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1989 bis 2014 Bildung und Kooperation ohne Grenzen · gemeinsamen Ruhm zehren – General József...

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1 Jahrgang 24 | Nummer 1/94 | September 2014 1989 bis 2014 Bildung und Kooperation ohne Grenzen
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Page 1: 1989 bis 2014 Bildung und Kooperation ohne Grenzen · gemeinsamen Ruhm zehren – General József Horváth, der damalige Chef der Hauptverwaltung III/III des ungari- schen Innenministeriums,

1Jahrgang 24 | Nummer 1/94 | September 2014

1989 bis 2014Bildung und Kooperation ohne Grenzen

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INHALT

Hubert Dürrstein

Editorial

György DalosDie Öffnung des Eisernen Vorhangs und ihr Hintergrund

oead.news im Gespräch mit Erhard Busek

oead.news im Gespräch mit Barbara Weitgruber und Hanspeter Huber

Michael DippelreiterHistorisch betrachtet. Der Fall des Eisernen Vorhangs und seine Auswirkungen auf den OeAD (damals ÖAD)

Lydia Skarits›Vom Pendelbus bis zum Joint Degree‹

Gottfried Wagner1989 – Der Beginn einer Geschichte

Pavel Zgaga On Higher Education Reforms in the Western Balkans

Gerhard VolzGetrenntes zusammenführen

Ursula PanuschkaKooperationen im Schulbereich

Afsaneh GächterAustria meets Iran

Éva KovácsDie Träume der Grenzwächter

Stefanie Meier›Why be mobile when sticking is more rewarding?‹

Christine Juen | Thomas ReichenbachZusammenarbeit OeAD und DAAD

Christine JuenDer OeAD als wichtiger Partner in der ACA

Lydia SteinmasslYoung Science: Neue Wege für die Zusammenarbeit von Wissenschaft und Schule

OeAD-EventsVeranstaltungskalender

OeAD-Publikation | Impressum

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Hubert Dürrstein

Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,

Am 19. August 1989 fand an der österreichisch-ungarischen Grenze nahe Sopron das sogenannte Paneuropäische Picknick statt. Diese Friedensdemonstration gilt als die erste offizielle Öffnung des Ei-sernen Vorhangs zu den Staaten Ost-, Mittel- und Südosteuropas. 25 Jahren nach diesem Ereignis begehen wir nicht nur in politischer Sicht ein Jubiläum. Der OeAD durfte bald nach der Öffnung der Grenzen eine Reihe von Kooperations- und Mobilitätsprogrammen abwickeln, die die Bundesregierung rasch und unbürokratisch ins Leben gerufen hatte. Lesen Sie dazu Beiträge unserer Mitarbeiter/-innen Lydia Skarits (Seite 14 bis 16) und Michael Dippelreiter (Seite 12, 13). Bis heute laufen bilaterale Stipendienabkommen, die soge-nannten Aktionen, die einen gegenseitigen Austausch von Studie-renden mit Ungarn und den Republiken Tschechien und Slowakei forcieren. 1994 startete das Programm ›Central European Exchange Program for University Studies‹. CEEPUS unterhält ein Kooperations- und Austauschnetz Österreichs mit den (meisten) Staaten Ost- und Südosteuropas. In den vergangenen 20 Jahren konnten über 38.000 Stipendiat/innen mit insgesamt 60.000 Stipendienmonaten geför-dert werden. Aus ursprünglich sechs Mitgliedsstaaten wurden 16. Und welchen Beitrag die europäischen Hochschulprogramme zur Integration leisteten, erfahren Sie im Beitrag von Gerhard Volz auf Seite 22.

All dies nehmen wir zum Anlass, die vorliegende Ausgabe der oead.news dem ›Fall des Eisernen Vorhangs‹ und den Entwicklungen in Wissenschaft und Bildung zu widmen. Gemeinsam blicken wir zu-rück in diese Zeit des Umbruchs und den Beginn eines Europas ohne Grenzen: Der Schriftsteller György Dalos macht sich Gedanken über die Urheberschaft dieses europäischen Befreiungsaktes. Der damals amtierende Wissenschaftsminister Erhard Busek erzählt, warum Osteuropa eine Erfolgsgeschichte war und ist (Seite 6, 7). Die für internationale Angelegenheiten zuständigen Sektionsleiter/innen Barbara Weitgruber (BMWFW) und Hanspeter Huber (BMBF) werfen auf den Seiten 8 bis 10 einen Blick zurück auf das ereignisreiche Jahr 1989 und schildern, wie wichtig gute Beziehungen in Bildung und Wissenschaft mit den Nachbarstaaten heute noch sind.

Was die Kunst dazu beigetragen hat, um die Kulturen aus Ost, Süd und West in Kontakt zu bringen, lesen Sie in Gottfried Wagners Bei-trag auf den Seiten 18 und 19. Ein Beispiel für die Sicht der Kunst auf die Grenze zwischen Ost und West ist Fred Miseks Border Poetry. In einer Fotoserie dokumentierte er ›Die Träume der Grenzwächter‹ im Wald von Kőszeg (siehe Artikel von Éva Kovác auf Seite 27). Eine Aus-wahl der Bäume mit den eingravierten Botschaften der Grenzwäch-ter finden Sie in den vorliegenden oead.news.

Dem Thema Kooperation und Mobilität 25 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs widmen wir aus gegebenem Anlass auch unsere 24. OeAD-Hochschultagung, die am 29. und 30 September 2014 an der Medizinischen Universität Wien stattfinden wird. Ich lade Sie hiermit sehr herzlich ein, unsere Gäste zu sein.

Um die Anknüpfung an die einst guten Beziehungen zum Iran ging es bei einer Delegationsreise, die der OeAD gemeinsam mit Vertreter/-innen der Hochschulen im April unternahm. Lesen Sie dazu den Bei-trag von Afsaneh Gächter (Seite 24, 25), die auch eine Studie zu den Kooperationen zwischen Österreich und Iran verfasste.

Zum Abschluss möchte ich Sie noch auf eine Publikation des Bundes-ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft aufmerk-sam machen, die den oead.news beiliegt. Mit ›Kooperationen: 25 Jahre Fall des Eisernen Vorhangs‹ ist ihr Name Programm.

Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre,

Ihr Hubert Dürrstein

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György Dalos

Die Öffnung des Eisernen Vorhangs und ihr Hintergrund

Gedanken zur Urheberschaft dieses europäischen Befreiungs- aktes, die ›Magyarenhilferstraße‹ und erste Begegnungen mit der freien Marktwirtschaft.

Die im militärischen Fachjargon als ›technisches Sperr- und Festungssystem‹ bezeichnete monströse Anlage war im Frühjahr 1949 entstanden und zog sich anfänglich mit ihrem Drahtverhau, den fünfhundert Wachttürmen und etlichen ›vorgetäuschten Bauwerken‹ entlang der westlichen und südlichen Grenze dahin. Nach der Aus-söhnung mit Titos Jugoslawien schützte man die Volks-republik Ungarn nur noch vor dem neutralen Österreich: mit einem 243 km langen Stacheldraht, der aus zwei Reihen bestand, einem 107 km langen Draht aus fünf Reihen und nicht zuletzt mit drei Mio. Tretminen. Dieses System war in den achtziger Jahren technisch veraltet, löste jährlich 1.500 bis 4.000 Fehlalarme aus und forder-te bei der Entminung auch Todesopfer. Der Beschluss des Politbüros der USAP (Ungarische Sozialistische Arbeiter-partei) vom Februar 1989 über den Abbau der Anlage war, unabhängig von den Beweggründen, ein richtiger Schritt. Kurz nach seiner Ernennung zum Außenminister zerschnitt Gyula Horn am 27. Juni gemeinsam mit sei-nem Wiener Kollegen Alois Mock Stücke des verrosteten Drahtverhaus. Angesichts des Zeitpunkts dieser freudi-gen Zeremonie zu Beginn der Sommersaison konnte man damit rechnen, dass die über die ›Tagesschau‹ aus-gestrahlten Bilder ihre Wirkung auf die nach Ungarn rei-senden DDR-Bürger/innen kaum verfehlen würden.

Der Eiserne Vorhang markierte keine ausschließlich un-garisch-österreichische Grenze, sondern galt als Demar-kationslinie zwischen den beiden Welten. Versuchte eine Bürgerin oder ein Bürger aus einem beliebigen Mitglieds-staat des Warschauer Vertrags die Volksrepublik Ungarn illegal zu verlassen, so beging sie damit eine Grenzverlet-zung auch gegenüber dem eigenen Land. Dementspre-chend wurden aufgrund eines Abkommens von 1969 DDR-Flüchtlinge, die von den ungarischen Behörden festgenommen worden waren, den dortigen Organen ausgeliefert. Allein im Jahre 1988 gab es 1.088 solcher Pechvögel.

In den Tagen nach der erfolgreichen Massenflucht im Sommer 1989 entfaltete sich unter den Beteilig-ten ein Wettbewerb um die Frage, wer von ihnen den

Flüchtlingen aus dem Bruderland besser und schneller geholfen habe. Zweifellos hatten Imre Pozsgay und Otto von Habsburg die Schirmherrschaft über jenes Paneuropa-Picknick an der Grenze zwischen Ungarn und Österreich, das den DDR-Bürger/innen Gelegenheit zum spontanen Überqueren der Grenze gab, selbst wenn sich beide Politiker aus taktischen Gründen von dem Groß-ereignis fernhielten.1 Die Aufhebung des immer noch gültigen Schießbefehls sowie eine Entscheidung zur Legalisierung der Ausreise konnten nur von der Regie-rung ausgehen, und diese stand theoretisch noch unter der Führung der formal herrschenden Partei. So war es kein Wunder, dass sich Károly Grósz, Gyula Horn, Miklós Németh und Imre Pozsgay niemals über die Urheber-schaft dieses europäischen Befreiungsaktes einigen konnten. Aber auch ein weiterer Zeitgenosse wollte vom gemeinsamen Ruhm zehren – General József Horváth, der damalige Chef der Hauptverwaltung III/III des ungari-schen Innenministeriums, also der Staatssicherheit. Erich Mielkes Budapester Pendant, einer der großen Wende-hälse des Jahres 1989, formulierte seine angeblichen Verdienste wie folgt: ›Ich wies den Kommandeur des Grenzschutzes an, in keinem Fall Waffen zu verwenden. Wenn die Deutschen von dem Durchbruch der Grenze nicht abzubringen sind, dann sollen sie gehen! (…) Lieber Gott! Was wäre, wenn ich mich für den Feuerbefehl ent-scheide?!‹

Eine Frage, die in Bezug auf die Grenzöffnung oft ge-stellt wird, ist die, ob Ungarn auf eigene Faust oder mit Moskaus Genehmigung gehandelt hatte. Bei dem Ge-heimtreffen vom 25. August 1989 auf Schloss Gymnich zwischen Bundeskanzler Helmut Kohl und Bundes- außenminister Hans-Dietrich Genscher einerseits, Ministerpräsident Németh und Außenminister Horn andererseits äußerte sich der ungarische Regierungschef mit dem Pathos des zu allem Bereiten: ›Eine Abschiebung der Flüchtlinge zurück in die DDR kommt nicht in Frage.

1 Árpád Bella war der leitende Grenzoffizier vor Ort. Da er keine eindeutiger Anweisungen hatte, wies er seine Grenzbeamten an, die vor ihren Augen passierenden illegalen Grenzgänger einfach zu ignorieren. Damit verhinderte er eine fast zwangsläufige Eskalation.

Wir öffnen die Grenze. Wenn uns keine militärische oder politische Kraft von au-ßen zu einem anderen Verhalten zwingt, werden wir die Grenze für DDR-Bürger geöffnet halten.‹ Kohl sei daraufhin in Tränen ausgebrochen und habe wörtlich gesagt: ›Das wird Ihnen das deutsche Volk niemals vergessen.‹ Dennoch rief der Bundeskanzler umgehend bei Michail Gorbatschow an, um sich des Kreml-Segens zu vergewissern. Der sowjetische Parteichef antwortete ausweichend: ›Wengry – choroschije ljudi, die Ungarn sind gute Leute.‹ Károly Grósz hingegen behauptete, er habe den Kremlchef post festum telefonisch informiert und von diesem die knappe Antwort erhalten: ›Eto wasche djelo – das ist Eure Sache‹, die For-mel, mit der die Sowjets gewöhnlich ihr Einverständnis signalisierten.

Relativ wenig wird über die Rolle Öster-reichs an diesem historischen Ereignis ge-sprochen. Es war allen klar, dass die einzige zu einer leichten Öffnung geeignete Ost-West-Grenze zwischen Ungarn und Öster-reich lag. Neben der geografischen Nähe trugen auch die kulturellen Gemeinsam-keiten und diplomatische Raffinesse der beiden Staaten dazu bei. Selbst zu Zeiten wachsender Spannungen zwischen den Militärblöcken am Anfang der achtziger Jahre hielten Wien und Budapest an ihren ›normalen‹ Beziehungen fest – der Volks-mund sprach sogar von einer Konstellati-on à la ›k. u. k‹, und meinte ›Kreisky und Kádár2‹. Ab dem 1. Januar 1988 gewährte die ungarische Regierung ihren Bürger/-

2 János Kádár war bis 1988 Generalsekretär der Ungarischen Sozialistischen Arbeiter-partei.

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Diese Reisefreiheit blieb zunächst unper-fekt, und zwar aus dem Grunde, dass die Einreise in westliche Staaten nach wie vor an ein Visum gebunden war. So bildeten sich 1989 und 1990 angesichts der ex-plosiven Steigerung der Reisewünsche enorme Menschenschlangen vor den Konsulaten der Zielländer, wobei die Bear-beitung der Anträge manchmal mehrere Wochen in Anspruch nahm. Ungeplant, spontan und mit beliebiger Häufigkeit konnte man nur nach Wien fahren, was in den Augen der ungarischen Öffentlichkeit Österreich zu unserem ersten normalen europäischen Nachbar werden ließ.

Die an freie Bewegung erstaunlich schnell gewöhnten Ungar/innen konfrontierten sich sehr bald mit der restriktiven Reise-praxis derjenigen ›Bruderländer‹, die sich noch im Vorwendestadium befanden. Zu-erst handelte es sich um Vertreter/innen der ungarischen Minderheit in Ceauses-cus Rumänien, die aufgrund der dortigen düsteren Verhältnisse nach ihrer Touris-tenfahrt nicht mehr heimkehren wollten. Ungefähr 30.000 eingereiste Personen machten die Volksrepublik Ungarn zu ei-nem Einwanderungsland und man war mit diesem bisher unbekannten Problem auf internationale Hilfe angewiesen. Des-halb schloss sich Ungarn ab 1. Januar 1989 der Genfer Flüchtlingskonvention an, die wiederum eine Abschiebung von Asyl-suchenden aus der DDR per definitionem unmöglich machte. Abgesehen von die-sen Verpflichtungen reagierte aber auch die Öffentlichkeit, nicht zuletzt unter dem Einfluss der Oppositionsgruppen, ziem-lich reif auf die Ausreisewünsche der DDR-Bürger/innen. Man sah nicht ein, dass eine Hürde, die sie selber ungehindert passie-

ren konnten, für andere nach wie vor da sein sollte.

Die Öffnung der Grenze bei Hegyeshalom am 11. Sep-tember 1989 war eine gemeinsame ungarisch-österrei-chische Aktion – Sonderzüge und Busse warteten auf der westlichen Seite auf die Ausreisewilligen. Die Stimmung kann an den damals übermittelten Bildern abgelesen werden. In Passau angekommen, beugten sich die nun-mehr Ausgereisten aus dem Zugfenster mit der Bier- flasche in der Hand, zeigten ein zuversichtliches V-Zei-chen, und beantworteten die Frage der Reporter/innen, wie es ihnen gehe, volltönend mit: ›Alles okay‹.

Allerdings war (und ist) noch nicht alles okay. Im Sep-tember 1990 reiste ich im Auftrag des Deutschlandfunks nach Sopron, um über die Jubiläumsfeier der Grenzöff-nung zu berichten. Das erste, was ich am Bahnhof erblick-te, war, dass sich ungarische Polizisten anschickten, aus dem in Richtung Österreich fahrenden Zug rumänische Staatsbürger/innen, mehrheitlich Roma, zu entfernen. Diese unrühmliche Szene geistert immer wieder in mei-nem Kopf. Sie erinnert daran, dass in jenem Spätsommer und in jenem wundervollen Jahr 1989 viele nach Europa aufgebrochen, aber noch längst nicht alle angekommen sind.

György Dalos, geboren 1943 in Budapest, studierte von 1962 bis 1967 an der Moskauer Universität und war Mitglied der ungarischen KP bis 1968, als er wegen ›staats-feindlicher Aktivitäten‹ Berufs- und Publikationsverbot erhielt. 1984 erhielt er ein Stipendium des Berliner DAAD und arbeitete an der Forschungsstelle Osteuropa der Universität Bremen. Von 1987 bis 1995 lebte er abwechselnd in Wien und Budapest und arbeitete u. a. für deutsche Rundfunk-anstalten und Zeitungen. Von 1992 bis 1997 war Dalos Mitglied des Vorstands der Heinrich-Böll-Stiftung in Köln, 1995 erhielt er den Adalbert-von-Chamisso-Preis. Von 1995 bis 1999 leitete er das Ungarische Kulturinstitut in Berlin. Dalos hat zahlreiche Preise erhalten. Er lebt als freier Schriftsteller in Berlin.

György Dalos: ›Viele sind in diesem wunder-vollen Jahr 1989 nach Europa aufgebrochen,

aber noch längst sind nicht alle angekommen.‹

innen den visumfreien Verkehr. Von diesem Tag an hat-te jede ungarische Staatsbürgerin und jeder ungarische Staatsbürger auf den sogenannten Weltpass Anspruch, mit dem man das Land jederzeit – ohne die bereits er-wähnten Einschränkungen – verlassen und auch dort-hin zurückkehren durfte. Obwohl die Sicherheitsorgane eine Zeit lang noch versuchten, manche Reisewünsche zu vereiteln, überschritten in diesem Jahr Millionen von Ungar/innen die Grenze zu Österreich und lösten einen Boom des Einkaufstourismus in dem drei Autostun-den von Budapest entfernten Wien aus. Auf der Ma-riahilfer Straße (von den spöttelnden Wiener/innen Magyarenhilfer Straße genannt) kauften sie von ihrem ersparten Geld, mit häufig jahrzehntelang gehüteten Devisenvorräten, Computer, Kleidung und Parfum ein, um diese zu Hause weiterzuverkaufen. Die Grenzbehör-den schikanierten die Reisenden nur selten und taten ihr Bestes, um sie zu neuen Reisen zu ermuntern. Selbst Pornovideos erregten keinen Anstoß, wie ein Sensati-onsinterview3 von damals zeigt: Journalist: Stimmt es, dass von nun an Pornokassetten legal über die Grenze gebracht werden können?Zollbeamter: Der Chef der Landeszollbehörde hat verordnet, dass (…) auch solche Videokassetten eingeführt werden dürfen.Journalist: Heißt dies, dass man auch Kassetten mitbringen kann, die früher aus Sittlichkeitsgründen verboten waren?Zollbeamter: Ja, natürlich, entsprechend verzollt. Eine Porno-kassette veranschlagen wir auf 3.000 bis 4.000 Forint (Anm. etwa 51 bis 61 Euro nach damaligem Umrechnungskurs)Journalist: Wie haben Sie diesen Betrag festgelegt?Zollbeamter: Nach dem Umsatzwert.Journalist: Hat die Pornokassette einen Umsatzwert? Meines Wissens kann man sie nur auf dem Schwarzmarkt kaufen.Zollbeamter: Wenn sie nur einen Schwarzmarktpreis hat, dann bestimmen wir den Zollwert eben auf dieser Grundlage.Journalist: Wenn ich jeden Tag über die Grenze gehe und zu-rück, darf ich dann jeden Tag eine Pornokassette mitnehmen?Zollbeamter: (…) Von ein und demselben Film nur eine. Aber mehrere verschiedene Filme sind akzeptabel.

