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Das Magazin für die Pflege .05/09 Das Fachmagazin für Praxis, Ausbildung, Management und Wissenschaft im Bereich der Gesundheits- und Krankenpflege | E 4,– | November 2009 | ISSN 1726-7250 www.pflegenetz.at 09 5. und 6. November 2009 • Austria Center Vienna Das war der pflegenetz ENP- European Nursing care Pathways Coverstory
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Das Magazin für die Pflege

.05/09

Das Fachmagazin für Praxis, Ausbildung, Management und Wissenschaft im Bereich der Gesundheits- und Krankenpflege | E 4,– | November 2009 | ISSN 1726-7250

www.pflegenetz.at

09

5. und 6. November 2009 • Austria Center ViennaDas war der

pflegenetz

ENP- European Nursing care Pathways

Coverstory

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MAILEN SIE MIr IhrE MEINuNg: [email protected]

Claudia Kastner-Roth, Susanne Speigner, Esther Matolycz, Claudia Binder, Heidrun Gattinger, Juliane Lippoldt Frank Helmrich, Isa Farnleitner, Marietta Kronych

unser redaktionsteam:

Tempo, bitte! Im Stundentakt

Ihre Nachtigall sieht den StudentInnen im Audimax, dem größten Hörsaal der Uni Wien, schon seit Tagen beim Streiken zu – und hat sich auch ein, zwei Mal zu ihnen gesetzt. Man wünscht sich unter anderem bessere Studi-enbedingungen, weniger verschulte Studiengänge – und dass das Bakkalau-reat nur drei Jahre dauert, ist auch nicht allen recht. Hör an, hör an. Bildung brauche Zeit und Muße, die Universität solle keine Ausbildungsstätte sein, in der Lehrveranstaltungen nur mehr „durchlaufen“ würden.

Da haben sie so unrecht nicht.

Vor allem das Ding mit der Zeit könnte in der Pflege einen wunden Punkt treffen. Denn: gerade wenn´s um Weiterqualifizierung und (akademische) Ausbildung, um Fort- und Weiterbildung geht, kann´s den Angehörigen der Berufsgruppe oft schier nicht schnell genug gehen. „Was Pflegende alles leisten, und das alles neben der Arbeit!“ sagen die einen, wenn ein ganzes LehrerInnen- oder Leitungsteam im Lauf nur weniger Jahre zusam-mengerechnet plötzlich mehr Titel aufweist, als zwei Kaffeehaustische voll Döblinger Arztgattinnen und deren akademischer Freundeskreis.

Die anderen überlegen teilweise misstrauisch, in welchem Tempo sich da gebildet wird. Der Faktor Zeit – so weisen es viele AnbieterInnen ja aus – ist Geld wert. Output ist gefragt. So lernt man´s auch im Berufsvollzug: die Uhr tickt.

So verstanden verschwenden Diskussionen, Rundumlesen und Muße zum ausgiebigen Nachdenken, vielleicht Kritisieren die wertvolle Ressource.

Umgekehrt: wer von morgens bis abends engagiert ist, der hat keine Lust (mehr), Dinge auf den Kopf zu stellen, sondern schaltet – im wahrsten Sinn des Wortes – lieber auf Skriptendownload und schlägt den Lernzielkatalog auf.

Nicht nur, dass das nur unser Fach beträfe – das geht auch andere an. Und viele von ihnen wehren sich dagegen und finden Horizonterweiterung im Stundentakt gar nicht fein…

…wie übrigens auch

Ihre Nachtigall

Inhalt

Es unterstützen uns:

ENP- European Nursing care Pathways

ab Seite 4

Die nächste Ausgabe des pflegenetz.magazins erscheint im februar 2010!

Nachtigalls Polemiken

Impressum: Herausgeberin, Medieninhaberin, und Verlegerin: Medical Update, Marketing & Media GmbH, Baumeistergasse 32/5/1, 1160 Wien, T: +43.1.897 21 10, F:+43.1.897 23 88, www.medical-update.net. Anzeigenrepräsentanz: Medical Update, Marketing & Media GmbH. Anzeigenverwaltung und –koordination; Claudia Kastner-Roth, [email protected]. Art Director: Isa Farnleitner, [email protected]., Fotograf: Frank Helmrich, [email protected], Lektorat: Susanne Speigner, [email protected], Druck: Adolf Holzhausen Nfg. GmbH, Holzhausenplatz 1, 1140 Wien. Preis: Einzelverkauf: E 4,- , Abonnement: E 18,- , Abo-Bestellung unter: [email protected]. Bankverbindung: Erste Bank, BLZ 20111, Kontonummer: 283 264 100 00, Verlags- und Erscheinungsort: Wien. Redaktionelle Leitung: Susanne Speigner, [email protected]. Redaktion: Claudia Kastner-Roth, [email protected], Esther Matolycz, [email protected], Claudia Binder, [email protected], Heidrun Gattinger, [email protected], Juliane Lippoldt, [email protected] Anschrift: Redaktion Pflegenetz, c/o Medical Update, Marketing & Media GmbH, Baumeistergasse 32/5/1, 1160 Wien.Erklärung über die grundlegende Richtung (Blattlinie): Das pflegenetz.magazin versteht sich als praxisrelevantes Fachmedium, welches zu einer lebendigen, innovativen und selbstbewussten Pflegelandschaft in Österreich beiträgt. Namentlich gezeichnete Artikel, LeserInnenbriefe und sonstige Beiträge sind die persönliche und/oder wissenschaftliche Meinung der VerfasserInnen und müssen nicht mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen. Sie fallen in den persönlichen Verantwortungsbereich der VerfasserInnen. Gekennzeichnete Beiträge (AD) sowie Supplements sind entgeltliche Einschaltungen gemäß § 26 des Mediengesetzes. Die darin enthaltenen Angaben und Aussagen liegen in der Verantwortlichkeit der jeweiligen AuftraggeberInnen. Alle Rechte vorbe-halten. Nachdruck nur mit Quellenangabe und schriftlicher Genehmigung.

.coverstory 04> ENP – European Nursing care Pathways

.trend 07> Ein Interview mit Dr.in Pia Wieteck

.special 08> Kein Platz für Tod und Trauer?

.care 12> Hilfe für Kinder in peinlichen Situationen

.bildung 14> „Die wollen uns nicht.“ Gepflegtes Frontenverhärten

.pflegekongress09 17> Das war der pflegekongress09

.wissenschaft 24> Die ungeplante, perioperative Hypothermie

.(s)cool 28> Ein Jahr danach – Interview mit Studierenden des Bachelor-

Studiengangs „Gesundheits- und Krankenpflege“ an der FH Campus Wien.

.extra 30> Psychologische Aspekte der Mitarbeiter-Innenmotivation –

auch für die Pflege von Interesse?

.gesundheit 32> Lavendel „ein großartiger Helfer“ in der Aromapflege

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EENP – European Nursing care PathwaysStandardisierte Fachsprache, Pflegediagnosen, -ziele und -maßnahmen zur Abbildung pflegerischer Behandlungspfade

VON PIA WIETECK. FOTO VON RECOM.

Im folgenden Fachartikel sollen die ENP (European Nursing care Pathway) vorgestellt werden. Es handelt sich um eine Pflegeklassifikation, die seit 1989 im deutschsprachigen Raum (weiter)entwi-ckelt wird. Das besondere an dieser Pflegeklassifikation ist der sektorübergreifende Ansatz der Pfle-gefachsprache. Zudem ist ENP in Form von Praxisleitlinien strukturiert und bietet somit Pflegenden eine Unterstützung bei der Entscheidungsfindung bei der Auswahl von geeigneten Pflegemaßnah-men und der Pflegeprozessdokumentation.

EinleitungUm den Pflegeprozess im Rahmen einer verbesserten Doku-mentation in einer einheitlichen und standardisierten Form abbilden zu können, wurde das Pflegeklassifikationssystem ENP (European Nursing Care Pathways) entwickelt.

Durch die spezielle Struktur von ENP sollen Pflegende bei der täglichen Entscheidungsfindung innerhalb des Pfle-geprozesses fachlich unterstützt werden. ENP ermöglicht die einzelnen Schritte des Pflegeprozesses, d.h. Pflegedi-agnosen stellen, Kennzeichen, Ursachen und Ressourcen feststellen und Pflegeinterventionen planen und abbilden zu können. Zu den ENP-Pflegediagnosen wird anschließend eine pflegerische Praxisleitlinie vorgeschlagen.

ENP ist nicht nur in speziellen Einrichtungen anwendbar sondern kann in allen Bereichen, wo Pflege praktiziert wird, also sektorenübergreifend, eingesetzt werden. Die Pflege-fachsprache erfreut sich dank der Übersetzung in derzeit vier Sprachen mittlerweile europaweit immer größerer Ver-breitung. Mit dem Einsatz standardisierter Formulierungen bei der Pflegeprozessdokumentation sollen überdies Daten generiert werden, die zur Hypothesenbildung/-prüfung für die Pflegeforschung und Steuerungsprozesse im Pflege-, sowie Risikomanagement genutzt werden können.

EntwicklungENP basiert auf so genannten modifizierten „praxisnahen Theorien“, die seit Ende 1989 in der Pflegepraxis beobach-tet, ausformuliert und im Anschluss mit wissenschaftlicher Fachliteratur untermauert wurden (vgl. Wieteck 2004, S.20ff.). Heute wird im Zusammenhang mit ENP nicht mehr von „praxisnahen Theorien“ sondern von Praxisleitlinien oder pflegerischen Behandlungspfaden gesprochen (vgl. Wieteck 2009).

Zunächst wurden die Praxisanleitungen im Rahmen der Pflegeausbildung genutzt, um konkrete Pflegeprozesspla-nungen zu erstellen. Vor dem Hintergrund dieser Praxisan-leitungen wurde jeweils ein/e PflegeempfängerIn versorgt und eine individuelle Pflegeplanung erstellt. Die Praxisleit-

linien wurden seit 1998 mithilfe von empirischen Beobach-tungen kontinuierlich weiterentwickelt und mit gängiger Fachliteratur untermauert. Anschließend wurden die so ent-standenen Formulierungen in verschiedenen Einrichtungen mit Pflegenden auf ihre Praktikabilität überprüft. Es wurde hauptsächlich der Frage nachgegangen, ob PraktikerInnen und TheoretikerInnen die Formulierungen in gleicher Weise benutzen und interpretieren und ob ein Konsens hinsichtlich Zielvorstellungen und Anforderungen bestand.

Neben der Publizierung der neu entstandenen Pflegefach-sprache entwickelte RECOM ein EDV-gestütztes System, welches die praktische Anwendung von ENP entscheidend weiterbrachte. Der Name ENP entstand jedoch erst im No-vember 2004, nachdem das Projekt eine neue Ära erreicht hatte: ENP entwickelte sich zu einem Pflegeklassifikations-system weiter. ENP wird als handlungsleitende, praxisnahe und EDV-kompatible Terminologie in den verschiedenen Einrichtungen im Gesundheitswesen zur Pflegeprozessdo-kumentation angewendet. Seitdem wurden auch systema-tische Auswertungen der Daten sämtlicher Projektpartner durchgeführt, um neue Formulierungen identifizieren und ENP damit kontinuierlich weiterentwickeln zu können. Damit konnte ein immer differenzierteres Abbild der Pfle-gerealität in den unterschiedlichsten Einrichtungen erreicht werden. Seit 2001 werden ENP zusätzlich durch ein Team von PflegewissenschaftlerInnen systematisch validiert und kontinuierlich an die neuen Erkenntnisse der sich verän-dernden Pflegelandschaft angepasst. Halbjährliche Updates der ENP Datenbank zur Einbindung in verschiedene Soft-wareprodukte sind verfügbar.

Aufbau und Struktur von ENPENP kann in drei Teilbereiche gegliedert dargestellt werden: Der erste Teil ist das Klassifikationssystem, welches in einer Begriffskette Verbindungen zwischen über- und unterge-ordneten Begriffen herstellt. Die einzelnen Elemente des Klassifikationssystems sind hierarchisch aufgebaut: Gruppe -> Domäne -> Klasse -> Kategorie -> Subkategorie.

So untergliedert sich bspw. die Gruppe der Pflegediagnosen in vier Domänen. Die Domänen sind dann wiederum in

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pflegenetz.coverstorypflegenetz.coverstory

21 Klassen gegliedert, denen 123 Kategorien zugeordnet sind. Diese Elemente können anschließend im zweiten Teil präkombiniert und zu Pflegediagnosen erweitert werden. Insgesamt sind derzeit 521 ENP-Pflegediagnosen mit dem dazugehörigen pflegerischen Behandlungspfad verfügbar. Für die Gruppe der Pflegeinterventionen können ebenfalls Präkombinationen gebildet werden, die jedoch aus Ele-menten der Gruppe Pflegeinterventionen bestehen.

Der letzte Teil ist die Generierung von Praxisleitlinien. Die Praxisleitlinien bieten den Pflegenden fachliche Unterstüt-zung, den Pflegeprozess durch standardisierte Formulie-rungen besser und eindeutiger abbilden zu können (siehe Abb.1). Durch die Auswertung, Analyse und Interpretation des gewonnenen Datenmaterials wird ENP in einem fort-währenden Prozess weiterentwickelt, um so einer noch differenzierteren und vollständigeren Abbildung des Pfle-geberufes entgegen zu streben.

zielsetzungenWelche Vorteile haben PraktikerInnen bei der Nutzung von ENP in der Pflegedokumentation?

Eine Pflegeperson wählt verschiedene Textbausteine, die den Gesundheitszustand des/der PatientIn/BewohnerIn möglichst detailliert abbilden, aus. Nachdem diese im je-weiligen Pflegeplan abgebildet werden, unterbreitet ENP konkrete Ziel- und Interventionsvorschläge, um die Pfle-genden bei der Entscheidungsfindung zu unterstützen. Un-zeitgemäße Pflegemethodiken werden dadurch verhindert, da die Vorschläge auf den aktuellsten wissenschaftlichen Erkenntnissen basieren. Damit ist auch eine Verständigungs-grundlage für Pflegepersonen gegenüber anderen Berufs-

gruppen und Institutionen, wie bspw. dem Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK), geschaffen.

Ein weiterer Vorteil ist der Zeitfaktor. Wenn Pflegepersonen das System beherrschen, können Pflegepläne in 3-7 Minu-ten erstellt werden (vgl. Deppmeyer 1999, S.745). Diese Zeit beinhaltet jedoch nur die reine Pflegeplanerstellung, die Zeit des Kennenlernens und Pflegeassessments des/der Pa-tientIn/BewohnerIn ist nicht miteinbegriffen. Im Vergleich dazu berichten Pflegepersonen, dass sie im Durchschnitt 20-60 Minuten zur Erstellung eines Pflegeplanes für pflege-aufwendige PatientInnen benötigen.

Hinzu kommt der deutlich reduzierte Arbeitsaufwand bei der Pflege von hausinternen Standardrichtlinien durch die EDV-gestützte Anwendung bei ENP im Gegensatz zur handschriftlichen Textformulierung. Wenn Einrichtungen in einer Software eigene Hauskataloge entwickeln, haben Einrichtungs- und Pflegeleitung dafür Sorge zu tragen, dass die Hauskataloge haftungsrechtlich anstandslos sind und dem aktuellsten wissenschaftlichen Stand entsprechen. Diese entfällt bei der ENP-Nutzung nicht mehr auf die Einrichtungs- und Pflegeleitungen, sondern wird durch das ENP-EntwicklerInnenteam getragen.

Ein nicht minder großer Vorteil ist die Verknüpfung von ENP Pflegediagnosen mit ICD-10-Diagnosen, medizinischen Pro-zeduren und PPR oder anderen abrechnungsrelevanten Pa-rametern. Durch den Pflegeplan lassen sich bspw. mögliche ICD-10-Kodierungen ableiten, die von den behandelnden ÄrztInnen bestätigt bzw. abgelehnt werden können.

Neben den genannten Aspekten, werden im Folgenden weitere Vorteile einer standardisierten Pflegefachsprache genannt, die gleichzeitig als Leitlinien für ENP gelten.

Abb. 1: Struktur von ENP. Quelle: ENP-Entwicklerteam, 2009. [Abbildung auch auf www.pflegenetz.at abrufbar].

