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16 Lehmann

Date post: 22-Jul-2015
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 See 127 Ma L a Die Diagrammatik der Form Aa Der Berg vereht ‚Management‘  ls u ‚Degn‘  ls Formen der Beobtung von sozi len Grenzen uf i hre V ri tions-Chncen h. W ie wird diese Be ob- tung beobtbr gemt, wie wird e notiert, gesrieben, izziert? W s i ihr Medium? Und ws ihre Form? Die These lutet: Ds Medium der Beobchtung sind die Grenzen des Sozilen und dm die Grenzen der Kommuniktion selb. Ds Mngement ht, wenn es nits ls diese Beobtung ht, we weniger m eem ren orgnistorisen Progrmm oder souverän egreifendem Hndeln zu tun, ls es dies seem Selbverändnis n met. Mngement beobtet Grenzen, und tri Unterseidungen - son nits. Genu dr ber nd Mngement und Degn uf ds Enge verwndt. Vermutlich knn in Hinblick uf diese Differenz von Mngement und Degn der Form der Kommuniktion von eer Digrmmtik des Sozilen geroen werden. Angenommen, Mngement und Deg n nd zwei V ri nten des ‚dra wg di i ons‘   Rum der K ommuniktion, dnn müsste zeigen lssen, wele drwgs diese beiden Beobter verwenden. Dfür kommen Semtismen der Spre, der Sri, des zwei- und dreidenonlen Bildes und nit z uletzt zhllose formle Nottionen Frge, kryptise oder idiosy- krtise Notizen ebenso wie nsuli e und hndlungeende Pläne: Formen des Notierens vo n Beobtun gen, ütige Enür fe v on Grenztutionen, die ihre Flütigke ni t nur kompeneren, sondern gerdezu u forc ieren dr, dss e Entseidungen ermöglien, die die jeweilige Grenztution zuglei felegen und ls geänderte Sution erneut enerfen. In dieser Gleizeig- ke von Beobtung (Besreibung eer Grenztution) und Entseidung (Zuzung und Vrition dieser Grenztution) liegt jene Digrmmtik der For m der Kommuniktion, die der Gegennd des Bergs i.
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Maren Lehmann

Die Diagrammatik der FormAbstract Der Beitrag versteht Management als auch Design als Formen der Beobachtung von sozialen Grenzen auf ihre Variations-Chancen hin. Wie wird diese Beobachtung beobachtbar gemacht, wie wird sie notiert, geschrieben, skizziert? Was ist ihr Medium? Und was ihre Form? Die These lautet: Das Medium der Beobachtung sind die Grenzen des Sozialen und damit die Grenzen der Kommunikation selbst. Das Management hat, wenn es nichts als diese Beobachtung hat, weit weniger mit einem straffen organisatorischen Programm oder souvern eingreifendem Handeln zu tun, als es dies seinem Selbstverstndnis nach meint. Management beobachtet Grenzen, und trifft Unterscheidungen - sonst nichts. Genau darin aber sind Management und Design auf das Engste verwandt. Vermutlich kann in Hinblick auf diese Differenz von Management und Design in der Form der Kommunikation von einer Diagrammatik des Sozialen gesprochen werden. Angenommen, Management und Design sind zwei Varianten des drawing distinctions im Raum der Kommunikation, dann msste sich zeigen lassen, welche drawings diese beiden Beobachter verwenden. Dafr kommen Schematismen der Sprache, der Schrift, des zwei- und dreidimensionalen Bildes und nicht zuletzt zahllose formale Notationen in Frage, kryptische oder idiosykratische Notizen ebenso wie anschauliche und handlungsleitende Plne: Formen des Notierens von Beobachtungen, flchtige Entwrfe von Grenzsituationen, die ihre Flchtigkeit nicht nur kompensieren, sondern geradezu auch forcieren darin, dass sie Entscheidungen ermglichen, die die jeweilige Grenzsituation zugleich festlegen und als genderte Situation erneut entwerfen. In dieser Gleichzeitigkeit von Beobachtung (Beschreibung einer Grenzsituation) und Entscheidung (Zuspitzung und Variation dieser Grenzsituation) liegt jene Diagrammatik der Form der Kommunikation, die der Gegenstand des Beitrags ist.Seite 127

I Drei Hinweise gengen, um deutlich zu machen, dass schon in der Mitte des 19. Jahrhunderts ein Begriff ein Konzept der Form entwickelt wurde, der um 1900 ausgearbeitet vorlag und als Expos der Diskussionen um diesen Begriff im 20. Jahrhundert und ber das 20. Jahrhundert hinweg gelten kann. Dieser Begriff verwebt einen spezifisch sthetischen Sinn des Begriffs mit einem spezifisch zeitlichen Sinn und stellt dieses Gewebe als soziales Problem vor Augen. Form ist seither ein spezifisch sozialer Problemtitel. Der erste Hinweis (II) betrifft Charles Darwin und dessen Definition der Evolution der Arten (species) als kologische Variation (selection); wir nehmen ihn hier auf, weil er deutlich macht, dass der Begriff der Form immer einen Prozess beschreibt forming , und zwar einen nichtlinearen Prozess, weil dieser Prozess die Umwelt einer Art als deren Distinktionsressource ernst nimmt und damit die Beobachtung der Grenze von Art und Umwelt durch die Art als deren Form zu verstehen erlaubt. 1 Der Begriff der Form ist seit Darwin ein operatives Konzept zur Erklrung von Varianz; ein Konzept, das Darwin luzide diagrammatisch beschreibt. 2 Der zweite Hinweis (III) betrifft Louis H. Sullivan und dessen Definition der Grundregel (the law) von Architekturen als kontextuelle und referentielle Rekursion (form ever follows function) 3; die Diagrammatik einer solchen Architekturform liegt in ihrer Oszillation zwischen Ornament und Abstraktion. Der dritte Hinweis (IV) betrifft Georg Simmel und dessen Definition sozialer Ordnung als Wechselwirkung von Ruhe (Symmetrie) und Unruhe (Asymmetrie), d.h. als referentielle Kontextualitt 4, die Simmel explizit und in luzider Kenntnis der zeitgenssischen sthetischen Diskussionen als Form bezeichnet. 5 Simmel fertigt zwar keine diagrammatische Skizze dieser Form an, schreibt aber auf eine sudelnde, einen digressiven und geselligen Gang inszenierende Weise, die im Schreiben einen Plan fr das noch kaum konturierte Fach der Soziologie entwirft 6 (Niklas Luhmann wird ein knappes, aber langes und an Brchen reiches Jahrhundert spter dasselbe erneut versuchen und explizit von einem Grundriss sprechen 7). Simmel ist dabei wie kein anderer Soziologe sicher, dass das Problem des Sozialen mit dem Problem der Wahrnehmung verknpft ist und dass jede soziale Form Sichtbares und Unsichtbares verknpft; in diesem Sinne ist seine Soziologie eine Diagrammatik. Wir werden diesen drei Hinweisen nachgehen, um zeigen zu knnen, dass die Beschreibung von Formen in jeder dieser Entwrfe diagrammatisch ist (nmlich Beobachtungen bzw. Einschrnkungen immer als Anschlussmglichkeiten bzw. Erweiterungen1 2 3 4 5 6 7 Darwin 1859. Vgl. sehr klar Voss 2007. Sullivan 1896. Simmel 1896. Simmel 1908). Vgl. an zwei anderen Belegen Kammer 2010 und Campe (2010). Luhmann 1984.

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ausarbeitet), und wir werden die These aufstellen, dass das fr die Beschreibung von Formen generell gilt. Jede Theorie der Form, hiee das, ist eine Diagrammatik. Um diese These weiter diskutieren zu knnen, sind einige berlegungen zum Begriff des Diagramms und der Diagrammatik selbst erforderlich (V). Daran schlieen sich zwei Erprobungen der genannten These an. Die erste Probe (VI) gilt Niklas Luhmann und dessen Konzept funktionaler Differenzierung, das als soziologische Wiederaufnahme der Evolutionstheorie Darwins verstanden werden kann 8; der Begriff der kologischen Varianz (d.h. der Form) findet sich hier wieder im Begriff des Systems. Die zweite Probe (VII) gilt George Spencer-Brown und dessen Laws of Form, einem mathematischen Kalkl rekursiver Distinktionen wobei die Vermutung im Hintergrund steht, dass wir es hier mit einer konzentrierten Ausarbeitung des von Sullivan gesuchten Architekturgesetzes zu tun haben knnten (was weniger Spencer-Brown selbst als vielmehr seinen Entdeckern Heinz von Foerster und Dirk Baecker vor Augen gestanden hat 9). Alle diese berlegungen weisen auf weitergehende Fragen, fr die hier nicht gengend Raum ist. So ist offen, inwieweit diese Diagrammatik tatschlich an das Schreiben auf Papier bzw. das Lesen von Schrift gebunden ist (eingeschlossen Zeichnungen, Skizzen, Notationen usw.) oder weitergehend als Frage nach der sensitiven Medialitt der Kommunikation verstanden werden kann. Diese Verknpfung von Wahrnehmung und Kommunikation msste sorgfltiger beschrieben werden, als das in diesem Rahmen mglich ist, um anhand eines Begriffsvorschlags Niklas Luhmanns nher diskutiert werden zu knnen: des Begriffs der symbiotischen Mechanismen, die einerseits die Diagrammatik um akustische und haptische Wahrnehmungsvarianten zu ergnzen erlauben knnten und die andererseits insbesondere den Begriff der Technik (insbesondere die Computertechnik der digitalen Medien) als diagrammatische Form der Kommunikation zu verstehen erlauben werden. Das sei angedeutet, ohne hier ausgefhrt werden zu knnen. II Bei Diagrammen handelt es sich um Formen der praktischen Kommunikation ber Denkttigkeiten 10, die ber Wahrnehmungen laufen, weil das Denken ber Wahrnehmungen luft (oder weil, anders und spezifischer formuliert, psychische und soziale Systeme ber Wahrnehmungen verknpft sind). Es handelt sich also, wenn der Singular hier fr die Operativitt des Problems stehen kann, nicht nur um Denkpraktiken 11, sondern um Praktiken der Kommunikation ber Wahrnehmung. Werden diese Praktiken als solche reflektiert, entstehen Diagrammatiken; und fr diese gilt, dass sie ihrerseits8 9 11 Vgl. Luhmann selbst in ders. 1984, S. 19. Vgl. Lehmann 2011a und 2011d. Rustemeyer 2009, S. 8.Seite 129

10 Rustemeyer 2009, S. 7 (in einer Valry-Paraphrase).

Diagramme im Sinne praktischer Kommunikation ber Wahrnehmung sind, dass sie also Flle ihrer selbst bzw. ihres Gegenstandes bilden. Dass Theorien Formen dieser Praxis sind, wird selten so deutlich wie bei der Lektre von Darwins Abhandlung On the Origin of Species by Means of Natural Selection. Es geht nicht nur darum, dass Gedanken aufs Papier gebracht werden mssen, um weiterem eigenem und fremdem Nachdenken und dem Gesprch ber dieses Nachdenken zugnglich zu werden (obwohl natrlich Darwins mit I think betitelte frhe Skizze des Artenstammbaums aus seinen Notebooks ein schnes Beispiel fr diesen Umstand ist [links], aus der zwanzig Jahre spter ein przises Diagramm wird die einzige Abbildung in The Origin of Species [rechts]) 12:

1837

1859

Es geht also nicht nur um das Arbeiten im Medium der Schrift, obwohl dies unverzichtbar ist. Es geht auch nicht nur darum, dass Impressionen des Gegenstandes als Beobachtungen reflektiert und auf das Gegenstandsfeld bezogen werden es geht also nicht nur um methodisch-kritisches Arbeiten, obwohl auch dies unverzichtbar ist. Sondern es geht vor allem um den sowohl programmatischen als auch (und vor allem) praktischen, immer erneut zu reflektierenden Verzicht auf den Primat von Rangordnungen, oder genauer: um den Verzicht auf jede stabile, fraglose Rangordnung und damit schlielich um den Verzicht auf den Primat von Sequentialitt und Linearitt. Dieser Verzicht ist das Bezugsproblem des Diagramms; mit Darwins Worten (notiert wenige Bltter vor der 1837er Skizze): Organized beings represent a tree irregularly branched some branches far more branched. 13 Mit anderen Worten: Diagramme stellen Rangfragen (Luhmann 14)12 Rechts Darwin 1859, Abb. zwischen S. 116 und 117. Links siehe Darwin 1837/38, S. 36: I think // case must be that one generation then should be as many living as now. To do this & to have many species in same genus (as is) requires extinction. // Thus between A & B immense gap of relation. C & B the finest gradation, B & D rather greater distinction. Thus genera would be formed. bearing relation [to ancient types]...; Abbildungen nach Voss 2007, S. 97 und 153. 13 14 Darwin 1837/38, S. 21 (Hhg. i.O.); vgl. Voss 2007, S. 124f. Luhmann 1964b, S. 156-172.