3 Aus György Dalos: Lebt wohl, Genossen!: Der Untergang des sowjetischen Imperiums, C.H.Beck 2012

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oead.news: 1989 ist der sogenannte Eiserne Vorhang gefallen, die Berliner Mauer wurde abgebaut. Sie waren zu der Zeit Minister für Wissenschaft und For-schung. Welche Erinnerungen haben Sie an das Jahr 1989? Waren Sie vom Abbau der Grenze überrascht oder haben Sie ihn erwartet?Erhard Busek: Die Geschehnisse des Jahres 1989 waren für mich eine Folge- erscheinung jener Entwicklung, die schon früher bemerkbar war. Ich bin seit 1968 engagiert gewesen, Dissidenten-gruppen zu unterstützen. Das gab mir nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und dem Aufbau demokratischer Struk-turen in diesen Staaten die Möglichkeit, die neuen Verantwortungsträger zu kontaktieren und sehr gute Koopera-tionen mit Österreich aufzubauen, um die notwendige Transformation zu un-terstützen. Meine Erinnerungen sind daher nicht nur spezifisch auf das Jahr 1989 konzentriert, sondern in einem längeren Prozess zu sehen. Den Fall des Eisernen Vorhangs aber habe ich nicht erwartet. Es war klar, dass er irgend-wann einmal passiert, aber einen Ter-min kann man nicht voraussagen. Ich bewundere all jene, die heute Bücher darüber schreiben, dass sie es damals schon gewusst haben. Gesagt hat es uns niemand.

oead.news: Es ist allgemein bekannt, dass Sie auch lange vor 1989 zahlrei-che Kontakte zu Künstler/innen und

Wissenschaftler/-innen in Ostereuropa hatten, Sie haben gerade erwähnt, dass sie Dissidenten auch persönlich unterstützt haben. Was war ausschlaggebend für dieses besondere Engagement für Mittel- und Osteuropa?Aufgrund einer persönlichen Situation (das Ausschei-den aus einer Jugendorganisation), habe ich mich 1967 den Entwicklungen des Prager Frühlings zu-gewandt. Ich bin dann durch einen Zufall in den Ein-marsch der Warschauer Pakt-Truppen in Prag gekom-men und habe ab da eine moralische Verpflichtung verspürt, Gruppen zu unterstützen, die für Freiheit und Demokratie kämpften. Man darf sich diese Aktivi-täten nicht umfassend vorstellen. Sie waren vielmehr punktuell, aber von unendlicher Tapferkeit getragen. Ein Grund mehr, ihnen auch zu helfen. Außerdem war ich überzeugt, dass dieser – mein Kontinent Europa – nicht ohne die andere Hälfte existieren kann. Diese Möglichkeit ist uns seit 1989 gegeben.

oead.news: 1989 und in den Jahren danach wurden auf-grund Ihrer Initiative zahlreiche Bildungsprogramme mit den Staaten Mittel- und Osteuropas etabliert, beim OeAD, damals noch ÖAD wurde ein eigenes Büro für Austausch-programme mit Mittel- und Osteuropa (BAMO) einge-richtet und einige dieser Programme wie CEEPUS oder die Aktionsprogramme mit Ungarn, der Slowakei oder Tsche-chien funktionieren bis heute. Welche Bedeutung hat Ihrer Meinung nach Bildung oder die Bildungszusammenarbeit in Transformations- bzw. Demokratisierungsprozessen?Bildung und Bildungszusammenarbeit haben im Transformations- und Demokratisierungsprozess eine herausragende Bedeutung. Meines Erachtens haben die westlichen Länder, insbesondere auch die Europäische Union, auf diese Frage zu wenig Augen-merk gelegt. Es hätten mehr Mittel investiert werden müssen, wobei ich nicht nur Geld meine, sondern auch persönliches Engagement. Für die betroffenen Perso-

nen waren unsere Aktivitäten von großer Bedeutung, weil sie neben einer praktischen Hilfe auch ein Signal bedeutet haben.

oead.news: Österreich galt damals als Drehscheibe zwi-schen Ost und West. Welche Rolle hat Österreich heute, um zum europäischen Integrationsprozess beizutragen? Und welche Bedeutung haben Kooperationen in Bildung und Forschung oder anders gefragt, worin besteht die Auf-gabe des OeAD für diese Region heute?Die Begriffe Drehscheibe zwischen Ost und West und Brücke sind völlig überholt. Wir haben die Aufgabe, mit unseren Nachbarn im weitesten Sinn ein enges Verhältnis herzustellen, sie vor allem zu verstehen und sie anderen gegenüber auch zu vertreten. Das ge-schieht viel zu wenig. Die neu entstehenden Nationa-lismen sind ein Zeichen dafür, dass auch wir hier ver-sagt haben. Österreich wäre zu empfehlen, auch eine

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oead.news im Gespräch mit

Erhard BusekFür Erhard Busek war und ist Osteuropa eine Erfolgs- geschichte. Es gab aus seiner Sicht aber auch Versäumnisse. Der damalige Wissenschaftsminister zieht kritische Bilanz.

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Gruppe in der Mitte Europas zu bilden, die eine Artikulation dieser kleineren und mittleren Staaten bedeutet.

oead.news: Seit dem Umbruch hat Mit-tel- und Osteuropa eine sehr positive wirtschaftliche wie politische Entwicklung durchlaufen. Dennoch dürfen Probleme wie zunehmender Antisemitismus, der Umgang mit der Bevölkerungsgruppe der Roma oder die aktuelle Situation in der Ukraine nicht übersehen werden. Gab es hier Versäumnisse seitens Österreichs oder der EU?Selbstverständlich sind diese Dinge Versäumnisse Österreichs und auch der Tatsache, dass wir innerhalb der EU zu wenig aufmerksam gemacht haben und selbst mit gutem Beispiel vorange-gangen sind. Die volatilen wirtschaft-lichen Verhältnisse führen dazu, dass der Egoismus im Steigen begriffen ist.

Solidarität ist offensichtlich eine abneh-mende Kategorie. Davon sind zunächst einmal Randgruppen betroffen, aber auch die Unfähigkeit, Situationen wie in der Ukraine zu bewältigen.

oead.news: Ihre Prognose für Europa für die nächsten 25 Jahre.Europa kann einen wesentlichen Bei-trag in den nächsten 25 Jahren leisten, wenn es seine Rolle definiert. Wir brau-chen dringend unter den Europäer/- innen, aber auch in Österreich selbst, eine Diskussion über die Bedeutung Europas. Die gegenwärtigen Fragen, die hier eine Rolle spielen, haben eine lächerlich geringe Bedeutung im Ver-gleich zur großen Herausforderung, was die Identität Europas ist, welche Beiträge hier zu liefern sind und wie das Engagement auch für die kommende junge Generation aussieht.

Erhard Busek wurde am 25. März 1941 in Wien geboren. Er absolvierte ein Studium der Rechtswissenschaft in Wien (Dr. iur.) und erhielt zahlreiche Ehrendoktorate. Seine berufliche und politische Karriere startete er 1964 im ÖVP-Klub , 1972 wurde er Generalsekretär des Österreichi-schen Wirtschaftsbunds. 1975 bis 1976 war er ÖVP-Generalsekretär, 1978 bis 1987 Vizebürgermeister in Wien, 1991 bis 1995 Bundesparteiobmann der ÖVP. 1989 wurde Busek Wissenschaftsmi-nister, 1994 bis 1995 wechselte er ins Unterrichtsministerium, 1989 bis 1995 war er ÖVP-Vizekanzler.Seit 1996 ist Busek Chef der Südost-europa-Initiative (SECI), 2002 bis 2008 Koordinator des Stabilitätspakts für Südosteuropa, 2000 bis 2012 Präsident des Europäischen Forum Alpbach, bis dato Vorstand des Instituts für den Donau-raum und Mitteleuropa (IDM).

›Bildung und Bildungszusammenarbeit haben im Transformations- und Demokratisierungs-prozess eine herausragende Bedeutung.‹

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Fotos aus der Serie ›Die Träume der Grenzwächter‹ von Fred Misik

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oead.news: 1989 ist der sogenannte Eiserne Vorhang gefallen, die Berliner Mauer wurde abgebaut. Wo waren Sie 1989, wie haben Sie den Fall des Eisernen Vorhanges erlebt?Barbara Weitgruber: Ich habe den Fall des Eisernen Vorhangs und den damit einhergehenden Aufbruch in Mittel- und Osteuropa als erste Mitarbeiterin bzw. als Leiterin des Büros für Auslandsbeziehungen an der Universität Graz sehr intensiv miterlebt. Diese stand schon lange vor der Öffnung der Grenzen in sehr engem wissenschaftlichen Kontakt mit vielen Partnereinrichtungen in Mittel-, Ost und Südost-europa und war daher für viele Universitäten und Forschungsinstitute nach dem Fall des Eisernen Vor-hangs ein besonders beliebter Kooperationspartner.Huber: Ich konnte in dieser Zeit während meines Politikwissenschaftsstudiums zahlreiche Auslands-aufenthalte in den osteuropäischen Nachbarstaaten nutzen, um mir selbst ein unmittelbares Bild der Er-eignisse vor Ort zu machen. Sehr stark in Erinnerung sind mir die Eindrücke, die ich im Dezember 1989 di-rekt an der Berliner Mauer erleben durfte.

oead.news: Sie leiten die jeweiligen Sektionen, die mit Bildung und Internationalem im Bildungs- und Wissen-schaftsministeirum zu tun haben. Welche Rolle spielten die beiden Ministerien bei der Initiierung der ersten Ko-operationsprogramme mit den Staaten Mittel- und Ost-europas?

oead.news im Gespräch mit

Barbara Weitgruber und Hanspeter Huber

Weitgruber: Der damalige Bundesmi-nister für Wissenschaft und Forschung, Erhard Busek, hat ein umfangreiches Paket an Unterstützungs- und Hilfs-maßnahmen ins Leben gerufen, mit dem Aktivitäten einzelner Universi-täten und Forschungseinrichtungen, aber auch Programme zur Unterstüt-zung bilateraler und regionaler Koope-ration in Lehre, Forschung und Mobili-tät finanziert wurden.Huber: Eine wichtige Entscheidung fiel bereits 1989 unter der damali-gen Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Sport, Hilde Hawlicek, mit der Gründung des Vereins Kultur Kontakt Austria, in dem beginnend mit Kunst- und Kulturkooperationen ab 1994 auch die operativen Bildungs-kooperationsprojekte mit Zentral-, Ost- und Südosteuropa gebündelt wurden. So waren wir einer der ersten Akteure in der zentraleuropäischen Landschaft, die vor Ort mit konkre-ten Projekten präsent waren: Durch gezielte Entsendungen von Lehrer/-innen an bilinguale Schulen, durch die Gründung österreichischer Schulen, durch die Entsendung von Bildungs-

beauftragten zur Unterstützung der Reformprozesse, durch Investitionen in das österreichische Deutsch. In die-sen Zeitraum fällt auch die Gründung des Europäischen Fremdsprachenzen-trums in Graz gemeinsam mit dem Europarat und vielen nationalen und internationalen Partnern.

oead.news: In der Retrospektive betrach-tet – was war gut, was würden Sie heute anders machen?Weitgruber: Das Maßnahmenpa-ket wurde rasch und unbürokratisch umgesetzt – ich erinnere mich noch gut daran, dass wir an der Universität Graz sofort Mittel für den Versand um-fangreicher Hilfslieferungen und eine große Zahl von Kooperationstreffen, Studien-, Lehr- und Forschungsauf-enthalten und konkrete Projekte er-halten haben. Das größte Problem be-stand sicher darin, dass die Kapazität an den österreichischen Universitäten und Forschungseinrichtungen nicht ausreichte, um der hohen Erwartungs-haltung in allen mittel-, ost- und süd-osteuropäischen Ländern adäquat zu begegnen.

Die österreichische Bildungspolitik reagierte 1989 und in den Jahren danach rasch und aufgeschlossen auf die Reformbestrebungen in den mittel- und osteuropäischen Staaten. Ein umfangreiches Maß-nahmenpaket wurde ins Leben gerufen, zahlreiche Kooperations- programme in Bildung und Forschung wurden initiiert. Im Gespräch mit Barbara Weitgruber (BMWFW) und Hanspeter Huber (BMBF) werfen wir einen Blick zurück auf das ereignisreiche Jahr 1989.

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Huber: Tempo und Umfang der Aktivitäten sowie die finanzielle Unterstützung waren der neuen Verant-wortung in der Mitte Europas absolut angemessen, das Prinzip der Flexibilität im Organisatorischen war vorbildhaft, auch in einer Mischung aus governmen-tal, quasi governmental und autonom. Im Nachhin-ein könnte man sagen, dass die interinstitutionelle Kooperation der österreichischen Akteure noch bes-ser hätte sein können, strategisch und synergetisch. Das Thema Kompetenzen und Synergien in der Aus-landsarbeit in den (Fach-)Bereichen Kultur und Bil-dung bleibt uns erhalten, ist aber bis zu einem gewis-sen Grad dabei, sich zu europäisieren.

oead.news: In 25 Jahren hat sich viel geändert, die so-genannte EU-Osterweiterung 2004 und 2007 war zweifellos ein europäischer Erfolg. Was sind heute die Schwerpunkte Ihres Ressorts in Bezug auf Kooperationen in Bildung, Wissenschaft und Forschung? Und welche Instrumente und Strukturen im Bereich der Bildung und Forschung sollten entwickelt werden, um die Stabilität der EU zu sichern?Weitgruber: Zur Unterstützung der Internationa-lisierung der österreichischen Hochschul- und For-schungseinrichtungen und ihrer Positionierung im globalen Forschungsraum setzt das Bundesminis-terium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft zahlreiche forschungsaußenpolitische Initiativen auf bilateraler sowie auf multilateraler Ebene. Ein

wichtiger regionaler Schwerpunkt liegt nach wie vor auf den Nachbarstaaten und den Staaten in Mittel-, Ost- und Südosteuropa. Neben bilateralen Ak-tivitäten setzt das Ressort zusätzliche Impulse durch die Teilnahme an eu-ropäischen Internationalisierungsin-itiativen wie zum Beispiel European Research ERA NET- und INCO.NET-Projekten oder regionalen Dialogen. Neben dem europäischen Forschungs-raum ist die Weiterentwicklung des eu-ropäischen Hochschulraums ein zent-rales Element für Stabilität. Erasmus+ unterstützt dabei die Internationali-sierungs- und Mobilitätsstrategien der Hochschuleinrichtungen, z. B. durch die Förderung gemeinsamer Studien-programme und Mobilitätsmaßnah-men. Die internationale Kooperation, die bisher z. B. über Tempus lief, erfolgt nun auch im Rahmen von Erasmus+. Im Tempus-Programm belegte Öster-reich 2013 Platz 6 von 55 aller am Pro-gramm teilnehmenden Länder – das unterstreicht auch das höchst erfolg-reiche österreichische Engagement in der Region. Seit Beginn des Erasmus-Programms (1992/93) waren zirka

80.000 österreichische Studierende mit Erasmus mobil. Studienaufenthal-te und Praktika im Ausland und die da-raus gewonnenen Erfahrungen fördern Toleranz und Weltoffenheit, erweitern das akademische Wissen, erhöhen die Fremdsprachkenntnisse und die in-terkulturelle Kompetenz und tragen damit auch zur Beschäftigungsfähig-keit junger Menschen bei. Daher ist die Steigerung der Beteiligung österreichi-scher Studierender und Lehrender an europäischen Mobilitätsprogrammen zur Stärkung des europäischen Gedan-kens Ziel der österreichischen Bundes-regierung.Huber: Trotz restriktiver Budgets und einer sehr sparsamen Personalpolitik können wir im Ressort thematische und geografische Schwerpunkte set-zen und synergetisch wirken. Die lange Tradition bilateraler und multilateraler Zusammenarbeit macht dies möglich. Österreich hat eine ausgezeichnete Berufsbildung. Das wollen wir inter-national durch Know-how-Transfer im klassischen bilateralen Expert/innen-austausch und durch Schwerpunkt- setzungen in der multilateralen Zu-

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sammenarbeit noch stärker zur Geltung bringen. Ebenso setzen wir die acht österreichischen Aus-landsschulen noch stärker mit unseren weltweiten Aktivitäten im Bereich ›Deutsch als Fremdsprache‹ (DaF) in Beziehung. Wir legen dabei den Fokus auf Lateinamerika und auf Russland. In St. Petersburg werden wir die Sprachaktivitäten enger an die Tä-tigkeit der Bildungsbeauftragten koppeln. Stich-wort ›EU-Nachbarschaftspolitik‹: Von der Ukraine bis in den Kaukasus und nach Moldawien unterhält das BMBF ein Netzwerk von Bildungsbeauftrag-ten, die Programme der österreichischen Bildungs-kooperation in Zusammenarbeit mit KulturKon-takt Austria betreuen. Ein wesentlicher Punkt der Auslandsarbeit des BMBF ist auch die Mobilität. Jährlich kommen rund 400 Sprachassistent/- innen nach Österreich, 200 Personen werden von Ös-terreich ins Ausland entsandt.Zur Sicherung der Stabilität der EU im Bereich der Bil-dung und Forschung wirken die Mobilitätsprogram-me der Europäischen Union als die Spielbeine der Europäischen Kooperation. Das neue Erasmus+ Pro-gramm bündelt all diese Maßnahmen und mit unse-rer Nationalagentur im OeAD haben wir einen erfah-renen Partner an unserer Seite. Dennoch drängen wir darauf, dass sich die Durchführungsbestimmungen in den einzelnen Programmlinien noch stärker an die spezifischen Bedürfnisse der jeweiligen Zielgruppen anpassen. Hier wollen wir einen noch stärkeren Fokus auf die berufliche Bildung, die Lehrer/innenbildung und die Erwachsenenbildung legen.

oead.news: Beim OeAD gibt es zahlreiche Stipendien, Förder- und Kooperationsprogramme mit bzw. für Staa-ten aus Mittel-, Süd- und Osteuropa. Worin besteht Ihrer Meinung nach die Aufgabe des OeAD heute in Hinblick auf diese Region?Weitgruber: Die OeAD-GmbH hat langjährige Er-fahrung und Expertise in der Durchführung und Be-

treuung von Programmen in und mit der Region. Be-sonders erwähnen möchte ich das Central European Exchange Program for University Studies (CEEPUS), das 1993 auf Initiative Österreichs gegründete regi-onale Mobilitäts- und Kooperationsprogramm mit-Mittel-, Ost- und Südosteuropa oder die ›Aktionen‹ mit Ungarn und der Tschechischen und der Slowa-kischen Republik. Diese Expertise ist auch in der EU-Kooperation mit der Region sehr wertvoll, wie etwa die 2013 in Vorbereitung auf Erasmus+ erfolgreich durchgeführte Tagung „Conference on Higher Edu-cation Cooperation in Central, Eastern and South Eastern Europe“ in Wien zeigte. Ich bin sicher, dass die OeAD-GmbH auch in Zukunft einen wichtigen Beitrag zum österreichischen wissenschaftlichen Engagement und zum grenzüberschreitenden Ver-ständnis in der Region leisten wird. Huber: Der OeAD leistet bereits seit vielen Jahren einen wichtigen Beitrag zum Branding der Marke ›Österreich‹ als Brückenbauer in den Bildungs- und Wissenschaftsbeziehungen mit den Nachbarstaaten.Viele dieser Staaten sind mittlerweile Mitglieder der Europäischen Union, die Staaten Südosteuropas, aber auch die Ukraine und Moldawien müssen noch stärker in den Fokus der EU-Nachbarschaftspolitik kommen. Dort sowie in der Russischen Föderation sollte der OeAD einen geografischen Schwerpunkt setzen. Gerade an der die Schnittstelle zwischen der beruflichen Bildung, den Fachhochschulen und den Universitäten liegen enorme Chancen für den öster-reichischen Bildungsexport.

