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1932 -1945 Dr. Harald Hockamp

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Das Reichsarbeitsdienstlager 11 Das Reichsarbeitsdienstlager 1932 -1945 Dr. Harald Hockamp
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Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Die Anfänge 16

Die Reichsarbeitsdienst Zeit (1935-1945) 27

Verwendung der RAD-Abteilung 1/209 Ferndorf im Frieden 33

Verwendung der RAD-Abteilung 1/209 Ferndorf im Krieg 36

Tagesablauf 40

Fazit 45

Danksagung und Quellenverzeichnis

Titelseite und links: NS Arbeitslager „Otto van der Haegen“ in Ferndorf

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EinleitungDer Begriff „Reichsarbeitsdienst“ weckt heute unterschiedlichste Assoziationen. Viele der Menschen, die ihn erlebt haben, erinnern sich an eine Zeit, die geprägt war von Disziplin, Kameradschaft und Gemeinschaftsgefühl. Für die Deutschen, die weder die Zeit noch den Reichsarbeitsdienst miterlebt haben, ist der Begriff stark belastet durch die Gräuel, die die nationalsozialistische Herrschaft über Europa brachte.

Die wirtschaftliche Entwicklung des deutschen Reichs war nach dem Ende des Ersten Welt-kriegs durch die sehr harten Friedensbedingungen des Vertrags von Versailles extrem behin-dert. Die sich Mitte der zwanziger Jahre trotzdem einstellende zaghafte Verbesserung der wirtschaftlichen Situation wurde durch die Weltwirtschaftskrise 1929 jäh beendet. Es setzte eine wirtschaftliche Talfahrt ohnegleichen ein, Kurzarbeit, Massenentlassungen, Konkurse und Zwangsversteigerungen waren an der Tagesordnung. Die Zahl der Arbeitslosen erhöhte sich von 1,6 Millionen im Oktober 1929 über 3 Millionen im Februar 1930 und 4 Millionen im Dezember 1930 auf 6,13 Millionen im Februar 1932. Im Siegerland erreichte die Arbeits-losigkeit ihren Höhepunkt von 10,6 % im März 1932.

In diesen Jahren, zwischen 1918 und 1932, beginnt die Geschichte des Arbeitsdienstes.Die Träger der Arbeitsdienstgruppen kamen aus sehr unterschiedlichen politischen und sozio-logischen Bereichen. Zuerst waren da die unterschiedlichen Gruppen der Jugendbewegung wie z.B. Pfadfi nder und Wandervogel. Sie erhofften sich im Lagerleben eine Befreiung von den strengen und steifen Lebensformen der postwilhelminischen Ära. Die vorwiegend von der akademischen Jugend getragene Bewegung hatte drei Ziele. Sozialpädagogisch sah man die Kombination von Spiel, Wandern und harter Arbeit als erzieherisches Werkzeug. Mit Musiker-ziehung, Laienspiel, Volkstumsarbeit und Erwachsenenbildung verfolgte man kulturelle Ziele. Volkspolitische Ziele hatte man in Form von Grenzlandhilfe, Siedlungshilfe, Land und Ernte-dienst in besonders gefährdeten Grenz und Notstandsgebieten [BENZ u.a]. Lager dieser Art wurden von den Bünden der Jugendbewegung, von konfessionellen Verbänden und den Orga-nisationen der Arbeiterbewegung getragen. Es muss erwähnt werden, dass dort immer Heran-wachsende aus unterschiedlichen sozialen Schichten gemeinsam wohnten.Es gab auch in Ferndorf eine Jugendvereinigung, die sich unter der Leitung des Rektors Flender gegen Ende des ersten Weltkriegs etablierte. Auf ihr Betreiben wurden die Jugendherberge und das Freibad gebaut. Nach dem Tod von Rektor Flender wurde sie Teil des SGV.