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als Nachbarschaftsprobleme und Ereignisfolgen als Gleichzeitigkeiten vor Augen; sie ordnen das Irregulre, indem sie es und zwar, darin liegt die eigentliche subversive Idee: auf dem Papier, dem Medium des brokratisch-Ordentlichen schlechthin als Ordnungsvariante und damit als Form der Ordnung respektieren. Exakt dies nennt Darwin, mit Blick auf das aus der Skizze entwickelte Diagramm (beide markieren das Ausfingern der Linien in den Kreuzungspunkten als das Variieren der Arten 15), das forming einer Form, die ihrerseits nichts anderes bezeichnet als die varieties im Kontext einer variety 16 (einem Kreuz), die also immer eine so Darwin medium form ist. 17 Denn weder kann die grafische Skizze immer und unter allen Umstnden dem sprachlichen Ausdruck nachgeordnet werden; eine solche Rangordnung ist im Hinblick auf anspruchsvolle Kommunikation unpraktisch (sie wrde beispielsweise auf eine Auszeichnung der Wissenschaft gegenber der Kunst und in deren Raum um nur einen Pfad anzudeuten auf eine Auszeichnung der Literatur gegenber der Malerei und auf eine Auszeichnung des Dramas gegenber dem Konzert und auf eine Auszeichnung der Oper gegenber der Sinfonie und auf eine Auszeichnung der Notenvorschrift gegenber der Interpretation bzw. dem Spiel verpflichten, usw.). Jeder Mathematiker wei das, nicht erst seit Leibniz. Noch kann berhaupt das optische Medium (das seine Triumphe erst bei der handwerklichen oder technisch-wissenschaftlichen Umsetzung der Praxis des Beobachtens in eine Praxis des Beschreibens und also: auf Papier oder in der Flche feiert) immer und unter allen Umstnden fr kultivierter oder leistungsfhiger gehalten werden als das akustische oder das haptische; auch diese Rangordnung der visuellen, auditiven, taktilen, olfaktorischen und gustatorischen Wahrnehmungen ist unpraktisch (sie wrde beispielsweise den Designer darauf verpflichten, die Schnheit eines Sessels gegenber den Kreuzschmerzen des Sitzenden zu privilegieren). 18 Wer sonst sollte das in Erfahrung bringen als ein Feldforscher im Dschungel? Und um wie viel mehr gilt dies in Situationen hchster Riskanz und Verantwortung, wie sie Karl E. Weick fr das Management von Flugzeugtrgern, Kernkraftwerken und Unfallkrankenhusern beschrieben hat (und dabei klar stellt, dass nicht zuletzt die Rangordnung von Management und Profession unpraktisch ist)? 19 berdies ist es unpraktisch, das Ergebnis einer Entwicklung gegenber dieser Entwicklung selbst zu privilegieren; in diesem Sinne spricht Darwin von Evolution.15 Voss 2007, S. 96.

16 Genauer: im Kontext einer well-marked variety, die im Diagramm als Kreuzung der sich ausfchernden vertikalen Zweige mit den horizontalen Linien markiert ist; eine solche Form umfasst also auch die nicht anschlussfhigen, fortsetzungslosen Zweige ihrer selbst. Siehe Darwin 1859, S. 117f. 17 18 19 Darwin 1859, S. 119. Vgl. dazu das heitere Vorwort in Kittler 2002, zit. S. 7 und 8. Weick/Sutcliffe 2001.Seite 131

Wer sonst sollte darber etwas wissen als ein Biologe, den die Zeitspannen interessieren, die eine Population zum Umbau ihrer Binnenstrukturen braucht, und der nicht blo plakative Vernderungen beachten, sondern kleinste Verschiebungen und minimale Brche ernst nehmen will? Oder wer sonst als ein Designer, fr den eine Form nicht einfach eine gefundene oder gegebene Gestalt ist, sondern ein Prozess des Suchens und Gebens dieser Gestalt, also Gestaltung (er wrde sonst nur Gegebenes bewundern und feiern, nicht aber am Gegebenen arbeiten knnen)? Schlielich ist es auch in genau diesem Sinne unpraktisch, eine Rangordnung von Individuen danach zu zementieren, ob diese menschlicher oder tierischer oder pflanzlicher oder allgemeiner: ob sie animalischer (belebter) oder technischer (unbelebter) Natur sind. Wer sonst sollte das in Erfahrung bringen als ein Beobachter auf einer von allem mglichen Unbekannten bevlkerten Inselgruppe? Oder ein Ansthesist vor seiner Vielzahl an Monitoren, fr den das sichtbare Gesicht des Patienten und seine fhlbare Haut nur zwei von vielen relevanten Informationsressourcen sind, vielleicht aber nicht die aufflligsten und sicher nicht die verstndlichsten? Oder ein Brsenanalyst, fr den zu derselben Vielzahl an Monitoren vor allem das Klingeln der Telefone und die variable Nervositt der Stimmen kommen, aber der auch die Nervositt des Geldes mit der Nervositt der Beobachter des Geldes verrechnen muss? Charles Darwin diskutiert dieses Problem der Praxis, das heit: das Problem der zwar przise bestimmbaren, aber doch stets komplex unbestimmten Ordnung luzide. Es ist bekannt, wie scharf die Angriffe waren, die er auf sich gezogen hat fr den Verzicht auf eine Privilegierung erstens der Schpfung gegenber der Evolution, zweitens (damit direkt einher gehend) der Sequenz gegenber der Gleichzeitigkeit (das zeigt zuerst Darwins berhmteste Zeichnung, die tabellarische Anordnung der Galapagos-Finken 20) und schlielich drittens der menschlichen Species gegenber allen brigen natrlichen Arten (Bruno Latour hat gezeigt, dass es um nicht weniger ging als den Verzicht darauf, modern gewesen zu sein). 21 Darwins Diagramme stellen Zeit (und Geschichte) als Gleichzeitigkeit, als Varianz von Anschlusschancen (und Abbruchmglichkeiten) vor Augen: als Komplexitt, und fr Darwin: als Evolution. Das geht auf Papier, das geht in der Flche, in Form eines Kognition organisierenden (und im genauestmglichen Sinne auch nichts anderes als eben: Kognition darstellenden) Bildes, in Form also (mit Sybille Krmer) operativer Bildlichkeit. 22 (Man bedenke, wie przise gewhlt das FrancisBacon-Zitat ist, das er dem Werk voranstellt und in dem es heit, es ginge weder um eine Suche allein in the book of Gods words noch allein in the book of Gods works, sondern immer um an endless progress or proficience in both.) 23

20 Vgl. Voss 2007, S. 27ff. 21 23 Latour 2008. Darwin 1859 (Motto), zit. Bacon, Advancement of Learning, 1605. 22 Krmer 2009.

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Es ist auch bekannt, wie sehr Darwin sich (noch heute und vielleicht erst recht heute) fr diesen diagrammatischen Versuch belcheln lassen muss, wie lange er sich fr sein spteres Hauptwerk mit Notizbchern, Zeichnungen, Zetteln und Textfragmenten herumgeschlagen hat, bevor er sich entschlieen konnte, sie in eine Ordnung zu bringen und zu publizieren. Er sucht nach einer Mglichkeit, das Unsichere, Unbestimmte und Komplexe in eine Form zu bringen, die sich durch Przision auszeichnet, nicht durch Eindeutigkeit. 24 Er sucht, knnte man sagen, nach einer Beschreibung, die sich bewegen kann; nach einem (wie er selber fr seinen Beobachtungsgegenstand sagt) Hybrid von Bestimmung und ffnung; nach einer positiven Bestimmung, die ihre eigene Negation impliziert und damit als Variable festgestellt ist; nach einer Beschreibung, die Synchronizitt und Diachronizitt verknpft und dabei rekursive Prozesse (er nennt sie Kreuzungen) bercksichtigen kann. 25 In allen diesen Hinsichten kann man sagen: Er sucht nach einem Diagramm der Natur 26; Julia Voss zeigt, dass er dabei ein Diagramm der Suche selbst entwirft und dazu Skizzen nutzt, die wie Seismographen die Stationen seines Denkens [aufzeichnen]: Linien, die Zeit bedeuten. 27 Er sucht nach der Form der Evolution 28 und nennt diese Suche: Theorie. Dabei geht er ber die zeitgenssische Idee einer evolutionren Form als eines sich im Zeitverlauf differenzierenden, ursprnglich jedoch einheitlichen Archetyps hinaus, den die Theorie der Evolution nur quasi-archologisch auffinden msste (ursprnglich experimentierte Darwin noch mit gepunkteten Linien im Sinne versunkener, unsichtbarer Mglichkeiten und Entwicklungspfade 29). Wenn von einer Theorie der origin of species die Rede ist, dann geht es jetzt um die Beobachtung und die Beschreibung einer formation, die die Herkunftsbedingungen jeder Art (species, form of life) als deren Anfangsdifferenz versteht und zu deren Kontextbedingungen macht 30: Dot means new form 31:

24 Vgl. so auch Rustemeyer 2009, S. 8. 25 Vgl. Darwin 1859, insbes. S. 171f. und S. 245-278. 26 So wie Rustemeyer 2009 nach dem Diagramm der Kultur sucht bzw. Kulturen wie Diagramme betrachtet (S. 12) oder als Diagramme beschreibt (S. 15ff.). 27 Voss 2007, S. 98. 28 Oder mit Rustemeyer 2009: nach der Mglichkeit kommunikative[r] Verdichtung von Sinnbildungen in evolutionren Feldern (S. 10). 29 Darwin 1837/38, S. 26. 30 Vgl. Darwin 1859, S. 171-206 (ch. 6: difficulties on theory), expl. S. 206. 31 Darwin in den 1850ern. Archivbild nach Voss 2007, S. 146.Seite 133

III Die Anfangsdifferenz, in deren Kontext (und insofern: aus der) fr Darwin die Varianz einer lebenden Art entsteht, ist bei Louis H. Sullivan eine decisive position, die the hand of the architect at once zugleich trifft und einnimmt und in der diese Hand wenn nicht zu sehen, so doch zu fhlen ist; er nennt diese Anfangsunterscheidung also eine Anfangsentscheidung, die sich ihren eigenen Kontext entwirft und deshalb als elementary architecture verstanden werden kann. 32 Architektur unterliege daher immer und unausweichlich einer komplexen social condition (Sullivan spricht malerisch von einem so rtselhaften wie erschreckenden something new under the sun) und stehe vor zwei Herausforderungen: evolution and integration of social conditions, sie msse also ein special grouping of them ermglichen und eben dies fordere zur Errichtung von turmhohen Gebuden auf. Jede Zelle dieser Gebude wiederhole die Anfangsentscheidung, die der Architektur des Gebudes selbst zugrunde liege; anderenfalls handele es sich um nichts als einen zu trockenen, zu sauren und zu teuren salad 33, angerichtet als joint product of the speculator, the engineer, the builder. 34 Hochgewachsen und schlank (tall, outgrown), sind diese Gebude eher Lebewesen als Dinge; aber gerade weil sie32 33 Sullivan 1896, S. 205; zu feeling und sentiment vgl. ebd. Sullivan 1901/02, hier Nr. I (A Building With a Tower), S. 17-21, zit. S. 21.