Barbara Weitgruber ist Leiterin der Sektion Wissen-schaftliche Forschung und Internationale Angelegen-heiten im Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft.Hanspeter Huber leitet die Sektion für internationale Angelegenheiten im Bundesministerium für Bildung und Frauen.

Bild rechts aus der Serie ›Die Träume der Grenzwächter‹ von Fred Misik

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Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs war Europa in zwei strikt abgegrenzte Blöcke geteilt. Warenaus-tausch fand begrenzt statt, Reisetätigkeit, vor al-lem aus den östlichen Staaten, war kaum möglich. Stacheldraht und Minenfelder sowie Sperranlagen trennten die beiden Welten, manche Zäune waren sogar mit Starkstrom geladen. Die Grenze war zu ei-nem unüberwindbaren Hindernis ausgebaut worden. In den realsozialistischen Ländern war dies als Schutz vor dem kapitalistischen Ausland dargestellt worden, in Wahrheit dienten die Anlagen aber doch dazu, eine Massenflucht der eigenen Bevölkerung zu verhindern.

Dennoch gelang es zahlreichen Menschen bis 1989, meist unter Lebensgefahr, die Grenzen zu überwin-den. Viele wurden aber gefasst und meist schwer be-straft. Hunderte bezahlten ihre Tat mit dem Leben. Sie wurden durch Stromstöße getötet, von Hunden der Grenzpolizei angefallen, durch Minen zerfetzt oder starben im Kugelhagel der Wachsoldaten. Nach den Volksaufständen 1956 in Ungarn und 1968 in der Tschechoslowakei, die blutig von der Sowjetarmee niedergeschlagen wurden, kam es ab 1981 in Polen zu Demonstrationen für mehr politische und sozia-le Rechte, welche vor allem von der Gewerkschafts- opposition Solidarność ausgingen. Deren Niederschla-gung sowie die Verhängung des Kriegsrechts über das Land konnten die Bevölkerung Polens aber nicht lang-haltig von Protesten abhalten. Mit der Machtübernah-me Mihail Gorbatschows in der Sowjetunion wurden die Zügel innerhalb des Warschauer Pakts (Militärpakt der ehemaligen kommunistischen Staaten Osteuro-pas unter der Führung der Sowjetunion, allerdings ohne das blockfreie Jugoslawien und ohne Albanien) gelockert. Zunehmende wirtschaftliche Schwierig-keiten in diesen Staaten sowie Natur- und Technik- katastrophen führten verstärkt zu nationalen Unru-hen.

Der Fall der Grenzen begann im Frühjahr 1989. Am 2. Mai erklärte die ungarische Regierung überraschend, dass sich Ungarn entschlossen habe, die aus ungari-scher Sicht überflüssigen Grenzanlagen abzubauen. In einer spektakulären Medienaktion durchtrennten der österreichische Außenminister Alois Mock und

sein ungarischer Kollege Gyula Horn am 27. Juni 1989 symbolhaft den Eisernen Vorhang. Diese Bilder gingen um die Welt und erreichten auch die Deutsche Demo-kratische Republik (DDR). Ungarn begann mit dem Abbau der Grenzanlagen, allerdings wurde die Grenze weiterhin scharf bewacht. Am Vorabend des unga-rischen Nationalfeiertags fand am 19. August 1989 auf Initiative der Paneuropäischen Union und des op-positionellen ungarischen Demokratischen Forums ein grenzüberschreitendes Picknick statt, welches ei-gentlich als eine Friedensdemonstration gedacht war. Dabei wurden Teile des noch vorhandenen Stachel-drahts durchtrennt und ein kleines Tor geöffnet.

Die wenigen anwesenden ungarischen Grenzsoldaten sollten nur Tagesvisa für ein paar ostdeutsche Besu-cher/innen ausstellen, es waren aber hunderte gekom-men und alle wollten über die Grenze. Der ungarische Kommandant drückte die Augen zu und so gelang 661 DDR-Bürger/innen die eigentlich illegale Flucht über die Grenze nach Österreich. Die tatsächliche Grenzöff-nung erfolgte dann am 11. September 1989. Die Er-eignisse überschlugen sich; es kam in allen Ostländern zu Protesten, welche letztlich in neue demokratische Staaten mündeten.

Der Fall der Berliner Mauer als Höhepunkt

Einer der Höhepunkte war sicherlich der Fall der Ber-liner Mauer am 9. November 1989, welche das Ende einer Epoche und den Beginn eines neuen Zeitalters markierte. Österreich war durch seine gemeinsamen Grenzen mit einigen kommunistischen Staaten direkt betroffen und interessiert an neuen partnerschaftli-chen Verbindungen.

Vor allem der damalige Bundesminister für Wissen-schaft und Forschung, Erhard Busek, der schon frü-her gute Verbindungen zu oppositionellen Politikern in den Staaten Ost- und Südosteuropas geknüpft hatte, konnte diese Kontakte nun intensivieren. Bei unzähligen Auslandsbesuchen wurden künftige Part-nerschaften besprochen, Abkommen unterzeich-net oder gemeinsame Projekte aus der Taufe geho-ben. Um solche Projekte aber abwickeln zu können,

bedurfte es einer Organisation, wel-che alle diese Vorhaben administrieren konnte. Dabei griff man auf den 1961 gegründeten Österreichischen akade-mischen Austauschdienst (ÖAD) zu-rück. Dieser hatte in den vergangenen drei Jahren eine Ausweitung erfahren durch die Gründung eines Büros für Stipendiatinnen und Stipendiaten aus der Dritten Welt (Entwicklungshilfe-referat) und der Installierung eines Büros für die Betreuung internatio-naler Wissenschaftler/innen bei deren Forschungsaufenthalten in Österreich (International Academic Center = IAC).

Im Frühjahr 1990 fanden konkrete Be-sprechungen zwischen Beamten des Wissenschaftsministeriums und des ÖAD unter Generalsekretär Ludwig Koller statt. Dabei wurde die Gründung einer ›Verbindungsstelle für universi-täre Auslandsbeziehungen‹ vereinbart. Diese sollte der zentralen Geschäfts-stelle des ÖAD eingegliedert werden und aus drei Referaten bestehen: einem Büro für Euroopäische Bildungskoope-ration (BEB, ein gleichzeitig angepeilter Beitritt Österreichs zur Europäischen Gemeinschaft ermöglichte auch die Teilnahme am Studierendenmobilitäts-programm Erasmus; dafür musste auch eine Administration aufgebaut wer-den), dem Büro für Austauschprogram-me mit Ost- und Mitteleuropa (Bamo) und schließlich dem Büro für wissen-schaftlich-technische Zusammenarbeit (WTZ), welches sich hauptsächlich mit der Abwicklung der bestehenden Ab-kommen mit den betroffenen Staaten befasste. Der Leiter der Verbindungs-stelle, Josef Leidenfrost, sollte diese selbstständig führen, allerdings nach den Weisungen des Präsidenten des ÖAD und unter der Dienstaufsicht des

Michael Dippelreiter

Historisch betrachtetDer Fall des Eisernen Vorhangs und seine Auswirkungen auf den OeAD (damals ÖAD).

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27. Juni 1989: Alois Mock und Gyula Horn durchschneiden den Eisernen Vorhang.

Generalsekretärs. Die Hauptaufgaben bestanden in der Abstimmung der Maßnahmen der Referate mit den neu gegründeten Auslandsbüros der Universi-täten und Hochschulen, mit den Aktivitäten anderer wissenschaftlicher Institutionen, vor allem der Aka-demie der Wissenschaften, und mit den zuständigen Bundesministerien.

Unbürokratische Vorgangsweise

Auf den ÖAD und seine Mitarbeiter/innen kamen in der ersten Zeit nach dem Fall des Eisernen Vor-hangs aufregende Zeiten zu: Bundesminister Busek versprach bei seinen Auslandsreisen immer wieder Stipendien für Studierende und junge Universi-tätslehrende. In Unkenntnis einer gut verwalteten Administration standen immer bald nach solchen Versprechungen junge Menschen vor den Toren des ÖAD und reklamierten die versprochenen Sti-pendien. Improvisation war angesagt. Sowohl die Verantwortlichen des Wissenschaftsministeriums als auch des ÖAD reagierten rasch und unbüro-kratisch: Per Telefon und in Vorwegnahme von zu schaffenden Rechtsgrundlagen wurde den jungen Menschen aus den Reformstaaten, welche ja zu-meist ohne ausreichende finanzielle Mittel nach Österreich angereist waren, ein Studienaufenthalt in Österreich ermöglicht. Durch alle diese Ereignisse kam es zu einer geradezu revolutionären Verände-rung im ÖAD: Erstmals wurde ein wirklicher ›Aus-

tausch‹ von Studierenden und Wissen-schaftler/innen verwaltet. Auch junge Österreicher/innen zog es zu einem Forschungs- oder Lehraufenthalt an eine Bildungsorganisation in die Staa-ten Ost- und Südosteuropas und diese wurden durch eigene Stipendienpro-gramme finanziert, welche ebenfalls vom ÖAD betreut wurden.

Der plötzliche starke Zustrom interna-tionaler Stipendiat/innen erforderte ein verstärktes Engagement in der Be-reitstellung von leistbarem Wohnraum. Dafür mussten auch Vorurteile in der Be-völkerung überwunden werden. Durch großangelegte Aktionen in den Medien wurde darauf eingegangen und relativ rasch geeigneter Wohnraum, haupt-sächlich im privaten Bereich, gefunden. Die Einrichtung eines Wohnreferats, aus dem die heutige Wohnraumverwaltungs GmbH hervorging, war eine unmit-telbare Folge des gesteigerten Wohn-raumbedarfs. Bereits 1991 fand unter Vorbereitung der Verbindungsstelle die Durchführung einer Informationsveran-staltung ›Auslandsbeziehungen der ös-terreichischen Universitäten‹ in Salzburg statt, einer Vorläuferveranstaltung der

heutigen OeAD-Hochschultagungen. Diese Veranstal-tung diente damals hauptsächlich der Information und Schulung der Mitarbeiter/innen der Auslandsbüros der österreichischen Universitäten und Hochschulen.

Ein weiterer Schwerpunkt der Verbindungsstelle wur-de ungefähr zur selben Zeit ins Leben gerufen: Meh-rere Publikationen wurden vorgestellt. So etwa die ›Informationen zur akademischen Mobilität‹ (I-A-M), welche in einer Auflage von 6.000 Exemplaren ziel- gerichtet an alle interessierten Organisationen ge-schickt wurde und über aktuelle Entwicklungen in der akademischen Mobilität berichteten. Andere neue Publikationen waren ›Informationen für ausländi-sche Studierende‹ (I-A-S), die sich mit praktischen Hinweisen für das Leben in Österreich befassten und die Zeitschrift ›Kooperationen‹, die spezifische Leis-tungen, Projekte und Initiativen des ÖAD darstellte und evaluierte. Andere Publikationen stellten das österreichische Hochschulsystem dar bzw. erklärten die unterschiedlichsten Fördermöglichkeiten und Stipendienprogramme.

Der Fall des Eisernen Vorhangs veränderte nicht nur die politische Landkarte Europas. Er führte auch zu einer Weiterentwicklung der Bildungslandschaft und damit veränderte er auch die Aufgaben des OeAD. Eine Entwicklung, die weitergeführt und auch stän-dig verändert und den neuen Begebenheiten ange-passt werden soll.

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Lydia Skarits

›Vom Pendelbus bis zum Joint Degree‹Bildungsprogramme mit Mittel- und Osteuropa – wie alles begann.

entstand 1994 unter anderem das erste Sommer-kolleg für Deutsch und Slowenisch. In beiden Fällen konnte die räumliche Nähe optimal genützt werden.

Ebenfalls ein Beispiel für nachbarschaftliche Koopera-tion war die Entstehung der ersten bilateralen Aktion Österreich-Ungarn im Jahr 1990. 1993 folgten die Aktionen Österreich-Slowakei und Österreich-Tsche-chien. Kofinanziert von beiden Ländern wurden ge-meinsame wissenschaftliche Projekte, der Austausch von Studierenden, Graduierten und Lehrenden, ge-meinsame Seminare und Kongresse sowie gemein-same Fachkurse und Sommerschulen gefördert. Alle drei Aktionsprogramme haben die Zeit überdauert und bestehen nach wie vor. Die Fördermaßnahmen wurden im Laufe der Jahre an die bildungspolitischen Gegebenheiten angepasst, die Grundidee einer flexi-blen und partnerschaftlichen Zusammenarbeit blieb dabei immer im Vordergrund und bildet nach wie vor die Basis für gemeinsame Aktivitäten.

Sommerkollegs und Summerschools

Bereits 1990 wurden die ersten Summerschools in Österreich veranstaltet. Auf Anregung von Erhard Busek wurden die Sommerschulen gegründet, um im Rahmen von Intensivkursen die wissenschaftli-che Weiterbildung in für die Teilnehmer/innen aus Mittel- und Osteuropa relevanten Spezialgebieten zu ermöglichen. Der große Erfolg der ersten Jahre ließ auch die Summerschools die Entwicklungen überdau-

Als ich im Jänner 1993 im damaligen Club International Universitaire (CIU) als Vorbereitung auf meine Beratungs-tätigkeit in den folgenden drei Jahren begann, mich über Stipendienmög-lichkeiten für in- und ausländische Stu-dierende zu informieren, wurde mir als Arbeitsunterlage ein umfangreiches Heft im A4-Format vorgelegt. Dieses A4-Heft, das jedes Jahr neu aufgelegt wurde, enthielt unter anderem sämtli-che vom damaligen Wissenschaftsmi-nisterium geförderte Stipendienpro-gramme. Schon damals wurden mir Bezeichnungen wie Stipendien für die Schwerpunktzone, Bertha von Suttner, CEEPUS, Sommerkollegs, Summer-schools, Aktion und auch WTZ geläufig. Heute, nach mehr als 20 Jahren Tätig-keit im Bereich der Bildungsmobilität, bietet sich die Gelegenheit für eine genauere Rückschau auf die Anfänge, die Implementierung und auch die Ent-wicklung der damals ins Leben gerufe-nen Förder- und Mobilitätsprogramme.

Im folgenden Artikel seien nur einige Initiativen rein subjektiv herausgegrif-fen bzw. näher erläutert, weil die Auf-zählung und Beschreibung aller den Rahmen dieses Hefts sprengen würde.

Die Anfänge

Im März 1990 brachten zwei Busse aus Bratislava die ersten slowakischen Studierenden an die Universität für Bo-denkultur in Wien, von wo aus sie nach einer feierlichen Begrüßung durch den damaligen Vizekanzler und Bundesmi-nister für Wissenschaft und Forschung, Erhard Busek, zu den ersten Vorlesun-gen an verschiedenen Universitäten in

Wien gebracht wurden. So wurden die ausgewählten Studierenden verschiedener slowakischer Hochschu-len während des gesamten Sommersemesters 1990 täglich von den Pendelbussen von Bratislava nach Wien und wieder zurück gebracht. Diese Aktion wurde innerhalb von zwei Monaten auf die Beine gestellt, in einer Zeit, in der Computer, Internet und Mobiltelefon noch nicht zur Verfügung standen. Beide Länder leis-teten einen Beitrag, die slowakische Seite organisier-te und finanzierte die Busse, die österreichische Seite ermöglichte das Studium an den Universitäten und finanzierte die Fahrkarten für die öffentlichen Ver-kehrsmittel und die Verpflegung in den Mensen. Insgesamt 144 Studierende konnten dadurch an ös-terreichischen Universitäten ihre ersten Erfahrungen sammeln. Viele von ihnen blieben auch danach.

Im Süden Österreichs gab es 1992 eine ähnliche Ini-tiative. Unter der Bezeichnung ›Gemeinsamer Hörsaal Graz/Maribor‹ entwickelten die Universität Graz, kon-kret das Institut für Übersetzer- und Dolmetscheraus-bildung, und die Universität Maribor bzw. das dortige Institut für Germanistik und Slawistik ein gemein-sames Projekt, bei dem jeweils acht Studierende aus Graz und Maribor dreimal pro Woche die Möglichkeit hatten, Lehrveranstaltungen an der jeweils anderen Universität zu besuchen. Der Transport der Studieren-den und in der Folge auch von Lehrenden, von Lehr-materialien und Büchern erfolgte in einem Kleinbus, der vom damaligen Wissenschaftsministerium zur Verfügung gestellt wurde. Aus dieser Kooperation

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Im Sommersemester 1990 brachten Pendelbusse slowakische Studierende täglich von Bratislava zu verschiedenen Unis in Wien.

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ern und auch noch heute werden von verschiedenen Universitäten regelmäßig Summerschools zu unter-schiedlichen Themen veranstaltet. Ein weiteres Er-folgsmodell, das bereits 1992 mit den ersten Sprach-kursen für Ungarisch und Tschechisch entstand, sind die Sommerkollegs, die den gemeinsamen Spracher-werb fördern. Ursprünglich dazu gedacht, österreichi-sche Studierende anzuregen, die Sprachen Mittel- und Osteuropas zu lernen und Einblicke in die damals un-bekannte Kultur und das Alltagsleben der Länder zu bekommen, werden sie heute zunehmend zu einem Instrument, das dem Globalisierungstrend – vor allem in der Sprache – entgegenwirkt und sich nach wie vor mehr auf Nachbarschaft konzentriert. Heute gibt es pro Jahr zwischen 18 und 20 Sommerkollegs für bis zu zwölf Sprachen. Die Gesamtanzahl der Teilnehmer/-innen liegt bei jährlich 700.

Erfolgsmodell CEEPUS

Um die multilaterale akademische Mobilität zu för-dern, wurde 1994 das Central European Exchange Program for University Studies (CEEPUS) ins Leben gerufen. Von den damals sechs Teilnehmerländern wurde ein für die mittel- und osteuropäische Region maßgeschneidertes Konzept entwickelt, das ohne Geldtransfer zwischen den Ländern Mobilität von Stu-dierenden und Lehrenden zwischen allen Teilnehmer-ländern ermöglichen und fördern sollte. Im Rahmen von universitären Netzwerken sollen Prüfungen und Diplome gegenseitig anerkannt und Vorlesungen zu-sätzlich zur Landessprache auch auf Englisch, Deutsch oder Französisch angeboten werden. CEEPUS ist ein Erfolgsmodell, das seinesgleichen sucht. Heute befin-den wir uns im Programm CEEPUS III mit mittlerweile 16 Mitgliedsländern.