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• Verbesserte Kommunikation unter den professionell Pflegenden

Ein häufig auftretendes Problem in der Pflegepraxis ist die Benutzung von unterschiedlichem Jargon, welcher auf sektorenübergreifen-

der Ebene nicht verstanden oder ungleich gedeutet wird. Besonders für Auszubildende und BerufsanfängerInnen stellt das interne Abstraktionsniveau von bereits lange zu-sammenarbeitenden Pflegeteams Schwierigkeiten dar und birgt das Risiko von Fehlinterpretationen. Eine klare und standardisierte Pflegesprache kann diesem Problem jedoch sektorenübergreifend entgegenwirken und die zielgerichte-te Kommunikation unter den Pflegenden unterstützen.

• Unterstützung der Überleitungspflege

Eine standardisierte Pflegesprache leistet im Entlassungs-management einen wichtigen Beitrag. Der Pflegeprozess mit der Handlungsabfolge: Pflegeassessment, Ermittlung des Unterstützungs- und Handlungsbedarfs, Festlegung von Zielen, Planen von Maßnahmen, sowie Evaluation des Handlungserfolgs gilt als zentrales Element im Pflege-entlassungsmanagement. Mit einer Fachsprache, die den Pflegeprozess EDV-gestützt dokumentiert und der nachsor-genden Einrichtung zur Verfügung stellt, kann die Qualität in der Überleitung entscheidend verbessert werden.

• Leistungstransparenz der Pflege

Gegenwärtig hat Pflege in Deutschland kaum Möglich-keiten, auf gesundheitspolitische Entscheidungen Einfluss zu nehmen (vgl. Kollak/Margret 1999; McCloskey/Bulechek 2000). Fragen nach Erfolg, Wirkung und tatsächlichen Kosten von Pflege können nur unzureichend beantwortet werden. Durch eine einheitliche Pflegesprache kann der Pflegeprozess detailliert abgebildet werden und liefert dadurch einen wichtigen Beitrag zur Leistungstransparenz. Zudem ist ENP mit Systemen zur Pflegepersonalberechnung verknüpft (LEP und PPR), somit ist hier keine Doppelerhe-bung erforderlich.

• Strukturierung von Pflegewissen

In der Pflege wie auch im Gesundheitswesen allgemein gibt es unzählige Informationen, die beeinflussend auf Pflegehandlungen und deren Folgen einwirken. Durch diese Vielzahl fällt die Entscheidung über die Relevanz der Informationen für konkrete Pflegesituationen schwer. ENP unterstützt die Pflegenden durch das kontextunabhängig und gebündelt zur Verfügung stehende Fachwissen bei der Entscheidungsfindung.

• Qualitätsentwicklung – Outcome Messung

Das Problem einer kontinuierlichen Qualitätsentwicklung ist die geringe Vergleichbarkeit der einzelnen PatientIn-nendaten (vgl. Klapper/Bernadette et al. 2001, S.392). Eine vollständige und einheitliche Dokumentation ist jedoch für die Kommunikation mit den PatientInnen und beteiligten Institutionen unabdingbar. Durch eine standardisierte Doku-mentation des Pflegeprozesses werden die Zusammenhän-ge zwischen der pflegerischen Entscheidungsfindung und

anschließenden Leistung verdeutlicht und schaffen somit eine Voraussetzung für die qualitative und quantitative Messung.

• Abschließende Gedanken

Die Nutzung des Einsatzes von standardisierter Terminolo-gie ist nicht nur vor dem Hintergrund des Nutzens für die PflegepraktikerInnen zu sehen sondern ebenso berufspoli-tisch. Werden künftig Daten der Pflege, die im Rahmen der Pflegeprozessdokumentation entstehen genutzt, könnten z.B. gesundheitspolitische Entscheidungen wie etwa über den sich verändernden Pflegebedarf datenbasiert getroffen werden. Es ließe sich auch ein enormes Ressourcenpotenti-al erschließen, wenn die Pflegeprozessdaten zwischen den verschiedenen Versorgungsbereichen ausgetauscht werden können, so dass diese direkt im jeweiligen EDV-System genutzt werden könnte. Der Einsatz einer standardisierten Pflegeterminologie zur Pflegeprozessdokumentation ist demnach eine bedeutende Zielsetzung in der Pflege.

> LiteraturBerger, S.; Helmbold, A.; Mosebach, H.; Opel, B.; Wieteck, P. (2009): Wissenschaftliche Hintergründe ENP®. Baar-Ebenhausen.

Carpenito, L.J. (1987): Nursing diagnosis in critical care: impact on practice and outcomes. In: Heart & Lung: Journal of Critical care, 16(6): 595-600.

Deppmeyer, C. (1999): Vom Anspruch zur Wirklichkeit - Der Umgang mit Pflegeplanung und Pflegedokumentation. In: Die Schwester/Der Pfleger, 38(9): 743-745.

Klapper, B. et al. (2001): Patientendokumentation. Sicherung interpro-fessioneller Kommunikation im Krankenhaus. In: Pflege, 14(6): 387-393.

Kollak, I.; Margret, G. (Hg.) (1999): Pflegediagnosen: Was leisten sie – was leisten sie nicht? Frankfurt a. M.: Mabuse.

McCloskey, J. C.; Bulechek, G. M. (2000): Nursing Interventions Classifi-cation (NIC). St. Louis, Missouri: Mosby.

Wieteck, P. (Hg.) (2004): ENP® - European Nursing care Pathways. Standardisierte Pflegefachsprache zur Abbildung von pflegerischen Be-handlungspfaden. 1. Auflage, Bad Emstal: RECOM Verlag.

Wieteck, P. (Hg.) (2009): Praxisleitlinien Pflege. Planen und Doku-mentieren auf Basis von Pflegediagnosen der Klassifikation ENP. Bad Emstal: RECOM Verlag.

> AutorinDr.in rer. medic. Pia WieteckLeiterin des ENP®-Entwicklerteams, Mitglied des Übersetzungsteams der NANDA-I, Projektleiterin im Auftrag des Deutschen Pflegerates zum Thema Pflege im DRG-System, Diplom-Pflegewirtin (FH) mit fünf Jahren Berufserfahrung als examinierte Krankenschwester, Lehrerin für Pflegeberufe und drei Jahre Leiterin einer Krankenpflegeschule, Auto-rin mehrerer Fachbücher.NLP-Practitioner, EOQ Quality Auditor Qualitätsmana-gerin und Zertifizierungsauditorin für die DQS.Promotion an der Universität Witten/Herdecke am Institut für Pflegewissenschaft. Thema ihrer Disser-tation, die in der Edition Pflegewissenschaft des RECOM Verlags veröffentlicht wurde: Validitätsprü-fung ausgewählter Bestandteile der ENP® (Europe-an Nursing care Pathways); ENP® – ein Instrument zur prozessorientierten, fallbezogenen und hand-lungsbegründenden Pflegeprozessdokumentation.

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pflegenetz.trend

Ein Interview mit Dr.in Pia Wieteck, Leiterin des ENP-Entwicklerteams

Frau Dr.in Wieteck, Sie haben ja einen beeindruckenden Lebenslauf bis zum heutigen Tag absolvieren können. Was ist Ihre Motivation dafür gewesen?

Bereits als Pflegeperson hat mich die Frage, wie es möglich ist, die pflegerische Qualität zu fördern, beschäftigt. Der Qualitätsgedanke hat mich in meiner Laufbahn immer wieder beflügelt, Neues zu probieren, um die pflegerische Versorgungsqualität zu heben.

Qualitätsmanagement und ressourcenorientierte Pflegeplanungs- und Dokumentationssysteme haben Sie eindeutig als beruflicher Schwerpunkt begleitet. Haben sich diese zentralen Tätigkeitsfelder ergeben oder war es ein strategisches Anliegen, in diese Richtung zu gehen?

Letztendlich hat es sich ergeben - getrieben von der Idee, Pflege-qualität zu fördern.

ENP und NANDA, schließen sich die zwei Systeme aus, wenn ja, welches wird im Pflegealltag überleben?

Es sind zwei Pflegeklassifikationen, die sich auf unterschied-lichem Abstraktionsniveau befinden. ENP ist deutlich granulierter (=feinkörniger) und versucht, die PatientInnensituation genau zu beschreiben. Pflegeziele und Maßnahmen so anzubieten, dass Pflegende, die diese Texte in einer Pflegeplanung lesen, genau wissen, was zu tun ist. Die Sprache von NANDA ist deutlich ab-strakter als bei ENP, es handelt sich um eine Klassifikation von Pflegediagnosen und somit kann der Pflegeprozess nur mit Ver-knüpfung anderer Instrumenten abgebildet werden.

Pflegediagnostik und Dokumentation werden im pflegeprak-tischen Alltag oft als Last erlebt. Haben Sie für sich ein Erklärungs-modell für diese Zuschreibung?

Häufig wird die Pflegeprozessdokumentation nicht als Arbeitsmit-tel eingesetzt. Auch die Erkenntnis, dass pflegerische Kontinuität durch den Einsatz einer Dokumentation unterstützt und somit die Qualität gefördert werden könnte, wird zu wenig diskutiert. Häufig fehlt es an der Genauigkeit der Pflegeprozessdokumentation, so dass der Pflegeplan nicht den Informationsgehalt bietet, der zur adäquaten Versorgung des/der PatientIn erforderlich wäre.

In Österreich ist man in einem großen Spitalsverbund dabei, die NANDA-Klassifikation auf POP®-Klassifikationen umzustellen. Kennen Sie dieses Modell bereits in Deutschland und hat es einen vergleichenden Stellenwert zu einer Klassifikation, mit der in Ihrem Umfeld gearbeitet wird?

Ich kenne das System und habe mich intensivst damit beschäftigt. In Deutschland ist POP kein Thema, da sich dieses nicht zur Pfle-geprozessdokumentation in einer elektronischen Akte eignet. Be-züglich der Frage des Vergleichs mit einem anderen Klassifikations-system möchte ich meine Ergebnisse des Vergleichs von POP mit NANDA vorstellen. Hierzu wurden alle NANDA-Pflegediagnosen der neuen REOCM Übersetzung NANDA-I-2007-2008 den POP-Pfle-gediagnosen zugeordnet. Nach der Zuordnung der Begriffe wurde bewertet, inwieweit die Diagnosen sich inhaltlich mit den NANDA-I decken. Hierzu wurden die Bewertungskategorien in Anlehnung von Zielstorff verwendet.

Zur Beurteilung der Übereinstimmung der POP-Pflegediagnosen und NANDA-I wurde die Definition herangezogen, ebenso die originale NANDA-I 2007-2008 Fassung. In POP werden derzeit 133

Diagnosen formuliert, davon sind 24 Diagnosen Gesundheitspfle-gediagnosen.Insgesamt konnten 97 POP-Pflegediagnosen eine NANDA-Pflege-diagnose zugeordnet werden, die inhaltlich genau die gleichen pflegerischen Aussagen wie die NANDA Pflegediagnose treffen.Das bedeutet, dass von den 133 POP-Diagnosen ca. 75 % inhalt-lich in der Aussage bezogen auf Titel und Definition identisch mit den NANDA-Pflegediagnosen sind. Ca. 25% weichen in der inhaltlichen Aussage geringfügig ab. Etwas schmäler oder breiter im Bedeutungsumfang formuliert.Ich hatte eingangs geäußert, dass POP nicht zur Pflegeprozessdo-kumentation in einer elektronischen Akte geeignet ist. Das möchte ich gerne etwas erläutern. In einer elektronischen Patientenakte sind besondere Anforderungen an die zu nutzende Terminologie zu stellen. Eine zentrale Forderung sollte die genaue, eindeutige Beschreibung der Pflegemaßnahmen sein. Also was wird wie gemacht! Diese Forderung unterstützen die POP Formulierungen nicht.

Ist für Sie ein Vergleich der Situation bezüglich der Pflegedia-gnostik in Österreich und Deutschland zulässig? Warum ja, warum nein?

Ein Vergleich ist durchaus zulässig. Allerdings sind die gesetz-lichen Anforderungen z.B. durch die GuK in Österreich nicht di-rekt vergleichbar mit den gesetzlichen Rahmenbedingungen in Deutschland. In Deutschland sind die Krankenhäuser anders als in den Altenpflegeeinrichtungen nicht verpflichtet im Sinne des Pflegeprozesses zu dokumentieren. Dennoch gibt es vergleichbare Diskussionen.So wird z.B. die Pflegediagnostik und Pflegeprozessdokumenta-tion als Möglichkeit gesehen, Vorbehaltsaufgaben der Pflege zu definieren. Ein spannendes Feld der Diskussion sind Überlegungen, pflegerische Daten im Bereich der Krankenhausfinanzierung stär-ker zu berücksichtigen.

Haben Sie Visionen für die Entwicklung im Pflegebereich und des-sen Stellung im Gesundheitswesen?

Ich möchte gerne ein Europäisches Datenauswertungszentrum für pflegerische Prozessdaten gründen. Die Vision, die hinter dem Wunsch des Datenauswertungszentrums steht, ist, die politischen Aktivitäten der Pflege zu stärken und sicher zu stellen, dass Pati-entInnen und BewohnerInnen eine adäquate Versorgung erhalten. Sollten Budgetkürzungen unvermeidlich sein, könnten die Daten genutzt werden, eine offene Rationierungs- und Rationalisierungs-diskussion zu führen. Also offen zu legen wo, wie Budgets gekürzt werden und welche Wirkungen zu erwarten sind.

Ein Lieblingsbuch, bevorzugtes Urlaubsland?

Mein Lieblingsfachbuch ist von Berta Schrems „Der Prozess des Di-agnostizierens in der Pflege“. Ansonsten lese ich gerne historische Romane.Bevorzugtes Urlaubsland kann ich nicht nennen, denn ich habe noch nicht alles gesehen. Grundsätzlich liebe ich die Gegensätze, wie z.B. Urlaub in den Bergen oder Urlaub am Meer.

Vielen Dank für das Interview!

Das Interview wurde von Claudia Kastner-Roth per Mail geführt.

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Ktod und SterbenDie Konfrontation mit den Themen Sterben und Tod for-dert uns insofern heraus, als wir dadurch unweigerlich an unsere eigene Vergänglichkeit erinnert werden. In unserer Gesellschaft bestehen unterschiedliche Überzeugungen und Jenseitsvorstellungen gleichzeitig nebeneinander. Das Wegbrechen von traditionellen Ritualen im Umgang mit Sterben und Tod bringt aber auch eine neue Verunsicherung mit sich. Die Möglichkeiten der modernen Medizin führen dazu, dass die Menschen dazu „verdammt“ sind, auf den Zeitpunkt des Lebensbeginns und des Lebensendes Einfluss zu nehmen. Diese Tatsachen bedeuten neue Herausforde-rungen für die Begleitung/Betreuung/Pflege und Therapie unheilbar kranker Menschen und deren Angehöriger.

hospizbewegungCicely Saunders und Elisabeth Kübler-Ross zählen zu den BegründerInnen der Hospizbewegung. Ihre Bemühungen darum, die letzte Phase des Lebens bestmöglich verbringen zu kön-nen, wurden seit den 1960er Jahren von England ausge-hend populär. Die tragenden Gedanken waren sterbende Menschen nicht alleine zu las-sen, sie ihren Bedürfnissen gerecht zu betreuen und das Sterben als natürlichen Vor-gang anzuerkennen. Durch die Hospizbewegung wurde Hos-piz zu einer Menschenrechtsbe-wegung, die einen erheblichen Beitrag zur Humanisierung von Ein-richtungen des Gesundheitswesens leistete (vgl. Heimerl/Heller 2001, S.9f.). Inzwischen hat sich die Hospizbewegung wei-terentwickelt und neben den anfänglichen Initiativen, in denen vorrangig Ehrenamtliche tätig waren, bestehen heute österreichweit 25 Palliativstationen in Krankenhäu-sern und 7 stationäre Hospize im Langzeitbereich, in wel-chen speziell ausgebildete Professionals unterschiedlicher Disziplinen die Grundgedanken der Hospizbewegung zu realisieren versuchen.

gesellschaftliche VerortungIn Österreich ist das Hospiz- und Palliativwesen katholisch dominiert (vgl. Körtner 2007, S.211). Es heftet sich auf seine Fahnen, spirituelle Begleitung für Sterbende und Trauernde anzubieten. „Angesichts der Verlegenheit und Hilflosigkeit, mit denen die säkulare Gesellschaft und ihre Mitglieder Sterben und Tod weithin begegnen, haben die Kirchen den Menschen durchaus etwas zu bieten“ (ebd., S.209), konsta-tiert Körtner. Kirchliche Rituale bspw. haben das Potenzial, in der Begleitung Sterbender und Trauernder Orientierung zu bieten. Andererseits ruft Körtner zur Reflexion des kirch-lichen Engagements in Sachen Sterbebegleitung auf. Er vermutet darin auch den Versuch ihren „gesellschaftlichen Relevanzverlust zu kompensieren“ (ebd., S.210). Für ihn sind medizinethische Diskussionen die geeigneten Orte, wo die Gesellschaft ihr Verhältnis zu Leben und Tod klären sollte

(vgl. Körtner 2004, S.67).

trauer„Trauer ist eine normale Reaktion

auf einen bedeutenden Verlust“ (Lammer 2004, S.9).

