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Aktuelle Übersicht: Vorspann: S. 1f. Strafen: S. 2-4 Berühmte Studenten: S. 5-12 Berühmte Dozenten: S. 12-19 Kriegskapitel: 20-22 Jubiläumskapitel: S. 23-27 Burschenschaften: 27-29 Studentische Ausflüge in die Bonner Umgebung: 30-37 Reste: 38- Anschläge: 162.000 Altes Buch (80 Seiten): 129.000 (33.000 – ca. 18 Seiten) Fliegende Blätter Nr. 2665 Quelle fehlt In der Vorlesung Professor Udo aus Bonn hält heut’ Einen Vortrag über Unsterblichkeit. Der Saal ist gefüllt, und namentlich kamen Ueberaus zahlreich die jungen Damen. Beredt und gelehrt fließt’s von seinem Munde – Er philosophirt schon fast eine Stunde. Es war so andächtig still im Saal’, Als schliefen die Gören allzumal. Noch dreißig Minuten, dann ist er zu Ende, Und alle klatschen in die Hände: „Wie interessant!“ – „Wie hörenswerth!“ „Wie formvollendet!“ – „Wie gelehrt!“ „Nun Martha, wie gefiel es Dir?“ – „O, wunderherrlich gefiel es mir! 1
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Aktuelle Übersicht:

Vorspann: S. 1f.

Strafen: S. 2-4

Berühmte Studenten: S. 5-12

Berühmte Dozenten: S. 12-19

Kriegskapitel: 20-22

Jubiläumskapitel: S. 23-27

Burschenschaften: 27-29

Studentische Ausflüge in die Bonner Umgebung: 30-37

Reste: 38-

Anschläge: 162.000

Altes Buch (80 Seiten): 129.000 (33.000 – ca. 18 Seiten)

Fliegende Blätter Nr. 2665 Quelle fehltIn der VorlesungProfessor Udo aus Bonn hält heut’Einen Vortrag über Unsterblichkeit.Der Saal ist gefüllt, und namentlich kamenUeberaus zahlreich die jungen Damen.Beredt und gelehrt fließt’s von seinem Munde –Er philosophirt schon fast eine Stunde.Es war so andächtig still im Saal’,Als schliefen die Gören allzumal.Noch dreißig Minuten, dann ist er zu Ende,Und alle klatschen in die Hände:„Wie interessant!“ – „Wie hörenswerth!“„Wie formvollendet!“ – „Wie gelehrt!“„Nun Martha, wie gefiel es Dir?“ – „O, wunderherrlich gefiel es mir!Die Augen, diese Augen, die blauen,Ich konnte mich nicht satt d’ran schauen!Der prächt´ge Bart, das Lockenhaar,Dazu das blaue Augenpaar – Der schönste Mann, den ich geseh’n!Der Vortrag war heut’ wunderschön!“

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Chronik der Universität Bonn für das Studienjahr 1883/84 [Auszug]:

Besucht wurde die Universität im Wintersemester von 1046 immatrikulirten Studirenden und 75 Hospitanten, zusamen von 1121 Hörern; im Sommersemester von 1207 Studirenden und 40 Hospitanten, zusammen von 1247 Hörern. - Preise für die Bearbeitung der Preisaufgaben erhielten: stud. theol. cath. Jos. Pauen aus Fischeln, stud. med. Franz Lüssem aus Gr. Bernich, stud. phil. Siegfried Sudhaus aus Treptow a. d. Rega, stud. math. Karl Dittmar aus Thalhausen, cand. phil. Dr. Alb. Zacher aus Bonn, stud chem. Jos. Klein aus Bonn, stud. phil. Paul Wendland aus Berlin, stud. phil. Walter Fuchs aus Neuwied. Im Laufe des verflossenen Studienjahres ist die Aptirung und Erweiterung des alten Anatomiegebäudes im Hofgarten zur Aufnahme des akademischen Kunstmuseums vollendet, so daß gegenwärtig die Uebersiedlung der Sammlung in das neue Gebäude stattfindet und nahezu beendet ist. Es erübrigt jetzt noch die gartenmäßige Anlage der Umgebung des neuen Kunstmuseums. Der seit dem Oktober v. J. leer gewordene klinische Flügel des Universitätsgebäudes wird zu einem physikalischen Institut umgebaut, welches mit dem Sommersemester 1885 seine Thätigkeit wird beginnen können. Der Ausbau der Obduktionshauses nebst Leichenkapelle auf dem klinischen Bauplatze zu einem vollständigen pathologischen Institut ist begonnen worden.

Quelle: Akademische Monatshefte. Organ der Deutschen Corpsstudenten. Herausgegeben von Dr. Paul von Salbiberg. I. Jahrgang 1884/1885. Stuttgart. 1885.

Strafen

Es war damals in Bonn wie in allen rheinischen Städten für alle Wirthschaften, also auch für die Studentenkneipen der Schluß der Wirthschaft auf 11 Uhr Abends polizeilich bes-timmt. In den von Studenten ausschließlich besuchten Localen übten die 3 Pedelle, der lange Krüger, der feinere Odenkirchen und der sanfte Baude die abendliche Controle in durchaus höflicher Weise mit einem freundlichen „Guten Abend“ und der Weisung: „es ist Polizeistunde.“ In der darauf folgenden Viertelstunde waren denn auch der Regel nach die Kneipen geleert, denn die „Pyramide“ mit ihrem Ulk durfte nicht verpaßt werden. Wenn trotzdem bei dem wiederholten Besuch des Pedellsdennoch Nachzügler in der Kneipe saßen und dann nicht sofort sich entfernten, dann gab es Protokolle und Geldstrafen durch den gestrengen Universitätsrichter von Salomon, dem passiven Urbild des welt-berühmt gewordnen „Salamanders“. Die Pedelle hatten die Exekution der akademischen Strafbefehle und bezogen dafür ihre Sporteln. Machten sich einzelne Individuen durch besondre Excesse und Zuwiderhandlungen bemerklich, so gab es statt Geldbußen Carcerstrafen, die als fideles Gefängniß in den schön gelegenen südlichen Räumen der zweiten Etage des Coblenzer Thors unter der Aegide des dritten Pedells Baude abge-sessen wurden. Ich sage: fideles Gefängniß, denn den Inhaftirten war der Empfang des fast nie fehlenden Besuches bei Wein und Bier und Kartenspiel gestattet, und zuweilen ging es dabei hoch her, so daß die beträchtlichen Bewirthungskosten, verbunden mit den

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Verpflegungs- und Bedienungskosten seitens der Ehefrau Baude, eine bedeutende Auszehrung des mit inhaftirten Monatswechsels im Gefolge hatten; dazu kamen noch be-trächtliche Nebenausgaben für das aus einem nahen Gasthof geholte Mittagessen und für Herbeischaffung des einem anständigen Menschen nothwendigen Bettwerks auf der harten und wenig einladenden Matratze. Wenn man sich gut mit seinen Hausleuten stand und diese besonders honorirte, konnte man auch das eigene Bettzeug mit Decken und Kissen herbeischaffen lassen.Die Carcerstrafen waren also wesentlich Strafen für den elterlichen Geldbeutel. Damals bestand noch für die Studenten die (nun auch aufgehobene) besondere akademische Gerichtsbarkeit, die sich nicht allein auf Disciplinarsachen, sondern auch auf leichtere, sonst vor den ordentlichen Richter gehörende Vergehen und Schuldsachen erstreckte. In den gewöhnlichen Disciplinarsachen urtheilte der Universitätsrichter als Einzelrichter; in allen wichtigen Fällen, wo Carcerstrafen oder gar Relegirung vorgesehen war, bestand das Gericht aus den Mitgliedern des Senats, dem der Universitätsrichter, zugleich Unter-suchungsrichter und Referent, mit oft entscheidender Stimme angehörte. […]

Quelle: Schorn, Karl: „Lebenserinnerungen. Ein Beitrag zur Geschichte des Rheinlands im neunzehnten Jahrhundert.“. Erster Band. Bonn 1898, S. 53-63, 66-68, 70, 71 und 73.