Die zweite Gruppe der Arbeitslagerbewegung rekrutierte sich aus alten Heeresformationen wie dem Frontkämpferbund „Stahlhelm“ oder Parteien wie der NSDAP, die den Arbeitsdienst als Ersatz für den nach 1918 von den Siegermächten verbotenen allgemeinen Wehrdienst sahen. Sie nutzten die Lager zur Disziplinierung und Wehrertüchtigung der männlichen Jugend.Als letzte Gruppe sollen die, die ein wirtschaftliches Interesse verfolgten, nicht unerwähnt bleiben. Bäuerliche Genossenschaften und kommunale Körperschaften richteten Lager ein zur Ausnutzung billiger Arbeitskräfte. Besonders unter dem Fortschreiten der Arbeitslosigkeit

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Vermutlich älteste Darstellung freiwilliger Arbeits-dienstler aus Ferndorf bei Arbeiten im Hauberg [LS]hinten links Aufseher Hermann Münker, vorne v. l.: Helmut Schumacher, Ewald Stötzel, Karl Hartmann, Arnold Stötzel, Fritz Stötzel, Helmut Schumacher, unbe-kannt, hinten: Ernst Becker (mit Hut), Edmund Schröder,3 x unbekannt, auf den Knien: v. li.: Hermann Schanz, Robert Becker, unbekannt

wurden solche Lager immer häufi ger gebildet. Man kann sagen, dass die Massenarbeitslosigkeit die Basis einer strukturellen Veränderung der gesamten Arbeitslagerbewegung wurde.

Unter dem Eindruck der durch die wirtschaft-liche Destabilisierung Deutschlands immer unge-heurere Ausmaße annehmenden Arbeitslosigkeit richtete Reichskanzler Brüning 1931 per Not-verordnung die staatlichen Organisation „Frei-williger Arbeitsdienst“ (FAD) ein. Die Idee war, wenigstens einen Teil der arbeitslosen jungen Männer durch Beschäftigung mit allgemeinnüt-zigen Arbeiten für einen eher symbolischen Lohn „von der Straße zu holen“. Man dachte an Arbei-ten wie das Trockenlegen von Sumpf- und Feucht-gebieten, das Anlegen von Straßen und Wegen und die Urbarmachung von Waldgebieten.

Nachdem Ende Januar 1933 Adolf Hitler Reichskanzler geworden war, wurden sehr zügig alle übrigen Arbeitsdienstlager mit denen der NSDAP gleichgeschaltet und der Arbeitsdienst damit eindeutig zu einem Erziehungsinstrument der Nationalsozialistischen Weltanschau-ung. Am 26. Juni 1935 wurde mit der allgemeinen Wehrpfl icht auch die Reichsarbeitsdienst-pfl icht gesetzlich eingeführt. Ab nun musste jeder gesunde Mann ein halbes Jahr Dienst im Reichsarbeitsdienst ableisten, bevor er Soldat wurde oder studieren konnte. In § 1 dieses Gesetzes hieß es „Der Reichsarbeitsdienst ist Ehrendienst am Deutschen Volke“ und „Der Reichsarbeitsdienst soll die deutsche Jugend im Geiste des Nationalsozialismus zur Volks-gemeinschaft und zur wahren Arbeitsauffassung, vor allem zur gebührenden Achtung der Handarbeit erziehen“.

Die Jugendbewegung, die die Arbeitslageridee etabliert hatte und die 1925 das erste Arbeits-lager bei Hannover einrichtete, hatte ein ganz anderes, liberaleres Denkmuster als die NSDAP, die in der Mitte der kurzen Geschichte des Arbeitsdienstes ihn zu ihren Zwecken umformierte und uniformierte. Mit dem gänzlich anderen Denkmuster der Nazis war natürlich auch der Einsatzbereich des Arbeitsdienstes festgelegt, so hat der Reichsarbeitsdienst zwar auch noch Wege und Straßen gebaut, Sümpfe trockengelegt, aber auch Truppenübungsplätze, den West-wall und die Knüppeldämme für das deutsche Heer vor Petersburg und sonst wo errichtet. Ja, gegen Ende des Krieges mussten die jungen Burschen auch noch mit Flak-Geschützen und Panzerfäusten gegen den Rest der Welt kämpfen.

