+ All Categories
Home > Documents > 20 Jahre Hospizverein Konstanz · Schließe die Augen und sieh nicht nach. Die Freunde finden ihren...

20 Jahre Hospizverein Konstanz · Schließe die Augen und sieh nicht nach. Die Freunde finden ihren...

Date post: 13-Jul-2020
Category:
Upload: others
View: 0 times
Download: 0 times
Share this document with a friend
26
HOSPIZ KONSTANZ e.V. Jeder braucht jemanden.Irgendwann. 20 Jahre Hospizverein Konstanz
Transcript
Page 1: 20 Jahre Hospizverein Konstanz · Schließe die Augen und sieh nicht nach. Die Freunde finden ihren Weg. Die Kinder auch. Der Boden ist geschrubbt, die Fenster funkeln in der Sonne,

HOSPIZ KONSTANZ e.V.Jeder braucht jemanden. Irgendwann.

2 0 Ja h r e Ho s p i z v e r e i n Ko n s t a n z

Page 2: 20 Jahre Hospizverein Konstanz · Schließe die Augen und sieh nicht nach. Die Freunde finden ihren Weg. Die Kinder auch. Der Boden ist geschrubbt, die Fenster funkeln in der Sonne,

Vorwort

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

Sie halten ein Magazin in Händen, das zum 20-jährigen Bestehen des Hospizvereins Kon-stanz entwickelt wurde. Es soll Ihnen Einblick in die Arbeit und in die Hintergründe derHospizarbeit vor Ort geben und Ihnen auch ein wenig von der Atmosphäre im Verein ver-mitteln.

Als ich vor vier Jahren gefragt wurde, ob ich den Vorsitz des Hospizvereins Konstanz in derNachfolge von Dr. Heinrich Everke übernehmen möchte, habe ich mir das sehr gut über-legt und mich aus vollem Herzen dafür entschieden. Ich kannte den Hospizverein bereitsdurch die Veranstaltung Jazz Downtown Konstanz und war sehr angetan, wie lebendigder Verein mit solch einem schwierigen Thema umgeht und wie gut er in der KonstanzerGesellschaft verankert ist.

Damals hab ich nicht geahnt, was ich heute weiß: wie komplex das Thema und die Arbeitsind, wie viele Menschen und Kompetenzen nötig sind, welche Schicksale es gibt, was imHintergrund alles geschehen und was alles vorgehalten werden muss, damit man auf diepersönlichen und individuell sehr verschiedenen Wünsche und Bedürfnisse schwerkrankerund sterbender Menschen und ihres Umfeldes eingehen kann.

Diese Komplexität und Vielfältigkeit möchten wir mit dem vorliegenden Magazin vermit-teln.

So haben wir als Titelbild auch ein „Hintergrund-Bild“ gewählt, das während des Auftrittsdes Konstanzer Jazz Chores bei Jazz Downtown Konstanz 2013 entstand. Es steht für die Lebendigkeit, Bewegung und Buntheit im Hospizverein Konstanz, für dieGemeinschaft bei aller Verschiedenheit und für die unterschiedlichen Wahrnehmungen,die erst ein Gesamtbild ergeben.

So wie die Zuhörer und Zuhörerinnen bei diesem Konzert werden auch Sie in diesem Ma-gazin viele Stimmen wahrnehmen können: ehrenamtliche und hauptberufliche Mitarbei-ter und Mitarbeiterinnen lassen uns an ihrer Arbeit und Motivation teilnehmen,Betroffene geben uns Einblicke und Rückmeldungen, Unterstützer erklären ihr Engage-ment und selbst einzelne (auch lokale) literarische Stimmen kommen zu Wort.

Die Umsetzung dieses Magazins verdanken wir einer privaten Unterstützerin, die diesesund ähnliche Projekte mit ihren zweckgebundenen Spenden ermöglicht.

Wir wünschen Ihnen eine anregende Lektüre!Herzliche Grüße

Sandra Gräfin Bernadotte1.Vorsitzende seit 2009 im Hospizverein engagiert

Inhalt

Jubiläums-Ausstellung „Nochmal leben vor dem Tod“ 4Spuren einer Ausstellung 5Nur eine kurze Spanne 6Meine Liebe, schlaf ein wenig 7Wenn er kommt 9

ehrenAmt Jeder braucht Jemanden. Irgendwann. 10Ehrenamtlich engagieren … Warum ? 11Sterben für Anfänger 15Schluss Stück 15

AmbulAnter hospizdienst 16GenugIch bleib an deiner Seite 20

Kinder- und JugendhospizArbeit 22Liebe Klasse 6 c 24Stimmen von Kindern und Jugendlichen 25

trAuerTrauer hat viele Gesichter 26Und es tut immer noch weh…offenes Haus für Trauernde 27Als der Tod zu uns kam 29Alles ist jetzt anders 31

dAs hAus Am pArK – eine AnlAuf-, informAtions-, und berAtungsstelle 32

ÖffentlichKeitsArbeitDer Tod ist kein Tabu 34Sterben, Tod und Trauer einen Platz im Leben geben 34Zu Gast: Jugendliche im Haus am Park 34Vorträge 35Hospiz macht Schule 36Jazz Downtown Konstanz 38

unterstützen …. dArum ! 40

nAchwort(e) 42Interview Dr. Heinrich Everke 43Trauma? 44Abschied 45

erreichbArKeit 46

impressum 47

Page 3: 20 Jahre Hospizverein Konstanz · Schließe die Augen und sieh nicht nach. Die Freunde finden ihren Weg. Die Kinder auch. Der Boden ist geschrubbt, die Fenster funkeln in der Sonne,

5JUBILäUMS-AUSSTELLUNG 4 JUBILäUMS-AUSSTELLUNG

»Noch mal leben vor dem Tod«Ein Geschenk zum Jubiläum20 Jahre Hospiz Konstanz e.V. – ein rundes Jubiläum. Das wollte gebührend be-gangen werden... Unser Ziel war es, etwas Besonders zu machen, das zu unsererArbeit passt, den Geist der Hospizbewegung in sich trägt und die Menschen un-mittelbar anspricht und berührt. So haben wir die preisgekrönte Ausstellung „Nochmal leben vor dem Tod“ mit Fotografien von Walter Schels und Texten von derJournalistin Beate Lakotta nach Konstanz geholt. Ihr Ausstellungsprojekt über dasSterben schien uns das ideale Medium, um Außenstehende daran teilhaben zulassen, was Hospizarbeit bedeutet und was durch die Beschäftigung mit der eige-nen Endlichkeit geschieht – nicht zuletzt mit uns selber.

Über 3000 BesucherInnen haben die Ausstellung in den sieben Wochen, die sieim BildungsTURM des Kulturzentrums am Münster zu sehen war, beehrt. Das warweit mehr als wir uns erhofft hatten. Auch zu den zahlreichen Veranstaltungen desRahmenprogramms kamen Hunderte Interessierte jeden Alters.

Die Ausstellung zeigt großformatige Doppelportraits von Menschen, die ihre letzteZeit in einem Hospiz verbracht haben, und erzählt ihre Geschichten. Die Schwarz-weißfotografien zeigen sie jeweils kurz vor und wenige Stunden nach ihrem Tod.

Als wir bei einem Betriebsausflug vor einigen Jahren selbst vor diesen Bildern stan-den und die Texte auf uns wirken ließen, haben wir vieles gefühlt, was wir auchsonst in unserer Arbeit erleben dürfen: Achtung vor dem Anderen, Ehrfurcht vorden Schicksalen, Trauer angesichts des Leids, vielleicht auch manchmal Angst, oft-mals jedoch Trost, Hoffnung und Dankbarkeit.

Die Bilder und Texte zeigen uns das, was auch für jeden von uns sein wird und waswir uns dennoch nicht vorstellen können. Die Fragen, die sich die Kranken undSterbenden in den Gesprächen stellen, sind auch unsere Fragen, wenn wir nachZusammenhängen zwischen unserer Vergangenheit und unserer Zukunft suchen:

• Wie habe ich gelebt? • Wen geliebt? • Was geschaffen? • Was versäumt? • Was bleibt noch für mich zu tun?

Wie immer in der Hospizarbeit geht es auch in dieser Ausstellung um die Wahr-nehmung von Menschen. Die Wirkung der Bilder ist auf jeden anders. Jeder vonuns sieht und erkennt in den Porträts etwas anderes, fühlt sich zu einzelnen Men-schen hingezogen oder ist irritiert – je nach eigenem Alter, eigener Geschichte, ei-genen Erfahrungen. Die Bilder und Texte berühren, regen an und wirken nach. Sielassen uns Anteil nehmen an einem Teil des Lebens, der heute üblicherweise hinterTüren von medizinischen und pflegerischen Einrichtungen geschieht.

Nicht ohne Grund hat die Ausstellung, die seit 2004 um die Welt geht, schon zahl-reiche Auszeichnungen bekommen. Sie ist ein Vermächtnis der Portraitierten undein Geschenk der Künstler. Sie hat sich auch als Geschenk für unser Jubiläum er-wiesen – und hoffentlich auch für alle, die sie in Konstanz sehen konnten.

Ohne das Amt für Schulen, Bildung und Wissenschaft, die Universität Konstanzund die SCHWARZ Außenwerbung GmbH hätten wir diese Ausstellung nicht prä-sentieren können. Für ihre Unterstützung sind wir sehr dankbar.

Petra Hinderer, Geschäfstführerinseit 1995 im Hospizverein angestellt

Spuren einer Ausstellung –

eine der Ehrenamtlichen, die durch

die Ausstellung »geführt« haben,

erzählt:

Was ich in Erinnerung habe: Es war, wenn ich dort war, sehr still in der Ausstellung.Die Besucher redeten wenig oder sehr leise. Sie stellten bei Führungen kaum Fra-gen. Aber sie hörten sich an den Hörstationen die Lebenswege an, lasen die Texte– eine halbe Seite reichte meist für ein Leben. Still war es auch, weil man dort sovielen „schlafenden“ Gesichtern gegenüber stand: der Tod als „Schlafes Bruder“.

Die Stille hatte für mich nicht unbedingt etwas mit Frieden zu tun. Diese Gesichterhatten ihre Schicksale, und ihr Tod hatte nur selten etwas Tröstliches. Da war Heiner Schmitz, vermutlich eines der „interessantesten“ Gesichter der Aus-stellung – nicht umsonst war es auf den Plakaten zu sehen. An ihm, dem umtrie-bigen Werbefachmann, erfuhr man von einer Art von „Sterbebegleitung“, von derman nicht weiß, ob man sie jemandem wünschen sollte: Immer war er von Freun-den und Kollegen umgeben, die mit ihm feiern, Fußball sehen wollten und nichtzuließen, dass er sich Gedanken an den Tod überließ. Seinem Porträt waren an dergegenüberliegenden Wand Bilder von Frau Clavey gehängt, die fast nie Besuchbekam und den Fotografen fragte, ob schon etwas zu entdecken sei „von derSehnsucht meiner Augen nach dem Tode“? Ich habe ihre Augen angesehen, aberich konnte nicht darin lesen. Von einem Gesicht weiß ich nicht, ob es wirklich, wiemanche empfanden, gelächelt hat, oder ob ich darin eher Bangen und Tapferkeitgelesen habe: Ursula Appeldorn. Tapfer war sie auf jeden Fall – und stolz. Sie ver-zichtete auf eine Chemotherapie, weil sie ihre schönen Haare behalten wollte. Undwünschte sich zuletzt zu Weihnachten Würstchen und Kartoffelsalat. Frau Schöfflerplante für sich eine Trauerfeier mit 85 Leuten.

Es ging immer mal wieder um das Miteinander Reden. Etwa bei dem Ehepaar,denen die Worte der Versöhnung erst im Tod über die Lippen kamen. Oder beiFrau Strech, die sich, als nichts mehr geht, den Besuch eines Geistlichen wünschtund nicht fragen kann, wie das mit der Hölle ist. Und diesem Geistlichen fallendann nur ein paar aufmunternde Worte ein.

Wie kann man sich bei solchen Lebensbilanzen beruhigen? „Das Leben selbst hatmich verstoßen.“ Und im Sterben die Erkenntnis, man hätte auch anders lebenkönnen: „Langsam geht mir der Gedanke auf, dass es schön wäre… das Leben“(B. Gröne). „Weil ich zu wenig Liebe bekommen habe. Das ist der Fehler meinesLebens“ (E.Clavey). Was soll man zu den Kindern sagen, die bei ihrem Tod 17Monate oder sechs Jahre alt sind. Man muss dann auf die Mütter schauen, die eine,die alles versucht, das Kind zu retten – und sei es mit Hilfe von Heilern – oder dieandere, die – selbst todkrank – nicht die Kraft aufbringt, dem sterbenden Kind zuhelfen.

Es gibt auch bessere Sterbensbilanzen: Dass jemand akzeptiert, gehen zu müssen,dass einer sich zuletzt ganz leicht fühlt. Es gibt den Trost der begleitenden Freundeund der Familie. Und es gibt diesen guten Ort: das Hospiz. Ab und zu findet jemandTrost in der Religion: Dann erinnert man sich an die Sterbende: „Frau Cao lacht“.

Muss ich noch sagen, dass mich die Bilder, die Biographien, die ganze Ausstellungtief beeindruckt und bewegt haben?

Eva Moserseit 2013 im Hospizverein engagiert

Page 4: 20 Jahre Hospizverein Konstanz · Schließe die Augen und sieh nicht nach. Die Freunde finden ihren Weg. Die Kinder auch. Der Boden ist geschrubbt, die Fenster funkeln in der Sonne,

6 JUBILäUMS-AUSSTELLUNG 7JUBILäUMS-AUSSTELLUNG

Nur eine kurzeSpanneUrsula Wolschendorf, die die

BesucherInnen tanzend durch die

Ausstellung begleitet hat, in dem sie

sich den Portraits nicht mit Worten

sondern mit der Sprache des Körpers

genähert hat, schreibt:

Jetzt, wo ich etwas von meinem Erleben inWorte fassen will, stocke ich, will’s gut aus-drücken, habe Widerstände.Ganz anders ging es mir mit der Perfor-mance innerhalb der Ausstellung, die ichsieben Mal gezeigt habe und die sichimmer wieder verändert hat. Der Dialogmit den Portraits fiel mir leicht – keineAnstrengung, kein Hirnen darüber, wieich es mache. Mir fiel es zu.Es war als würden die Bilder mir sagen,was zu tun, was zu tanzen ist. Mein Körperantwortete. Die Requisiten begegneten mirnach und nach in der Zeit der Ausstellung– u. a. Blütenblätter, das trockene Blatteines Baumes, Federn, ein Schleier.Haikus tauchten in mir auf:

Blätter von Blütennur eine kurze Spannevon lebend zu tot

Blätter von Bäumennur eine kurze Spannevon lebend zu tot

Menschengesichternur eine kurze Spannevon lebend zu tot

Koffer und Mudharmonika begleitetenmich den TURM hinauf.

Die Mitgehenden ließen sich berühren.Als wenn ich durch meine Art, mit denBildern in Kontakt zu gehen, auch für sieeine weite Ebene erschlossen hätte. Das wiederum war für mich Rührung undBerührung.Und am Ende der Performance oben imTURM läuteten jeweils die Glocken vomMünster herüber.

Ursula Wolschendorfseit 2005 im Hospizverein engagiert

Meine Liebe, schlaf ein wenigMeine Liebe,Schließe die Augen und drehe sie – zu dir, zu dem, was innenliegt und dem, was manchmal tanzt und sich manchmal inSchweigen hüllt. Und manchmal beides tut, zur gleichen Zeit.Meine Liebe,Schließe den Mund und sage nichts! Alles ist gesagt.Entlasse die Falten deiner Stirn für diesen Tag, sollen sie dochwoanders kleine Schatten werfen, die Falten machen dich nuralt.Entspanne die Lippen oder wenn du das nicht kannst, verziehesie zu einem Lächeln.Meine Liebe,Schließe die Augen und sieh nicht nach. Die Freunde findenihren Weg. Die Kinder auch. Der Boden ist geschrubbt, dieFenster funkeln in der Sonne, sieh’ nicht nach. Das Essen stehtlängst auf dem Tisch, der Abwasch macht sich von allein, alswäre es ein ganz normaler Tag.Meine Liebe,Schließe den Mund und sage nichts. Sprich nicht vom Krieg,sprich von Wiesen. Erinnerst du dich? Wiesen? Es gab auchWiesen im Krieg. Es gab sie schon immer. Weite Ebenen, weiteFelder, in denen der Raps steht. Heugelb und kniestrumpfhoch.Oder Butterblumen. Erinnerst du dich? Erinnerst du dich anButterblumen?Sprich nicht von Abschied, nur Tollkühne und Ungläubige tundas, sprich von Aufbruch.Meine Liebe,Schließe die Augen, solange es dunkelt. Die Nacht ist nur einspäter Gast, der seinen kühlen Leib, ganz ohne Wahl, aufdeinen Frühlingstag verfrachtet hat, weil er doch auch nichtweiß, wohin.Doch dort, weit draußen, hinter Jalousien, den Gärten undWegen, den Mauern aus Stein und dem lästigen Leben, wird esschon Tag.Meine Liebe,Schließe deinen Mund und spare Atem, spare dir dieStreitigkeiten und das Kräftemessen.Beruhige dein Herz, es hat sich eine Rast verdient. So vieleSchläge am Tag, ist das zu fassen? Nein, lass es schlafen,meine Liebe.Lege deine Beine hoch. Du bist genug gelaufen. Bist Bussenhinterhergerannt, hast deinen Kindern Essen und anderesVergessenes bis in die Schule nachgetragen, hast gestrampeltund getreten, bist in Welt gestampft, hast leichtfüßig getanzt,wenn es gefordert war.Meine Liebe,Lass das Denken sein. Endlich mit den Sternen kreisen, aufelliptisch ausgedehnten Bahnen. Bitte Gott, dein Frühstückaufzutragen, fahre ohne Grenzen Rad, die Stützen brauchst duja schon lang nicht mehr.Meine Liebe,Schließe die Augen und sieh genau hin.Die Zimmerdecke ist nur auf den ersten Blick ein weißes Ding.In Wirklichkeit siehst du hindurch. Siehst Himmel dort undWolken, die sich drehen. Im Sonntagsblau hinter den

Zimmerwänden. Der Mai ist da, mit seinen Liedern und Röckenund Farben und seine Sonne steht am Abend tief im Fenster.So tief, dass man geblendet ist.Meine Liebe,Rümpfe deine Nase nicht, sondern spiele mit ihr auf deine Art.Als wäre da Wind im Zimmer, als streiche er über die weißenLaken und rüttle am Infusionsgestell wie im Geäst.Meine Liebe,Schließe den Mund und sage nichts. Sprich nicht von einst.Gestern war gestern und vorbei ist vorbei. Sei nicht traurig.Die Tränen sind nur Wasser.Meine Liebe,Schließe die Augen und sag mir, was du siehst. Hinter dengeschlossenen Lidern. Das flimmrige Zucken, pulsierendesDunkel, ein Licht, das sich schüchtern verhält, was siehst du?Meine Liebe, nun schlaf ein wenig,ohne Träume, ohne Tränen,bette deinen Kopf auf Kissen, weich und ohne Widerstand, alsläge er in mütterlichen Händen, ziehe die Decke nur ein wenighöher, es wird kalt, das Fenster steht ein‘ Spalt weit offen,draußen wohnt die Nacht und schaut uns zu.Wenn du so daliegst, atemlos zufrieden, wird alles ruhig.Beinahe sieht es aus, als schliefest du.

Alex SimmPoetry Slam, 14. Juni 2013Rahmenprogramm zu der Ausstellung“Noch mal leben vor dem Tod”

Faszinierend, wie unterschiedlich der Tod„aussieht“. Gar nicht immer schockierend –und mancher wirkt fast „glücklich“. Dankefür diese todüberwindende Kommunikationmit dem Vergangenen.*

Das Leben ist endlich!Also leben wir endlich „end-lich“!*

Erfüllt von Demut undauch Freude über dasLeben!* Das ging unter die Haut. Und gibt

Impulse für das Leben vor dem Tod.*

* Zitate aus dem Gästebuch bei der Ausstellung„Noch mal leben vor dem Tod“

Einige Zeit ist für mich hier die Zeit stillgestanden. Eine beeindruckende Ausstellung,die mir zeigt, wie wichtig es ist, all die schönenDinge jeden Tag wahrzunehmen – und dann, wennes soweit ist, keine Angst haben zu müssen.*

Page 5: 20 Jahre Hospizverein Konstanz · Schließe die Augen und sieh nicht nach. Die Freunde finden ihren Weg. Die Kinder auch. Der Boden ist geschrubbt, die Fenster funkeln in der Sonne,

9JUBILäUMS-AUSSTELLUNG 8 JUBILäUMS-AUSSTELLUNG

Wenn er kommtWenn er kommt – mit fixierendem,offensichtlichem Blick,der sagt „lass alles fallen – es ist soweit – komm!“– wenn der Tod kommt wie die Pest– wenn der Tod kommt wie ein Eisberg

zwischen den Schulterblättern– wenn der Tod kommt wie ein hungri-

ger Tiger mit reißenden Krallenmöchte ich voller Neugier in denRaum tretenund mich wundern, was das Haus derDunkelheit ist.

Deswegen sehe ich alles als Geschwis-terlichkeitund ich denke: Zeit ist nicht mehr alseine Vorstellungund ich betrachte Ewigkeit als eineandere Möglichkeit.Und ich sehe jedes Leben als Blume – alltäglichwie eine Gänseblume im Feld – und soeinzigartig.Und jeder Name – melodische Musik,die neigt, wie alle Musik, zumSchweigen.Und jeder Körper – ein Löwe derCourageetwas Wertvolles auf der Erde.

Wenn es vorbei ist, möchte ich sagen:Mein ganzes Leben war ich einBräutigam,der die Welt in seine Arme nahmund eine Braut, mit Staunen verheira-tet.

Wenn es vorbei ist, will ich mich nichtfragen,ob ich etwas Besonderes aus meinemLeben machte,ich will mich nicht als ängstlich-seuf-zend erlebenoder voller Streit.

Schließlich will ich nicht als Besucherin dieser Welt enden.

John LoramPoetry Slam, 14. Juni 2013Rahmenprogramm zu der Ausstellung“Noch mal leben vor dem Tod”

Eine sehr schöne, berührende Ausstellung. Sie zeigtso viele Faceen und macht klar: jeder geht seinenWeg. Vielen Dank für die Nähe.*

Angst war es, die mich zö-gern ließ, zu kommen.Ruhe und Zuversicht sind es,die mich aus der Ausstellungbegleiten.*

Vernissage, 4.5.2013Petra Hinderer (Mitte) mitWalter Schels und Beate Lakotta

Podiumsgespräch, 11.6.2013 „Sterben und beerdigt werden in derHeimat - was heißt das für uns“ Eine Kooperation mit der Integrations-beauragten der Stadt Konstanz

Finissage, 23.6.2013 „Weiter leben nach dem Tod“Konzert und Lesung mit Alexander Hanßmann, Yuki Hanßmann, Erich Born, Hans Helmut Straub

Chanson-Abend, 11.5.2013„Wenn ich mal tot bin, mach ich was ich will“Liedermacherin Annett Kuhr

Vortrag, 7.5.2013„Das letzte Bild - im Angesicht des Todes“Prof. Dr. Bernd Stiegler

Lesung, 24.5.2013„Später Spagat“ Hans Helmut Straub liestRobert Gernhardts letzte Gedichte

Multimedialer Kommentar, 17. 5. 2013„Sterben für Anfänger“Studentinnen der Universität Konstanz

Page 6: 20 Jahre Hospizverein Konstanz · Schließe die Augen und sieh nicht nach. Die Freunde finden ihren Weg. Die Kinder auch. Der Boden ist geschrubbt, die Fenster funkeln in der Sonne,

10 EHRENAMT 11EHRENAMT

Adelheit Strätz Ich engagiere mich in der Sterbebegleitung,weil ich hier den Platz gefunden habe, andem ich gerne meine Zeit verschenke.

