rechts-beratungsgesetz verstoßen wird, entsprechend heranzuziehen(vgl. hierzu auch: Rennen/Caliebe, a.a.O., Art. 1 § 1 RBerGRdnr. 23). In die Abwägung sind die das Rechtsberatungsgesetztragenden Belange des Gemeinwohls einzubeziehen, den ein-zelnen und die Allgemeinheit vor ungeeigneten Rechtsberaternzu schützen und die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege nichtzu gefährden (vgl. BVerfGE 97, 12, 27; BVerfG, NJW 2000,1251). Dabei ist auf die wirtschaftlichen Rahmenbedingungender rechtsberatenden Berufe Rücksicht zu nehmen.

Weiter ist zu berücksichtigen, dass Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG dieRundfunkfreiheit gewährleistet, die der freien individuellen undöffentlichen Meinungsbildung dient (vgl. BVerfGE 90, 60, 87).Die sich aus allgemeinen Gesetzen ergebenden Grenzen desGrundrechts der Freiheit der Berichterstattung durch Presse undRundfunk muss im Licht dieses Grundrechts gesehen werden.Die allgemeinen Gesetze sind daher aus der Erkenntnis der Be-deutung dieses Grundrechts auszulegen und so in ihrer diesesGrundrecht beschränkenden Wirkung selbst wieder einzu-schränken (vgl. BVerfGE 71, 206, 214). Die Einschränkung derPresse- und Rundfunkfreiheit muss zudem geeignet und erfor-derlich sein, den Schutz des allgemeinen Gesetzes – hier desRechtsberatungsgesetzes – zu bewirken.

Im Streitfall hat der Bekl. in der Ausstrahlung der Fragen 1 bis 14und der dargestellten Antworten nicht unter Verstoß gegenArt. 1 § 1 Abs. 1 RBerG Rechtsrat erteilt. Die Schutzgüter desRechtsberatungsgesetzes werden durch die Sendebeiträge inden 14 Fällen nicht berührt. Der Bekl. hat nur allgemein inter-essierende Fälle zu dem Thema „Schuldenmachen“ bespro-chen. Es wurden die Kredithaftung von Eheleuten nach derTrennung, die Zins- und Zahlungsabwicklung bei sehr hoherVerschuldung aufgrund eines (gewerblichen) Kredits, Verbind-lichkeiten beim Finanzamt, die Haftungsfortdauer nach demTod eines (Mit-)Verpflichteten und die Vererbbarkeit von Schul-den, die Errichtung eines Bankkontos trotz zweifelhafter Bonität,die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung, die Verjährungtitulierter Forderungen und die Löschung im Schuldnerver-zeichnis behandelt. Weiter sprachen die Anrufer Fragen zurPfändbarkeit von Mutterschutzgeld und zum Abschluss einesEhevertrages, die Abwicklung eines durch Kredit finanziertenMöbelkaufs, zu einer strafrechtlichen Verstrickung bei einerDarlehensaufnahme, zur Möglichkeit der Übernahme von Un-terhaltszahlungen durch eine Unterhaltsvorschusskasse und zurKündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber we-gen Pfändung des Arbeitslohnes an, die die im Studio des Bekl.anwesenden Mitglieder der Gesprächsrunde beantworteten.Auch in den Fällen Nr. 9 und Nr. 11, in der Gläubiger zu Wortekamen, wurden nur allgemein interessierende Fragen zum The-menkreis „Schuldenmachen“ behandelt, auch wenn Anrufer indiesen Fällen nicht Schuldner, sondern Gläubiger waren.

Die Beiträge zu den Fällen 1 bis 14 unterfallen nicht dem Ver-bot des Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG. Es handelt sich um die Bespre-chung einer überschaubaren Anzahl allgemein interessierenderSachverhalte.

194 Berufsrechtliche Rechtsprechung BRAK-Mitt. 4/2002

Weitere berufsrechtliche Rechtsprechung

Es muss wesentlichum die Klärung

rechtlicherVerhältnisse gehen

Die Auskünfte konnten aufgrunddes mit der Sendung verbunde-nen Zeitdrucks und der fehlen-den Möglichkeit, sämtliche As-pekte des Falles einschließlichder schriftlichen Vertragsunterla-gen in die rechtliche Beurteilung einzubeziehen, nicht ab-schließend sein und mussten deshalb unverbindlich bleiben.Das war für die Anrufer und Zuschauer auch erkennbar. Diesekonnten nicht erwarten, umfassend informiert und beraten zuwerden, wie es eine Rechtsberatung i.S.d. Rechtsberatungsge-setzes voraussetzt. Auf den nicht abschließenden Charakter derAuskünfte wurde wiederholt hingewiesen (Fälle Nr. 2, 3, 4 und14) und die Notwendigkeit, weitere Beratungsmöglichkeiten(Schuldnerberatung und RAe) in Anspruch zu nehmen, betont.

Wegen der ersichtlich nicht abschließenden Beurteilung derFälle in einer Fernsehsendung wurden weder der Schutz desEinzelnen oder der Allgemeinheit vor ungeeignetem fachlichenRat betroffen noch wurden bei der Zahl der Anrufer die wirt-schaftlichen Rahmenbedingungen der rechtsberatenden Berufetangiert. Vielmehr stand die allgemeine Unterrichtung der Zu-schauer über typische allgemein interessierende Sachverhalteim Rahmen einer Fernsehsendung im Vordergrund und nicht dieErteilung von Rechtsrat im konkreten Fall, auch wenn einzelneAnrufer die Gelegenheit erhielten, ihren Fall darzustellen, undsie hierzu Auskünfte bekamen.

Das Berufungsgericht ist aber mit Recht davon ausgegangen,dass der Bekl. in der Sendung wiederholt angekündigt hat,außerhalb der Fernsehsendung geschäftsmäßig Rechtsberatungim Einzelfall entgegen Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG zu erteilen. Er hatnach den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Feststel-lungen des Berufungsgerichts den Zuschauern angeboten, ih-nen in der Zeit zwischen den zwei Programmteilen und im An-schluss an die Sendung am Telefon Rechtsrat zu erteilen. Weiterhat er bei der Erörterung der Frage Nr. 9 dem Anrufer angebo-ten, ihn zur Klärung der von ihm aufgeworfenen Fragen außer-halb der Sendung zurückzurufen.