Die neuesten Forschungser-kenntnisse bestätigen, dass es keine normale oder abnorma-le Form von Trauer gibt. Jeder Mensch trauert auf seine ganz persönliche Art. Diese Tatsa-che führt mitunter auch zu

Erfahrungen von Unverständnis bei gleich Betroffenen. Jahrelan-

ge Trauerprozesse sind keine Sel-tenheit. Die heftigsten Reaktionen

und der Tiefpunkt der Krise wurde von der Mehrheit der Trauernden zum

Zeitpunkt des Todes bzw. der Mitteilung da-rüber, beschrieben.

Unterschiedliche Thesen bestehen darüber, ob Trauer bzw. bestimmte Formen der Trauer einen krankhaften Prozess darstellen. Die Zeit der Trauer wird sehr häufig von körper-lichen Symptomen wie Herzschmerzen, Magen-Darmpro-blemen, Schlafstörungen etc. begleitet, und es besteht für Trauernde ein real höheres Risiko, tatsächlich zu erkranken und auch zu sterben, als für nicht trauernde Menschen.

Kein Platz für tod und trauer?VON BARBARA ENK. FOTOS VON FRANK HELMRICH.

In den Gesundheitswissenschaften dominieren die Themen: Krankheitsverhütung, Lebensverlän-gerung und Gesundheitsförderung. Obwohl es der Hospizbewegung gelungen ist, die Tabuthemen Tod und Sterben wieder in das öffentliche Bewusstsein zu integrieren, wird der wissenschaftliche Diskurs immer noch geprägt von der Utopie des „gesunden Sterbens“ und eines „Todes ohne Krank-heit“.

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Trauer ist keine krankhafte Reaktion, aber sie kann krank machen und das vor allem dann, wenn sie unterdrückt wird.

Unterschiedliche Modelle versuchen zu erklären, warum es so weh tut, einen nahe stehenden Menschen zu verlieren. Nicht nur der Tod, auch eine Trennung kann derartige Re-aktionen auslösen.

1. Trauer um verlorene Liebe (Psychoanalyse)

Freud beschreibt, dass es für Hinterbliebene sehr schmerz-lich ist, wenn ihre Liebesenergie ihr Zielobjekt verloren hat. Er beschreibt die Trauer als Ablösungsprozess, mit dem Ziel wieder arbeits- und liebesfähig zu werden. Durch wiederholtes Erzählen und Durcharbeiten lässt der Schmerz nach. Wird dieser Prozess nicht zugelassen, zeigt sich der Schmerz mitunter auf einer körperlichen Ebene. Chronische körperliche Schmerzen wurzeln häufig in nicht bewältigten Verlusten.

Heute weiß man, dass nicht nur um „geliebte“ Menschen getrauert wird, sondern auch um Menschen, die auf ir-gendeine Weise für die Hinterbliebenen bedeutsam waren. Ganz besonders schmerzt oft der Verlust von Menschen, die unerfüllte Erwartungen hinterlassen, es wird um das getrauert, was nicht gewesen ist und nun auch nicht mehr sein wird.

Eine völlige Ablösung, wie im Konzept Freuds, wird in der neueren Literatur nicht mehr als erklärtes Ziel angesehen. Damit Trauernde wieder ins Leben und in neue Bezie-

hungen gehen können, ist es laut Forschungen eher för-derlich, für den/die Verstorbene einen Platz zu finden (z.B. Gedenkstätte, Himmel …).

2. Trauer um verlorene Bindung (Ethologie)

Trauer ist, aufbauend auf die Bindungstheorie von Bowlby, die Reaktion auf eine Trennung von einer Bindungsfigur. Die große Herausforderung für Trauernde besteht hier darin, den Verlust zu realisieren und die Bindung zu lösen. Nicht selten werden (unrealistische) Versuche unternommen, um den/die Verlorene/n zurück zu holen und Wiedervereinigung zu erlangen. Aggressives Verhalten als Ausdruck des Kampfes um den/die Verstorbene/n und Suchverhalten werden vor diesem Hintergrund verstehbar. Lammer konstatiert, dass für Hinterbliebene Möglichkeiten des Abschiednehmens ausgesprochen wichtig sind, weil diese helfen, das „Unbe-greifliche begreifbar“ zu machen.

3. Trauer um verlorene Streicheleinheiten (Behaviorismus)

Diese Theorie klammert innerpsychische Vorgänge aus und beschäftigt sich lediglich mit beobachtbarem Verhalten, welches durch Belohnung verstärkt werden kann. Trauer gilt als Ausdruck des Verlusts eines nahe stehenden Men-schen, durch den Bestätigung für das eigene Verhalten erfahren wurde.

Diese Theorie würdigt die individuellen Bewältigungsleis-

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tungen Trauernder nicht und birgt die Gefahr in sich, dass BegleiterInnen zu einer Unterdrückung von Trauer- reaktionen beitragen, wenn diesen nicht entsprechend Raum gegeben wird.

4. Trauer um verlorene Erbmasse (Soziobiologismus)

Mit dem Tod eines Kindes müssen Eltern den Wunsch begra-ben, selbst über den eigenen Tod hinaus weiter bestehen zu bleiben.

Lammer kritisiert diese Theorie aufgrund ihres reduktionis-tischen Ansatzes massiv.

5. Trauer um verlorenen Sinn (Kognitionspsychologie)

Die Bindung an bestimmte Menschen kann dem eigenen Leben Sinn verleihen. Der Verlust eines Menschen führt mitunter zu schwerwiegenden Veränderungen im sozialen Gefüge bis hin zum Verlust des Sinns des eigenen Lebens. Die Reaktionen auf den Tod eines Angehörigen reichen vom Versuch, das Vergangene unbedingt bewahren zu wollen bis zum Willen zur Anpassung an die veränderten Umstände.

Diese Theorie greift einerseits die oftmals im Kontext von Trauerarbeit vernachlässigten Sinnfragen auf, bezieht diese andererseits aber etwas zu einseitig auf die sinnstiftenden Aspekte zwischenmenschlicher Beziehungen.

6. Trauer um verlorene Unterstützung und Identität (Kognitive Stress-Theorie)

Stress wird laut Erkenntnissen der Stressforschung als Miss-verhältnis zwischen Anforderungen und wahrgenommenen Bewältigungsmöglichkeiten verstanden. Der Verlust einer nahe stehenden Person gilt als extrem belastendes Ereignis. Im Besonderen gehen mit dem Verlust des/der PartnerIn der Verlust lebenspraktischer, validierender und emoti-onaler Unterstützungen einher. Diese Erfahrungen sind mitunter so schwerwiegend, dass Trauernde Angst davor haben, verrückt zu werden. Soziale Bezüge gilt es neu zu bewerten und ein neues Selbstverständnis zu entwickeln.

Lammer weist darauf hin, dass ein Verlust nicht allein da-durch bewältigt werden kann, indem Defizite kompensiert werden, aber dass dieser Aspekt auch nicht vernachlässig-bar ist (vgl. Lammer 2004, S.43-79).

zusammenfassungDurch die Etablierung von Palliativ Care wird in Einrichtungen des Gesundheitswesens unheilbar kranken Menschen und deren Angehörigen zusehends mehr Aufmerksamkeit ge-schenkt. Von Qualitätsverbesserungen profitieren jedoch vorrangig Menschen mit Krebserkrankungen und jene, die auf Palliativstationen aufgenommen werden. Viele andere Betroffene bleiben auf der Strecke. Die Hospiz- und Pallia-

tivbewegung bemüht sich darum konsiliarische Funktionen zu übernehmen und dadurch Transfer- und Umsetzungspro-blemen in der Betreuung, Pflege und Behandlung schwerst-kranker Menschen entgegenzuwirken (vgl. Ewers 2005, S.41ff.). Dennoch ist es noch ein weiter Weg zum erklärten Ziel der Hospizbewegung, wonach diese ihre Aufgabe dann als erfüllt ansieht, wenn wir sie (die Hospizbewegung) nicht mehr brauchen.

> LiteraturEwers, M. (2005): End-of-Life Care und Public Health – Konsens und Kontroversen. In Ewers, M.; Schaeffer, D. (2005): Am Ende des Lebens. Versorgung und Pflege von Menschen in der letzten Lebensphase. Bern: Hans Huber.

Heimerl, K.; Heller, A. (2001): eine große Vision in kleinen Schritten. Aus Modellen der Hospiz- und Palliativbetreuung lernen. Freiburg im Breisgau: Lambertus.

Körtner, U. (2004): Grundkurs Pflegeethik. Wien: Facultas.

Körtner, U. (2007): Ethik im Krankenhaus. Diakonie – Seelsorge – Medi-zin. Göttingen: Vandenhoeck&Ruprecht.

Lammer, K. (2004): Trauer verstehen – Formen, Erklärungen, Hilfen. Neukirchen: Neukirchner Verlag.

> AutorInMag.a Barbara EnkDGKS, Pflegewissenschafterin, Psychotherapeutin i.A.u.S., Fachkraft für Palliativ Care.Psychotherapeutin i.A.u.S. auf der Palliativstation am Landesklinikum Voralpen Lilienfeld; Lehrbeauftragte am Landesklinikum St. Pölten an der Fachschule für Sozialbetreuungsberufe St. Pölten und beim Roten Kreuz.Mitarbeiterin im Projekt „Qualitätssicherung in der häuslichen Pflege“ des BMASKKontakt: [email protected]

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Hhilfe für Kinder in peinlichen SituationenVON HELGA KERNSTOCK-REDL. FOTOS VON FRANK HELMRICH.

Im folgenden Artikel finden Sie Anregungen, wie Sie Kindern helfen können, peinliche Situationen im Krankenhausbetrieb zu bewältigen. Ein positiver Nebeneffekt kann sein, dass es den jungen Pa-tientInnen dadurch leichter fällt, sich selber so zu akzeptieren, wie sie sind.

Für MitarbeiterInnen ist vieles Routine, doch Kindern oder Jugendlichen sind manche Untersuchungen oder Krank-heitssymptome zutiefst peinlich: „7% der Jugendlichen und 27% der Kinder geben an, sich manchmal geschämt zu haben, vor allem bei Untersuchungen im Genitalbereich oder wenn andere Kinder im Zimmer waren, auch vor dem Ausziehen und bei Stuhl- und Harn-Themen. Betroffene schämen sich erfahrungsgemäß dafür, dass sie sich schä-men. Daher gibt es vermutlich eine hohe Dunkelziffer.“ (Kollwinger/Kernstock-Redl 2006, S.29).

Die Bedingungen für das Entstehen von Scham sind viel-schichtig: Etwas Eigenes (meist etwas, von dem man glaubt, dass es irgendwie nicht ok ist) wird unfreiwillig dort offen gelegt oder gezeigt, wo eine solche Nähe nicht gewollt wird bzw. nicht passt.

Natürlich ist es grundsätzlich wichtig, die Schamgrenzen zu respektieren: So-bald Sie sehen, dass sich ein Kind nicht vor anderen umziehen will, schicken Sie es gleich dafür ins Bad, ohne großes Trara. Doch im Krankenhaus ist das nicht immer möglich. Der gut ge-meinte Rat: „Das braucht dir nicht peinlich sein“ ist kon-traproduktiv, denn er macht die Scham sichtbar. Eine „5-Schritte-Technik“ (Kern-stock-Redl 2007, S.14ff.) kann beim Umgang mit diesen unan-genehmen Gefühl helfen, falls die Situation selbst unveränderbar ist:

Schritt 1: Das Gefühl erkennen und unter Umstän-den benennen!

Eigentlich erkennt man Schamgefühle recht gut am roten Kopf und am Zu-Boden-Schauen. Weil man sich wegen der Scham jedoch schämt, versuchten Kinder (und natürlich auch wir Erwachsene) sie zu verstecken: meistens hinter Verlegenheitsgesten oder einem Wutausbruch.

Wichtig ist, dem Kind bei der Entscheidung zu helfen: „Ich will das Gefühl selbst bekämpfen!“ und nicht den Auslöser, also die medizinische Untersuchung oder etwas am eigenen Körper. Doch nur in sehr vertrauten Beziehungen, und wenn sonst niemand dabei ist, darf man es direkt ansprechen: „Möglicherweise war dir das gestern etwas peinlich. Ich kann dir helfen, dass du damit klar kommst.“ Meistens ist

es besser, das Gefühl gar nicht zu erwähnen sondern gleich die Lösung anzupeilen: „Morgen ist wieder diese Untersu-chung. Ich kann dir ein paar Tipps geben, wie man dabei cool bleibt.“

Schritt 2: Die Naturgesetze der Emotionen verstehen und nützen!

Scham hat so wie jedes Gefühl gute Absichten. Sie schützt vor grenzenloser Offenheit. „Distanzlos“ werden Kinder genannt, die Schamgrenzen zu wenig beachten. Die Angst vor Scham ist zudem eine starke Motivation, selbstkritisch zu sein und Fehler zu vermeiden. Doch dabei neigt Scham zur Übertreibung, denn sie verändert die eigene Wahrneh-mung, sodass man sich unrealistisch kritisch „durch die Augen der anderen“ sieht. Daher wird z.B. jedes Lachen für

ein Auslachen gehalten.

Schritt 3: Tipps gegen die Scham!

Selbstbestimmung: Scham kommt nur, wenn man unfreiwillig etwas von

sich (das nicht ok ist) herzeigt. Daher ist jede Möglichkeit zur Selbstbestimmung wichtig, auch wenn in einem Spital grundsätz-lich natürlich die Erwachsenen entscheiden und dadurch Sicher-heit vermitteln: „Soll ich damit am rechten oder am linken Arm beginnen? Willst du als erster

oder zweiter drankommen? Du darfst bestimmen, wer bei der Vi-

site im Zimmer bleiben darf.“

Weniger Nähe: Wer einen Schritt zurück macht, in eine andere Richtung schaut,

das Thema wechselt oder zu alldem ermutigt, hilft bei der Herstellung von mehr Abstand. Schon

ein kleines Stück Stoff bewirkt, dass sich ein Kind weniger bloßgestellt fühlt.

Neue Bewertung: Damit ist in erster Linie gemeint, dem „Etwas (an mir) ist nicht in Ordnung“-Glauben zu wider-sprechen. Ablenkende oder sehr positive Sätze bleiben un-vergesslich („Wow, du hast aber schöne Füße!“), kritische oder abwertende Bemerkungen/Blicke allerdings auch. Man kann etwas als stressig, ärgerlich, lästig etc. bezeich-nen statt als peinlich. Das entlastet ebenfalls: „Ich finde es cool, dass du da trotzdem so gut mitmachst, obwohl es so lästig ist.“

Vorhersagen: Hilfreich ist es, Scham als normale Reaktion

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normaler Menschen anzukündigen: „Ich sag’ dir gleich, für die meisten ist das beim ersten Mal ziemlich peinlich!“. Scham kann sogar gezielt empfohlen werden: „Am besten sagst du, dass dir diese Untersuchung peinlich ist. Sogar wenn’s nicht stimmt.“ Ein Kind, das sich schon beim Gedan-ken daran entsetzlich geschämt hat, wird enorm entlastet sein.

Scham offen zugeben: Sobald ein Kind es wagt, diese Emp-findung auszusprechen, bannt es zum Teil seine schrecklich lähmende Wirkung. Gleichzeitig kann damit Hilfe begründet bzw. eingefordert werden: „Mir ist das jetzt peinlich. Ich möchte daher, dass sich die anderen umdrehen.“ Ermuti-gen Sie dazu!