Belinda Thaci Weil ich überzeugt davon bin, dass es nochwas Anderes gibt außer das Leben hier aufder Erde.

Anita Klein-Helmstädt Mein Engagement in der Hospizarbeit istu.a. durch meine persönliche Erfahrunggeprägt, als junge Frau den Ehemanndurch schwere Krankheit bis zum Tod be-gleitet zu haben. Heute ist es mir ein Her-zensanliegen, anderen Menschen inähnlicher Situation zur Seite zu stehen. Ich freue mich, im Hospizverein Konstanzmit Menschen zusammen arbeiten zu kön-nen, die diesen Lebensabschnitt wieder mitanderen teilen und helfen, das Sterben ausder Isolation der Krankenhäuser undHeime zurück in die Mitte der Gesellschaftzu holen; wann immer möglich dahin, woder Lebensmittelpunkt ist: nach Hause. Esist dieser Grundgedanke der Hospizbewe-gung der mir am Herzen liegt: der Ab-schiebung den bewussten Umgang mit demSterben entgegenzusetzen.

Birgit Ruf Ich engagiere mich in der Sterbebegleitung,weil Sterben und Trauer zum Leben dazu-gehören und weil ich etwas zurückgebenmöchte. Interessanterweise bekomme ichdabei immer wieder etwas dazu. Ich empfinde dieses Ehrenamt als Berei-cherung in meinem Leben, weil es mirmeine Grenzen aufzeigt.

Erika Stock Es bereitet mir große Zufriedenheit,Freude an Kranken- und Sterbebetten zubringen. Sei es durch zuhören, streichelnoder vorlesen.

Doris StahlmannIch möchte meine Zeit, die mir seit meinemEintritt in den Ruhestand geschenkt ist,möglichst sinnvoll nutzen und da einsetzen,wo ich gebraucht werde - meinen Reichtuman Wissen und Erfahrung mit den Men-schen teilen, die am Ende ihres Lebens an-gekommen sind, um ihnen etwas Linderungihrer Schmerzen zu verschaffen, um mitihnen die Einsamkeit und Ängste auszuhal-ten und durch mein Da-sein ein wenig Ge-borgenheit und Wärme zu schenken.

Daniele Seifert Unsere Gesellschaft wäre viel ärmer, wennMenschen sich nicht in den unterschied-lichsten Bereichen ehrenamtlich engagie-ren würden. Gleichzeitig bietet dasfreiwillige Ehrenamt die Chance für jedenEinzelnen, sich einzubringen und zu ge-stalten bei Themen, die ihn bewegen. Fürmich sind das unter anderem die ThemenSterben und Tod. Mit meiner Hospizarbeitmöchte ich Betroffenen meine Zeit, meineFähigkeiten und meine Zuwendung anbie-ten, die Sterbephase angenehmer und er-träglicher zu erleben. Die bisherigenSterbebegleitungen, die Fortbildungen unddie vielfältigen Aufgaben im HospizvereinKonstanz wie auch die netten und interes-santen Menschen, denen ich dort begegne,bereichern mein Leben.

Eberhard Mäule Ich bin graduierter und staatlich geprüfterSozialarbeiter und Sozialpädagoge, undwollte immer schon nicht beruflich, son-dern ehrenamtlich Menschen helfen.Ich bin selbst jetzt 65 Jahre alt und werdeauch mal einst sterben. Deshalb habe ichmich für die Begleitung Schwerkrankerund Sterbender entschieden. Es tut mirinnerlich gut, anderen Menschen zu helfen,besonders alten Menschen, um die sichmeistens kaum jemand kümmert.Ich mache diese Arbeit gerne! Es gibt mireine innerliche Befriedung.

Friedhilde Munzinger Mir ist das menschliche Gegenüberwichtig.

Ehrenamtlich engagieren ....Warum ?es gibt viele gründe, sich im hospizverein Konstanz zu enga-gieren. einige unserer ehrenamtlichen mitarbeiter und mitar-beiterinnen kommen auf diesen seiten zu wort: manche ganz„neu im dienst“, andere schon viele Jahre, einige seit Anbe-ginn dabei.wir sind sehr glücklich über so einen reichtum an menschenund talenten und dankbar für ihre bereitschaft, sich fürschwerkranke und sterbende, für Angehörige und trauerndeeinzusetzen. es gibt verschiedene bereiche, in denen man sich ehrenamt-lich einbringen kann, und jede/r findet seinen/ihren platz:

Im ambulanten Hospizdienst

Jeder braucht jemanden. Irgendwann.Vorbereitungskurs fürehrenamtliche Mitarbeiterim Hospiz Konstanz e.V.

Jeder ehrenamtliche Mitarbeiter beimHospiz Konstanz e.V. nimmt zur qualifizier-ten Vorbereitung auf seine Tätigkeit an die-sem Kurs teil. Wir sprechen bewusst vonVorbereitung und nicht von Ausbildung,weil man den Umgang mit Sterben, Todund Trauer nicht im herkömmlichen Sinneerlernen kann. Das, was jeder Einzelne tut,wird immer das Ergebnis persönlicher Aus-einandersetzung und Erfahrung sein.

Die Menschen, die sich hospizlich enga-gieren, verbindet das Ziel, Sterben, Tod undTrauer in unser aller Leben zu integrieren,das heißt als Teil unseres Lebens zu begrei-fen. In dieser Haltung begleiten wir Men-schen jeden Alters in diesen Grenz-situationen des Lebens. MenschlicheGrundhaltungen wie Respekt, Toleranz,Achtsamkeit, Verantwortlichkeit und einliebevolles Interesse anderen gegenübersind dabei unabdingbar.

Das Motto des Kurses „Jeder braucht je-manden. Irgendwann.“ macht deutlich:Jeder von uns kann in eine Situation kom-men, in welcher er Begleitung braucht. Injeder Begleitung geht es darum, die Auto-nomie der Betroffenen in größtmöglicherWeise zu respektieren — bis zu dem Punkt,an dem auch das Aufeinander-angewiesen-sein akzeptiert werden kann.

Als Modell des Vorbereitungskurses fürEhrenamtliche im Hospiz Konstanz e.V.diente uns anfänglich das „Celler Modell zurVorbereitung Ehrenamtlicher in der Sterbe-begleitung“. Wir schöpfen unser Materialweiterhin zu einem großen Teil aus dieserVorlage. Im Laufe der Jahre haben wir dasKonzept abgewandelt und an die Gegeben-heiten in Konstanz angepasst — einerseitsweil unser Verein nicht in kirchlicher Trä-gerscha steht und sich darin Menschenunterschiedlichster Weltanschauung enga-gieren, andererseits weil sich in diesem Kursalle Ehrenamtlichen auf ihre jeweiligen Auf-gaben vorbereiten (Kinderhospiz-Paten,Trauerbegleiter, Ehrenamtliche im Vor-stand, Öffentlichkeitsarbeit usw.), nicht nurdie in der Sterbebegleitung ErwachsenerTätigen.

ZieleEin wesentliches Ziel des Vorbereitungs-

kurses ist es zu klären, ob ein Ehrenamt imHospiz für diese Person passt und diese Per-son für das jeweilige Ehrenamt passt.

Diese Klärung ist wichtig für den „Be-werber“, damit er sich mit seiner Aufgabeidentifizieren kann, und wichtig für diehauptberuflichen Fachkräe im Hospiz,damit sie ihrer Verantwortung für die zu be-gleitenden Menschen und für die ehren-amtlichen Mitarbeiter gerecht werdenkönnen.

Inhaltlich geht es in dem Vorbereitungs-kurs darum, die Grundlagen ehrenamt-licher hospizlicher Tätigkeit deutlich zumachen:• Hospizliche Begleitung ist das Angebot

vertrauensvoller Beziehung.• Der Begleiter ist grundsätzlich bereit,

etwas zu geben. Mit hoher Verbindlich-keit verschenkt er Zeit, persönlichen Ein-satz, emotionale Zuwendung. Was„zurück kommt“ — an Begegnungen, Er-fahrungen, vielleicht auch Dankbarkeit —kann nicht der Zweck seines Einsatzessein, sondern ist eher wie die „Ernte“, diesehr unterschiedlich ausfallen kann.

• Echte Begegnung setzt Präsenz und Au-thentizität sowie Achtsamkeit und Wert-schätzung im Umgang miteinandervoraus. In der hospizlichen Begleitung giltes darüber hinaus, die Bedürfnisse des an-deren in den Vordergrund zu stellen,ohne sich selbst zu verleugnen oder ei-gene Grenzen zu ignorieren.

• Hospizmitarbeiter verstehen das eigeneLeben — auch mit seinen Krisen — alsErfahrungsschatz. Ihn bringen sie in dieBegleitung ein. Dies setzt die Ausein-andersetzung mit der eigenen Einstellungzu Sterben, Tod und Trauer und mit dereigenen Endlichkeit voraus.

• Unsere hospizliche Tätigkeit lebt von derSpannung zwischen hoher Eigenverant-wortung und dem Eingebunden-sein indas Netzwerk einer Gemeinscha. Daherbraucht es eine Begleitung der Begleiter.Sie erfolgt durch hauptberufliche Mitar-beiter sowie in der Supervision durch denSupervisor und durch die Gruppe.

• Die Kenntnis der anderen sozialen Dien-ste und ihrer Verknüpfung mit der hos-pizlichen Tätigkeit ist unverzichtbar, umdie begleiteten Menschen immer wiederin den Mittelpunkt stellen zu können.

• Auch außerhalb des unmittelbaren Hos-

piz-Dienstes repräsentieren die Mitarbei-ter hospizliche Haltung in ihrem privatenUmfeld — und sind sich dessen bewusst.

StrukturDer Vorbereitungskurs umfasst etwa zehn

Monate und gliedert sich in drei Teile:Einführungskurs, erste praktische Erfah-rungen,Vertiefungskurs mit einem Semi-nar-Wochenende.

Die Kurseinheiten finden in der Regelabends statt und dauern jeweils ca. dreiStunden.• Der Einführungskurs umfasst sechs

Abende und einen ganzen Samstag mitinsgesamt acht inhaltlichen Einheiten. Erwird moderiert von ehrenamtlichen Mit-arbeitern aus allen Bereichen der Hospiz-arbeit, die den Teilnehmern modellhaauch ihre persönlichen Erfahrungen nahebringen.

• Nach dem Einführungskurs machen diekünigen Ehrenamtlichen erste Erfahrun-gen in dem Tätigkeitsfeld, für das sie sichinteressieren, und zwar in enger Anbin-dung an die jeweiligen Koordinatorinnen.Dabei überprüfen sie, ob stete innere Be-reitscha, Abruarkeit, zeitliche Flexibi-lität und die erforderliche Verbindlichkeitmit ihrem sonstigen Leben vereinbar sind.

• Der Vertiefungskurs umfasst vier Abende.Sie werden inhaltlich von den Koordina-torinnen des ambulanten Dienstes zuSterbebegleitung Erwachsener und derKinderhospizarbeit sowie von unsererTrauerreferentin gestaltet.

• Abschließend nehmen die neuen Ehren-amtlichen an einem Seminar-Woche-nende teil. Es bildet den Übergang in dasgewählte Tätigkeitsfeld. Es wird von demjeweiligen Supervisor (SterbebegleitungErwachsener, Kinderhospizarbeit, Trauer-Team) und der Hospizleitung gestaltet.Die inhaltlichen Schwerpunkte ergeben

sich aus den Erfahrungen der Begleitungenund den emen der Supervision.

An diesem Seminar-Wochenende neh-men auch die „alten“ Ehrenamtlichen unddie Koordinatorinnen teil.

Der Kurs endet mit einem Fest, bei demdie neuen Ehrenamtlichen ein Zertifikat be-kommen und herzlich im Verein aufgenom-men werden.

Dr. Adelheid Strätzseit 2000 im Hospizverein engagiert

Page 7: 20 Jahre Hospizverein Konstanz · Schließe die Augen und sieh nicht nach. Die Freunde finden ihren Weg. Die Kinder auch. Der Boden ist geschrubbt, die Fenster funkeln in der Sonne,

13EHRENAMT12 EHRENAMT

Gabriele BösingerIch bin gerne mit Menschen zusammen,die dem Tod nahe sind. Denn bei ihnenkomme ich selbst zur Ruhe und erkenne,es braucht so wenig, um zufrieden leben zukönnen. Wenn ich es dann noch schaffe,ihre Bedürfnisse zu erkennen und einLächeln auf ihr Gesicht zu zaubern, dann,ja dann, gehe ich selbst wieder frohgemutmeinen eigenen Lebensweg weiter.

Gitta Boehncke Ich habe einen Ort gefunden, wo meinHerz hingehört.

Gisela Schreiber Für mich als Intensivschwester ist sterbenim Hospiz eine positive Alternative. Hierhaben die Betroffenen zumeist Zeit, sichmit dem Tod auseinander zu setzen undsich auf´s Sterben vorzubereiten. Als Eh-renamtliche habe ich die wertvolle Auf-gabe, sie auf diesem letzten Weg zubegleiten.

Heidi Pecher .... weil für mich die Lebensbegleitung vonschwerkranken und sterbenden Menscheneine einzigartige Herausforderung war undist.

Heidi Kern Hier habe ich einen Platz gefunden, umdas Thema Sterben ins Leben zu integrie-ren.

Konstanze Wacker Jeder braucht Jemanden. Irgendwann.Ich lerne hier viele wunderbare Menschenkennen.

Maria Fuchs-Honsel Für mich bedeutet die Mitarbeit im Hospizeinen sinnstiftenden Dienst am Mitmen-schen und darüber hinaus den Gewinnwesentlicher Impulse für mein persönlichesWachsen.

Monika Hahn Der Tod und das Alter waren in meinemLeben lange ausgeklammert, aber meineAngst davor sehr groß. Seit ich vor vielenJahren in Konstanz die Hospizarbeit ken-nen lernte, hat das erst mir sehr geholfen(und hilft noch), aber vor allem habe ichmit der Hospizbegleitung eine schöne Auf-gabe gefunden.

Petra Sonntag Jeder Mensch hat es verdient, auch amEnde seines Lebens Wertschätzung zu er-fahren und nicht alleine gelassen zu wer-den.

Renate Fraas Ich engagiere mich in der Sterbebegleitung,weil ich viel Gutes im Leben erfahren habeund gerne etwas weitergeben möchte. Die-ses Ehrenamt empfinde ich als Bereiche-rung. Ich lerne für mich demütiger unddankbarer zu sein.

Sabine Erbach Die Arbeit für das Hospiz bringt mich demLeben näher.

Simona Bozzonetti Begegnung - Beziehungsangebot - Inti-mität, Distanz, Respekt, nah am Lebens-sinn, Geben und Nehmen - Geschenk: dasAngenommenwerden als Begleitung - inunserer Familie versuchen wir, den Todnicht zu verschweigen.

Simone Dautel Ich empfinde dieses Ehrenamt als Berei-cherung in meinem Leben, weil es michweiterbringt und in meinem Denken undWesen Spuren hinterlässt.

In der Kinder- und Jugendhospizarbeit

Angelika Rohloff Da Leben und Tod Herz und Seele berüh-ren, mit dem Auf und Ab von Freude,Hoffnung, Wut und Trauer, freue ich mich,Angst und Schmerz eines Menschen viel-leicht kurzzeitig durch meine Anwesenheitetwas zu lindern. Das war und ist meinMotivationsgrund.

Carlos Lange-Prollius Ich engagiere mich im Hospiz Konstanz,weil ich das Thema Tod ent-tabuisierenmöchte. Der Tod ist für mich fester Be-standteil des Lebens, ja sein Höhepunkt.

Elke Wiechmann-Kruse Niemand ist eine Insel.

Gabriele Krespach Ich engagiere mich in der Kinder- und Ju-gendhospizarbeit, weil... ich gerne mit undbei Kindern bin. Ich empfinde dieses Ehrenamt als Berei-cherung weil... mich das Vertrauen und dieFreude der Kinder beglückt und das Er-lebte bereichert.

Romina Rauner Ich engagiere mich in der Kinder- undJugendhospizarbeit, weil ich hier meineFähigkeiten nutzen kann, um etwas Sinn-volles zu tun.Ich empfinde dieses Ehrenamt als Berei-cherung in meinem Leben, weil es nichtsSchöneres gibt, als dazu beizutragen, dassein Kind sich gut fühlt.

Sibylle Rohr .....Kinder, die mit dem Tod in Berührungkommen erleben etwas, das tatsächlichauch einfach zum Leben und zur Ge-meinschaft gehört! Mit dieser Krisensitua-tion und allen Gefühlen, Bedürfnissenund Ängsten, die damit verbunden sind,bleiben sie aber oft allein. Als ehrenamt-liche Patin und "Nichtbetroffene" kannich die Kinder mit dem Einverständnisder Angehörigen in dieser Zeit derTrauer und des Schmerzes begleiten, sieernst nehmen und ihnen Raum für dieVerarbeitung geben...

In der Trauerarbeit

Caroline und Niclas Wiesent Der Tod unseres Sohnes hat uns aufsehr schmerzliche Weise gezeigt, wiezerbrechlich das Leben sein kann.Uns wurde auf unterschiedlichsteWeise geholfen und wir haben wiederHoffnung geschöpft und „lächeln ge-lernt“. Wir hoffen sehr, durch unsereArbeit im Hospiz auch anderen be-troffenen Eltern wieder ein Lächelnauf die Lippen bringen zu können.

Reinhild Gamm Nach eigenen Schicksalsschlägen konntensich meine grenzenlose Verzweiflung,Schmerz und unendliche Traurigkeit durchdie Unterstützung vom Hospizverein inenorme Kraft und Stärke verwandeln. Einehohe Sensitivität und eine feine Wahrneh-mung für menschliche Zwischentöne sindgeblieben und gewachsen. Es ist mir eine Ehre, in der SterbebegleitungErwachsener mitwirken zu können und inder Trauergruppe „Offenes Haus für Trau-ernde“ einen vertrauensvollen Raum gestal-ten zu dürfen.

Doris Hoffmann Ich freue mich auf die Donnerstagabende,weil ich immer viel über mich und dasLeben lerne!

Elke Hutzenlaub Ich engagiere mich in der Trauerarbeit, weil ichvor vielen Jahren als Trauernde einen Platz ge-funden habe, der für mein Leben mit der Trauersehr hilfreich und wichtig war.Ich empfinde dieses Ehrenamt als Bereicherung inmeinem Leben, weil ich mit meiner eigenen Er-fahrung mit der Trauer anderen zur Seite stehenkann und es so für mich selbstverständlich gewor-den ist, dass Trauer niemals endet sondern sich soverändert, dass sie einen guten Platz in meinemund anderer Leben haben darf.

Page 8: 20 Jahre Hospizverein Konstanz · Schließe die Augen und sieh nicht nach. Die Freunde finden ihren Weg. Die Kinder auch. Der Boden ist geschrubbt, die Fenster funkeln in der Sonne,

15EHRENAMT14 EHRENAMT

Im Vorstand

Christian SiedlaczekDurch mein Engagement im Hospizvereinmöchte ich mithelfen, die Wege zur Reali-sierung der Vereinsziele positiv mitzugestal-ten.

Petra ReinmöllerDie respektvolle Haltung der Hospizbewe-gung gegenüber allen Menschen empfindeich als großartige Erfahrung der Solidaritätund des freundschaftlichen Miteinanders -ohne Belehrung und Bekehrung. Für michist es ein Geschenk, dass ich meine Qualitä-ten und Kompetenzen im Hospizvereinsinnvoll und fürs Ganze einsetzen kann.Dafür bin ich sehr dankbar.

Renate MausIch wurde als Schatzmeisterin von einemVorstandsmitglied „angeworben“, der wus-ste, dass ich beruflich aufhöre. Es hat sichim Laufe der nun über zwölf Jahre eine sehrfeste Bindung zum Hospizverein entwickelt.Nicht zuletzt durch die Geschäftsführerinund die Zusammenarbeit mit ihr. Ich findedie Arbeit, die wir im Verein machen, unge-mein wichtig für die Stadt, das Land, dieMenschen. Wir haben ein tolles Team undes kommt auch soviel zurück, sodass ich mirschwerlich vorstellen kann, nicht mehr fürden Verein zu arbeiten.

Sandra Gräfin Bernadotte Keiner von Krankheit und Tod direkt oder im nahen Umfeld Betroffene darf mit seinen Sorgen und Fragen alleinegelassen werden. In Situationen, in denen wir Hilfe benötigen, tut es unendlich gut, eine Hand entgegengestrecktzu bekommen sowie Verständnis und Zuwendung zu erfahren. Dieses „eine Hand ausstrecken“ begleitet mich invielen Lebenslagen. Ich freue mich, dass ich die wertvolle Arbeit des Hospizvereins Konstanz unterstützen kann.

Dr. Susanne RathfelderIch engagiere mich im Hospizverein Kon-stanz, weil ich die Kernidee der Hospizbe-wegung und die Arbeit in diesem Vereinwichtig finde – die Begleitung von Mitmen-schen in Zeiten der Not, das Hinschauenanstatt der Abwendung, der Respekt, dieEmpathie und die Achtsamkeit gegenüberdem Anderen – und weil die Themen Ster-ben, Tod und Trauer Platz in unserer Ge-sellschaft erhalten müssen. Ich empfindedie ehrenamtliche Aufgabe im Hospizvereinals einen Auftrag an mich und erlebe siegleichzeitig als ein Geschenk an mich selbst.

im patientenfernen ehrenamtIm Haus am Park: Margret Willbrandt (li) und Ute Lautenschläger (re) kümmern sich abwechselnd um den Blumenschmuck im Haus.Es macht Spaß, mit den wöchentlich großzügig gespendeten Blumen der Firma BLUMEN-SCHÄFLE Reichenau aus dem „Vollen“ schöpfen zu können, und dann den Eingang und dieRäume anschließend so schön geschmückt zu sehen.

In der Öffentlichkeitsarbeit:Heidi Gerlach Ich durfte selbst die so wertvolle und hilfrei-che Unterstützung durch das Hospiz in einerschweren Zeit erfahren. Deshalb möchte ichnun dazu beitragen, dass auch andere davonprofitieren können.

Im Bücherflohmarkt: Hermann Pecher Der Hospizverein ist mir sehr wichtig ist undder Umgang mit Menschen und Büchernmacht mir Freude.

Als Versandhelfer: von li nach re: Günter Brach, Francois Pompeo AbrittaRoswita Lautenegger-Strobel, Barbara Schlaich Wir tüten sehr, sehr gerne. Hier treffen wir immer bekannte und teilweise auch unbekannteEhrenamtliche und der Austausch ist einfach fruchtbar! Also Tüten ist klasse. Bitte ruft immerwieder an ..................wir lieben tüten :-)). Und wenn sich die gelben Boxen so stapeln, habenwir das Gefühl richtig viel getan zu haben!Zitat Heidrun Khamsa (nicht im Bild, aber oft dabei)

Sterben für AnfängerWarum junge Menschen voneinem Ehrenamt in der Hospiz-bewegung profitieren

Sich als junger Mensch für die Hospizbe-wegung zu engagieren, stößt auf Verwunde-rung: „Wie bist du denn dazu gekommen?“oder „Ist das nicht deprimierend?“ sind Fra-gen, die vor allem von Gleichaltrigen häufiggestellt werden. Die Auseinandersetzungmit dem Tod ist, so scheint es, etwas, daserst zu einem späteren Zeitpunkt des Le-bens stehen sollte. Doch aus Erfahrung weißich: Auch für Jüngere kann dieser Weg eineBereicherung sein.

Alles begann mit einer E-Mail. „LiebeFrau Hinderer...“, mit diesen Worten wandteich mich Anfang dieses Jahres an die Ge-schäsführerin des Hospizvereins Kon-stanz. Angetrieben wurde ich damals ehervon einem zunächst diffusen Gefühl, denneiner konkreten Vorstellung. Ich war mir je-doch sicher, dass ich mich in diesem Be-reich ehrenamtlich engagieren wollte. IhreAntwort erfolgte prompt. Sie lud mich zumGespräch in die Talgartenstraße.