Die Erteilung von Rechtsrat im Einzelfall außerhalb der laufen-den Sendung ist nicht mehr durch das allgemeine Interesse be-gründet, die Zuschauer anhand konkreter Fälle über typischeSachverhalte zu unterrichten, und lässt sich auch nicht damitrechtfertigen, dass der Bekl. auf diese Weise eine möglichstgroße Zahl von Anrufern erhalten wollte, aus denen er die fürdie Sendung am besten geeignetsten Fälle herausfiltern konnte.Die Ankündigung stellte sich für die Zuschauer zudem als einAngebot zu einer vollwertigen (telefonischen) Rechtsberatungdar. Bei einem Anruf außerhalb der Sendung, bei der nicht derin einer Fernsehsendung bestehende Zeitdruck bestand, konn-ten die Anrufer erwarten, dass sie ihr Problem im Einzelnen dar-stellen konnten und eine darauf abgestellte umfassende Rechts-beratung erhalten würden. Entsprechendes gilt für den an-gekündigten Rückruf im Fall Nr. 9, der außerhalb der Sendungerfolgen sollte, weil dem Anrufer zugesagt worden war, das vonihm aufgeworfene Rechtsproblem zunächst zu klären. Dannkonnte der Anrufer erwarten, einen umfassenden und nicht nurvorläufigen Rechtsrat zu erhalten.

c) Der Bekl. hat bei der Ankündigung, Zuschauern außerhalbder Sendung am Telefon Rechtsrat zu erteilen, entgegen der An-sicht der Revision auch zu Zwecken des Wettbewerbs i.S.v. § 1UWG gehandelt. Davon ist auszugehen, wenn das Verhaltenobjektiv geeignet ist, den Absatz von Waren oder Dienstleistun-gen einer Person zum Nachteil einer anderen zu begünstigenund wenn der Handelnde in subjektiver Hinsicht zusätzlich inder Absicht vorgegangen ist, den eigenen oder fremden Wett-

bewerb zum Nachteil eines anderen zu fördern, sofern dieseAbsicht nicht völlig hinter anderen Beweggründen zurücktritt(vgl. BGH, Urt. v. 17.2.1983 – I ZR 194/80, GRUR 1983, 379,380 = WRP 1983, 395 – Geldmafiosi; Urt. v. 20.3.1986 – I ZR13/84, GRUR 1986, 812, 813 = WRP 1986, 547 – Gastrokriti-ker; Urt. v. 20.2.1997 – ZR 12/95, GRUR 1997, 907, 908 = WRP1997, 843 – Emil-Grünbär-Klub). Die im Streitfall gegebene ob-jektive Eignung des Verhaltens des Bekl., den Absatz seinerDienstleistungen zum Nachteil des Kl. zu begünstigen (vgl.hierzu Abschnitt II 2 a), begründet wegen des dem Bekl. zu-kommenden allgemeinen Presse- und Rundfunkprivilegs nachArt. 5 Abs. 1 GG keine Vermutung für eine Wettbewerbsabsicht(vgl. hierzu: BGH, Urt. v. 10.11.1994 – I ZR 216/92, GRUR1995, 270, 272 = WRP 1995, 186 – Dubioses Geschäftsgeba-ren). Bedarf es vorliegend konkreter Umstände, wonach nebender Wahrnehmung der publizistischen Aufgabe des Bekl. dieAbsicht, eigenen oder fremden Wettbewerb zu fördern, einegrößere als nur notwendig begleitende Rolle gespielt hat (vgl.BGH, Urt. v. 30.4.1997 – I ZR 196/94, GRUR 1997, 912, 913 =WRP 1997, 1048 – Die Besten I; Urt. v. 30.4.1997 – I ZR 154/95,GRUR 1997, 914, 915 = WRP 1997, 1051 – Die Besten II). VomVorliegen einer Wettbewerbsabsicht des Bekl. ist im Streitfallauszugehen. Der Bekl. förderte, indem er die Besorgung frem-der Rechtsangelegenheiten anbot, seinen eigenen Wettbewerbzu Lasten der Rechtsanwaltschaft, was ihm auch bewusst war.Diese Förderung stellte keine notwendig begleitende Rolle dar,weil der Bekl. mit einem telefonischen Rechtsberatungsserviceaußerhalb der Sendung die unabdingbare Beschränkung derRechtsberatung auf die journalistische Berichterstattung und In-formationserteilung an die Zuschauer über allgemein interes-sierende Rechtsfragen nicht mehr einhielt.

3. Der Unterlassungsanspruch des Kl. besteht im zuerkanntenUmfang auch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 1 § 1 Abs. 1RBerG, weil diese Vorschrift Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2BGB ist (vgl. BGHZ 15, 315, 317; 48, 12, 16; Altenhoff/Busch/Chemnitz, a.a.O., Rdnr. 234; Henssler/Prütting, a.a.O.,Art. 1 § 1 RBerG Rdnr. 63; Rennen/Caliebe, a.a.O., Art. 1 § 1Rdnr. 205) und der Kl. entgegen der Ansicht der Revision klage-befugt ist. Er ist als RA, der in dem Sendegebiet des Bekl. tätigist, von der öffentlichen Ankündigung unzulässiger Rechtsbera-tung auch konkret betroffen worden.

4. Mit Recht ist das Berufungsgericht auch davon ausgegangen,dass weder die Verjährungsfrist des § 852 BGB noch diejenigedes § 21 UWG abgelaufen ist. Die Revision erhebt gegen dieseBeurteilung des Berufungsgerichts auch keine Einwendungen.

III. Auf die Revision des Bekl. war danach unter Zurückweisungdes Rechtsmittels im Übrigen das Berufungsurteil im Kosten-punkt und insoweit aufzuheben, als der Bekl. verurteilt wordenist, es zu unterlassen, Rechtsrat zu erteilen und die Erteilung vonRechtsrat anzukündigen, sofern er sich nicht auch erboten hat,Rechtsrat außerhalb der Sendung zu erteilen.

Rechtsberatungsgesetz – zu einer Fernsehsendung,die Zuschauern bei der Durchsetzung ihrer Interessenhilft; RBerG Art. 1 § 1 Abs. 1; UWG § 1

Setzt das Fernsehen die Wirkung einer öffentlichen Berichter-stattung ein, um Zuschauern bei der Durchsetzung ihrer Inte-ressen zu helfen, ohne dass der Schwerpunkt der Hilfestellungim rechtlichen Bereich liegt, ist nicht von einer Rechtsbesor-gung i.S.d. Rechtsberatungsgesetzes auszugehen.

BGH, Urt. v. 6.12.2001 – I ZR 101/99

Volltext unter www.brak.de

BRAK-Mitt. 4/2002 Berufsrechtliche Rechtsprechung 195

Weitere berufsrechtliche Rechtsprechung

Anrufer konntenkeine umfassendeRechtsberatung

erwarten

Rechtsberatungsgesetz – zu der Ankündigung, ineiner Fernsehsendung, anrufenden Zuschauern imStudio Ratschläge zu erteilen; RBerG Art. 1 § 1 Abs. 1;UWG § 1; BGB § 823

1. Zur Begründung eines Unterlassungsanspruches nach § 1UWG i.V.m. Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG reicht das Erbieten zurRechtsberatung oder Rechtsbesorgung ohne entsprechende Er-laubnis aus.

2. Wird in einer Fernsehsendung über Reisemängel angekün-digt, anrufenden Zuschauern im Studio Ratschläge zu erteilen,liegt darin kein Angebot des Fernsehsenders, unabhängig vonder Schaltung der Zuschaueranrufe in die laufende Sendung,alle Anrufer telefonisch rechtlich zu beraten.

3. Die Ankündigung, in einer laufenden FernsehsendungRechtsrat auf individuelle Fragen von Anrufern zu erteilen,stellt grundsätzlich kein Angebot dar, fremde Rechtsangele-genheit zu besorgen.