Richter der Universität

Auszüge aus den Akten des Universitätsrichters der Rheinischen-Friederich-Wilhelms-Universität Bonn

Anzeige gegen den Studenten Gustav Adolph M. wegen verbotener Hochrufe auf den Exkaiser Napoleon Bonaparte in der Wirtsstube der Erben Mertens (1820)

Entwendung eines Vogels aus dem naturhistorischen Museum zu Poppelsdorf von den Studenten G. und P. (1820)

Eigenmächtiges Eindringen in den Botanischen Garten durch die St[udenten] v. A. und K. (1821)

Exzesse in Poppelsdorf und Beleidigung des dortigen Polizeidieners [?] durch die Studenten Gustav S., Karlernst von B., Carl Moritz A, Wilhelm D., August N. und Albert M. (1821)

Scharren und Rufen in der Vorlesung des Prof. Freudenfeld der Studenten Bogislav Leopold C., Friedrich R., Kurt R. und Friedrich G. (1821)

Anzeige gegen den Studenten P., der mit brennender Pfeife auf dem Fechtboden erschien (1822)

Beschädigung der Häuser des Doktor Velten und der Frau Comitti bei einem Fackelzug der Studenten [?] (1822)

Verruf gegen den Bürger N., Rheingasse Nr. 885 und den Wirth N.

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Enthält nur: Nachricht an jeden Studenten des erklärten perpetuellen Verschiß [Ehrlos-Erklärung] gegen N. und den Wirth N. (1822)Acta betreffend den St[udiosus] med. Clemens August A. aus Aachen wegen Beleidigung des Professors Bischof durch ein unanständiges Schreiben (1822-1823)

Heimlicher Aufenthalt des Studenten W. bei der Witwe Schrick (1823)

Nächtliches Lärmen und Belästigung eines Kutschers durch den Studenten August N. (1823)

Singen auf der Straße nach der PolizeistundeEnthält u.a.: Verurteilung der beiden Studenten zu 48 Stunden Karzerhaft (1823)Tabakrauchen und Hunde im Auditorium des Professors Makeldey. Beleidigung des Pedellen H. betreffend. (1823)

Unbefugtes Eindringen in die Jagd (1823)

Trunkenheit der Studenten Hermann O. aus Elberfeld und [Unleserlich] aus Wetzlar auf dem Markt (1824)

Muthwillige Neckerei und Herausforderung zum Duell durch Friedrich S. aus Wetzlar (1826)

Unfleißiges, Nicht-Besuchen der Vorlesungen und unordentlicher Lebenswandel des Studenten Albert H. aus PotsdamEnthält: Urteil die Stadt verlassen zu müßen (1826)

Richter der Universität – In: Findbuch UR 1 07, Universitätsrichter, Rheinische-Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Archiv (überprüfen)

Jugendsünden

5. Verhängte Strafen; akademische Disziplin.Von der akademischen Behörde wurden bestraft:Im Wintersemester 1890/91

wegen Sachbeschädigung und Verübung groben Unfugs1.stud.med.und 1 stud. philol. mit der Unterschrift des consilii abeundi (Androhung der Entfernung von der Universität). (Beide Studirende waren zuvor wegen derselben Vergehen durch Urtheil der Strafkammer des hiesigen Landgerichts vom 24.October 1890 mit einer Gefänissstrafe von einem Monat und bezw. einer Haftstrafe von drei Wochen belegt worden. Im Wege der Gnade wurden später die gerichtlichen Strafen in je zwei Wochen Haft umgewandelt, die von den Betreffenden im Universitäts-Carcer verbüsst wurden);

wegen unerlaubter Entfernung aus der Universitätsstadt während des Sommersemesters 1889 und infolge davon veranlasster Anmeldung der für jenes Semester belegten Vorlesungen durch einen Dritten, bezw. wegen Besorgung dieser Anmeldung

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2 Studirende der Medicin, und zwar der eine mit Nichtanrechnung des bezeichneten Sommersemesters auf die vorgeschriebene Studienzeit und mit einem Verweise, der andere mit einem Verweise.

Von den ordentlichen Gerichten wurden ferner verurtheilt:Im Sommersemester 1890wegen Verübung groben Unfugs und bezw. wegen leichter vorsätzlicher Körperverletzung3 stud.med., 1 stud. iur., 2 stud. phil.zu Geldstrafen von bezw 230 und 30 M. ev. 26 Tagenund 3 Tagen Haft;

wegen ruhestörenden Lärms1 stud. theol.ev.mit 5 M. Geldstrafe ev. eintägiger Haft;

und wegen Misshandlung1 stud. iur. zu einer dreimonatigen Gefängnissstrafe, welche im Gnadenwege zu einer vierzehntägigen Festungshaft ermässigt wurde.

In: Hüffer, Hermann: Chronik der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Bonn. Für das Rechnungsjahr 1890/91. Bonn 1891, S. 2.

Berühmte Studenten

Heinrich Heine

Da bald darauf eine große Handelskrisis entstand, und wie viele unserer Freunde, auch mein Vater sein Vermögen verlor, da platzte die merkantilische Seifenblase, und schneller und kläglicher als die imperiale, und meine Mutter mußte nun wohl eine andere Laufbahn für mich träumen.Sie meinte jetzt, ich müsse durchaus Jurisprudenz studiren. Sie hatte nämlich bemerkt, wie längst in England, aber auch in Frankreich und im constitutionellen Deutschland der Juristenstand allmächtig sei, und besonders die Advocaten durch die Gewohnheit des öf-fentlichen Vortrags die schwatzenden Hauptrollen spielen und dadurch zu den höchsten Staatsämtern gelangen. Meine Mutter hatte ganz richtig beobachtet. Da eben die neue Universität Bonn errichtet, wo die juristische Fakultät von den berühmtesten Professoren besezt war, schickte mich meine Mutter unverzüglich nach Bonn, wo ich zu Mackelden’s und Welcker’s Füßen saß und die Manna ihres Wissens einschlürfte. [...]Im Jahre (1819) hörte ich zu Bonn in einem und demselben Semester vier Collegien, worin meistens deutliche Antiquitäten aus der blauesten Zeit tractirt wurden, nämlich: 1) Geschichte der deutschen Sprache bei Schlegel, der fast drei Monate lang die barocken Hypothesen über die Abstammung der Deutschen entwickelte, 2) die Germania des Taci -tus bei Arndt, der in den altdeutschen Wäldern jene Tugenden suchte, die er in den Salons der Gegenwart vermißte, 3) Germanisches Staatsrecht bei Hüllmann, dessen historische Ansichten noch am wenigsten vag sind und 4) Deutsche Urgeschichte bei Radloff, der am Ende des Semesters noch nicht weiter gekommen war, als bis zur Zeit des Gesestris. –Ein deutscher Dichter war ehemals ein Mensch, der einen abgeschabten, zerissenen Rock trug, Kindtauf- und Hochzeit- Gedichte für einen Thaler das Stück verfertigte, statt der