Obwohl mein erster Besuch nun schon ei-nige Zeit zurück liegt, erinnere ich michnoch sehr genau an die helle, ruhige Atmo-sphäre des Hauses, an die offene Art, mitder mich Petra Hinderer in ihrem Büroempfängt. Während unseres entspanntenGesprächs loten wir Einsatzfelder aus. DieZuversicht wächst: Ich bin hier richtig. Icherhalte die Chance, im März an einem Vor-bereitungskurs teilzunehmen.

Dann der erste Abend des Kurses. Er be-ginnt mit dem Herumreichen einer hölzer-nen Kugel, die geschmeidig in der Handliegt. Wer sie hält, kann sich der Aufmerk-samkeit der rund 20 anderen Teilnehmer si-cher sein. Wir kommunizieren unserBefinden, Stimmungen und Erkenntnisse.Es ist eine Innenschau bei der zunächst fol-gende Frage im Zentrum steht: Warummöchte ich mich für den Verein engagieren?

Schnell wird klar: So individuell wie dieTeilnehmer sind die Gründe. Für viele ist esdie Auseinandersetzung mit dem Verlusteines nahen Angehörigen. Andere möchtenden Tod nicht als das Ende sondern als Teildes Lebens verstehen. Für mich ist es meinmehrmonatiger Aufenthalt in Indien, beidem ich mich mit Leid und Tod ausein-andersetzen musste. Mit jeder Geschichtewächst unsere Gruppe zusammen. Wir ler-nen offener über unsere Gefühle zu spre-chen: Von Woche zu Woche, Gespräch zuGespräch.

Dabei verläu der Kurs in insgesamt achtSchritten. Durch Wahrnehmungsübungen

– auch in Form von Tanz und Meditationund durch die Auseinandersetzung mitemen wie „Zuhören und Verstehen“ oder„Begleiten und Helfen“ werden wir zuneh-mend für individuelle Bedürfnisse undGrenzen sensibilisiert – seien es unsere ei-genen, die von Angehörigen oder die derSterbenden.

Nach zwei Monaten, der Abschied. Wirprüfen unser Gepäck. Legen in den Koffer,was wir mitnehmen wollen, werfen in denPapierkorb, was uns zu sehr belastet,schauen nach vorn. Mit auf den Weg be-kommen wir die Gewissheit: Wenn jemandunsere Hilfe benötigen könnte, werden wirkontaktiert.

Nach einigen Wochen dann ein Anruf.Christina Labsch-Nix, Koordinatorin imambulanten Hospizdienst, schlägt ein Tref-fen vor. Eine ältere Dame soll begleitet wer-den. Wir könnten uns gut verstehen, meintsie. Wir verabreden uns wenige Tage späterzu einem gemeinsamen Besuch der Patien-tin. Was wird mich erwarten? Wie soll ichmich verhalten? Die Aufregung legt sich, alswir uns in einem lichtdurchfluteten Zim-mer gegenübersitzen. Nach dem zweitenTreffen ist klar: Die Chemie stimmt. Ichwerde nun regelmäßig etwas Zeit und Auf-merksamkeit verschenken.

Sterben für Anfänger? Auch nach demEinführungskurs und meinen ersten Besu-chen stehe ich erst am Beginn meines En-gagements. Aber schon jetzt sehe ich vieleDinge mit anderen Augen – habe einenschärferen Blick. Und eines scheint sicher:Dafür kann man nicht zu jung sein.

Susanne Ebnerseit 2013 im Hospizverein engagiert

Schluss Stück(aus einer Rede anlässlich derZertifikats-Übergabe an neueEhrenamtliche am 7.12.2012)

Meine Aufgabe als zweite Vorsitzende desHospizvereins – schmunzelnd als „Innen-ministerium“ bezeichnet – ist der Blick nachInnen und damit auf unsere eigentlicheKernaufgabe, die da heißt: Begleitungschwerkranker und sterbender Menschenund ihrer Angehörigen.

Mein Blick ist damit vor allem auch aufunsere zukünigen ehrenamtlichen Hospiz-Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen gerichtet.Deswegen bin ich auch selber Teil des eh-renamtlichen Moderatoren-Teams, das denVorbereitungskurs zusammen mit denhauptberuflichen Mitarbeiterinnen gestal-tet.

Menschen in einer schweren Zeit zu be-

gleiten, ihnen beizustehen und sie zu unter-stützen, ihnen Zeit und Aufmerksamkeit zuschenken und dem „Sterben ein Zuhause zugeben“, ist die ursprüngliche hospizlicheIdee und Haltung.

Diese gilt es für uns, zu den Menschen zubringen und umzusetzen.

Die emen Sterben, Tod und Trauerhaben in den letzten Jahren zunehmendEingang und Akzeptanz in unserer Gesell-scha gefunden, und das ist sehr gut so. DieHospizbewegung hat daran einen großenAnteil.

Allerdings sieht man leider mittlerweileauch schon deutliche Anzeichen der Kom-merzialisierung. Sterben und Tod werdenzum Geschä.

Deshalb ist es extrem wichtig, dass dasEhrenamt einen besonderen, hohen und ge-achteten Stellenwert einnimmt. Ehrenamt-liche können Raum und Zeit schaffen, umden Sterbenden und seine Angehörigen indas Zentrum des Dienstes zu stellen undzwischenmenschliche Begegnung zu er-möglichen - als gegenseitiges Geschenk vonMensch zu Mensch.

Es ist uns sehr wichtig und ein Anliegen,dass die zukünigen Ehrenamtlichen gutvorbereitet und informiert zu den Men-schen gehen können, sich selber gut kennenund den anderen und seine Bedürfnissewahrnehmen, ohne ihn zu bewerten.Außerdem ermutigen wir jeden „Geben-den“, dass er oder sie auch gut für sich selbersorgt, Grenzen wahrt und über Erlebtes re-flektiert.

Jedes Jahr stoßen etwa ein Dutzend neueEhrenamtliche zu uns. Das freut uns und istwichtig für den Verein, weil jedes Jahr auchein paar Begleiterinnen und Begleiter ihreaktive Mitarbeit aus verschiedensten Grün-den beenden. Und dieser Kreislauf ist gut,denn er dient auch der Lebendigkeit, Ver-jüngung und Vitalität des Vereins.

Ohne ehrenamtliche Mitarbeiterinnenund Mitarbeiter gäbe es den Hospizvereinnicht und wir sind sehr dankbar für so vielBereitscha und Engagement.

Dr. Susanne Rathfelderseit 2002 im Hospizverein engagiert

Schluss Stück

Der Tod ist großWir sind die SeinenLachenden MundesWenn wir uns mitten im Leben meinenWagt er zu weinenMitten in uns

R.M. Rilke

Page 9: 20 Jahre Hospizverein Konstanz · Schließe die Augen und sieh nicht nach. Die Freunde finden ihren Weg. Die Kinder auch. Der Boden ist geschrubbt, die Fenster funkeln in der Sonne,

17AMBULANTER HOSPIZDIENST16 AMBULANTER HOSPIZDIENST

Es blieb keine Zeit mehr, uns kennen zulernen.Es gab aber eine Zeit des Abschiednehmens.Es bleibt Zeit an sie zu denken.Es bleibt Zeit für Wünsche:möge sie in Frieden ruhenmöge ihre Seele eingebunden seinin den Bund des Lebens.

Mirjam Wiehnseit 2007 dabei

Wir lernten uns im April kennen. Sie hatte noch viele Visionen undTräume.....Anfangs distanziert – völlig verständlich –entwickelte sich so etwas wie Freundschaein tiefes Vertrauen.Ihr Humor bleibt unvergesslich für mich!Bei unserem letzten Abschied (auf dieserWelt...)lächelte sie mich noch einmal verschmitztan.Ich fragte: „Lächelst du mich an oderlachst du mich aus?“Sie lächelte einfach wissend weiter...

Katrin Hoppeseit 2012 dabei

Ohne Trost war o Dein Leben,das Du Dir auch selbst verbaut.Deine Augen – o vergebens – hilfesuchendmich geschaut.Denn Dein Mund entbehrte Worte, konn-test – wolltest sie nicht sagen.Und so war ein Miteinandervoller Rätsel, voller Fragen.Still nur konnt ich Dich begleiten,habe Deine Not gespürt.Und Dein auswegloses Leidenhat mich o ganz tief berührt.Hat man denn Dich selbst gesehen, wenn die Nahrung stündlich floss?Hier ein Machtwort auszusprechen....War die Angst vor Schuld zu groß?Und so war es Dir genommen,Deinen Weg für Dich zu gehen,und zu Deinem Tod und Lebenselbst aus eignem Mut zu gehen.Nun ist Deine Zeit erfüllet, die Du tapfer durchgebracht.Mög´ Dein Weg in Frieden münden, ich hab o an Dich gedacht.Und die Würde unsres Menschseinsist trotz UnbegreiflichkeitEtwas, was uns überdauertüber Zeit und allem Leid.

Gitta Boehnkeseit 1994 dabei

Seit zwei Jahrzehnten begegnen wir Men-schen, die wissen, dass sie bald sterbenwerden. Dabei kennt der Tod kein Alter.Wir kommen und unterstützen, wennSterben oder Tod Thema sind – nachHause, in Pflegeheime, in die Klinik oderan jeden anderen Ort.Die Zeit, die wir im Bewusstsein des na-henden Endes verbringen, ist eine wich-tige und oft wertvolle Zeit des Lebens: fürdie Kranken, für die Angehörigen, für dieBegleiter. Was in der gemeinsamen Zeit wichtigwird, ist so unterschiedlich wie die Men-schen selber sind und so facettenreich wiedie jeweiligen Leben. Was beide Seiten er-leben, erfahren, sagen und fühlen, ist ver-traulich und persönlich. Es ist nichts, andem man andere normalerweise teilha-ben lassen kann oder will. Immer jedochist es ein Geschenk, wenn Menschen sichnahe kommen und gegenseitig ver-trauen. So manche Begegnung hinterlässttiefe Spuren in den Herzen und veranlasstdie Begleiter/innen, der Verstorbenen zugedenken.

Der Todestag von Frau H. jährt sich.Immer wieder gehen meine Gedanken zu-rück an die lange und intensive Zeit desMiteinanders: 3 ½ Jahre . Manchmal täg-lich. Plötzlich – nach einem Sturz – mittenin der Nacht, erlebten wir uns. Die Tagekonnten gut sein, weniger angenehm undauch manchmal miserabel. Ab und zuträumte ich von Frau H. Da erschien siejung und gesund und voller Pläne. Inihrem Leben verdrängte sie ihr leidvollesDasein, und ganz langsam gewann sie Ver-trauen zu mir, zu uns.Es ist schade, dass sich Frau H. dann soschnell auf den Weg ins Jenseits machte.Sie begann gerade Wärme, Friede undauch kleine Freuden zu spüren. Ich bindankbar, sie erlebt zu haben.

Heide Pecherseit 1993 dabei

Im Juni traf ich Maria zum ersten Mal inihrem Krankenzimmer. Vorsichtig näherten wir uns. Sie war für mich eine der schönsten Frauen,die ich je gesehen hatte. Eine glatte Haut, viele weiße Haare...sie sah mir nicht nach Sterben aus.Besonders mochte ich ihren Dialekt, sie lehrte mich bayerische Vokabeln.Sie war richtig süß, ich konnte ihr stunden-lang zuhören....Wir haben viel zusammen „gekocht“,das war ihre große Leidenscha...bald dure ich auf ihrem Bett sitzen,bald ihre Hand streicheln,bald ihr beim Kommen und Gehen einenKuss geben.Sie strahlte wenn ich kam,sie war für mich ein Sonnenschein,an ihrem Bett fiel aller Stress und Ärger ab...Fast hätte ich vergessen, dass sie sterbenwird...doch der Tag kam...zum Schluss konnte sie nicht mehr reden,aber, sie suchte mich mit ihren Augen...Die Ärzte machten ihr Angst,aber wenn ich bei ihr war, wurde sie ruhig.Wir hatten gelernt über den Körper zukommunizieren...Tags darauf starb sie ... einfach so...Ein Stern ging für mich unter.Sie wollte sterben und sagte mal,dass sie ein erfülltes Leben hatte. Sie wurde immer sehr liebevoll versorgt.Es war für mich eine bewegte, intensiveZeit...ich wollte sie nicht missenTraurigkeit ist der Preis,den wir für die Liebe bezahlen.Aber deshalb nicht lieben...?

Pfirti, oder wie man das schreibt,würde meine Maria sagen,ja, mach´s gut, meine Liebe...und danke für die schöne Zeit.

Gabriele Bösingerseit 2010 dabei

AbschiedNach einer Weile lernst Du den feinenUnterschiedzwischen eine Hand halten und eine Seelein Ketten legen.Und Du lernst, dass Liebe nicht gleichBesitz ist.Und Gesellscha nicht unbedingt Sicher-heit bedeutet.Und Du fängst an zu lernen, dass Küssekeine Verträge sind.Und Du beginnst, Deine Fehler anzuneh-menmit dem Gleichmut eines Weisen, nichtmit demKummer eines Kindes.Und Du lernst, alle Straßen auf „Heute“ zubauen,da der Boden von Morgen zu unsicher istfür Pläne,und die Zukun dazu neigt, Deine Wün-sche nicht zu erfüllen.Nach einer Weile lernst Du, dass sogar derSonnenschein verbrennt,wenn Du zuviel davon verlangst.So legst Du Deinen Garten anund betreibst Deinen eigenen Boden fürDich,anstatt zu warten auf Irgendjemand,der Dir Blumen bringt.Und Du lernst,dass Du wirklich ertragen kannst,dass Du wirklich stark bist,dass Du wirklich Wert hast.Und Du lernst........ mit jedem Abschied lernst Du.....

Bernhild Postl(in Erinnerung an Andrea und Johannes)Von 1998 bis 2012 dabei

AmbulanterHospizdienst

Konstanz

Page 10: 20 Jahre Hospizverein Konstanz · Schließe die Augen und sieh nicht nach. Die Freunde finden ihren Weg. Die Kinder auch. Der Boden ist geschrubbt, die Fenster funkeln in der Sonne,

19AMBULANTER HOSPIZDIENST18 AMBULANTER HOSPIZDIENST

Ich entdeckte das Bild eines Hochzeitspaares (vermutlich ihre Tochter mit Mann, derÄhnlichkeit nach zu schließen) und ein Christusbild mit der Dornenkrone.

An der anderen Seite der Wand, fiel mein Blick auf ein Gemälde, das eine alte, ge-krümmte Frau mit einem Stock in der Hand zeigte und hinter ihr schemenha einenEngel, der sie fast ganz umhüllte. Wie ich später von der Tochter erfuhr, das Geschenkeines Onkels, das er selbst gemalt hatte. Das Bild strahlte sehr viel Geborgenheit aus undberührte mich tief.In unserem Gespräch in der Küche erfuhr ich, dass die Mutter zwar gläubig, jedoch keineKirchenchristin war – sich aber besonders in der letzten Zeit immer die Messen amSonntagmorgen im Fernsehen ansah.Die Nacht verlief zeitweise sehr unruhig – ich bemerkte aber, dass meine Anwesenheiteher beruhigend auf sie wirkte.So blieb ich auch den Rest der Nacht an ihrem Bett sitzen.

Gegen Morgen, als sie aufwachte, rief sie nach ihrer Tochter, die im Zimmer nebenaneine laut eigener Aussage sehr gute Nacht verbracht hatte. Sie kam auch sofort.

Es war sieben Uhr morgens und ich machte mich auf meinen Heimweg. So wie ich nachdieser ersten Nacht die Situation einschätzte, würde es wohl noch eine Weile gehen – biszum Ende...

Als ich um 21 Uhr am folgenden Abend wieder meinen Dienst antrat, traf ich die Mutterso an, wie ich sie morgens verlassen hatte. Mit der Tochter zusammen versuchten wir,die Mutter best möglich zu lagern, verabreichten ihr noch ein Schmerzmittel in Formeines Pflasters, das ihr auch die Unruhe etwas nehmen sollte. Wir waren gerade dabei,die Mutter zuzudecken, als sie sich noch einmal kurz aufrichtete – und damit ihren letz-ten Atemzug tat.

Sie starb ohne jeglichen Todeskampf und ohne irgendwelche Anzeichen des bevorste-henden Todes – mit geschlossenen Augen...

So unbeirrbar ihr Lebensweg war, so konsequent ging sie „reich an Jahren“ dem Tod ent-gegen.

Ihr Leben war nicht einfach. Sie hat früh ihren Mann verloren und musste sich mit ihrerTochter allein durchs Leben schlagen. Fast vierzig Jahre hat sie ihre kranke Schwestergepflegt – und hat mit dieser Selbstverständlichkeit des Füreinander-da-seins das gleicheeben auch von ihrer Tochter erwartet. Diese musste zehn Jahre auf jeglichen Urlaub ver-zichten, weil die Mutter dies von ihr einforderte – und dabei waren das Reisen und dieBesuche bei ihren Kindern immer ihre größte Freude gewesen.

Jetzt, am Ende des Lebens ihrer Mutter, kann sie froh und dankbar zurückblicken aufdiese zehn Jahre, die nicht nur Durch- und Aushalten für sie bedeuten, sondern aucheine Fülle schöner Momente und Erinnerungen.

Doris Janningist seit 2011 eine unserer ehrenamtlichen Fachkräfte in der nächtlichenSterbebegleitung

Genug...Eine unserer Nachtwachenberichtet ...

In den letzten Jahren erlebe ich es immeröer, dass Menschen, die „in die Jahre" ge-kommen sind, sich ihren Tod herbeisehnen.Mit dem Schwinden der Kräe und demfortschreitenden Mobilitätsverlust gehtStück für Stück Lebensqualität verloren.Das Angewiesen-sein auf die Hilfe andererMenschen fällt vielen Menschen schwerund die zunehmende Vereinsamung tut ihrÜbriges.

Mir wurde von der Koordinatorin des Hos-pizvereins eine 98-jährige Dame gemeldet,die seit ihrem Geburtstag vor einigen Wo-chen sterben wollte. Bis zu diesem Tag lebtesie in ihrem Häuschen allein und versorgtesich unter Mithilfe ihrer Tochter weitestge-hend selbst. Vor fünf Tagen hatte sie dasEssen und weitere drei Tage später auch dasTrinken eingestellt und lehnte jegliche In-fusionsgaben ab. Ihre Patientenverfügungwar hinterlegt, und so plante sie ganz gezieltihren Abschied von dieser Welt.

Sie war noch immer im Vollbesitz ihrer gei-stigen Kräe. Wie ich später von der Toch-ter erfuhr, war sie wohl Zeit ihres Lebenseine starke und resolute Frau gewesen, mitklaren Vorstellungen und festen Prinzipien.Einen Pfarrer brauche sie keinen – habe siedas ganze Leben nicht gebraucht – und esreiche, wenn die (einzige) Tochter vor dem„Loch" stehe – alleine – das reiche ihr –mehr wolle sie nicht. Diese Stärke verlangtesie allerdings auch ihrer Tochter ab undlehnte sämtliche Hilfe von außen ab. Als dieTochter völlig an ihre Grenzen kam, bat siebeim Hospiz um Hilfe.

Als ich am Montagabend zu ihr ins Schlaf-zimmer kam, fand ich eine ältere Dame mitkurzen, weißen Haaren und einer rosigenGesichtsfarbe, in einem großen Doppelbettliegend – die mich mit einer gewissen Skep-sis betrachtete. Ich stellte mich kurz vor undnach wenigen Minuten schloss sie dieAugen, wie wenn sie mich bewusst nichtwahrnehmen wollte.Die Tochter erzählte mir in der Küchenebenan dann noch ein bisschen mehr überihre Mutter. Als ich später wieder ins Schlafzimmerkam, schlief die Mutter bereits.Ich schaute mich in dem düsteren Licht, dasich zur Verfügung hatte, ein wenig um.

Lieber Herr M.,gerne möchte ich diesen BriefIhnen widmen.Als ich Sie kennen lernte,konnten Sie bereits nicht mehrsprechen, dennoch habe ich soviel über Sie und durch Sie er-fahren.In Ihrem Zimmer, das Sie mitIhrer Frau teilten, lag immereine angenehme, nennen wir es– „Stimmung von Geborgen-heit und Zuversicht“. O ließenwir die Türe auf und dieAbendsonne breitete sich imZimmer aus. Und mit der Zeitwurden mir die Mittwochnach-mittage zur lieben Gewohnheit.Die stetigen und liebevollenGesten, die Sie von Ihrer Frauempfingen und die Sie gerneannahmen, rührten mich. Esdrückte ein miteinander geleb-tes Leben aus. „Oh ja“, sagteIhre Frau „wir haben es aucho schwer gehabt nach demKrieg!“Sie haben nach dem Krieg ge-heiratet, eine Familie und einstabiles Fundament aus Liebe,Zuversicht und Füreinander-da-sein gegründet. Heute existieren starke Famili-enbande zwischen Ihren Kin-dern, Enkeln und ihrenFamilien, die mit Ihrem Geistbeseelt sind. WunderbarereSpuren könnte kein Menschauf dieser Erde hinterlassen.Auch in mir schwingt nun einkleines Stück Ihrer Lebensweis-heit und dafür danke ichIhnen!

Heidrun Khamsaseit 2012 dabei

„Ich komme von der großen,weiten Welt“, waren o IhreWorte, wenn Sie zurück in IhrPflegeheim kamen, liebe FrauK. Mit der „weiten Welt“ warKarstadt gemeint, wohin ichSie mit Ihrem Rollstuhl gescho-ben hatte.Von Mai 2012 bis fünf Tage vorIhrem Tod am 4. 2. 2013 sindwir o gemeinsam losgezogen.Wir haben Quilt-Workshopsbesucht, waren regelmäßig imSeniorenzentrum und sindsehr gerne bei Karstadt Kaffee-trinken und Bummeln gegan-gen. Durch Sie habe ich vielNeues entdeckt, gute Gesprä-che geführt, gerne viel gelachtund das Älterwerden auch mitseinen schweren Seiten erlebt.Nur zwei emen haben wirausgelassen, nämlich das Ster-ben und den Tod. Das warenfür Sie keine schönen Ge-sprächsinhalte, fanden Sie. Eigentlich wollten wir am5.2.2013 gemeinsam in denFilm „Oma und Bella“, weil Sieden Wunsch hatten, mal wiedereinen guten Film zu sehen. Dashaben Sie dann aber gar nichtmehr erlebt. Aber ich glaube,das war schon ganz in Ord-nung so. Sie sind wenige Stun-den nachdem ich Sie im Kranken-haus besucht habe im BeiseinIhrer Familie eingeschlafen. Einiges, was wir noch so ge-meinsam vorhatten, werde ichjetzt nicht mehr erfahren. Wieder eine Baum heißt zum Bei-spiel. Wahrscheinlich auchnicht mehr so schnell im Parksitzen. Aber ich werde immer sehrgerne und dankbar an unseregemeinsame Zeit zurückden-ken. Ich werde Sie als eine sehrstarke, spannende und feinfüh-lige Frau mit Ecken und Kan-ten in meiner Erinnerungbewahren. Und hoffen, dass esIhnen, wo immer Sie jetzt auchsind, gut geht.