BGH, Urt. v. 6.12.2001 – I ZR 214/99

Volltext unter www.brak.de

Keine Verpflichtung der Hochschulen, für Altfälleeinen Diplomgrad für die erste juristische Staatsprü-fung zu verleihen; GG Art. 3, 12; HRG § 18

* 1. Hochschulen sind bundesrechtlich nicht verpflichtet, denErlass einer Diplomierungssatzung zu erwägen, nach der Ab-solventen der ersten juristischen Staatsprüfung für die Vergan-genheit ein Diplomgrad verliehen wird.

* 2. Abgesehen vom Angebot postgradualer Studiengänge se-hen die Vorschriften des Hochschulrahmengesetzes keine Auf-gaben der Hochschulen in Bezug auf Hochschulabsolventenbzw. die Verleihung von Hochschulgraden vor. Etwaige diesbe-zügliche Änderungen zur Anpassung in der Berufswelt erfolgengrundsätzlich nur für die Zukunft.

* 3. Die Verleihung eines Diplomgrades an künftige Hoch-schulabsolventen schränkt die Freiheit der Berufswahl und derBerufsausübung derjenigen, die vor längerer Zeit die erste ju-ristische Staatsprüfung bestanden haben, nicht ein.

BVerwG, Urt. v. 22.2.2002 – 6 C 11.01

Aus den Gründen:

Der Kl. studierte an der beklagten Universität Rechtswissen-schaften und bestand am 13.12.1991 die erste juristische Staats-prüfung. Der Referendarausbildung unterzog sich der Kl. nicht.Im April 1997 beantragte er bei der Bekl., ihm den Hochschul-grad „Diplom-Jurist“ zu verleihen. Die Bekl. lehnte den Antragab.

Mit der Klage hat der Kl. das Ziel verfolgt, die Bekl. zu verurtei-len, ihm den Hochschulgrad „Diplom-Jurist“ zu verleihen, hilfs-weise eine Satzung mit Rückwirkung zum 1. Januar 1991 zu be-schließen, aufgrund derer Absolventen des Jurastudiums nachbestandenem ersten juristischen Staatsexamen auf Antrag derHochschulgrad „Diplom-Jurist“ zu verleihen ist. Das VG hat dieKlage abgewiesen. Das OVG hat unter Zurückweisung der Be-rufung im Übrigen festgestellt, dass der Nichterlass einer Diplo-mierungssatzung für Juristen durch die Bekl. rechtswidrig ist.Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Kl. habe keinen An-spruch auf Verleihung des begehrten Hochschulgrades, weil esan der dafür erforderlichen Satzungsregelung fehle. Der aufFeststellung rechtswidriger Unterlassung der Normgebung ge-richtete Hilfsantrag sei zulässig und begründet. Die Ermächti-gungsgrundlage des § 18 Abs. 1 Satz 3 HRG und der inhalts-gleichen Regelung des Universitätsgesetzes verleihe denjeni-

gen, die das erste juristische Staatsexamen bestanden hätten, eindurch Art. 12 Abs. 1 GG verstärktes subjektives Recht auf feh-lerfreie Ausübung des Satzungsermessens. Die Bekl. habe dieBerufsinteressen ihrer Absolventen unverhältnismäßig verkürztund erkennbar nicht abgewogen sowie eine Diplomierungssat-zung aus zweckwidrigen Erwägungen nicht erlassen, indem siedie Verleihung des begehrten Titels von zusätzlichenStudienleistungen und dem Gang der Reform der Juristenaus-bildung abhängig mache. Die erforderliche erneute Abwägungder Bekl. habe sich auf eine angemessene Übergangsregelungzu erstrecken. Die Bekl. erstrebt mit der Revision die Abweisungder Klage in vollem Umfang und trägt zur Begründung vor: Diemaßgebliche Vorschrift des § 18 Abs. 1 Satz 3 HRG diene demSchutz der Hochschulen und nicht dem der erfolgreichen Ab-solventen einer Staatsprüfung. Diesen vermittle auch Art. 12Abs. 1 GG keinen „Anspruch auf Diplom“. Einem solchen An-spruch stehe ferner das durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geschützteInteresse der Universität entgegen, eigenständig über die „Di-plomierungswürdigkeit“ in den Fällen zu entscheiden, in denenein Studium mit einer Staatsprüfung abgeschlossen werde. Zu-dem läge es näher, die Bezeichnung der Absolventen der erstenjuristischen Staatsprüfung im Juristenausbildungsrecht zu re-geln. Im Übrigen komme ein rückwirkender Normerlass zum1.1.1991 nicht in Frage.

Der Kl. tritt der Revision entgegen und begehrt im Wege der An-schlussrevision, die Bekl. zu verurteilen, eine näher bezeichneteDiplomierungssatzung unter Einschluss einer Nachdiplomie-rung zu erlassen, hilfsweise festzustellen, dass die Bekl. ver-pflichtet ist, eine entsprechende Satzung zu erlassen und dieKostenentscheidung zu ändern.

II. Die Revision der Bekl. ist begründet. Der Feststellung im Be-rufungsurteil, dass der Nichterlass einer Diplomierungssatzungfür Juristen durch die Bekl. rechtswidrig ist, liegt zwar ein zuläs-siges Rechtsschutzbegehren des Kl. zugrunde. Sie steht aber mitBundesrecht nicht im Einklang (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Daauch das Landesrecht dem Kl. die geltend gemachte Rechtspo-sition nicht vermittelt, ist das Berufungsurteil insoweit aufzuhe-ben und die Berufung des Kl. gegen das erstinstanzliche Urteilinsgesamt zurückzuweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO).Die Revision des Kl. kann dementsprechend keinen Erfolg ha-ben.

1. Das OVG hat seine Entscheidung auf § 18 Abs. 1 Satz 3 desHochschulrahmengesetzes (HRG) und § 75 Abs. 2 des Gesetzesüber die Universität des Saarlandes (Universitätsgesetz – UG) v.23.6.1999 (Amtsbl. 982) gestützt. § 18 Abs. 1 Satz 3 HRG giltnicht unmittelbar (§ 72 Abs. 1 Satz 7 HRG). Für das Rechtsver-hältnis zwischen dem Kl. und der Bekl. ist somit allein § 75Abs. 2 UG maßgeblich. Gleichwohl unterliegt das angefochteneUrteil insoweit revisionsgerichtlicher Prüfung. Das OVG hat§ 18 Abs. 1 Satz 3 HRG in bestimmter Weise ausgelegt und an-gewendet und diese Auslegung ohne weiteres auf die von ihmausdrücklich als inhaltsgleich bezeichnete Vorschrift des § 75Abs. 2 UG übertragen. In einem derartigen Fall kann dasBVerwG die Auslegung und Anwendung des Bundesrahmen-rechts überprüfen (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO; vgl. BVerwGE 70,64, 65).