Im Jahr 1932 begann man auch in der Verwaltung des Amtes Ferndorf konkret über ein Barak-kenlager für den FAD nachzudenken. Man wollte es auf die Viehweide Irlenhecken bauen

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Man war im Rat aber mit dem Ergebnis dieses Gesprächs nicht zufrieden, da die Haubergsbesitzer offensichtlich wenig Nei-gung zeigten, dem Amt in der gewünschten Weise entgegen zu kommen. Es wurde sogar der Verdacht geäußert, der Hauberg wolle das Thema ver-schleppen.

Irlenhecken, bevor das Lager errichtet wurde [A HV]

Es existierte in diesen Jahren in Ferndorf ein Arbeitsdienstverein. Das war ein lockerer Zusammenschluss von Arbeitslosen, die freiwillig Arbeitsdienstarbeiten verrichteten. Die Männer beschäftigten sich unter anderem mit dem Bau neuer Wege. So haben sie Forstwege gebaut z.B. den von der Waldesruh zum Birkhahn. Sie leisteten dabei schwerste körperliche Arbeit mit Hacke und Schaufel; die Arbeit wurde lediglich durch eine Lorenbahn erleich-tert, die man zum Abtransport des steinigen Abraums nutzte. An einer Stelle, die heute in einem hohen Fichtenbestand liegt, haben die Männer einen Rastplatz angelegt und ihn an der Bergseite mit einer Trockenmauer abgestützt. Sie nannten diesen Platz nach ihrem Anführer Wilhelm Münker „Wilhelmsruh“. Zumindest bei den Älteren im Dorf ist der Name heute noch bekannt. Auch das Freibad in der Zitzenbach wurde in dieser Zeit (1928) auf Betreiben der Ferndorfer Jugendvereinigung und ihrem Leiter, dem Rektor Flender, vom freiwilligen Arbeitsdienst angelegt.„Arbeitgeber“ dieser Arbeitsdienstvereine waren Kirchen, Gewerkschaften, Vereine und Hau-bergsgenossenschaften, später auch Parteien, in dem oben geschilderten Fall vielleicht die Gemeinde Ferndorf, die Waldbesitzer oder die Haubergsgenossenschaft. Man zahlte den Männern einen kleinen Betrag (an einer Stelle wird von 1,30 RM pro Tag berichtet) und lie-ferte pro Kopf und Tag ein warmes Essen. Um zu verdeutlichen, wie wenig das war, wird hier erwähnt, dass die Gemeinde Ferndorf, durch die Infl ation genötigt, ihrem Hirten Sinner am 12. April 1923 den Monatslohn auf 250.000 RM und eine warme Mahlzeit täglich erhöhte. Wahrscheinlich war die tägliche warme Mahlzeit wertvoller als der Geldbetrag.

Die AnfängeDie ersten Hinweise auf die Errichtung eines Arbeitsdienstlagers in Ferndorf fi nden sich im Protokollbuch des Amtes Ferndorf vom 23. November 1927. Der Amtsrat hatte sich mit den Herren des Haubergs Komplex A der Gemeinde Ferndorf unterhalten. Man wollte das Gelände der alten Kuhweide pachten, um darauf ein Arbeitslager für die „Wohlfahrtsempfänger“ zu errichten. Es muss hier erwähnt werden, dass die Wohlfahrtsempfänger (Sozialhilfeempfän-ger) den Etat der Gemeinden extrem belasteten.

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Der Freiwillige Arbeitsdienst beim Wegebau [A HV] - oberes Foto: an der Martins- hardt - der Kindelsbergturm im Hintergrund, oben links: Aufseher Robert Stötzel, Foto unten - oben in der Mitte: Rudolf Sinner, unten v. re.: Rudolf Stähler, Wilhelm Schäfer, unbekannt, Ernst Klappert, Ewald Giesler, Arnold Geisweid, 4 x unbekannt

Leider war in der Zeit der Weimarer Republik das Arbeitsangebot nicht sehr groß. Aus diesem Grund wurden viele der Vereine sehr schnell auch wieder aufge-löst. Aufgrund ihres weitaus besseren Organisationsgrades blieben eigentlich nur die Abteilungen bestehen, an deren Spitze ehemalige Offi -ziere standen und deren Mitglieder Frontkämpfer des Ersten Weltkrieges waren.