34 Sullivan 1896, S. 202 (vgl. S. 205: the speculator-engineer-builder combination; ebd. auch zum Begriff der cell).Seite 134

praktisch naturwchsig sind, folgen sie einem sozialen Plan, den Sullivan in luzider Wiederaufnahme der brokratisch-administrativen Diagrammatik von Individuenam-Platz darstellt und in drei Merkmalen des Gebudes materialisiert sieht 35:

Gezeigt wird die 6. Etage (oben) und das Erdgeschoss (unten) des Wainwright Building (1891) in St. Louis 36

Es ist erstens offen zugnglich (dem dienen ebenerdig ein im Wortsinne attraktives Vestibul und eine Reihe von Ladengeschften), bietet auf unverklemmte Weise Platz und ist in diesem Sinne zweckmig; es setzt sich zweitens aus einzelnen Zellbausteinen (individual cells, office-cells) zusammen, deren jeder die Beziehung zur Umgebung aufnimmt und deshalb ein Fenster erfordert und die sich ansonsten nach Mglichkeit35 ber die Mystifikation dieser Dreiheit spottet Sullivan selbst, vgl. ders. 1896, S. 206f. 36 Abb. nach Sullivan 1896, S. 204. Vgl. zu den zeitgenssischen Diskussionen um Standardisierung und Individualisierung als (vermeintlich, wie Sullivan deutlich macht) entgegen gesetzte Designprinzipien Pevsner 1936, hier S. 36ff.; vgl. zum Individuum am Platz Foucault 1994, S. 181ff., und S. 256ff. zu Benthams Panopticon als der zugrunde liegenden Idee; sowie zum brokratischen Diagramm als Form sozialer Ordnung Lehmann 2011c.Seite 135

vllig gleichen (we, without more ado, make them look all alike because they are all alike); und es lsst drittens zwar das Ranking der Zellen in Form von Etagen zu, verknpft aber diese Etagen durch Fahrsthle und setzt diesem Ranking immer ein unaufgeregtes (definite) Ende, denn es hat immer ein Dach. 37 Mit diesem Dach schliet sich die Architektur als soziale Form (es ist damit sowohl ihr Ende als auch ihr Anfang 38; Sullivan vermutet wiederholt, es handele sich um Zirkularitt, und die sei das genannte basale soziale Problem der Architektur: alles jede Binnen- und jede Umwelt dreht sich in sich selbst um sich selbst). Wichtiger noch: Fahrstuhl und Dach stehen an der Stelle der polizeilichen Observanz der Zellendisziplin, die solche Strukturen zunchst ermglichen sollten es gibt im tall office building kein Zentrum (sondern nur einen Fahrstuhl) und keine Spitze (sondern nur ein Dach). Zugnglichkeit, Redundanz (Praktikabilitt), Rekursivitt (Vernetzung, ffnung und Schlieung) damit ist die Architektur als Form bestimmt, die aus der Operation der Entscheidung (der elementary architecture) entsteht. Dann aber kann man sagen: Die rekursive Zellenstruktur selbst (Sullivan selbst sagt lakonisch, das mute vielleicht heartless an) ist das Ornament dieser Architektur. 39 Kein Zweifel, dass sich dieses Ornament in der abstrakten, allem Dekor enthobenen Gestalt der Bros, ihrer Fenster, ihrer Insassen ebenso wieder finden lsst 40 wie in allen nur denkbaren Varianten pflanzlicher Gebilde an Sulen, Friesen und Portalen. Die Architektur des tall office building ist so naturwchsig wie die lebendige Welt ohne Vorteil und ohne Nachteil fr die eine oder die andere Seite, aber dies nur solange, wie die elementare Entscheidung in grter Nchternheit (it must be tall, every inch of it tall, [allowing] the nerves to calm, the brain to cool) und zugleich grter Aufmerksamkeit fr die Umwelt fllt ([living] in the fullest, most consummate sense). 41 Die elementare Entscheidung und die Architektur, die aus der Differenz dieser Entscheidung entsteht, sind in der Form dieser Architektur eins; sie implizieren einander und dies gerade so, wie auch die Architektur und die Umwelt dieser Architektur (the building und the nature) einander jointed and interdependent, blended into one like a bubble implizieren. 42 In diesem Sinne spricht Sullivan schlielich jenen klassischen Merksatz aus, fr den der hier zitierte Aufsatz berhmt geworden ist und der ausfhrlicher zitiert werden soll, als dies blich ist; nur so wird verstndlich, dass der Begriff der Form eine kognitive Operation bezeichnet, die die Unterscheidung von Lebendem und GegenstndlichDinglichem ebenso bergreift (in diesem abstrakten, heute durch die Netzwerktheorie und auch die Schwarmtheorie diskutierten Sinne ist sie sozial) wie die Unterscheidung von Innenraum und Auenwelt oder die Unterscheidung von Ordnung und Unordnung.37 Vgl. Sullivan 1896, S. 205.

38 Vgl. Baecker 2007. 39 Sullivan 1896, S. 205. 40 Vgl. Loos 1908. 41 Sullivan 1896, S. 206 und S. 207. 42 Sullivan 1896, S. 208; vgl. Sloterdijk 2004.Seite 136

Er bergreift diese Unterscheidung, impliziert also beide ihrer Seiten und kann gerade deshalb als entwerfende Entscheidung getroffen werden. Diese Entscheidung, heit das, entwirft die Unterscheidung als kontextuelle Architektur; und das heit auch, dass die Entscheidung immer erneut getroffen werden muss (und kann) und sich in jedem Element der Architektur repliziert. Draw a distinction, fordert in dieser Lage George Spencer-Brown, auf den wir zurckkommen werden (vgl. unten VII); Sullivan ist weniger lakonisch und schwrmt regelrecht von the exquisite spontaneity, with which life seeks and takes on its forms in an accord perfectly responsive to its needs. It seems ever as though the life and the form were absolutely one and inseparable, so adequate is the sense of fulfillment. Whether it be the sweeping eagle in his flight or the open apple-blossom, the toiling work-horse, the blithe swan, the branching oak, the winding stream at its base, the drifting clouds, over all the coursing sun, form ever follows function, and this is the law. Where function does not change form does not change... It is the pervading law of all things organic and inorganic, of all things physical and metaphysical, of all things human and things superhuman, of all true manifestations of the head, of the heart, of the soul, that the life is recognizable in its expression, that form ever follows function. This is the law. 43 Bei allem Pathos: damit ist deutlich, dass es hier weder um eine Nachfolgebeziehung geht noch um eine Nutzenkalkulation; weder von sequential processes noch von utility ist die Rede. Gemeint ist vielmehr Rekursivitt 44: Form und Funktion implizieren einander in genau dem Sinne wie Kultur und Natur, Architektur und Welt, Gebude und Stadt, Bro und Verwaltung, Individuum und Gesellschaft, Ding und Medium, System und Umwelt, Entscheidung und Unterscheidung. Wieviel knstlerischen Stolz eine Entwurfsentscheidung erlaubt, die mit diesen Implikationen umzugehen vermag, zeigt eine Feuerstelle von Philip Webb fr William Morris [1859], die Pevsner fr ihre diagrammatische Ordnung von Holzsto und Luftstrom feiert 45:

43 Sullivan 1896, S. 208. 44 Nahe an Sullivan ist daher zeitgleich [1890], und obwohl der Titel dies womglich nicht vermuten lsst Tarde 2009. 45 Pevsner 1968, S. 58; diagram ist ein rekurrenter Begriff Pevsners. Vgl. am Rande Bill 1963.Seite 137

In seiner Wiederaufnahme des Gedankens in den Kindergarten Chats beschreibt Sullivan die Form in expliziten Rekursivittsbegriffen und postuliert: The interrelation of form and function. It has no beginning, no ending. It is immeasurably small, immeasurably vast; inscrutably mobile, infinitely serene; intimately complex but simple. 46 Funktion heit einfach: forms emerge from forms, unfolding and infolding. 47 Jedes Gebude und jeder Gegenstand, noch die glattesten und kltesten Gebilde stellen in diesem Sinne diese Form/Funktion-Implikation diagrammatisch vor Augen, weil sie sobald die elementary decision getroffen ist ihrer Umwelt nicht entgehen. Gerade darin liegt der Reiz der Architektur. Die Entscheidungen werden schlielich genau deswegen getroffen, damit man dieser Umwelt nicht entgeht. Dass eine Architektur lebt, bemerkt Sullivan am Ende, heit einfach, dass sie unter Leuten ist: of the people, for the people, and by the people. 48 IV Der erste, der eine ganze wissenschaftliche Disziplin auf den Begriff der Form gegrndet und die Form zu einem explizit sozialen Begriff gemacht hat, war Georg Simmel (ein Zeitgenosse Sullivans). Simmels Theorie der Form die er Soziologie nennt und die hier als Diagrammatik oder doch zumindest als Protodiagrammatik vorgestellt werden soll kann als Parallelkonzept von Ernst Cassirers Relationentheorie 49 und, wie diese, als Vorform 50 der Rahmenanalyse Erving Goffmans und der Netzwerktheorie Harrison C.46 Sullivan 1901/02, hier Nr. XII und XIII (Function and Form (1) und (2), S. 42-48), zit. S. 43. 47 Sullivan 1901/02, S. 45 (mit einer Vielzahl weiterer luzider Aufzhlungen von rekursiven Implikationen). 48 Sullivan 1896, S. 213. 49 Cassirer 1910. 50 Das ist seinerseits ein Begriff Simmels, vgl. Simmel 1916/17.Seite 138