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guten Gesellschaft, die ihn abwies, desto bessere Getränke genoß, auch wohl des Abends betrunken in der Gosse lag, zärtlich geküßt von Luna's gefühlvollen Strahlen. Wenn sie alt geworden waren, pflegten diese Menschen noch tiefer in ihr Elend zu versinken, und es war freilich ein Elend ohne Sorge, oder dessen einzige Sorge darin besteht, wo man den meisten Schnaps für das wenigste Geld haben kann.So hatte ich mir einen deutschen Dichter vorgestellt. Wie angenehm verwundert war ich daher Anno 1819, als ich, ein ganz junger Mensch, die Universität Bonn besuchte und dort die Ehre hatte, den Herrn Dichter A. W. Schlegel, das poetische Genie, von Angesicht zu Angesicht zu sehen. Es war, mit Ausnahme des Napoleon, der erste große Mann, den ich damals gesehen, und ich werde nie diesen erhabenen Anblick vergessen. Noch heute fühle ich den heiligen Schauer, der durch meine Seele zog, wenn ich vor seinem Katheder stand und ihn sprechen hörte. [...]Ich trug damals einen weißen Flauschrock, eine rothe Mütze, lange, blonde Haare und feine Handschuhe. Herr A. W. Schlegel trug aber Glacéhandschuhe und war noch ganz nach der neuesten Pariser Mode gekleidet; er war ganz parfümirt von guter Gesellschaft und eau de mille fleurs; er war die Zierlichkeit und Eleganz selbst, und wenn er vom Großkanzler von England sprach, setzte er hinzu „mein Freund“, und neben ihm stand sein Bedienter in der freiherrlichst Schlegel'schen Hauslivree und putzte die Wachslichter, die auf silbernen Armleuchtern brannten und nebst einem Glase Zuckerwasser vor dem Wundermanne auf dem Katheder standen.Livreebedienter! Wachslichter! Silberne Arm-leuchter! Mein Freund, der Großkanzler von England! Glacéhandschuhe! Zuckerwasser! Welche unerhörte Dinge im Collegium eines deutschen Professors! Dieser Glanz blendete und junge Leute nicht wenig, und mich besonders, und ich machte auf Herrn Schlegel damals drei Oden ...Ueber mein Verhältnis mit Schlegel könnte ich Dir viel Erfreuliches schreiben. Mit meinen Poesien war er sehr zufrieden und über die Originalität derselben fast freudig erstaunt. Ich bin zu eitel, um mich hierüber zu wundern... Je öfter ich zu ihm komme, desto mehr finde ich, welch ein großer Kopf er ist [...]

Quelle: Karpeles, Gustav (Hrsg.): Heinrich Heine’s Autobiographie. Nach seinen Werken, Briefen und Gesprächen. Berlin 1888. S. 95-96; S; 98.

Karl Marx

Karl Marx‘ Eltern an ihren Sohn Karl in Bonn Trier, den 18. bis 29. November 1835

Lieber Karl![…]Dein Schreiben, das mit Noth lesbar war, hat mir viel Freude gemacht. Zwar hege ich keine Zweifel über Deinen guten Willen, Deinen Fleiß, auch nicht in Beziehung auf Deinen festen Vorsatz was Tüchtiges zu thun. Indessen freut es mich, daß der Anfang Dir angenehm und leicht ist, und daß Du Deinem Berufsfache Geschmack abgewinnst.9 Collegien scheint mir etwas viel, und ich wünsche nicht, daß Du mehr thust als Körper und Geist vertragen können. Wenn Du indessen keine Schwierigkeit dabey findest, so [mag] es gut seyn. Das Feld des Wissens ist unermeßlich, und die Zeit kurz. Du wirst mir wohl im nächsten Schreiebn etwas mehr und näher ausführlich Beri[ch]t erstatten. Du weist wie sehr mich alles interssirt, was Dir nahe angeht.

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Bey den juristischen Kollegien darfst Du nicht forde[rn] schmelzend und poetisch sey. Der Stof erlaubt es nicht […] Dichtung, wirst Du Dich wohl bequemen müssen, und sey […] des tiefsten Denkens werth zu finden. Entschuldige […] Fächer.Was soll ich Dir nun weiter sagen? Dir predigen? Um […] wohl sagen, was Du nicht weist? Obschon genug von d[…] Natur Dich so ausgestattet, daß wenn Du wahrhaft der […] Dein heller Verstand, Dein reines Gefühl, Dein unverdorben […] unterrichten, um vom guten Wege nicht abzukommen […] und was ich wünsche, weist Du recht gut.Ich will nun […] einholst, was ich bey weniger günstigen Umständen[…]// nicht erreichen konnte. Ich wünsche Die das zu sehn was vielleicht aus mir geworden wäre, wenn ich unter eben so günstigen Auspizien die Welt erblickt hätte. Meine schönsten Hoffnungen kannst Du erfüllen und zerstören. Es ist vielleicht unrecht und unklug zugleich, auf einen Menschen seine schönsten Hoffnungen zu bauen, und so seine eigene Ruhe vielleicht zu untergraben. Doch wer anderst als die Natur kann dafür, daß die auch sonst nicht so schwachen Männer dennoch schwache Väter sind?[…]Und so lieber guter Karl, lebe denn recht wohl, und wenn Du Deinem Geiste recht kräftige und gesunde Nahrung gibst, vergesse nicht daß der Körperauf dieser erbärmlichen Erde dessen steter Begleiter ist, und das Wohlbehagen der ganzen Maschine bedingt. Ein siecher Gelehrter ist das unglücklichste Wesen aus Erden. Studire daher nicht mehr, als Deiner Gesundheit zuträglich ist. Dazu tägliche Bewegung und Enthaltsamkeit, und ich hoffe Dich jedesmal gestärkter an Geist und Körper zu umarmen.

Trier, den 18. November 1835

Dein treuer Vater Marx

[…]

Quelle: Marx, Heinrich: Karl Marx‘ Eltern an ihren Sohn Karl in Bonn. In: Schöncke, Bernd/Marx-Engels-Stiftung e.V. (Hrsg.): Karl und Heinrich Marx und ihre Geschwister. Lebenszeugnisse-Briefe-Dokumente. Bonn 1993. S. 232-234.