2. Der Kl. hat entgegen der Annahme des OVG keinen bundes-rechtlich begründeten und nach dem Gesagten demnach auchkeinen landesrechtlichen Anspruch gegen die Bekl. auf abwä-gungsfehlerfreie Entscheidung darüber, ob sie Diplomierungs-satzung für Juristen erlässt. Der Kl., der die erste juristischeStaatsprüfung am 13.12.1991 bestanden hat, kann nicht verlan-gen, dass die Bekl. in Erwägung zieht, den erstrebten Diplom-grad Personen zu verleihen, die das juristische Studium zueinem Zeitpunkt wie der Kl. erfolgreich abgeschlossen haben.Selbst wenn – worüber hier nicht entschieden werden muss –

196 Berufsrechtliche Rechtsprechung BRAK-Mitt. 4/2002

Weitere berufsrechtliche Rechtsprechung

die Bekl. aufgrund der tatsächlichen Entwicklung des Berufs-bilds des Juristen den Studierenden gegenüber verpflichtet seinsollte, unter angemessener Berücksichtigung ihrer Belange überdie Einführung eines Diplomgrads zu entscheiden, so erstrecktsich diese Verpflichtung jedenfalls nicht auf Hochschulabsol-venten wie den Kl. (sog. Altfälle). a) Den Bestimmungen des Hochschulrahmengesetzes lässt sichnichts für eine derartige Verpflichtung entnehmen. Die in Be-tracht zu ziehenden Vorschriften der §§ 7 ff. HRG bilden den 2.Abschnitt („Studium und Lehre“) des 1. Kapitels („Aufgaben derHochschulen“) des Gesetzes und enthalten Regelungen insbe-sondere über das Ziel des Studiums, die Studiengänge, die Prü-fungen sowie die Hochschulgrade. Studiengänge, Prüfungenund Hochschulgrade sind aufeinander bezogen. Dies findet in§ 18 Abs. 1 Satz 1 HRG Ausdruck, wonach die Hochschule auf-grund der Hochschulprüfung (§ 15 Abs. 1 Satz 1 HRG), mit derein berufsqualifizierender Abschluss (§ 10 Abs. 1 Sätze 1 und 2HRG) erworben wird, einen Diplomgrad mit Angabe der Fach-richtung verleiht. Auch die hier maßgebliche Vorschrift des § 18Abs. 1 Satz 3 HRG, derzufolge die Hochschule einen Diplom-grad auch aufgrund einer staatlichen oder einer kirchlichen Prü-fung, mit der ein Hochschulstudium abgeschlossen wird, verlei-hen kann, nimmt diesen Zusammenhang auf (vgl. § 15 Abs. 1Satz 1 HRG). Besonders deutlich wird die Verknüpfung von Stu-diengang, Prüfung und Hochschulgraden bei der Einrichtungvon Bachelor- und Masterstudiengängen (vgl. § 19 HRG). Na-mentlich die Gestaltung der Studiengänge hat sich am Ziel vonLehre und Studium zu orientieren, den Studenten auf ein beruf-liches Tätigkeitsfeld vorzubereiten und ihm die dafür erforderli-chen fachlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Methoden so zuvermitteln, dass er zu wissenschaftlicher oder künstlerischer Ar-beit und zu verantwortlichem Handeln in einem freiheitlichen,demokratischen und sozialen Rechtsstaat befähigt wird (§ 7HRG). Nach § 8 HRG haben die Hochschulen die ständige Auf-gabe, im Zusammenwirken mit den zuständigen staatlichenStellen Inhalte und Formen des Studiums im Hinblick auf dieEntwicklungen in Wissenschaft und Kunst, die Bedürfnisse derberuflichen Praxis und die notwendigen Veränderungen in derBerufswelt zu überprüfen und weiterzuentwickeln. Soweit dieVorschriften der §§ 7 ff. HRG den Hochschulen die Gestaltungvon Studium und Lehre zuweisen, handelt es sich typischer-weise um zukunftsorientierte Regelungen vor allem der Studi-engänge und Prüfungen. Übergangsbestimmungen kommengrundsätzlich nur zur Wahrung berechtigter Interessen aktuellbetroffener Studierender in Betracht. Abgesehen vom Angebot post-gradualer Studiengänge (§ 12HRG) sehen die erwähnten Vor-schriften dementsprechend keineAufgaben der Hochschulen inBezug auf Hochschulabsolventenvor. Nach den dargestellten Zusammenhängen gilt für die Ver-leihung von Hochschulgraden nichts anderes. DiesbezüglicheÄnderungen etwa zur Anpassung an Veränderungen in der Be-rufswelt erfolgen grundsätzlich ex nunc. Es ist nichts dafür er-sichtlich, dass davon abweichend § 18 Abs. 1 Satz 3 HRG einenAuftrag der Hochschulen enthalten könnte, bei der Neuein-führung eines Hochschulgrades dessen Verleihung auch an Per-sonen zu erwägen, die die Hochschule nach erfolgreichem Ab-schluss eines Studiums bereits verlassen haben. b) Eine Verpflichtung der Bekl., beim Erlass einer Diplomie-rungssatzung für Juristen auf Altfälle Bedacht zu nehmen, ergibtsich auch nicht auf der Grundlage einer verfassungskonformenAuslegung des § 18 Abs. 1 Satz 3 HRG. aa) Das Grundrecht der Berufsfreiheit gem. Art. 12 Abs. 1 GGfordert eine dahin gehende verfassungskonforme Auslegungnicht. Dabei kann unterstellt werden, dass die Verleihung eines