Gegen Ende der zwanziger Jahre verstärkte sich das Elend in der Bevölkerung infolge der Weltwirtschaftskrise immer mehr. Die Zahl der Arbeits-losen erhöhte sich täglich und erreichte 1932 ihren Höhe-punkt. Der ReichskanzlerBrüning erließ am 5. Juni 1931 eine Notverordnung über die Bildung eines „Freiwilligen Arbeitsdienstes“. Die Leitung übertrug er an die Reichs-anstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (heute Bundesagentur für Arbeit).Während bei den Arbeitsdienstvereinen Männer allen Alters mitmachen konnten, dachte man bei der Notverordnung nur an jüngere arbeitslose Männer bis zu 25 Jahren. Die Arbeitdienst-dauer der Männer war auf 20 Wochen begrenzt. Ihre Arbeit musste „zusätzlich“ und „gemein-nützig“ sein, das heißt es durfte sich nicht um Arbeitsmaßnahmen handeln, die andere Bau- oder Handwerksbetriebe gegen normale Bezahlung auch hätten ausführen können. Man wollte diesen Betrieben keinen potentiellen Auftrag vorenthalten, außerdem hatte die Arbeit der Gemeinde oder dem Staat zugute zu kommen. Die Reichsanstalt musste über Zusätzlich-keit und Gemeinnützigkeit entscheiden und die Arbeitsmaßnahmen vorbereiten. Das Reich zahlte bis zu 2 RM pro Mann und Tag, alternativ wurde die Unterstützung der Arbeitsdienst-willigen weiter gezahlt.

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In den Jahren zwischen 1925 und 1931 hatten die Gruppen der Jugendbewegung ca. 25 Arbeitslager mit etwa 2.000 Lagerteilnehmern durchgeführt. Im September 1932 gab es im gesamten Reich bereits 206.655 Beschäftigte im Arbeitsdienst, im Dezember schon 241.766.

Der Gemeindechronik ist zu entnehmen, dass sich am 15. April 1932 Vertreter der Gemeinde Ferndorf erneut mit den Haubergsgenossen vom Komplex A unterhalten haben. Es sollte nun realisiert werden, was solange angedacht worden war: Man wollte endlich mit der Errichtung des Arbeitslagers auf dem Weidekampen Irlenhecken beginnen.

Am 25.10.1932 schrieb der Vorsitzende des „Luftfahrtvereins Kyffhäuserjugend Ferndorf e.V.“ Dr. Franz Reimer an das Landesarbeitsamt in Dortmund (vgl. Die Fliegerhalle). Er bat um schnellste Genehmigung der „Maßnahme zur Erbauung eines Fliegerheims und der damit verbundenen Vaterländischen Lehr- & Erziehungsanstalt“. In diesem Brief führte er weiter aus, dass in Ferndorf zwei große Maßnahmen geplant wären, der Bau eines geschlossenen Lagers für den Freiwilligen Arbeitsdienst und der Bau des Fliegerheims. Aus verschiedenen Gründen erschiene es den „Trägern der beiden Maßnahmen“, der Gemeinde Ferndorf und dem Luftfahrverein sinnvoll, die beiden Maßnamen gemeinsam auszuführen. Die erstklassi-gen jungen Männer für das Arbeitsdienstlager hätte man bereits gefunden, ebenso sei die Auf-sicht in der Person des im Lager Herdorf ausgebildeten Willy Siebel auch bereits gefunden. Die jungen Männer sollten übergangsweise in der Jugendherberge nächtigen und zunächst das Fliegerheim errichten und dann selbst in das Fliegerheim ziehen, bis das Arbeitsdienstlager fertiggestellt sei. Dr. Reimer betonte ausdrücklich, dass die Gemeinde Ferndorf großen Wert auf die Errichtung des Lagers lege. In diesem Brief schilderte er auch, wie die Ausbildung der Arbeitsdienstler aussehen sollte: neben dem angesetzten Arbeitsdienst sollten die Männer aus-gebildet werden in Geschichte, Geographie, Staatsbürgerkunde. Auch Freiübungen, Geräte-turnen und Kleinkaliberschießen waren geplant. Zu der Ausbildung hätten sich die Fachkräfte der Kreuztaler Rektoratsschule (spätere Realschule in der Roonstraße), der Ferndorfer Rektor Robert Flender sowie der Amtsgewerbelehrer Spangenberg bereit erklärt. Die praktische Aus-bildung würde der Kriegerverein übernehmen.