Heinrich Marx an Karl Marx in Bonn,Trier, Mai – Juni 1836

/ Lieber Karl!Dein Schreiben das ich erst den 7ten erhielt hat mich in dem Glauben an der Aufrichtigkeit, Offenheit und Biederkeit Deines Karackters bestärkt, was mir mehr als das Geld am Herzen liegt, und deswegen wollen wir auch weiter davon nicht sprechen. Du erhältst hier 100 Thaler, und wirst, wenn Du es forderst, das Fernere erhalten. Du wirst übrigens wohl etwas klüger werden und auch nach dem Niedern streben müssen, denn dieses Niedere macht, weis Gott, trotz aller Phillosophey, vielen graue Haare. Und ist denn das Duelliren so sehr mit der Phillosophie verwebt? Es ist Achtung ja Furcht vor der Meinung, und welcher Meinung? Nicht grade immer der Besseren, und doch!!! So wenig ist überall im Menschen Consequenz - Lasse diese Neigung und wenn auch nicht Neigung diese Sucht nicht Wurzel greifen. Du könntest am Ende Dir und Deinen Eltern die schönsten Lebenshoffnungen rauben. Ich glaube daß ein vernünftiger Mann sich leicht und mit Anstand darüber hinwegsetzen kann, tout en imposant ----.

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[…]Lebe wohl lieber Karl, bleibe immer offen und treu sehe immer in Deinem Vater Deinen ersten Freund, und in Deiner guten Mutter die ersten Freundin. Ich konnte ihr nichts verschweigen, weil sie sonst über Dein langes Stillschweigen ängstlich gewesen wäre. Sie ist ökonomisch, aber bey ihr ist die Liebe das Lebenprincip, und diesem steht alles nach. Es umarmt Dich von Herzen

Dein teuer Vater Marx

[…]Ich konnte in dem Augenblicke nicht mehr schicken. In ersten Tagen wirst Du wahrscheinlich durch Rabe 20 Thl. erhalten ----

Quelle: Marx, Heinrich: Heinrich Marx an Karl Marx in Bonn. In: Schöncke, Manfred/Marx-Engels-Stiftung e.V. (Hrsg.): Karl und Heinrich Marx und ihre Geschwister. Lebenszeugnisse-Briefe-Dokumente. Bonn 1993. S. 240-241.

Teurer Vater! Berlin, den 10ten November [1837][…]Als ich Euch verließ, war eine neue Welt für mich entstanden, die der Liebe, und zwar im Beginne sehnsuchtstrunkner, hoffnungsleerer Liebe. Selbst die Reise nach Berlin, die mich sonst im höchsten Grade entzückt, zur Naturanschauung aufgeregt, zur Lebenslust entflammt hätte, ließ mich kalt, ja sie verstimmte mich auffallend, denn die Felsen, die ich sah, waren nicht schroffer, nicht kecker als die Empfindungen meiner Seele, die breiten Städte nicht lebendiger als mein Blut, die Wirtshaustafeln nicht überladener, unverdaulicher als die Phantasiepakete, die ich trug, und endlich die Kunst nicht so schön als Jenny.In Berlin angekommen, brach ich alle bis dahin bestandenen Verbindungen ab, machte mit Unlust seltene Besuche und suchte in Wissenschaft und Kunst zu versinken.[…]Nun durfte und sollte die Poesie nur Begleitung sein; ich mußte Jurisprudenz studieren und fühlte vor allem den Drang, mit der Philosophie zu ringen. […]Dein dich ewig liebender Sohn Karl

Quelle: Marx, Karl: An den Vater in Trier. In: Padover, Saul K. (Hrsg.): Karl Marx in seinen Briefen. München 1981. S. 18-27.

Paul Deussen

Deussen, Paul: Erinnerungen an Friedrich Nietzsche. Leipzig 1901, S. 15 f.; 18; 19; 20, 21; 22, 23; 24

Paul Deussen - Das Bonner Studienjahr 1864-1865Der 7. September 1864 war der große Tag, wo wir, enger als je verbündet, aus der stillen klösterlichen Zucht in die weite, weite Welt traten. Es war uns zuerst wie den Träumenden, und es dauerte geraume Zeit, bis wir uns an das neue Lebenselement gewöhnten. Unsr Entschluß war, die Mulusferien zusammen teils in Naumburg, teil bei meinen Eltern und Verwandten am Rhein zu verbringen und dann zusammen in Bonn zu studieren. […]

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Nachdem Nietzsches Ausrüstung zur Universität von Mutter und Schwester bis ins Kleinste vollendet war, traten wir die Reise nach Westen an […]. Unsere erste Sorge war um eine Wohnung. Ursprünglich beabsichtigten wir, ein größeres Zimmer gemeinsam zu bewohnen, standen aber davon ab, als sich herausstellte, daß ein solcher Salon teurer als zwei einzelne Zimmer sein würde. Wir hatten aber beide Grund, unsere Mittel zu Rate zu halten. Mir konnten meine Eltern nur 20 Thaler monatlich geben, während bei Nietzsche, der sein Erbteil von väterlicher Seite zum Studium verwendete, die Hoffnung bestand, daß er monatlich mit 25 Thalern auskommen würde. In der Regel war das wohl nicht möglich, und dann klagte er in Briefen an seine Mutter, daß das Geld immer so leicht weglaufe, wahrscheinlich weil es so rund sei.Wir mieteten also zwei einzelne „Buden“, wie der Studentenausdruck ist. Die meine lag in der Hospitalgasse, während die Nietzsches an ihrer Einmündung in die Bonngasse lag. Gegenüber ragte der Turm einer Kirche hervor, und Nietzsche besprach öfter mit mir den Plan, sich oben hoch bei dem Türmer einzumieten, um dem Lärm des Straßenlebens ferner zu sein. In Nietzsches Haus, beim Drechsler Oldag, hatten wir auch unsern Mittagstisch. Eine anmutige Verwandte des Hauses, Fräulein Mariechen, bediente uns und setzte sich öfter zu uns. Sie hatte ein rheinländisch freies, aber darum nicht ungesittetes Wesen, und es ist zu keiner nähern Beziehung zu ihr gekommen. In den nächsten Tagen ließen wir uns immatrikulieren, beide zunächst in der theologischen Fakultät. Aus ihr ging Nietzsche schon nach einem Semester, ich erst nach vier Semestern, zum Verdruß meiner Eltern, in die philosophische Fakultät über. Doch dies hing mit äußeren Verhältnissen zusammen. Unser eigentliches Studium war von vornherein klassische Philologie; Ritschl und Jahn waren die Koryphäen, die uns nach Bonn gezogen hatten. An beide, wie auch an Schaarschmidt, hatten wir von Pforta gemeinsame Empfehlungen. Wir erschienen bei Jahn. Er las den Brief und sagte treuherzig aber kurz: „Wenn ich Ihnen irgend nützlich sein kann, so wenden Sie sich nur an mich“. Wir kamen zu Ritschl, in dessen Haus ein fortwährendes Kommen und Gehen und kurzes Abfertigen der Studenten stattfand. Er riß den Brief eilfertig auf: „Ach, mein alter Freund Niese! Was macht der denn? Geht es ihm gut? Also Deussen ist Ihr Name. Nun, besuchen Sie mich recht bald wieder.“ Nietzsche stand betroffen und konnte sich nicht enthalten, zu bemerken, daß auch von ihm in dem Briefe die Rede sei. „Ach ja wohl“, rief Ritschl, „es sind ja zwei Namen, Deussen und Nietzsche. Freut mich, freut mich. Nun, meine Herren, besuchen Sie mich recht bald wieder.“ Diese Aufnahme unserer Empfehlungsbriefe war nicht sehr ermutigend, und da Schaarschmidt nicht zu Hause war, so ließen wir unsern Empfehlungsbrief bei ihm und dachten nicht weiter an die Sache. […]Überwiegend fühlte sich Nietzsche in diesem ersten Studienjahr von den griechischen Lyrikern angezogen. Während ich sehr viel Zeit mit dem Sanskrit verthat, wählte er immer kleine Gegenstände, zeigte sich aber in diesen sogleich produktiv. Ein Lieblingsthema war das Danaelied des Simonides, dessen kritische Behandlung ihn lange beschäftigte. Daneben arbeitete er seinen Theognis für eine Seminararbeit um, interessierte sich schon für Homer, Sokrates, Diogenes Laertius, und während es mein Bestreben damals war, die Dichter und Denker zu genießen und in ihrem Genusse auszuruhen, fand er keine Befriedigung, wo er nicht produktiv sein konnte. [...]Der pedantische Unterricht, den uns in Kapiteln und Paragraphen der Fuchsmajor über die trivialsten Dinge erteilte, erschien uns lächerlich, und wenn wir fast alle Sonnabende die Vorlesungen, mochten sie auch noch so interessant sein, schwänzen mußten, um in einer abgelegenen Scheune außerhalb der Stadt zuzusehen, wie Franconen und Alemannen sich die Gesichter zerhackten, so konnten wir auch daran kein Wohlgefallen finden. Natürlich wurde der Paukboden eifrig besucht; auch Nietzsche übte sich so gut er konnte und es gelang ihm denn auch, eine Forderung zum Duell zu erhalten. Die Art, wie er sich dabei benahm, war originell genug. „Ich ging gestern“, so erzählte er mir am folgenden Tage, „nach dem Kneipabend auf dem Markte spazieren. Ein Alemanne gesellte sich zu