Daniele Seifertseit 2012 dabei

Page 11: 20 Jahre Hospizverein Konstanz · Schließe die Augen und sieh nicht nach. Die Freunde finden ihren Weg. Die Kinder auch. Der Boden ist geschrubbt, die Fenster funkeln in der Sonne,

21AMBULANTER HOSPIZDIENST20 AMBULANTER HOSPIZDIENST

unendlich gut. „Ja, das ist so toll an derGruppe, dass es da wirklich um mich geht.Sonst kümmern sich die beteiligten Fach-leute ja hauptsächlich um die Kranken unddas ist ja auch gut so. Aber kaum jemandfragt je: wie geht’s dir denn? In dieserGruppe stehe ich im Vordergrund und beiallem, was ich gebe, darf ich da auch neh-men. Ich bekomme selber Begleitung –dafür bin ich wirklich dankbar.“

Wenn sie auf die zurückliegende Zeit zu-rückblickt, fasst Gabi Baier zusammen: „Vorder Gruppe dachte ich, mir geht’s am aller-schlimmsten. Jetzt sehe ich meine Situationauch im Vergleich zu anderen und merke,dass bei uns trotz allem manches sehr gutläu. Manchmal hab ich auch bei den ande-ren gesehen, wo sich Krankheiten oder Si-tuationen hin entwickeln können – imGuten wie im Schlechten. Das hil mir,mich darauf einzustellen. Ich kann auch in-zwischen Rückschläge besser verkraen,weil man sich in der Gruppe auch mal aus-kotzen kann, ohne die anderen gleich zuverunsichern.“

Auf die Frage, ob sie nur in die Gruppegehen, wenn gerade Krise ist, kommt sofortdie Antwort von Brigitte Schröder „Nein –auf keinen Fall. Bei meiner Mutter läu jetztschon länger alles sehr gut, u. a. weil wireine wunderbare Betreuerin gefunden

haben. Als sich das alles eingespielt hatte,hatte ich sofort den großen Wunsch, derGruppe zu berichten, wie gut momentanalles läu. Ich hatte das Gefühl, so was Tol-les ist mir noch nie gelungen – das war einrichtiges Glücksgefühl. Und das wollte ichnatürlich mit denen, die mich und meineSituation so gut kennen, teilen.“ „Und füruns andere bist Du gerade wie ein Stern amHimmel. Wir erleben, dass es auch solcheZeiten gibt. Das ist sehr ermutigend und be-stärkt uns andere in unserem Bemühen“,entgegnet ihr Gabi Baier.

Bei so viel Positivem sollte man meinen,dass einmal im Monat zu wenig ist. „Nein“,meint Brigitte Schröder, „ganz im Gegenteil– einmal im Monat ist ausreichend, abertotal hilfreich. Wöchentlich wäre zu eng. Ineiner Woche passiert ja auch nicht so viel,v.a. wenn die Angehörigen weiter weg woh-nen. Durch den größeren Abstand gibt esimmer was zu erzählen, seien es Ereignissebei Familienfeiern bis zu Rückschlägen odereben Gelungenem. Außerdem ist jederzeitzwischendurch ein Gespräch mit ChristinaLabsch-Nix möglich, wenn’s brennt – das istauch ein großer Rückhalt.“

Eines interessiert uns doch noch: Konstanzist eine überschaubare Stadt, muss man danicht Angst haben, von anderen aus derGruppe auf der Straße angesprochen zu

werden? Gabi Baier: „Sicher tri man sichauch mal auf dem Markt oder so – da ist dasaber nicht Gesprächsthema. Klar, wennman weiß, es war bei der anderen grad derGeburtstag der Mutter oder so, fragt mannach wie’s war oder man ru sich sogar malan. Aber man wird nur im Schutz derGruppe richtig persönlich. Was in derGruppe angesprochen wird, bleibt auch indiesem Raum, das betonen auch die Leite-rinnen immer wieder. Diesen Schutz wert-schätzen wir alle sehr.“

Unsere letzte Frage lautet: „Was denkt ei-gentlich Ihr Freund inzwischen über dieseGruppe?“ Gabi Baier lacht: „Neulich hat ertatsächlich gesagt: Seit Du dahin gehst,haben wir wieder ganz andere emen, wirsind wieder freier.“

Petra Hinderer, Geschäfstführerinseit 1995 im Hospizverein angestellt

ein gespräch mit zweiteilnehmerinnen

„Ist das nicht ein gegenseitiges Sich-Be-weihräuchern?“, lautete der erste Satz ihresLebenspartners, als Gabi Baier von ihremVorhaben erzählte, in eine Gruppe für An-gehörige schwerkranker und sterbenderMenschen zu gehen. Ihr Vater lebt weit weg,ist schwer krank, entwickelt zudem eine De-menz und sie fühlt sich als Tochter sehr ver-antwortlich. Eher per Zufall ist sie auf dasAngebot des Hospizvereins Konstanz gesto-ßen. Zu der anfänglichen Skepsis ihresFreundes kam ihr eigenes „Kopino“ dazu,wie sie es schmunzelnd nennt. „Ich hatte dieFantasie: Dann sitzen wir in einem trauri-gen Raum, heulen und gehen womöglichbeschwerter raus als rein“.

Nichts war dann so wie befürchtet, als die30-Jährige nach einem Vorgespräch mit derhauptberuflichen Mitarbeiterin des Hospiz-vereins Konstanz, Christina Labsch-Nix, indie Gruppe kam: freundliche Räume, leben-dige Teilnehmerinnen, zugewandte Leite-rinnen und bei allem Schweren wurde auchviel gelacht.

Seit eineinhalb Jahren geht sie nun schonregelmäßig zu den Treffen – diese Abendehaben für sie eindeutig Vorrang vor ande-ren Terminen. Meistens sind mit ihr vier bisfünf Teilnehmerinnen sowie die zwei Leite-rinnen da, bisher alles Frauen. Gabi Baierprofitiert immer noch sehr von der Gruppe.„Am Anfang stand ich ohnmächtig vor die-sem riesigen bürokratischen Apparat derPflege und Betreuung. Ich hab in dieser Zeitviele Tipps bekommen, wie ich die nächstenSchritte bewältigen kann, z.B. was ich beimBesuch des MDK (Medizinischer Dienstder Krankenkassen) beachten muss oderwie ich gegen irgendwas Widerspruch ein-lege. So wird der Berg immer wieder in be-wältigbare Stufen zerlegt und das istwirklich sehr entlastend. Es ist eben nicht

eine einmalige Beratung sondern eine langeBegleitung über viele Phasen und Prozesse,die mir sehr hil. Man bekommt Tipps vonden anderen, die so was schon erlebt oderprobiert haben und man kann auch selberTipps geben und wenn es nur eine Buch-empfehlung ist.“

Ähnlich erging es auch Brigitte Schröder.Die Mutter der Anfang 50-Jährigen istebenfalls schwer krank mit fortschreitenderPersönlichkeitsveränderung, ihr Vater warmit der Betreuung völlig überfordert. Ob-wohl sie nicht am gleichen Ort wohnt, be-teiligt sich Brigitte Schröder an derBetreuung und will den Eltern eine emotio-nal verlässliche Tochter sein. „Ich wollteirgendwann nicht mehr meinen Mann undmeine Freunde weiter belasten. Es ist jaauch immer wieder dasselbe und wird nochlange so bleiben. Was sollen sie denn nochdazu sagen, wie sollen sie mir helfen? Den-noch ist es für mich neben den zu bewälti-genden Schwierigkeiten auch ein stetigesAbschiednehmen von meiner Mutter.Genau wie die anderen in der Gruppewerde ich vielleicht noch lange Zeit mit die-ser Verantwortlichkeit beschäigt sein undmuss meine anderen Lebensaufgaben jaauch damit vereinbaren. Da hab ich nachHilfe Ausschau gehalten bei der Frage, woich selber bleibe.“

Wie Gabi Baier hatte auch Brigitte Schröderanfangs Mühe mit dem Gedanken, das An-gebot des Hospizvereins anzunehmen. „Ichwusste nicht, was Hospiz alles umfasst,dachte bei dem Begriff nur an Sterben –und so weit war und ist es ja bei meinerMutter noch nicht“. Nach einem Vortragzum ema „Wenn Mutter alt wird“ imHospiz Konstanz e.V. hat sie sich ein Herzgefasst und ist in die Gruppe gegangen.Auch Brigitte Schröders Bedenken, dass dieGruppe vielleicht zu groß ist oder dass siePersönliches erzählt und dann in Gefühlerutscht, die sie vielleicht nicht zeigen will,

haben sich schnell zerstreut. „Ich finde esschön, unter Gleichgesinnten mit ähnlichenProblemen zu sein. Die anderen verstehenmich, weil sie in vergleichbaren Situationensind, auch wenn unsere Angehörigen ganzverschiedene Krankheiten haben. Es darfalles sein, nichts wird bewertet, alle nehmenAnteil. Das alles aber ohne Anspruch aufFreundscha, sondern in einem geschütz-ten Raum, in dem ich bestimmte Facettenvon mir zeigen kann, die ich „draußen“ ehernicht so zeige. Ich selber bestimme, was ichwie, in welcher Tiefe und ob überhaupt er-zähle.“

Im Unterschied zu einer reinen Selbsthilfe-gruppe sind immer zwei Fachleute mitdabei. Auf unsere Frage, wie sich das aus-wirkt, antwortet Gabi Baier: “Das ist sogarsehr wichtig. Zwischen uns ‚Alltags-Exper-ten’ gehen die beiden den Weg als Fachleutemit, sie kennen und begleiten die Prozesse,geben den Rahmen vor, verweisen auf dieSchweigepflicht, sorgen dafür, dass alle, diewollen, zu Wort kommen, und geben auchTipps und Anregungen. Für mich ist es z.B.immer sehr ermutigend, wenn die Leiterin-nen mir aufzeigen, wie viel ich eigentlichleiste und mich auf gute und gelingende As-pekte hinweisen. Sie sehen ja unsere Ge-schichten quasi aus einer höherenPerspektive.“ Das kann Brigitte Schrödernur bestätigen: „Ja, bei den Ansprüchen vonaußen und meinen eigenen an mich selbergeht ja manchmal verloren, was selbstver-ständlich klappt, und man sieht dann nurnoch, was nicht gelingt.“ Gabi Baier nickt:“Von den Kranken kommt auch nicht un-bedingt Anerkennung, es scheint ja nie zureichen. Aber man muss lernen, das Maßselbst zu bestimmen, und man kann auchnur kleine Schritte machen – das arbeitendie Fachleute heraus und unterstützen einendarin.“

Dass sie als Angehörige im Mittelpunkt ste-hen, ist offensichtlich ungewöhnlich und tut

Ich bleib an deiner Seite – gruppe für Angehörige schwerkranker und sterbender menschen

es ist uns ein Anliegen, diejenigen zu unterstützen und zu begleiten, die nah an schwerkranken und sterbenden menschensind. ihnen wird häufig – nicht nur emotional – sehr viel abverlangt und sie finden nicht immer – oder nicht auf dauer – inihrem unmittelbaren umfeld ein offenes ohr für ihre sorgen, ängste und nöte.weil sich die letzte lebenszeit eines menschen oft über viele Jahre hinziehen kann, z.b. im hohen Alter oder bei chronischenund demenziellen erkrankungen, möchten wir den Angehörigen mit dem Angebot der gruppe eine langfristige unter-stützung bieten. ganz nach dem leitsatz des Verein:

Jeder braucht jemanden. irgendwann.

Page 12: 20 Jahre Hospizverein Konstanz · Schließe die Augen und sieh nicht nach. Die Freunde finden ihren Weg. Die Kinder auch. Der Boden ist geschrubbt, die Fenster funkeln in der Sonne,

23KINDER- UND JUGENDHOSPIZARBEIT22 KINDER- UND JUGENDHOSPIZARBEIT

Einige Einblicke in die Begleitungen vonKindern mit schwerkranken und sterbendenAngehörigen:

Familie K.: Vor ca. acht Jahren bat die Familie eines an Leukämie erkrankten, knappzweijährigen Jungen um unsere Hilfe. Die Mutter war zeitgleich von einer chroni-schen Erkrankung betroffen worden, es gab noch einen fünährigen Bruder mitdem „Zappelphilipp Syndrom“ und zwei ältere Geschwister. Der Vater war aufgrundder vielen häuslichen Belastungen arbeitslos. Wo sollten wir hier beginnen?Wir entschlossen uns, zunächst dem fünährigen F. eine ehrenamtliche Patin zurSeite zu stellen. Er bekam am wenigsten auauende Aufmerksamkeit. Die Patinunternahm nun alle Dinge mit ihm, zu denen andere keine Zeit und Geduld hatten:Er lernte schwimmen, kam auf den Spielplatz, eroberte den Wald mit all seinen An-regungen und Geheimnissen. Zug fahren war ein Höhepunkt.So entwickelte sich über Jahre eine tiefe Beziehung. Die Begleitung verlängerte sich,weil der kleine Bruder einen Rückfall erlitt, der aber gut überstanden wurde. Jetzt ist F. ein gesunder, unternehmungslustiger Junge mit pubertären Ansprüchenund Wünschen. Zwischendurch hatte auch der eifersüchtige kleine Bruder eine Patin und verkündetestolz: „Jetzt habe ich auch eine!“ Als alle Zeichen auf Genesung standen, haben wirdiese Begleitung beendet und ihn damit in die „Gesundheit“ entlassen.

Nach insgesamt sieben Jah-ren Begleitung verabschiede-ten wir uns als Kinder- undJugendhospizarbeit aus derFamilie.

Z.: Z. war knapp vier Jahrealt, als sein Vater nach einemHerzstillstand in ein Wach-koma fiel. Er hatte noch eineknapp zweijährige Schwester.Zunächst galt es, der MutterFreiraum zu schaffen, damitsie möglichst viel Zeit fürihren Mann hatte, was auchihr großes Bedürfnis war. Siewar voller Hoffnung, die sich

Seit 2005 bietet der Konstanzer Hospizverein die Kinder- und Jugendhos-pizarbeit im Landkreis Konstanz an. Wir begleiten Kinder und Jugendliche,die mit Sterben und Tod konfrontiert sind – sei es durch eine eigene lebens-bedrohliche oder lebensbegrenzende Diagnose oder durch das Sterbeneines nahestehenden Angehörigen.Glücklicherweise haben wenige Kinder lebensbedrohliche Krankheiten, wiez.B. Leukämie, und sie überleben ihre Krankheit sehr oft. Wenn jedoch einKind oder ein/e Jugendliche/r schwer erkrankt, sind immer alle Familien-mitglieder betroffen und brauchen Hilfe. Meistens gilt die Aufmerksamkeit aller zunächst dem Kranken – egal wer inder Familie es ist. Nicht selten kommen daher die gesunden Kinder und Ju-gendliche in der Familie mit ihren Bedürfnissen, Wünschen und Nöten zu kurz. Hier unterstützen unsere ehrenamtlichen Paten und Patinnen, um auch dengesunden Kindern Raum, Zeit und Aufmerksamkeit bieten zu können undAlltag und Normalität zu ermöglichen.

Einige Einblicke in die Begleitungenlebensbedrohlich erkrankter Kinder:

S.: Als wir S.’ Begleitung übernahmen, war er 19 Jahre alt. Er würde noch maximalein Jahr leben, hieß es. S. leidet unter einer erblichen Muskelerkrankung, bei der es im Laufe der Zeit zueinem Verschwinden der gesamten Muskulatur kommt. Er ist seit seinem achtenLebensjahr im Rollstuhl und weitgehend ans Bett gefesselt.Als wir ihn kennen lernten, konnte er noch einen Finger bewegen, mit dem er seinenPC bediente, sein „Tor zur Welt“.Es gibt noch eine fünährige Adoptivschwester, die viele Schwierigkeiten hat. DieFamilie ist aus Ostdeutschland zugezogen – ohne soziales Netz in dieser schwierigenSituation. Der Vater ist inzwischen ausgezogen und belastet die Familie sehr.Seitdem begleitet eine ehrenamtliche Patin S., der voller Pläne, Gedanken, Projektesteckt. Er schreibt mit seiner Patin seine Lebensgeschichte, eigene Geschichten –auch ein Testament. Zusammen mir ihr entwickelt er Flyer, weil er Foto-Präsenta-tionen als Dienstleistung im Netz anbieten möchte. Er ist auf der Suche nach einem„Heim für betreutes Wohnen“, weil er seine Mutter nicht unversorgt zurück lassenmöchte. Als die Patin einmal im Urlaub ist, bitten wir einen Paten um ihre Vertretung. Mitihm lebt S. seine männlichen Wünsche aus. Höhepunkt war eine Fahrt im Porsche,die wir bald organisierten – heute wäre es nicht mehr möglich. S. wiegt mit seineninzwischen 22 Jahren ca. 20 Kilo. Er besteht hauptsächlich aus seinem unermüdlichaktiven Kopf. S. braucht nun tags und nachts Sauerstoff, aber er ist dankbar für jedeZuwendung und Anregung. Die Patin hat inzwischen vier Mal seinen Geburtstagmitgefeiert. Wir gehen einfach weiter mit. Für seine Mutter empfinden wir Respektund Bewunderung.

V.: V. leidet unter einer genetischen Erkrankung, deren erstes Symptom eine er-schwerte Ernährung ist. Da die Speiseröhrenbewegungen rückwärts gerichtet sind,litt V. unter ständigem Erbrechen und gedieh nicht. Als wir ihn kennen lernten,zeigte sich folgende Situation: V. war auf dem Arm seiner Mutter, die auf dem Rü-cken gleichzeitig einen Rucksack mit der Magenpumpe trug, denn inzwischen wareine Magensonde gelegt worden. Zu diesem Zeitpunkt hatte V. ca. zwölf Kranken-hausaufenthalte hinter sich.Es gab noch eine fünährige Schwester, die sehr unter dem plötzlichen und sichwiederholenden Verlassenwerden litt. So war klar, dass V. eine ehrenamtliche Patinbrauchte, damit die Mutter ein paar Stunden Zeit und ungeteilte Aufmerksamkeitfür ihr Töchterchen hatte.Beide Kinder profitierten von dieser Entscheidung und genossen die Zuwendung.Nun sind fast drei Jahre vergangen, V. hat keine Magensonde mehr, er bewegt sich

selbständig, und – was für unsere Patin am Schön-sten ist – das Sprachvermögen entwickelt sich.Auch die Schwester verliert langsam ihre Verlas-senheitsängste, obwohl sie noch viele Kranken-hausaufenthalte ihrer Mutter und ihres Brudersverkraen musste.Kurzfristig ermöglichten wir den Eltern, die Zeitfür eine Paartherapie durch den Einsatz einer zwei-ten Patin. Die Beziehung der Eltern war durch denständigen Einsatz Tag und Nacht sehr belastet.V. wird noch lange eine Begleitung brauchen, diedie ganze Familie entlastet.

Dr. Gisela Wittnerseit 2004 im Hospizverein aktiv

aber nicht erfüllte. So verbrachte ein Pate Zeit mitden Kindern, so o es ihm möglich war.Inzwischen sind vier Jahre vergangen. Es hat sicham Zustand des Vaters nichts geändert. Die Mutterbegann mit einem Studium, um später ihre Fami-lie ernähren zu können.Jetzt mit acht Jahren braucht Z. eine Hilfe, die einbisschen ersetzt, was ein Vater mit ihm machenwürde.Im Anfang war Z. sehr skeptisch, hatte er doch ei-nige Enttäuschungen und Zusagen, die nicht ein-gehalten wurden, erlebt. Jetzt kann er es gar nichtabwarten, dass sein ehrenamtlicher Pate kommt.Er ahnt, dass sein Vater es nicht mehr schaffenwird, ein unternehmungslustiger Vater zu sein. Esist schwer für ihn, zu erleben, dass sein Vater zwarlebt, für ihn aber unerreichbar ist.

Gruppensammlung aus einer Fortbildung der ehren-amtlichen Sprachmittler im Landkreis Konstanz,Juni 2013

Page 13: 20 Jahre Hospizverein Konstanz · Schließe die Augen und sieh nicht nach. Die Freunde finden ihren Weg. Die Kinder auch. Der Boden ist geschrubbt, die Fenster funkeln in der Sonne,

24 KINDER- UND JUGENDHOSPIZARBEIT 25KINDER- UND JUGENDHOSPIZARBEIT

Auszüge aus dem Brief eines schwerkranken Schülers an seine Klasse.J. hatte einen Bruder, der von einerunserer ehrenamtlichen Patinnenbegleitet wurde. Sein Brief wurde beieiner Lesung anlässlich fünf JahreKinder- und Jugendhospizarbeit imLandkreis Konstanz von unsererSchirmherrin, der SchauspielerinBarbara Auer, im StadttheaterKonstanz gelesen. Die Mutter des bisdahin gestorbenen Buben war dabei.

Liebe Klasse 6 c,

wie Ihr mitgekriegt habt bin ichschon seit langem nicht mehr in derSchule. Das hat den Grund, dassich eine Krankheit habe, die sehrschwer zu bekämpfen ist. DieseKrankheit hab ich jetzt schon seitsieben Jahren. Sie nennt sich Neu-roblastom. Ein Neuroblastom ist einTumor, der bei mir neben der Niereund der Milz war. Dann hat man mirvier Chemo-Blöcke gegeben, um denTumor zu verkleinern. Nach den vierBlöcken kam dann eine acht Stundenlange Operation. Damals operiertemich der beste Chirurg in Deutsch-land. Er heißt Professor DoktorJörg Fuchs. Nach der großen OPbekam ich noch mal zwei Chemo-Blöcke. Chemo ist ein Medikamentdas sehr giftig ist und die Tumor-zellen bekämpft, aber nicht immermit Erfolg. Das zweite Problem ist,dass die Chemotherapie auch vieleNebenwirkungen hat z.B. Übelkeit,Erbrechen, Müdigkeit. Schmerzenkönnen überall auftreten, am meistenin der Mundschleimhaut oder imBauchbereich. Man hat Haarausfallund man darf in der Chemozeit nichtin die Schule weil man schnellereine Infektion kriegen kann. Jetztgeht’s weiter: nach den zweiChemo-Blöcken kam ich in die Nu-klearmedizin.

Da bekam ich ein radioaktives Medi-kament. Dieses lief über zwei Stun-den. Dieses Medikament hat meineSchilddrüse vernichtet, weil derApotheker in Singen meiner Mutterdas falsche Medikament mit gegebenhat. Nach zehn Tagen durfte ichraus aus diesem Strahlenknast.Solange musste ich nämlich bleiben,weil ich noch gestrahlt habe. Nachder Strahlentherapie wurde eine

Leukopharese gemacht. Bei einerLeukopharese werden über einenLeisten-Katheter Stammzellen ausdem Blut entnommen. Nach dieserLeukopharese bekam ich Hoch-Dosis an Chemo-Therapie. In dieserHochdosis-Zeit musste ich fünfWochen in einem isolierten Zimmersein. Dann bekam ich wieder meineStammzellen, damit sich das Blutwieder regeneriert. Nach diesemeinen Jahr im Krankenhaus war allesvorbei. Ich war fünf Jahre daheimbis eines Tages meine Mutter einenKnoten am Hals entdeckte. Wir gingensofort ins Krankenhaus nach Tübin-gen und machten einen Ultraschallam Hals. Dieser Arzt, der das Ultra-schall am Hals gemacht hat, heißtProfessor Doktor Christian Haberund ist einer der besten SonographenDeutschlands. Nach dem Ergebnisdes Ultraschalls gingen wir zu demOberarzt namens Hans-GerhardSchell-Walter. Der sagte dass icheinen Rückfall hatte. Das war einSchock für mich und meine Familie.Dann überlegten die ganzen Ärzte,was es für eine Lösung gibt. Undsie entschieden sich für eine Opera-tion. Leider gab es in dieser Opera-tion Komplikationen. Die Komplikationwar, dass der Chirurg eine Arterieverletzte. Deswegen konnte meinTumor nicht richtig entfernt wer-den. Aber wir dachten, dass er rich-tig entfernt sei. Dann durfte ichnach Haus bis eines Tages meineMutter feststellte dass ich wiedereinen Knoten am Hals hatte. Dannmusste ich wieder nach Tübingenund es stellte sich raus dass ichwieder einen Rückfall habe. DieÄrzte entschieden, dass ich wiederoperiert werden sollte. Ich undmeine Mutter sagten: Okay, ein letz-tes Mal, und dann machten wir esauch. Dieses Mal gab es keine Kom-plikationen, weil wieder der Profes-sor Doktor Jörg Fuchs operierte,der ja der beste in Deutschland ist.Nach der OP entschieden die Ärzte,dass ich noch vier Chemo-Blöckemachen sollte. Das machte ichauch noch mit, dann war alles vor-bei. Danach bekam ich sechs Monatelang Chemo-Tabletten. Dies brachteaber nichts. Nach sieben Monaten

bemerkte meine Mutter ein drittesMal, dass ich einen Tumor am Halshabe. Dann gingen wir wieder nachTübingen in die Klinik und die Ärzteentschieden, dass ich einen Hick-man-Katheter brauche. Das ist einSchlauch der in die Herzader ange-bracht wird. Und über den Schlauchkann man dann Medikamente gebenoder Blut abnehmen. Dann bekam ichvier Chemo-Blöcke. Nach den vierChemoblöcken bekam ich Bestrah-lung, in der ich jetzt gerade nochbin. Nach der Bestrahlung bekommeich von meiner Mutter Stammzellen.Dann muss ich vier bis sechs Wo-chen in einem isolierten Zimmersein. In den vier bis sechs Wochendarf ich nicht alles essen, was ichmöchte. Zum Beispiel kein Puten-fleisch, Hähnchen, Nüsse, Pistazienund Obst und Gemüse, das mannicht schälen kann. Wenn mich je-mand in meinem Zimmer besuchenwill, darf er nicht einfach reinkom-men, sondern er muss: von den Ärz-ten kontrolliert werden, Händedesinfizieren, eventuell Handschuheanziehen, einen Kittel anziehen, dassman mir nicht die Bakterien der Klei-der mit ins Zimmer bringen kann undjeder muss einen Mundschutz anzie-hen. Dass man mich nicht ansteckenkann.