„Ich hatte das auch einmal“: Wenn Sie als Erwachsene etwas Ähnliches von sich erzählen, ist das eine besonders großzügige Hilfestellung. Man kann es dann zusätzlich neu bewerten: „Als ich einmal im Spital war, da war mir das wahnsinnig unangenehm. So ist das bei Leuten, denen nicht alles egal ist.“ „Ich habe einmal den gleichen Fehler gemacht. Das passiert uns gestressten Typen manchmal.“

Sich daran gewöhnen: Für die meisten Kinder ist es das erste Mal, dass ein/e Erwachsene/r außerhalb der Familie beim Ausziehen hilft oder Details übers Klogehen wissen will. Doch wenn sich das wiederholt und es bei allen an-deren auch so ist, wird es zur Gewohnheit und die Scham verschwindet. Sagen Sie das voraus und/oder bieten Sie selbstbestimmte Gewöhnung an: „Es gibt einen Trick, damit das Abhorchen weniger unangenehm wird. Ich hole mir jetzt ein Stethoskop und ihr drei horcht euch gegenseitig ab. Und zwar 5 Mal. Und am Nachmittag wieder. Ich wette, das funktioniert. Wenn ich die Wette verliere, gibt’s eine Überraschung von mir. Ok?“

Selbstaufmerksamkeit bekämpfen: In der Scham darf man sich niemals auf die eigene Einschätzung bezüglich des-sen, was andere denken, verlassen: „Sicher starren mich alle an“, glaubt man und schaut gar nicht mehr genau hin. Ermutigen Sie ein betroffenes Kind dazu, die anderen Menschen und nicht sich selbst zu beobachten, dort freund-lich nachzuforschen: „Was ist so lustig?“, „Was denken Sie jetzt?“, oder fragen Sie das selbst. Und wenn es wirklich stimmt und jemand lacht das Kind aus oder entwertet es? Dann gibt es zwei Möglichkeiten:

1. Den Spieß umdrehen und sich wehren: Ermutigen Sie ein beschämtes Kind zum Wütend-Werden oder zeigen Sie es vor: „Man lacht niemanden aus, nur weil ihm etwas pein-lich ist /er eine Untersuchung hat!“ Der kämpferische Zorn ist leichter erträglich und passt besser zur Situation. Denn

die anderen machen mit dem Auslachen/Abwerten etwas falsch! Nicht das Kind!

2. Den Spieß umdrehen und mitlachen: Das können Sie ebenfalls vormachen, indem Sie bei der erstbesten Ge-legenheit sagen: „Da hab ich schon wieder einen Fehler gemacht. Jetzt wird’s aber schon lustig.“ Machen Sie ge-meinsam eine Liste: „Gute Antworten auf dumme Fragen oder normale Hoppalas“ und helfen Sie beim Einüben.

Schritt 4: Entscheiden und handeln!

Scham ist so kompliziert wie die Elektronik von Autos: Sobald auch nur ein Teil fehlt, funktioniert das Ganze nicht mehr richtig. In peinlichen Situationen ist das natürlich ein Vorteil. Denn Sie brauchen mit dem Ihnen anvertrauten Kind nur ein oder zwei Tipps umsetzen – und die Scham fällt in sich zusammen.

Schritt 5: Analysieren und feiern!

Ein rückblickendes Gespräch über den Erfolg eines Tipps ist wichtig: „Was hat da geholfen? Was war schon ein bisschen besser als gestern?“ Natürlich muss etwas Neues gut geübt werden, damit es irgendwann ganz automatisch funktio-niert. Und nicht vergessen: Jeden kleinen Erfolg feiern und Rückschritte sportlich betrachten, denn man muss nicht jeden Tag gewinnen und kann am Ende trotzdem Welt-meisterIn sein!

> LiteraturKollwinger, G.; Kernstock-Redl, H. (2006): Kinder und ihre Angehörigen beurteilen ihren Krankenhausaufenthalt. Wienweite Erhebung der Pati-entInnenzufriedenheit in Kinderspitälern. In: Qualitas, 18: 28-30.

Kernstock-Redl, H. (2007): Wie kommt der Zornaffe von der Palme. Nicht mehr hilflos im Umgang mit Kindergefühlen. Wien: g&g-Verlag.

> AutorinMag.a Helga Kernstock-RedlKlinische und Gesundheitspsychologin; Arbeits- und Organisationspsychologin; Systemische Psychothera-peutin, Supervisorin und Trainerin; Autorin von Fach-artikeln und BüchernLehrtätigkeit: Akademie für Physiothe-rapie (Kommunikation in belastenden Situationen); Akademie für Psychologie (Grundlagen psychologischer Supervi-sion).Kontakt: kernstock-redl@aon.atwww.kernstock-redl.atwww.emotionskompetenz.at

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DEva-Maria Krampe stellt in ihrer diskursanalytischen Studie fest, dass sich die Hoffnungen, die in Deutschland Anfang der 1990er Jahre in die Akademisierung der Pflege gesetzt wurden, nicht erfüllt haben (vgl. Krampe 2009).

Die Erwartungen und Wünsche selbst seien u.a. in einer weiteren Professionalisierung des Berufes, einer weiteren Emanzipation von der Medizin und einer „Aufwertung der Pflegeberufe und aller Berufsangehörigen (…)“ gelegen (ebd., S.9f.).

Es sei aber, so Krampe weiter, nicht gelungen, Pflege „als von der ärztlichen Verordnung unabhängige Leistung zu etablieren“ (ebd., S.12) und zwar wohl zur „akademischen Bildung einer Elite“ gekommen, ansonsten habe sich aber keine „allgemeine Emanzipation“ durchgesetzt (ebd., S.13), auch sei nicht erreicht worden, „in der Öffentlichkeit ein Bild von den Pflegeberufen zu verfestigen, das die Pflegearbeit als eine hoch professionelle darstellt, die weder von ande-ren angeordnet noch von wenig qualifizierten Hilfskräften ausgeführt werden kann“ (ebd.).

Als Gründe für das Scheitern der angestrengten Bemü-hungen nennt Krampe u.a., dass nicht alle in der Pflege Tätigen in die Diskurse einbezogen wurden, sondern dass vielmehr an bestehende Differenzierungen angeknüpft worden sei, weiter, dass man sich vor allem dem Ökonomi-sierungsdiskurs angenähert habe, dass kritische Auseinan-dersetzungen häufig unterblieben seien und damit Chancen „zu einer nachhaltigen inhaltlichen Begründung beruflicher Eigenständigkeit“ übersehen wurden, ebenso seien Fragen der Macht oder der Geschlechterhierarchisierung nicht be-rücksichtig worden (Krampe 2009, S.14).

Nun spricht Krampe dezidiert von jener „ersten“ Akade-misierungswelle, in deren Zuge vorwiegend „Eliten“ (also Pflegende im Bereich von Management und Lehre) akade-misch gebildet wurden. Ob sich die Situation, von der hier die Rede ist, mit Pflegenden, deren Berufsausbildung am tertiären Sektor stattfindet, ändern wird, bleibt abzuwar-ten.

Es verspricht die Überschrift des vorliegenden Aufsatzes Bezug auf das Thema der Verhärtung von Fronten und ich möchte mich ein weiteres Mal auf Eva-Maria Krampe beziehen, die nämlich auch anmerkt, dass „Akademiker-

feindlichkeit“ bei in der Praxis tätigen Pflegenden „nicht als berechtigte Angst um eigene Dequalifizierung gedeutet, sondern als Verweigerung einer rationalen, effizienten Ar-beitsweise“ verstanden wurde (Krampe 2009, S.257).

Die Bedenken mit Blick auf die Dequalifizierung spricht auch der Pädagoge Gerd Dielmann an: „Das Problem liegt we-niger in einer akademischen Qualifizierung eines Teils der Pflegekräfte als vielmehr in der zumeist damit verbundenen Dequalifizierung derjenigen Pflegekräfte, die den unmittel-baren Kontakt zu den Patientinnen und Patienten haben“ (Dielmann 2002, S.72).

Auf der einen Seite muss man also – wenn auch noch lange nicht zwingend von mangelndem Verständnis für die wissenschaftliche Fundierung des Fachs an sich – doch zumindest von Ängsten, die sich unter praktizierenden Pflegenden zeigten und zeigen, sprechen (auch Bollinger et al. bezeichnen diese Befürchtungen als „nicht ganz aus der Luft gegriffen“, immerhin sei das berufliche Feld in Bewe-gung geraten; Bollinger et al. 2006, S.83).

Nun zeichnete sich das Praxisfeld nie durch besonders gute Arbeitsbedingungen aus.

Man habe sich, führt Krampe aus, im Diskurs um die Ver-wissenschaftlichung bzw. Akademisierung und Professiona-lisierung der Pflege hier zunächst auch noch unbedingt für Verbesserungen ausgesprochen, der Diskurs wandelte sich aber schließlich in Richtung Eigenverantwortlichkeit der Pflegenden (vgl. Krampe 2009, S.118) und schließlich sei darauf vertraut worden, dass „Pflegende die Dinge selbst in die Hand nehmen und schon irgendwie richten werden“ (ebd., S.118); von der Pflegewissenschaft wurde weiter eine „unmittelbare Verwertbarkeit der eigenen Forschung und der sich entwickelnden Wissenschaft vorausgesetzt […]“ (ebd., S.114).

Wenn Krampe auch über Diskurse spricht, möchte ich doch den Bogen ins ganz praktische Feld spannen.

Mir ist die gefährliche Gleichsetzung von a) Bereitschaft zur Anwendung von Pflegewissenschaft in der Praxis mit b) der Befürwortung von „Effizienz“ und „Rationalität“ nur zu gut bekannt und selbstverständlich ist sie grundfalsch.

Zu Ende gedacht stellt sie nicht nur jedes sich aus anderen

„Die wollen uns nicht.“ gepflegtes frontenverhärten

VON ESTHER MATOLyCZ.

In der „Verwissenschaftlichung“ und Akademisierung der Pflege werden und wurden große Potenti-ale zu ihrer (weiteren) Professionalisierung auch im deutschsprachigen Raum gesehen.Ein kleiner Blick auf erste Befunde allerdings zeigt schon, dass sich die Erwartungen nicht durchgän-gig erfüllt haben und dass gerade „die Praxis“ immer noch als Ort gilt, der von der Notwendigkeit einer wissenschaftlichen Fundierung des Fachs überzeugt werden muss. Warum eigentlich?

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Ressourcen speisende, pflegerische Tun in die Ecke des „Bauchhandelns“ sondern macht zugleich auch noch jene Intuition schlecht, die andererseits – zugegeben, unter bestimmten Umständen - wieder als Expertise gilt. Ich will die Sinnhaftigkeit des Beforschens ureigener, pflegerischer Tätigkeit mit keinem Wort in Frage stellen, vielmehr sind die Probleme der Dequalifizierung und der, wie Krampe meint, „Denunziation der Pflegepraxis“ (Krampe 2009, S.114) mein Thema:

Wissenschaftliche Ambitionen in allen Ehren – wenn Prak-tikerInnen vielleicht das Tempo, in dem in unserem Fach derzeit „nach-“ und „weiterqualifiziert“ wird, stutzig macht, muss das noch lange nichts mit Desinteresse an Vernunft oder Effizienz zu tun haben. Im Gegenteil: gerade Bildungs-prozesse brauchen (besonders, wenn man Bildung als tatsächliche Emanzipation und nicht als Schritt zur Statuser-weiterung begreift) vor allem eines und das ist Zeit.

Sie brauchen auch Widerspruch, Streit und Auseinander-setzung, brauchen ganz unbedingt Raum, in dem Kritik geäußert werden kann und dürfen sich ausdrücklich nicht auf die Idee der Hervorbringung eines – wie auch immer gearteten – Outputs beschränken.

Wenn PraktikerInnen fragen, ob das Ergebnis einer pflege-wissenschaftlichen Studie über das Erleben an Brustkrebs erkrankter, chinesischer Frauen, nämlich, dass Brustkrebs Angst und Beunruhigung auslöst, die Erkrankung jeden Le-bensbereich betrifft und die betroffenen Frauen versuchen, das Beste aus der Situation zu machen (vgl. Mei/Haber 2008) nicht ohnehin auf der Hand liegt, so soll auch noch so große Nähe zur Pflegeforschung nicht verhindern, sich die-ser Überlegung anzuschließen und darüber nachzudenken, was es denn nun genau ist, das KlientInnen der Pflege vom neuen, sich mehrenden Wissen profitieren lässt.

In der Anwendung von Pflegeforschung kann und darf es nicht damit abgetan sein, Studien zu interpretieren und die Ergebnisse dann „der Praxis“ in Form „wissenschaftlich fundierter“ Interventionen quasi auf den Pflegeplan zu schreiben und dann deren Umsetzung zu kontrollieren. Aus meiner Sicht geht es vielmehr darum, in Dialog zu treten.

1 Anmerkung der Verfasserin: die Beschränkung akademischer Pflegebil-dung auf Management und Lehre ist bekanntermaßen nicht mehr aufrecht

> LiteraturBollinger, H. et al. (2006): Die Professionalisierung der Pflege zwischen Traum und Wirklichkeit. In: Pundt, J.(Hg): Professionalisierung im Ge-sundheitswesen. Postionen – Potenziale – Perpektiven. Bern: Huber. 76-92.

Dielmann, G. (2002): Zur Diskussion um eine Ausbildungsreform in den Pflegeberufen. In: Gerlinger, T. et al. (Hg): Qualifizierung und Pro-fessionalisierung. Jahrbuch für kritische Medizin Band 37. Hamburg: Argument-Verlag. 60-80.

Mei, R. Fu, Haber, J. (2008): ‚Making the best of it’: Chinese women’s experience of adjusting to breast cancer diagnosis and treatment. In: Pro Care, 155-165. URL:

http://www.springermedizin.at/fachbereiche-a-z/a-h/geriatrie-und-pflege/?full=1605. [02.11.2009].

Krampe, E.-M. (2009): Emanzipation durch Professionalisierung? Akade-misierung des Frauenberufs Pflege in den 1990er Jahren: Erwartungen und Folgen. Frankfurt am Main: Mabuse-Verlag.

> AutorinMag.a Esther MatolyczDGKS, Publizistin; Studium der Päda go gik mit Schwerpunkt Berufs-pädagogik des Gesund heits wesens, besondere Nähe zur Geriatrie

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„Gesunde Krankenpflege - Kranke Gesundheitspflege?“Krankenpflege – Gesundheitspflege – Gesundheitsförderung

VeranstalterInnen:

Mit freundlicher Unterstützung von:

09

5. und 6. November 2009 • Austria Center Vienna

Programmbereich Pflegewissenschaft

MusikumDrumCorps

Das war der pflegekongress09!

Paukenschläge und grußworte. Eröffnungs-ImpressionenAm 5.11. um 9 Uhr 30 wurde im voll besetzten Saal E des Austria Center Vienna der pflegekongress09 eröffnet, auf dem einander über 3700 BesucherInnen, mehr als 60 AusstellerInnen und mehr als 70 ReferentInnen trafen.

„Sehr geehrte Damen und Herren, man muss es immer wieder trommeln“, nahm Michael Chalupka, Direktor der Diakonie Öster-reich, auf das Eröffnungsszenario, eine Trommel-Performance des Musikum Drum Corps Drumline Hallein Bezug, „dass Pflege ein Thema ist.“ Dieses Thema müsse großgeschrieben werden. Die BesucherInnenzahl sei ein starkes Zeichen und Trommelwirbel für seine Wichtigkeit und dafür, dass es auch über die Grenzen des Austria Center hinaus gehört werden müsse.

Chalupka begrüßte die TeilnehmerInnen im Namen der BAG Freie Wohlfahrt.

Die Prävention, eines der Hauptthemen des Kongresses, wies er als eines aus, das doppelt betrachtet werden könne: „einerseits geht es um Prävention in der Pflege.“

Andererseits ginge es – und daran sollen auch die Trommeln erinnern – um politische, systemische Prävention.

Bärbel Mende-Danneberg stellte sich dem Publikum in drei Eigenschaften, im Rahmen derer sie eingeladen sei, vor: die der Di-plomierten Gesundheits- und Krankenschwester, die Rolle der Tochter, die ihre demenzkranke, 90-jährige Mutter vier Jahre lang zu sich genommen und gepflegt hat: „ich habe erlebt, was es heißt, Tag und Nacht mit einem verwirrten, alten Menschen zusammen zu leben, ihn in seinen Ängsten und Gebrechlichkeiten zu begleiten.“ Drittens ist Mende-Danneberg Buchautorin und wurde für ihr Buch „Alter Vogel, flieg!“ ausgezeichnet.

Claudia Kastner-Roth begrüßte schließlich zum 7. Mal zum pflegekongress und berichtete von der Internationalität des Publikums – man dürfe nicht nur BesucherInnen und ReferentInnen aus den Bundesländern, sondern für Deutschland etwa aus Dresden, Halle, Witten-Herdecke, Hamburg und Köln, für die Schweiz aus Bern und Zürich und außerdem KollegInnen aus Bratislava begrüßen.

Kastner-Roth betonte Wert und Bedeutung der Wissenschaftlichkeit für die Pflege und verwies nicht nur auf die neue Rubrik pfle-genetz.wissenschaft des pflegenetz.magazin - in dem den LeserInnen nun immer auch aktuelle, wissenschaftliche Fachbeiträge geboten werden - sondern berichtete auch über die rege Beteiligung bei der Einreichung von wissenschaftlichen Postern.