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mir; wir hatten ein sehr animiertes Gespräch über allerlei Gegenstände der Kunst und Litteratur, und beim Abschied bat ich dann aufs höflichste, doch mit mir „hängen“ zu wollen. Er sagte zu, und nächstens werden wir miteinander losgehen.“Mit etwas bänglichen Gefühlen sah ich den Tag herannahen, an welchem unser Freund, der nicht nur wie Hamlet durch einen Lesefehler (fat für hot), sondern in Wirklichkeit etwas korpulent und dabei sehr kurzsichtig war, ein seinen Anlagen so wenig angemessenes Abenteuer bestehen sollte. Die Klingen wurden gebunden, und die scharfen Rapiere blitzten um die entblößten Köpfe. Es dauerte kaum drei Minuten, und es gelang dem Gegner, Nietzschen eine Tiefquart quer über den Nasenrücken zu applizieren, gerade an der Stelle, wo ein zu stark drückender Kneifer einen roten Eindruck zu hinterlassen pflegt. Das Blut tropfte zur Erde und wurde von den Sachverständigen für eine hinreichende Sühne alles Vergangenen befunden. Ich packte meinen wohlverbundenen Freund in einen Wagen, legte ihn zu Hause ins Bett, kühlte fleißig, verweigerte Besuche und Alkohol, und in zwei bis drei Tagen war unser Held wieder hergestellt bis auf eine kleine Narbe quer über dem Nasenrücken, die er zeitlebens behalten hat, und die ihm nicht übel stand. So ließen wir uns eine Zeit lang das mehr excentrische als geistreiche Treiben unserer Verbindungsbrüder gefallen. Charakteristisch, mehr für das, was wir galten, als für das, was wir waren, sind die auf uns gemünzten Verse des Nationallides der Franconia, welches bei jeder Gelegenheit abgesungen wurde. Nietzsche hieß mit seinem Kneipnamen „Gluck“, mich pflegten sie „Meister“ zu nennen. Unsere Verse lauteten:

Tragödien und Romanzen, dran er sich sehr ergötzt,Hat Gluck viel komponieret und in Musik gesetzt.Kommt abends er nach Hause, küßt ihn ein roter Mund;Vor lauter Thee und Zuckerwerk kommt er noch auf den Hund.Und mit heirassassa die Franconen sind d,Die Franconen sind lusig, sie rufen hurrah!

Poussierend seine Nase sitzt Meister still zu Haus,Ochst siebenundzwanzig Sprachen, raucht siebzehn Pfeifen aus.Wenn er sich mal bekneipt hat, und man ihn redet an,Antwortet er auf Griechisch, der grundgelehrte Mann.Und mit heirassassa die Franconen sind da,Die Franconen sind lustig, sie rufen hurrah!

Die Bemerkung über Thee und Zuckerwerk war nicht unrichtig. Nietzsche liebte Süßigkeiten sehr und ließ sich oft dergelcihen geben, während ich meine Zigarette rauchte. Schwerzweise pflegten wir darüber zu streiten, welcher von uns bei seiner Weise billiger fortkomme. Was aber das erwähnte Küssen des roten Mundes betrifft, so habe ich nie bemerkt, daß Nietzsche zu dergleichen neigte. [...]Unsere Verbindung mit der Franconia war nicht von Dauer. Ich selbst trat auf dringlichen Wunsch meiner Eltern aus und wurde als beliebter Gesellschafter zum Konkneipanten ernannt, eine Vergünstigung, von der ich sehr wenig Gebrauch gemacht habe. Nietzsche verließ Bonn im August 1865, ohne dies der Verbindung auch nur anzuzeigen oder die Insignien zurückzuschicken. Er wurde infolgedessen dimittiert und ertrug dieses Schicksal mit der größten Gelassenheit.

Klara-Marie Fassbinder. Alma Mater Bonnensis1908 wurden Preußens Universitäten für das Frauenstudium geöffnet. Auf dem Umweg über einen Sonderkurs kam ich nach mittelmäßigen Versuchen in Schulen zu Darmstadt und Bonn endlich zu diesem Ziel. […]