Das war meine Geschichte bisheute.

Liebe Grüße wünscht Euch Euer J.Wenn Ihr Lust hättet, könntet Ihrmir ja auch einen Brief schreiben.An die Adresse

Kinderklinik Tübingen....................

Ich würde mich sehr freuen

H., 14 Jahre: „Endlich hatte jemand Zeit, mir dasFahrradfahren beizubringen – meine Mama istganz krank und lebt im Rollstuhl.“

E., 6 Jahre: „G. kommt immer zu mir wenn R. wieder insKrankenhaus muss. Dann machen wir schöne Sachen.“(Ihre Schwester hatte Leukämie.)

O., 5 Jahre - konnte zuhause sterben. Im Kranken-haus aufgegeben brauchte seine Mutter Ermutigungund Bestärkung in der Palliativversorgung.

S., 11 Jahre: „Bei Bille kann ich mich mal beschweren, wielangweilig es oft im Krankenhaus ist, wenn ich bei meinemschwerkranken Bruder bin und meine Eltern keine Zeit fürmich haben.“

F., 9 Jahre: „Als mein Vater so schwer krank warund starb, kamen zwei Frauen zu uns. Weil meineSchwester noch so klein ist, hab ich ihr erklärt,dass das Frauen sind, die kommen, wenn Kinderganz traurig sind.“

O. und L., 5 u. 11 Jahre: „Papa ist ganz krank. Wirgehen zu einer Frau, die uns Kindern alles erklärt und unshilft.“

Die Kinder der Familie P., 2, 5 und 6 Jahre: „Unsere Mama wurde wieder fröhlich.“Ein Pate der Kinder- und Jugendhospizarbeitermöglichte der Mutter nach zwei Totgeburtendie Zeit für eine Psychotherapie. Inzwischen hatdie Familie ein weiteres Kind.

M., 15 Jahre: „Ich traue mich wieder aus dem Haus.Ich habe jetzt eine richtige Freundin, die mir hilft.“ M.war verstummt. Sie hatte als Zehnjährige das plötzli-che Sterben ihres Vaters miterlebt, ihre Mutter hatjetzt eine Krebsdiagnose.

Y., 13 Jahre: „Mein Papa ist schon seit acht Jahren ander Beatmungsmaschine. Ich kann gar nichts mit ihmmachen, obwohl er mich versteht, wenn ich ihm etwassage. Aber er kann nicht sprechen. Er will immer, dassich bei ihm sitze. Meine Mama ist immer traurig und wardeswegen auch schon im Krankenhaus. Meine Zeit ver-bringe ich fast immer am PC. Aber jetzt kommt M. zumir. Er macht ganz tolle Sachen mit mir, was ich allesnoch nie gemacht habe: Ich durfte Schlagzeug spielen,zum Parcouring gehen, wir gehen ins Museum. Weil ichin der Schule schlecht bin, lernt M. jetzt Englisch mit mir,damit ich versetzt werde. Meine Mama ist auch so froh,dass M. solche Sachen mit mir macht.“

Stimmen von Kindern und Jugendlichen

Page 14: 20 Jahre Hospizverein Konstanz · Schließe die Augen und sieh nicht nach. Die Freunde finden ihren Weg. Die Kinder auch. Der Boden ist geschrubbt, die Fenster funkeln in der Sonne,

26 TRAUER 27TRAUER

Wen es trifft

Wen es trifftder wird aufgehobenwie von einem riesigen Kranund abgesetztwo nichts mehr gilt,wo keine Straßevon Gestern nach Morgen führt.….(Hilde Domin)

Am Anfang aller Trauer stehtdie schmerzliche Einsicht,

dass es nicht so werden wirdwie es war. Heute nicht. Und

morgen auch nicht. Am Anfangaller Trauer steht diese

Einsicht – und an ihrem Ende.

(Ida Lamp)

Wir gehören zu einem Teamvon ehrenamtlichen Frauen, dieseit zwölf Jahren jeden Donners-tagabend von 19.30 Uhr bis 21Uhr das „offene Haus für Trau-ernde“ mittragen.

Die meisten von uns haben ei-gene Trauererfahrungen. Allewurden wir auf die ehrenamtli-che Aufgabe vorbereitet undhaben regelmäßig Supervision,um über Erlebtes zu reflektierenund uns weiter zu entwickeln.

Jeden Donnerstagabend fin-den trauernde Menschen beiuns im Haus am Park in der Tal-gartenstraße ein offenes Ohr fürihre Gefühle, Sorgen und Nöte.Wir hoffen, dass durch unserGesprächsangebot trauerndeMenschen einen Platz finden, andem sie über ihre Trauer spre-chen können, wenn sie dasmöchten. Im Alltag gibt es dafüro keine Zeit, keinen Raum undmanchmal auch keinen Zuhörer.

Jedes Jahr kommen überzwölf Monate verteilt ca. 30Hinterbliebene. Sie sind unter-schiedlich alt, die Verluste sindunterschiedlich lange her, dieBeziehungen zu den Menschen,um die sie trauern, waren sehrverschieden.

Der Umgang mit der eigenenTrauer ist so individuell wie dieMenschen selber. Meistens ist esfür alle Beteiligten anregend,manchmal auch tröstlich oderhilfreich, wenn sich Menschenbegegnen und ins Gesprächkommen, die ähnliches erlebthaben, aber ganz anders damitumgehen. Trauer hat viele Ge-sichter.

Bedrückend ist o, auf wieviel Unverständnis trauerndeMenschen in ihrem Alltag sto-ßen. Für diejenigen, die dasGlück hatten, bisher keinenschweren Verlust erlitten zuhaben, ist es o schwer, sich vor-zustellen, wie es einem Trauern-den geht.

Daher ein paar Anregungenaus unserer Sicht, die vielleichtdas Verständnis für Trauerndefördern...

Wie lange trauert ein Mensch um einen ge-liebten anderen? Was ist normal, was ist patho-logisch? Fragen, die uns immer wieder gestelltwerden. Die Einschätzungen und Festlegungengehen extrem auseinander. In der Trauerfor-schung ist nie von Monaten, sondern immer vonJahren die Rede. Mehreren Jahren. Es dauert solange wie es dauert. Trauer ist individuell.

Anders im Verständnis der Psychiater, die inihren Diagnosemanualen Grenzziehungen zwi-schen Normalität und Pathologie vornehmen.

Im Mai 2013 erschien der neue DSM-5 deramerikanischen Psychiater-Vereinigung APA. Indiesem Manual währt die Trauer nach dem Ver-lust eines geliebten Angehörigen gerade einmal14 Tage. Was darüber hinausgeht ist eine De-pression oder eine Anpassungsstörung und istein Fall für eine Behandlung. Im vorigen DSM-4 wurde die Dauer noch auf zwei Monate ange-setzt.

In Deutschland wird nach dem ICD-10 klas-sifiziert, dem Manual der WHO. In diesem wer-den einem Trauernden immerhin sechs Monatezugestanden, ehe er pathologisiert wird.

Was bedeutet solch eine Einschätzung für dieTrauernden, die ohnehin schon das Gefühlhaben, vielleicht doch verrückt zu sein?

„Und es tut immer noch weh...offenes Haus für Trauernde“

"Ich spüre seit dem

Tod meines Mannes zum

ersten Mal wieder

Energie."*

„Ich habe mir die Wut, den

Zorn verboten! Ich bin sehr

dankbar heute festzustel len,

dass dies sehr wohl sein darf."*

"Ich bin dankbar zu sehen und zu hören,dass es den anderen aus dieser Gruppe so ähnlich gehtwie mir und sie auch ähnliche negative gesellschaft-liche Erfahrungen machen – das verbündet.“*

"Es hat mir so gut getan, mich mit anderenMüttern in ähnlicher Situation auszutauschen –

ich hab mich bisher allein gelassen, alsAußenstehende, gefühlt."*

"Ich fühle mich in dieser Runde sehr wohl, da ich hier ganz bei meiner Trauer sein darf."*

"Ich bin froh endlich wo zu sein, wo ich weinen kann undüber meine Trauer reden darf."*

"Wenn uns jetzt

unsere lieben

Verstorbenen

sehen würden,

wären sie bestimmt

sehr stolz auf uns."*

Trauerhat viele

GesichterWenn Menschen sterben, hinterlassen sie Familie, Freunde,Nahestehende... Für diese beginnt eine neue Lebenszeit – mit derTrauer um den geliebten Menschen.Trauer ist unsere natürliche Re-aktion auf Verlust. Sie ist nicht krankha sondern notwendig, um inein neues, wenn auch anderes Leben zu gehen. Trauer braucht jedoch Raum und Zeit, sie muss zum Ausdruckkommen dürfen – je nach Mensch auf unterschiedliche Weise:durch Reden, durch Rückzug, durch Kleidung oder andere Zeichen,durch kreative Ausdrucksformen wie Schreiben oder Malen. Trauernde brauchen zudem ein Gegenüber, ein „Du“, mit dem siesich austauschen können. Das können einzelne Menschen oderGemeinschaen sein, das kann Gott sein, nicht selten auch derVerstorbene selbst in einer Art innerem Dialog. In den letzten zwei Jahrzehnten sind wir Hunderten von Trauerndenbegegnet. Wir bieten ihnen Raum, Zeit, offene Ohren und Herzen,wenn sie uns als Gegenüber wünschen. Allein seit zwölf Jahrenladen ein Dutzend ehrenamtliche Mitarbeiterinnen zum wöchent-lichen Gesprächskreis „Und es tut immer noch weh... offenes Hausfür Trauernde“ ein. Unsere speziellen Angebote richten sich zudeman jung(e) Verwitwete, trauernde Kinder oder Frauen und Paarenach dem Verlust eines Kindes – und werden stetig ergänzt.

"Ich habe für mich erkannt, dass es den anderen genausogeht und dass alle meine Gefühle und Gedanken

normal sind."*

* Aussagen von Trauernden nach dem Tag für junge Verwitwete

Page 15: 20 Jahre Hospizverein Konstanz · Schließe die Augen und sieh nicht nach. Die Freunde finden ihren Weg. Die Kinder auch. Der Boden ist geschrubbt, die Fenster funkeln in der Sonne,

28 TRAUER 29TRAUER

ALS DER TOD ZU UNS KAMMeinen ersten Kontakt zum Hospizverein hatte ich im Juni 2002.

Mein Mann und ich waren 1994 aus NRW auf die Höri gezogen.Das Leben am See war wunderbar und unser Glück perfekt, als1999 unser erster Sohn das Licht der Welt erblickte. Er wurde miteinem Notkaiserschnitt geboren.

Ein Jahr danach wurde bei mir ein Karzinom diagnostiziert, wel-ches sofort entfernt werden musste. Obwohl die Operation scho-nend vonstatten ging, riet man uns von weiteren Kinderndringend ab. Doch ein vorher nie dagewesener machtvoller inne-rer Drang stieg in mir auf, unbedingt und schnell ein weiteresKind mit G. haben zu MÜSSEN!

Schon drei Monate nach der OP war ich wieder schwanger. DieÄrzte waren entsetzt! Die Schwangerscha war sehr kompliziert.Zu allem Unglück sagte man uns, das Baby würde höchstwahr-scheinlich krank geboren, wenn es denn überhaupt dazu kom-men würde. Hatte ich zu hoch gepokert? Kam jetzt die Quittungfür „ich will...“? - Nein. Aus tiefstem Herzen mussten wir diesesKind zur Welt bringen! Und sollte es krank geboren werden odernur kurz bei uns sein dürfen, so wäre es doch trotzdem unserKind – ein Kind der Liebe.

Unser zweiter Sohn wurde im Dezember 2001 gesund geborenund war der süßeste Knopf den man sich vorstellen kann. Wirhaben geweint vor Freude!

Gleichzeitig lief unser Hausbau auf Hochtouren. Wir hatten einkleines Grundstück erwerben können und wollten im Frühjahrmit unserer jungen Familie in unser neues Eigenheim ziehen. ImMai gab es eine Riesenparty unter dem Motto „Aller guten Dingesind drei“: die Geburt unseres Sohnes, der Einzug ins Haus mitBaumpflanzung und der 50. Geburtstag meines Mannes! AlleFreunde und Verwandten waren gekommen und feierten ausge-lassen mit uns.

Vier Tage später kam der schreckliche Tag, der alles verändernsollte: Donnerstag, der 16. Mai 2002.

Es war der erste wirklich schöne, warme Tag im Jahr und G.stand in aller Herrgottsfrühe auf, um mit dem Fahrrad zur Ar-beit zu fahren. Als ich erwachte, rannte ich schnell die Treppeherunter. Ich hatte ein mulmiges Gefühl: Ich hatte mich nichtverabschieden können! Wir telefonierten später noch einmal,aber die Kinder weinten so laut im Hintergrund, dass wir nichtrichtig sprechen konnten. So vertrösteten wir uns auf den Abend.Ich verbrachte den Tag mit den Kindern im Strandbad. Hungrigund erschöp kamen wir gegen 18 Uhr zurück. ‚Komisch, G.wollte doch schon da sein.’ Das Telefon klingelte. „KlinikumWinterthur..., Frau Gamm, Ihr Mann hat einen Unfall gehabt. Erist so schwer verletzt, er wird es wohl nicht überleben!“

Ich stehe an der Küchentheke und halte mich fest, mein Rückenerstarrt, ich sage ‚Nein!’, merke eigenartige Wellen die Wirbel-säule hoch und runter laufen, ich sage ‚Das stimmt nicht’, dieKinder schauen mit großen Augen und fangen an zu weinen, ichspüre Schwindel. Vor dem Küchenfenster steht die Polizei. ...Gegen 16 Uhr hatte ein Lieferwagenfahrer mit 100 km/h wäh-rend der Fahrt eine SMS geschrieben und dabei den Radfahrerübersehen.

Um 21 Uhr waren wir im Krankenhaus. Das Baby war bei mir, eswurde ja noch gestillt. Die nächsten Stunden kann ich abspulenwie einen Film. Einen Film, der nicht wirklich meiner seinkonnte. Noch Jahre später überkommen mich Zweifel. Es waralles so surreal!

Um Mitternacht waren wir wieder in Horn. Da sah alles aus wieimmer. Die Umzugskisten in der Ecke. Die Jacke von G. amHaken. Sein Rasierzeug im Bad, seine Bettdecke... Und gleichzei-tig war nichts mehr so wie es war. In meiner Hand hielt ich diePlastiktüte, die man mir im Krankenhaus gegeben hatte: die ka-putten Fahrradsachen, seine Brille, seine Geldbörse, sein Ehe-ring.

In dieser Nacht habe ich kein Auge zugetan und wie bei einerEndlosplatte konnte ich nur einen Satz denken: „G. ist tot!“, „G.ist tot!“, „G. ist tot!“...

Unzählige weitere schlaflose und grausame Tage und Nächte soll-ten folgen. Ich war nun Witwe mit 36 Jahren, ein Baby von 5 Mo-naten an der Brust und ein Kind mit 2 ½ Jahren an der Hand.Der Prozess um den Unfallhergang sollte 2 ½ Jahre dauern.

Unfassbarkeit in der Familie, Entsetzen im Freundeskreis, Schockbei den Kindern. Alles ging seinen offiziellen Gang. Die Beerdi-gung, die Trauerfeier, die Kondolenzkarten.Dann kamen die guten Ratschläge, weise Sprüche, tröstendeWorte: „Das Leben geht weiter.“, „Du bist ja noch jung.“, „Gott seiDank sind eure Kinder noch klein.“, „Du wirst wieder jemandenfinden.“, „Sei froh, dass du nicht arbeiten musst.“, „Wer weiß, wasihm alles erspart geblieben ist.“, „Mein Mann hat eine Freundin,das ist viel schlimmer als wenn er tot wäre.“

Im Juni nahm eine liebe Freundin Kontakt mit Frau Hinderervom Hospizverein auf. Dazu wäre ich selber nicht in der Lage ge-wesen. Sie rief mich eines Abends an und wir vereinbarten einenTermin zum Kennenlernen. Mit ihrer tiefen, sympathischenStimme fühlte ich mich gleich angenommen.

Viele, viele Gespräche haben wir in den darauf folgenden Jahrengeführt. Innerhalb kurzer Zeit starben sechs mir nahestehende

"Der Trauerverlauf ist individuell verschie-den."

"Die Trauernden brauchen andere Menschen– nicht damit sie ihnen Trauer abnehmenoder Ratschläge erteilen – sondern damit siedurch ihr Verständnis bestätigen, dass dieTrauernden nicht krank sind. Die anderenkönnen durch ihre Akzeptanz, ihr Zuhörenden Trauernden die Möglichkeit geben "leer-zulaufen", ihre negativen Bewertungen oderdie Idealisierungen der Vergangenheit loszu-werden, durch Spiegelung anderer Trauer-oder Nichttrauerrealitäten in der Gegenwartund einer wieder möglichen Zukunft Fuß zufassen."

"Trauernde haben ja nicht nur eine Bezugs-person verloren, sondern auch eine gemein-sam erlebte Welt. Wo und wie sollen sieweiterleben? Dieser Verlust kann in der Regelnicht sofort erfasst, geschweige denn akzep-tiert werden. Um nicht unterzugehen, bedie-nen sich Trauernde Bewältigungsmechanis-men, die ihnen gestatten, Informationen,Gefühle etc. in Portionen zu akzeptieren. Be-troffene gewinnen damit wichtige Zeit, umsich schrittweise an die neue Realität anzu-passen, ohne die Belastungsgrenze zu über-schreiten. (…) Sie betrauern nicht nur ihrenaktuellen Verlust, sondern auch den Verlustnicht gelebter Möglichkeiten, den Verlusteiner Welt, die sich mal wieder unkontrollier-bar zeigt, den Verlust von Vertrauen in dieZukunft…"

(Marie-Luise Bödiker / Monika Theobald,Trauer-Gesichter: Hilfen für Trauernde –Arbeitsmaterial für Trauerbegleitung)

"Trauer gleicht einem langen Tal, einem ge-wundenen Tal, wo jede Biegung eine voll-kommen neuartige Landschaft enthüllenmag. Wie schon bemerkt, tut es nicht jedeBiegung. Manchmal besteht die Überra-schung aus dem Gegenteil; man steht vorgenau der gleichen Landschaft, die man kilo-meterweit hinter sich glaubte. Dann fragtman sich, ob das Tal nicht ein Graben sei, derim Kreis führt."

(Clive S. Lewis, Über die Trauer)

Ein Trauernder ist nicht krank. Das Lebeneines Trauernden muss ganz langsam, einenneuen Rhythmus, einen neuen Ablauf finden.Mit der Zeit kann er dann auch neue Ziele, neueInhalte finden.

Begegnen Sie Trauernden in ihrem Alltagoffen, halten Sie sie aus und versuchen Sie, ihnenbeizustehen. Denn wenn Trauernde wirklichtrauern dürfen, wenn ihnen der Schmerz nichtausgeredet wird, dann können sie nach einerZeit wieder ins Leben zurückkehren – in ein an-deres Leben. Aber dieses Leben kann einenneuen Sinn haben. Wenn wir einem Trauerndendie Trauer nehmen, verhindern wir unter Um-ständen, dass er zurückkehren kann in ein er-fülltes Leben. Denn Trauer dient der seelischenGesundung.

In meinem Dunkel

sei mir Begleiter

seiHörenderohne Urteil

reich mirdie Hand

und gehan meiner Seite

suchmitmir

(Ida Lamp)

Elke Hutzenlaubehrenamtlich engagiert seit 2000Inge Straubehrenamtlich engagiert seit 1994

Page 16: 20 Jahre Hospizverein Konstanz · Schließe die Augen und sieh nicht nach. Die Freunde finden ihren Weg. Die Kinder auch. Der Boden ist geschrubbt, die Fenster funkeln in der Sonne,

31TRAUER30 TRAUER

Menschen. Zeitweise wusste ich nicht mehr, wie ich alles aushal-ten sollte. Etliche Stunden bin ich nach Konstanz ins Hospiz ge-fahren. Habe Gesprächsrunden besucht, Vorträge angehört, habedie Bücherregale hoch und runter gelesen, Kreistänze mitge-macht, Trauerseminare besucht, war Gast im „Offenen Haus fürTrauernde“, habe an den Sonntagen für jung Verwitwete teilge-nommen, die Kinder waren in der Kindertrauergruppe. Vielesvon meinen Ängsten und Nöten konnte ich dort lassen. Konntemich aussprechen und so sein, wie ich mich wirklich fühlte.Konnte lernen, mit dem Verlust zu leben.

Ich wurde Fördermitglied des Vereins. Beim zehnjährigen Beste-hen 2003 habe ich in der Messe eine kleine Textpassage vortragenkönnen. Damals war mein Mann bereits eineinhalb Jahre tot. DerSchock war gewichen, die Realität hatte mich mit ganzer Härteeingeholt. Im Verein fühlte ich mich wohl. Ich hatte die Men-schen um mich, die ich brauchte, um weitergehen zu können.Wir alle haben das Gefühl, G. ist mit seinem ganzen Segen be-gleitend bei uns.

Das Leben geht weiter, man wird ja nicht gefragt. Es geht weiter,aber anders. Es geht weiter in der Tiefe. Ich fühle mich gezeich-net vom Schicksal und manchmal uralt. Fühle mich, als wenn ichein unsichtbares Mal und tiefe Narben trage. Manchmal brichtalles wieder auf. Die Zeit scheint in ihrer linearen Abfolge dannkeine Rolle mehr zu spielen. Es tut immer noch weh, manchmalso, als wäre alles eben erst passiert. Meine Sehnsucht nach G. hatnie aufgehört. Unsere Kinder wachsen heran und sehen ihmimmer ähnlicher. Das ist schön und schmerzlich zugleich.

Aber ich bin auch wieder glücklich. Ich habe mich erneut ver-liebt. Bin noch einmal schwanger geworden. Unser Haus auf derHöri habe ich verkau und lebe jetzt mit meinem wunderbarenPartner und unseren drei Kindern in Konstanz.

Leben und Sterben liegen so dicht beieinander! Heute ist meinBewusstsein sehr im Hier und Jetzt. Zumindest versuche ich „ab-schiedlich“ zu leben. Mein Leben ist eindeutig spiritueller gewor-den. Ich habe keine Angst mehr vor dem Sterben und lebe in derÜberzeugung, meinen gewählten Weg gehen zu können, solangeich nicht allein bin und Menschen an meiner Seite weiß, diemich begleiten. Ist das nicht vielleicht der tiefste Sinn allenmenschlichen Daseins, uns einander berühren zu lassen und unsvorurteilsfrei gegenseitig am Abgrund beizustehen, so gut eseben geht?