Whites, aber auch als Prludium der Metaphorologie Hans Blumenbergs verstanden werden. 51 Sie ist berdies, als Theorie der Form, vielleicht auch die erste Theorie der Kommunikationsmedien, wie sie dann Talcott Parsons und Niklas Luhmann entwickeln werden. 52 Simmel unterscheidet Form zwar von Inhalt, meint aber mit ersterem keine Containermetapher und mit letzterem keine Fllmetapher. Vier Hinweise knnen das zeigen. Erstens vermutet Simmel in der 1896 erstmals erschienen Soziologischen sthetik die wichtigste, jedenfalls beeindruckendste Eigenschaft allen Handelns in einer unerschpflich mannichfaltigen Mischung von gleichartiger, steter Wiederkehr weniger Grundtne und wechselnder Flle ihrer individuellen Variierungen, deren keine ganz der anderen gleicht, die sich aber eben auf eine erstaunlich geringe Zahl ursprnglicher Motive ... [zurckfhren] lieen und schlielich fast berall nur in eine Zweiheit zu mnden scheinen. 53 Die Unterscheidung sei Grundtypus und Urform alles Sozialen, ganz gleich, wie die unterschiedenen Seiten bezeichnet wrden; es kann die Unterscheidung sein von Fluss und Ruhe bzw. Zeit und Sein, von Gott und Welt, von Natur und Geist oder von Sozialismus und Individualismus. 54 Wichtig sei nicht der Name dieser Unterscheidungen, sondern allein die Form der Unterscheidung selbst; ihre Rigiditt und ihr evolutionrer Erfolg lge demnach in der vollkommenen Abstraktion auf eine Binaritt, die sich jedem kontextuellen Spezifikum, also jeder kulturellen und jeder historischen Lage anpassen kann. Wie auch immer die abstrakte Unterscheidung konkret entworfen wird: sie zieht sich als Linie durch alle Gebiete des Sozialen. 55 Ihre Ordnungsleistung ist absolut, weil sie jede sozial mgliche Variabilitt impliziert, weil sie also einschliet, was sie sonst wre sie nicht abstrakt zugleich stets ausschliet. Gerade darin, in der vollkommenen Vereinnahmung des Mglichen durch die Unterscheidung des Mglichen (Spencer-Brown, auf den wir zurckkommen werden, hat von perfect continence gesprochen 56), liegt fr Simmel zweitens nun auch die sthetik der Form aber unter einer Bedingung: dass die Asymmetrisierung der unterschiedenen Seiten bzw. Werthe nicht vermieden werde. 57 Symmetrie verdanke sich immer einem Ordnungsversuch, einer mechanischen Systemform, die zum Zwecke leichtere[r] bersichtlichkeit, Bezeichenbarkeit, Lenksamkeit entworfen werde und die Simmel als despotische Gesellschaftsform bzw. als Kontrollphantasie derer beschreibt, die das Ordentlich-Regulre sthetisch reizvoll fnden (eben: schn, aber im bloen51 Vgl. hier nur Blumenberg 1976 (zugleich einer der wenigen, die Simmels Vorformen-Studie zur Kenntnis genommen haben, vgl. hier S. 131). Vgl. Goffman 1974 und White 2008. 52 53 55 57 Vgl. bndig Parsons 1977 und (noch vorsichtig) Luhmann 1974. Simmel 1896, S. 303. Simmel 1896, S. 304. Simmel 1896, S. 305.Seite 139

54 Simmel 1896, S. 303, vgl. fr die Aufzhlung S. 303f. 56 Spencer-Brown 1994, S. 1.

Sinne von: nicht beunruhigend): Die symmetrische Anordnung macht die Beherrschung der Vielen von einem Punkt aus leichter. Die Anste setzen sich lnger, widerstandsloser, berechenbarer durch ein symmetrisch angeordnetes Medium fort (Simmel spielt hier mehr als deutlich auf die Ordnungsdiagramme der tabellarisch registrierenden und auf Papier rechnenden Brokratie an 58) als wenn die innere Struktur und die Grenzen der Theile unregelmig und fluktuierend sind. 59 Dieser eine Punkt aber ist immer Sinnbild einer Unterscheidung, der von Ruhe und Unruhe oder auch der von Oben und Unten, und diese Unterscheidung lsst sich nicht symmetrisieren. Der eine Punkt muss auerhalb der Ordnung bleiben, die er reguliert. Es mag so sein, dass dieser eine Punkt die Ordnung zu einem Kunstwerk macht, in dem jeder Baustein seinen geordneten Platz hat und das solange dies gut geht architektonischen Neigungen Genge tun mag. Aber sobald ein solcher Baustein sich als ein Stein auf den einen Punkt bezieht eine Unterscheidung trifft , wird eine nicht vorgesehene, irregulre Symmetrie behauptet, die den einen Punkt zum Baustein macht. Die Ordnung und ihre ganze nivellierte Architektur wird im Moment dieser Unterscheidung verworfen 60; sie strzt ein und sie strzt vielfach gleichzeitig ein, an jeder Stelle ihrer selbst nmlich, wo eine Baustein-Punkt-Relation hergestellt wird. Fr die Architekten der mechanischen Form ist damit alle Ruhe und mit dieser alle Schnheit verloren. Selten wird so deutlich wie hier, dass Simmel drittens den Ursprung der soziologischen Frage des Problems sozialer Ordnung im Bruch zwischen mechanical und electronic age gesehen hat, um mit Marshall McLuhan zu sprechen 61: im Bruch zwischen dem Reiz [der Maschine] und dem Reiz der rhapsodischen Zuflligkeit 62 der unzhlige Male begonnenen und ... eben so oft unterbrochenen Entwickelungsreihen 63, dem Reiz des Plans und dem Reiz des sozusagen unebenen Bild[es]. 64 Durch nichts als die Beobachtung der Beziehung von Stein und Punkt wird die Symmetrie der Ordnung in jedem Moment Simmel: in jedem Augenblick 65 riskiert. Dieser Augenblick ist nichts anderes als die gesuchte Form. Simmel ist bekannt geworden dafr, dass er Stein (Einzelnes) und Punkt sowie Augenblick und Ereignis im Begriff des Individuums zusammengefasst und dieses als Resonanzkrper der sozialen Varianz verstndlich gemacht hat, deren Element dieses Individuum zugleich ist. Individuum ist daher sein Formbegriff schlechthin. Die Identitt dieses Individuums kann fr ihn daher immer nur die des Scheiterns, des Zusammenbruchs sein: Nicht nur ist seine Lage unvermeidlich unruhig (das kennzeichnet er durch den zeitgenssisch modischen Ausdruck der schwankenden58 Vgl. jetzt Meynen 2012. 59 Simmel 1896, S. 308. 60 Simmel 1896, S. 309. 61 McLuhan 1994. 62 Simmel 1896, S. 309. 63 Simmel 1896, S. 310. 64 Simmel 1896, S. 311. 65 Simmel 1896, S. 313.Seite 140

Nerven 66); es gewinnt auch nichts, wenn es seine Identitt gegenber seiner Nichtidentitt privilegiert, weil es dann bei aller Nervositt ruhig in einem brokratisch zugewiesenen Platz (dessen Koordinaten seine Identitt bestimmen) ausharren msste. Verzichtet es auf dieses Privileg, kann es den Zusammenbruch und den Verfall der Ordnungsarchitektur berleben. Soziale Ordnung, so Simmel, ist auch als Verfallsgestalt mglich. 67 Der Begriff der Form bedeutet nur, dass sich sinnloser Zufall und neuer Sinn, Formlosigkeit und Form in jedem Augenblick und unruhige[r] Rhythmik verknpfen. 68 Im Begriff der Form wird, so verstanden, die scharfe Scheidung zwischen Anschauung und Gedanke vllig unzureichend 69; er ist wie die farblose Farbe, die es gar nicht gibt 70 ein Diagramm. In jeder sozialen Ordnung bleibt deshalb viertens die Frage notorisch unentscheidbar, ob ihre Elemente Verfallsgestalten oder Bausteine sind. Es gibt nichts, das unanfechtbar und sicher wre; jeder externe Kontrollpunkt hat Doppelgnger in jedem Element der Ordnung, so dass schlielich die Beziehung zwischen Punkt und Element selbst das Element der Ordnung genannt zu werden verdient. Die Ordnung besteht gar nicht aus immunen Stabilitten, die durch eine ordnende Macht arrangiert und gefgt werden, sondern aus infektiblen, irrierbaren, einander beobachtenden und aufeinander referierenden Ereignissen, die sich in ihrem eigenen Kontext zu szenischen Arrangements verknpfen. 71 Sie erzeugt die Elemente, durch die der Fluss des Lebens [hindurchgeht], aus den Elementen dieses Flusses selbst 72, so dass sie, wie Simmel einmal bemerkt, eigentlich nichts anderes ist als eine vorlufige Aufstauung dieses Flusses mit den Mitteln dieses Flusses eine Kreuzung von Flssen also, ein hochgradig unruhiges Milieu. 73 Jedes Element aber ist im Moment seines Auftretens ein mglicher Punkt des Umschlags, einer Axendrehung 74, die aus einem eigentlich zuflligen Element (Inhalt) 75 eine funktionale Differenz macht, die sich zu eigenwertigen Formationen entwerfen kann. 76 Diese groe Wendung 77 vom bloen Zweck oder vom zuflligen

66 Simmel 1896, S. 318. 67 Simmel 1907, hier S. 127. 68 Simmel 1907, S. 127 und S. 131. Vgl. auch ders. 1903. 69 Simmel 1907, S. 133. 70 Simmel 1904, hier S. 239. Hinweise zu dieser Farblosigkeit als Form der Potentialitt finden sich zahlreich in Simmels Werk. Vgl. Lehmann 2011b. 71 73 75 Vgl. Simmel 1916/17, S. 113. Simmel 1916/17, S. 106. Simmel 1916/17, S. 114. 72 Simmel 1916/17, S. 113. 74 Simmel 1916/17, S. 104 und 117, vgl. S. 121.. 76 Simmel 1916/17, S. 111. 77 Simmel 1916/17, S. 104.Seite 141

Motiv zum funktionalen Eigenwert (ein eigentlich zwecklos[er Wert]) ist die Form: eine Rechnung mit dem Zuflligen. 78 Wir mssen uns hier einen weiteren Durchgang durch Simmels Vorformen-Aufsatz ersparen und knnen nicht weiter eingehen auf die luzide Art, in der er diese Rechnung zunchst als Operationalisierung von Selektivitt beschreibt und dann am Beispiel der Kunst und ihrer Verknpfung von Wahrnehmung und Beobachtung (letztere ist, wie wir gesehen haben, fr Simmel nichts anderes als relationales, referentielles Handeln), die er als Formwahrnehmung bezeichnet. 79 Simmel beschrnkt diesen Begriff auf die Kunst, aber wir knnen ihn wenn die gegebene Herleitung triftig ist auf die Verknpfung von Wahrnehmung und Beobachtung selbst beziehen und davon ausgehen, dass soziale Ordnung verstanden werden kann als mit allem (Zuflligen) rechnende Form, das heit: als Kommunikation ber Formwahrnehmungen. Simmel selbst ist dieser Vorschlag zu danken; hat er ihn doch zur Grundlage seiner Soziologie gemacht. Die Ersetzung der sonst stets tastend entwickelten Begrifflichkeit der Form als einer Zufallsfunktion von Motiven und Zwecken, als eines kontextuellen Arrangements von Relationen, als eines immer instabilen Punktes im Strudel sich kreuzender Flsse durch den Begriff der Wechselwirkung ist zwar so plausibel wie unglcklich, weil dieser die funktionale Referentialitt, die gemeint ist, nur unentschlossen von kausalen Beziehungen, die nicht gemeint sind, unterscheidet. 80 (Es handelt sich um den verstndlichen Versuch, die Flut von Formmetaphern durch einen przisen Begriff zu ersetzen und auf diesen Begriff das Fach Soziologie so zu grnden, dass es nicht blo das Dorado von heimatlosen und entwurzelten Existenzen, sondern auch deren eigenes Fachgebiet werden kann 81; auerdem wre in Rechnung zu stellen, dass der Vorformen-Aufsatz zehn Jahre nach der Soziologie erschienen ist.) Aber das gelufige soziologische Missverstndnis, Simmel habe hier die Wechselwirkung von Menschen gemeint, die sich im sozialen Verkehr aus einer Vielzahl von Beziehungen eine facettenreiche Fassade erwirtschaften (sich vergesellschaften), kann Simmel nicht zugerechnet werden. Die groe einleitende Abhandlung ber Das Problem der Soziologie hypostasiert den Begriff der Wechselwirkung an keiner Stelle; sie betont vielmehr die Begriffe Individuum und Element als Bezeichnung proto- oder auch noch nicht sozialer 82 Momente, die ebenso sehr den Inhalt, gleichsam die Materie der sozialen Energien bilden 83, wie sie der namenlose Angelpunkt sind, an dem diese Energien Form gewinnen78 Simmel 1916/17, S. 107 mit der auf die Relationalitt allen Handelns bezogenen Formulierung: Es ist sein [des Menschen] eigentlicher Wert, dass er zwecklos handeln kann, weil er die Stufe der Zweckmigkeit durchgemacht hat und frei ist, und S. 106 (hier beilufig; in Simmel 1908 dann passim) fr das Rechnen. Vgl. S. 105 (u..) fr die Identifikation der Begriffe Form und Funktion. 79 Simmel 1916/17, S. 123. 80 Simmel 1908, S. 13 (und passim); definitorisch zuerst S. 17. 81 Simmel 1908, S. 14. 82 Simmel 1908, S. 18. 83 Simmel 1908, S. 18 und 15.Seite 142