Finanziert wurden diese ersten neuen Program-me mit einem Sonderbudget, das der Nationalrat 1989 beschlossen hatte. Um die Mittel möglichst effizient und nutzbringend einzusetzen, hat das damalige Wissenschaftsministerium eine Schwer-

punktzone in Mittel- und Osteuropa festgelegt, die ursprünglich folgende Länder umfasste: Tschechoslowakei (heute Tschechische und Slowakische Republik), Ungarn, Polen, Rumänien, Bulgarien, das damalige Jugoslawien und ab 1991 auch die Ukraine. Durch die Konzentration der Fördermaßnah-men in der definierten Region konnten über die bereits bestehenden Kultur-abkommen und Kooperationen im Rahmen der wissenschaftlich-techni-schen Zusammenarbeit hinausgehend gezielte Maßnahmen gesetzt werden. 1990 wurden erstmals ›Sonderstipen-dien‹ vergeben, die die Mobilität in wissenschaftlichen und künstlerischen Fachrichtungen fördern sollten.

Neben Stipendien für alle Fachrichtun-gen (Jahresstipendien, Stipendien für kürzere wissenschaftliche Arbeiten, Sti-pendien für Deutschkurse in Österreich und Stipendien zum Besuch wissen-schaftlicher Summerschools) wurden 1992 auch Stipendien für bestimmte Fachrichtungen bzw. Qualifikationen eingeführt. Verankert in der Sondersti-pendienaktion zählen dazu das Bertha von Suttner-Stipendium (für besonders qualifizierte Graduierte aus den Län-dern Mittel- und Osteuropas, die ein gesamtes Doktoratsstudium in Öster-reich absolvieren wollen) und das Franz Werfel-Stipendium für junge Universi-tätslehrer/innen, die sich schwerpunkt-mäßig mit österreichischer Literatur beschäftigen. 1994 wurde das Wer-fel-Stipendienprogramm als eigenes Programm zusätzlich zu den Sonder-stipendien zur Verfügung gestellt und ab 1997 weltweit ausgeschrieben. Das

Programm existiert sehr erfolgreich bis heute und konnte 2012 sein 20-jähriges Jubiläum feiern.

Neben den genannten Förderprogram-men, die schon damals vom OeAD ab-gewickelt wurden, sollen auch wichtige Stipendienprogramme genannt wer-den, die im Auftrag des Wissenschafts-ministeriums von anderen Institutio-nen vergeben wurden. Das Konstantin Jirecek-Stipendium für Historiker wurde von 1991 bis 1996 vom Österreichi-schen Ost- und Südosteuropa Institut abgewickelt. Es handelte sich um ein kurzes Forschungsstipendium zur Er-forschung der historischen Verbindun-gen in Mittel- und Osteuropa. Von der Thematik her erinnert es an das heutige Richard Plaschka-Stipendium, das sich ebenfalls an Historiker/innen richtet.

Auch noch erwähnt werden sollen das Lise Meitner-Stipendium (seit 1992, Abwicklung FWF) und das Literatur-stipendium der Österreichischen Ge- sellschaft für Literatur, das in den frü-hen 1990er Jahren, ähnlich wie das Franz Werfel-Stipendium, Germanist/- innen mit dem Forschungsschwerpunkt österreichische Literatur unterstützt hat. Um die Ausbildung guter Wissen-schaftsjournalist/innen in den Ländern Mittel- und Osteuropas zu fördern (diese hatten unter den politischen Umständen besonders gelitten), finan-zierte das damalige Wissenschaftsmi-nisterium mehrere Stipendien für Jour-nalist/innen-Schulungen in Österreich. Journalist/innen aus Ungarn, Polen und der damaligen Tschechoslowakei nütz-ten 1991 und 1992 das Angebot.

›… obwohl Bratislava an der Grenze zu Österreich liegt, die ganze k.u.k.-Geschichte in seinem kulturellen Erbe trägt und von Wien nur ca. 60 Kilometer entfernt ist, war es im Laufe meines Studiums nur der Stacheldraht, mit dem man in Berührung kam, wenn man nach drüben schauen wollte. Die Donau konnte hin. Wir nicht. … Die Zeit, die beste aller Ärzte, rechnete auch diesmal mit der Geschichte ab. Mit der Wende kam ein kam ein völliger Umbruch.‹ Eva Höhn geb. Bruchanikova, Werfel-Stipendiatin 1992/1993; In: Franz Werfel Stipendien, Seite 19

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Um den seit 1989 gewachsenen Bedarf an deutschsprachigen Lehrkräften an den Universitäten zu decken, wurden verstärkt österreichische Lektor/innen nach Mittel- und Osteuropa entsandt, die sogenannten Ostlektoren. Auch heute stellen die österreichischen Lek-toren und Lektorinnen in den ehemali-gen Ländern der Schwerpunktzone das zahlenmäßig größte Kontingent.

In den Jahren 1990 und 1991 wurden zusätzlich noch weitere Maßnahmen gesetzt, die rasch und unbürokratisch zur Unterstützung von Universitäten in den Ländern Mittel- und Osteuropas eingesetzt wurden. Sachspenden in Form von Kopiergeräten, Computern, Diaprojektoren, um nur einige zu nen-nen, wurden vom Wissenschaftsmi-nisterium zur Verfügung gestellt. Als in Tschechien 1991/1992 fünf Univer-sitäten neu gegründet wurden, stellte das Wissenschaftsministerium 200.000 Schilling (entspricht 14.500 Euro) zur Überbrückung der schwierigen An-fangsphase zur Verfügung.

Die letzten 25 Jahre haben gezeigt, dass räumliche Nähe vieles erleichtert! Dies

wurde immer erkannt und genützt. Die Anfänge der strukturierten internati-onalen Mobilität, der bilateralen und multilateralen Kooperationen Anfang der 1990er Jahre waren der Grundstein für die heute bestehenden Stipendien- und Förderprogramme, die sich größ-tenteils aus den damaligen Program-men entwickelt haben.

Soweit die Geschichte. Was bleibt heute?

Der Austausch von Studierenden und Wissenschaftler/innen ist und bleibt auch in Zukunft ein wichtiges Instru-ment zum gegenseitigen Verständnis. Über die national finanzierten Pro-gramme hinaus ist es mittlerweile für die Studierenden fast aller Länder der ehemaligen Schwerpunktzone selbst-verständlich, an EU-finanzierten Pro-grammen teilzunehmen. Auch für österreichische Studierende ist es heu-te normal, im Rahmen von Erasmus, CEEPUS oder anderen Programmen ein Auslandssemester in Polen, Tschechien, Rumänien und anderen Ländern Mittel- und Osteuropas zu absolvieren. Leider fällt die Balance noch immer zuguns-

ten der Ost- nach West- bzw. Süd- nach Nord-Mobilität aus.

In vielen von uns beim OeAD abgewi-ckelten Stipendienprogrammen, die einer weltweiten Bewerbung offen stehen (z. B. Ernst Mach, Franz Werfel, Richard Plaschka) stellen Bewerber/-innen aus den mittel- und osteuropäi-schen Ländern den zahlenmäßig größ-ten Anteil. Für die Zukunft muss nun überlegt werden, wie räumlich nahe gelegene Forschungseinrichtungen gemeinsam genützt werden können. Erreicht werden könnte dies durch ge-meinsame, an nur einem Ort angebote-ne Studiengänge und Lehrveranstaltun-gen, gemeinsame, in allen beteiligten Ländern anerkannte Abschlüsse, eben durch die logistisch durchdachte Kon-zentration von Lehr- und Studienan-geboten an einer bestimmten Institu-tion. Womit sich der Kreis auch wieder schließt: Vom Pendelbus bis zum Joint Degree.

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Tektonische Verschiebungen betrafen z. B. die Rolle der Sprachen – die Zahl der Russisch-Lernenden in den ehema-ligen Ostblockländern verringerte sich, die Rolle des Deutschen nahm zu, um schließlich von der Weltsprache Eng-lisch auf Platz 2 verdrängt zu werden. Das Lernen slawischer Sprachen und Ungarisch im ›Westen‹ wurde leider kein Hit. Österreich reagierte mit der Gründung des Fremdsprachenzentrums des Europarats in Graz. Weiters mit ei-ner Fülle von Projekten, bis hin zur Ent-sendung von Lehrer/innen an Schulen im Ausland, der Gündung bilingualer Schulen, Bildungsmaßnahmen für Leh-rer/innen und didaktischer Materialien zur Unterstützung von Demokratisie-rungsprozessen.

Kunst- und Kulturkooperation schien es da einfacher zu haben. Es fehlte aber (lange) am Publikum für das Neue, an Mobilität, an einer nicht-hierarchischen Öffentlichkeit in Perzeption und Ko-operation. KulturKontakt stachelte die Neugier an und stärkte den Akteur/in-nen den Rücken, förderte und vernetz-te, provozierte, war Labor, Marktplatz und Lautsprecher, sprich Vorreiter.

Als Menschen und die Politik den Ei-sernen Vorhang wegzogen, wünschten sich manche neue Mauern. Ängste, Nichtwissen, aber auch Moränen aus der vergangenen nationalistischen Vergletscherung machten es zunächst vielen nicht einfach, sich mit Menschen ›von jenseits‹ ein gemeinsames Europa vorzustellen. Das hat sich deutlich zum Besseren verändert, vor allem gegen-über den Nachbarn (die Stereotypologie hat sich leider auf andere Länder verla-gert) und daran hatten Bildung und

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1989 – Der Beginn einer Geschichte Der ehemalige Geschäftsführer von KulturKontakt Austria, Gottfried Wagner, sieht in Bildung und Kunst eine wichtige Rolle in der Demokratisierung der Länder Mittel- und Süd-osteuropas.

Kultur zweifellos einen wichtigen Anteil. ›Spektakulä-rer Alltag‹ fand in gemeinsamen Projekten, in Ateliers, im Klassenraum, in der Überwindung desselben durch Kunst statt, vieles in Eigeninitiative. Das Bildungs- ministerium und KulturKontakt Austria konnten An-reize setzen, Rahmen schaffen, und schließlich in ent-sprechenden Strukturen verankern.

Quasi als Gegengeschichte zur (Erfolgs-)Geschich-te des freien Marktes (der sich mit Demokratie und Rechtsstaat arrangieren sollte) wurde in Mitteleuropa3 querbeet gelernt, dass Konkurrenz Kooperation nicht ausschließt, und umgekehrt. In bildungspraktischer Realität hieß das die gemeinsame Stärkung der Be-rufsbildung, die gemeinsame Entwicklung und Siche-rung von Standards und das Einüben auf den Markt durch vernetzte Simulation und Professionalisierung (z. B. durch Übungsfirmen an ökonomisch orientier-ten Schulen). Arbeitsplätze schaffen und Wohlstand entwickeln durch Qualifikation des Humankapitals lautete ein weiteres Ziel dieser Jahre. Das gelang in vielen Bereichen und Regionen gut, weniger allerdings in alten und neu entstandenen Peripherien. Nicht zu unterschlagen sind – und das ist nicht Geschichte, sondern auch Zukunft – neue und alte gesellschaftli-che Exklusionen und die wachsende Ungleichheit.

Kooperationen mit Albanien und Russland

Albanien stellte einen Sonderfall dar, es war für uns ›exotisch‹, eine mit hunderttausenden Bunkern über-zogene, vernarbte ›Haut‹ eines paranoiden Diktators und hat sich doch verbreitetem Orientalismus wider-setzt. In einem der ärmsten Länder dieser Region galt es, vorsichtig-respektvoll zu ›entwickeln‹ und zu ler-nen, sich von negativen historischen Assoziationen zu verabschieden. Bildungskooperation hieß zunächst (beträchtliches) Investment in das berufsbildende Schulwesen oder über Demokratieprojekte zivilen Mut zu machen – auch gegen Krisen des früh durch Pyramidenspiele implodierten Kasino-Kapitalismus und seiner bürgerkriegsartigen Folgen. Das alles

3 Lange von vielen als Reflex gegen vermeintliche ideologische Indienstnahmen nur Zentraleuropa genannt.

1989 ist Geschichte. Oder doch nicht? Die Männer des Schweizer Halbkantons Appenzell Außerrhoden hatten mit knapper Mehrheit den Frauen das Stimm-recht zugesprochen. Auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking schossen Soldaten auf die eigene Bevölkerung. Der Eiserne Vorhang fiel. Und das kleine Österreich rückte von der Peripherie ins Zentrum.

KulturKontakt Austria zählte zu den Ideen- und Pro-jektträgern der neuen ›Gründerzeit‹. Der Name war Programm, und zur Kunst trat bald auch die Bildungs-zusammenarbeit mit den ›neuen Nachbarn‹, wie man ein wenig paradox sagte. Unter den Fittichen staat-licher Weitsicht und mit erstaunlicher Autonomie konnte an einem Stück des Neuen Europa gebaut, ex-perimentiert, evaluiert und weiterentwickelt werden. Auch das Bildungsressort selbst setzte, wie andere Ministerien, kräftige Zeichen der Solidarität und sub-stanzielle Taten der Internationalisierung – schon mit Perspektive auf den EU-Beitritt.

Entgrenzung, Konkurrenz und Kooperation

Post 1989 – das ist der Beginn einer gemeinsamen Erfolgsgeschichte hin zu Demokratie, Marktwirtschaft und Rechtsstaat. Natürlich war das nicht frei von Wi-dersprüchen: Während sich die einen dem Begriff Fortschritt und dem ›common good‹ verpflichtet fühl-ten, läutete in den Augen anderer Francis Fukujamas ›Ende der Geschichte‹ den endgültigen Siegeszug des Neo-Liberalismus ein, dessen Bilanz 2014 als besten-falls ›durchwachsen‹ angesehen werden kann. Die Bildungs- und Kulturkooperation des damaligen Bil-dungsministeriums1 und von KulturKontakt Austria2

entwickelte sich durchaus substanziell, man bemühte sich um Partnerschaftlichkeit und Reflektiertheit. Ein-zelheiten der Arbeit kann man nachlesen. Ich versuche hier beispielhaft ein paar Schlüsselszenen retrospektiv zu deuten.

1 Der Name des damals zuständigen Ministeriums lautete Bundesministerium für Unterricht und Kunst2 www.kulturkontakt.or.at

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scheint Geschichte, Albanien hat EU-Kandidaten-status als eine gefestigte Demokratie. Ein besonders schönes Beispiel ist Anri Salas, der unter anderem auch auf der Biennale in Venedig gezeigt wurde.

Lehrerbildung und Kunstkooperation als Begleitung der Transformation Russlands in stürmischen Zei-ten waren fokussierte Beiträge Österreichs. Wer zum Beispiel heute durch St. Petersburg streift, wird sich vielleicht am literarischen Stadtführer der ehema-ligen österreichischen Bildungsbeauftragten Maria Marginter orientieren.

Und da die Entwicklung einer neuen Bildungsstruktur in einem post-imperialen Riesenland wie Russland zu viel war für das kleine Österreich, bot sich Kooperati-on an, die u. a. eine Phase sehr produktiver Beziehun-gen mit niederländischen Expert/innen einläutete. Das reichte von Bildungspolitik in Moskau bis zum komparativen Studium dezentraler Expertise-Struk-turen in den Niederlanden, einem Gründungsland der EU. Diese Kooperation zu umfassenden Bildungs-fragen erwies sich auch für die innerösterreichische Entwicklung langfristig als sehr fruchtbar. Der Weg nach PISA4 führte sozusagen vom Minoritenplatz (Bildungsministerium) und dem Spittelberg (Kultur Kontakt) über St. Petersburg und Den Haag.

Die Wiederkehr des Unmöglichen

Unser Mantra ›Kein Krieg mehr in Europa‹ galt nicht für Ex-Jugoslawien. Die EU hat die größte Heraus-forderung nicht bestanden und spät reagiert. Umso wichtiger, dass es in zukunftsorientierten Feldern wie Bildung, Kultur und Interkultur verantwortungs-volle und adäquat-substanzielle Partnerschaften Österreichs gab (und gibt). KulturKontakt konnte als ausgelagerter Verein flexibel und unkonventio-nell reagieren. Mit Hilfe der involvierten Ministeri-en war KulturKontakt auch während der Konflikt- phasen rasch vor Ort, sei es in Serbien oder in Bosnien, im Kosovo oder in Kroatien und Slowenien. Viele der

4 Programme for International Student Assessment der OECD

damals initiierten Kooperationen wäh-ren bis heute. Die Liste der Projekte ist lang, die Zahl der involvierten Expert/innen beträchtlich. KulturKontakt lern-te, mit nationalen und internationalen Partnern noch effektiver zu agieren. Der Bogen spannt sich von der Unter-stützung der Opposition in Belgrad gegen Nationalismus und Krieg über die Flüchtlingslager für Kosovar/innen in Albanien bis hin zum Kunstkollektiv ›Neue Slowenische Kunst‹. KulturKon-takt engagierte sich weiters für überra-gende Intellektuelle wie Bogdan Bog-danovic5, der nach Wien flüchtete, für zivilgesellschaftliche kulturelle Einmi-schung in Zagreb und Schulen in Bos-nien und Herzegowina, und schließlich für ›reconciliation‹ im multiethnischen Mazedonien des Post-Ohrid-Abkom-mens6.

It is unfinished business7, aber das gilt nicht nur für Südosteuropa oder den Westbalkan, sondern für ganz Euro-pa und die EU im Besonderen. Viele der ehemaligen Transitionsländer in der Nachbarschaft sind heute Mitglie-der der EU, die Zusammenarbeit auf dem Bildungskontinent Europa ist weit gediehen, im sensibleren Kulturbereich wächst komplementäre Gemeinsam-keit. Dennoch: viel ist noch zu tun.

5 Architekt, Stadttheoretiker und Autor, 1982 bis 1986 Bürgermeister von Belgrad6 Am 13. August 2001 geschlossene Vereinbarung, die eine angemessene Repräsentation der albanischen Minderheit in Politik und Verwaltung in Mazedonien sichern soll.7 Botschafter Wolfgang Petritsch, der als ehemaliger Spitzendiplomat Österreichs in SEE zahlreiche Bildungs- und Kulturinitiativen unterstützte

Das beginnt bei den Herausforderungen des Interkul-turellen und der Integration, der politischen Bildung für Demokratie, dem Teilen von Erinnerungen und Zukunft und reicht bis zum gemeinsamem ›empow-erment‹ besonders der Jugend, zu Wettbewerbsfähig-keit und Zusammenarbeit.

Vereine wie KulturKontakt haben gezeigt, wie man effizient und autonom agieren und damit Internati-onalisierung im besten Interesse des Staates und der europäischen Gemeinschaft pflegen kann und muss. Neben Zentralverwaltung und hoheitlichen Struktu-ren, die ihrerseits ihre eigenen politischen und prak-tischen Ziele verfolgen, können diese flexibel und verantwortlich gestalten. 1989 ist Geschichte, neue und nicht weniger komplexe Herausforderungen brauchen vergleichbare Erfolgsgeschichten, lokal und global, auf alle Fälle europäisch.