Wir freuen uns auf Sie – am pflegekongress10 4. und 5. November 2010!

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Beforscht, berichtet, gezeigt und präsentiert. Aus 51 referaten

Das Eröffnungsreferat hielt Frank Weid-ner, Professor und Institutsleiter am dip, dem Deutschen Institut für angewandte Pflegeforschung. Er berichtete u.a. über ein Projekt, in dessen Rahmen neun Ge-sundheitsberaterInnen – eigens geschulte Pflegepersonen – über einen Zeitraum von 18 Monaten 300 Familien, in denen ein an Demenz erkrankter Mensch lebte, begleiteten, berieten, entlasteten und un-terstützten. Dabei gelang es, die Fami-lien nachweislich zu stabilisieren und die Situation für alle Beteiligten deutlich zu verbessern.

Hanna Mayer setzte sich mit dem Konzept des Caring aus-einander, stellte verschiedene Fürsorgetheorien vor und betonte, dass das mittlerweile gut beforschte Caring mehr sei als „guter Wille“ oder „ein großes Herz“, sondern etwas, das „breit aufgestellten Wissens“ bedürfe. Sowohl Haltung als auch Handlung seien Bedingung für professionelles, pflegerisches Handeln.

„`Wo ist der Patient?´ `Ach, irgendwo im Garten.´ Wenn Sie,“ so Michael Isfort, Professor für Pflegewissenschaft an der katholischen Hochschule NRW in Köln in seinem Referat über die Auswirkungen von Rationalisierung im Pflege-bereich, „diese Frage so beantworten können, handelt es sich im heutigen Verständnis bereits um eine Fehlbelegung eines Krankenhauses.“ Der Referent setzte sich kritisch mit Statistiken auseinander, in denen etwa Auskunft über pro PatientInnenbett vorhandene Pflegekräfte Auskunft gege-ben wird.

Natalie Lottersberger sprach über Status quo und Perspek-tiven freiberuflicher Pflege und Hans Popper widmete sei-nen Vortrag dem Österreichischen Case Management und betonte die Wichtigkeit eines gemeinsamen Verständnisses sowie einheitlicher Richtlinien.

Das Kongressmotto wurde aus unterschiedlichsten Per-spektiven in den Blick genommen: so führte Sozialwissen-schaftler Kurt Schalek in die Gesundheitsförderung durch Pflegediagnosen ein und betonte dabei die Wichtigkeit des Umgangs mit der KlientInnenressource, Roswitha Engel sprach über Facetten einer fachhochschulischen (Aus)Bil-dung in der Gesundheits- und Krankenpflege, Alfred Höller und Silvia Neumann-Ponesch widmeten sich der Gefühls-arbeit in der Pflege und deren gesundheitsfördernder Wir-kung, während Stefan Juchems sich mit Aufgabenprofil und -verteilung Pflegender beschäftigte und ein Forschungspro-jekt präsentierte. Marianne Kriegl zeigte in ihrem Referat praktische Handlungsfelder und besondere Kompetenzen des Advanced Nursing Practitioner.

Detlef Rüsing sprach über die Methode des Dementia Care Mapping, gab lebendige Einblicke in seine Tätigkeit eines „mappers“. und erklärte den Ablauf dieser besonderen Form der Beobachtung, Datenanalyse und anschließenden, gemeinsamen Reflektion von Interaktionen und Kommu-nikation in Einrichtungen zur geriatrischen Langzeitpflege, „denn letztlich verbringen“, so Rüsing, „die Pflegenden dort oft mehr Zeit als mit der eigenen Familie“, man müsse sich also von rein funktionalen Pflegeverständnissen verab-schieden und sehen, wie der Tag jeweils für alle Beteiligten optimal zu gestalten sei.

Diskutiert. Vom Podium IAm Donnerstag diskutierten Universitätsprofessorin Hanna Mayer, Pflegedirektorin Eva Keferböck, Universitätsdozent Karl Krajic und Frank Weidner - u.a. Vorsitzender des Deut-schen Instituts für angewandte Pflegeforschung - am Podi-

um die Frage „Was kann Pflege für die Gesundheitsförde-rung leisten?“; die Runde wurde von Sozialwissenschaftler Kurt Schalek moderiert.

DebattiertAm Freitag führte eine Debatte über die „Rolle der Pflege“ zum spannenden Austausch von ExpertInnen dreier Länder: Österreich wurde von Franz Allmer, Präsident des BoeGK und Ursula Frohner, OEGKV-Präsidentin vertreten. Über die Rolle der Pflege in Deutschland sprach die Präsidentin des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe Gudrun Gille und Elsbeth Wandeler, Geschäftsleiterin des Schweizer Be-rufsverbandes für Pflegefachfrauen und -männer berichtete über die Situation der Schweiz.Durch die Diskussion führte Stefan Juchems von der Deut-schen „Stiftung Pflege“.

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Diskutiert. Vom Podium IIEiner der Höhepunkte des pflegekongress09 war die Dis-kussion der Frage: „Millionen für die Banken – und Inno-vationen für die Pflege?“, die am Freitag Erich Fenninger, Bundesgeschäftsführer der Volkshilfe Österreich, Eugen Hauke, Leiter des Karl Landsteiner-Institutes für Kranken-hausorganisation, Rudolf Hundstorfer, Bundesminister für Soziales und Konsumentenschutz und Arbeit, Maria M. Hof-marcher, Senior Researcher am Institut für Höhere Studien und Silvia Neumann-Ponesch, Leitung des Departments „Gesundheitsdienstleistungen“ der FH in Linz/OÖ stellten.

Geleitet wurde die Diskussion von Charlotte Staudinger, Ge-neraloberin des Wiener KAV, i.(U)R. (Anm. der Red.)

„Wir haben“, so BM Hundstorfer, „derzeit ein Problem am Arbeitsmarkt, nicht aber im Sozial- und Gesundheitsbereich“, hier würde laufend neu ausgebildet und die Zahl der Be-schäftigten sei im Steigen.

Die Frage nach einem Pflegefonds stelle eine massive He-rausforderung dar, man müsse hier in etwa an das Jahr 2014 oder 2015 denken; die traditionellen Finanzierungssysteme seien an ihre Grenzen gelangt.

„Die Frage, die wir uns stellen müssen“, so Erich Fenninger, „ist die der Verteilungsgerechtigkeit“ – und natürlich sei zu überlegen, woher das Geld zur Finanzierung dieses Bereichs käme: „wir brauchen unbedingt mehr Mittel in der Pflege,“ in der jeder zehnte Erwerbstätige beschäftigt ist – man müsse sich dieser Branche stärker annehmen.

Für die Idee des Pflegefonds forderte Fenninger eine Abkehr von der „Verländerung“ und Ungleichbehandlung.

Maria M. Hofmarcher erklärte, die Ausgaben für die Pflege seien vergleichbar mit denen anderer Länder. Man müsse sich aber fragen, „ob es genug, ob es hinreichend ist“ und ob richtig investiert würde. Der Anteil der im Gesundheitsbe-reich Beschäftigten sei in Österreich im Vergleich zu anderen Ländern zwar niedriger, nicht aber die Qualität. Die Pfle-genden können sich dies unbedingt auf die Fahnen schreiben und sollen sich auch „die Lorbeeren dafür geben lassen.“

Silvia Neumann-Ponesch forderte auf, nicht nur zu fragen wie, sondern vor allem auch was man finanziere – diese Diskussion nämlich fehle.

Eugen Hauke erklärte, dass man es sich zu leicht mache, wenn man nur von der öffentlichen Hand, die langsam an ihre Grenzen komme, fordere. Auch ginge es in der Wirt-schaft vorwiegend um das Prinzip Leistung – Gegenleistung; die Ehrenamtlichkeit gehe unter.

Spontanapplaus gab es für die Aussage BM Hundstorfers, man werde im kommenden Jahr daran arbeiten, dass Pfle-gende zur Gutachtenerstellung herangezogen werden.

Abgesehen davon müsse man auch darüber nachdenken, wie Pflegende eventuell zu motivieren seien, aus freien Stü-cken länger im Pflegeberuf zu bleiben; der Bundesminister versprach aber, dass das gesetzliche Pensionsantrittsalter nicht erhöht würde.

Charlotte Staudingers Frage nach der Attraktivität der Pfle-geberufe wurde kontrovers diskutiert. Eugen Hauke erklärte, man habe diese in den letzten Jahren gesteigert, die Gehäl-ter seien insgesamt zufrieden stellender und die selbstän-dige Berufsausübung möglich.

Erich Fenninger stellte fest, dass das Image der Pflege sich gebessert habe, er glaube nicht, dass die Jugend kein In-teresse an diesen Berufen habe, widersprach Hauke in der Sache „Bezahlung“ aber deutlich. Weiter seien Nacht- oder geteilte Dienste problematisch und das Denken nach dem Stechuhr-Prinzip in Verbindung mit extrem hohem Druck und Verantwortung, die Arbeitsbedingungen wären letztlich früher sogar oft besser gewesen; auch Maria M. Hofmarcher nannte etwa die „Radl“-Dienste als besondere Belastung.

BM Hundstorfer erklärte, dass es in allen Bereichen mit atypischen Arbeitszeiten Probleme gebe, den Nachwuchs zu halten, wies aber auch darauf hin, dass Pflegende lieber nur 12 oder 13 Dienstantritte im Monat hätten, die allerdings mit längeren Blockarbeitszeiten verbunden seien. „Dass zwölf Stunden für unseren Korpus nicht gesund sind, das wissen wir aber.“

Weiter wurde das Problem der Divergenz in der Entlohnung zwischen intra- und extramuralen Diensten thematisiert. Man müsse, so der Bundesminister, die Attraktivität weiter erhöhen und sich besonders um Arbeitszeitmodelle auch für ältere DienstnehmerInnen bemühen.

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Verliehen I. Prämierung wissenschaftlicher Posterpflegenetz ist die wissenschaftliche Basis der Pflege ein Anlie-gen. Besonders freute daher die rege Beteiligung bei der Ein-reichung wissenschaftlicher Poster sowie die hervorragenden Ideen und Arbeiten.

Den drei Bestplatzierten Friederike Thilo, Monika Bartl und Regina Kern überreichten Claudia Kastner-Roth, Hanna Mayer, Roswitha Engel, Martina Kuttig und Ferdinand Holub Preise: man konnte sich über Gutscheine für Hotelauf-enthalte im Gartenhotel Sonnleitn, im Ayurveda-Verein Nexen-hof und über ein Dinner in the Dark von Vier Sinne freuen.

Prämiert wurden Friederike Thilo für ihre Bachelor Thesis mit dem Titel: „Gesundheitskompetenz - Konzeptanalyse als erster Schritt zur Integration von Gesundheitskompetenz in die Pflegepraxis“; sie erhielt den ersten Preis.

Der zweite Preis ging für ihre Arbeit „Intergenerative Pflege und Betreuung“ an Monika Bartl und mit dem dritten Preis wurde Frau Regina Kern, die sich mit der „Erweiterung des Handlungsspielraumes und Übertragung von mehr pflegeri-scher Verantwortung auf die Pflegeperson im Akutkranken-haus durch Einführung von Primary Nursing unterstützt von IzEP“ beschäftigte, ausgezeichnet.

Verliehen II. Pflege- und Betreuungspreis 2009Am Freitag überreichte Erich Fenninger, Bundesgeschäftsfüh-rer der Volkshilfe Österreich in Anwesenheit von Bundesmini-ster Rudolf Hundstorfer, der Abgeordneten zum Nationalrat Christine Lamprecht, Barbara Groß, Präsidentin der Volkshilfe Steiermark, dem Präsidenten der Volkshilfe Österreich Josef Weidenholzer, Barbara Stöckl und zahlreicher anderer Exper-tInnen gemeinsam mit pflegenetz den Österreichischen Pflege- und Betreuungspreis des Jahres 2009.

In der Kategorie Organisationen war der „Erweiterte Pfle-gestammtisch“ des Volkshilfe-Sozialzentrums Judenburg bestplatziert. 40 dieser Stammtische sorgen jährlich für die Betreuung pflegender Angehöriger, denen somit Vernetzung, Workshops, Unterstützung, Beratung und Begleitung angeboten werden.

Mit dem zweiten Preis wurde die „Generationen-Wohn-gemeinschaft Neumargareten“ ausgezeichnet, in der für StudentInnen und SeniorInnen ein generationenverbindendes, familienähnliches Zuhause geschaffen wird.

Für die „Pflegenden Angehörigen“ wurde Frau Gertrude Rakusan gewürdigt, die als Mutter einer schwerstbehinderten Tochter vor 15 Jahren den Verein ISAL (Integratives Aktives Soziales Leben), der Treffen, Workshops und Vorträge anbietet, gründete.

Ebenfalls prämiert wurde Dr. Anton Diestelberger, Vater eines autistischen Sohnes, Pädagoge und Obmann des Vereins „Rainman´s home“, der mittlerweile zwei Tagesstätten be-treibt und Schulungen und Veranstaltungen zum Thema „Au-tismus“ anbietet. Diestelberger entwickelte auch pädagogische Werkzeuge zur Arbeit mit autistischen Menschen und setzt sich auf wissenschaftlicher Basis mit deren bestmöglicher Betreuung auseinander.

Für MitarbeiterInnen aus Pflege und Betreuung konnte heuer per Online-Publikums-Voting für besonders engagierte Fachleu-te gestimmt werden.

Als Diplomierte Pflegeperson erhielt Frau Michaela Lindmei-er vom AKH Wien (HIV-Station) die meisten Stimmen; in der Ka-tegorie der Fach-Sozial-BetreuerInnen bzw. Altenfachbetreu-erInnen wurde Frau Romana Hager aus dem „Haus Neustadt“ in Wels ausgezeichnet und aus der Berufsgruppe der Heimhel-ferInnen wurde Frau Elke Simhofer für ihre engagierte Arbeit im Betreuten Wohnen in Pöls mit einem Preis gewürdigt.

1. Preis: Friederike Thilo

3. Preis: Regina Kern2. Preis: Monika Bartl

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zitiert. für Sie notiert

„Alle meine Sünden sind mir ein-gefallen, als ich anderen bei der Arbeit zugesehen habe.“

Detlef Rüsing über Fehler in der Pflege

„Das Gesündeste in der Langzeit-pflege wäre vielleicht, wenn die Pflege nicht sichtbar wäre.“

Hanna Mayer provokant über Ge-sundheitsförderung

„Pflegeheime erscheinen als Orte ausgeprägter Problemakkumula-tion.“

Karl Krajic über die schwierige Situa-tion in der Langzeitpflege

„Mitunter sprechen Pflegende davon, dass sie die Rolle der Haus-frau im Spital haben.“

Franz Allmer in der Podiumsdiskussi-on über die Rolle der Pflege

„Ich habe den Patienten beob-achtet, habe seine Hautfarbe, Kreislaufsituation und Fähigkeiten im Auge behalten und geichzeitig habe ich noch ein Bett gemacht.“

Elsbeth Wandeler zitiert eine Schweizer Pflegefachfrau, die als Projektteilnehmerin in der Praxis einem Politiker den Unterschied zwi-schen „Bettenmachen“ und Pflege erklärte

„Die Bezahlung ist grotten-schlecht.“

Erich Fenniger in der Podiumsdis-kussion: „Millionen für die Banken – Innovationen für die Pflege?“ über die Entlohnung Pflegender im Vergleich zu anderen Branchen

„Es gibt einen Wildwuchs an aka-demischen Zusatzausbildungen. Man kennt sich gar nicht mehr aus.“

Maria M. Hofmarcher über die Wei-terbildungslandschaft in der Pflege

„Wir haben das Problem, dass nicht alle Führungskräfte werden können.“

BM Rudolf Hundstorfer äußert sich klar zur Problematik der atypischen Dienstzeiten in der Pflege

„Ziel von pflegenetz ist es, alles, was zur Pflege gehört, ins Ram-penlicht zu stellen.“

Claudia Kastner-Roth„Als Gesellschaft brauchen wir diese Tätigkeit und dafür wirklich ein herzliches Dankeschön!“

BM Rudolf Hundstorfer dankt den Pflegenden

„Der Pflegekongress hat ein Ge-sicht und das und das ist das von der Frau Magistra Kastner-Roth.“

Erich Fenninger

„Das Testosteron ist kein intelli-gentes Hormon.“

Gerhard Gutenbrunner in seinem Ka-barett „Prophylaxe total“

„„

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24 > pflegenetz.05/09 www.wundplattform.com www.pflegenetz.at

DDie Forschungen auf dem Gebiet der Thermoregulation sind in den letzten Jahren beachtlich vorangeschritten und konnten für die klinische Praxis bemerkenswerte Erkennt-nisse erzielen. Hierzu zählen Erkenntnisse über pathophy-siologische Abläufe, Risikofaktoren und Komplikationen der perioperativen Hypothermie. Des Weiteren konnten prakti-kable Messinstrumente und Wärmeprotektionsmaßnahmen entwickelt werden, um der Entstehung der perioperativen Hypothermie entgegenzuwirken. Ungeachtet dessen tritt die ungeplante, perioperative Hypothermie auch gegen-wärtig häufig während operativen Eingriffen in Allgemein- und Regionalanästhesie auf und beeinflusst maßgeblich das Outcome für die PatientInnen.