knnen. Es sind nicht soziale Kreise im Sinne von Schichten oder peergroups oder Salons, die sich in Individuen und Elementen kreuzen 84, sondern unabschliebar in sich zurcklaufende Linien (s.o.). Individuen und Elemente sind tatschlich Vorformen jener papiernen Schreibflchen, in deren Medium (s.o.) die soziale Ordnung mit ihren eigenen Mglichkeiten kalkuliert. Simmel macht deutlich, dass diese Ordnung ins Rutschen und dieses Papier ins Flieen gekommen sein knnte; deshalb verwendet er so unzhlige Fluss-, Strom-, Wellen- und Meeresmetaphern, deshalb interessieren ihn Ruinen und verfallende Architekturen, und deshalb spricht er so oft vom ortlosen, nichtidentischen, im Wortsinne fremden Individuum. Und er mahnt an, dass dieses ins Flieen gekommene Papier Fragen provoziert, die ber jede im Raum der Brokratie noch mgliche Verwandtschaft von Geometrie und Soziologie hinausgehen 85 und eine neue Art des Rechnens erfordern; Fragen, die jenen heimatlosen und entwurzelten Existenzen verwandt sind. Das sind Fragen, die immerhin erst ein halbes Jahrhundert (und zwei vernichtende Kriege des Alten Europas um seine Kontroll- und Ordnungsphantasien) spter wieder hnlich anspruchvoll gestellt worden sind (forciert durch einen hnlich begnadeten Metaphoriker, nmlich McLuhan). Diese Fragen aber konnten bereits sicher in einem sozialen Kontext platziert werden, der fr digitale Algorithmen zumindest ber ein technisches, wenn auch nicht ber ein soziales Verstndnis verfgte. Niklas Luhmann hat den Selbstausschluss der Soziologie aus diesem Kontext nicht verhindern knnen. 86 V Ohne auch nur den Versuch unternehmen zu wollen, die Begriffe des Diagramms und der Diagrammatik hier erschpfend zu behandeln, sind doch einige Bemerkungen dazu erforderlich, in welchen Hinsichten von beidem die Rede sein kann. Lehrbcher und berblicksdarstellungen dazu liegen inzwischen in Flle vor, forciert vor allem durch die Entwicklung der Wissenschaftsgeschichte im Anschluss an Michel Foucault einerseits und Bruno Latour andererseits zu so etwas wie einer wissenschaftlichen Leitdisziplin der letzten beiden Jahrzehnte des zwanzigsten Jahrhunderts. 87 Dabei braucht nicht entschieden zu werden, ob es um ein sammelndes und erklrendes Programm geht, das die Variett vorhandener Diagramme und deren Nutzungszusammenhang (etwa das Herauslesen von parlamentarischen Sitzverteilungen aus Tortendiagrammen oder das Auffinden von Buchexemplaren durch signierte Stellordnungen oder die Navigation mithilfe geographischer Kartographierungen) zu einer Kulturdiagnose verarbeitet, oder84 Simmel 1908, S. 456-511 (Kap. VI). 85 Simmel 1908, S. 25; vgl. S. 687-790 (Kap. IX). 86 Vgl. die programmatischen Abhandlungen in Luhmann 1970 und die unter einem perfiden Titel erschienene Auseinandersetzung Habermas/Luhmann 1971, und vgl. als Wiederanfnge zuerst Baecker 2004, dann ders. 2005 sowie zuletzt Lehmann 2011c. 87 Vgl. stil- und schulbildend Kittler 1985; zur semiotischen Diagrammatik als Beobachtung und Beschreibung einer Kontinuitt von Philosophie und Mathematik Diagrammatologie im Anschluss an Husserl und Peirce zuletzt Stjernfelt 2007.Seite 143

um eine Epistemologie diagrammatischer Vernunft, die die Produktion von Wissen im Medium des Diagramms zum Gegenstand hat. 88 Wir haben das hier in den berlegungen zu Darwin, Sullivan und Simmel bereits unentschieden gelassen und werden auch fr Luhmann und Spencer-Brown so verfahren, weil wir davon ausgehen, dass jede epistemologische Diagrammatik ihrerseits mit Diagrammen arbeitet, also Fall ihrer selbst ist dass sich also in der Diagrammatik Beobachtungsgegenstand und Beobachtungsmethode, Vorstellung und Darstellung, empirischer Versuch und epistemische Technik 89, Ding und Medium 90 immer verflechten. Die Diagrammatik ist (mit einer Formulierung von Carl Friedrich Gauss) der Inbegriff der Verwicklungen, die sich dabei ergeben knnen. 91 ber eine operative Bildlichkeit allerdings 92 geht die Diagrammatik insofern hinaus, als das Diagramm kein Privileg der optischen Wahrnehmung im Medium des Bildes zu behaupten braucht. Das macht es fr unseren Zusammenhang interessant, und deswegen haben wir bereits von der Kommunikation ber Wahrnehmung gesprochen. Wir greifen auf ein Beispiel zurck. Gauss denkt um 1820 ber die Mglichkeit einer Gewebemathematik nach, im Grunde also einer Mathematik verwickelter Strukturen, einer (da Mathematik ihrerseits die Beobachtung von Strukturen zum Gegenstand hat) Mathematik der Mathematik. Er notiert folgendes: 93

Die Zeichnung eines Zopfmusters erinnert in der Entscheidung, jeden Strang zu bezeichnen und jede Ebene zu beziffern, auf der sich eine Kreuzung von Strngen findet, an88 Vgl. fr diese bottom up- bzw. top down-Alternative Bauer/Ernst 2010, zit. S. 17, die sich fr Letzteres entscheiden. 89 Moritz Epple im Anschluss an Hans-Jrg Rheinbergers Begriff des epistemischen Dings: [Epple 2010], hier S. 126. 90 Heider 1927. 91 Vgl. Epple 1998, und ders. 2010. 92 Krmer 2009. 93 Abb. nach Gauss [1815-30?] Notebooks in Epple 2010, S. 121 (auch in Epple 1998).Seite 144

Darwins Evolutionsdiagramm. (Man knnte den Zopf kmmen, also alle Kreuze nach oben oder nach unten verschieben, und bekme die empirisch evidente, epistemisch aber unfruchtbare Verdichtung an einem Ende; Gauss lst also die Verdichtung durch Verzicht auf dieses Kmmen auf, ohne die Struktur selbst aufzulsen.) Zunchst versucht Gauss die Vernderung der Coordinierung der Strnge (a-d) und Ebenen (1-6) in einer Kreuztabelle nachvollziehbar zu machen (+i markiert das Hinweggehen eines Strangs ber einen anderen). Er sieht aber dann, dass dieser tabellarische Nachvollzug unfruchtbar ist, weil es fr den Inbegriff der Verwicklung nicht darauf ankommt zu wissen, ob Knoten vorliegen, sondern darauf zu wissen, ob der Zopf aufgeht, wenn man an seinen Enden zieht und die Knoten einander destruiren. Das sieht man in der Tabelle nicht mehr. Es msste daher wahrscheinlich zureichen, die halben Umdrehungen einer Linie in die andere nach einem bestimmten Drehsinn darzustellen. Dazu zeichnet Gauss den Zopf nochmals von oben, um diesen Drehsinn sichtbar zu machen. Das leuchtet als Darstellungsform allerdings kaum ein; der Zopf ist erheblich anschaulicher. Schlielich notiert er ergnzend zu der (a-d)- und (1-6)-Bezeichnung im Zopfdiagramm: Man braucht nur in jeder Linie zu zhlen wie oft + mit wechselt (also wie oft ber- und Unterkreuzungen wechseln). Mit beidem: dem Wechsel der Perspektive vom Auf- in den Grundriss (bzw. von der An- in die Draufsicht), der als Grafik gezeigt wird, und der Verknpfung einer Zhlung erster Ordnung (a-d, 1-6) mit einer Zhlung zweiter Ordnung (+/ -Hufigkeit), die im Satz geschrieben wird, gibt er den entscheidenden Hinweis. Denn sein Notizblatt selbst weist zwar die klassischen Merkmale eines Diagramms schon darin auf, dass es sprachliche und grafische Darstellung nicht nur nebeneinander stellt, sondern auch (explizit in der Zopfskizze und in der Kreuztabelle) verknpft. Darin gleicht es Darwins erster Skizze der Evolution der Arten (s.o.). Es verknpft auerdem, auch dies kennzeichnet Diagramme im klassischen Verstndnis, Schrift und Zahl bzw. Individualitt dem Namen nach und der Zhlung nach (darin gleicht es Sullivans Wainwright Building) sowie Statik und Dynamik (darin gleicht es Webbs Kaminentwurf). Sondern es macht auerdem und darin geht es ber das klassische Verstndnis hinaus explizit deutlich, dass erstens ein Diagramm stets etwas Unbestimmtes als bestimmbar darstellt 94: nmlich jenen Inbegriff der Verwicklung. Und dass zweitens ein Diagramm stets eine abstrakte Zhlung im Sinne einer formalen Individualisierung durch symbolische (a-d) oder numerische (1-6) oder grafische () Bezeichnung mit einem Arrangement dieser Bezeichnungen verknpft, das ebenfalls variiert werden kann. 95 Der Inbegriff der Verwicklung findet sich nicht in einer der gegebenen Bezeichnungen und auch nicht in einer der skizzierten Arrangements von Bezeichnungen, sondern sowohl in der einen als auch in der anderen Hinsicht in deren Variett. Bezeichnung und Arrangement kontrollieren einander gerade so, wie ber- und Unterkreuzungen sich so ineinander verrechnen, dass, Gauss zufolge, der Zopf unter Umstnden sowohl coordiniert als auch destruiert wird. Das erinnert in der zugleich geschlossenen und unabschliebaren Variett94 Dies ist die Pointe der Darstellungen in Baecker 2005. 95 Vgl. sehr klar Epple 1998, auch 2010.Seite 145