Hochschulgrades das Grundrecht der Berufsfreiheit berührt (ab-lehnend BVerfGE 48, 305, 309 f.; vgl. andererseits BVerfGE 55,261, 269). Dieses Grundrecht zielt auf eine möglichst unregle-mentierte berufliche Betätigung ab und dient dementsprechendin erster Linie der Abwehr ungerechtfertigter hoheitlicher Rege-lungen (vgl. BVerfGE 97, 12, 25; 75, 284, 292 m.w.N.). Art. 12Abs. 1 GG begründet nur ausnahmsweise und unter sehr engenVoraussetzungen auch den Normgeber treffende Schutzpflich-ten (vgl. etwa BVerfGE 97, 169, 175 ff. m.w.N.). Das vorliegendeVerfahren veranlasst nicht zu Festlegungen, ob und ggf. mit wel-chem Inhalt der Normgeber im universitären Ausbildungsbe-reich Schutzpflichten zu erfüllen hat. Insbesondere kann dahin-gestellt bleiben, ob eine Schutzpflicht des Inhalts besteht, dienormative Ausgestaltung eines Berufsbildes an Veränderungenin der Berufswelt dadurch anzupassen, dass es zugunsten derAngehörigen dieses Berufs geändert oder um einzelne Rege-lungselemente ergänzt wird. Eine solche Verpflichtung wäre al-lenfalls in Betracht zu ziehen, wenn das Unterbleiben derartigerÄnderungen oder Ergänzungen die Wahl und/oder die Aus-übung des Berufs unverhältnismäßig erschwerte. Dafür ist hiernichts ersichtlich. (1) Das Berufsbild des Juristen ist bislang geprägt durch den Er-werb der Befähigung zum Richteramt, der den erfolgreichen Ab-schluss eines rechtswissenschaftlichen Studiums und einesanschließenden Vorbereitungsdienstes voraussetzt (vgl. §§ 5 ff.DRiG). Vom herkömmlichen Bild des „Volljuristen“ aus bestandkein Bedarf, auf das Bestehen der ersten Staatsprüfung und da-mit den Abschluss eines juristischen Studiums durch Verleihungeines akademischen Titels besonders hinzuweisen. Das OVGgeht in der angefochtenen Entscheidung davon aus, dass sich dasBerufsfeld des Juristen dahin weiterentwickelt habe, dass allesdafür spreche, den Absolventen der ersten juristischen Staats-prüfung einen Diplomgrad zu verleihen. Ob dies zutrifft undwelche rechtlichen Folgerungen ggf. daraus zu ziehen sind,kann offen bleiben. Denn die vom OVG angestellten Erwägun-gen gelten nicht in gleichem Maße für die hier zu betrachtendenAltfälle. Diese Erwägungen lassen sich dahin zusammenfassen,dass der Diplomtitel denjenigen, die als Juristen in der Wirtschafttätig sein wollten, einen schnelleren und chancenreicheren Zu-gang zum Arbeitsmarkt als auf herkömmlichem Wege erlaube(vgl. Berufungsurteil S. 49 bis 52). Jedenfalls für Altfälle, in de-nen wie beim Kl. die erste Staatsprüfung schon mehrere Jahrezurückliegt, spielt die Erwägung eines schnelleren Zugangs zumArbeitsmarkt keine wesentliche Rolle. Ob der weitere Aspekt,ein Arbeitgeber treffe eine Vorauswahl zwischen Bewerbern an-hand des Vorhandenseins eines Diplomtitels, überhaupt hinrei-chend fundiert und von einigem Gewicht ist – er kann praktischeBedeutung allenfalls im Wettbewerb zu Diplom-Juristen ausdem Beitrittsgebiet oder dann erlangen, wenn eine Tätigkeit ingleicher Weise Juristen und in anderen Studiengängen diplo-mierten Personen offen steht –, sei dahingestellt. Dass dieser Ge-sichtspunkt bei Personen, die bereits beruflich tätig (gewesen)sind oder hätten sein können, gegenüber der Frage nach ihrenErfahrungen und Leistungen bzw. den Gründen für ihr Fehlen anBedeutung einbüßt, liegt auf der Hand. Die im Wesentlichenverbleibende und grundsätzlich auch auf Altfälle zu beziehendeFeststellung, dass der Diplomtitel in der Wirtschaft „sehr gefragt“ist (Berufungsurteil S. 29, 51), besagt nicht, dass die Aufnahmedes Berufs als Jurist in der Wirtschaft bereits nach erfolgreichererster Staatsprüfung durch das Fehlen der Diplomierung spürbarbeeinträchtigt wird.

Der Wunsch nach einem griffige-ren Titel als der Berufsbezeich-nung „Jurist“ oder prüfungsamt-lichen Bezeichnungen wie„Rechtskandidat“ oder „geprüfterRechtskundiger“ genügt nicht,

eine Schutzpflicht nach Art. 12 Abs. 1 GG zu begründen.

BRAK-Mitt. 4/2002 Berufsrechtliche Rechtsprechung 197

Weitere berufsrechtliche Rechtsprechung

Keine Pflicht derHochschulen zurVerleihung von

Hochschulgraden

Wunsch nachgriffigerem Titelbegründet keine

Schutzpflicht

(2) Entgegen der Ansicht des OVG hat die Bekl. auch nicht imRahmen einer Übergangsregelung zu einer Diplomierungssat-zung auf Altfälle Bedacht zu nehmen. Zwar fordert Art. 12Abs. 1 GG i.V.m. dem Gebot des Vertrauensschutzes, dass beider Neuregelung von Berufsbezeichnungen und Ausbildungs-und Prüfungserfordernissen Übergangsbestimmungen für dieje-nigen vorzusehen sind, die die neuen Anforderungen zwar nichterfüllen, aber eine gleichwertige Befähigung besitzen und in derVergangenheit eine entsprechende Tätigkeit ausgeübt haben(vgl. BVerfG, Beschl. v. 17.4.2000 – 1 BvR 1538/98, DVBl.2000, 1050, 1052 m.w.N.; ferner etwa VGH Mannheim, Urt. v.28.3.2000 – 9 S 1994/99, NJW 2000, 3081). Hier geht es jedochnicht um die Entwertung beruflicher Besitzstände durch eineNeuregelung, die für alle im Beruf Tätigen gilt. Die Verleihungeines Diplomgrades an künftige Hochschulabsolventenschränkt die Freiheit der Berufswahl und der Berufsausübungderjenigen, die früher die erste juristische Staatsprüfung bestan-den haben, nicht ein. Wie bereits angedeutet, verändert die Di-plomierung künftiger Hochschulabsolventen die Wettbewerbs-lage zu Lasten jedenfalls vor längerer Zeit Examinierter nicht ingreifbarer und erheblicher Weise. Bei diese Personen betreffen-den Personalentscheidungen wird in erster Linie auf das Alter,ihre Berufs- und Lebenserfahrung und ihren Werdegang abge-stellt werden. Auf das Fehlen eines akademischen Titels kann esvor allem auch deshalb nicht ankommen, weil in den maßgeb-lichen Kreisen allgemein bekannt sein muss, dass Personen, diedie erste juristische Staatsprüfung bestanden haben, bislang keinDiplomgrad verliehen wurde.

bb) Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gebietetder Bekl. ebenfalls nicht, eine Diplomierungssatzung für diehier interessierenden Altfälle zu erwägen. Die aufgezeigtenGründe, die gegen eine aus Art. 12 Abs. 1 GG folgende derar-tige Pflicht sprechen, rechtfertigen auch eine Ungleichbehand-lung insbesondere gegenüber Hochschulabsolventen in ande-ren Studiengängen, denen auf der Grundlage einer entspre-chenden Satzung das Diplom verliehen wird. Damit ist zugleichgesagt, dass diejenigen Personen, die – wie der Kl. – das juristi-sche Studium bereits vor längerer Zeit mit Erfolg abgeschlossenhaben, selbst unter der Voraussetzung, dass sich die Bekl. künf-tig zum Erlass einer Diplomierungssatzung für Juristen ent-schließen sollte, auch nicht unter etwaigen teilhaberechtlichenAspekten gem. Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG ihre Ein-beziehung in die Verleihung des Diplomgrads beanspruchenkönnen.

3. Die Revision des Kl. ist zurückzuweisen, weil die Bekl. nachdem Gesagten ihm gegenüber nicht zum Erlass einer Diplomie-rungssatzung verpflichtet ist. Hatte die Bekl. auf den Antrag desKl. hin bereits keinen Anlass, den Erlass einer Diplomierungs-satzung zu erwägen, lässt sich erst recht eine solche Verpflich-tung nicht feststellen.

Abwicklung – zur Vergütung des Praxisabwicklers/In-solvenzverfahren; BRAO §§ 53, 55; InsO §§ 55, 209

* 1. Auch nach der Einführung der Insolvenzordnung geht dieVergütung des Abwicklers der des Insolvenzverwalters vor. Ver-gütung und eventuelle Auslagen sind nunmehr vorab zuberücksichtigen.

*2. Die Abwicklervergütung ist nicht den nachrangigen sonsti-gen Masseverbindlichkeiten i.S.d. § 55 InsO zuzuordnen, undzwar weder denen, die nach der Anzeige der Masseunzuläng-lichkeit vom Verwalter begründet sind (2. Rang) noch den Alt-masseverbindlichkeiten (3. Rang).