Die Endlichkeit so geballt am eigenen Leib spüren zu müssenwar ohne Zweifel das Qualvollste, das uns je passiert ist. Der Todhat uns berührt, mich „geküsst“. Ungefragt! Unser Liebstes hat erweit mit sich hinfort gerissen. Auch von uns selber hat er einenTeil weggenommen. Dafür haben wir im Gegenzug ein Stück vonihm bekommen. Auch ungefragt! – Mit der Trauer werden wirweiterleben müssen.

Unser inzwischen 13-jähriger Sohn sagte einmal: „In meinemSchmerz fühle ich mich wie in der Prometheus-Sage: zerrissen inzwei Welten. Nicht lebend und nicht sterbend. Der Adler reißtmir die Leber aus der Brust und es tut höllisch weh. Aber eswächst wieder eine nach und ich denke, jetzt ist es gut. Dochdann kommt der Adler zurück und reißt sie mir wieder raus!Usw., usw., usw. Der Schmerz hört nie wirklich auf. – Ich habemich daran gewöhnt.“Unser Baby ist jetzt 11 und sagte neulich: „Wenn mich jemandnach meinem Vater fragt, geht mir das Herz auf. Denn ich bin jaein Teil von ihm und werde durch sein Ansprechen immer mitberührt. Das tut gut.“

Unser jüngster 8-jähriger Sohn grübelt: „Was machen wir denn,wenn G. zurückkommt? Sind wir dann alle eine große Familie?“...lachend: „Alle Seelen kommen eh wieder zusammen.“Mein Partner sagt: „ Ich kann das sehr gut mit dir tragen. G. istkeine Konkurrenz für mich, er war vor mir da. Ich liebe dich undlebe jetzt mit dir.“

Der Tod hat uns mit schäbigem Gewand die Endlichkeit allenLebens und aller Möglichkeiten gezeigt. Ich zeige dem Tod mit meinen farbigsten Kleidern die Schönheitdes Lebens und die Unendlichkeit der Liebe. Ich möchte nichtsmehr verlieren, von dem ich nicht vorher schon wusste, wie kost-bar es ist. - Wunderbar, wenn wir es schaffen, unseren Stundenmehr Leben zu geben! Denn wenn der Tod kommt, ist er gnadenlos, grausam und end-gültig. Wir bekommen keine einzige Stunde zurück.

So ist es mir eine wirklich große Ehre, dass ich seit dem letztenJahr selber in der „Sterbebegleitung Erwachsener“ und in derTrauergruppe „Offenes Haus für Trauernde“ mitwirken darf.Zutiefst möchte ich dem Verein und seinen wundervollen Mit-gliedern danken und herzlichst alle beglückwünschen, die zu 20Jahren Hospizverein Konstanz beigetragen haben!

Jeder braucht jemanden. Irgendwann.

Reinhild Gammseit 2012 im Hospizverein engagiert

Fortsetzung

Die wir uns

fortsetzen

durch Liebe

Wir geben uns hin

dem Tod

und nehmen uns

das Leben

vom Baum

der

Erkenntnis

(Rose Ausländer)

„Für mich war es total toll, an-dere Kinder zu treffen, denenauch so was Schlimmes pas-siert ist“, antwortet der 11-jäh-rige Jan, als er gefragt wird,was das Beste an der Gruppetrauernder Kinder war, an derer zusammen mit acht ande-ren Kindern teilgenommenhat. „In der Schule werd ich oftgehänselt, weil mein Vater ge-storben ist. Und auch meinbester Freund kann mir nichtviel helfen, der wohnt garnicht bei seinem Vater undweiß nicht, wie es mir geht.Die Lehrer sind manchmalauch unsicher, wie sie mit derSituation umgehen sollen undmanche wissen auch garnicht, dass mein Papa tot istund fragen dann blöd. In derGruppe haben alle verstan-den, wie es mir geht, weil esfür sie selber oft auch so ist.Manchmal bin ich traurig,aber manchmal auch saueroder ich will endlich ganz nor-mal behandelt werden undnicht immer was Besonderessein“.

Jans Mutter meldet zurück,dass die Gruppe für trauerndeKinder auch zu Hause viel inBewegung gebracht hat. Jan

Alles ist jetzt anders –Gruppe für trauerndeKinderKooperation psychologischeBeratungsstelle der Diakonie undKinder- und Jugendhospizarbeit imLandkreis Konstanz

schläft besser und träumtnicht mehr so schlimm und erfragt jetzt öfter Dinge überseinen Vater. Vorher hat er sichdas nicht so getraut – wahr-scheinlich weil er auch ge-spürt hat, wie traurig sieselber ist und sie schonenwollte, vermutet die Mutter.Ihr hat er auch nicht erzählt,dass er gehänselt wird. Erst inder Gruppe kam er mit derSprache heraus, als ein ande-res Kind dasselbe erzählt hat.Die Kinder haben sich danngemeinsam überlegt, wasman in einer solchen Situationmachen kann. „Ein Mädchenhatte einen guten Trick: siehat immer „Stopp“ gerufenund den Arm gehoben, wennihr zu viel war, was geredetwurde. Weil die Kinder unddie Lehrerin in der Klasse dar-über gesprochen hatten,kannten alle ihr Zeichen undhaben aufgehört, auch wennsie selber nicht gemerkt hat-ten, dass jemand was Schlim-mes gesagt hat. Das fand ichtoll“.

Gute Rückmeldungen gab esauch in den anderen Elternge-sprächen nach Beendigungder Kindergruppe: „MeineTochter ist viel ruhiger gewor-den und kann wieder schla-fen“; „Mein Sohn stellt jetztFragen – vorher war er immerso verschlossen“; „MeineTochter hat sich ein großesBild ihrer Mutter für ihr Zim-mer gewünscht“; „Mein Sohngeht seit der Gruppe regelmä-ßig mit auf den Friedhof“.Viele Erwachsene habenScheu, mit Kindern über den

Tod oder über die Toten zureden. Sie denken, sie neh-men den Kindern die Norma-lität und möchten sieschonen. Das Gegenteil ist derFall: Erst wenn die Kinder allesfragen und sagen dürfen, wassie bewegt, ohne bei den Gro-ßen ängste und Unsicherheitauszulösen, wird es für sienormal.

Letztendlich hat es auch dieEltern erleichtert, mit ihrenKindern über die verstorbenePerson sprechen zu können,die Fakten rund um Krankheit,Sterben und Beerdigung beimNamen zu nennen und ihre ei-gene Traurigkeit auch zeigenzu dürfen. Die Kinder spürenja trotzdem, wenn Mama oderPapa traurig sind, auch wenndie versuchen, sich zu beherr-schen.

In der Gruppe wurde in densechs Treffen allerhand gestal-tet: Trost-Taschentücher, Er-innerungs-Steine, Kerzen undvieles mehr. Zudem haben dieKinder unter Anleitung derbeiden Gruppenleiterinnenauch Phantasiereisen ge-macht oder sich in der Rundeüberlegt, was sie von demVerstorbenen „geerbt haben“,seien es die blauen Augen derMutter, das Lächeln des Vaters

oder das Fahrrad des Bruders.

Heike Farag, Heilpädagogin inder psychologischen Bera-tungsstelle der Diakonie, undHildegard Gumpp, Koordina-torin der Kinder- und Jugend-hospizarbeit im LandkreisKonstanz, haben beide selbergestaunt, wie offen und diffe-renziert die Kinder waren undwas für spürbare Entwicklun-gen in der relativ kurzen Zeitgeschehen sind. „UnsereHauptrolle ist es, Raum zugeben und selber ganz offenmit dem Thema umzugehen.Auch wenn die Gesprächenicht immer um Trauer oderähnliches gingen, so wardoch durch unsere Anregun-gen und die symbolische An-wesenheit der Toten immerspürbar, was die Kinder mit-einander verbindet. Das Ge-fühl, mit dem Verlust nichtalleine oder die einzige zusein und die Erfahrung, nor-mal zu sein in einer unnorma-len Situation, war auch ausunserer Sicht das Wichtigstefür die Kinder“.

Petra Hinderer,Geschäfstführerinseit 1995 im Hospizvereinangestellt

Page 17: 20 Jahre Hospizverein Konstanz · Schließe die Augen und sieh nicht nach. Die Freunde finden ihren Weg. Die Kinder auch. Der Boden ist geschrubbt, die Fenster funkeln in der Sonne,

33BERATUNG32 BERATUNG

Das Haus am Park –Eine Anlauf-,Informations- undBeratungsstelleJedes Jahr kommen etwa 200 Men-schen zu uns ins Haus am Park oderrufen an, weil sie – mit Sterben, Tododer Trauer konfrontiert – unsichersind, Fragen haben oder nicht weiterwissen. Es ist uns in zwei Jahrzehntengelungen, eine Anlauf-, Informations-und Beratungsstelle zu werden. Un-sere psychosozialen Fachkräfte neh-men sich Zeit und schauen, wiegeholfen werden kann, welche Hilfebenötigt wird, wo wir selbst unterstüt-zen können und wo wir weiter vermit-teln. Wir haben keine fertigenLösungen, aber wir machen uns mitden Menschen auf den Weg, um mitihnen ihre eigenen Strategien und Lö-sungen zu finden.Die Anlässe und Auslöser, sich bei unszu melden, sind vielfältig; die Band-breite der benötigten Beratung groß...

Einige Beispiele:

FamiliengesprächIm Büro klingelt das Telefon. Die Vorwahlist mir unbekannt. Eine besorgte Tochter,Frau A., die 600 Kilometer entfernt vonKonstanz wohnt, erzählt von ihrer Sorgeum ihre Familie. Ihr Vater ist schwer krank.Mutter und Schwester versorgen ihn so gutsie können, doch der Vater verhält sich ab-weisend und verweigernd. Herr N. lässt sichnicht helfen. Seine Angehörigen fühlen sichhilflos und verzweifeln zusehends. Frau A.plant in den nächsten Tagen, ihre Familie inKonstanz zu besuchen. Die Situation isternst.Ich lade die Anruferin und deren Mutterund Schwester zu einem Familiengesprächin die Talgartenstraße ein.Nachdem die drei Frauen nacheinanderihre jeweiligen Ängste, ihre Hilflosigkeitund ihren Ärger benennen und voreinanderäußern können, entspannt sich die Situa-tion. Tränen dürfen fließen. Es ist wiederRaum, um gemeinsam kreativ über diehäusliche Situation zu sprechen. Darüber,wie sie die letzten Tage und Wochen mitsich selbst und ihrem sterbenden Familien-mitglied verbringen wollen. Dabei ist das„Geschehen lassen“ ein neuer Aspekt für dieAngehörigen.

Christina Labsch-Nix

BeratungEine junge Frau kommt zu uns. Sie wirktvöllig ratlos. Der Gesundheitszustand ihrerMutter, die vor einigen Wochen aus demNorden Deutschlands zu Besuch gekom-men ist, hat sich rapide verschlechtert unddie Diagnose, die sie nach Einweisung ineine hiesige Klinik erhalten hat, ist nieder-schmetternd. Die Pflegebedürigkeit vonFrau B. ist so aufwendig, dass die berufstä-tige Tochter mit ihren zwei kleinen Kinderndamit völlig überfordert wäre. Auch inNorddeutschland gibt es keine angemesseneUnterstützung für Frau B. Die Entlassungaus dem Krankenhaus steht bevor und dieTochter sucht nun Unterstützung bei derKlärung der anstehenden Fragen. Im Gespräch ist Raum und Zeit für die Notder Tochter. Wir sondieren die Möglichkei-ten und verabreden einen gemeinsamen Be-such bei der Mutter, um mit ihr zubesprechen, was sie möchte. Frau B.s Entscheidung fällt ganz klar fürden Umzug in ein stationäres Hospiz. Aufdie Frage, ab wann sie dazu bereit wäre,schreibt sie mit viel Mühe auf einen Zettel„so bald wie möglich“. Sprechen kann siebereits nicht mehr. Aus Erfahrung wissen wir, in welchem sta-tionären Hospiz Menschen mit diesem be-sonderen Krankheitsbild gut aufgehobensind. Die Tochter besucht ihre Mutter dortso o sie kann. Die Kinder fahren gerne mitdem Zug zur kranken Oma. Nach drei Wo-chen stirbt Frau B. – gut versorgt im statio-nären Hospiz.

Christina Labsch-Nix

Vorbereiten undVerantwortung teilenFrau L. ru selber an. Sie wohnt weiter weg,ist unheilbar an Bauchspeicheldrüsenkrebserkrankt und wird palliativ behandelt. Che-motherapie lehnt sie ab. Bisher ist sie nochwohlauf und kommt gut alleine zurecht.Wenn sich ihr gesundheitlicher Zustandverschlechtert, will sie zu ihrer Familie nachKonstanz kommen. Deswegen erkundigt siesich im Vorfeld, welche Unterstützungs-möglichkeiten es hier vor Ort gibt. Um Brü-ckenpflege und Palliativstation weiß sie. DieHospiz-Wohnung hat sie angeschaut. Ge-meinsam mit ihrer Tochter beschließt sie,in die Ferienwohnung neben ihre Familiezu ziehen und bei Bedarf auf unsere Nacht-wachen und unsere ehrenamtlichen Helfe-rInnen zurückzugreifen, damit nicht diegesamte Betreuung an den Angehörigenhängt. Alle sind dankbar um diese wohl-überlegte Lösung, bei der jede/r ein Stückmittragen kann.

Alexandra Maigler

PatientenverfügungDie Tochter einer schwer dementen Mutterkommt zu uns ins Beratungsgespräch. Sieund ihre Schwester haben die Vorsorgevoll-macht für ihre Mutter, die liebevoll in einemPflegeheim umsorgt wird. Die Mutter hatvor vielen Jahren eine Patientenverfügungabgefasst, in der sie lebensverlängerndeMaßnahmen ablehnt. Bei ihrem Gesund-heitszustand ist abzusehen, dass es in näch-ster Zeit um Fragen der Behandlung gehenwird, bei denen man entscheiden muss, waszu lebensverlängernden und was zu lin-dernden Maßnahmen gehört. Wir stehender Tochter bei, für sich selbst heraus zu fin-den, was sie mittragen kann und was nicht,um mit dem Hausarzt ins Gespräch zugehen. Die Tochter ist erleichtert, dass diePatientenverfügung ihrer Mutter nicht be-deutet, dass alles einfach unterlassen oderabgebrochen wird, sondern dass der Haus-arzt und die Töchter zusammen Schritt fürSchritt und in guter Kommunikation mitden Pflegekräen entscheiden können.

Petra Hinderer

PatientenverfügungAus einem Brief:„...Mein Sohn und ich hatten Ende letztenJahres ein langes Gespräch mit Ihnen. Esging um meine Frau und die Frage, ob wirsie, die durch mehrere Hirnblutungenschwerstbehindert war, weiter künstlich(per Magensonde) ernähren lassen sollten.Das Gespräch mit Ihnen hat uns sehr gehol-fen, loszulassen und das zu tun, was auchmeine Frau gewollt hätte. Es folgten drei unendlich lange, harte Wo-chen, bis sie endlich sterben dure. Wir sind Ihnen sehr dankbar für Ihre Hilfein dieser schweren Zeit...“

Petra Hinderer

Umgang mit trauerndenKindernEine junge Mutter ru an: Ihr Vater – seitJahren an Demenz erkrankt – ist vor einigerZeit gestorben. Die Kinder hingen sehr anihm. Die Fünährige scheint besondersschwer zu trauern. Im Vergleich zu ihremachtjährigen Bruder muss sie sehr o wei-nen, kann nicht einschlafen, redet sehr vielüber den Opa, scheint auch Angst zu haben.Die Mutter möchte nichts versäumen undihre Tochter unterstützen. In einem länge-ren Gespräch reden wir über Todesvorstel-lungen von Kindern in diesem Alter, in demein Kind die Endgültigkeit des Todes zu be-greifen beginnt und damit natürlicherweiseauch Angst entwickelt. Das Gespräch endetmit vielen Ideen, wie sie ihrer Tochter Si-cherheit geben kann, ohne zu schwindeln,und die Kleine in ihrem Entwicklungs-schritt unterstützen kann: eine Geschenkvom Opa, eine eigenes Bild von ihm imKinderzimmer, ein Kinderbuch zu demema, Ideen für Familienbilder und vielesmehr.

Petra Hinderer

Ein Kindergarten meldet sichVor einer Woche ist der Vater eines kleinenMädchens plötzlich gestorben. Die Kleinewar die letzten Tage nicht im Kindergarten,wird aber Anfang der kommenden Wochewieder in die Gruppe kommen. Zwei Kol-leginnen rufen bei uns an, weil sie Rat undUnterstützung möchten, wie sie mit der Si-tuation umgehen können. Was teilen sieden anderen Eltern mit? Wie und was er-zählen sie den Kindern? Wie schaffen sieRaum für Fragen und für Trauer? Wie ge-stalten sie die Rückkehr der Kleinen? Ineinem langen Gespräch ermutigen wir dieErzieherinnen, ihren eigenen Impulsen zufolgen. Sie haben viele Ideen und kennendie Kinder gut. Monate später erfahren wirvon der Mutter des kleinen Mädchens, wasfür eine große Stütze der Kindergarten indieser schweren Zeit für sie und ihre Toch-ter war.

Hildegard Gumpp, Gisela Wittner

Jugendliche stützen, wenn einElternteil stirbtNach zwei Jahren verzweifelten Kampfesgegen einen Hirntumor wandte sich dieMutter eines 15-jährigen Sohnes und einer13-jährigen Tochter an uns. Der Vater warwegen Aussichtslosigkeit aus aller erapieentlassen worden und jetzt zuhause. Dieüberforderte Mutter brauchte Bestätigung,dass sie alles richtig machte. Wie sollte siedie Kinder auf den Tod des Vaters, der biszuletzt an seine Heilung geglaubt hatte, vor-bereiten? Sollte sie weiterhin halbtags arbei-ten oder nur zuhause bleiben?Bei einem Hausbesuch fanden wir sozial guteingebundene Jugendliche vor. Ausführlichkonnten wir mit ihnen besprechen, wasihnen eine Begleitung durch einen Patengeben könnte. Aber zu diesem Zeitpunktwollten sie keine. So stützten wir die Mutter,die sich immer wieder mit Fragen an unswandte. Das gab ihr Sicherheit. Die Familieschae es, den Vater bis zum Schluss zuhause zu behalten. Nach dem Tod schriebdie Mutter: „…nun hat es mein Mann ge-scha und es geht ihm wieder gut. Er ist amMittwoch gestorben, ganz friedlich hier beiuns zuhause.Das war sein größter Wunsch und es ist fürmich so befreiend schön, dass er wieder zuuns nachhause konnte. Es war für uns eineschöne Zeit, in der wir ihn begleitet habenund viel bei ihm im Zimmer waren. Erkonnte uns spüren und unseren Alltag auf-nehmen. Das war gut so. Schlussendlichging es ihm jeden Tag ein bisschen schlech-ter und für ihn war es eine Gnade, bei unseinschlafen zu dürfen.“

Gisela Wittner

Trauergespräch Vor vier Jahren verstarb der Ehemann eineralten Dame, mit dem sie über fünfzig Jahrezusammengelebt hatte. Nach dem plötz-lichen Tod ihres Mannes fiel sie in ein gro-ßes Loch und fand einen Ausweg imAlkohol. Doch der betäubte nur und derSchmerz kam immer wieder. Die alte Damevertraute sich einer Betreuerin aus dem Be-treuten Wohnen an. Diese verabredeteeinen Beratungstermin mit einer Koordina-torin im Hospiz. Im Beratungsgesprächwurde deutlich, dass es der Dame gut tat,über ihren Verlust und die Trauer zu reden.Die Möglichkeit hier im Haus mit anderenBetroffenen sprechen zu können, nahm siedankbar auf.Ob sie das „Offene Haus für Trauernde“ jebesuchen wird ist fraglich.Doch sie weiß um die Möglichkeit.

Christina Labsch-Nix

Rückhalt in der Sterbe-begleitungFasnachtsferien: Eine Tochter kommt vonweiter weg in das Haus ihrer 86-jährigen,sterbenden Mutter, um sie zu betreuen. DieMutter lebt nach mehreren Schlaganfällen,einer Beinamputation, Parkinson undKrampfanfällen immer noch alleine – voneiner Sozialstation versorgt. Sie war immereine sehr eigenständige Person, schon alsjunge Frau allein erziehend, und obwohl dieKommunikation mit ihr nur eingeschränktmöglich ist, bestimmt sie auch heute nochalles selbst. Seit Tagen isst sie nichts mehr,trinkt aber noch. Die Tochter umsorgt sie.Es ist klar, dass es zu Ende gehen wird. Eh-renamtliche Unterstützung möchte sie zu-nächst keine. Sie ru jedoch täglich bei derKoordinatorin an, um sich zu vergewissern,dass sie „alles richtig macht“, sich Tipps undRückhalt zu holen und den Prozess zu er-zählen. Nach einer Woche stirbt die Mutterfriedlich und ganz nach ihren eigenenWünschen.

Alexandra Maigler

Christina Labsch-NixDipl.-Sozialarbeiterin,systemische Familien-therapeutin (DGSF),Weiterbildung inklientenzentrierterBeratung (GfK) undPalliative Care,ausgebildeteKrankenschwesterseit 2006 beimHospizverein angestellt

Alexandra MaiglerDiplom-Psychologin,Weiterbildung inpersonenzentrierterBeratung (GwG) undPalliative Care, ausgebil-dete Krankenschwesterseit 2011 beimHospizverein angestellt

Petra HindererDiplom-Psychologin undSozialwirtin (FH),Weiterbildung insystemischer Beratungseit 1995 beimHospizverein angestellt

Dr. Gisela Wittner Kinderärztin, war bis zuihrer Rente in Singenniedergelassen seit 2005 als Honorar-kra beim Hospizverein

Hildegard Gumpp Sonderschulpädagogin,lange Jahre Rektorin derRegenbogenschule fürkörperlich und geistigbehinderte Kinder inKonstanzseit 2005 als Honorar-kra beim Hospizverein

Page 18: 20 Jahre Hospizverein Konstanz · Schließe die Augen und sieh nicht nach. Die Freunde finden ihren Weg. Die Kinder auch. Der Boden ist geschrubbt, die Fenster funkeln in der Sonne,

34 ÖFFENTLICHKEITSARBEIT 35ÖFFENTLICHKEITSARBEIT

sterben geht uns alle an. und dochzählt es nicht zu den themen, mitdenen wir uns gerne befassen, solangewir nicht müssen. das ist menschlichund nachvollziehbar. dennoch kann eshilfreich sein, sich mit Aspekten undfragen, mit Vorsorgemöglichkeitenoder unterstützungsangeboten be-schäftigt zu haben, ehe man selbstoder ein naher Angehöriger tatsächlichbetroffen ist. nicht selten hören wir densatz: „...hätte ich das nur früher ge-wusst...“Öffentlichkeitsarbeit sehen wir des-wegen als eine unserer Kernaufgaben.wir möchten dazu einladen, sich mitunseren themen auseinanderzusetzen,auch wenn sie persönlich noch nichtakut sind, sich zu informieren, sich ge-danken zu machen und mit dem eige-nen umfeld ins gespräch zu gehenüber eigene wünsche, Vorstellungen,ängste.neben workshops und seminaren fürbetroffene und informationsveranstal-tungen für fachleute und multiplikato-ren bieten wir deswegen für alleinteressierten regelmäßige Vortragsrei-hen an und versuchen auch über kultu-relle Veranstaltungen wie lesungenoder Konzerte einen leichteren zugangzu den themen sterben, tod und trauerzu ermöglichen. wir laden schulklassenund andere gruppen zu uns ins hausam park, um unsere Arbeit kennenzu-lernen, und tragen einmal im Jahr mitunserer großen benefizveranstaltungJazz downtown Konstanz die Kundevom hospiz Konstanz e.V. in die stadt.