der mglichen Strukturformen deutlich an Simmels Diagrammatik der Wechselwirkung als Verknpfung von Vorform (formale a-d- oder 1-6- oder -Individualitt) und Form (a-d-,1-6- und -Arrangement). Es findet sich auerdem wieder sowohl in Luhmanns Neufassung der Systemform (s.o.) als System/Umwelt-Differenz, die im System sowohl das formale In-dividuum der Soziologie 96 als auch den Inbegriff aller im Kontext der System/Umwelt-Differenz mglichen Strukturbildungen erkennt (die Gesellschaft der Gesellschaft 97), als auch in Whites Neufassung der sozialen Formationen (s.o.) als Netzwerke einander coordinierender und destruierender Kontrollversuche. Der Inbegriff des Diagramms liegt somit sowohl in der Bestimmbarkeit des Unbestimmten als auch in der Variett des Unentscheidbaren. Jede Diagrammatik beobachtet die Operationen, die diese Bestimmungen vollziehen, und die evolutionren Varianten, die dieser Vollzug ermglicht, und sie beschreibt diese Beobachtungen in Formen, die sowohl der Wahrnehmung als auch der Kommunikation zugnglich sind. Sie ist dabei weder an Visualitt bzw. an optische Medien gebunden noch an Schrift. Die formal bezeichneten, gezhlten und arrangierten Individuen sind nichts (das heit: nicht mehr, aber auch nicht weniger) als Elemente einer zwar definitiven, im Kontext dieser Definition aber notorisch instabilen Ordnung. Anlass und Hintergrund (mit Heider: Substrat) der Diagrammatik knnen beispielsweise, worauf schon Charles S. Peirce hinweist, sowohl akustische als auch visuelle Ereignisse sein; entscheidend ist erstens, dass sie wahrnehmbar sind sei es in time (akustisch) oder in space (visuell) 98, und zweitens, dass sie beobachtet werden. Denn die Beobachtung transformiert das Ereignis in eine Unterscheidung zweier Seiten (z.B. laut/leise, hell/dunkel, grn/grau, innen/auen, 1/0 oder eben + [berkreuzung]/-[Unterkreuzung]), die durch die Unterscheidung selbst konjunktiv verknpft sind. Fr die Operationalisierbarkeit der Unterscheidung gengt die Unentscheidbarkeit ihrer beiden Seiten. Jedes Diagramm stellt demnach elementare Sensationen und darin liegt sein Gewinn gegenber der Wahrnehmung als Unentscheidbarkeiten, Unsicherheiten, Ungewissheiten dar, verzichtet dazu aber keineswegs auf diese elementaren Sensationen, sondern fhrt sie in seinen eigenen Raum immer wieder ein. Es nimmt ihnen die Evidenz der unmittelbar einleuchtenden Wahrnehmung und transformiert diese durch die Verknpfung von formaler Bezeichnung und variablem Arrangement in Kontingenz, wendet aber fortlaufend weiter Evidenz gegen diese Kontingenz ein. Insoweit haben wir es sowohl bei einem Diagramm als auch bei einer Diagrammatik als dem Inbegriff der Verwicklung von Diagrammen (zum Beispiel nach Simmel einer Gesellschaft, oder nach Sullivan einer Architektur, oder nach Darwin einer lebenden Art) immer mit einer Variante der Rekursivitt von Evidenz und Kontingenz zu tun: mit einer Form.

96 Luhmann 1995, S. 166. 97 Luhmann 1997). 98 Peirce 1933, zit. CP 3.418.Seite 146

VI Luhmanns Diagrammatik ist die Theorie sozialer Differenzen; sein wichtigstes Diagramm ist der Begriff des Systems, den er konsequent als Beobachtung und Beschreibung von sozialer Ordnungsbildung im Kontext der Selbstreferenz eines einzigen basalen Diagramms versteht: der Differenz von System und Umwelt. Der Begriff der Differenzierung, der als Diagrammatik der Differenz verstanden werden kann, hat in seinem ersten opus magnum (Soziale Systeme) 99 keine besondere Prominenz; er versteckt sich dort folgerichtig in den beiden explizit dem Systembe-griff gewidmeten Kapiteln ber System und Funktion einerseits und System und Umwelt andererseits. Im vierten Kapitel seines zweiten opus magnum (Die Gesellschaft der Gesellschaft 100) wird der Begriff dann zwar sogar zum Titel. Aber wichtiger sind ihm auch in diesem Werk andere Begriffe System, Medium und Evolution ; und er nutzt die Unterscheidung von Form und Medium (Kap. 2.I), um den Systembegriff komplexittstheoretisch, kommunikationstheoretisch und evolutionstheoretisch zuerst am Testfall der Kommunikationsmedien (Kap. 2) und erst danach unter dem Titel Formen der Systemdifferenzierung (Kap, 4.II) am Ordnungsproblem der Gesellschaft zu reformulieren. Tatschlich entsteht der Eindruck, dass Luhmann in seinem Weg von der allgemeinen Theorie sozialer Systeme zur Gesellschaftstheorie der Soziologie 101 die Diagrammatik der Differenz zuerst unter dem Namen des Systems entworfen hat, der empirisch-soziologischen Ausarbeitung dieses Grundrisses (so der Untertitel von Soziale Systeme) konsequent unter dem Namen der System-Umwelt-Theorie 102 auch nahezu sein ganzes Lebenswerk gewidmet, ihn dann aber dennoch unter dem Namen der Form zugleich (im oben fr Simmels Ruine als Implikat von Verfall und Vorform beschriebenen Sinne) verworfen und die Diagrammatik der Differenz als Diagrammatik der Form neu entworfen hat. Ich habe diese Frage an anderer Stelle 103 ausfhrlich ausgearbeitet und fasse daher hier nur kurz zusammen. Luhmann hat das diagrammatische Problem seines Theoriekonzepts vielfach reflektiert, dies aber in seinen Texten verstreut untergebracht. Gelegentlich hat er es aber auch explizit angesprochen, vor allem in dem kurzen Aufsatz ber die Probleme einer theorieeigenen Sprache. Der dort ganz beilufig abgebildete Themenplan (in seiner Verknpfung von Schema und Liste ein konventionelles Diagramm) 104 greift vor auf die Gliederung des Grundrisses und bietet sich als Strukturierungshilfe fr die meisten von Luhmanns Texten an, gibt aber sein entscheidendes Argument erst auf den zweiten Blick preis 105: dass nmlich alle Begriffe (auch die, die in der Liste allein99 Luhmann 1984. 100 Luhmann 1997. 101 Luhmann 1997, S. 16ff. 102 Luhmann 1964a, S. 22 und 46; vgl. ders 1984, S. 26 (System/Umwelt-Theorie). 103 Vgl. Lehmann 2011c, S. 205ff., und 2011d. 104 Luhmann 1979, Abb. S. 177. 105 Luhmann 1979, S. 170.Seite 147

stehen) als Unterscheidungen gefasst sind. Der Ermglichung dieses zweiten Blickes dient das Diagramm. Den schon von Simmel im Begriff der Systemform (s.o.) kritisierten externen Punkt gibt es bei Luhmann nicht, vielmehr sind die zentrale Unterscheidung System/Umwelt und deren Medium Sinn am tiefsten verstrickt; und dieser vollkommene Verzicht auf ein lineares Kontinuum 106 ndert an der Form des Systems wie auch an der Theorie dieser Form alles:

Wichtig scheint Luhmann aber weniger der Gedanke der Verstrickung als der Gedanke der Ermglichung von Anfngen im Kontext von Arrangier- und Vertextungsproblemen gewesen zu sein, die er deutlich als produktive Chancen versteht und gerade deswegen regelrecht sucht, weil sie sich nicht optimal lsen lassen: Die mir vorschwebende Gesellschaftstheorie knnte ich von der Theorie des Systems, von der Theorie der Evolution, von der Theorie der Kommunikation oder von Theorien ber Sinn und Selbstreferenz aus schreiben. Jeder Einstieg, jeder Anfang ist mit nichtexemplifizierbaren Voraussetzungen belastet und daher fr den, der blo am Text entlang liest, kaum verstndlich zu machen. Der Leser kann dann prfen, ob die Stze grammatikalisch stimmen; aber er kann die ihnen zu Grunde liegenden Optionen der Theorie nicht verfolgen. Schn wre es, wenn man diese leicht labyrinthische Theorieanlage in Bchern abbilden knnte, die sozusagen zweidimensional angelegt sind, also mehrere Lesewege erffnen. Aber das wrde gar nichts ntzen, da man die Texte unterschiedlich schreiben msste je nachdem, auf welchem Weg der Leser zu ihnen gelangt. Ich habe den Plan fr ein Buch ber Theorie sozialer Systeme mitgebracht, aus dem zumindest optisch deutlich wird, weshalb dieses Buch bisher nicht geschrieben worden ist... Das Problem ist: Wie erzeuge ich mit sprachlichen Mitteln hinreichende Simultanprsenz komplexer Sachverhalte und damit hinreichende Kontrolle ber die Anschlussbewegung des Redens und Verstehens ... Simultanprsenz. Das ist das Problem. 107106 Luhmann 1979, S. 170. 107 Luhmann 1979, S. 174, 175 (der Satz endet mit einem Punkt; es handelt sich also nicht um eine Frage) und 176.Seite 148

Diesen Plan fr ein unmgliches Buch nimmt Luhmann in Soziale Systeme als das Buch, das er dann tatschlich wenig spter als eine Art Parallelpoesie der wissenschaftlich blichen Prosa 108 vorlegt, nicht mehr auf. Sein konzeptionelles Diagramm macht deutlich, dass es nicht um den Systembegriff geht, sondern nur um eine Abstraktion, die Differenzerfahrung ermglicht und organisiert, indem sie Reduktion von Komplexitt [praktiziert] 109, ohne die Linearisierung von Komplexitt (im, wie gesehen, schon von Simmel kritisierten Sinne) zu betreiben oder auch nur eine solche Mglichkeit zu behaupten: Die Theorieanlage gleicht also eher einem Labyrinth als einer Schnellstrae zum frohen Ende. 110 Diese Praktikabilittsvermutung gilt dem Systembegriff; deshalb [gehen] die folgenden berlegungen davon aus, dass es Systeme gibt. 111 Man mag, wie das vielfach mit hohem argumentativen Aufwand geschehen ist, die ontologischen Implikationen dieses Anfangs herausarbeiten und gegen die Selbstreferenzannahme der Theorie einwenden; aber man kann auch einfach hinnehmen, dass Luhmann nicht davon ausgehen konnte, dass es auch eine Theorie der Selbstreferenz oder berhaupt eine einzige Theorie der Nichtlinearitt gibt. Aber immerhin gibt [es] selbstreferentielle Systeme... Systeme mit der Fhigkeit, Beziehungen zu sich selbst herzustellen und diese Beziehungen zu differenzieren gegen Beziehungen zu ihrer Umwelt. 112 Der Systembegriff ist nichts als ein praktikabler Anfang ein Anfang, aus dem Luhmann sein zweites, sicherlich erheblich bekannteres Diagramm entwickelt, das in der Zhlung der Ebenen und Strnge und der Markierung der Kreuzungen sowohl dem Evolutionsdiagramm Darwins als auch dem Zopfdiagramm Gauss verwandt sein drfte:

Der Vergleich des Themenplans mit dieser Skizze 113 weist darauf hin, dass auch hier jeder Begriff Element eines Begriffsgewebes ist man mge versuchen, die Verstrickung der System/Umwelt-Differenz aus dem Themenplan in die vorliegende Skizze einzutragen; dies msste an jedem ihrer Schnittstellen bzw. Verzweigungen erfolgen und wrde ohne weiteres die Brauchbarkeit des Entwurfs lschen. Luhmann listet in seiner Einleitung denn auch eine groe Zahl von Begriffen auf, die als Elemente der gesuchten108 Luhmann 1979, S. 177. 109 Luhmann 1984, S. 13 und 12. 110 Luhmann 1984, S. 14. 111 Luhmann 1984, S. 30. 112 Luhmann 1984, S. 31; man beachte die Fn. 2 ebd. zur Unterscheidung von differenzieren gegen und unterscheiden von. 113 Luhmann 1984, S. 15; Abb. S. 16.Seite 149