Gottfried Wagner bekleidet eine Stabststelle in der Sektion für internationale Angelegenheiten im Bundesministerium für Bildung und Frauen. Von 1994 bis 2001 war er Geschäftsführer von KulturKontakt Austria, danach Generalsekretär der Europäischen Kulturstiftung in Amsterdam. Den vorliegenden Text verantwortet der Autor aus-schließlich in eigener Kapazität.

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The recent reforms and developments in European higher education are a well-researched issue and have also been largely discussed in pub-lic. In this context, however, the European map has some ›white spots‹ – the Western Balkans, for example, where higher education dynamics has remained under-researched. In 2012, a research group from CEPS (Centre for Education Policy Studies), University of Ljubljana, conduc-ted a survey, which included 16 universities from 8 countries in the region and came to some interesting conclusions.

On the surface, the most visible feature of the regional higher educa-tion systems is massification. In former socialist Yugoslavia, there was a boom in participation rates already in the 1970s, but in the 1980s and particularly in its second half this trend slowed down considerably. In the early 1990s, these rates began to climb rapidly again: the rise depended on specific circumstances in individual – now new indepen-dent – countries. There were several reasons: from a change in cultural patterns and social ambitions via unemployment and migrations to new national policies addressing the ‘upcoming knowledge society’ etc. The situation was quite different in territories affected by wars and conflicts, in particular in Bosnia and Herzegovina and Kosovo. Until 2000, in most parts of the region enrolment levels doubled or tripled and this trend has been continuing in the last decade.

Another easily visible feature of these developments is the growth in the number of higher education institutions – public and in particular private. With a few exceptions, there is no long university tradition in the region. Upon the disintegration of the federal Yugoslavia in 1991, there were 19 universities serving a country of 21 million people. Three of them were established in the late 19th and early 20th centuries and two of them immediately after World War II. Almost all the others were established in the late 1960s and 1970s to support the decentralised economic development. In Albania, the first university was founded in 1957 and it was the only university there up until 1990, although some new small institutes were also established in this period.

Therefore, in 1990 there were altogether 20 public universities in the region; today, there are 47 as well as about 250 private universities and other higher education institutions with a relatively small number of students. The expansion of private institutions has been enabled and accelerated by amendments made to legislation after 1990 but it has also been a result of the limited funds available to public universities and perhaps unreasonably high expectations with regard to private initiative in higher education. Altogether, this trend has led in recent years to so-metimes uncontrollable situations. Of course, within this general trend significant specific features are evident from country to country.

Pavel Zgaga

On Higher Education Reforms in the Western Balkans

A short presentation of the main findings of a study of current trends and issues in higher education from eight countries of the Western Balkans.

We can conditionally speak about three waves of legislating in the region. At the beginning of and during the 1990s, le-gislators chiefly focused on the general framework which had been profoundly challenged everywhere by the overturn of the political system and by the econo-mic conditions. For example, so-called ‘non-budget’ or self-paying students were introduced at public universities along with ›budget-funded‹ ones and private institutions were legally allowed at this stage.

In the background of this first wave of legislating, the existing philosophy of higher education remained largely the same. There were a few attempts to re-gulate the ‘spontaneity’ in the field of higher education which had erupted after 1990 but, in general, these predo-minantly only involved technical adap-tations of the traditional system to the new political and economic order. As large parts of the region were affected by wars and conflicts, it would be unrealis-tic to expect any substantial conceptual shifts and the development of new stra-tegies and policies during this period.

Due to the complex circumstances, the first wave of legislating was delayed by about a decade in some countries, e.g. in Bosnia and Herzegovina, Kosovo, Macedonia and Montenegro. In con-trast, only Slovenia – which remained outside the armed conflicts of the 1990s – was lucky enough to be able to address some fundamental conceptual issues already during this stage: e.g. the issue of a fragmented university system with strong faculties and a weak central uni-versity administration; the issue of the quality as well as the accreditation and evaluation of institutions; etc. Another

very specific situation occurred in Serbia where Milošević’s government imposed a legal amendment in 1998 which very strongly interfered with the traditional autonomy of universities and provoked a mass protest movement of students and teachers. This movement created an inspirational space also for develo-ping strategic ideas on higher education which were partly instrumentalised at the start of the 2000s by Zoran Đinđić’s new democratic government.

The second wave of legislating occur-red at the beginning of the 2000s. On one hand, it was an obvious task of the ‘post-conflict’ period and ›reintegration into Europe‹; on the other hand, it was directly connected to Europeanisation processes and in particular to the Bolo-gna Process. Slovenia joined it in 1999, Croatia in 2001 and the other five coun-tries in 2003; only Kosovo has not joined it yet due to its political status. The legis-lating agenda of the second wave was stronger, at least at first sight: the com-mon European Higher Education Area has provided the conceptual basis for the modernisation of higher education – the basis that had been lacking before in most countries of the region. However, there is much evidence that the desire to ›Europeanise‹ the system overnight too often resulted in ‘cosmetic changes’ and not in a substantial and strategic conver-sion.

There is also much evidence that, at least at the beginning of this period, bottom-up incentives to modernise eit-her curricula or governance models at the level of institutions were particularly strong. These incentives were furthered by increasing multilateral cooperation among institutions; Tempus and Cee-

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pus were particularly influential in this respect. In some countries, elements of the first and second waves ap-peared simultaneously, e.g. in Macedonia where, after the ethnic conflict of 2001, private universities were allowed under a legal amendment which also provided some incentives leading towards the system’s greater openness and internationalisation.

As the Bologna Process has been progressing more amendments have been adopted in all countries. This is the third wave of legislating. Yet at this stage of the reforms another common problem in the policy-ma-king process has become evident: on one hand, the successive and often contradictory amendments have been approved following governmental ‘swinging’ (i.e., conservative governments felt a need to change the previous ›progressive‹ legislation, and vice versa). This practice has led to stagnation with regard to long-term national strategic targets. On the other hand, this has also led to specific regional (mis)interpretations of the Bologna Process.

The reforms were generally initiated by the respon-sible ministries. At least in some countries, academics felt they had been introduced into these initiatives and took part in them: ›Universities have had a fairly large impact on shaping higher education policy‹, e.g. in the process of developing the national master plan for hig-her education in Slovenia (interview 37; 11/04/12). In Macedonia, on the other hand, political negotiations af-ter the slowdown of the ethnic conflicts (ended by the Ohrid Agreement of 2001), provided ›a possibility to start changing the traditional law on higher education‹ (interview 01; 08/02/12). This political approach was in-terpreted at the institutional level as the proper context for speeding up the modernisation of higher education.

However, some interviewees give an impression that even in those countries where this cooperation exis-ted in previous times it has been eroded by today. Of course, the gradual disillusionment in the ‘new era’ has probably been contributing to the gloomier picture no-wadays. The just quoted interviewee added: ›I do not know if this is still true. Now, the university is under the main pressure from politics‹ (interview 37; 11/04/12).

The politicisation of higher education is particularly connected to issues concer-ning private institutions; almost every-where they were legally allowed already during the first wave of legislating. The privatisation – connected to issues of access and quality assurance – of higher education is obviously a Pandora’s box in the Western Balkans. In the future, policy makers should give most attention to this issue.

Pavel Zgaga is Professor of the Faculty of Education at the University of Ljubljana. He holds a doctorate in Philosophy from Ljubljana University (1989) and a hono-rary doctorate from Universitet Umeå, Sweden (2007). His teaching and research is focused on the philosophy of education, educational policy and in particular on higher education; he published extensively in these areas. During the 1990s, Zgaga was State Secretary for Higher Education (1992-1999), Minister of Education and Sports (1999-2000), and head of a working group on ›Education, Training and Youth‹ during EU accession negotiations (1998-1999). After his return to academe, he has engaged in the Bologna process, serving as general rapporteur (2001-2003), as a member of the Board of the Bologna Follow-up Group (2004-2005) and as the rapporteur of the BFUG Working Group on External Dimension of the Bologna Process (2006-2007). Additionally, he is Co-founder of the South-east European Educational Cooperation Network www.see-educoop.net.

The full research report is located at http://ceps.pef.uni-lj.si/images/stories/doc/hewb.pdf

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Gerhard Volz

Getrenntes zusammenführenEuropäische Hochschulprogramme knüpften an die Tradition der einst florierenden Zusammenarbeit der Hochschulen in Ost und West an. Sie gelten als Motor für Mobilität und Kooperation in einem gemeinsamen Europa.

1989 – die Bilder jener Tage und Wochen, die den gro-ßen Umbruch in Europa markierten, haben sich in die Erinnerung einer ganzen Generation eingebrannt. Als die Berliner Mauer fiel und die Außenminister Ungarns und Österreichs den Eisernen Vorhang durchschnitten, war die bis dahin geltende ›Ordnung‹ des Kontinents aus den Fugen geraten. Binnen weniger Monate war nichts mehr wie zuvor. Kerzen in Prag, Lieder und Menschenketten in Riga, Panzer mit Blumen in Bukarest. Familien fanden nach Jahrzehnten zueinander, ebenso Nachbarn, die ein Todesstreifen getrennt hatte. Die Intensität der Entwick-lungen hat überrascht und fasziniert zugleich, eine Auf-bruchsstimmung zog sich durch die Gesellschaften jener Länder, die zuvor auf der ›anderen‹ Seite des Eisernen Vorhangs gelegen waren.

Bereits zwei Jahre vor diesen Ereignissen war eine Initia-tive gestartet worden, die auf andere Weise dazu beitra-gen sollte, Europa zu verändern. Nach einer Pilotphase, in welcher Studierende einen Austauschaufenthalt an ausländischen Hochschulen absolvieren konnten, wurde im Juni 1987 das Erasmus-Programm begründet. Die Ge-burtswehen rund um die neue Initiative waren beträcht-lich, insbesondere Deutschland, Frankreich und Groß-britannien reagierten zurückhaltend auf die Aktivitäten. Doch schon im ersten Erasmus-Jahr 1987/88 machten sich 3.244 junge Menschen auf, einen Teil ihres Studiums jenseits der Landesgrenzen zu absolvieren.

Der Erfolg gab der Initiative Recht. Als Österreich 1992 beitrat, hatte sich die Zahl der teilnehmenden Studieren-den bereits auf jährlich rund 52.000 vervielfacht. Doch es sollte weitere sechs Jahre dauern, bis auch jene Länder beitreten konnten, die 1989 so mühsam ihre gesell-schaftliche und politische Freiheit erkämpft hatten. Dies mag spät erscheinen, doch hat Erasmus hier in Wahrheit Integrationsschritte auf politischer Ebene vorweg ge-nommen: Die zehn mittel- und osteuropäischen Länder wurden in das Programm aufgenommen, deutlich bevor sie 2004 bzw. 2007 der Europäischen Union beitraten. (Nota bene: 1999 unterzeichneten gemeinsam mit Ös-terreich bereits alle zehn Staaten die Bologna-Erklärung.)

Studierende und Lehrende österreichischer Hochschu-len waren von Beginn an begierig, die neuen Erasmus-Länder kennenzulernen: 1998/99 waren bereits 13 Studierende unterwegs, fünf Jahre später 160 und 2007/08 nutzten 381 Österreicher/innen die Möglich-keit zu einem Studienaufenthalt oder einem Praktikum

mit Erasmus in Zentral- und Osteuropa. Dies entsprach mehr als acht Prozent aller Erasmus-Studierenden. Noch kooperationsfreudiger zeigten sich die Hochschulleh-renden: Zwischen 2001 und 2013 fand konstant etwa ein Viertel der Aufenthalte in einem der ›neuen‹ Teil-nehmerländer statt, im stärksten Jahr (2007/08) waren es sogar mehr als 30 Prozent. Als wichtigste Zielländer kristallisierten sich Tschechien, Polen und Ungarn her-aus, gefolgt von Rumänien, Slowenien und den balti-schen Ländern. Einher ging diese Entwicklung mit einer großen Zahl gemeinsam betriebener wissenschaftlicher Projekte, etwa Erasmus-Intensivprogramme, Projek-te zur Lehrplanentwicklung, zur hochschulpolitischen Governance oder zur Implementierung von Bologna-Zielen. Erasmus, Erasmus Mundus, Tempus und weitere europäische Initiativen wurden zum Motor dafür, Ge-trenntes zusammenzuführen und die Tradition einer einstmals florierenden hochschulischen Zusammenar-beit wieder aufleben zu lassen.

Parallel zu den europäischen bildungspolitischen Ent-wicklungen waren auch signifikante regionale Initiativen entstanden, die sich um die akademische Kooperation unter Einbindung der vormaligen ›Ostblock-Staaten‹ bemühten. Zu nennen sind hier die Zentraleuropäische Initiative, das Netzwerk der Schwarzmeer-Universitäten und nicht zuletzt das CEEPUS-Programm. All diese Netz-werke hatten es sich zum Ziel gesetzt, die wissenschaft-liche Zusammenarbeit einer einstmals so eng verbunde-nen Region neu zu beleben und zu stärken. Die Mobilität von Studierenden, Lehrenden und Forscher/innen sowie gemeinsame Entwicklungsprojekte – egal, ob durch euro-päische oder regionale Initiativen gefördert – haben auch einen anderen wesentlichen Zweck erfüllt: Sie trugen und tragen dazu bei, Bildungs- und Hochschulpolitik in

Richtung Gemeinsamkeiten zu gestalten und den Kontinent weiter zusammen-wachsen zu lassen.

Im Juli 2013 beschäftigte sich eine große internationale Tagung des OeAD in Wien mit der Hochschulkooperation zwischen den Ländern der Region. Teilnehmer/- innen aus 20 Ländern diskutierten zu-künftige Chancen und Herausforderun-gen, bestärkten aber auch den Befund, dass es sich bei der Zielregion um eine gewachsene Einheit handelt und Zusam-menarbeit im Hochschulbereich für alle Beteiligten immense Vorteile birgt. Das 2014 angelaufene EU-Programm Eras-mus+ beinhaltet neue Möglichkeiten der Kooperation, in besonderem Maße auch für Länder der europäischen Partnerschaft im Osten (Ukraine, Kaukasus, Zentral- asien). Diese ›natürliche Erweiterung‹ wird von Österreich aktiv und engagiert genutzt werden.

Der 25. Jahrestag des Falls des Eisernen Vorhangs ist ein guter Anlass, zurück-zuschauen und zu reflektieren. Ebenso wichtig ist aber auch der Blick nach vorne. Jener Teil Europas, der bis 1989 am Rande des öffentlichen Bewusstseins lag, ist ins Zentrum gerückt. Kooperationen in die-ser Region zu fördern, sollte in besonde-rem Maße Aufgabe der österreichischen Hochschulen sein. Erasmus+ kann dazu einen bedeutenden Beitrag leisten.

Erasmus Studien- und Lehraufenthalte im vormaligen Ostblock

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Ursula Panuschka

Kooperationen im SchulbereichZiel der Donauraumstrategie ist es, allen Bürger/innen des Donauraums bis 2020 bessere Chancen auf Bildung, Beschäftigung und Wohlstand in ihrer Heimatregion zu ermöglichen.

Ländern der EUDRS immens unter-schiedlich sind, v. a. wenn man hier an die frühkindliche Bildung, an die Berufs-bildung oder an die Chancen am Arbeits-markt nach einer akademischen Ausbil-dung denkt. Wenn man darüber hinaus noch in Betracht zieht, dass in Südost-europa allein über fünf Mio. Roma leben, sind die zivilgesellschaftlichen Heraus-forderungen z. B. in Form von Antidiskri-minierungsprogrammen unübersehbar.4 Die europäische Bildungspolitik hat die-sen Bedarf erkannt und mit der Strategie der Europäischen Union für den Donau-raum diesem Handlungsdruck Rechnung getragen.

›Von mir, der Donau, kannst Du die Lektionen des ewigen Lebens lernen‹ György Konrád, 1998

4 Einen diesbezüglichen Schwerpunkt setzt die Nationalagentur mit einer Veranstaltung (gemeinsam mit dem BMBF) zum Thema ›Empowering marginalised groups through education and training in the Danube region‹ am 2. Oktober 2014 – vor allem mit dem Fokus auf Schüler/innen der Primar- und Sekundarstufe.

Die Donau fließt als Europas zweitlängster Fluss (2.857 km) vom Schwarzwald ins Schwarze Meer. Drei Haupt-städte (Wien, Budapest und Bukarest) und viele ande-re wichtige Handels- und Kulturzentren liegen an der Donau, die heute (wieder) ein Symbol für das geeinte Europa ist.

Der Donauraum ist eine Makroregion mit zehn Ländern und mehr als 100 Mio. Menschen – gesellschaftlich, wirtschaftlich und historisch spannend, steht jedoch ob der großen Vielfalt auch vor ökonomischen und politischen Herausforderungen. Der Donauraum ist eine lernende Region, die neue Wege und somit auch neue Kompetenzen fordert. Entlang der Donau und im Donauraum ist die bewegte Geschichte der Do-nauländer ständig spürbar, oder wie es als Leitgedan-ken der Comenius-Schulpartnerschaft des Bruckner Gymnasiums Wels ›Wege über die Donau – Grenzen im Fluss‹ so treffend formuliert wurde: ›Die Donau durch-strömte in der Vergangenheit das Gebiet dieser Länder nicht als unüberwindbare Barriere, sondern verband dieses zu einem freizügigen gemeinsamen Kultur- und Zivilisationsraum.‹1

Die EU-Donaustrategie (EUSDR) wurde im Juli 2011 im-plementiert und fokussiert auf 115 Mio. Menschen in 14 Staaten: Bosnien Herzegowina, Bulgarien, Deutsch-land, Kroatien, Moldawien, Montenegro, Österreich, Rumänien, Serbien, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ukraine und Ungarn. Letztendlich soll mit diversen Scherpunkten ein Mehrwert für die Entwicklung des Donauraums erzielt werden. Die Donaustrategie fußt auf vier Säulen, nämlich der Anbindung des Donau-raums, dem Umweltschutz im Donauraum, dem Auf-bau von Wohlstand im Donauraum und der Stärkung des Donauraums. Österreich spielt in der Umsetzung der Strategie, nicht zuletzt wegen der geografischen Lage, eine zentrale Rolle und hat von insgesamt elf zu koordinierenden Prioritäten innerhalb der Donauraum-strategie für drei Prioritäten den Zuschlag seitens der Europäischen Kommission erhalten:

1 www.danuvius.net

Æ Priorität 1 a ›To improve mobility and multi-modality – Inland waterway transport‹ (Österreich und Rumänien)

Æ Priorität 9 ›Investing in people and skills‹ wird gemeinsam vom BMASK und dem BMBF sowie dem zweiten Partnerland Moldau koordiniert

Æ Priorität 10 ›To step up institutional capacity and cooperation‹ (Österreich und Slowenien)

In der Donaustrategie werden Herausforderungen und Potenziale definiert, denen sich die betroffenen Akteur/- innen gemeinsam widmen wollen. Vor allem auf Prio-rität 9 wird seitens der bildungspolitischen Zielsetzun-gen Österreichs natürlich großes Augenmerk gelegt. Der Bereich Schulbildung innerhalb der Nationalagen-tur im OeAD stellt seit 2012 eine ihrer Hauptveranstal-tungen unter diesen Schwerpunkt. So fand am 24. und 25. Juni 2014 in Wien in Kooperation mit dem BMBF die thematische Konferenz ›Learning, teaching, ex-changing – school cooperations in the Danube Region‹ statt. Rund 40 Lehrer/innen aus neun Ländern nutzten die Konferenz, um sich zum Thema Donauraum auszu-tauschen und neue Projekte anzubahnen.2 Eine kleine Auswahl an erfolgreichen Projekten finden Interessierte auch auf der Webseite der OeAD-GmbH3. Diese Projekt- kooperation im Bildungsbereich ist umso wichti-ger, weil die öffentlichen Bildungsstrukturen in den 2 Konferenzrückblick und Fotos: www.etwinning.at/index.php/veranstaltungen3 www.oead.at/donauraum-doku

Chancen für unsere Kinder: Die Länder des Donauraums wollen

gemeinsam an bildungspoliti-schen Zielsetzungen arbeiten.