Die Ferndorfer Jugendherberge an der Viehstraße [A HV]

Kriegervereine gab es zu der Zeit in fast jedem Ort. Die meisten wurden in zeitlichem Zusammenhang mit den drei preußischen Kriegen von 1864 (Dänemark), 1866 (Österreich) und 1870/71 (Frankreich) ge-gründet.

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In Ferndorf gab es einen Kriegerverein aus dem sich später der „Kyffhäuserver-ein“ bildete. Die Mitglieder waren Kriegsveteranen des Ersten Weltkrieges, viel- leicht auch noch von 1870/ 1871.Ferndorfer Kriegerverein vor der Kirchenmauer - 1903 [A HV]

Im Herbst 1932, so erzählte Robert Frisch aus Ferndorf, wurde ein kleiner Trupp Arbeits-dienstwilliger, zu dem er selbst auch gehörte, von Helberhausen nach Ferndorf verlegt. Die Männer wurden in der Jugendherberge untergebracht. Die stand an der Kindelsbergstraße oberhalb des letzten Hauses links (Paul Becker). Dieser Trupp hatte die Aufgabe, beim Bau des Fliegerheims zu helfen und die Fundamente für das von der Gemeinde Ferndorf geplante Arbeitsdienstlager auszuheben. Wahrscheinlich sind wohl eher die Fundamente des Flieger-heims ausgehoben worden, denn der Amtschronik ist zu entnehmen, dass der Amtsrat im Juli 1933 immer noch über ein Arbeitsdienstlager für junge Männer in Eichen und eines für junge Frauen in Langenau nachdachte. Die Pläne für das Mädchenlager zerschlugen sich aber ganz schnell. Das Amt bemühte sich um so mehr, ein Männerlager zu erhalten. Für das Lager in Eichen waren Unterkünfte vorgesehen, die noch von Familien bewohnt wurden und die man erst noch hätte umsiedeln müssen. Es fand eine Ortsbesichtigung durch Mitglieder des Arbeitsdienstbezirks Westfalen statt. Die verwarfen diese Lösung sofort. Die verbleibenden Alternativen waren die Neuerrichtung eines Stammlagers in Eichen oder in Ferndorf-Irlenhek-ken. Die Kommission entschied sich für Ferndorf. Am 6. November 1933 fasste der Amtrat den Beschluss, ein Darlehen in Höhe von 42.000 RM zur Errichtung des Arbeitdienstlagers aufzunehmen. Darlehen zur Errichtung von Arbeitsdienstlagern wurden „auf Grund des § 1 Abs.1 Ziffer 5 des Gesetzes vom 1. Juni 1933 und des § 12 der Durchführungsbestimmungen zu diesem Gesetz vom 28. Juni 1933“ mit lediglich 3 % verzinst. Es kam noch ein Beitrag von 0.25 % Verwaltungskosten hinzu.

Der Darlehenverlauf sah nach drei tilgungsfreien Jahren eine 2 % ige Abtragung vor, die aus der Miete des Lagers durch die Arbeitsgauleitung in Höhe von 3.600 RM jährlich fi nanziert werden sollte.

Es wurde ausdrücklich beschlossen, dass die Lieferungen für das Lager nicht nur den Geschäftsleuten der „Belegenheitsgemeinde“, sondern denen des ganzen Amtes zu gute kommen müssen.

Den arbeitsdienstwilligen Techniker Judt stellt man ab dem 25.11.1933 auf dem Bauamt ein. Er sollte sich hauptsächlich um die Bearbeitung des Arbeitsdienstprojektes und um die Bear-beitung der Vergabe der Bauaufträge kümmern.

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Zur Vergabe der ausgeschriebenen Arbeiten wurde ein Ausschuss gebildet, der aus Bürger-meister Moning, den Ortsvorstehern Klein (Ferndorf) und Hirsch (Kreuztal) sowie den Amt-verordneten Gieseler (Ferndorf) und Klein (Kreuztal) bestand.