Einige Themen-Beispiele derletzten Jahre:Verhungern und Verdursten am Lebensende?

„Ich kann sie/ihn doch nicht verhungern lassen“, ist ein oft be-schriebener innerer Konflikt, wenn es um Beginn, Fortführungoder Einstellung künstlicher Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhram Ende des Lebens eines Patienten geht, der nicht mehr ent-scheidungsfähig ist. Angehörige – meist ohne Erfahrung mitSchwerkranken – aber auch Pflegekräfte haben oft ein nahesVerhältnis zum Kranken und kommen somit in eine emotio-nale Notlage. Wie kann es gelingen, die Entscheidung über Be-ginn, Erhalt und Abbruch künstlicher Nahrungs- undFlüssigkeitszufuhr gemeinsam treffen und tragen zu können,welche medizinischen Informationen, rechtlichen Grundlagen,Gespräche braucht es und wer (z.B. die vertrauten Pflege-kräfte) sollte noch mit einbezogen werden?

Referent: Dr. med. Albrecht Dix, Klinikum Konstanz

Versöhnen und Verzeihen?

Beziehungen zwischen Eltern und Kindern sind durch wider-streitende Gefühle, Wünsche und Erwartungen geprägt.Neben Freude, Geborgenheit und Vertrauen entstehen auchWut, Frustration, Tränen und Verlust. Gewöhnlich finden wir zueiner Balance, die unsere Beziehungen langfristig sichert. Ent-scheidend sind hierfür die Prinzipien von Loyalität und Ge-rechtigkeit. Wenn diese Balance wackelt, z.B. durch langfristigwirkende Enttäuschungen, einschneidende Ereignisse oderden langsamen Abschied der Eltern aus dem Leben, drehensich unsere Beziehungen um die Fragen von Versöhnung, Ent-schuld(ig)ung, Wiederannäherung, bleibender Distanzierungoder gar Entfremdung. Mit welchen Belastungen müssen wirzurechtkommen, welche Möglichkeiten von Gemeinsamkeitund Dialog bleiben oder können neu entstehen?

Referent: Prof. Wolf Ritscher, Familientherapeut, Supervisor ,Ausbilder für System- und Familientherapie

Nachkriegskinder

Die 50er-Jahre waren eine Zeit des Neuanfangs, man schautenach vorn. Die Nachkriegskinder waren Friedenskinder unddoch wurden sie in Familien hineingeboren, auf denen Kriegs-

erlebnisse und Erfahrungen von Gefangenschaft, Vertreibungund Schuld lasteten. Heute schauen die Kinder der Soldaten-väter zurück und versuchen, die Ungereimtheiten im eigenenLebenslauf zu verstehen und für sich neue Ressourcen zu ent-decken.

Referentin: Sabine Bode, Köln, Journalistin, Hörfunk- und Buch-autorin, neu erschienen: „Nachkriegskinder – die 1950er Jahr-gänge und ihre Soldatenväter“

Was macht der Krebs mit uns?Kindern die Krankheit ihrer Eltern erklären

Rund 200.000 Kinder und Jugendliche sind in Deutschlandjedes Jahr mit betroffen, wenn ein Elternteil an Krebs erkrankt.Für die Eltern kommt zu dem persönlichen Stress mit der Er-krankung noch das Problem, die Kinder einzubeziehen, ihnenall das zu erklären, was nun kommt und kommen kann. SabineBrütting gibt viele Anregungen, auch dazu, wie eine familiäreKommunikation erreicht werden kann, die Kindern bei der Be-wältigung der elterlichen Erkrankung – unter Umständen bishin zum Tod des Elternteils – hilft.

Referentin: Sabine Brütting, Gestalttherapeutin und Heilprakti-kerin für Psychotherapie in eigener Praxis, arbeitet freiberuflichim Frankfurter Verein „Hilfe für Kinder krebskranker Eltern e.V."mit.

Wenn Mutter alt wird...?

Loslassen, Verwandlung spüren, Abschied nehmen, das (in-nere) Erbe annehmen sind Themenbereiche, die diese Lebens-phase kennzeichnen. Die Mutter-Tochter-Beziehung erhälteine neue Intensität und der Prozess ist für beide nicht einfach:die Rollen wechseln. Der Wunsch, der Mutter das Altern zu er-leichtern ohne dabei das eigene Leben aufzugeben, stellt dieTochter vor Fragen und bringt sie an Grenzen. Oft wird wenigoder überhaupt nicht darüber gesprochen. Der Vortrag soll er-mutigen, in die Begegnung, das Gespräch und die Ausein-andersetzung mit der Mutter zu gehen. Wenn beide ihreähnlichkeiten und Verschiedenheiten akzeptieren (lernen),kann Nähe und Distanz neu gefunden werden und positiveGefühle der Verbundenheit können entstehen.

Referentin: Gisela Koop, arbeitet als Dipl. Sozialarbeiterin (FH)und Sozialtherapeutin in einer Klinik für suchtkranke Frauenund nebenberuflich als Supervisorin (M.A.)

Der Tod ist kein Tabu –Öffentlichkeitsarbeit

Vorträge im Haus am Park und anderswo

Was habe ich schon verloren?Was ist mir genommen worden(körperlich, seelisch)?Von was hab ich mich verabschiedet/was hab ich losgelassen?

Wo ist der rote Faden in meinemLeben?Wo bewege ich mich hin?Was wäre ich gerne los?Was würde ich gerne behalten?

Was kann ich dafür selber tun?Wo kann ich dafür um Hilfe bitten?

Wo nehme ich Kraft her?Wo sind meine Stärken,Kompetenzen?Wo sind meine Grenzen?Was tut mir gut?

Kurs: „Sterben, Todund Trauer einen Platzim Leben geben“ Viele Menschen möchten sich mit den e-men Abschied, Sterben, Tod und Trauerpersönlich auseinandersetzen, ohne sichgleich auf ein Ehrenamt im Hospiz vorzu-bereiten. Deswegen bieten wir seit Jahrengemeinsam mit der VHS Konstanz-Singenden Kurs „Sterben, Tod und Trauer einenPlatz im Leben geben“ an. Geleitet wird ervon zwei erfahrenen ehrenamtlichen Hos-piz-Mitarbeiterinnen, Veronika Bohner undElke Hutzenlaub. Der Kurs hat den Unter-titel „Jetzt fühl ich mich sicherer“ weil ernicht selten bewirkt, dass der Umgang mitanderen in Grenzsituationen selbstver-ständlicher wird. Die TeilnehmerInnen be-schäigen sich mit diesen und ähnlichenFragen:

Zu Gast: Jugendlicheim Haus am Park

Mädchen und Jungen haben sich vor demEingang des Hospizhauses in der Talgarten-straße getroffen – etwas befangen vielleicht;aber wer ist das nicht beim Sprechen überSterben und Tod. Sie besuchen die 9. Klasse,da steht dieses ema im Lehrplan in denFächern Religion und Ethik. Mehrmals imJahr fragen also Lehrerinnen oder Lehrervon Konstanzer Schulen beim Hospizvereinan; sie möchten ihren Schülerinnen undSchülern die Chance bieten, die Hospizar-beit kennen zu lernen. Diese Begegnung ausdem Schulalltag heraus ins Hospiz zu legen,hat sich bewährt. So entsteht ein Gespür fürdie Atmosphäre des Hauses. So wächst Ver-trauen zu Menschen, die dort tätig sind. EinSchüler schildert das so: „Ich fand es schön,dass alles von Anfang an so heimelig undvertraut wirkte und man sich sehr wohl ge-fühlt hat. Das ist das, was mir eigentlich ambesten hängen geblieben ist, dass es einen inkeinem Moment so war, als ob man sich un-wohl fühlt, sondern man hat sich überallwohl gefühlt."

In den Gesprächen werden dann die Fragender Jugendlichen in ihrer Vielfalt deutlich.Sie möchten nicht nur Sachinformationenüber den Hospizverein haben. Es interes-siert sie auch das persönliche Zeugnis vonEhrenamtlichen. Sie möchten etwas erfah-ren über deren Motivation, über ihre emo-tionale Situation im Umgang mit leidendenund trauernden Menschen und mit immerwiederkehrenden Abschiedssituationen. Siemöchten sich vor allem auch vorstellen kön-nen, was die Ehrenamtlichen tun, wie dieBeziehungen zu den Menschen sind, die be-gleitet werden. Sie sind dankbar für klareund sachliche Antworten auf ihre Fragen.Besonders aufmerksam sind sie, wenn ichihnen mit Beispielen mein Tun anschaulichmachen kann. Und ich habe den Eindruck,dass sich im Verlauf des Gesprächs die an-fängliche Befangenheit wohltuend löst.

Warum sind mir diese Begegnungen mitden Schülerinnen und Schülern so wichtig?Ich denke, wenn diese Jugendlichen nachunserem Gespräch etwas gelöster über dasSterben und den Tod sprechen können, undwenn sie erfahren haben, dass es Menschengibt, die in der letzten Lebensphase da seinmöchten, wenn sie gebraucht werden, dannwaren diese ein oder zwei Stunden gut.

Adelheid Strätznimmt sich seit über 8 Jahren Zeit fürSchüler/innen, die zu uns kommen

Jedes Jahr veranstalten wir zwei kleine Vortragsreihen im Frühjahr und im Herbst, bei denen wir Themen aufgreifen, dieuns in der Arbeit mit Betroffenen begegnen. Dafür engagieren wir ReferentInnen, die Antworten auf drängende Fragenhaben oder sie mit uns zusammen suchen. Oft kooperieren wir dabei mit anderen Einrichtungen wie der VHS Konstanz-Singen, dem Bildungswerk oder dem Seniorenzentrum.

Ludmilla Polonezist zuständig für unsereDatenbank, die zahlrei-chen Brief-Versändeund Ansprechpartnerinfür Mitglieder undSpender.Seit 2007 beim Hospiz-verein angestellt.

Eva Riedle ist zuständig fürOrganisation, Koordi-nation und Abwicklungvon Projekten. Sie istverantwortlich für dieVeranstaltung JazzDowntown Konstanz.Seit 1997 beim Hospiz-verein angestellt.

Page 19: 20 Jahre Hospizverein Konstanz · Schließe die Augen und sieh nicht nach. Die Freunde finden ihren Weg. Die Kinder auch. Der Boden ist geschrubbt, die Fenster funkeln in der Sonne,

37ÖFFENTLICHKEITSARBEIT36 ÖFFENTLICHKEITSARBEIT

Konstanz ehrenamtliche mit-arbeiter des hospizes in die-ser thematik geschult.

nachdem sich die gebhard-schule für eine projektwocheoffen zeigte, wurde diesevom 8. bis 12. Juli 2013 inzwei 3. Klassen durchge-führt.

An jedem tag gab es ein an-deres thema:

1. tag: werden undVergehen –wandlungs-erfahrungen

2. tag: Krankheit und leid

3. tag: sterben und tod

4. tag: Vom traurigsein

5. tag: trost und trösten

die themenschwerpunkteder zwei ersten tage habenwir den Kindern mit bildern,geschichten und bilderbü-chern nahe gebracht.zwei im Verein aktive ärztin-

Ein Ehrenamtlicher ausdem Projekt-Team be-richtet:

nach den erfahrungen derehrenamtlichen mitarbeiterder hospizbewegung wollenKinder in Krisenzeiten kei-neswegs geschont werden.„hospiz macht schule“ hatsich deshalb zum ziel ge-setzt, durch eine woche pro-jektunterricht an grund-schulen Kinder mit demthema „tod und sterben"nicht allein zu lassen.

während dieser zeit sollensie die möglichkeit erhalten,in einem geschützten rah-men alle fragen, die sie dazubewegen, zu stellen und sogut wie möglich beantwortetzu bekommen.

dieses Konzept wird seit eini-gen Jahren deutschlandweitumgesetzt und Anfang desJahres 2013 wurden auch in

Hospiz macht Schule nen besuchten die Klassenam zweiten tag und beant-worteten alle fragen zumthema Krankheit.

Am dritten tag wurde daszentrale Anliegen anhandvon filmabschnitten einge-führt. wir wollten vermitteln,dass leben und sterben mit-einander untrennbar verbun-den sind.

in den letzten zwei tagenging es darum, gefühle dertrauer wahrzunehmen undsensibilität für formen destrostes zu entwickeln. zunächst wurde jedes themaim großen Kreis eingeführt.danach konnten die grund-schulkinder in kleinen grup-pen mit einem ehrenamt-lichen hospizmitarbeiterüber das gerade erlebtesprechen und eigene erfah-rungen mitteilen. ihre fragenund Antworten wurden aufKärtchen oder plakaten auf-geschrieben. Vorstellungenund gefühle konnten die Kin-der durch zeichnungen oderfingerfarbenbilder zum Aus-druck bringen.

Anschließend wurden diegruppenergebnisse in dergroßen runde vorgestelltund den mitschülern erklärt.dabei war beeindruckend,wie tief und ernst die Kindermit den verschiedenen the-men umgegangen sind.

Am letzten tag wurden dieeltern eingeladen, um ihneneinen einblick in die projekt-woche zu geben. in einemrückblick stellten die Kinderdie themen der verschiede-nen tage vor. sie gaben er-klärungen zu ihren schriftlichfestgehaltenen beiträgenund präsentierten ihre klei-nen „Kunstwerke“.

die Arbeiten der ganzen pro-jektwoche nahmen die Kin-

„Den Unterschied zwischen „sterben“und „Tod“, was ein Bestatter ist undwas er macht, wo eine Raupe ihrenKokon ablegt und wie tief ein Grabsein muss. Meinen Nachbarn trösten,egal wo er weint und wo wir sind, wieeine Raupe entsteht, was ein Tumor ist.“

„Dass jeder eine andereReligion hat und seineeigene meinung ☺“

„Anderen zu helfen und mit ihm Redenkeine angst mer vorm Tod“

„Das Tot nicht das gleicheist wie sterben., z.B. sterbenist: Jetzt. Und tot: schongestorben.“

„Das der bestater fielmachen muss“

„Das man keine angstvorm Tod haben muss“

„Das Sterben zum Leben gehört, dassgroße Kinder nicht mehr klein wer-den und der, der gestorben ist wirdnicht mehr zurück kehren.“

„Was bei manchen Krankheitenpasiert. Was nach dem Todpasiert.“

rechte Seite im grauen Kasten:Feedback der Kinder zu derFrage: Was habe ich gelernt?

der in einer mappe mit nachhause.

eltern und Kinder wurden er-mutigt, sich mit ihren fragenüber schwere lebenssituatio-nen an vertraute personen zuwenden und das gespräch zusuchen.

der hospizverein Konstanzist da gerne bereit weiterzu-helfen.

Marc Weimerskirchseit 2013 ehrenamtlichengagiert

Pantomine: So geht trösten

Page 20: 20 Jahre Hospizverein Konstanz · Schließe die Augen und sieh nicht nach. Die Freunde finden ihren Weg. Die Kinder auch. Der Boden ist geschrubbt, die Fenster funkeln in der Sonne,

39ÖFFENTLICHKEITSARBEIT38 ÖFFENTLICHKEITSARBEIT

DOWNTOWNKONSTANZ

J ZZA

Mitten im LebenJazz Downtown Konstanz:Im Zeichen der Hospiz-Idee

Jedes Frühjahr, an einem Samstag Ende April, Anfang Mai lädtder Förderverein Hospiz Konstanz e.V. zum Jazzen für denguten Zweck. Seit nunmehr 16 Jahren feiert Jazz DowntownKonstanz als Benefizabend zu Gunsten des Konstanzer Hospiz-vereins eine Erfolgsgeschichte. Ursprünglich als einmalige Fundraising-Veranstaltung gedachthat sich der Jazz-Abend inzwischen zur festen Größe im Kon-stanzer Kulturleben entwickelt – und zu einem wichtigenfinanziellen Standbein der Konstanzer Hospizarbeit.

Im Anfang war… eine Idee

Als der Hospizverein 1997 mit der Planung für das Projekt„Haus am Park“ begann, war eine Idee gefragt. Für den Umbauund die Einrichtung des von der Spitalstiftung gemietetenHauses in der Talgartenstraße, das heute das Zentrum der Kon-stanzer Hospizarbeit ist, wurden Gelder benötigt. Eine Benefiz-veranstaltung schien eine gute Möglichkeit, nicht nur die finan-zielle Starthilfe einzubringen, sondern gleichzeitig auf die Hos-pizarbeit aufmerksam zu machen. Gesucht war eine Idee, dieauch die Haltung des Hospiz‘ zeigen sollte, Sterbende nicht anden Rand der Gesellschaft abzuschieben, sondern sie „mittenim Leben“ zu begleiten und die Belastung – auch die der An-

gehörigen – auf mehrere Schultern zu verteilen.Angeregt durch eine ähnliche Festivität in einer anderen Stadtentwickelte Petra Hinderer zusammen mit Renate Maßmann-Kreis aus dem damaligen Vorstand die Idee zu Jazz DowntownKonstanz: Nach einem besonderen Eröffnungskonzert imMünster spielen zwei Dutzend Bands in zwei Dutzend Lokalenmitten in der Konstanzer Altstadt: Jazz und seine Randgebiete.Die Musiker – überwiegend regionale Künstler – spielen zu er-mäßigten Benefiz-Gagen. Die Musikerhonorare übernimmt zurHälfte der jeweilige Wirt, zur Hälfte ein Sponsor. Ein Eintritts-Button ermöglicht den Zugang zu allen Konzerten.Mit diesem Konzept ging Petra Hinderer auf Bernd Konrad zu,der sich begeistert bereit erklärte, die erste Eröffnungsveran-

staltung zu gestalten. Mit Erfolg: Am Abend des 9. Mai 1998liefen über 2.000 Menschen mit einem Eintritts-Button amRevers und ansteckend guter Laune durch die Konstanzer Alt-stadt. Die Organisatoren waren überwältigt, die Musiker be-geistert. Die Wirte hatten Umsatz gemacht und bei denSponsoren herrschte Zufriedenheit. Durch ihren Beitrag wareine erkleckliche Summe für den Hospizverein übriggeblie-ben. Der Vorstand des Hospiz Konstanz e.V. beschloss darauf-hin, Jazz Downtown Konstanz ein weiteres Mal zu organisie-ren. Keiner hätte zu diesem Zeitpunkt gedacht, dass die Veran-staltung sich in den nächsten 15 Jahren zu einem festen Be-standteil des Konstanzer Kulturkalenders entwickeln würde.

… und sie trug Früchte

2001 konnte das „Haus am Park“ bezogen werden. Mitten inder Stadt – und damit mitten im Leben – ist es zu einem Ortgeworden, an dem die gesamte Hospiz-Idee umgesetzt wird.Ermöglicht wurde das Haus – nicht zuletzt – auch durch JazzDowntown Konstanz. Bis heute fließt der Gewinn der Veran-staltung direkt in die Arbeit des Hospizvereins. Mit rund achtProzent der jährlich benötigten Einnahmen ist er zu einer dertragenden finanziellen Säulen der Hospizarbeit geworden.Und auch das zweite Anliegen des Hospizvereins ist aufgegan-gen. Jedes Jahr erfahren tausende Menschen durch JazzDowntown Konstanz von seiner Existenz. Betroffene und Inter-essierte, Fachleute und zahlreiche Menschen, die bereit sind,sich für den Hospizverein zu engagieren oder seine Arbeit zuunterstützen, finden nach dem Jazz-Abend den Weg ins „Hausam Park“.

Seit 14 Jahren ist Eva Riedle die Koordinatorin und Organisato-rin der wichtigsten Veranstaltung für den Hospizverein. Allen Beteiligten – den Musikern und Musikerinnen, den Wir-ten und den Sponsoren – und besonders den langjährigenHaupt-Sponsoren: der Sparkasse Bodensee, den StadtwerkenKonstanz, der Ruppaner Brauerei, der Ingun PrüfmittelbauGmbH und der SCHWARZ Außenwerbung GmbH sei an dieserStelle ganz herzlich gedankt.

Patricia Hinkelbeinseit 2012 imHospizverein engagiert

www.jazz-downtown.deBernd Konrad, Eröffnungskonzert im Konstanzer Münster 2010

Page 21: 20 Jahre Hospizverein Konstanz · Schließe die Augen und sieh nicht nach. Die Freunde finden ihren Weg. Die Kinder auch. Der Boden ist geschrubbt, die Fenster funkeln in der Sonne,

41UNTERSTÜTZER40 UNTERSTÜTZER

Wolfgang und Armin Karl Wir unterstützen das Hospiz mit seinen Mitar-beitern seit vielen Jahren, damit kranke Men-schen ihren Leidensweg nicht alleine gehenmüssen und die Herzlichkeit an ihrer Seitehaben. Die ehrenamtliche Tätigkeit erhält unse-ren größten Respekt und ist ein Beispiel von tie-fer Nächstenliebe! Krankheit, Sterben und Tod gehören zum Lebendazu. Man muss sich damit auseinandersetzenund es kann jeden treffen. „Es geht nicht darum, dem Leben mehr Tage zugeben, sondern den Tagen mehr Leben.“In diesem Sinne stehen wir auch gerne in Zu-kunft helfend zur Seite.

Erich BornWarum bin ich dem Hospizverein Konstanz bei-getreten?Erstens hat mich Petra Hinderer damals vor 20Jahren an ihrem Stand auf der Marktstätte Kon-stanz so dermaßen freundlich und charmantangeworben, dass ich gar nicht nein sagenkonnte und zweitens gehört für mich der Todzum Leben dazu. Ich will ihn nicht tabuisieren,sondern mich mit ihm auseinandersetzten.

Emil und Helga MundhaasWir haben den Verein und seine Ziele 1994 beieiner Veranstaltung im Seniorenzentrum ken-nen gelernt. Da waren wir beide noch berufstä-tig. Nachdem verschiedene Vorträge undVeranstaltungen des Hospizvereins uns spürbargeholfen haben, uns bei Todesfällen besser zuverhalten und nicht weg zu schauen, sind wirMitglied geworden und seither geblieben. Heutesind wir in Rente und immer wieder umgebenvon Todesfällen bei Nachbarn, Freunden und inder Familie. Die Auseinandersetzung mit demTod und der Umgang mit Hinterbliebenen istuns selbstverständlicher geworden.

Roger WinterIch setze mich für den Hospizverein Konstanzein, weil hier die Begleitung und UnterstützungBetroffener und deren Familien selbstlos mög-lich gemacht wird. Die ehrenamtliche Tätigkeit Ihrer Mitarbeiterin-nen und Mitarbeiter ist gerade in der heutigenZeit ein wichtiger Schritt in Richtung einer hu-manitären Gesellschaft. Ich freue mich, den Hospizverein die nächstenJahre weiter begleiten zu können.

Rotary Club Konstanz-MainauStefan Ahlhaus, Präsident (Mitte)Wir unterstützen die Kinder- und Jugendhospiz-arbeit im Landkreis Konstanz bereits seit mehre-ren Jahren mit ganzem Herzen und vollerÜberzeugung, weil hier unglaublich wichtigeHilfe und Unterstützung für Kinder, Jugendlicheund Erwachsene geleistet wird, die in sehrschwierigen emotionalen und psychischen Situ-ationen sind. Die haupt- und ehrenamtlichenMitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hospizver-eins nehmen dem in unserer Gesellschaft oft alsTabu behandelten Thema Tod und Trauer dasBeklemmende und Verschwiegene. Den Betrof-fenen helfen sie mit Professionalität und Fach-wissen einerseits und Hingabe undEinfühlungsvermögen andererseits. Den Nicht-betroffenen geben sie durch Transparenz undOffenheit das sichere Gefühl, dass Unterstüt-zung hier an der richtigen Stelle ist - auch, weilman die Arbeit des Hospizvereins selbst einmalbenötigen könnte!