OLG Celle, Urt. v. 24.4.2002 – 3 U 211/01

Aus den Gründen:

Die Berufung hat zum Zahlungsanspruch keinen Erfolg; hinge-gen ist der Auskunftsanspruch im Wege der Stufenklage be-gründet.

I. Der Kl., der schon mit Beschl. v. 8.12.2000 mit einem Masse-gutachten bezüglich des Vermögens des früheren RA W. in B.beauftragt worden war, wurde am 13.12.2000 zum vorläufigen(„weichen“) Insolvenzverwalter (§ 21 Abs. 2 Nr. 2, 2. Satzhälfte;Zustimmungserfordernis) bestellt.

Den Bekl. bestellte die RAK C. zum 14.12.2000 mit sofortigerWirkung zum amtlichen Vertreter des RA W.; dazu ernannte ihndas AG Tostedt zu dessen Betreuer mit den AufgabenbereichenVermögenssorge und Praxisangelegenheiten.

Am 18.12.2000 ging in der Kanzlei aus anwaltlicher Tätigkeitdie Zahlung eines Dritten i.H.v. 10 000 DM ein. Eine vom Kl.dem Bekl. am 20.12.2000 vorgelegte Vereinbarung über die Be-teiligung des Kl. an den Anwaltshonoraren wurde vom Bekl.nicht unterzeichnet. Daraufhin forderte der Kl. die Herausgabeder 10 000 DM. Erst am 29.12.2000 wurde das Insolvenzver-fahren eröffnet. Daraufhin wurde der Bekl., dem die RAK zuvorempfohlen hatte, seine Vergütung als Vorschuss zu sichern, zumPraxisabwickler bestellt. Die RAK setzte die Vergütung am10.1.2001 auf 10 000 DM fest mit der Bestätigung eines Vor-schussrechts seit dem 14.12.2000.

Am 25.1.2001 zeigte der Kl. dem AG die Masseunzulänglich-keit an.

Der Kl. begehrt die Zahlung von 10 000 DM zzgl. Zinsen zurMasse sowie Auskunft und ggf. Zahlung über Forderungen derPraxis, die der Bekl. nach dem 14.12.2000 vereinnahmt hat(Stufenklage).

Mit dem angefochtenen Urteil, auf dessen Feststellungen ergän-zend verwiesen wird, ist die Klage abgewiesen worden. Dage-gen richtet sich die Berufung, in der der Kl. sein Begehren auf-rechterhält.

II. Für die rechtliche Beurteilung gilt:

A. Nach der Regelung der früheren Konkursordnung ging dieVergütung des Abwicklers der des Konkursverwalters vor(§§ 59 Abs. 1 i.V.m. § 224 Abs. 1 Nr. 6 entspr.; 60 Abs. 1und Abs. 2 KO; vgl. Feuerich/Braun, BRAO, 5. Aufl. 2000,§ 55 Rdnr. 36). Denn das Amt des Praxisabwicklers ist ver-gleichbar dem des Nachlasspflegers oder Testamentsvoll-streckers; die Erfüllung seiner Aufgabe ist zum Schutz derRechtsuchenden, vor allem zur Wahrnehmung der bestehendenMandate unerlässlich (Feuerich/Braun, a.a.O., § 55 Rdnr. 2, 32,34).

Mit der Einführung der Insolvenzordnung hat sich an diesemVorrang im Ergebnis nichts geändert. Die Vergütung und even-tuelle Auslagen sind nunmehr vorab zu berücksichtigen (Feue-rich/Braun, a.a.O., § 55 Rdnr. 36).

1. Zwar hat die neue gesetzliche Regelung in §§ 53–55, 209InsO unter bewusster Abkehr von § 60 KO die Vergütungs- undAuslagenansprüche des Verwalters als neben den Gerichtskos-ten einzigen Kosten des Insolvenzverfahrens privilegiert. Jedochist nunmehr die Abwicklervergütung nicht den nachrangigensonstigen Masseverbindlichkeiten (§ 55 InsO) zuzuordnen, undzwar weder denen, die nach der Anzeige der Masseunzuläng-lichkeit vom Verwalter begründet sind (2. Rang), noch den Alt-masseverbindlichkeiten (3. Rang). Denn diese Masseverbind-lichkeiten beruhen alle auf Handlungen des Insolvenzverwal-ters oder sie sind in anderer Weise aus der Verwaltung,Verwertung oder Verteilung der Masse in der Verantwortung desVerwalters entstanden. Beides trifft für die Tätigkeit des amtli-chen Vertreters oder des Abwicklers nicht zu.

198 Berufsrechtliche Rechtsprechung BRAK-Mitt. 4/2002

Weitere berufsrechtliche Rechtsprechung

a) Es gibt auch keinen Grund, die Abwicklervergütung diesenMasseverbindlichkeiten des § 55 InsO gleichzustellen. Dennderjenige, der mit dem Insolvenzverwalter in vertragliche Be-ziehungen tritt oder solche wieder aufnimmt, weiß um dieRechtsstellung des Insolvenzverwalters; er kann sich freiwilligdazu entscheiden und ggf. dabei zusätzliche Sicherheitsabredenmit dem Verwalter treffen. Zudem haftet der Verwalter diesenBeteiligten gegenüber verstärkt aus §§ 60, 61 InsO.

b) Die Privilegierung des Verwalters nach der InsO ist zudem auseinem weiteren Grunde im Verhältnis mit der konkurrierendenRechtsstellung des Abwicklers nicht geboten. Denn währendnach der Konkursordnung der eigentliche Zweck des Konkursesdarin bestand, dass der Verwalter die Masse mit dem Ziel derAbwicklung in Geld umsetzte und eine Betriebsfortführung nurim Rahmen des Konkurszwecks zur Haftungsverwirklichungzulässig war, ist dem vorläufigen Insolvenzverwalter nunmehrdie Fortführung aufgegeben (§ 22 InsO). Genau diese Aufgabekann der Verwalter bei einer Anwaltskanzlei aber nicht über-nehmen und auch – anders als bei einem gewerblichen Unter-nehmen – kein von ihm bestellter Erfüllungsgehilfe.

Vielmehr ist ein vom Verwalterunabhängiger, nicht weisungsge-bundener amtlicher Vertreterbzw. Abwickler gem. § 55 Abs. 5BRAO zu bestellen. Der Verwal-ter kann nicht einmal bei Eröff-

nung des Insolvenzverfahrens die Schließung der Kanzlei an-ordnen. Denn die ordnungsgemäße Abwicklung, bei der derAbwickler kraft seiner Bestellung die zur Kanzlei gehörendenGegenstände, zu denen auch Forderungen und Rechte zählen,gem. § 53 Abs. 10 BRAO in Besitz zu nehmen sowie alle Siche-rungsmaßnahmen einschließlich der Sichtung und Sicherungder Bankkonten zu ergreifen hat (Feuerich/Braun, a.a.O., § 53Rdnr. 34; § 55 Rdnr. 31), ist im rechtsstaatlichen Interesse un-verzichtbar. Da diese Aufgabe nicht mit Handlungen des Insol-venzverwalters in Verbindung steht, fällt dementsprechend dieVergütung dafür nicht unter die Masseverbindlichkeiten i.S.v.§§ 55, 209 InsO.