Theorie in Frage kommen knnen, wenn es gelingt, sie in Differenzen zu arrangieren, die als Zusammenhangslinien von Begriffspositionen zu verstehen und in der Darstellung der Theorie [zu praktizieren] sind. 114 Eine Seite der so arrangierten differentiellen Unterscheidungen ist interessanterweise immer das Ereignis. 115 Auch dies htten wir also in das erste und mit diesem nachher auch in das zweite gezeigte Diagramm einzutragen und wrden dann nicht mehr sehen, im Vergleich aber erkennen, was Luhmann hier gelingt: Er entwirft das Diagramm einer komplexen Form des Systems und der Theorie des Systems 116 , aber er entwirft es nicht als schreckliche Komplexitt 117, nicht als schrecklich kompliziertes Flechtmuster, sondern als Zeichnung ... mittlere[r] Komplexitt: als so etwas wie ein Proto-Modellsystem, an dem sich etwas entwickeln lsst. 118 Wenn ich recht sehe, versucht Luhmann Die Gesellschaft der Gesellschaft nichts anderes, als dieses mittlere Komplexittslevel auf den drei Ebenen der Skizze zu diskutieren und das Wiedervorkommen aller Ebenen und Zweige des Schemas an allen Begriffspositionen des Schemas zu vermeiden. Die Anlage des Textes ist dafr jetzt explizit und auf eine auerordentlich elegante Weise diagrammatisch verfasst. Luhmann nimmt den Plan der Theorie von zwlf auf genau besehen nur noch drei Komplexittsvarianten zurck: System, Kommunikation und Evolution (Kap. 1-3) und reduziert dies nochmals, indem er das Systemproblem auf die Frage nach der Gesellschaft im Kontext der Differenz von System und Umwelt und das Kommunikationsproblem auf die Frage nach den Medien im Kontext der Differenz von Form und Medium einschrnkt. Das Evolutionsproblem kann dann zwar, darin genau Darwin folgend, im Kontext der Differenz von Variation, Selektion und Retention entworfen, aber mithilfe der beiden vorangestellten Komplexittsreduktionen zugleich eingeschrnkt werden auf die Frage nach dem System als immer zugleich stabiler und instabiler kologie medialer Ereignisse. Das Komplexittsproblem der Gesellschaft besteht dann in der Gleichzeitigkeit (das heit: in der sich verzweigenden und verflechtenden Kreuzung) genau zweier Differenzen: der System/Umwelt-Differenz und der Medium/Form-Differenz (die ihn, aber das muss hier offen bleiben, wieder in erstaunliche Nhe zu Parsons Kreuzung der internal/ external-Differenz mit der instrumental/consummatory-Differenz bringt). Nehmen wir Luhmanns Selbstreferenzargument ernst (die ihn dazu bringt, den Differenzbegriff gegenber dem Unterscheidungsbegriff zu bevorzugen), knnen wir die erste Differenz unter dem Namen des Systems fhren, das seine Umwelt bzw. das sich selbst kologisch impliziert, und die zweite unter dem Namen der Form, die ihr Medium bzw. die sich114 Luhmann 1984, S. 12. 115 Handlung/Ereignis, Ereignis/Element, Ereignis/Prozess, Ereignis/Selbstreproduktion..., Ereignis/ Zeit: Luhmann 1984, S. 12. 116 Vgl. dazu luzide Luhmann 1969, insbes. S. 257ff., und ders. in Habermas/Luhmann 1971, S. 292ff. 117 So Luhmann ber Parsons AGIL-Schema, das prominenteste Diagramm der neueren Soziologie; vgl. dazu ausfhrlich Lehmann 2011d. 118 Epple 2010, S. 122f.; mittlere Komplexitt i.O. kursiv.Seite 150

selbst medial impliziert. Das Diagramm, das diese spezifische Simultanprsenz der System- und der Formdifferenz darstellt, ist die Theorie selbst sie ist diagrammatisch, weil sie die Bestimmbarkeit des Unbestimmten ermglicht (Komplexitt), weil sie die Variett des Unentscheidbaren darstellt (kologie medialer System/Form-Ereignisse) und weil sie zeigt, dass jedes soziale Ereignis sowohl Evidenz als auch Kontingenz der Gesellschaft reproduziert. Der zweite Band von Die Gesellschaft der Gesellschaft gilt im beschriebenen Sinne der Praxis dieser Theorie. 119 Luhmann braucht nur noch ein Kapitel, um die dritte Ebene seiner Skizze, die Gleichzeitigkeit von Interaktion, Organisation und Gesellschaft (ergnzt um Protestbewegungen), in das Schema zurckzufalten und im Kontext der Unterscheidung von System und Sozialsystem zu diskutieren (praktisch also den einzigen Strang en detail auf ber- und Unterkreuzungen hin zu betrachten, den er in seinem Schema verzweigt). Bei der im ersten Band entwickelten Strategie der Kreuzung von System/Umwelt- und Form/Medium-Differenz bleibt er und kann auf diese Weise zeigen, dass Differenzierung immer Systemdifferenzierung heit 120 und immer zu Wiedereinfhrungen der genannten Differenzen in ihren eigenen Kontext fhrt: die Komplexitt der Gesellschaft wird immer grer, obwohl (weil) sich diese Komplexitt aus immer schrferen Komplexittsreduktionen durch die die Gesellschaft ordnenden Differenzen errechnet. Die Simultanprsenz von Interaktion, Organisation und Gesellschaft bedeutet dann, dass jede der drei Systemvarianten einen sehr viel spezifischeren, abstrakteren Sinn bekommt als sie in einer bloen Dualitt oder Singularitt haben wrde; dadurch werden diese Systemvarianten nicht nur unverstndlicher, sondern auch unwahrscheinlicher und instabiler. Wenn Luhmann dieses Problem an einer weiteren Simultanprsenz erklrt, jener von segmentrer, stratifikatorischer und funktionaler Differenzierung (ergnzt um Zentrum/Peripherie-Diffferenzierungen), dann folgt er seiner Skizze luzide: Er diskutiert einmal den Strang System-Sozialsystem-Interaktion und nimmt an der Interaktion vor allem deren episodische Form ernst; dabei fhrt er Wahrnehmung als Implikat von Kommunikation ein. Er diskutiert sodann den Strang System-Sozialsystem-Organisation und nimmt an der Organisation vor allem deren hierarchische Form ernst; dabei fhrt er Entscheidung als Implikat von Kommunikation ein. Und er diskutiert schlielich den Strang System-Sozialsystem-Gesellschaft und nimmt an der Gesellschaft vor allem deren rekursive, nichtlineare Form Funktion ernst; dabei fhrt er Kommunikation als Implikat von Kommunikation ein (das heit: Sinn als basale Negativitt aller sozialen Positionen). Aber deutlich wird dadurch nur, auerordentlich nahe an Darwin und sehr viel konziser geschrieben: Die Evolution der Gesellschaft ist keine Strae zum frohen [oder tragischen] Ende, sondern der Inbegriff der Verwicklungen aller sozial mglichen Differenzen.

119 Vgl. neben Luhmann 1969 hier Fn. 309 in Luhmann 1997, S. 757. 120 Luhmann 1997, S. 597.Seite 151

VII Das deutlichste und inzwischen wohl auch prominenteste Diagramm der Nichtlinearitt jeder Form, das heit: der impliziten Negativitt jeder Unterscheidung verdanken wir George Spencer-Brown, der 1969 mit den Laws of Form die Probleme der Verknpfung von Zhlungen und Arrangements mittels einer einzigen Anweisung lst: Draw a distinction. 121 Wer zeichnet, der trifft auch. Und wer unterscheidet, der zeichnet immer. Oder genauer: Unterscheidungen sind gezeichnete Differenzen 122, sie sind mit einem Renaissance-Begriff disegni. Welcher Begriff des Zeichnens liegt hier vor? Wie zeichnet man eine Unterscheidung, die um das so unverblmt zu sagen, wie Spencer-Brown schreibt den zeichnet, der sie zeichnet? 123 Das erfordert einige Bemerkungen zu Heinz von Foerster. Denn niemand hat Systemtheorie so luzide in Zeichnungen gefasst wie er. Talcott Parsons bleibt bei einer einmal entworfenen Skizze und variiert sie bis zum berdruss; schrecklich findet Niklas Luhmann das (s.o.). W. Ross Ashby, Norbert Wiener, Gregory Bateson, Claude E. Shannon und auch Warren McCulloch waren eher zurckhaltende Zeichner. Ranulph Glanville, obwohl (oder weil?) Architekt, zgert, und auch Humberto R. Maturana hlt sich in stndiger Koketterie mit der Philosophie und deren Konzentration auf das geschriebene Sprechen zurck. Francisco J. Varela und Dirk Baecker jedoch beginnen zu zeichnen, und zwar immer dann das ist unser wichtigster Hinweis auf das Problem gezeichneter Differenzen wenn sie zu rechnen beginnen. 124 Neben das geschriebene Sprechen tritt bei beiden (bei Varela weniger, bei Baecker mehr) das gezeichnete Beobachten, die Schrift der Unterscheidung. Diese drawings of distinctions sind nichts anderes als Observing Systems auf Papier 125 und damit genau jene Diagrammatiken der Form, um die es uns geht. Dabei ist Heinz von Foerster kein sonderlich einfallsreicher Zeichner im engeren, protoknstlerischen Sinne; er zitiert die meisten seiner Darstellungen, verwendet einige wenige davon in redundanter Hufigkeit und macht alles in allem den Eindruck, eine Art Bau- oder Werkzeugkasten aus einer sehr begrenzten Anzahl von Darstellungen mit sich zu fhren, um aus ihm anlass-, kontext- und adressatenbezogen in immer neuen Anordnungen immer neue Argumente hervorzuzaubern (tatschlich hat er sich in seiner Jugend mit Zauberkunststcken und Jonglieren beschftigt). Solche Bauksten sind nichts anderes als Kalkle: Zusammenstellungen von Bausteinen (calculi), die im Kontext des Kastens, des Kalkls variabel arrangierbar sind. Heinz von Foerster rechnet121 Spencer-Brown 1969, S. 3. 122 Erving Goffman, dessen Rahmen-Analyse (1974) wir hier bereits erwhnt haben und auf den wir hier nicht eingehen knnen, hat dieses Problem des qua Unterscheidung Gezeichnetseins im Begriff des Stigmas diskutiert, vgl. ders. 1963. 123 Der folgende Abschnitt ist eine Vorform (sic!) von Lehmann 2011a. 124 Varela 1979, Baecker 2002, 2005. 125 Foerster 1981.Seite 152