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März 1913 war es so weit. Abitur als Externe am Realgymnasium zu Münster. […] Das Zeugnis wies zwei Genügend auf, dreieinhalb Sehr gut (Deutsch, Religion, Geschichte, Latein schriftlich) und sonst alles gut. Mein Vater strahlte. Er sah seine Opfer belohnt und ließ mich mit Freuden zur Uni ziehen. Natürlich Bonn, die Heimatuniversität, an der schon meine beiden Brüder ihre Staatsexamen gemacht hatten […]. Wie war mir zumute, als ich Ostern 1913 die Uni bezog? Gemischt. Es lagen innerlich schwere Jahre hinter mir, und das Leben sah mich keineswegs freudig an. Andererseits brannte der Hunger nach dem Licht des Wissens, der Erkenntnis in mir. Seit Darmstadt hatte ich eine hohe Meinung von einer Universität, so ungefähr wie Mephisto sie dem Schüler hinstellt, die „Hohe Mutter“, die ihr Kindlein mit der Weisheit ernährt. Welche Enttäuschung, die meisten Vorlesungen des ersten Semesters! Die Uni erschien mir wie eine Wüste, die man halt durchwandern mußte, hinter der sich endlich doch das fruchtbare Land auftun würde.Und es tat sich auf, ganz unerwartet.[…] das Latein schien nicht die letzte erkennbare Stufe zu sein, denn ein paar Mal hatte uns Hanns Heiss auf eine andere Vorlesung hingewiesen: Rudolf Thurneysen, „Elemente der Sprachwissenschaft“. Der Titel hatte mich nicht gereizt. Es schien mir so eine Art Grammatik trockenen Stils zu sein. Aber schließlich entschloß ich mich seufzend doch hinzugehen. – Und damit begann einer der gesegnetsten Abschnitte meines Lebens. […] Was er in diesen Stunden vortrug, war überraschend: wie die Griechen nach und nach die Grammatik entdeckten; die verschiedenen Wortarten, die Deklination, die Konjugation, die Steigerung, Indikativ und Subjunktiv. – Das waren natürlich alles längst bekannte Begriffe. Aber daß man nie darüber nachgedacht hatte, wie die Menschen darauf gekommen waren, sie zu untersuchen innerhalb der Sprache! Die Sprache als vornehmstes Ausdrucksmittel des menschlichen Geistes, die Unterscheidungslinie zwischen ihm und dem Tier. […] Es war mir wirklich, als ob die Schöpfung vor meinen Augen Stück um Stück zusammengefügt würde, bis sie in ihrer Herrlichkeit da stand! Der Entdeckung der Wörter, der Worte, folgten andere Kapitel, die Entdeckung der indogermanischen Sprachfamilie durch den Bonner Professor Franz Bopp, nachdem Herder schon Vorarbeit geleistet hatte. […] Es blieb nicht bei dieser Vorlesung. Im kommenden Semester nahm ich bei Thurneysen mit, was möglich war. […] So manche Enttäuschung mir Vorlesungen oder Übungen gaben, in denen nie der „Funke“ aufglühte, so hat diese eine Vorlesung mir auf immer etwas gegeben, was ich nie durch Selbststudium erfahren hätte. Oder doch? […] In den Jahren vorher hatte ich Wilhelm Raabe kennengelernt und fand bei ihm ein Wort, das mir den Unterschied von Mann und Frau recht eigentlich zu bezeichnen schien. „Der Männer Herz muß bluten um das Licht. Aber der Frauen Herz muß bluten um die Liebe.“ – So war es durch endlose Zeiträume gewesen. Nun hatten sich die Frauen aufgemacht. Sie waren in das Reich der Männer eingedrungen, nun mußte auch ihr Herz nicht nur bluten um die Liebe, sondern auch um das Licht, um die Erkenntnis, um die Wahrheit. Aber damals war es mir für eine kurze Weile geschenkt, daß mir das Licht des Geistes nur eine tröstende und beglückende Leuchte war. Oder hing es doch nicht allein am Lehrstoff, den ich aufnahm wie ein ausgetrockneter Schwamm das Wasser? Lag es an dem Lehrer, der mir diese Welt erschloß, daß sie mir so farbig, so leuchtend erschien?[…] Als wir in unserem Verein „Hochwart“ Stiftungsfest feierten und jede überlegte, welche Professoren man zur Erhöhung des Glanzes einladen könnte, wurde mir der Auftrag gegeben, zu Thurneysen zu gehen. Das nahm ich mit Freuden an. Das Herz klopfte mir doch, als ich in Colmantstraße 24 die Glocke zog. […] Mit klopfendem Herzen stieg ich die

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wenigen Stufen hinauf, die beide Räume verbanden. Wie oft bin ich sie in den folgenden Jahren hinauf- und nie ungetröstet und ungestärkt hinuntergegangen! Das erste Mal bekam ich freilich einen Korb. Es ginge leider nicht, da er sonst zu viele solcher Einladungen annehmen müsse […]. Bei meinem ersten Besuch ahnte ich freilich nicht, was für eine internationale Berühmtheit ich vor mir hatte, daß sein Name in der ganzen linguistischen, keltischen und romanistischen Forschung höchsten Rang hatte. Er selbst hätte nie etwas davon verlauten lassen. Er sah wohl meine Enttäuschung und fragte, ob ich Zeit hätte und zum Tee dableiben wolle. […] Übrigens habe ich nachher bei meiner mündlichen Doktorprüfung, für die damals noch zwei Nebenfächer gefordert wurden, Linguistik als Fach angegeben, und so waren die Stunden und Übungen bei Thurneysen auch institutionell nicht verloren. Dennoch war das Wissenschaftliche nicht das Wesentliche. Es war die Persönlichkeit des Lehrenden, die sich auch bei solch trockenem Stoff nicht verleugnete, allein in der Art, wie er mit den Studenten umging – ich war beinahe jedesmal die einzige Frau -, in der Art, wie er den Schwächeren half, ohne es offen zu zeigen. […] Geistige Auseinandersetzungen, die Einordnung meines Kinderglaubens in die Wirklichkeit der Welt. Nicht um den Übereinklang mit den Naturwissenschaften. Im Grunde habe ich nie begriffen, wie man die Entdeckungen auf diesem Gebiet als ein Hindernis für Gottesglauben und Offenbarung ansieht, und bin bis zum heutigen Tag darüber verwundert. Im unendlichen Gott und Christus hatte für mich alles Geschaffene, alle Erfindungen und Entdeckungen Platz. […] Was mir zu schaffen machte, war die Unvollkommenheit dieser gottgeschaffenen Welt. Die Gleichnisse und Bilder Platons hatten mir in gewissem Sinne den Schlüssel dazu gegeben, aber ich wußte doch, daß es nur Bilder und Gleichnisse waren. Und wenn – warum hatten die Menschen die Freiheit, Böses zu tun? Warum waren sie so unvollkommen? Warum war man selbst so unvollkommen trotz allen Mühens? […] Mit all dem ging ich hinauf in das helle Zimmer in der Colmantstraße. Manchmal mit einer konkreten wissenschaftlichen Frage, manchmal nur aus dem verzweifelten Gefühl des Preisgegebenseins. […] Ich habe mich oft gefragt, was aus mir geworden wäre, wenn ich damals nicht diesem Menschen begegnet wäre, der mich verstand, ohne daß ich sprach. […] In dem Maße, wie der Krieg fortschritt, wurden unsere Gespräche ernster. Als ich ihm im Mai 1918, ein Jahr nach dem Staatsexamen, meinen Entschluß mitteilte, ins Feld zu gehen, war er merkwürdig schweigsam. […] Ich: „Aber ich gehe ja nicht zum Es=gut=Haben hinaus, ich möchte doch helfen.“ […] Nach dem unglücklichen Kriegsende war ich das ganze Jahr 1919 in Bonn, Referendarjahr, Promotion. Und natürlich nicht nur aus wissenschaftlichem Interesse oft bei Thurneysens. […] Meine Arbeit für die deutsch=französische Annäherung sah er mit größter Freude. […] Auch meine Arbeit für den Frieden begrüßte er, wenn er auch nicht so zuversichtlich wie ich glaubte, daß in einer Generation kein Krieg mehr kommen könne […]. „Wissen Sie, die Menschen lassen sich halt nicht immer von der Vernunft leiten. Auch nicht die Staatsmänner.“ […] Hitler gegenüber hatte er, vielleicht aus dieser Einstellung heraus, früh ein großes Mißtrauen […]. […] Immerhin war ich fünfzig, also nicht mehr so ganz jung. – Allzeit hatte er meine Schriftstellerei mit Interesse verfolgt. Er sprach also von meinem letzten Buch, der volkstümlichen Kirchengeschichte „Die Stadt auf dem Berge“. Im Frühjahr war sie herausgekommen in einer kleinen Auflage, denn mitten im Druck hatte man dem Verleger Albert Angerer, Waldsassen, das Papier entzogen. Auch eine Art der Zensur! […] Die Nazizeit verhinderte jede Besprechung des Buches in der Presse. […] Als sein Nachdruck fertig war, hatte ich durch meine Friedensarbeit meinen „guten Ruf“ verdorben. […] Die Verse mögen folgen, in denen sich alles verdichtete, als ich nach dem

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Staatsexamen im Februar 1917 Bonn verließ und nicht wußte, ob ich noch einmal anders als zum flüchtigen Besuch dorthin zurückkehren würde… Alma Mater Bonnensis – mit unauslöschlichem Dank denke ich an dich zurück! […]

Quelle: Fassbinder, Klara-Marie: Begegnungen und Entscheidungen. Blätter aus einem Lebensbuch. Darmstadt 1961. S.31-41.