Im § 11 des schon erwähnten Vertrags vom Juli 1937 wird ein Vertrag zwischen dem Arbeits-dienst der NSDAP und dem Amt Ferndorf aufgehoben. Er wurde am 1. bzw. 10 Februar 1934 geschlossen. Dieser Vertrag ist leider nicht auffi ndbar, er dokumentiert aber vermutlich das Datum der Gründung des Lagers durch die Nationalsozialisten. Auf der nächsten Doppelseite ist das Lager in der „ersten Ausbaustufe“ mit Wachbaracke, drei Mannschaftsbaracken sowie Küchenbaracke und Waschbaracke zu sehen, jeweils noch in der kleinen Ausführung. Die Bildunterschrift (nicht dargestellt) datiert das Lager zweifelsfrei in den Zeitrahmen zwischen 1933-35. Es gibt auch ernst zu nehmende Zeitzeugen (Fritz Hein, Albert Klappert), die die Erbauung des Lagers eher in den Zeitraum 1934-35 datieren würden. Sie meinen sich erinnern zu können, dass die Weide Irlenhecken noch 1934 für ein Turnfest genutzt worden sei. Das schlösse die Existenz eines Arbeitsdienstlagers eigentlich aus. Die von Robert Frisch, der bei den Ersten war, die am Lager in Ferndorf arbeiteten und der bis 1945 im Lager gelebt hat, zuletzt als Chef der Kleiderkammer im Range eines Unterfeldmeisters, genannte Jahreszahl 1932 für die Gründung des Lagers stimmt sicherlich nicht.

Anmerkung des AutorsIn diesem Aufsatz werden die Begriffe Vieh-straße und Kindelsbergstraße gleichberech-tigt nebeneinander erwähnt. Der Grund ist keineswegs eine Umbenennung des Namens während dieser Zeit. Die Straße hieß nämlich immer offi ziell Kindelsbergstraße, wurde aber von den Ferndorfern fast ausschließlich als Viehstraße bezeichnet, weil auf ihr jeden Morgen der Hirte seinen Hudeweg mit dem Vieh der Bauern begann. So erzählt es der Ex-Aushilfshirte Fritz Hein.

Wahrscheinlich 1934 lieferte und errichtete die Zimmerei Kolb aus Ferndorf mit Hilfe der Arbeitsdienstler zunächst vier Mann-schaftsunterkünfte und eine Küche mit Auf-enthaltsraum.

Drei Baracken wurden unterhalb der Vieh-straße parallel zur Straße errichtet. Die vierte Baracke baute man rechtwinklig zur dritten in Berg-Tal-Richtung (auf dem Lageplan Nr. 1-4). Sie waren alle in vier gleich große Zimmer unterteilt, die mit mehrstöckigen Betten, ein paar Hockern, Spinden, Tischen und einem Ofen eingerichtet waren.

Grundriss von einerMannschaftsbaracke Typ RL IV

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Blick in einen Mannschaftsraum [JR]

Aus einem in Eichen zwischenzeitlich aufgelösten FAD-Lager erhielt das Lager in Ferndorf68 eiserne Bettgestelle, 35 Tische, 72 Spinde, 14 Öfen und anderes zur Ausstattung der Räume. Dafür wurden insgesamt 2.700 RM an die Eichener Hüttenwerke (Walzwerke) gezahlt, die damals Träger der Unterkunft des Eichener Lagers gewesen waren.

Es schliefen 17 Mann (ein Trupp) in einem Zimmer. Auch überzählige Truppführer und Vor-männer schliefen mit der Mannschaft zusammen. Die einzelnen Räume wurden, wenn es nötig war, mit den Öfen geheizt. Wegen der Feuergefahr mussten sie aber spätestens um 22 Uhr aus sein, die Stuben blieben dann bis zum Morgen unbeheizt. In knackig kalten Winternächten war es dort, gemessen an unseren heutigen zentralbeheizten Wärmevorstellungen, erbärmlich kalt, die Fensterscheiben vom Schwitzwasser mit Eisblumen zugefroren. Selbst der Gang zur Toilette, der auch für Arbeitsdienstler nachts mal notwendig war, durfte nicht bis zur nächsten Ecke abgekürzt werden. Die Nachtwache hatte Anweisung darauf zu achten, dass jeder den dann langen Weg zum Aborthäuschen ging.