also: wenn er zaubert, wenn er spricht, wenn er schreibt. Dank der Herausgeber von Heinz von Foersters Stanford Lectures stehen einige handschriftliche Zeugnisse seiner Arbeitsweise der ffentlichkeit zur Verfgung. 126 Sie knnen deutlich machen, wie sehr wir es bei dieser Arbeitsweise mit einer Verknpfung von Schreiben und Zeichnen in Hinblick auf Sprechen und Lesen um der Mglichkeit von Erkenntnis willen zu tun haben im konkreten Fall mit der Verhackstckung von Notizzetteln, Typoskripten und Druckseiten, die von Foerster so konomisch wie mglich zu so wenigen lecture notes wie mglich und so wenigen handouts wie mglich zusammenkritzelt und zusammenklebt. Es geht um Schriftformen, die auf Wahrnehmbarkeit einerseits und auf Beweglichkeit andererseits angelegt sind, auf Kommunikation, auf im schnsten und anspruchsvollsten Sinne des Wortes Geselligkeit; es sind Tnze auf Papier (mit Bateson: steps to an ecology of mind; mit Spencer-Brown: a properly designed symphony) 127; es sind Transkriptionen von Wahrnehmungen in Handlungen und von Handlungen in Wahrnehmungen. Er selbst sagt: In school I always had difficulties remembering facts, data, lists of events ... Relationships, on the other hand, I found easy to visualize. 128 Seine Figuren sind solche Visualisierungen von Beziehungen, die zugleich Bewegungen sind: If you desire to see, learn how to act, erstens, und: Act always so as to increase the number of choices. 129 Offensichtlich lsst sich dieser Imperativ aus der Anfangsanweisung Spencer-Browns entwickeln; danach ergibt sich praktisch alles andere wie von selbst. 130 Wer eine Unterscheidung trifft, handelt, um zu sehen, und er sieht, um zu handeln. Er tanzt. Er zeichnet. Er schreibt. Er rechnet; wobei Rechnen nichts anderes ist als ein quasi praktisches Gehen und damit Erschaffen eines theoretischen Weges, der eben dadurch entsteht und gewusst werden kann. 131 Heinz von Foerster sind Spencer-Browns Laws of Form bereits in der Erstfassung aus dem Jahre 1969 vertraut; er rezensiert das Buch im Whole Earth Catalog und arbeitet es umstandslos in den Korpus der second order cybernetics ein. Seinem Bedrfnis nach argumentativer konomie muss es in buchstblich beispielloser Weise entgegengekommen sein, so sehr, dass er es in der einzigen kritischen Anmerkung verdichtet, SpencerBrown verfge ber ein bemerkenswertes Talent zu sparsamer Ausdrucksweise. 132 Er spottet sogar ber Spencer-Browns Auffassung der Mathematik als einer Methode, weniger und weniger ber mehr und mehr zu sagen, die natrlich der Zustand letzter Weisheit sei, in dem alles eins ist und wir in der Lage sein [werden], nichts ber alles zu126 Foerster 1983. 127 Bateson 2000; Spencer-Brown 1971, S. 37. 128 Foerster 2003, S. v. 129 Foerster 2003, S. 227. 130 Foerster 1993a, S. 9. 131 Schnwlder/Wille/Hlscher 2004, S. 32. 132 Foerster 1993a, S. 11.Seite 153

sagen. 133 Er wei aber sehr gut, dass er mit diesem Spott zugleich den Punkt markiert, auf den es ankommt. Denn er weist selbst auf Wittgensteins Tractatus hin, in dem sich der Reichtum von ist-Aussagen dargestellt findet: Im Satze Grn ist grn stnde das Wort ist als Kopula, als Gleichheitszeichen und als Ausdruck der Existenz. 134 Alles ist eins kann demnach sehr vieles und immer wieder anderes bedeuten, nur er ist, als Satz, gesetzt nicht alles, und nicht nichts: Der Satz Alles ist eins bedeutet und das sind eben zugleich die Pointen von Heinz von Foersters Argument : Alles ist eine Variable; und wenn so, dann erkennt sich auch alles in allem wieder. Die Welt, die wir kennen, [ist] auf eine Art und Weise konstruiert [], die sie befhigt, sich selbst zu sehen (er benutzt eine Metapher der Spiegelung und der Selbsthnlichkeit, der Fraktalitt, wenn er von einem glnzenden Juwel spricht). 135 Um diese Variabilitt zu ermglichen, muss eine Unterscheidung getroffen werden, und diese Unterscheidung muss in einer Zeichensprache geschrieben werden, die zum Gebrauch der Unterscheidung auffordert und diesen Gebrauch ermglicht). 136 Jenseits des Gebrauchs ist die Unterscheidung so sinnlos wie das Zeichen, das sie aufs Papier bringt. Das Zeichen muss also einfach sein (die Aufforderung wrde sonst berfordern), und es muss ein Operator sein (kein bloes Bild). Gengt es diesen beiden Ansprchen, dann ist die aus ihm entwickelte Zeichensprache (wir haben sie oben die Schrift der Unterscheidung genannt) praktisch auch im Sinne von Luhmanns Arbeit am Problem der Komplexitt. Die Unterscheidung, um die es hier geht, ist deshalb kein Unterschied, den man machen knnte, und keine Qualitt, die man haben knnte. Nicht Make a distinction! lautet Spencer-Browns Aufforderung, sondern Draw a distinction! fang an, mit nichts als einer minimalen Notiz, Zeichne!, und zwar: Zeichne etwas, das eine Unterscheidung anschaulich macht, ohne Vorwissen vorauszusetzen oder Nachfragen erforderlich zu machen. Rechne also damit, dass dieses notierte Etwas praktikabel sein muss fr jeden, der es sieht (das magst du selbst sein, es mag ein anderer sein), und von dem Moment an, da er es sieht. Die Mglichkeit (idea; bei Gauss [s.o.] war damit etwas Vorstellbares gemeint) der Unterscheidung nimmt Spencer-Brown ebenso als gegeben an (we take as given) wie die Unmglichkeit, sie zu treffen (we cannot make an indication), ohne sie zu zeichnen (without drawing a distinction). 137 Ohne diesen Hinweis auf das drawing (und nicht making) ist nicht zu verstehen, weshalb er aus diesen beiden Gegebenheiten (data) folgern kann, dass die Form der Unterscheidung fr die Form selbst stehen kann (we take, therefore, the form of distinction for the form, ebd.): Die Form ist eine Zeichnung, eine Skizze, eine Notiz der Welt, die wir kennen. Um dieser Kenntnis gerecht werden zu knnen, muss das verwendete skizzenhafte Zeichen so abstrakt wie mglich sein; es muss alles als nichts und nichts als alles enthalten knnen. Diese133 Foerster 1993a, S. 11. 134 Wittgenstein 1963, S. 27 (3.323). 135 Foerster 1993a, S. 9 und 11. 136 Wittgenstein 1963, S. 28 (3.325). 137 Spencer-Brown 1969, S. 1.Seite 154

Enthaltsamkeit 138 hlt Spencer-Brown in der Definition fest: Distinction is perfect continence, und er ergnzt nochmals, dass es sich dabei um eine Unterscheidung handelt, die gezeichnet ist (is drawn) oder genauer: die eine Zeichnung ist (drawing), etwas Zeichnendes ([it] draws). 139 Die einmal gesetzte Notiz fngt an zu laufen, sie schreibt sich fort, sie errechnet sich und ihre Variablen selbst und um dies zu ermglichen, muss eben nichts getan werden als die anfngliche Notiz selbst. Heinz von Foerster sieht das vollkommen klar. Draw a distinction! heit so schlicht wie elegant: Fang an! Draw a distinction! Denn im selben Moment ergibt sich alles andere - das drawing wie von selbst. Mit der Zeichnung ermglicht sich der Zeichner selbst. Wer immer er ist: Mit der drawn distinction wird er (wenn er nicht so unpraktisch ist, sich immer nur zu fragen, wie ihm das gelingen konnte) zur drawing distinction. Er konstruiert nicht eine, sondern seine Realitt. Man kann vielleicht sagen (und mir scheint, dass dies dem speziellen Humor von Heinz von Foerster entgegenkommt), dass Spencer-Brown mit dem Zeichen (der Notiz), das er selbst schlielich vorschlgt 140, sogar eine Schriftform vor Augen hat, die ohne Stift auskommt; denn der mark ist eine gezinkte Karte, ein Riss also in das Papier, auf dem einerseits gerechnet werden kann, als handele es sich bei dem Riss um einen Strich, aber mit dem andererseits auch gerechnet werden kann, weil in der Form des Risses das Papier auch selbst gestaltbar wird. Der mark ist Schrift und Interface (Schnittstelle) zugleich; auch dies ist eines der Juwelen dieses Textes. Dass damit derjenige, der das Papier einreit, nicht nur derjenige ist, der es bezeichnet (beschreibt), sondern auch derjenige, der aus diesem Riss bzw. aus dessen Vernetzungen nicht mehr herauskommt, ist keine geringe Pointe. Der mark ist auch ein Treffer ([a] hit). 141 Anders als in Form der Notiz, des drawings, wre dieser Treffer bzw. das Betroffensein nicht mglich; das bilden die deutschen bersetzungen mit Triff eine Unterscheidung! eher mhsam ab. Der erste Riss gelingt wie nichts, aber die Realitt, die er entwirft, ist nicht nichts. Er ist eine Spur des Selbst (alles hngt daher davon ab, ob man den Riss immer nur benennt und qua Fortschreibung beklagt, oder ob man ihn als Chance nutzt und das Papier kreuzt; daraus ergeben sich Spencer-Browns laws, die die Konsequenzen wiederholten Nennens und wiederholten Kreuzens verdeutlichen).

138 Baecker 1993, S. 17ff. 139 Spencer-Brown 1969, S. 1. 140 Spencer-Brown 1969, S. 4. 141 Vgl. Spencer-Brown 1971, S. 37.Seite 155

Spencer-Brown fhrt in Only Two Can Play This Game abschlieend einige Bcher auf, die den in ihren Welten Verlorenen (er spielt das Spiel hier so, als ginge es um Liebeskummer) zu empfehlen seien; darunter auch 17. G Spencer Brown, Laws of Form, nennt es a rigorous essay in mathematics und also (das kennzeichnet Essays schlechthin) um eine Digression, [a] trace, starting with nothing and making one mark. 142 Wer sich auf die Ungewissheit dieses Anfangs einzulassen vermag, fr den findet sich der Rest, denn we draw the boundaries, we shuffle the cards, we make the distinctions. 143 Es ist dieses so nchterne wie begeisterte Wir, dass Heinz von Foerster in seinem metaphysical postulate aufnimmt: Only those questions that are in principle undecidable, we can decide. 144 Das sind, und alle Theoretiker der Diagrammatik, die wir hier diskutiert haben, htten zustimmen knnen, Fragen der Form.

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T e x T n a C h w e I s PDF-KaPiTel aus Dem Buch:

Management als Design? Design als Management?Intra-, inter- und trans-disziplinre Perspektiven auf die Gestaltung von konomischer, sthetischer und moralischer Lebenswelt.

Herausgeber:

Klaus Bernsau, Thomas Friedrich & Klaus Schwarzfischer

1. auflage 2012 InCodes Verlag (regensburg) reihe Theorie & Forschung IsbN 978-3-941522-03-9

InhaltsverzeichnisThomas Friedrich & Klaus Schwarzfischer . . . . . . . . . . . . . 7

Zu Fragestellungen eines weitgefassten Designbegriffes

Was ist eigentlich semiotik? und was hat semiotik mit Wirtschaft und unternehmen zu tun? Ist-soll Differenzen von Werbebotschaften Design und Moral

Klaus Bernsau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .13

Charlotte Hager . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

Rainer Funke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37

Dimitrios Charitatos. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65

Design als Kategorie und Mehrwert

Hermann Rotermund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73

Industrial Design Designtheoretische Diskurse im 19. Jahrhundert Von der Integrativen sthetik zu einer semioethik Die Diagrammatik der Form ec(g)o-Design

Klaus Schwarzfischer. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103

Maren Lehmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127

Birgit Leitner. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161

Der exot der Immanenzebene. eine Kritik der akteur-Netzwerk-Theorie als Ideologie.

Wolfram Bergande . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195


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