Karl-Bernhard und Evi RuppanerAls sich vor 20 Jahren der Hospiz- Gedanke inDeutschland breit machte, waren meine Frauund ich gleich begeistert von der Idee eines Hos-pizvereins in Konstanz. Hier bot sich uns dieMöglichkeit, gesellschaftliches und soziales En-gagement von uns persönlich in die Tat umzu-setzen. Darüber hinaus aber hat sich dieRuppaner-Brauerei gleich beim 1. "Jazz Down-town Konstanz" bereit erklärt, als Haupt-Spon-sor aufzutreten. Dies gibt der regionalenBrauerei seitdem jedes Jahr die Möglichkeit, sichals sozial engagiertes Unternehmen den Bürge-rinnen und Bürgern und all unseren Gästen zupräsentieren. Ist doch die Ruppaner-Brauereiselbst ein Stück Kultur unserer Stadt. Heute istdie Veranstaltung in der Konstanzer Altstadt mitden ebenso tatkräftigen Wirten jedesmal einErfolg und nicht mehr hinwegzudenken. Dank-bar schauen wir zurück auf die Anfänge desHospizvereins in unserer Stadt und wünschenallen Beteiligten weiterhin viel Erfolg.

OB Uli BurchardtDie Stadt Konstanz beteiligt sich seit Gründungdes Hospizvereins mit einem Zuschuss an derAufgabe der Begleitung schwerkranker und ster-bender Menschen und ihrer Angehörigen. DieLebensqualität in einer Stadt kann man nichtzuletzt am Umgang mit kranken und schwa-chen Mitbürgerinnen und Mitbürgern ablesen.Wir sind froh und dankbar, dass sich der enga-gierte Verein seit 20 Jahren mit Hilfe vieler eh-renamtlicher MitarbeiterInnen, Unterstützerund Fachleute an dieser wichtigen gesellschaft-lichen Aufgabe beteiligt.

Uli Stier Seit 1998 spielte FunJAZZtic beim Jazz Down-town Abend des Hospizvereins. Im Laufe derJahre entwickelte sich eine faire und konstruk-tive Zusammenarbeit, die nicht nur für den Hos-pizverein, sondern auch für uns Musiker und dievon mir angeleiteten Nachwuchsbands eineMotivation zum Musizieren waren. In dieser Zeitwuchs auch mein Interesse an der Hospizarbeit.Beim Sterben meiner alleinlebenden Nachbarinkonnte ich selbst feststellen, wie wichtig eineuneigennützige Betreuung kurz vor dem Tod inKonstanz ist.

Gerda und Rudi Held Die beeindruckenden Leistungen des HospizKonstanz sowie der beispielhafte und unermüd-liche Einsatz vieler ehrenamtlicher Helfer be-wegt uns, diese Arbeit seit Anbeginn durchunsere Mitgliedschaft im Hospizverein zu unter-stützen.

Monika NootzGeburt und Tod gehören für mich zusammen.Über den Tod wurde vor 20 Jahren in unseremKulturkreis kaum gesprochen. Daher unter-stützte ich die Arbeit des Hospizvereins von An-fang an mit meiner Mitgliedschaft. Ich finde esbeeindruckend was der Verein in diesen 20 Jah-ren geleistet hat. Vielen Dank für alles!!

Barbara AuerEigene Erfahrungen mit Verlust und Trauerhaben mir gezeigt, dass der Beistand andererMenschen in einer solchen Situation sehr hilf-reich sein kann. Als Mutter zweier Kinder weißich auch, wie wichtig es ist, Kindern beizuste-hen, wenn sie Abschiede verkraften müssen.Da ich in Konstanz geboren und aufgewachsenbin und hier immer noch Familie und Freundehabe, freue ich mich, den hiesigen Hospizvereindurch eine Schirmherrschaft für die Kinder- undJugendhospizarbeit unterstützen zu können.

Dank vieler Bücherspenden und unseres fleißi-gen Flohmarkt-Teams kommt jedes Jahr ein er-staunlicher Betrag zu Gunsten des Hospiz-vereins zusammen.

In den letzten Jahren haben wir immermal wieder kleinere Vermächtnissebekommen, für die wir sehr dankbarsind. Um die Hospizarbeit vor Ortauch langfristig zu sichern, haben wir2008 die Konstanzer Hospiz Stiftunggegründet. So kommen die Kapitaler-träge aus größeren Vermächtnissenund /oder Zustiftungen der lokalenHospizarbeit auf Dauer zu Gute.

Ohne die unzähligen Menschen, dieuns ideell begleiten und finanziellunterstützen, wäre unsere Arbeit nichtdenkbar. Wir könnten sie vor allemnicht kostenfrei für die Betroffenenanbieten.

Die Arten und Möglichkeiten derUnterstützung sind dabei genausovielfältig wie alles andere in derHospizarbeit auch:

o knapp 700 Mitglieder sind ein festerGrundstein des Hospizvereins Kon-stanz

o über ein Dutzend Förderer unter-stützen die Hospizarbeit regelmäßigmit 500 € im Jahr

o viele kleine und große private Spen-den finden jedes Jahr den Weg zuuns

o die Stadt Konstanz und der Land-kreis beteiligen sich an der regiona-len Hospizarbeit

o Bücher werden gespendeto einige Menschen hinterlassen Ver-

mächtnisse zugunsten der lokalenHospizarbeit

o Künstler treten umsonst aufo Firmeninhaber beteiligen sich als

Sponsoren o Service Clubs und andere Einrich-

tungen organisieren tolle BenefizAktionen

und vieles mehr...

Die Wenigen, die hier zu Wort kom-men, stehen stellvertretend für all dievielen Menschen, die unsere Arbeitauf ähnliche Weise unterstützen. Für alle und alles sind wir unglaublichdankbar!

Unterstützen ...Darum!

Page 22: 20 Jahre Hospizverein Konstanz · Schließe die Augen und sieh nicht nach. Die Freunde finden ihren Weg. Die Kinder auch. Der Boden ist geschrubbt, die Fenster funkeln in der Sonne,

43NACHWORTE42 NACHWORTE

Wenn Sie an die Gründungs-zeit denken, was waren IhreVorstellungen?

Ich hatte das Gefühl, dass man sterbendenMenschen besser helfen musste. Das emawar tabu. Man konnte in gesunden Zeitennicht gut darüber reden und in krankenZeiten noch viel weniger. Als Hausarzt kamich o in die Situation, dass mich die Ange-hörigen riefen, wenn es mit einem Patientenzu Ende ging. Sie baten darum, man mögeihn oder sie doch ins Krankenhaus schickenzum Sterben. Jeder wusste, dass dieserMensch bald sterben würde, aber alle habenes verdrängt. Die Menschen taten mir leid,ich wollte etwas an ihrer Situation verbes-sern und suchte Menschen, die ähnlichdachten. Ich hatte ein Modell aus Englandim Kopf. Dort war ein Freund von mir ge-storben, der außer von seinem Hausarztauch von Leuten aus einem Hospiz betreutwurde. Ich bin dorthin gefahren und habezum ersten Mal ein Hospiz, ein speziellesKrankenhaus für Sterbende, kennen ge-lernt. So etwas schwebte mir auch für Kon-stanz vor.

Haben sich Ihre Vorstellungenverändert?

Natürlich! Zum Beispiel, dass ein stationä-res Hospiz zwar schön wäre, aber es wäreeben auch wieder eine Art Krankenhaus.Die meisten Menschen möchten am Endeihres Lebens aber zu Hause bleiben, wennes irgendwie geht. Dazu braucht es vieler-lei Unterstützung. Man muss Menschenfinden, die ähnlich wie Angehörige bei derBetreuung von Sterbenden helfen. Manmuss ein Netzwerk schaffen zwischen denverschiedenen Diensten, die bei der Hilfemitmachen können. Man muss das allesorganisieren. Ich hatte keine Vorstellungdavon, wie viele Menschen und wie vieleunterschiedliche Begabungen und Fähig-keiten zusammenarbeiten müssen, damitso etwas ambulant funktioniert. Man mussdaneben in allen Institutionen, Kranken-häusern, Pflegeheimen, sozialen Dienstenusw. um Aufmerksamkeit für die Bedürf-nisse von Sterbenden und ihren Angehöri-gen werben.Inzwischen hat sich viel verbessert.

………………………………..

Was hat Sie am meistenüberrascht?

Dass alles so geklappt hat! Dass so vieleMenschen bereit waren, ihre Freizeit undihre besonderen Fähigkeiten für eine ge-meinsame Idee einzusetzen. Und zwarüber Jahre. Sich für sterbende Menscheneinzusetzen, ist ja auf den ersten Blickkeine sehr verlockende Idee. Aber ich warüberrascht, wie viele Menschen eigene Er-fahrungen mit dem Sterben lieber Men-schen gemacht hatten und daher dasGefühl hatten, dass diese Arbeit wertvollist. Dass man auch etwas zurückbekommt,was nicht Geld ist, sondern ein ganz ande-rer Wert. Und wie viele Menschen in dieser Stadt be-reit sind, große und kleine Beträge zu spen-den, ohne dass ihr Name erwähnt werdensoll.

Was haben Sie in dieser Zeitgelernt?

Dass vieles möglich ist, wenn man die rich-tigen Menschen findet, die einem helfen.

Dass Teams sehr stark sein können. Dassman Kritik braucht, um besser zu werden.Dass man Geduld und Zuversicht braucht,um auf den richtigen Zeitpunkt warten zukönnen. Dass Benefizaktionen gut geplantsein müssen. Dass die Organisation geradeim ehrenamtlichen Bereich enorm wichtigist.

Und ich habe einen Tanz gelernt! Bei somanchen Gruppen-Sitzungen, die einenmeditativen Ausklang haben, wurde zumSchluss „Die Ulme“ getanzt. Man fasst sichan den Händen und geht langsam im Kreis.Man darf nicht lachen und nicht stolperndabei.

Worauf sind Sie am meistenstolz?

Dass der Verein jetzt so dasteht, wie er ist:Stabil und gut funktionsfähig mit sehr gutenLeuten an allen wichtigen Stellen, die ihreTätigkeit seit Jahren konstant und zuverläs-sig ausüben. Dass er im Bewusstsein derKonstanzer Bevölkerung fest verankert istund ein hohes Ansehen hat. Und dass ervon vielen Schultern getragen wird. So hat-ten wir uns das von Anfang an erträumt,und das ist gelungen.

……………………………………

Was wünschen Sie dem Vereinfür die Zukunft?

Viel Glück – so wie bisher. Viele gute Leute,die für ihn arbeiten im hauptberuflichenund im ehrenamtlichen Bereich. Guten Te-amgeist in der Führung und hohes Ansehennach außen. Und vor allem viel Erfolg beider Arbeit am Krankenbett und in den Fa-milien der Kranken, damit die wesentlichenWünsche der Sterbenden erfüllt werden: Ichwill keine Schmerzen haben, ich will nichtallein sein und ich will in behüteter Umge-bung sein am Ende des Lebens.

Dr. Heinrich Everkeschon lange vor der Vereinsgründungaktiv, von 1993 bis 2010 1.Vorsitzenderdes Hospizvereins, heute Ehrenvorsit-zender

Auszug aus einem Interview mit Dr. Heinrich EverkeNachwort(e)Neben allem, was sich im Außen zeigt, hat sich natürlich auch imInneren des Hospizvereins in den beiden vergangenen Dekadenviel bewegt und weiterentwickelt :

So sind einige Kinder und ungezählte Enkelkinder unserer ehren-amtlichen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen auf die Welt gekom-men, andere sind groß und erwachsen geworden.Es gab auch viele Abschiede aus dem Hospizverein, manchmal auf-grund eines Umzuges oder einer neuen Stelle, manchmal aus Al-ters- oder anderen Gründen und auch Todesfälle waren leiderschon dabei.So einige Rollenwechsel sind vollzogen worden und wir sind stolz,dass uns die Gründer des Hospizvereins auch heute alle nochunterstützen und begleiten.

Von diesem ganzen „Älter Werden“ bleiben natürlich auch diehauptberuflichen Mitarbeiterinnen nicht verschont und so ist esnicht verwunderlich, dass nach 20 Jahren Vereinsgeschichte mit18 Jahren hauptberuflichen Stellen die erste Mitarbeiterin berentetwird. Nach über zwölf Jahren kontinuierlicher und engagierter Arbeitim Hospizverein Konstanz geht Ursula Semle Ende des Jahres inden wohlverdienten Ruhestand. Sie war der ruhende Pol in unse-rem Team und wir werden ihre warme und herzliche Art vermis-sen. Aber wir freuen uns auch, dass eine geschätzte Kollegingesund in die Rente gehen darf – aus hospizlicher Sicht keineSelbstverständlichkeit. Wir bedanken uns herzlich für Ursel Semlesgute Arbeit und ihre Geduld. Es gab zwischendurch wirklichschwierige Zeiten. Wir haben sie gemeinsam bewältigt. Vor allem

wünschen wir ihr, dass sie noch sehr viele gesunde und erfüllteJahre genießen kann. Wir bleiben sicher in Kontakt.

Bei allen Abschieden und Geburtsvorgängen, nach Veränderungenund Entwicklungen, trotz Wachstum und durch einige Krisen hin-durch, ist in den 20 Jahren eines gleich geblieben: der „Geist“ imHospizverein Konstanz. Er ist geprägt von dem Bewusstsein, dassjeder irgendwann jemanden braucht, von einem offenen, vertrau-ensvollen Miteinander, von einem ständigen Bemühen um Wert-schätzung, Authentizität und Transparenz, von Lebensfreude undDankbarkeit und durch ein gemeinsames Tun:

wir setzen uns mit sterben, tod und trauer auseinander, wir regen diese Auseinandersetzung in der Öffentlichkeit anund wir bieten beratung und hilfe bei der bewältigung diesergrenzsituationen.

So machen wir auch die nächsten 20 Jahre weiter!Allen, die mit uns gegangen sind und weiter mit uns gehen werden,danken wir von ganzem Herzen.

Petra Hinderer, Geschäfstführerinseit 1995 im Hospizverein angestellt

Page 23: 20 Jahre Hospizverein Konstanz · Schließe die Augen und sieh nicht nach. Die Freunde finden ihren Weg. Die Kinder auch. Der Boden ist geschrubbt, die Fenster funkeln in der Sonne,

44 NACHWORTE 45NACHWORTE

Da ich die erste von den Hauptberuflichen bin, die in Kürze dieRente erreicht, möchte ich ein wenig auf meine Zeit im Hospiz-verein Konstanz zurückblicken.

Im Januar 2002 war mein erster Arbeitstag. Schon an diesemTag stürmten zahlreiche Informationen auf mich ein und mirwurde klar, dass einiges Neues auf mich zukommen würde.

Es galt, neue PC-Programme, unzählige Namen, viele neue Ge-sichter und die verschiedenen Gruppen im Hospizverein Kon-stanz kennen zu lernen. Außerdem wurde ich mit vielenMenschen und ihren unterschiedlichen Lebenswegen kon-frontiert, von denen einige harte Schicksalsschläge zu verar-beiten hatten.

Die erste Zeit war mein Hauptthema das Sterben, das michsehr beschäftigte. Früher hatte ich es oft beiseite geschoben,aber jetzt war es jeden Tag präsent.

Da der Konstanzer Hospizverein ständig wuchs und seine An-gebotspalette erweiterte, kamen auch auf mich immer mehrAufgaben zu. Als nach und nach neue Kolleginnen dazukamen, teilten wir die Aufgaben spezifischer unter uns auf.Aber es gibt bis heute immer viel zu tun und darüber bin ichfroh.

Rund um die vielen Vorträge, Seminare und Veranstaltungengab es viel vorzubereiten. Ich habe in meiner Hospizzeit sehrviele Vorträge und Veranstaltungen besucht, bei denen ichmich mit vielfältigen Themen auseinandergesetzt und einigesgelernt habe.

Sehr bewegend waren für mich die Zeiten, wenn unsere Hos-pizwohnung belegt war. Wenn ich die Patienten gelegentlichbesucht und mit ihnen ein paar Worte gewechselt habe, fiel esmir sehr schwer, ihr Sterben so hautnah mitzuerleben. Undwenn sie dann gestorben waren, musste ich diesen Verlustjedes Mal erst verarbeiten, aber das „Tagesgeschäft“ ging jaweiter wie gewohnt.

Eines Morgens kam ein älterer Herr zu mir und wollte eineAuskunft. Er sprach ganz leise, damit es kein anderer hörenkonnte, und fragte mich, ob Sterben schlimm sei oderschmerzhaft wäre, er hätte wahnsinnige Angst davor. Ichschluckte und antwortete ihm, dass ich viele Menschen, diebei uns gestorben seien, nach ihrem Tod gesehen hätte unddass sie sehr friedvoll aussahen und dass er keine Angst habenmüsse. Er sah mich an, hielt ganz lange meine Hand und sagte:"Jetzt geht es mir besser, das hat mir sehr geholfen."

Unser jährliches Highlight war für mich immer Jazz DowntownKonstanz. Es steckt sehr viel Arbeit dahinter, aber es war immerwieder ein wunderbares Gefühl, wenn alles gut über dieBühne gegangen war.

Auch unsere Ausflüge zu unterschiedlichen Anlässen und anganz verschiedene Orte und unsere Vereinsfeste werden mir inguter Erinnerung bleiben.

Das war ein kleiner Ausschnitt aus meiner zwölährigen Tätig-keit im Konstanzer Hospizverein. Wenn ich jetzt an meineRente denke, schwanken meine Gefühle: Auf der einen Seitefreue ich mich darauf, einen neuen Lebensabschnitt zu begin-nen und mehr Zeit für Dinge zu haben, die mir wichtig sind.Auf der anderen Seite fällt es mir schwer, meinen gewohntenArbeitsbereich zu verlassen und mich von lieb gewonnenenKolleginnen zu verabschieden.

Ich wünsche meinen Kolleginnen, allen Ehrenamtlichen unddem Konstanzer Hospizverein weiterhin eine gute Zeit undviele neue Ideen, damit die Hospizarbeit lebendig bleibt.

Ursula Semleseit 2002 und noch bis Dezember 2013 erste Anlaufstelle amTelefon, per Post und im Büro.

ABSCHIED

Trauma?An was denken eigentlich SIE, wenn Sie Kopfschmerzen haben?Also – ich persönlich denke an meinen wachsenden Hirn-Tumor.Und bei Nasenbluten?Na, an Leukämie natürlich.

Und wenn es mal in der Herzgegend kribbelt,bereite ich mich schon mal auf den nahenden Herzstillstand vor.

NeinIch bin kein Hypochonder.Ich bin Hospiz-Tochter!

Sie wundern sich jetzt sicher, wieso ich so normal scheine.Ich mich ehrlich gesagt auch.

Wie kann man denn normal werden, wenn die Mutter ihr Leben mit dem Tod ver-dient?

Glauben Sie mir - kann man nicht!

Als ich zehn Jahre alt war und der Vater einer Freundin starb, fand meine Mutter,es wäre doch nun wirklich an der Zeit, dass ich eine Leiche sehe.Ich persönlich hatte dazu gar kein großes Bedürfnis.Und auch als meine Mutter mich „beruhigte“, ich dürfte ihn auch mal anfassen,war ich noch nicht so überzeugt!

Mamas „Job“ brachte mir allerdings einige Referate im Fach Ethik ein.In der 5. zum Beispiel hielt ich ein Referat über Folter,weil wir in den Sommerferien in der Toskana in einem Folter-Museum waren.Ja – so was machen WIR im Urlaub.Von wegen Strandbar – Friedhof ist angesagt!

Ich weiß selbstverständlich auch schon, wie ich meine Eltern beerdigen will.Die Asche meiner Mutter wird in einem Tattoo auf meinem Handgelenk ver-ewigt. Klingt jetzt vielleicht ein bisschen makaber, aber keine Sorge – sie ist damit ein-

verstanden – haben wir neulich beimFrühstück besprochen.

Dabei waren es ja nicht nur aktiveTraumatisierungen!Werfen Sie mal ein Blick in unser Film-regal: • Wer früher stirbt ist länger tot• 7 Leben• Nokan• Das Meer in mir• Wie im Himmel• Beim Leben meiner Schwester• P.S. Ich Liebe Dich• Im Winter ein Jahr• Sterben für Anfänger

Das Nächste, was ins Auge sticht, istunsere Lieblings-Serie:„Six Feet Under“ !Eine Serie über eine Familie, die einBestattungsunternehmen führt.

Und von den Büchern will ich liebergar nicht erst anfangen!

Man sollte doch meinen, bei so einemBeruf will man in der Freizeit lieberwas anderes sehen.

Ganz schlimm wird es aber dann,wenn meine Mutter denkt ihr Brudersei tot, nur weil er nach einer FlascheWein am Vorabend mal ein bisschenlänger schläft.

Naja, ich glaube ich muss auch mal einbisschen fair sein,denn so schlimm war das alles auchwieder nicht.Und wenn man mal ehrlich ist, egal obAnwalt, Handwerker oder Bestatter, jede Familie hat doch so ein bisschenihren Knacks.

Eigentlich bin ich sogar sehr dankbar.Denn ich habe somit schon von Kin-desalter gelernt:Sterben ist ein Teil vom Leben und derTod nicht nur ein Ende!

Mara JulsethPoetry Slam, 14. Juni 2013Rahmenprogramm zu der Ausstellung“Noch mal leben vor dem Tod”

Page 24: 20 Jahre Hospizverein Konstanz · Schließe die Augen und sieh nicht nach. Die Freunde finden ihren Weg. Die Kinder auch. Der Boden ist geschrubbt, die Fenster funkeln in der Sonne,

HOSPIZ KONSTANZ e.V.Jeder braucht jemanden. Irgendwann.

47IMPRESSUM46 ERREICHBARKEIT

Impressum

redAKtion

Petra Hinderer

Patricia Hinkelbein

Autoren/innen

Gitta Boehnke

Gabriele Bösinger

Susanne Ebner

Reinhild Gamm

Petra Hinderer

Patricia Hinkelbein

Katrin Hoppe

Elke Hutzenlaub

Doris Janning

Mara Julseth

Heidrun Khamsa

John Loram

Eva Moser

Heide Pecher

Bernhild Postl

Susanne Rathfelder

Daniele Seifert

Ursula Semle

Alex Simm

Adelheid Strätz

Inge Straub

Marc Weimerskirch

Mirjam Wiehn

Gisela Wittner

Ursula Wolschendorf

erreichbArKeit

Hospiz Konstanz e.V.

Haus am Park, Talgartenstraße 4, 78462 Konstanz

Bürozeiten: Montag bis Donnerstag 10 – 12 Uhr

Tel. 07531 – 69138 0

Fax. 07531 – 69138 29

[email protected]

www.hospiz-konstanz.de

spendenKonten

hospiz Konstanz e.V.:

sparkasse bodenseeBIC: SOLADES1KNZ

Konto 63636

IBAN: DE07690500010000063636

Volksbank Konstanz – radolfzellBIC: GENODE61RAD

Konto 218400000

IBAN: DE98692910000218400000

thurgauer nationalbankBIC: KBTGCH22

Konto 1620478.159-01

IBAN: CH1800784162047815901

Kinder- und Jugendhospizarbeit im landkreis:

sparkasse bodenseeBIC: SOLADES1KNZ

Konto 24232423

IBAN: DE73690500010024232423

fotos

Lucia Cybulla

Monika Dörflinger

Fotolia

Oli Hanser

Petra Hinderer

Klaus Schielke

Inge Straub

Stefan Troitzsch

Elke Wiechmann-Kruse

grAfiK

Braun-Werbung

Bernadette Meessen

drucK

Flyer-Fabrik

Page 25: 20 Jahre Hospizverein Konstanz · Schließe die Augen und sieh nicht nach. Die Freunde finden ihren Weg. Die Kinder auch. Der Boden ist geschrubbt, die Fenster funkeln in der Sonne,
Page 26: 20 Jahre Hospizverein Konstanz · Schließe die Augen und sieh nicht nach. Die Freunde finden ihren Weg. Die Kinder auch. Der Boden ist geschrubbt, die Fenster funkeln in der Sonne,

HOSPIZ KONSTANZ e.V.Jeder braucht jemanden. Irgendwann.

2 0 Ja h r e Ho s p i z v e r e i n Ko n s t a n z


Recommended