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Berühmte Dozenten

August Wilhelm von Schlegel an Karl Vom Stein Zum Altenstein

Hochgeborener Freiherr! Hochzuverehrender Herr Staatsminister!Ew. Excellenz habe ich die Ehre, ohne Säumnis den Empfang Ihres verehrten Schreibens vom 19. Juli zu melden, und Ihnen meinen ehrerbietigsten Dank für die darin ausgedrück-ten gnädigen Gesinnungen abzustatten. Ich schätze mich glücklich in der Aussicht, unter der Leitung eines so erleuchteten Ken-ners und Beförderers ächter Geistesbildung und gründlicher Wissenschaft, als die öf-fentliche Stimme in Ew. Excellenz verehrt, bei einer ausgezeichneten Lehranstalt mitzuwirken, und ich sehe mit Verlangen dem Augenblick entgegen, wo ich Ihnen werde persönlich aufwarten können, um in jeder Äußerung Ew. Excellenz fruchtbare Winke für meinen neuen Beruf zu vernehmen. Wiewohl der Ruf, dessen amtliche Ausfertigung Ew. Excellenz die Gnade haben mir im voraus anzukündigen, auf Berlin lautet, welches auch für mich das wünschenswerteste ist, so bin ich doch immer bereit, falls es zweckmäßig befunden werden sollte, dem früher geäußerten Wunsche Sr. Durchlaucht des Fürsten-Staatskanzlers gemäß, eine Reihe von Vorlesungen in Bonn zu halten. Meine Bedenklichkeiten in Absicht auf die letztgenannte Universität betrafen nur den Mangel an gelehrten Hülfsmitteln. Aber wie ich höre, trifft die Königlich Preußische Regierung entscheidende Maßregeln, um diesem so schnell als möglich abzuhelfen; und wenn auf das Ansuchen der Lehrer nur solche unentbehrliche Hauptwerke, die im Buchhandel zu haben sind, angeschafft werden, so sind jene Beden-klichkeiten schon in gewissem Grade gehoben. Vielleicht wäre es sogar vorteilhaft für meinen Antritt in Berlin, wenn ich zuvörderst an einem Orte wie Bonn, wo es keine gesellschaftlichen Anforderungen und Zerstreuungen gibt, meine Vorlesungen ausarbeiten könnte: ich würde um so eher hoffen dürfen, den günstigen Erwartungen einer gebildeten Zuhörerschaft einigermaßen zu entsprechen. Herr Professor Koreff schrieb mir am 27. Juni aus Berlin, in Gemäßheit der Aufträge Ew. Excellenz und Sr. Durchl. des Fürsten von Hardenberg. Ich habe ihm sogleich in diesem Sinne geantwortet und erwarte nun eine Entscheidung über meine nächste Bestimmung. Sobald ich diese empfange, werde ich alle meine Kräfte anstrengen, um so schnell als möglich in Wirksamkeit zu kommen. Indessen habe ich noch eine Reise nach der Schweiz in eignen Angelegenheiten zu machen, meine dort befindliche Bibliothek abzusenden und mancherlei Anstalten zu treffen, so daß ich nicht weiß, ob es mir schon in dem heranna-henden Herbste möglich sein wird Vorlesungen anzufangen. Ich bitte Ew. Excellenz, die Versicherung meines regsten Eifers für die edeln Zwecke, zu deren Förderung ich so ehrenvoll berufen werde, genehm zu halten, und habe die Ehre mit den ehrerbietigsten Gesinnungen zu sein Ew. Excellenz untertänig gehorsamsterAugust Wilhelm von Schlegel.

Heidelberg 28sten Juli1818

Quelle: Lenz, Max: Geschichte der königlichen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin. Bd. 4. Halle 1918, S. 342; 343.

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Karl Vom Stein Zum Altenstein an August Wilhelm von Schlegel

Die von Ew. Hochwohlgeboren in Ihrem gefälligen Schreiben vom 29ten v. M. mir vorgelegte Frage, ob Ihr akademisches Lehramt hier oder in Bonn zu beginnen sey? darf ich nicht länger unbeantwortet lassen. Es hat mir obgelegen, Alles zu erwägen, was dabei in Beziehung auf Sie und auf beide Universitäten in Betracht kommt, und ich kann keinen Anstand nehmen, die Frage zu Gunsten Berlins zu entscheiden. Abgesehen von der Unannehmlichkeit einer zwiefachen häuslichen Einrichtung könnte ich doch nicht zu einer vorläufigen Niederlassung in Bonn rathen, wo nicht etwa nur im ersten Semester, sondern auch weiter hinaus, der Mangel an Hülfsmitteln am Orte selbst und in der Nachbarschaft Sie in Ihren Studien und der Mangel an Zuhörern, wenigstens an würdigen, Sie in Ihrem Lehramte hemmen und um belohnende Freudigkeit bringen möchte. Hier, wo Bibliothek und Kunstsammlungen täglich wachsen, wo eine zahlreich besuchte Universität und ein gebildetes Publikum den Mangel solcher Vorlesungen, die Sie ankündigen, schmerzhaft fühlt, würde in Studierstube und Hörsaal mannigfache Förderung und Ermunterung Ihnen zu Theil werden. Nichts aber würde Sie nöthigen, gleich anfangs mit mehrern Vorlesungen aufzutreten, als Sie zu Ihrer eignen Befriedigung vorbereitet hätten, und anfangs und immer die Zerstreuungen abzuweisen, die Ihnen Störung, nicht Erholung sein müßten. Darf man überdem nicht aus der Acht lassen, daß die hiesige Universität durch Ihre Ernennung, durch die öffentliche Bekanntmachung derselben, durch eine vorläufige Anzeige Ihrer Vorlesungen gegründeten Anspruch auf Sie erlangt hat, den sie auf keine Weise ungekränkt abtreten wird; daß Bonn hingegen, wenn es Sie einmal, sei es auch unbenutzt, besessen hat, Sie nicht ohne Nachtheil für seinen Ruf wieder missen kann: so darf wohl die dringende Aufforderung an Sie ergehen, gleich hieher zu kommen und hier mit dem neuen Semester Ihre Vorlesungen zu eröffnen. Hat die neue Universität in den Rheingegenden wissenschaftlichen Sinn geweckt und genährt, ist durch Alles was für Kunst geschehen soll, die dortige Liehhaberey zu einem ernsthaften Studium erhoben: so wird es heilsam und Ihnen erfreulich seyn, ein Semester über in Bonn Vorlesungen zu halten und Empfänglichen und gehörig Vorbereiteten das Verständniß zu öffnen. Zu einer solchen Verpflanzung auf einige Zeit, die keine Verhältnisse kränken und entschiedenen Nutzen stiften würde, werde ich gern die Hand bieten; ja ich ersuche Sie schon jetzt, sie in Ihren Plan für die Zukunft aufzunehmen.