Die Fragestellung des vorliegenden Artikels ist, Häufig-keiten und Formen von Wärmemanagementmaßnahmen in Krankenhäusern zur Prävention der ungeplanten, periope-rativen Hypothermie bei operativen Eingriffen in Allgemein- und Regionalanästhesie aufzuzeigen. Es soll anhand eines Übersichtsartikels erörtert und gezeigt werden, welche Ge-wichtung das Temperaturmanagement im perioperativem Setting in Krankenanstalten hat und welche konkreten Maß-nahmen zur Verhinderung von ungeplanter, perioperativer Hypothermie gesetzt werden. Wie konkret die Umsetzung und Implementierung von den in der klinischen Praxis zur Verfügung stehenden Wärmemanagementmaßnahmen erfolgen könnte, respektive welche dieser Maßnahmen Effizienz, Effektivität und Praktikabilität aufweisen, bleiben in diesem Artikel ausgespart. Der Autor beschränkt sich da-rauf, die Situation in Europa näher zu beleuchten. Ebenfalls wird eine Problembetrachtung der derzeitigen Situation angestellt.

Pflegerelevante Aspekte im zusammenhang mit der ungeplanten, perioperativen hypo-thermieIm vorliegenden Artikel wird der Begriff ungeplante, perio-perative Hypothermie im Zusammenhang mit den gesetz-

lichen Grundlagen näher erläutert. Zudem wird versucht, diesen von ähnlichen Hypothermiebegriffen abzugrenzen und ihm definierte Charakteristika zuzuordnen. Im An-schluss daran wird die Auswirkung der Anästhesie auf die PatientInnentemperatur näher erklärt. Des Weiteren wer-den Risikofaktoren und Komplikationen der perioperativen Hypothermie aufgezeigt.

Das Österreichische Bundesgesetz für Gesundheits- und Krankenpflegeberufe sieht Temperaturmanagementmaß-nahmen im § 15, dem mitverantwortlichen Tätigkeitsbe-reich, vor. Dieser umfasst die Durchführung therapeutischer und diagnostischer Maßnahmen nach ärztlicher Anordnung. Der/die anordnende Arzt/Ärztin trägt im Zusammenhang mit Wärmemanagementmaßnahmen die Verantwortung für die Anordnung und die Diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegeperson für die Durchführung der Maßnah-men.

In der Literatur konnten drei verschiedene Typen der Hypo-thermie recherchiert werden, die inadvertente (unachtsam, versehentlich, ungeplant), die accidentale (durch einen Un-fall verursacht) und die intentionale (absichtlich, bewusst) Hypothermie.

Die inadvertente Hypothermie ist eine ungeplante, unbeab-sichtigte Hypothermie, welche bei operierten PatientInnen, die einer kalten Operationssaalumgebung ausgesetzt sind, auftritt. Sie ist ein Nebeneffekt der Operation (vgl. Sum-mers 1992a, S.6). Die Körperkerntemperatur sinkt dabei unter 36°C (vgl. ASPAN 2001, S.307; Bach/Mertzlufft 2007, S.917; Bräuer/Perl/Quintel 2006, S.1325; Pannen 2007, S.944; Ratan et al. 2008, S.29; Sessler 1997, S.1735).

charakteristika der ungeplanten, perioperativen hypothermieSummers (1992a, S.7; 1992b, S.60) definiert die Charakte-ristika der inadvertenten Hypothermie durch eine Körper-kerntemperatur ≤36°C, eine kalte Hauttemperatur (kein

Die ungeplante, perioperative hypothermie VON MANUEL SCHWANDA. FOTOS VON FRANK HELMRICH.

Abstract

In der vorliegenden Literaturarbeit wird die ungeplante, perioperative Hypothermie bei operativen Eingriffen in Allgemein- und Regionalanästhesie thematisiert. Es wird erörtert, welche Gewichtung das Temperaturmanagement im perioperativen Setting in Krankenanstalten hat und welche kon-kreten Maßnahmen zur Verhinderung von ungeplanter, perioperativer Hypothermie gesetzt werden. Aktuelle, empirische Studien zeigen, dass dem Wärmemanagement bei operativen Eingriffen gene-rell wenig Beachtung geschenkt wird, im Besonderen bei Eingriffen in Regionalanästhesie. Aufgrund der Ergebnisse dieser Arbeit ergibt sich, vermehrt an der Implementierung von Wärmemanage-mentguidelines zu arbeiten und den Einsatz von Temperaturmessungen im prä-, peri- und postope-rativen Setting zu forcieren. Keywords: perioperatives Wärmemanagement, perioperative Hypothermia, Guidelines Hypothermia

pflegenetz.wissenschaft peer.reviewed

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bewiesenes Kriterium), Shivering, zyanotische Nagelbetten, eine kapilläre Auffüllzeit >5 Sekunden, eine blasse Haut- oder Schleimhautfarbe und einen gesteigerten Metabolis-mus. Zusätzlich wird der Wärmeverlust durch Konduktion, Konvektion, Radiation und Evaporation ebenso als defi-niertes Charakteristikum beschrieben.

Antecedents (Voraussetzungen) für die Ent-stehung der ungeplanten, perioperativen hypothermieDer Wärmeverlust durch Konduktion (Wärmeleitung), Kon-vektion (Wärmeströmung), Radiation (Wärmestrahlung) und Evaporation (Verdunstungswärme) spielen bei der Ent-stehung der ungeplanten, perioperativen Hypothermie eine entscheidende Rolle. Konduktion bezeichnet den Wärme-verlust von PatientInnen durch den kalten Operationssaal, kalte Anästhesiegase, kalte Desinfektionsmittel, raumtem-perierte Infusionen, kalte Transfusionen, nasse Tücher und kalte Instrumente.

Konvektion ist der Wärmeverlust aufgrund kalter, zirkulie-render Luft über dem Körper der PatientInnen („Laminar Air Flow“).

Radiation wird als Wärmeverlust durch kalte Räume, offene Wunden, unangemessene Kleidung, Inaktivität und Vasodi-latation aufgrund Anästhetikagabe während chirurgischer Eingriffe bezeichnet.

Als Evaporation wird jener Wärme- und Wasserverlust be-zeichnet, welcher über den Atmungstrakt und offene Wun-den entsteht (vgl. Summers 1992a, S.7; Summers 1992b, S.60; Summers 1992c, S.350).

Wesentlich in diesem Zusammenhang ist der Wärmever-lust durch Radiation. Normalerweise regelt der Körper die Temperatur sehr wirksam. Der Körperkern ist dabei immer um 2-4°C wärmer als die Peripherie. Diese Temperaturre-gulation kann nur durch eine gewisse Vasokonstriktion des Gefäßsystems erfolgen. Die Narkose stellt eine besondere Herausforderung für den menschlichen Körper dar. Die Me-dikamente mit denen die Anästhesie eingeleitet wird ver-ursachen eine Vasodilatation der Gefäße. Somit strömt das wärmere Blut vom Körperkern in der Peripherie, vermischt sich dort mit dem kälteren Blut und fließt danach abgekühlt zum Herzen zurück. Der daraus resultierende Abfall der Körperkerntemperatur wird als Umverteilungshypothermie bezeichnet (vgl. Bräuer/Perl/Quintel 2006, S.1328; Pannen 2007, S.940; Ratan et al. 2008, S.90; Stölting/Hillier 2006, S.691f.).

risikofaktoren der ungeplanten, periopera-tiven hypothermieRatan et al. (2008, S.40) beschreibt eine erniedrigte prä-operative PatientInnentemperatur (<36°C), eine kombi-nierte Regional- und Allgemeinanästhesie, große/lang andauernde Operationen, nicht vorgewärmte intravenöse Flüssigkeiten, Spülflüssigkeiten oder Blutprodukte und eine erniedrigte Operationssaaltemperatur (<21°C) als mögliche Risikofaktoren.

Konsequenzen der ungeplanten, periopera-tiven hypothermieDie in der Literatur beschriebenen Komplikationen einer perioperativen Hypothermie sind ein gesteigerter intraope-rativer Blutverlust, eine verlängerte Aufwachphase, posto-peratives Shivering, Wärmeunbehagen, tödliche kardiale Er-eignisse wie z.B. Arrhythmien, ein veränderter Medikamen-tenmetabolismus, ein erhöhtes Wundinfektionsrisiko, eine reduzierte PatientInnenzufriedenheit und ein verlängerter Krankenhausaufenthalt (vgl. Ratan et al. 2008, S.30).

Wirtschaftlich betrachtet sind die Behandlungs-, Folge- und verlängerten Krankenhausaufenthaltskosten durch die Ent-stehung einer perioperativen Hypothermie deutlich höher als jene Kosten, welche für Hypothermieprophylaxemaß-nahmen entstehen (vgl. Bräuer/Perl/Quintel 2006, S.1331f.; Brown Mahoney/Odom 1999, S.155).

Darstellung verschiedener Wärmeprotekti-onsmaßnahmen und ihre Anwendung in der klinischen PraxisDie folgenden Ausführungen zielen auf der Grundlage von aktuellen, wissenschaftlichen Publikationen darauf ab, welche Wärmeprotektionsmaßnahmen in der Praxis zur Verfügung stehen und wie häufig und in welcher Form derzeit ein Wärmemanagement im perioperativen Setting durchgeführt wird.

WärmeprotektionsmaßnahmenWärmeprotektionsmaßnahmen können in interne und ex-terne und in aktive und passive Maßnahmen unterteilt wer-den. Tabelle 1 soll einen Überblick über die zur Verfügung stehenden Wärmeprotektionsmaßnahmen geben und nicht, so wie Bräuer, Perl und Quintel dies vorgenommen haben, die verschiedenen Maßnahmen bezüglich ihrer Effektivität, Praktikabilität, Kosten und Limitierungen zu bewerten.

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Interne Maßnahmen:

Externe, aktive Maßnahmen:

Externe, passive Maßnahmen:

Ösophagus-wärmer Heizmatten unter dem Rücken und am Körper

Erhöhung der Operationssaal-temperatur

Präoperative Gabe von Aminosäurelö-sungen

Luftwärmer Atemgas-klimatisie-rung (HME)

Infusionswärmer Infrarotstrahler Isolation

Atemgas- Klimatisierung

Vorwärmung

Tab.1: In Anlehnung an Bräuer/Perl/Quintel 2006, S.1333ff.

Erwärmung von Patientinnen während Kai-serschnitteingriffen: Eine telefonbefragungIn dieser empirischen Erhebung wurden 219 von 220 führenden Entbindungseinheiten in England kontaktiert (99,5%). Mit Hilfe eines standardisierten Fragebogens wur-den die Verfügbarkeit von verschiedenen Wärmegeräten und das, die Abteilungspraxis betreffende Temperaturma-nagement während Kaiserschnitteingriffen erhoben. Des Weiteren wurde das Personal (im speziellen die Anästhe-sistInnen) über die persönlichen Grenzwerte zur Initiierung von Temperaturmessungen und aktiven Wärmeanwen-dungen befragt.

Ergebnisse der Studie:

Die aktive Erwärmung von Patientinnen während geplanten Kaiserschnitteingriffen ist in nur 35 Einheiten (16%) Routi-ne. 172 Einheiten (79%) messen die Patientinnentempera-tur im Aufwachraum und 192 Einheiten (88%) haben dort auch Hilfsmittel, um eine aktive Erwärmung einzuleiten, falls erforderlich. 18 von 219 Einheiten (8%) arbeiten nach speziellen Temperaturmanagementguidelines.

Wärmemanagementgeräte: Verfügbarkeit:

Infusionswärmer 213 Einheiten (97%)

Luftwärmegeräte 211 Einheiten (96%)

Heizmatten 42 Einheiten (42%)

Silberfolien, Silberfolienkopfbe-deckungen, HME-Filter, vorge-wärmte Decken und Handtücher, Erhöhung der Operationssaal-temperatur

20 Einheiten (9%)

In dieser Studie hat sich gezeigt, dass die Mehrheit der Einheiten bei geplanten Kaiserschnitteingriffen keine Wär-memanagementmaßnahmen ergreifen (35 von 219 Ein-heiten/16%), die Kapazität hingegen, diese anzuwenden, hätten nahezu alle Einheiten (vgl. Woolnough/Hemingway/Allam/Cox/yentis 2009, S.50ff.).

Befragung über das intraoperative tempera-turmanagement in EuropaFür diese Studie wählte die TEMMP Studiengruppe (Ther-moregulation in Europe, Monitoring and Managing Patient Temperature), 801 Krankenhäuser entsprechend dem Wal-nut Medical European Hospital Register randomisiert aus. Die Krankenhäuser wurden zuvor in drei Kategorien, kleine (200-400 Betten), mittlere (400-800 Betten) und große (über 800 Betten) Krankenhäuser klassifiziert. Auf der Basis eines standardisierten Fragebogens, ebenso von der TEMMP Studiengruppe entwickelt, wurden Anzahl der chirurgischen Betten, speziell absolvierte Anästhesietrainingsprogramme, die ausgeführte Anästhesietechnik, intraoperative Pati-entInnentemperatur und verschiedene Wärmemethoden erhoben. Die Studie erfasste insgesamt 8083 chirurgische Eingriffe, wobei die Beantwortungsquote der Fragebögen bei 40% lag.

Ergebnisse der Studie:

Allgemeinanästhesie: Regionalanästhesie:

erhielten 5818 (72%) PatientInnen

erhielten 2265 (28%) PatientInnen

Körpertemperaturmonitoring bei 1449 (25%) der Patien-tInnen

Körpertemperaturmonitoring bei 126 (6%) der PatientInnen

bevorzugte Körpertempera-turmessung: nasopharyngeale Messung

bevorzugte Körpertemperatur-messung: Trommelfellmessung

aktive PatientInnenwärmung bei 2491 (43%) PatientInnen

aktive PatientInnenwärmung bei 625 (28%) PatientInnen

bevorzugte Wärmemanage-mentmaßnahme: Forced Air (Luftwärme)

bevorzugte Wärmemanage-mentmaßnahme: Forced Air (Luftwärme)

Spezielle Anästhesietrainingsprogramme konnten in allen großen Krankenhäusern verzeichnet werden, in Kranken-häuser mittlerer Größe war die Rate um 40% und in kleinen Krankenhäusern um 20%. In England berichteten alle klei-nen Krankenhäuser, dass sie spezielle Anästhesietrainings-programme haben (vgl. Torossian 2007, S.669ff.).

In dieser empirischen Studie konnte nachgewiesen werden,

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pflegenetz.wissenschaftpeer.reviewedpeer.reviewed

dass 40% aller PatientInnen aktiv gewärmt wurden und die intraoperative PatientInnentemperatur nur sehr selten monitiert wurde (20%). Jene PatientInnen, welche eine Regionalanästhesie erhielten, wurden signifikant gering monitiert und aktiv erwärmt. Spezielle Temperaturmanage-mentguidelines werden bisher von keinem der untersuchten Krankenhäuser angewendet (vgl. Torossian 2007, S.671f.).

Diskussion und KonsequenzenDieser Artikel zielt auf einer Klärung der Gewichtung des perioperativen Temperaturmanagements in der Praxis ab. Es wurde versucht, wichtige Grundbegriffe, Charakteristika, Voraussetzungen, Risikofaktoren und Komplikationen der perioperativen Hypothermie zu erläutern sowie verschie-dene Wärmemanagementmaßnahmen aufzuzeigen. Auf Grundlage aktueller, empirischer Studien konnten Häufig-keiten und Formen von Maßnahmen zur Prävention von un-geplanter, perioperativer Hypothermie dargestellt werden.