2. Im vorliegenden Fall steht dem Bekl. ein Absonderungsrechtgem. §§ 50, 51 Abs. 2 InsO zu.

Da das umfassende Verwaltungs- und Verfügungsrecht gem.§§ 80, 148 InsO erst am 29.12.2000 auf den Kl. überging, wäredieser ohne Mitwirkung von RA W. am 20. 12. 2000 gar nichtbefugt gewesen, mit dem Bekl. eine Vergütungsvereinbarung zutreffen. Diese ist auch nicht zustande gekommen.

Hingegen entstand mit der Bestellung am 14.12.2000 für denBekl. das Recht auf eine Vergütung mit dem Recht auf Vorschuss(§ 55 Abs. 10 BRAO). Das hat die RAK anschließend bei derFestsetzung deklaratorisch bestätigt. Nach den Hinweisen derBRAK wird dem Vertreter oder Abwickler empfohlen, zur Siche-rung seiner eigenen Vergütung Kostenforderungen geltend zumachen und einzuziehen (siehe Feuerich/Braun, a.a.O., § 55Rdnr. 33, 34). Hier sind ohne Zutun des Bekl. am 18.12.2000die 10 000 DM eingegangen. Abgesehen davon, dass es jeden-falls streitig ist, ob die Praxis und die für die Praxisfortführungerforderlichen Gegenstände dem Insolvenzbeschlag (§ 35 InsO)unterliegen (Feuerich/Braun, a.a.O., § 55 Rdnr. 35), stand beiEingang des Geldes das Verwaltungsrecht ohnehin noch nichtdem Kl. zu. Das Geld gelangte somit rechtmäßig in den Herr-schaftsbereich des Bekl. als amtlich bestellten Vertreter. Zur Si-cherung seiner Vergütung konnte er das Geld im Fremdbesitzbehalten; ob auch schon ein Entnahmerecht auf Vorschuss be-stand, kann dahinstehen.

Bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 29.12.2000 standdem Bekl. somit jedenfalls ein Zurückbehaltungsrecht zu, dasihn zur abgesonderten Befriedigung berechtigte. Dies Recht be-wirkt hier, dass der Anspruch des Kl. auf Auskehrung zur Masseunbegründet ist.

Zu Unrecht verweist der Kl. in diesem Zusammenhang auf einemögliche Haftung der RAK für die festgesetzte Vergütung. Dennder amtliche bestellte Vertreter kann die RAK nach Treu undGlauben dann nicht dafür in Anspruch nehmen, wenn er selbstseine Entnahmemöglichkeit nicht ausgenutzt hat (Feuerich/Braun, a.a.O., § 53 Rdnr. 39).

B. Begründet ist hingegen der Auskunftsanspruch des Kl.

Gegen den Vertreter oder Abwickler kann der Insolvenzver-walter die dem früheren RA zustehenden Ansprüche aus§§ 55 Abs. 3, 53 Abs. 9 BRAGO i. V. m. §§ 666, 667 BGB gel-tend machen.

Der Bekl. hat über die Zeit der Vertretung und Abwicklung Rech-nung zu legen. Dazu hat der Kl. unter Hinweis auf eine Auskunftder Kanzleiangestellten S. vorgetragen, dass weitere Außen-stände bestanden. Dies hat der Bekl. in I. Instanz nicht einmalbestritten und verweist nunmehr rechtsfehlerhaft darauf, dassder Kl. sich als Insolvenzverwalter alle Informationen beschaf-fen könne.

Die diesbezüglichen Unterlagender Kanzlei in Besitz zu nehmen,war aber Sache des Bekl. Auchgegenüber dem Insolvenzverwal-ter hat der Vertreter oder Abwick-ler das Berufsgeheimnis zu wah-ren. Hinzu kommt, dass die Vor-

gänge in einer Kanzlei nicht nur in Akten, sondern auchgespeichert in Computern erfasst werden. Nur nach Löschungder Aufzeichnungen können diese nach Abwicklung zur Ver-wertung an den Insolvenzverwalter herausgegeben werden.

Die Stufenklage ist somit begründet.

Rechtsweg – Rechtsanwalt als Arbeitnehmer/arbeit-nehmerähnliche Person; ArbGG § 5

* Ist ein RA als Arbeitnehmer – oder aufgrund seiner freienMitarbeit zumindest als arbeitnehmerähnliche Person – einesanderen Anwalts anzusehen, muss der Arbeitgeber bei einemAntrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zur Herausgabevon Mandatsakten gegen seinen Arbeitnehmer bzw. die arbeit-nehmerähnliche Person den Rechtsweg zu den ArbG bestrei-ten.

OLG Brandenburg, Beschl. v. 7.2.2002 – 14 W 10/01

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Anwaltliche Werbung – Benennung von Interessen-schwerpunkten und Angebot, Hausbesuche abzustat-ten; BRAO §§ 28, 43b; BORA § 7; UWG § 1

* 1. Die von einem RA in einem Zeitungsinserat verwendeteFormulierung „Familien- und Eherecht“ ist als die Bezeichnungbloß eines einzigen Interessenschwerpunktes i.S.v. § 7 Abs. 1BORA anzusehen.

* 2. Anwaltliche Werbung mit dem generellen, uneinge-schränkten Hinweis „Auf Wunsch Hausbesuche“ ist – insbe-sondere wenn das Angebot durch Fettdruck und gesperrteSchrift äußerlich hervorgehoben wird – unvereinbar mit der

BRAK-Mitt. 4/2002 Berufsrechtliche Rechtsprechung 199

Weitere berufsrechtliche Rechtsprechung

Verwalter kann beiEröffnung nichtSchließung der

Kanzlei anordnenAuch gegenüberdem Verwalterhat Abwickler

Berufsgeheimniszu wahren

geltenden Regelung des § 43b BRAO, der voraussetzt, dassWerbung in Form und Inhalt sachlich unterrichten muss. Einederartige Werbung ist anlockend und anbiedernd und ist derWürde eines unabhängigen Organs der Rechtspflege unange-messen.

LG Bonn, Urt. v. 24.7.2001 – 3 O 251/00

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Insolvenzverfahren – zu den Voraussetzungen der Bei-ordnung eines Rechtsanwalts; InsO §§ 4a Abs. 2, 4 dAbs. 1; ZPO § 121

* 1. Die Beiordnung eines RA im Insolvenzverfahren kommtnur in Betracht, wenn diese nach der besonderen Schwierigkeitder Sach- und Rechtslage erforderlich erscheint.

* 2. Allein der Umstand, dass der Gegner anwaltlich vertretenist, genügt insofern – anders als bei § 121 Abs. 2 ZPO – nicht.

* 3. Dem Gericht obliegt gegenüber dem Schuldner eine Für-sorgepflicht, die insbesondere im Verbraucherinsolvenzverfah-ren gegenüber dem häufig Rechtsunkundigen eine eingehendeBeratung erforderlich machen kann.