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internationale Anerkennung und besitzt jahrelange Erfahrung in der internationalen Zusammenarbeit, darunter auch mit österreichi-schen Hochschulen.

Am zweiten Tag galt das erste Treffen dem Präsidenten der Islami-schen Azad-Universität in Teheran, Hamid Mirzadeh. Mit 1,7 Mio. Studierenden gehört die Universität zu den größten Universitäten weltweit und verfügt mit ihren Standorten im In- und Ausland über ein internationales Netzwerk. Besonderes erfreulich war die Sitzung am Nachmittag mit Vertreter/innen der Universität Teheran, die in Zusammenarbeit mit der Direktorin des Österreichischen Kultur- forums in Teheran, Gabriele Juen, organisiert wurde und am Research Centre for Foreign Language stattfand. Die hohe Qualifikation des Lehrpersonals und die modernen Forschungseinrichtungen der Uni-versität Teheran machen sie zum idealen Partner für internationale Kooperationen.

Beim Gespräch mit dem Vizeminister für Internationale Kooperatio-nen im Wissenschaftsministerium Salar Amoli ging es um konkrete Kooperationsmöglichkeiten. Eine Arbeitsgruppe wird in den nächs-ten Monaten die Möglichkeiten für Studierendenaustausch überprü-fen. OeAD-Geschäftsführer Dürrstein machte u. a. den Vorschlag für

Anknüpfend an eine im Auftrag der OeAD-GmbH durchgeführte Studie zur ›Zusammenarbeit in Bildung und Wissenschaft zwischen Österreich und Iran – Situation und Perspektiven‹ wur-de im April 2014 eine Reise mit öster-reichischen Hochschulvertreter/innen zu Bildungsinstitutionen in Iran un-ternommen. An der OeAD-Delegation haben Vertreter/innen der Universität Wien, Universität für Bodenkultur, Technischen Universität Wien, Ludwig Boltzmann Gesellschaft, FH Joanneum Graz und der Akademie für Traditionelle Europäische Medizin teilgenommen. Ziel der Delegationsreise war, persönli-che und institutionelle Kontakte anzu-bahnen und zukünftige Kooperations-möglichkeiten auszuloten.

Die Delegation stand unter der Leitung des OeAD-Geschäftsführers Hubert

Dürrstein und führte nach Teheran, Schiras und Isfahan. Unterstützung er-hielt die Österreich-Delegation durch die diplomatische Vertretung in Iran. Botschafter Friedrich Stift begleitete die Teilnehmer/innen in Teheran zu diver-sen Treffen mit Bildungsinstitutionen.

Das erste Treffen fand im Präsidial- büro der Islamischen Republik Iran statt. Der Vizepräsident für Internationale Angelegenheiten und Technologie-austausch Ali Birang eröffnete die Ge-sprächsrunde und gab einen Überblick über den Stellenwert der Bildung und Wissenschaft im heutigen Iran. Nach einem Treffen mit Angehörigen der Universität Semnan fuhr die Delegation zur Shahid Beheshti Universität, wo sie vom Universitätsrektor und Vizerektor für Internationale Kooperationen emp-fangen wurde. Die Universität genießt

Afsaneh Gächter

Austria meets IranAuf einer Delegationsreise loteten OeAD und österreichische Hochschulvertreter/innen die Möglichkeiten der Bildungs-zusammenarbeit mit Iran aus.

Meeting an der Shahid Beheshti Universität in Teheran: v. l. n. r. Markus Ritter (Universität Wien), Friedrich Stift (Österr. Botschafter), Hubert Dürrstein (Geschäftsführer OeAD-GmbH), Mohammad-Mehdi Tehranchi (Rektor der Shahid Beheshti Universität), Houman Liaghati (Direktor der Fakultät für Umwelt-wissenschaften) und Hossein Pourahmadi (Vizerektor für Internationale Kooperationen) ©

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ein beidseitiges Austauschprogramm – etwa zehn von jedem Land finanzierte Stipendien für Incoming- und Outgoing-Studierende. Mit zwei weiteren Sitzungen in der Universität für Wissenschaft und Technologie und der Allameh Tabataba'i Universität beendete die Delegation ihr Programm in Teheran, um am vierten und fünften Tag in den Städten Schiras und Isfahan weitere Gespräche zu führen.

Seitens der Universität Schiras besteht großes Interes-se an einer Kooperation mit Österreich. Auf Einladung des Rektors Majid Ershad nahmen an dem Treffen ne-ben der Vizepräsidentin für Internationale Kooperati-onen und dem Vizepräsident für Lehre und Forschung auch zahlreiche Angehörige anderer Fakultäten teil, darunter auch die Institute für Bodenkultur, Rechtwis-senschaften und Archäologie.

Anknüpfen an eine lange Tradition der Bildungszusammenarbeit

Durch die OeAD-Delegation lernten die Teilnehmer/-innen in Iran viele universitäre Einrichtungen kennen und konnten direkte Gespräche mit ihren Fachkolleg/-innen, Vertreter/innen der Hochschulen und dem Wissenschaftsministerium führen. Im Mittelpunkt vieler Gespräche standen die Möglichkeiten und Po-tenziale für ein bilaterales Stipendienprogramm, ge-meinsame Sommerschulen, Forschungstätigkeiten, Publikationen, Konferenzen und Workshops. Dabei stellte sich heraus, dass das Interesse an universitärer Zusammenarbeit auf iranischer Seite sehr groß ist. Wie internationale Hochschul-Rankings zeigen, hat sich die fachliche Qualität der iranischen Universitäten in den letzten drei Jahrzenten rasch weiterentwickelt. Ein wichtiges Anliegen des Wissenschaftsministers Reza Faraji Dana ist die Internationalisierung der irani-schen Bildungs- und Forschungslandschaft.

Die Zusammenarbeit in Bildung und Wissenschaft zwischen Österreich und Iran hat eine lange Tradition, die bis ins 19. Jahrhundert zurückreicht. Seit mehr als sechzig Jahren ist Österreich für junge Menschen aus

Iran ein beliebtes Land, um hier einen akademischen Grad, meist in natur-wissenschaftlichen und technischen Fächern, zu erwerben. Derzeit gibt es in Österreich zirka 1.500 Studierende iranischer Herkunft, es gibt auch einige universitäre Partnerschaften zwischen beiden Ländern.

Die OeAD-GmbH hat seit 2004 im Rah-men der Programme Eine-Welt-, Ernst Mach-, Mondi-, Nord-Süd-Dialog-Stipendien und den OeAD-Sondersti-pendien 75 Stipendien an Studieren-de aus Iran ausbezahlt. In zahlreichen Sondierungsgesprächen zwischen den iranischen Fachkolleg/innen und den österreichischen Hochschulvertreter/-innen liegen nun einige Vorschläge auf dem Tisch. In Frage kommen etwa Ko-operationen in den Bereichen Umwelt- und Energiemanagement, Wasserwirt-schaft, Bioökonomie, Forstwirtschaft, Medizinal- und Aromapflanzenanbau, Stadtplanung, Tourismusmanage-ment, Archäologie, islamische Kunst-geschichte und Rechtswissenschaften.

Es sollten dabei bestehende Kontakte zwischen österreichischen und irani-schen Hochschulen genutzt werden, um zukünftige Austauschprogramme zu initiieren. Zu den ersten konkreten

Maßnahmen zählt ein Arbeitstreffen mit einer ira-nischen Delegation, das am 20. Juni 2014 im OeAD-Haus stattfand. Der Vizeminister für Internationale Kooperationen Salar-Amoli kam mit drei Universitäts-präsidenten nach Wien, um die Gespräche über die Bildungszusammenarbeit fortzusetzen. OeAD-Ge-schäftsführer Dürrstein lud Vertreter/innen des Minis-teriums für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft, des Außenministeriums, OeAD-Mitarbeiter/innen und der österreichischen Universitäten zum Treffen ein. Der iranische Vizeminister stellte finanzielle Un-terstützung sowohl für Incoming- als auch für Outgo-ing-Studierende in Aussicht. Für die kommenden Mo-nate planen nun einige österreichische Hochschulen und Forschungseinrichtungen Delegationsreisen nach Iran, um weitere Gespräche über konkrete Kooperati-onsmöglichkeiten zu führen.

Afsaneh Gächter ist Sozialwissenschaftlerin und Beraterin für interkulturelle Verständigung und Diversitätskompetenz. Sie forscht und publiziert im Bereich Bildung, Wissenschaft und Know-how-Transfer zwischen Österreich und Iran. 2013 führte sie im Auftrag der OeAD eine Studie zum Thema ›Zusammenarbeit in Bildung und Wissenschaft zwischen Österreich und Iran‹ durch und organiserte die Delegationsreise.

Besuch der Freitagsmoschee in Isfahan: v. l. n. r.: Anna Müller-Funk (Ludwig Boltzmann

Gesellschaft), Stefan Hammer (Universität Wien), Hubert Dürrstein, (Geschäftsführer

OeAD-GmbH), Brigit Gusenbauer (FH-Joanneum Graz), Markus Ritter (Universität Wien) und

Claudia Theune-Vogt (Universität Wien)

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Hans Peter Manz, öster-reichischer Botschafter in Washington (zweiter v.l.), mit dem Projektteam vom Institut für Architektur und Entwer-fen der TU Wien. v.l.n.r.: Karin Stieldorf, Claus Schnetzer, Gregor Pils

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Éva Kovács

Die Träume der GrenzwächterDer verzauberte Wald von Kőszeg

Wenn man Ungarn bei Kőszeg ver-lässt, kommt man nach Rattersdorf (Rőtfalva). Ein auf Stelzen stehender, trauriger Wachturm bewacht die verlas-sene, nun zum dezenten sozialistischen Realismus gezähmte und mit Mosaiken belegte Grenzübergangsstation. Oft überqueren Ungar/innen und Öster-reicher/innen die Grenze hier, denn in Wahrheit existiert sie gar nicht mehr. Sie ist ein leichtes Hindernis, an dem man lediglich ein bisschen langsamer fahren muss. Die Grenzstation ist das meist abgenutzte Gebäude im ganzen Umkreis: sowohl im Westen als auch im Osten empfängt uns eine niedlichere Welt. Es ist ein Niemandsland, es ist der dagelassene Dreck des verschollenen Sozialismus.

Ungarn umringt Rattersdorf – in der Zeit des Eisernen Vorhangs hätte man sagen können, dass Ungarn Rattersdorf sogar erwürgen will. Nach den im Ver-trag von Trianon festgelegten Grenzzie-hungen kam dieses Dorf zu Österreich, die Ausläufer der benachbarten Wälder und Hügel blieben aber ungarisches Ter-ritorium. Aus dem Rattersdorfer Winkel führte der einzige freie Ausgang jahr-zehntelang über das benachbarte Dorf Liebing. So weit das Auge reicht, war es ein vermintes, später mit einer ›elekt-ronischen Alarmanlage‹ geschütztes Grenzgebiet. Ein wunderschöner, aber bis 1989 unzugänglicher Wald. Nur ungarische Grenzpolizisten durften den Wald betreten und auch nur während des Dienstes. Die Grenzwache dürfte unendlich langweilig gewesen sein – viel länger und langweiliger, als eine kommunistische Weltsicht-Stunde in der Schule. Und wie die Zeit in der Schu-le unter anderem mit dem Beschmieren und Gravieren der Bänke vertrieben wird – hat jemand schon eine Schul-bank ohne ein eingraviertes durchsto-chenes Herz gesehen? – so duldeten die metallgrauen, glattstämmigen Buchen

des Kőszeger Mischlaubwalds die uralte, zum Vertreib der Langeweile gedachte Kreativität. ›Imre Márkus 2.II.1958‹, ›Fodor M. Ják‹, ›Évike‹, ›Troty Pastor‹, ›Kat-inka, ich liebe dich!‹ (siehe Bild links), ›Antal Borbolya, 1957-1959‹, ›József Fejes 1970-73‹, ›Keszthely‹, ›324, 321, 309, 297, 271, 200, 156, 103, …(siehe Cover)‹ – und noch mehr in hunderten, tausenden Bäumen eingravierte Botschaften. Auf den ersten Blick fallen diese Botschaften gar nicht auf, es scheint, als ob man in einem normalen Wald spazieren würde. Dann, wenn man die erste Gravierung bemerkt, sucht das Auge schon die zweite, dann die dritte,und auf einmal be-ginnt die bisher unbewegliche Landschaft zu pulsieren und die grauen Stämme ziehen einen magnetisch an: Lies mich vor, entziffere mich auch!

Während das in die leblose Schulbank eingravierte durchgestochene Herz in seiner Originalgröße für die Nachwelt erhalten bleibt, wachsen (oder schwellen) die in lebendige Bäume eingekerbten Zeichen über die Jahrzehnte mit dem Baum mit: ›Ich liebe dich, Mari‹ geht auf, und mit ihr auch Mari selbst. Das am 15. August 1960 entstandene Werk trägt den Namen ›Die Träume der Grenzwache‹ und hatte schon ursprünglich den ganzen Baumstamm umschlungen. Nun, 50 Jah-re später, sind die Gravierungen um einen Finger lang dicker geworden, das Stillleben wird erst sichtbar, wenn man eine Runde um den Baumstamm dreht. Die na-türlichen Wunden des Baumes verschmelzen mit den verursachten. Abstreiten kann man es wirklich nicht, dass die Mehrheit der Schnitzereien auf das Thema Sexualität abzielt – aber auf was sonst in einer ge-schlossenen Männergesellschaft?

Der Macher von ›Katinka, ich liebe dich‹ ist ein gebore-ner Karikaturist: Katinkas Frisur ist aus den 60ern, ihre Brüste stehen bis heute keck aufrecht in den Himmel, ihre Hand ruht auf ihrer Hüfte, die sie ein bisschen herausschreckt, ihre Beine sind wie die Flossen ei-ner Meerjungfrau, sie ist eine kesse Nixe. Ein wahres Kunstwerk. Es gibt auch viele fragmentarische Wer-ke, gewollt oder der Dienst ging einfach zu Ende oder der Grenzpolizist wurde von einem Alarm aus seiner Träumerei aufgeweckt. Der ganze Wald ist schwül von Erotik. Aber auch harte Qual.

Das andere große Thema ist die Zeit: die unendlich schrecklich lange Zeit des Militärdienstes. Drei Jahre, dann zwei Jahre, später ganz viel Rückwärtszählen, die

Zahl der Tage wird langsam, aber doch immer weniger. In manche Baumstämme ist der Stacheldraht einge-wachsen (siehe Bild Seite 7).

Fred Misik, ein in Wien und Rattersdorf lebender Künstler, Bauer und Sammler, bewirtschaftet seit einigen Jahren den Garten seiner Großeltern. Bei ei-nem Spaziergang im Rattersdorfer Wald befand er sich plötzlich auf der Kőszeger Seite und entdeckte die Bäume. Obwohl er kein Ungarisch spricht, kennt er die Geschichte der Grenze und die eingravierten Figuren, Worte, Texte und Zeichnungen verzauberten ihn. Er begann eine fiebrige Dokumentationsarbeit, er fotografierte tausende Bäume. Neben der Fotografie entwickelte er neue Methoden, um die in die Bäume geschnitzte Vergangenheit zu verewigen. Er nimmt ein großes Blatt Papier, klebt es an den Baumstamm über die Eingravierung und wischt mit einem in Far-be getunkten Schwamm drüber. Oder er streicht eine große, nasse Tonplatte darüber, transportiert sie nach Hause und gießt sie mit Gips aus. Er fabriziert die To-desmasken der Bäume. Er rettet sozusagen die Ver-gangenheit. Auf den aufgehängten Umhängen und Masken sieht man die Eingravierungen so, wie man sie in echt nicht sehen könnte: Sie sind Abbilder einer untergegangenen, toten Welt.

Inzwischen wird der Wald auf der ungarischen Seite des österreichisch-ungarischen Írottkő Naturparks, der zum Kőszeger Naturschutzgebiet gehört, abge-holzt. Bei meinem letzten Besuch landeten wir bei einer solchen Rodung, wo mehrere Dutzend Bäume schon gefällt worden waren. Auf den Stämmen sah man aber noch, dass viele von ihnen ›beschrieben‹ waren. Der verzauberte Wald von Kőszeg – der sogar kulturelles Erbe, sogar ein Schulausflugsort für eine Geschichtsstunde über das 20. Jahrhundert sein könn-te, wird möglicherweise in ein paar Jahren vernichtet sein, obwohl wir ihn noch gar nicht entdeckt hatten. Sehr schade.

Die Werke wurden bei zahlreichen Ausstellungen, u. a. 2010 unter dem Titel ›Grenzwaldpoesie‹, 2011 ›Wooden Heart‹ und 2012 im Rahmen der Veranstal-tung ›Säulen der Erinnerung‹ in Wien gezeigt.

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Stefanie Meier

›Why be mobile when sticking is more rewarding?‹1

Akademische Mobilität in Österreich: Ergebnisse der Ascina Mobility Study.

Der Verein Ascina (Austrian Scientists and Scholars in North America) ist ein un-abhängiges Netzwerk österreichischer Wissenschaftler/innen, die das gemeinsame Ziel der Forschung bzw. des Studiums in Nordamerika verbindet. Die Alumni Grup-pe Ascina Wien hat eine Umfrage initiiert, um Vorteile, Hürden und Verbesserungs-potenziale akademischer Mobilität aufzuzeigen. Die Studienergebnisse wurden am Institut für Soziologie der Universität Graz ausgewertet und vor kurzem publiziert. Einige wichtige Punkte werden im Folgenden dargestellt.

Daten zur Auswanderung

Für die Studie wurden Akademiker/innen aus dem Ascina- und anderen internati-onalen Netzwerken befragt. Beinahe alle Befragten (94 Prozent) verfügten über Auslandserfahrung, zwei Drittel der Befragten lebten zum Zeitpunkt der Umfrage im Ausland. In der Studie zeigte sich, dass mit zunehmender Dauer des Aufenthalts die Wahrscheinlichkeit der Rückkehr nach Österreich signifikant sinkt. Nach mehr als zehn Jahren im Ausland kehrte nur ein Prozent der Befragten nach Österreich zu-rück. Die Auslandaufenthaltsdauer ›drei bis fünf Jahre‹ stellt den (Re-)Turning Point dar: Hier entscheidet sich, ob man weiterhin im Ausland oder in Österreich leben möchte (siehe Abb. 1).