Dabei zeigte sich, dass sehr viele Krankenhäuser die not-wendigen Geräte und Kapazitäten für ein entsprechendes Wärmemanagement, haben, jedoch wird diesem der-zeit noch wenig Beachtung geschenkt. Aufgrund dessen sollten künftig Anästhesiepflegefachkräfte versuchen, das Hauptaugenmerk vermehrt auf das Wärmemanagement zu richten. Speziell bei Eingriffen in Regionalanästhesie konn-ten signifikant wenig Körpertemperaturmessungen und aktive Wärmemaßnahmen verzeichnet werden und seitens der WissenschafterInnen wird u.a. auch Kritik an den, in der Praxis sehr wichtigen, jedoch wenig durchgeführten Temperaturmessungen im prä-, peri- und postoperativen Setting geübt. Künftig sollte auch in diesem Bereich darauf hingesteuert werden, ausreichend praktikable Messinstru-mente für Allgemein- und Regionalanästhesien zur Verfü-gung zu stellen und zu implementieren.

Nur ein geringer Anteil der Anästhesie- und Anästhesiepfle-geabteilungen arbeitet nach Temperaturmanagementgui-delines oder hatte spezielle Trainingsprogramme zu diesem Aufgabenbereich absolviert. Hieraus ergibt sich, dass an der Entwicklung und Implementierung von Temperatur-managementguidelines, so wie dies auch die empirischen Untersuchungen empfehlen, gearbeitet werden muss. Die American Society of Perianesthesia Nurses (ASPAN) und das National Collaborating Centre for Nursing and Suppor-tive Care (NCCNSC) hat sich diesem Mangel an Aufmerk-samkeit gewidmet und zu diesem Themenschwerpunkt entsprechende Praxisguidelines entwickelt. Aufgabe für ein zukunftsweisendes Temperaturmanagement in Österreich scheint daher zu sein, entsprechende Guidelines zu entwi-ckeln und in die klinische Praxis zu implementieren.

Da die Ergebnisse der Befragung über das intraoperative Temperaturmanagement in Europa aufgrund der geringen Fragebogenaussendungen und Rücklaufquoten in Bezug auf österreichische Krankenanstalten unterrepräsentativ sind, wäre auch eine ähnliche Untersuchung in Österreich denkbar und wünschenswert.

> LiteraturASPAN. (2001): Clinical guideline for the prevention of unplanned perioperative hypothermia. In: Journal of perianesthesia nursing, 16: 305-314.

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Summers, S. (1992c): Validation of concepts: the next step in instru-ment development for postanesthesia studies. In: Journal of post-anes-thesia nursing, 7E: 346-351.

Torossian, A. (2007): Survey on intraoperative temperature manage-ment in Europe. In: European Journal of Anaesthesiology, 24(8): 668-675.

Woolnough, M.; Hemingway, C.; Allam, J.; Cox, M.; yentis, M. (2009): Warming of patients during caesarean section: A telephone survey. In: Anaesthesia, 64(1): 50-53.

> AutorManuel SchwandaBeruflicher Werdegang:Diplomierter Gesundheits- und Krankenpfleger, Intensivpfleger, Notfallsanitäter.Anästhesiepfleger im Klinikum Wels - Grieskirchen GmbHStudent an der Fachhochschule Krems; Bachelor-studiengang Advanced Nursing Practice.E-Mail: [email protected]

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EGemäß den europäischen Richtlinien (2005/36/EU) müssen die Studierenden mindestens 2300 Praktikumstunden im stationären, teilstationären sowie ambulanten/mobilen Be-rufsfeld der Pflege, absolvieren (vgl. Engel 2009, S.24f.).

Soweit zur Theorie. Doch wie geht es den Studierenden selbst nach ihrem ersten Jahr und welche Erfahrungen haben sie in der Praxis gemacht? Wurden sie durch die The-orie gut auf die Praxis vorbereitet?

Hatten sie den Eindruck, dass sie anders behandelt werden als die SchülerInnen aus der Fachschule?

Ich habe versucht diesen Fragen in Form eines qualitativen Leitfadeninterviews nach zu gehen. An dem Interview nahmen 5 Studierende teil. Es ist mir durchaus bewusst, dass diese Inter-views nur einen Auschnitt darstellen und nicht für die ganze Gruppe der Studierenden des FH Lehrgangs Gesundheit-und Krankenpflege repräsentativ sind.

Im Vordergrund dieses Artikels steht somit ein qualitativer Ein-druck von einzelnen Studieren-den.

AusbildungAuf die Frage, ob die „Ausbildung ihren Vorstellungen entspreche“, wurde sehr einheitlich positiv geant-wortet. Die Befragten zeigten sich zu-frieden mit der „Mischung aus Praxis und Theorie“. Teilweise waren die „Erwartungen von der Ausbildung“ aufgrund von Vorkenntnissen durch Infor-mationsveranstaltungen, Kontakte ins Gesundheitswesen durchaus konkret, andere wiederum gaben an, dass auf-grund der Neuartigkeit viele Studierende keine konkreten Vorstellungen hatten. „Die Erwartungen waren ähnlich wie die an eine Krankenpflegeschule, nur dass in der theoreti-schen Ausbildung mehr Wert auf die Wissenschaft gelegt wird und den StudentInnen mehr Autonomie zugesprochen wird. Alles in allem wurden unsere Vorstellungen erfüllt.“

Als positiv wurde die „Verbindung von Wissenschaft und Praxis“ und der Erwerb einer „Doppelqualifikation (Bachelor

+ Diplom)“ bzw. die dadurch eröffneten Möglichkeiten im Gesundheitsbereich und Weiterbildungen (Master) emp-funden.

Verbesserungsbedarf sahen die Befragten bei den Räum-lichkeiten (dieses Problem wurde aber durch den Umzug in ein neues Gebäude behoben), Dienstplaneinteilungen und Dokumentation von Praktikumsstunden, wo es zu Unklar-heiten kam.

Praxis/theorieDie Studierenden wurden befragt, ob ihnen „Unter-

schiede zwischen Praxis und Theorie“ aufge-fallen sind. Die Unterschiede, so die Ant-

worten, seien geringfügig. Ursachen hierfür wurden in Gewohnheit und

fehlenden materiellen, räumlichen und zeitlichen Ressourcen gese-hen.

Die Befragten fühlten sich in der Regel durch die Theorie gut vorbereitet. Zwei Studie-rende verfügten schon über Vorerfahrung durch andere Tä-tigkeiten, wie Zivildienst.

Auf die Frage, ob „Gelerntes in die Praxis umgesetzt“ werden

konnte, wurde weniger homogen geantwortet. Die Ausagen reichten

von „in leichten Variationen“ über „in jedem Fall“ bis zu „[...] ohne Theorie [wäre

ich in den Praktika] aufgeschmissen gewesen [...]“.

Die Theorie wurde als „roter Faden“ gesehen. Es wurde aber auch betont, dass auf viele Details in der Praxis weni-ger wert gelegt wird.

Die „Anleitung auf den Stationen“ wurde alles in allem als gut beurteilt. Nur zwei Personen meinten sie hätten „[...]eine Spannweite von mittelmäßig bis ausgezeichnet er-fahren.“. Wobei sie dieses Urteil relativierten und mit dem Zusatz, dass sie kein angeleitetes Praktikum durch die Lehr-personen bekommen hätten und dadurch die Anleitung auf der Station für sie sehr wichtig gewesen wäre.

Ein Jahr danach Interview mit Studierenden des Bachelor-Studiengangs „Gesundheits-und Krankenpflege“ an der FH Campus Wien.

VON CLAUDIA BINDER. FOTOS VON FRANK HELMRICH.

Vor knapp einem Jahr startete in Wien am FH-Campus der 1. Lehrgang für Gesundheits-und Kranken-pflege.Die Besonderheit am neuen Bachelor-Studium der Gesundheits- und Krankenpflege, so die Studiengangsleitung Fr. Mag.a Dr.in Engel, zeichnet sich durch eine praxisnahe und wissenschaftliche fundierte Ausbildung aus. Ziel ist es neben aktuellen fachlich-methodischen und wissenschaftlichen Kompetenzen auch sozial-kommunikative und Selbstkompetenzen zu fördern (vgl. Engel 2008, S.4f.).

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Das „Gefühl, anders als andere Auszubildende behandelt zu werden“, hatten die Befragten meistens nicht. So über-wiegen „insgesamt die positiven Reaktionen auf das FH Modell“.

Anfängliche Skepsis wich, so zwei Befragte „je mehr die KollegInnen informiert sind“. Eine Person bemerkte aber auch, dass ihrer Meinung nach Misstrauen und Verständ-nislosigkeit ihnen gegenüber nicht so schnell verschwinden würden.

Pflege/VorstellungDie „anfänglichen Vorstellungen über Pflege“ waren die eines hochprofessionellen Berufes. Andere gingen auf die beiden Fragen über ihre anfänglichen bzw. nun mög-licherweise veränderten Vorstellungen nicht konkret ein. Pflege solle, so die Vorstellung eines Befragten, fehlende Ressourcen nicht ersetzen sondern sollte aktivierend und motivierend beraten.

Bis auf eine Person, die sich vor ihrer Ausbildung kaum mit Prävention beschäftigt hat, haben sich bei den Befragten ihre Vorstellungen kaum verändert sondern eher konkre-tisiert.

Ihr „Zukünftiges Aufgabengebiet“ sehen die Befragten „als Bindeglied zwischen Theorie und Praxis“. Neben konkreten Vorstellungen wie Tätigkeit in der Lehre oder im Intensiv-bereich gibt es auch den Wunsch, pflegerisches Wissen wissenschaftlich zu fundieren z.B. durch konsequente Inte-gration von Evidence Based Nursing in den Pflegealltag.

Diplom versus fhDie Entscheidung für die FH-Ausbildung und gegen die Diplom-Ausbildung wählte ein Großteil der Befragten, weil sie zuvor schon studierten und sich mehr Autonomie und Wissenschaftlichkeit erwarteten.

Unterschiede zwischen den beiden Ausbildungsformen sehen die Befragten bezüglich der Organisationform z.B. Selbstudium, beim Altersdurchschnitt, der fehlenden Be-zahlung für die Praktika und dem fehlenden angeleiteten Praktikum.

Ein Studierender hob hervor, dass die beiden Ausbildungen in Bezug auf Praktikumsstunden und Theorie nahezu ident seien.

Als Vorteil wurden die Möglichkeit eines anschließenden Masterstudiums genannt.

zukunftAuf die Frage nach ihren Zukunftsplänen meinten die Be-fragten einheitlich, dass sie zuerst Erfahrung in der Praxis sammeln und später in der Regel das Masterstudium ma-chen wollten.

fazitAlles in allem scheinen die befragten Studierenden ihr er-stes Jahr als recht positiv erlebt zu haben. Die Verbindung von wissenschaftlicher Theorie und Praxis dürfte gelungen sein. Wie schon oben erwähnt, liefert diese Befragung nur einen kleinen Einblick. Sie möchte aber dazu anregen, sich mit diesen Themengebieten auf breiterer wissen-schaftlicher Basis auseinanderzusetzen, da die FH und ihre Studierenden Teil unserer Pflegecommunity sind und ihre Entwicklung bzw. auch die Entwicklung des Studienganges noch am Anfang steht. Weiters bleibt es spannend, ob und wie sich das Berufsbild und das Berufsfeld durch die Akade-misierung der Gesundheits-und Krankenpflege nachhaltig verändern wird.

>LiteraturEngel, R. (2008): Grundausbildung „ Gesundheits-und Krankenpflege“ als Studium. In: pflegenetz 04/08: 4-6.

Engel, R. (2009): Das Berufspraktikum im Bachelor-Studiengang „Ge-sundheits-und Krankenpflege“. In: pflegenetz 01/09: 24-25.

> AutorinClaudia BinderDGKS; Studentin der Politikwissenschaft; arbeitet seit 2008 als Webmanagerin bei pflegenetz.

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themenbezogene Definitionen:MotivationDer Motivationsbegriff setzt sich mit der Frage nach den motivationalen Prozessen der Zielsetzung auseinander. Hier geht es speziell um die Frage, welche Ziele erstrebenswert sind. Damit erweitert die moderne Motivationsforschung die klassische Auffassung von Motivation (Wünschbarkeit und Realisierbarkeit) um den Aspekt des Erstrebenswerten (vgl. Heckhausen 2006, S.5).

VolitionUnter Volitionen werden regulative Prozesse im Individuum verstanden, die den Ausschlag geben, welche Motivati-onstendenzen unter welchen Umständen wie umgesetzt werden (vgl. Heckhausen 2006, S.7). Damit sind alle moti-vationsregulatorischen Prozesse gemeint, die mit dem Er-reichen gesetzter Ziele zu tun haben. Kernfrage ist demnach das Wie der konkreten Umsetzung im Handlungsprozess.

Psychologie der MotivationMotivation ist ein Grundbegriff der Psychologie. In seiner handlungstheoretischen Ausführung wird der Motivations-begriff verwendet, um zielgerichtete Selbststeuerungs-prozesse im Individuum und daraus resultierende Verhal-tensweisen zu erklären. Dies können Wünsche sein, die seit langem gehegt werden oder Beweggründe, geplante Handlungen auszuführen. Jedoch ist es mit einem „Ich muss nur wollen, dann klappt es schon” nicht getan. Das Individuum befindet sich vielmehr in einem Spannungsfeld des Wünschens (Motivation) und des Wollens (Volition), was nicht dasselbe ist.

rubikonmodell der handlungsphasenIm Rubikonmodell geht es um das Realisieren von Hand-lungsabsichten. Es wird postuliert, dass ein Schwellenwert überschritten werden muss, damit eine vermeintlich gute

Idee nicht verloren geht. Welche Idee nun realisiert wird bzw. sich gegen andere Ideen durchsetzt, entscheidet sich im Vorgang des Abwägens bezüglich der Realisierbarkeit (Erwartung), der Wünschbarkeit (Wert) und der Konse-quenzen (Anreiz). Eine Idee wird nicht isoliert betrachtet, sondern in Relation zu anderen Ideen gesetzt. Auch die Frage nach der Kombinierbarkeit wird erhoben. Dieser Pro-zess darf nicht zu lange dauern, weshalb eine Fazittendenz postuliert wird, die eintritt, wenn die abwägende Person das Gefühl hat, ihre Fragen erschöpfend geklärt zu haben.

Ablauf in vier PhasenDer Handlungsablauf ist in vier zeitlich aufeinander fol-gende Phasen unterteilt. Inhaltlich sind dies die Phasen des Abwägens, Planens, Handelns und Bewertens. Hierbei gilt es, zwischen der Selektionsmotivation (Motivation) in den Phasen Abwägen bzw. Bewerten und der Realisierungsmo-tivation (Volition) in den Phasen Planen bzw. Handeln zu unterscheiden. Beide Motivationsarten sind an unterschied-liche Bewusstseinslagen gekoppelt, die hinsichtlich der gedanklichen Inhalte, Selektivität der Aufmerksamkeit und Art der Informationsverarbeitung variieren.

Abbildung: Phasen des Rubikonmodells und Konzept der Bewusst-

seinslagen (eigene Darstellung, vgl. Heckhausen 2006, S.7)

Psychologische Aspekte der Mitarbeiter-Innenmotivation – auch für die Pflege von Interesse?VON Ay LIN WU UND MICHAEL SCHWARZ. FOTO VON JEAN-PIERRE AMIGO.

Motivation spielt in allen Lebensbereichen des Menschen eine wichtige Rolle. Motivationale Pro-zesse stellen gewissermaßen das Antriebsmodul dar, warum wir uns in Bewegung setzen bzw. weswegen wir Handlungen ausführen. Handlungsfähigkeit ist ein zentrales Element in der Pflege, da ständig Interaktionen zwischen Pflegepersonen und PatientInnen stattfinden. Das Rubikonmo-dell von Heinz Heckhausen beschäftigt sich mit Motivation aus der Handlungsperspektive heraus und führt als wichtigen Aspekt den Volitionsbegriff ein. Besonderes Interesse gilt dem Konzept der Bewusstseinslagen, indem ein Unterschied zwischen Motivation und Volition und der Art der Infor-mationsverarbeitung festgestellt wird.

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Konzept der BewusstseinslagenDie motivationale Bewusstseinslage wird in den Phasen Abwägen und Bewerten eingenommen. Hier gilt es, zwi-schen einer Vielzahl von Handlungsalternativen auszuwäh-len. Dabei bedarf es einer offenen Bewusstseinshaltung, schließlich sollen möglichst hinreichende Informationen aus der Umwelt aufgenommen werden, um eine gute Entschei-dung zu treffen.