Die Küchenbaracke (Nr. 5 und 6) wurde wieder parallel zum Hang angeordnet, so das ein U-förmiges Lager entstand. Diese Baracke war in einen großen Speiseraum und eine Küche unterteilt.

Das Kücheninventar war ziemlich üppig und umfangreich. Zu den eindruckvollsten Geräten gehörten sicherlich zwei Glycerinbadkoch-kessel mit 200 und 250 Litern Fassungsvermögen und ein dop-pelwandiger Kochkessel mit 350 Litern Inhalt.

Grundriss der Küchenbaracke Typ RL VII

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Zur Küche gehörte noch ein kleiner Vorratsraum, von dem aus man über eíne Treppe in den Keller gehen konnte. Dort wurden weitere Vorräte, vor allem Kartoffeln und Heizmaterial gelagert. Die Küche war über zwei Durchreichen mit dem Speiseraum verbunden. In dem Speiseraum konnten alle Lagerinsassen gleichzeitig ihr Essen einnehmen. Er diente aber auch zur Ausbildung der Arbeitsmänner oder als Gesellschaftsraum.

Auch die Baracke Nr. 4 (sie war etwa dort, wo heute das Dorfgemeinschaftshaus steht) war unterkellert. Hier lagerte man Lebensmittel. In der oberen bergseitigen Hälfte befand sich die Bekleidungskammer.

Die Baracken hatten identische Abmessungen, sie waren 26,65 m lang und 8,20 m breit, die Höhe betrug 2,55 m. Je nach Verwendungszweck unterschieden sie sich jedoch in ihrer Innen-aufteilung. Nur die Küchenbaracke war mit 36,55 m deutlich länger. Trotzdem war sie wohl später zu klein, denn sie wurde erweitert.

Blick in die Küche [JR] Freizeit im Speiseraum [JR]

Das Arbeitsdienstlager des freiwilligen Arbeitsdienstes 1934 [A HV]

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Der Arbeitsdienst baut seine Waschbaracke [JR]

Die Dächer waren mit Dachpappe eingedeckt. Die Wandkonstruktion bestand aus ca. 1 m breiten Elementen aus parallel angeordneten Holzbrettern, die rechts und links durch Bretter-einfassungen und Verschraubungen fi xiert waren. So konnte man sie leicht zu einer Baracke zusammenfügen und wieder abbauen. Das war für den Fall wichtig, dass im regionalen Umkreis die bewilligten Arbeitsmaßnamen abgearbeitet waren. Das Lager wurde dann abge-brochen und an anderer Stelle wieder aufgebaut.

Die noch dringend erforderliche Waschbaracke (Nr. 7) wurde ebenfalls von der Zimmerei Kolb geliefert. Aufgebaut aber haben sie die Arbeitsdienstler selbst. Sie errichteten sie neben der Küchenbaracke. Im Gegensatz zu den ersten Baracken waren die Waschbaracke und auch alle folgenden Baracken teilweise vormontiert. Offensichtlich hatten sich einige Zimmereien im ganzen Reich auf die Produktion von vormontierten Arbeitsdienstbaracken spezialisiert. Fritz Hein berichtet, dass auch in der fernen Rhön, wo er seinen Arbeitsdienst ableistete, die Baracken von der Zimmerei Kolb geliefert worden seien. Für die verschiedenen Baracken gab es daher eine genaue Typisierung.Die Waschbaracke - unteres linkes Gebäude - steht [A HV]

Im Tagebuch des Gruppenleiters Oberstfeldmeister (OFM) Vetter fi ndet sich am 18.12.1938 die Bemerkung, dass er gemeinsam mit OFM Kruse die Lagerkantine in Ferndorf eingeweiht habe. Auf Fotos kann man erkennen, dass die Kantine später um etwa 8-9 m ver-längert wurde.


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