Unabhängig von der Dauer des Auslandaufenthalts wanderten knapp zwei Drittel der Akademiker/innen alleine aus, nur ein Bruch-teil der Befragten migrierte samt Familie. Dieses Ergebnis stimmt damit überein, dass die Vereinbarkeit mit der Partnerschaft für die Befragten die größte Hürde bei der Auswanderung darstellt. Öffent-liche Stellen sollten der gemeinsamen Auswanderung und Rückkehr der Akademiker/innen höhere Priorität einräumen.

Hürden bei der Migration

Vor einer Auswanderung sind die Probleme auf privater und auf in-stitutioneller Ebene zu lokalisieren (siehe Abb. 2). Nach der bereits erwähnten Vereinbarkeit der Karrierepläne der Partner/innen ste-hen finanzielle Bedenken an zweiter Stelle und vergrößern zudem weitere Sorgen, wie beispielsweise die logistische Organisation der Familie. Auf Platz drei folgt die Sorge um den Verlust der sozialen Absicherung.

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Abb. 1 Gegenwärtiger Arbeitsort und Auslandserfahrung der Befragten

1 Zitat aus offenen Fragestellungen des Fragebogens, siehe Studie www.ascina.at, Chapter Wien

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Ebenso gibt es verschiedene Bedenken vor einer Rückkehr nach Österreich, dazu gehören v. a. die Sorge um den Ausschluss aus der österreichischen Scientific Community, die Integration der Familie und die Anerkennung der erbrachten Leistungen.

Why be mobile?

Ein wesentliches Merkmal akademi-scher Mobilität ist die Ausbildung global kompetenter Wissenschaftler/-innen, die sich durch einen innovativen und interdisziplinären Arbeitsstil sowie Professionalität in ihren Sprach-, Kom-munikations- und Präsentationsfähig-keiten auszeichnen. Der internationale Austausch mit führenden Forschungs-ländern sowie die erfolgreiche Rück-kehr nach Österreich bringen nicht nur einzelnen Arbeitgeber/innen Wettbe-werbsvorteile – die österreichische For-schungs- und Wissenschaftslandschaft erhält dadurch eine internationale und wettbewerbsfähigere Topografie.

Langfristige Änderung von (Denk-)Strukturen

Die Hürden vor und nach der Auswan-derung behindern die Internationali-sierung der österreichischen Wissen-schaftslandschaft. Wie lässt sich das Problem einer durchschnittlichen Mo-bilität und einer geringen Rückkehr-rate von österreichischen Akademiker/-

innen lösen? Laut Studie sollten effi-ziente Strukturen und unkomplizierte Hilfestellungen geschaffen werden, die eine Zerrüttung des Privatlebens der Akademiker/innen bei der Auswande-rung und der Rückkehr verhindern. Eine einfachere und schnellere Anerkennung der im Ausland erbrachten Leistungen, Programme zur sozialen Absicherung für die Zeit der Auswanderung sowie eine verstärkte Vernetzung der öster-reichischen Scientific Community wäh-rend des Auslandaufenthalts können die Rückkehr erleichtern.

Ein weiteres Problem ist der Stellenwert der erworbenen globalen Kompetenz. Globale Kompetenz wird nur unzurei-chend von Entscheidungsträger/innen und potenziellen Arbeitgebern aner-kannt und gefordert. Bei den Betroffe-nen besteht daher ein starker Wunsch nach Transparenz bei der Jobvergabe und Wettbewerbsvorteilen durch er-worbene Auslandserfahrung. Im Zuge einer Aufwertung akademischer Mobi-lität im tertiären Bildungssektor kann die Bewusstseinsbildung für diese per-sönlichen und professionellen Vorteile vorangetrieben werden.

Geeignete Mittel dazu wären: Erfolg und Nutzen des internationalen Austauschs an Bildungseinrichtungen stärker sicht-bar machen, Internationalität im Alltag der Studierenden verankern (Sprach-kurse, verpflichtende Auslandssemes-

ter, internationales Lehrpersonal, Gastvortragende) und nicht zuletzt eine Erhöhung der Stipendien.

Zusammenfassung

Der Schritt ins Ausland vermag nicht nur den persönli-chen Horizont zu erweitern: Professionelle und beruf-liche Qualifikationen werden erworben und vertieft, globale Kompetenzen ausgebildet. Jene, die selbst den Schritt ins Ausland wagten, wissen um die wertvolle berufliche und persönliche Bereicherung. Doch deren Anerkennung in Österreich hinkt noch mehrfach nach – sowohl auf professioneller, institutioneller als auch gesetzlicher Ebene. Die vollständigen Studienergeb-nisse, die im Detail auf der Website www.ascina.at, Chapter Wien, zum Download zur Verfügung stehen, geben Einblick in die Lebenswelten der migrierten Akademiker/innen, streichen die positiven Effekte ei-ner Auswanderung hervor und zeigen darüber hinaus, worauf eine zielgruppenorientierte Lösung abzielen sollte.

Stefanie Meier, BA, absolviert derzeit ihr Masterstudium zum ›Joint International Master in Cultural Sociology‹ am Institut für Soziologie der Karl-Franzens-Universität Graz. Nach einem Studienaufenthalt in Istanbul von 2011 bis 2012 hat sie im Rahmen eines freiwilligen Berufsprak-tikums die Auswertung, Beschreibung und inhaltliche Gestaltung einer Broschüre der Ascina Mobility Study durchgeführt. Derzeit verbringt sie ein Auslandssemester in Brünn, Tschechische Republik.

infopointwww.ascina.at

Persönliche

Hürden

Vereinbarkeit mit Karriereplänen der Partner/in

Finanzielle Bedenken

Verlust der sozialen Sicherheit

Logistische Organisation der Familie

Verlust der Position und des Netzwerks in Österreich

60 Prozent und höhere Zustimmung

30 bis 60 Prozent Zustimmung

Institutionelle

Hürden

Zu wenig Information zu akademischer Mobilität

Wettbewerbsorientierte Forschungsstruktur im Ausland

Sprachliche Barrieren

Kulturelle HürdenBis 30 Prozent Zustimmung

Abb. 2 Hürden vor dem Auslandsaufenthalt

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Christine Juen | Thomas Reichenbach

Zusammenarbeit OeAD und DAADErfahrungsaustausch zum Thema transnationale Bildungszusammenarbeit.

Die Zusammenarbeit zwischen OeAD und der deut-schen Schwesterorganisation DAAD (Deutscher Aka-demischer Austauschdienst) ist traditionell sehr eng. Informelle Abstimmungsgespräche, gemeinsame Ver-anstaltungen, gegenseitige Einladungen zu Podiums-diskussionen sind schon seit langem Bestandteil der guten Beziehungen der beiden Organisationen.

Um den deutschsprachigen Bildungsstandort gemein-sam zu fördern und Synergien zu nutzen, gibt es nun auf Ebene der Geschäftsführung beziehungsweise des Generalsekretariats einen informellen Austausch. Im März 2013 besuchten OeAD-Geschäftsführer Hubert Dürrstein und die Leiterin des ICM, Christine Juen, die Generalsekretärin des DAAD, Dorothea Rüland, in Bonn. Verwandte Aktivitäten wie das Lektoratspro-gramm, Brasiliens Stipendienprogramm ›Science wi-thout Borders‹, die Präsenz des OeAD und DAAD im Ausland und die Vermittlung der deutschen Sprache wurden besprochen und Erfahrungen ausgetauscht.

Bildungsexport unterstützt Internationalisierung

Die Unterstützung der Internationalisierung in der tertiären Bildung ist, als einer der Kernaufgaben der beiden Organisationen, ebenfalls stets ein wichtiges Thema für einen Erfahrungsaustausch. DAAD und OeAD sehen vor allem in der transnationalen Bildung bzw. im Bildungsexport große Chancen für den Hoch-schulsektor im deutschsprachigen Raum. Ein partner-schaftlich orientierter Bildungsexport nützt sowohl den deutschen bzw. österreichischen als auch den internationalen Hochschulen. Er unterstützt die Inter-nationalisierung der Hochschulen in Deutschland und Österreich und orientiert sich am bildungspolitischen Bedarf der Gastländer. Dieses Zukunftsthema wird da-her von beiden Organisationen mit den interessierten Stakeholdern diskutiert und die Möglichkeiten für die jeweiligen Hochschulsektoren sondiert.

Der OeAD und die Wirtschaftskammer Österreich or-ganisieren zweimal jährlich Plattformsitzungen zum

Thema Bildungsexport, die eine Ab-stimmung der Aktivitäten und Maß-nahmen sowie einen Erfahrungsaus-tausch ermöglichen. Von Seiten der Wirtschaftskammer sind die Außen-wirtschaft, das WIFI International und die bildungspolitische Abteilung vertre-ten. Des Weiteren sind auch Vertreter/innen anderer relevanter Institutionen eingebunden, wie die Österreichische Universitätenkonferenz (uniko), die Fachhochschul-Konferenz (FHK) sowie die Ministerien für Wissenschaft, For-schung und Wirtschaft (BMWFW) und Bildung und Frauen (BMBF).

Plattform Bildungsexport in Österreich

Zur letzten Plattformsitzung Bildungs-export, die am 30. Juni 2014 in den Räumlichkeiten des OeAD stattfand, war der Leiter der Gruppe ›Hochschul-projekte im Ausland‹ im DAAD, Stephan Geifes, eingeladen. Geifes ging in seiner Präsentation auf das Konzept der trans-nationalen Bildung in Deutschland ein, erläuterte die verschiedenen Modelle und berichtete über Erfahrungen, die der DAAD und deutsche Hochschulen mit transnationalen Bildungsprojekten in den vergangenen Jahren gemacht haben.

Für Geifes handelt es sich bei transnati-onaler Bildung, kurz gesagt, um die Mo-bilität von Strukturen statt Personen. Im Laufe der Jahre haben sich, so Geifes, drei Formate Transnationaler Bildung mit einer Förderung durch den DAAD herausgebildet: Kooperative Studien-gänge (weltweit, Schwerpunkt Mittel- und Osteuropa und GUS), Branch Campi

(wie z. B. das German Institute of Science and Techno-logy – TUM Asia in Singapur oder das Heidelberg Cen-ter in Santiago de Chile) und schließlich binationale Hochschulen (wie z. B. die Turkish-German University, die Vietnamese-German University oder die German University Cairo). Allen Modellen gemeinsam ist der Fokus auf Praxis- und Forschungsorientierung, der Einsatz des eigenen Lehrpersonals und die Verwen-dung eigener Curricula, die Orientierung an deutschen Standards und die Unterstützung aus öffentlichen Mitteln mit dem Ziel der Nachhaltigkeit. Zum Schluss ging Geifes auf die Herausforderungen der transnati-onalen Bildung ein. Er teilt diese in drei Bereiche: die Durchführbarkeit, die Qualität und die Nachhaltigkeit. Die anspruchsvollen Strukturen, komplexe Rahmen-bedingungen, die zum Teil gegebene Notwendigkeit einer Konsortialbildung, die Kapazitäten, Entsendung des Lehrpersonals und die Anerkennung von Abschlüs-sen sind als Herausforderungen bei der Durchführung bzw. Realisierbarkeit der Projekte zu nennen. In quali-tativer Hinsicht wesentlich ist die Qualitätssicherung – inklusive der (externen) Akkreditierungen zusammen mit einem entsprechenden Qualitätsmanagement –, aber auch das Commitment der Partner und ein Spra-chenkonzept. Um schließlich die Nachhaltigkeit zu ge-währleisten, sind über das Qualitätserfordernis hinaus auch der Einsatz von E-Learning, eine administrative Harmonisierung, die Einbettung der ›Fly-in-Faculty‹ und last, not least die Alumni-Betreuung als wichtige Aspekte zu nennen.

Das transformative Potenzial transnationaler Bildung (sowohl im eigenen Land als auch im Ausland), die Be-deutung von Studiengebühren und die künftige Rolle der Forschung führte Stephan Geifes abschließend als offene Fragen an.

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2011). In seiner Broschüre ›Internationales Hoch-schulmarketing in Deutschland‹ macht der DAAD auf die Themenverschiebung seit den 1990er Jahren auf-merksam:

Æ von Internationalisierung zur Globalisierung Æ von der Informationsgesellschaft zur Wissens-

gesellschaft Æ von der Anerkennung als Einschätzung der

Äquivalenz zu einer detaillierten Messung der Qualität und Validierung

Æ von der strukturellen Vielfalt zur Homogenität oder gar Konvergenz

Æ von der Administration von Mobilität zu strategischer Aktion und Systemsteuerung der Internationalisierung (Teichler, 2004, in: Internationales Hochschulmarketing in Deutsch-land, 2011)

Die Auswirkungen dieser Entwicklung auf die OeAD-GmbH und ihre Partnerorganisationen sind nun Ge-genstand eines spannenden Diskussionsprozesses in der ACA-Generalversammlung. Es ist der OeAD-GmbH ein Anliegen, interessierte Hochschulen in Österreich über den Diskurs informiert zu halten. Im Dezember 2014 findet die nächste Generalversammlung der ACA statt. Wenn es vorab Beiträge seitens der Hochschulen zu ›Mainstreaming der Internationalisierung‹ gibt, bitten wir Sie, mit uns in Kontakt zu treten unter [email protected].

Im Jänner 2014 wurde Christine Juen, Leiterin des ICM, in dieses Gremium berufen. Die Generalversammlung bildet nicht nur das Entscheidungsgremium der ACA, sondern auch das Forum für strukturierte Dialoge über hochschulrelevante Themen, die für alle Mitglieds-organisationen von Interesse sind.

›Mainstreaming‹ der Internationalisierung

In Bordeaux wurde über ›Mainstreaming Internatio-nalisation‹ diskutiert. Das Phänomen des Mainstrea-ming geht auf die Entwicklung der Internationalisie-rung im Hochschulbereich zurück. Verglichen mit der Zeit Anfang der 90er Jahre, als die Forschung noch davon ausging, dass Internationalisierung klar abge-grenzt werden konnte (Teichler, 1996), ist die Inter-nationalisierung heute tendenziell stärker mit ande-ren Bereichen verknüpft (z. B. Management, Policy, Finanzierung). Dies führt damit zu einer gewissen Multi-Dimensionalität des Themas selbst. Während manche Mitgliedsorganisationen bereits über eine Mainstreaming-Tradition in der Hochschullandschaft berichten konnten, musste der Begriff für andere zu-nächst einmal definiert werden. Laut Hahn (2004, 123ff) kann von einem ›Mainstreaming der Interna-tionalisierung‹ gesprochen werden, wenn aktuelle In-ternationalisierungsstrategien, -politiken und –aktivi-täten von einer eher marginalen zu einer zunehmend zentralen Angelegenheit in den Hochschulen verscho-ben werden.

In den Niederlanden gibt es zum Beispiel Hochschulen, in deren Organigrammen kein zentrales International Office mehr aufscheint, berichtete Sijbold Noorda, ACA-Präsident und ehemaliger Präsident der Univer-sität von Amsterdam. Internationalisierung wird ge-lebt, und zwar von jeder Person am Campus und in jedem Bereich. Bernd Wächter, seit 13 Jahren Direktor der ACA in Brüssel, meinte in einem Interview für die oead.news, Internationalisierung sei im Mainstream der Hochschulpolitik angekommen. Internationalisie-rung ist von einem randständigen Phänomen zu ei-nem Systemkennzeichen avanciert (oead.news 4/81,

Seit Gründung der Academic Coopera-tion Association (ACA) im Jahr 1993 ist die OeAD-GmbH ein starker Partner der in Brüssel ansässigen Vereinigung nati-onaler Organisationen, die die Interna-tionalisierung der Hochschulen beglei-ten. Die ACA ist ein dynamischer Think Tank, dessen Aktivitäten u. a. Forschung und Analyse, Evaluierung, Beratung für private und öffentliche Körperschaften, Interessensvertretung und Publikati-onen im Bereich der internationalen Zusammenarbeit in der Hochschulbil-dung umfassen. Die ACA-Jahrestagung richtet sich an ein breites Zielpublikum, wie z. B. Regierungsvertreter/innen, in-ternationale Organisationen, NGOs und vor allem an Hochschuleinrichtungen. An den Hochschulen werden besonders die Mitarbeiter/innen von Institutionen angesprochen, die mit strategischen Fragen rund um die Internationalisie-rung befasst sind.

Im Juni 2014 fand die diesjährige, von der Agence Europe organisierte, Tagung in Bordeaux unter dem Titel ›Europe in the world. Higher education deve-lopments across the globe‹ statt. Die OeAD-GmbH war durch den stellver-tretenden Geschäftsführer Stefan Zotti vertreten. Anschließend an die Annual Conference trafen sich Vertreter/innen der nationalen Organisationen zur Ge-neralversammlung, wo wichtige stra-tegische Entscheidungen rund um die Arbeit der ACA getroffen werden. Die OeAD-GmbH nimmt in diesem Gremi-um traditionell eine wichtige Rolle ein: Von 2005 bis 2009 war Ulrich Hörmann und von 2009 bis 2013 Geschäftsführer Hubert Dürrstein einer der sieben Admi-nistratoren im Administrative Council.

Christine Juen

Der OeAD als wichtiger Partner in der ACA

›Mainstreaming der Internationalisierung‹ war Diskussionsschwerpunkt bei der diesjährigen ACA-Generalversammlung.

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Lydia Steinmassl

Young Science: Neue Wege für die Zusammenarbeit von Wissenschaft und Schule

›Bildung beginnt mit Neugierde.‹ Peter Bieri, Philosoph

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Seit 2011 ist Young Science, das vom Bundesminis-terium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft (BMWFW) initiierte und finanzierte Zentrum für die Zusammenarbeit von Wissenschaft und Schule, bei der OeAD-GmbH angesiedelt. Die Netzwerk- und Ser-viceplattform informiert über zahlreiche Initiativen an dieser Schnittstelle. Darüber hinaus führt Young Science zusehends auch eigene Projekte durch, wie etwa die Initiative ›Gemeinsam für nachhaltige Ent-wicklung – The Future We Want‹, die Schüler/innen und Wissenschaftler/innen ermöglichte, gemeinsam zum Thema Nachhaltigkeit zu forschen.

Neu ist die Themenplattform für vorwissenschaftli-che Arbeiten und Diplomarbeiten. Auf www.young science.at/themenplattform finden Jugendliche The-menanregungen für die vorwissenschaftliche Arbeit oder Diplomarbeit. Hierfür präsentieren Wissenschaft-ler/innen und Unternehmen Themen, ausgehend von einem aktuellen Forschungsprojekt, die in einer Arbeit aufgegriffen werden können. Damit Jugendlichen der thematische Einstieg leichter fällt, geben die Forscher/- innen auch Literatur-Tipps und weiterführende Links zum Beispielprojekt an.

Durch regelmäßig von Young Science organisierte Netzwertreffen können darüber hinaus neue Kontak-te geknüpft und Ideen für die Zusammenarbeit wei-terentwickelt werden. Die nächste Möglichkeit zur Vernetzung bietet sich beim Sparkling Science-Kon-gress, der am 17. November 2014 unter dem Motto ›Wissenschaft mit der Gesellschaft – Perspektiven für die gemeinsame Forschung mit Jugendlichen‹ in der Akademie der Wissenschaften in Wien stattfinden wird.