Die volitionale Bewusstseinslage wird in den Phasen Planen und Handeln eingenommen. Da sich hierbei der Fokus auf die erfolgreiche Ausführung einer Handlungsabsicht richtet, also eine „Abschottung“ störender Informationen nötig ist, muss die Selektivität der Aufmerksamkeit erhöht sein, damit eine realisierungsorientierte Informationsverarbei-tung gelingt.

Motivations- und Volitionsprozesse spielen bei der Arbeit eine wichtige Rolle, denn Arbeit wird als zielgerichtete Tätigkeit definiert (Rubinstein 1958, S.154). Mit dieser Sichtweise wird der Bezug zum Rubikonmodell hergestellt, indem eine Tätigkeit zielführend geplant und durchgeführt wird. Dies betrifft v.a. Arbeitstätigkeiten, bei denen eine bewusste Entscheidung notwendig ist, die Konsequenzen seines Handelns auszuloten und Handlungsspielräume zu entdecken.

Auf welche faktoren lässt sich das rubikon-modell anwenden?unterstützung der KommunikationIn der Pflege spielen Merkmale der Kommunikation und Interaktion eine bedeutsame Rolle, da sie das Bindeglied zwischen den MitarbeiterInnen und PatientInnen und deren Angehörigen darstellen. In diesem Zusammenhang zeigt sich, welche wichtige Rolle das Rubikonmodell spielen kann. Denn es richtet sich in erster Linie auf Handlungsvor-gänge des Individuums, ist also primär ein informationsver-arbeitender Ansatz, der auf der Basis von Kommunikations-prozessen funktioniert.

Ob und wie Pflegekräfte ihre Handlungsabsicht realisie-ren, hängt entscheidend von der Arbeitsmotivation ab. Bei der Kommunikation mit den PatientInnen erhält die Pflegekraft ein externes Feedback, was wiederum eine Motivationsquelle für weiteres Handeln darstellt. Es findet ein dynamischer Prozess zwischen internen Verarbeitungs-prozessen des Individuums und externen Informationen aus der Umwelt statt.

Damit sind wichtige Eckpfeiler des Rubikonmodells thema-tisiert:• die mit der (Arbeits-)Aufgabe gefasste Handlungsabsicht,• die mit der Arbeitstätigkeit assoziierte Zielgerichtetheit,• die resultierenden Bewusstseinslagen (Offenheit versus

selektive Aufmerksamkeit).

führung von MitarbeiterInnenWichtig für die Motivation von MitarbeiterInnen ist, dass sie das Gefühl haben, Verantwortung zu tragen, an der Gestal-tung der Ziele zu partizipieren und somit wichtiger Teil vom Ganzen zu sein. Dadurch fühlen sie sich stärker verpflichtet, bringen mit höherer Wahrscheinlichkeit gute Leistungen für „ihre“ Einrichtung und können so auch den eigenen Ansprü-chen genügen.

Das Konzept der Bewusstseinslagen stellt hier den An-satzhebel dar. Denn wenn die Führungskraft weiß, wann ein/e MitarbeiterIn offen für Informationen ist (Phasen des Abwägens und Bewertens), muss sie den richtigen Moment abwarten, um die nötigen Details zu geben.

Die Führungskraft hat somit entscheidenden Einfluss auf das Arbeitsergebnis, indem sie die MitarbeiterInnen bei der Aufgabenstellung mit Informationen versorgt und eine klare Zielvorgabe macht. Gleichzeitig wirkt sie an einer Verringerung der Bedürfnisdefizienz mit, denn eine in-teressante Aufgabe ist gut geeignet, die Neugier und den Ehrgeiz zu wecken. Auch nach der Aufgabenerfüllung ist ein konstruktives Feedback von Bedeutung, schließlich möchte jede/r MitarbeiterIn wissen, ob die Aufgabe zufrieden stel-lend erfüllt worden ist.

Ein positives und offenes Klima, bei dem Informationen ungehindert „fließen“, sorgt dafür, dass MitarbeiterInnen kreative Ideen generieren können. Da sie sich des Rückhalts ihrer Vorgesetzten gewiss sind, zeigen sie eine höhere Be-reitschaft, neue und fortschrittliche Ideen auszuprobieren und umzusetzen.

So ist das Rubikonmodell ein hervorragendes Instrument, um zurückhaltende oder hinsichtlich der eigenen Ziele un-sichere MitarbeiterInnen zu unterstützen, neue Chancen zu ergreifen. Es heißt also auch hier: Auf zu neuen Ufern!

>LiteraturHeckhausen, J. ; Heckhausen, H. (2006): Motivation und Handeln, 3. Auflage, Berlin, Heidelberg, New york: Springer-Verlag.

Rubinstein, S. L. (1958): Grundlagen der Allgemeinen Psychologie, Ber-lin: Verlag Volk und Wissen.

> AutorInnenAy-Lin WuDiplom-Ergotherapeutin (FH), leitende Ergotherapeutin in einer ambulanten orthopädischen Rehabilitationskli-nik.Tätigkeitsschwerpunkte: funktionelle und kognitive Er-gotherapie, Arbeits- und Alltagsergonomie.Kontakt: [email protected]

Dr. Michael SchwarzNeuropsychologe am Universitätsklinikum Erlangen.Tätigkeitsschwerpunkte: Neurologische PatientInnenver-sorgung und kognitive Hirnforschung. Lehraufträge an der BFS für Altenpflege der GAW Erlangen, BFS für Kran-kenpflege am St. Theresien-Krankenhaus Nürnberg, Diploma-Fachhochschule und Hamburger Fern-Hoch-schule.

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Lpflegenetz.gesundheit

Lavendelblütenfelder sind wohl das bekannteste Provence-motiv auf Postkarten. Er wächst aber nicht nur in Frankreich, sondern im gesamten Mittelmeerraum, wo er oft ganze Regionen mit seinen hübschen, blauvioletten Feldern in ein grandioses Blütenmeer verwandelt.

Lavendel ist aber nicht gleich Lavendel. In der Aromapflege wird hauptsächlich das aus dem echten Lavendel (Lavan-dula angustifolia) hergestellte ätherische Öl „Lavendel

fein“ verwendet. Weitere Sorten sind Speiklavendel, Schopflavendel und Lavandin.

Die Namensgebung „Lavendel“ stammt von den Römern und leitet sich aus dem lateinischen „la-vare“ ab, was soviel wie waschen bedeutet. Der Lavendel blickt auf eine lange Geschichte zurück. Schon die Perser und Griechen nutzten den Duft verbrannter Lavendelzweige, um schlechte Aus-dünstungen in Krankenzimmern zu neutralisieren und um die Raumluft zu reinigen. Später zur Pestzeit trugen Ärzte Schnabelmasken, die mit Lavendelblüten gefüllt waren und bedienten sich der keimhemmenden und desinfizierenden Wir-kung, um der eigenen Ansteckung vorzubeugen. Die meisten von uns werden Lavendel unwei-gerlich mit dem Duft von Omas Wäscheschrank verbinden, da Lavendelsäckchen zum Schutz vor Motten und Ungeziefer verwendet wurden und die Wäsche damit beduftet wurde und wird.

In der Gesundheits- und Krankenpflege hat sich die Aromapflege in den letzten Jahren als komple-mentäre Pflegemethode etabliert. Neueste Stu-dien, zahlreiche Erfahrungswerte aus dem Stati-onsalltag und der Wissensschatz vieler Generation

verhelfen uns zu beeindruckenden Erfolgen. Das Lavendelöl ist dabei nicht wegzudenken und gilt in der Aromapflege als das Allroundöl.

Die Inhaltsstoffe40-50% Ester (v.a. Linalylacetat), 30-40% Monoterpenole (v.a. Linalool), 7-13% Monoterpene (v.a. Ocimene), bis 8% Sequiterpene (v.a. beta-Carophyllen), bis 1,5% Oxide (v.a. 1,8-Cineol, Linalooloxid), in Spuren Sesquiterpenketone und

-oxide, Cumarin, Eugenol, aromatische Säuren und Alde-hyde, aromatische Ester und Alkohole, Monoterpenketone und Sesquiterpenole (vgl. Werner/von Braunschweig 2006, S.127).

Das DuftprofilLavendelöl riecht blumig-krautig, leicht süß mit einem zarten holzigen Unterton (vgl. Buchmayr/Deutsch/Fink 2007, S.66).

Die körperlichen WirkungenLavendelöl wirkt antiseptisch, antiviral, antimykotisch, anti-bakteriell, entzündungshemmend, hautpflegend, wundhei-lend, zellregenerierend, narbenglättend, juckreizlindernd, schlaffördernd, stark abwehrsteigernd, schmerzlindernd, fiebersenkend, krampflösend, reizlindernd und herzstär-kend (vgl. Buchmayr/Deutsch/Fink 2007, S.66).

Die psychischen WirkungenEs wirkt stimmungsaufhellend, harmonisierend, beruhi-gend, entspannend, tröstend, ausgleichend, es wirkt wie Nervenbalsam (vgl. Buchmayr/Deutsch/Fink 2007, S.66).

Die VorsichtsmaßnahmenIn physiologischer Dosierung und richtiger Anwendung sind keine Nebenwirkungen bekannt (vgl. Buchmayr/Deutsch/Fink 2007, S.66).

Die häufigsten Anwendungsmöglichkeiten äthe-rischer Öle in der Gesundheits- und Krankenpflege sind:• als Zusatz für Waschungen und Bäder, für Wickel und

Kompressen• als Zusatz für die Hautpflege, für Einreibungen und Strei-

chungen• zur Raumbeduftung

Eine detaillierte Beschreibung und Erklärung hierzu finden Sie im Aromapflegehandbuch.

Lavendel „ein großartiger helfer“ in der AromapflegeVON EVELyN DEUTSCH. FOTOS VON DER AUTORIN.

Bereits die Römer, Perser und Griechen nutzten den Duft verbrannter Lavendelzweige, um die Raumluft in Krankenzimmern zu reinigen. In der Aromapflege von heute ist das Lavendelöl zu einem Allroundöl aufgestiegen. Es verfügt über ein beeindruckendes Wirkungsspektrum und wird von Pflegepersonen vor allem wegen seiner beruhigenden, angstlösenden und einschlaffördernden Wirkung am Abend geschätzt, was auch Univ.Prof. Mag. Dr. Gerhard Buchbauer in seinen wissen-schaftlichen Arbeiten unterstreicht.

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Das Lavendelöl findet in allen aufgezählten Bereichen seine Anwendung. Von Pflegepersonen besonders geschätzt wird aber die beruhigende, angstlösende und einschlaffördernde Wirkung am Abend. Meist wird das Lavendelöl hier in Form der Raumbeduftung eingesetzt. Entweder wird es mit Hilfe eines elektrisch betriebenen Gerätes (z.B. Aromastone oder Aromastream) in der Raumluft verteilt oder es wird ganz einfach ein „Duftfleckerl“ verwendet. Hierzu werden 1-2 Tropfen Lavendelöl auf einen unsterilen Tupfer geträufelt und dieser in der Nähe des Kopfkissens platziert. Bei der Raumbeduftung sei noch darauf hingewiesen, dass immer die Duftvorlieben der PatientInnen zu berücksichtigen sind. Sollte der Lavendelduft alleine nicht gefallen, sieht dies bei einer Kombination mit Bergamottenöl oder Orangenöl meist anders aus.

Gerhard Buchbauer1 bestätigt in seinen folgenden Zeilen die seit Jahrhunderten geschätzte beruhigende und ein-schlaffördernde Wirkung des Lavendelöles mit dem Ergeb-nis seiner durchgeführten Studie:

„Bereits vor über 40 Jahren findet man erstmals in der wissenschaftlichen Literatur einen Bericht über die relaxie-renden, beruhigenden und stressabbauenden Effekte des ätherischen Lavendelöls (ÄÖ). Auch die beiden Hauptin-haltsstoffe, Linalool und Linalylacetat besitzen solche zent-ral dämpfenden Wirkungen. Eine in vivo-Studie mit Linalool bewies die dosisabhängige, sedative Wirkung auf das Zen-tralnervensystem (Verstärkung der Aufnahmefähigkeit der GABAA-Rezeptoren). Qualitative Analysen der Gehirnrinde von Mäusen, die man vorher Lavendelöl einatmen hat las-sen, zeigten, dass Riechstoffe im Blut tatsächlich die Blut-Hirn-Schranke passierten und so dort nachzuweisen waren. In Tierversuchen, im Lichtschrankenkäfig, verminderte die-ses ÄÖ signifikant die Bewegungsfreude, ebenso wie im Fall der durch Koffein übererregten Tiere. Diese wurden durch Lavendelölduft sogar noch stärker beruhigt als jene ohne vorherige Koffeingabe. Linalool und Linalylacetat dagegen bewirkten eine ähnliche Beruhigung in einem geringeren Ausmaß. Einen Zusammenhang der Motilität der Versuchs-tiere mit dem Linaloolgehalt in deren Blut konnte ebenso gezeigt werden, wie die Resorption des ÄÖ nach Massage durch die menschliche Haut. Die Befreiung von Stress und die einschlafverbessernde Wirkung wurde wiederholt in klinischen Studien, sowohl mit Langzeitpatienten, als auch mit gesunden Senioren nachgewiesen: Schlafdauer und -qualität verbesserten sich eindrucksvoll. Auch die Gedächt-

nisleistung von ängstlichen, gehemmten Volksschulkindern verbesserten sich unter dem Einfluss dieses ÄÖ‘s, das über-dies wegen seiner guten keimhemmenden Wirkung nicht nur zur Reduktion der Keimbelastung in der Raumluft (z.B. Krankenzimmer), sondern auch äußerlich zur verbesserten Wundheilung angewendet werden kann.“

Zum Abschluss noch ein paar Tipps für den privaten Ge-brauch. Hier gehört das Lavendelöl in jede Hausapotheke als Universalmittel. Ob für Groß oder Klein - es ist Balsam für die Haut und die Seele. Es wirkt beruhigend und ein-schlaffördernd bei Schlafstörungen oder Unruhezuständen, wirkt bei Verspannungen entkrampfend und ist ein tolles Soforthilfemittel bei kleinen Verletzungen und Wunden.

1 Univ.Prof. Dr. phil. Mag. pharm. Gerhard Buchbauer ist Vorstand des De-partments für Klinische Pharmazie und Diagnostik, Fakultät für Lebenswis-senschaften der Universität Wien.

> Literatur Buchmayr, B.; Deutsch E.; Fink, M. (2007): Aromapflegehandbuch – Leit-faden für den Einsatz ätherischer Öle in Gesundheits-, Krankenpflege- und Sozialberufen. Pflach: Verlag Grasl.

Werner, M; Braunschweig, R. von (2006): Praxis Aromatherapie, Stuttg-art: Karl F. Haug Verlag.

Weiterführende Literatur:Braunschweig, R. von (2004): Lavendel. In: Forum Magazin. Forum Essenzia.

Fischer-Rizzi, S. (2002): Himmlische Düfte. Aurach: AT Verlag.

Wabner, D.; Beier, C. (2009): Aromatherapie. München: Elsevier GmbH.

> AutorinEvelyn Deutschgelernte Drogistin, DGKS, geprüfte Aromatologin und erfahrene Heilkräuterfachfrau.Seit 2000 veranstaltet sie Fachseminare über den Einsatz ätherischer Öle im Pflegebereich; zeichnet für die Einführung der Aromapflege in zahlreichen Pflegeeinrichtungen verantwortlich; ist Mitautorin des „Aromapflegehandbuchs“; stellvertretende Vor-sitzende der Österr. Gesellschaft für wissenschaftlich angewandte Aromatherapie und Aromapflege.Hat 2008 unter ihrem Namen eine Aromapflege-Produktserie auf den Markt gebracht.eMail: [email protected]

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pflegenetz.die andere seite

frohe Weihnachten und ein schönesneues Jahr wünscht Ihr pflegenetz.team!

OOh du fröhliche ...KARIKATUR: CLAUDIA BINDER, WIEN

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Auf www.pflegenetz.at haben wir zur Wahl aufgerufen und Sie haben gevotet! Hier der Medaillenspiegel:

gefunden: Wort und unwort des Pflegejahres 2009

Wort unwort „pflegekongress“ „Burn-Out“

„gesundheitsförderung“ „Evidence-Based Nursing“

„Pflegepreis“ „Professionalisierung“

!Im herbst nächsten Jahres werden wir wieder das Wort bzw. unwort des Jahres 2010 zur Wahl freigeben. haben Sie bis dahin alle Augen und Ohren offen, auch für Skurilitäten …[email protected]

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Ein Beruf – viele Welten

Infos: [email protected] • Tel: 01/897 21 10

www.pflegekongress.at

10

4. und 5. November 2010


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