LG Koblenz, Beschl. v. 13.2.2002 – 2 T 88/02

Aus den Gründen:

Mit Schriftsatz v. 13.2.2001 beantragte die Astin., über ihr Ver-mögen das Verbraucherinsolvenzverfahren zu eröffnen und ihrRestschuldbefreiung zu erteilen. Nachdem mit Wirkung zum1.12.2001 die neue Fassung des § 304 Abs. 1 InsO einer Durch-führung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens für die Astin. ent-gegenstand, beantragte diese mit Schriftsatz v. 11.1.2002, dasVerfahren als Regelinsolvenzverfahren weiterzuführen. Gleich-zeitig beantragte sie, die Kosten des Verfahrens zu stunden undihr ihre Verfahrensbevollmächtigte als RAin beizuordnen. Durchden angefochtenen Beschluss hat das AG – Insolvenzgericht –die Verfahrenskosten für den Verfahrensabschnitt eröffnetes In-solvenzverfahren gestundet, den weitergehenden Antrag aufBeiordnung eines RA aber zurückgewiesen. Gegen diesen, ihram 21. 1. 2002 zugegangenen Beschluss wendet sich die Astin.mit ihrer am 30. 1. 2002 beim AG eingegangenen sofortigen Be-schwerde, soweit durch den Beschluss eine anwaltliche Beiord-nung versagt wurde. Zur Begründung beruft sich die Astin dar-auf, dass das Verfahren kompliziert gestaltet sei und einer fach-kundigen Betreuung bedürfe. Für sie als Laien sei das Verfahrennur schwer verständlich, Termine bei der Schuldnerberatungseien aber in absehbarer Zeit nicht zu vereinbaren. So sehe siesich hier einer Vielzahl von Gläubigern ausgesetzt, die teilweisedurch einen RA vertreten seien, so dass unter dem Gesichts-punkt der Waffengleichheit auch sie der Beiordnung eines RAbedürfe. Als besonderes Erschwernis tritt hinzu, dass die ur-sprünglich beabsichtigte Durchführung eines Verbraucherinsol-venzverfahrens nicht mehr möglich sei, so dass nunmehr einRegelinsolvenzverfahren durchlaufen werden müsse. Schließ-lich sei auch über ihren Antrag auf Untersagung der Verwertungder bestehenden Lebensversicherung noch nicht entschiedenworden, für dessen Verfolgung sie der Beiordnung eines RA be-dürfe, da der Treuhänder die Aufgabe habe, diese Lebensver-sicherung zur Insolvenzmasse zu ziehen. Der Amtsrichter hatder Beschwerde nicht abgeholfen und diese der Kammer zurEntscheidung vorgelegt. Die gem. §§ 4d Abs. 1, 6 InsO, 569, 577Abs. 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache kei-nen Erfolg.

Zu Recht hat das AG – Insolvenzgericht – den Antrag auf Bei-ordnung eines RA zurückgewiesen.

So ging der Gesetzgeber bei der Schaffung der neuen Regelungdes § 4a InsO davon aus, dass ein Schuldner im Insolvenzver-fahren regelmäßig selbst seine Rechte wahrnehmen kann. DemGericht obliege gegenüber dem Schuldner eine Fürsorgepflicht,die insbesondere im Verbraucherinsolvenzverfahren gegenüberdem häufig Rechtsunkundigen auch eine eingehende Beratungerforderlich machen könne. Vor diesem Hintergrund soll nachdem gesetzgeberischen Willen die Beiordnung eines RA nurdann zulässig sein, wenn dies, etwa nach der Schwierigkeit derSach- und Rechtslage, erforderlich erscheint. Allein der Um-stand, dass der Gegner anwaltlich vertreten ist, genügt dabei –anders als bei § 121 Abs. 2 ZPO – nicht (vgl. BT-Drucks.14/5680, 21).

Danach wird deutlich, dass der Gesetzgeber die Beiordnungeines RA im Insolvenzverfahren bewusst unter erheblich engereVoraussetzungen gestellt hat, als dies in einem normalen, kon-tradiktorischen Verfahren nach der ZPO der Fall ist.

Die von der Astin. vorgetrageneSchwierigkeit des Verfahrens alssolchem rechtfertigt danach dieBeiordnung eines RA nicht, so-lange nicht im konkreten Einzel-fall besondere Schwierigkeiten

hinzutreten. Dass die Schuldnerin hier einer Reihe von Gläubi-gern gegenübersteht, ist verfahrenstypisch und bildet keine sol-che besondere Schwierigkeit. Ebenso wenig die Durchführungeines Regelinsolvenzverfahrens, da auch in diesem die gericht-liche Fürsorgepflicht greift, so dass die Astin. auch nicht auf ei-nen – nur langfristig zu erreichenden – Beratungstermin einerSchuldnerberatungsstelle angewiesen ist.

Soweit der Gesetzgeber als Regelfall, der die Beiordnung einesRA erforderlich mache, die quasikontradiktorischen Verfahrennach §§ 290 und 296 InsO anführt (vgl. BT-Drucks; a.a.O.),rechtfertigt dies kein anderes Ergebnis, da zum einen vorliegendnoch gar keine Stundung der Kosten für das Restschuldbefrei-ungsverfahren erfolgt ist und die Astin. auch keine Umständevorgetragen hat, aus denen sich ergibt, dass ein Versagungsan-trag eines Gläubigers konkret droht. Soweit die Astin. bei Ein-leitung des Verfahrens gleichzeitig eine Untersagung der Ver-wertung ihrer Lebensversicherung bei der Condor AG bean-tragte (Bl. 48 d.A.), bedurfte es keiner Entscheidung, inwieweithier das Verfahren einen quasikontradiktorischen Charaktererhält, der die Beiordnung eines RA erforderlich macht. Nachden eigenen Angaben der Astin. bereitete sie spätestens ab Dez.1999 ein Insolvenzverfahren vor, so dass auf den erst am1. 11. 1999 abgeschlossenen Versicherungsvertrag noch keinewesentlichen Zahlungen erbracht worden sein können. Dasshier überhaupt ein Rückkaufswert besteht, den der Treuhänderzur Masse ziehen könnte, wurde von der Astin. dementspre-chend auch nicht vorgetragen, so dass schon aus diesemGrunde eine drohende „streitige Auseinandersetzung“ mit demTreuhänder nicht im erforderlichen Umfang dargelegt ist.

Anwaltliche Werbung – zur Verletzung der Rechte desKonkurrenten; BORA § 7; UWG §§ 1, 3, 13

* Nicht jede Verletzung einer berufsrechtlichen Regelung derBORA führt automatisch zu einer Verletzung der Rechte desKonkurrenten. Die Vorschriften der BORA sind wettbewerbs-rechtlich neutral und dienen nicht dem Konkurrentenschutz.Mithin genügt auch nicht ohne weiteres ein einfacher Verstoß,um eine unmittelbare Verletzung nach § 1 UWG feststellen zukönnen.

AG Oldenburg, Urt. v. 21.3.2002 – E1 C 1034/02

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200 Berufsrechtliche Rechtsprechung BRAK-Mitt. 4/2002

Weitere berufsrechtliche Rechtsprechung

Solange nicht imEinzelfall besondere

Schwierigkeitenhinzutreten


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