The Future We Want – Young Science- Projekte zum Thema Nachhaltigkeit

Über 700 Schülerinnen und Schüler haben sich 2013 und 2014 innerhalb der Initiative ›Gemeinsam für nachhaltige Entwicklung – The Future We Want‹ aktiv mit aktueller Nachhaltigkeitsforschung in Österreich auseinandergesetzt. Durch die vom BMWFW geför-derten Projekte gelang es, auf beeindruckende Weise die Vielfalt der derzeit in Österreich stattfindenden Forschung auf dem Gebiet sichtbar zu machen. Die Gesamtinitiative, die von Young Science abgewickelt wurde, setzte sich aus drei Modulen zusammen: Eine Praktika-Initiative wurde 2013 umgesetzt, zwei Pro-jekte mit den Schwerpunkten Rohstoff- bzw. Ressour-

cenverknappung und Klimaforschung in Österreich im Schulhalbjahr 2013/14.

Bereits im Sommer 2013 wurden 100 vierwöchige Praktika gefördert, in denen Schülerinnen und Schüler im Alter von 16 bis 19 Jahren in verschiedensten wissen-schaftlichen Einrichtungen, die im Bereich Nachhaltigkeit forschen, eng mit Wissen-schaftler/innen zusammen arbeiteten. Am Ende des Praktikums verfassten alle Jugendlichen einen Bericht, in welchem sie, ausgehend von den Forschungen der Einrichtung, auch eigene Anregungen und Wünsche an die Zukunft formulier-

Arbeitstreffen im Projekt ›Rohstoffe und ihre

Endlichkeit‹

Schüler/innen des BG/BRG Gmünd bei der Einführung in

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ten. Eine Jury wählte hiervon die 25 bes-ten Praktikumsberichte, welche in einer eigenen Publikation mit dem Titel ›Ge-meinsam für nachhaltige Entwicklung – Zukunftsvisionen von Schüler/innen und Wissenschaftler/innen‹, herausgegeben von Hubert Dürrstein, Geschäftsführer der OeAD-GmbH, und Petra Siegele, Lei-terin des Bereichs Zusammenarbeit von Wissenschaft und Schule, veröffentlicht wurden. Präsentiert wurde diese im Rah-men der feierlichen Abschlussveranstal-tung der Initiative am 13. Januar 2014 im Kuppelsaal der TU Wien.

Was verbindet ein Autowrack mit Stadtbergbau?

Von September 2013 bis Mai 2014 nah-men Schüler/innen der 7. und 8. Klasse des Wiener Goethe-Gymnasiums in ihrem Projekt mit dem Titel ›Rohstoffe und ihre Endlichkeit‹ 15 Rohstoffe – von Erdöl/Erdgas über den Boden als endli-che Ressource bis hin zu den sogenann-ten Seltenen Erden – genauer unter die Lupe. Sie gingen dabei unter anderem folgenden Fragen nach: Wie knapp sind diese Rohstoffe? Wie lange können sie noch wirtschaftlich tragbar abgebaut werden? Welche Alternativen gibt es und welche sozialen und umweltrele-vanten Probleme gehen mit der Nut-zung dieser Rohstoffe einher?

Unterstützung erfuhren die Schüler/- innen sowohl von der Allianz nachhalti-ger Universitäten in Österreich als auch von Wissenschaftler/innen und Mitar-

beiter/innen des Naturhistorischen Museums Wien (NHM). Darüber hinaus wurden zahlreiche weitere Wissenschaftler/innen verschiedener Universitäten und Forschungseinrichtungen, die zu jeweils einem oder mehreren Rohstoffen arbeiten, interviewt.

Als eines der Ziele des Projekts wurde im Naturhisto-rischen Museum ein Forschungspfad konzipiert, der anhand der ausgewählten Exponate eine Brücke von den Objekten der ausgestellten Rohstoffe hin zur ak-tuellen Nachhaltigkeitsforschung schlägt. Damit sich Jugendliche und/oder Schulklassen auch weiterhin nä-her mit dem Thema befassen können, wurden darüber hinaus Lehrmaterialien entwickelt. Diese enthalten zusätzliche Lernobjekte, in Form von Links zu Info- Videos, Kreuzworträtseln u. a., die von Schüler/in-nen für Schüler/innen der Sekundarstufe 2 erarbeitet wurden. Gleichzeitig wurde eine Broschüre erstellt, die auch als kostenfreies PDF zum Download auf den Webseiten der beteiligten Projektpartner bereit steht. Noch bis Ende des Jahres bietet das NHM Führungen durch den Forschungspfad an.

Von Honigbienen, Bikesharing & Co: Klimaforschung in Österreich

Ebenfalls im Schulhalbjahr 2013/14 forschten sechs Schulen, die 2012 mit dem Young Science-Gütesiegel ausgezeichnet wurden, in klassen- und fächerüber-greifenden Projekten zu Fragen des Klimawandels, seinen Auswirkungen sowie möglichen Strategien der Anpassung und Minderung der Folgen. Die Schulpro-jekte waren eng mit aktuellen Forschungen des Cli-mate Change Center Austria verknüpft und leisteten so einen Beitrag zur österreichischen Klimaforschung.

Die Forschungsbeiträge waren sehr vielfältig: Sie reichten von Expert/innen-Interviews im Projekt ›Mensch im Wandel‹ (Höhere land- und forstwirt-

schaftliche Schule in Ursprung, kurz HLFS Ursprung) über Felduntersuchungen auf ausgewählten Wiesen-standorten im Wienerwald zu Veränderungen in der Artenzusammensetzung von Tiergesellschaften (PG/PRG Sacré Coeur Pressbaum) bis hin zur begleitenden Forschung bei der Schulbausanierung der BRG Gmünd hinsichtlich klimarelevanter Parameter. Dass die Ju-gendlichen dabei durchaus relevante Forschungsbei-träge leisteten, zeigte u. a. das Projekt des Akademi-schen Gymnasiums in Graz. Dort untersuchten elf Jugendliche mittels selbst entworfener Fragebögen neue, klimafreundlichere Mobilitätskonzepte für die Stadt Graz und deren Akzeptanz in der Grazer Bevöl-kerung. Als Beispiel diente hierfür ein bestehendes Bikesharing-Angebot. Im Ergebnis zeigte sich, dass die Akzeptanz bei den Befragten nicht sehr hoch war. Vergleichend wurde ein gut funktionierendes Bikesha-ring-Angebot der Stadt Nizza (Frankreich) analysiert, um Verbesserungen bzw. Anpassungsmaßnahmen für das stadteigene Konzept vorschlagen zu können.

Ein weiteres Forschungsprojekt – mit überraschendem Ergebnis – wurde von Schüler/innen der Sir Karl Popper Schule in Wien durchgeführt. Im Ergebnis des Projekts ›Temperaturtoleranzbereich von Honigbienen‹ zeigte sich, dass entgegen der ursprünglichen Hypothese die Stoffwechselrate der untersuchten Honigbienen bei steigenden Temperaturen nicht zunahm, sondern – im Gegenteil – nahezu linear abnahm. Es ist daher zu befürchten, dass eine globale Erwärmung für die Ho-nigbienen einen zusätzlichen Stressfaktor bedeuten würde, was angesichts der bereits vielfältigen vorhan-denen Belastungen möglicherweise nicht abschätzba-re Risiken bedeuten könnte.

Die erhobenen Daten und Projektergebnisse aller Projekte wurden in abschließenden Berichten zusam-mengefasst und den jeweiligen Wissenschaftler/innen am Ende des Schuljahres von den Jugendlichen, meist

Abschlussveranstaltung des Projekts ›Rohstoffe und ihre Endlichkeit – The Future We Want‹ am 19. Mai 2014 im Naturhistorischen Museum©

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Sparkling Science-Kongress 2014

Unter dem Titel ›Wissenschaft mit der Gesellschaft – Perspektiven für die gemeinsame Forschung mit Jugendlichen‹ lädt das Bundesministerium für Wissen-schaft, Forschung und Wirtschaft (BMWFW) herzlich zum Sparkling Science-Kongress 2014.

Ausgehend von aktuellen Forschungsprojekten bietet der Kongress Raum, um über interessante und inno-vative Aspekte der Zusammenarbeit von Wissenschaft und Bildung, aber auch über Wissenschaftskommu-

Themenplattform für vorwissenschaftliche Arbeiten

und Diplomarbeiten www.youngscience.at/themenplattform

Young Science Zentrum für die Zusammenarbeit von Wissenschaft und Schule

1010 Wien | Ebendorferstraße 7 | www.youngscience.at

Neu!

www.youngscience.at/themenplattform

Ein Projekt des

infopointwww.youngscience.at

nikation unter Einbindung der Gesell-schaft und Responsible Science, zu re-flektieren. Im Zentrum des Kongresses steht die Keynote des bekannten Gene-tikers Markus Hengstschläger, der aus-gehend von diesem Themenkomplex die Herausforderungen und Chancen für die Zukunft beleuchtet. Ebenso span-nend verspricht das daran anschließen-de Finale des 1. Sparkling Science-Slam zu werden, der Jugendlichen ermög-licht, über die Inhalte ihrer Sparkling Science-Projekte auf der Bühne zu per-formen. Der Nachmittag bietet Raum zum Austausch von neu geförderten, laufenden und abgeschlossenen Projek-ten. Als Höhepunkt und Abschluss des Kongresses verleiht das BMWFW bereits zum zweiten Mal das Young Science- Gütesiegel für Forschungspartnerschu-len. Damit werden jene Schulen, die nachhaltig etablierte, wissenschaftlich anspruchsvolle Forschungsarbeiten vorweisen können, vor den Vorhang geholt und für ihre Pionierleistungen ausgezeichnet.

Sparkling Science Kongress: 17. November 2014, ab 10:00 Uhr, Akademie der Wissenschaften, Doktor-Ignaz-Seipel-Platz 2, 1010 Wien

Weitere Informationen und das Anmeldeformular finden Sie in Kürze online unter: www.youngscience.at/veranstaltungen

in Form einer CD-Rom, zur Verfügung gestellt. Höhe-punkt des Projekts war eine gemeinsame Abschluss-veranstaltung am 12. Juni 2014 in der Wirtschafts-universität Wien. Nach einer einführenden Keynote von Sigrid Stagl, WU Wien, präsentierten alle sechs beteiligten Schulen ihre Ergebnisse. Die Jugendlichen des PG/PRG Sacré Coeur Pressbaum hielten für ‚ihren‘ Wissenschaftler noch eine besondere Überraschung bereit: Sie hatten eine riesige Wespenspinne und eine Gottesanbeterin aus Pappmaché gebastelt. Eine schö-ne und bleibende Erinnerung an die Untersuchungs-objekte des Projekts.

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OeAD-Events

VeranstaltungskalenderDer OeAD bietet Plattformen zur öffentlichen Diskussion rund um Mobilität und Internationalisierung. Alle Ver- anstaltungen im Detail unter www.oead.at/events.

15. Oktober 2014 | Wien

Europass macht transparent. Towards a European Area of Skills and Qualifications – vom Zusammenspiel der europäischen Transparenzinstrumente Ort: Haus der Europäischen Union

Die Veranstaltung gibt einen Überblick über den Stand der Entwicklung der Transparenzinstrumente in Österreich und Europa. Sie befasst sich mit deren Zusammenspiel und den für die Zukunft geplanten Vernetzungen in der ›European Area of Skills and Qualifications‹. Unter anderem werden die Ergebnisse der Konsultation der Europäischen Kommission vorgestellt, die diese im Frühjahr 2014 durchgeführt hat. Dabei wurden die Meinungen von Lernenden und Arbeitnehmer/innen in Bezug auf die Transparenz und Anerkennung ihrer Fähigkeiten und Qualifikationen in den EU-Mitgliedsstaaten abgefragt. Weiters ging es um die Eignung der europäischen Strategien und Transparenz-instrumente und den praktischen Nutzen der Entwicklung einer ›European Area of Skills and Qualifications‹. Die Veranstaltung richtet sich vor allem an Multiplikator/innen, die mit Europass bzw. den Europäischen Transparenzinstrumenten zu tun haben und mehr über den praktischen Nutzen ihres Zusammenspiels erfahren wollen.

28. Oktober 2014 | Wien

Euroguidance Fachtagung 2014. Die Rolle von Guidance in einer sich wandelnden ArbeitsweltOrt: Kardinal König Haus

Die schwindende soziale und ökonomische Sicherheit verlangt Strategien zur erfolgreichen Navigation durch das Leben. Welchen Beitrag kann Guidance in Hinblick auf aktuelle Trends am europäischen Arbeitsmarkt speziell bei der Unterstützung Erwachsener leisten? Plenar-Beiträge beleuchten zusätzlich zu sechs Workshops die Rolle von Guidance im sich wandelnden Arbeitsmarkt (Peter Plant, Aarhus University, Dänemark), zeigen die Bedeutung von Weiterbildung für Übergänge in der Lebensmitte (Antje Barabasch, Autorin der Cedefop-Studie ›Navigating difficult waters: learning for career and labour market transitions‹) und stellen aktuelle Strategien im Guidance-Bereich in Beziehung zu Entwicklungen am österreichischen und europäischen Arbeitsmarkt (Martina Maurer, AMS, Regina Barth und Gerhard Krötzl, BMBF).

17. November 2014 | Wien

Sparkling Science-Kongress 2014 ›Wissenschaft mit der Gesellschaft – Perspektiven für die gemein-same Forschung mit Jugendlichen‹Ort: Akademie der Wissenschaften

Unter dem Titel ›Wissenschaft mit der Gesellschaft‹ laden das BMWFW und der OeAD herzlich zum Sparkling Science-Kongress 2014. Im Rahmen des Kongresses bietet Sparkling Science Raum, um über interessante und innovative Aspekte der Zusammenarbeit von Wissen-schaft und Bildung zu diskutieren. Die Keynote hält der Genetiker Markus Hengstschläger, danach findet das Finale des 1. Sparkling Science-Slams statt. Den krönenden Abschluss bildet die Verleihung des Young Science-Gütesiegels für Forschungspartnerschulen.

Erratum: In der letzten Ausgabe der oead.news sind uns im Beitrag ›OeAD-Lektor/innen berichten‹ auf den Seiten 30/31 Fehler passiert. Nina Kulovics ist Lektorin in Frankreich, Tobias Vogel ist Lektor in der Ukraine und nicht, wie fälschlicherweise angegeben, umgekehrt. Das im Text genannte Akronym DACH(F)L steht für Deutschland, Österreich, die Schweiz, das Fürstentum Liechtenstein und Luxemburg.Wir bedauern den Fehler.

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IMPRESSUM: Medieninhaber & Herausgeber: OeAD (Österreichische Austauschdienst)-Gesellschaft mit beschränkter Haftung | Austrian Agency for International Cooperation in Education and Research (OeAD-GmbH) | 1010 Wien, Ebendorfer-straße 7 | Sitz: Wien | FN 320219 k | Handelsgericht Wien | Chefredaktion und für den Inhalt verantwortlich: Eva Müllner, KIM – Kommunikation, Information, Marketing | Schlussredaktion: Rita Michlits | Mitarbeiter/innen dieser Ausgabe: Erhard Busek, György Dalos, Michael Dippelreiter, Hubert Dürrstein, Afsaneh Gächter, Hanspeter Huber, Christine Juen, Éva Kovács, Stefanie Meier, Ursula Panuschka, Thomas Reichenbach, Lydia Skarits, Lydia Steinmassl, Gerhard Volz, Gottfried Wagner, Barbara Weitgruber, Pavel Zgaga | 1010 Wien | Ebendorferstraße 7 | T +43 1 534 08-0 | F +43 1 535 08-999 | [email protected] | www.oead.at | Grafisches Konzept: Fineline, graphic-design & typography, 1040 Wien | Layout: Eva Müllner | Fotos: Wenn nicht gesondert vermerkt, im Eigentum der OeAD-GmbH, Coverfoto: © Fred Misik | Druck: Gerin, 2120 Wolkersdorf | Finanziert aus Mitteln des Bundesministeriums für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft | Hinweis: Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider und müssen sich nicht mit der des Herausgebers decken | P.b.b. | Erscheinungsort Wien | Verlagspostamt 1010 Wien | GZ: 02Z032 994M | Wien, September 2014

OFFENLEGUNG GEMäSS § 25 MEDIENGESETZ: Unternehmensgegenstand: Unternehmensgegenstand ist die Durchführung von Maßnahmen der europäischen und internationalen Kooperation im Bereich der Wissenschaft und Forschung sowie der Erschließung der Künste, der Hochschulbildung, der Bildung und der Ausbildung (§3. (2) OeAD-Gesetz) | Geschäftsführer: Hubert Dürrstein | Prokurist: Stefan Zotti | Mitglieder des Aufsichtsrates: Elmar Pichl, Hanspeter Huber, Botschafter Martin Eichtinger, Gottfried Schellmann, Heinz Fassmann, Kurt Koleznik, Malies Krainz Dürr, Barbara Sporn, Franz Salchenegger, Verena Katscher, Bernhard Muzik, Alexandra Wagner | Die OeAD-GmbH steht zu einhundert Prozent im Eigentum des Bundes (§1.(2) OeAD-Gesetz) | Grundlegende Richtung: Information zu Bildungsmobilität & Bildungskooperation – national und international.

Andreas J. Obrecht, Leiter der Geschäftsstelle der Kommission für Entwicklungsforschung (KEF) bei der OeAD-GmbH, beschäftigt sich in seinem neuen Buch mit neuen Wegen der Wissensproduktion und -rezeption. Jahrtausendelang haben wir Menschen uns Wissen angeeignet und an nachfolgende Generationen weitergegeben. Die digitale Revolution eröffnet völlig neue Wege zur globalen Wissens-produktion und -rezeption. Wir, und nur wir, sind es, die die Lebens-bedingungen auf unserem Planeten maßgeblich gestalten – im Gu-ten und im Schlechten. Das bedeutet: völlig neue Anforderungen an unseren Umgang mit Wissen! Doch alles Wissen der Welt hilft nichts, wenn es nicht handlungsbestimmend wird und zu einer Transforma-tion bisheriger Lebensstile und Weltordnungen beiträgt.

Aber: Was ist Wissen eigentlich? Gibt es überhaupt relevantes Wissen – und wenn ja: Durch welche sozialen Übereinkünfte wird Wissen als wissenswert definiert? In welchem Verhältnis steht das Wissen, das als wichtig erachtet wird, zu den fortwährenden gesellschaftlichen Veränderungen, die stets mit neuer Wissensproduktion einherge-hen? In welchem Verhältnis steht das Alltagswissen zu einem wis-senschaftlichen, religiösen, emotionalen, intuitiven oder auch poli-tischen Wissen?

Obrecht, A. J. (2014): Wozu wissen wollen? Wissen – Herrschaft – Welterfahrung. Ein Beitrag zur Wissensdiskussion aus kultur- und wissenssoziologischer Perspektive. Wien – Ohlsdorf: Edition Ausblick, 2014, ISBN 978-3903798-10-6, 480 Seiten.

Erhältlich im guten Buchandel und beim Verlag: www.edition-ausblick.at/gallery/andreas-j-obrecht-wozu-wissen-wollen

infopointwww.kef-research.at

Neuerscheinung

Wozu wissen wollen? Wissen – Herrschaft – Welterfahrung

Ein Beitrag zur Wissensdiskussion aus kultur- und wissenssoziologischer Perspektive von Andreas J. Obrecht.


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