In Erwartung einer baldigen Antwort erneuere ich Ew. Hochwohlgeboren die Versicherung ausgezeichnetester Hochachtung.

Altenstein

Berlin den 23ten August 1818

Nachschrift.

Mit aufrichtiger Theilnahme habe ich aus den öffentlichen Blättern und aus den Mittheilungen Euer Hochwohlgeboren Freunde ersehen, daß Sie in ein neues schönes Verhältniß zu tretten im Begriff stehen. Ich wünsche Ihnen zu Ihrer bevorstehenden Verbindung mit Fräulein Sophie Paulus von ganzem Herzen Glück. Es ist mir wahrscheinlich, daß dieses Ereigniß auf Ihren Wunsch, vorerst in Bonn zu bleiben, Einfluß haben und Ihnen die Hieherkunft erschweren dürfte, allein ich halte doch auch in dieser Beziehung für besser, daß Sie Sich ganz hier festsetzen, ehe Sie auf einige Zeit wieder nach Bonn gehen. Sie kommen dadurch gewiß früher in eine sehr wohlthätige Ordnung

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und äußere Ruhe. Auch Ihrer künftigen verehrten Gattin, wird in der ersten Zeit die große Veränderung leichter seyn als später. Ich kenne solches aus eigner Erfahrung. Es ist für Ew. Hochwohlgeboren sämmtliche Verhältnisse gewiß beßer, wenn Sie etwas später hier eintreffen, dort und hier alles mit Ruhe besorgen, und nur erst gegen das Ende des halben Jahres hier einige kurze Vorlesungen halten, als daß Sie jetzt nach Bonn eilen, und dort und hier nur halbe Einrichtungen treffen.

Ich schmeichle mir daher, daß meine Aufforderung an Ew. Hochwohlgeboren zu uns hieher zu kommen, nicht stöhrend, sondern wohlthätig auf Ihre Privat-Verhältnisse einwirken werde, und Sie werden mich durch die Bestätigung, daß solches der Fall sey, sehr erfreuen.

Altenstein

Berlin, den 25 August 1818

Quelle: Briefe von und an August Wilhelm Schlegel. Gesammelt und erläutert durch Josef Körner. Bd. 1. Zürich u.a. 1930, S. 331; 333.

August Wilhelm von Schlegel an Karl vom Stein zum Altenstein

Hochgebohrner Freyherr! Hochzuverehrender Herr Staatsminister! Ew. Exc. gnädiges Schreiben vom 20sten Jul. meine Berufung zu einer Professur in der philosophischen Facultät der Universität zu Berlin, mit einem Jahrgehalt von 2000 Thl. und einer Entschädigung von 500 Thl. für die Reise- und Umzugskosten enthaltend, ist mir erst vor einigen Tagen zu Handen gekommen. Ich beeifere mich, Ew. Exc. deren günstiger Bericht diesen huldreichen Königlichen Beschluß für mich ausgewirkt hat, meinen wärm-sten und ehrerbietigsten Dank abzustatten; und ich bitte Hochdieselben, bey sich darbi-etender Gelegenheit den Ausdruck meiner huldigenden Gesinnungen zu den Füßen Seiner Königlichen Majestät zu legen. Bey diesem für mich eben so ehrenvollen als vortheilhaften Rufe, dessen Bedingungen nichts zu wünschen übrig lassen, habe ich Ew. Exc. nur ein doppeltes Anliegen un-terthänig vorzutragen: das eine betrifft meine nächste und vorläufige Bestimmung nach Bonn; das andre den Zeitpunkt des Antrittes. Seit der Äußerung Sr. Durchl. des Fürsten Staatskanzlers, welche mich schon zu Anfange dieses Jahres auffoderte, an der neu zu errichtenden Universität in Bonn auf anderthalb oder zwey Jahre mitzuwirken, habe ich meine Gedanken und Entwürfe dorthin gerichtet; es ist mir eine erfreuliche Aussicht gewesen, zur Wiederbelebung deutscher Geistesbil -dung in diesen Gegenden, welche dem Vaterlande eine Anzahl von Jahren fremd gewor-den, nach dem Maaß meiner Kräfte beyzutragen; und ich würde hoffen dürfen, in einer kleinen Stadt, wo es keine gesellschaftlichen Anfoderungen giebt, eine Reihe von Vor-lesungen um so ungestörter ausarbeiten zu können. Ich sehe also mit größter Bere-itwilligkeit einer Modification des mir zu Theil gewordenen Rufes entgegen, vermöge deren ich beauftragt würde, zuvörderst in Bonn meine akademische Laufbahn zu eröffnen. Was ferner den Zeitpunkt des Antritts betrifft, so muß ich Ew. Exc. unterthänig um einen Aufschub bis zum nächsten Sommer halben – Jahr bitten. Meine Entfernung von dem Sitze der Königl. Preußischen Regierung, auch seit meiner Zurückkunft nach Deutschland, hat die erwarteten Entscheidungen dergestalt verzögert, daß nun nach deren Empfang bis

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zur Eröffnung der Winter Vorlesungen nur noch wenige Wochen übrig sind. Ich bin im Be-griff, mich mit der Tochter meines alten verehrten Freundes des Geheimen Kirchen-Rathes Paulus zu verheirathen; diese Familien-Verbindung, welche mir neues Lebens-glück und neue Kraft zu nützlicher Thätigkeit verheißt, macht bey der Versetzung an einen andern Wohnort mancherley häusliche Einrichtungen nothwendig, deren ich für mich allein nicht bedurft haben würde, und wofür die noch übrige Zeit, besonders beym Eintritt des Winters, nicht hinreicht. Auch wird durch diesen halbjährigen Aufschub wenig versäumt seyn, indem ich die Zwischenzeit zur Vorbereitung benutzen und meine Bibliothek aus der Schweiz indessen herbeyschaffen werde, um auf Ostern mit mehreren Vorlesungen zugle-ich auftreten zu können. Die Vorlesungen, für welche ich durch vieljährige Studien am meisten Stoff eingesammelt habe, sind folgende: Geschichte der Deutschen Sprache und Poesie; Litteratur des Mitte-lalters und der neueren Zeit in Italien, Spanien, Frankreich und England; Litteratur des classischen Alterthums nicht in philologischer, sondern in allgemein intellectueller Hinsicht; Geschichte der bildenden Künste in der alten und neuen Welt. Ferner habe ich manches vorgearbeitet für Kritik der Römischen Alterthümer und Geschichte, und für die älteste Cul-turgeschichte Asiens, indem ich die letzten Jahre vorzüglich der Erlernung der Indischen Sprache gewidmet. Ich bitte Ew. Exc., die wiederhohlte Bezeugung meiner dankbaren Verehrung gnädig zu genehmigen, und verharre in tiefster EhrerbietungEw. Exc Da wie mir H. Prof. Koreff meldet, Ew. Exc. baldigst mit Ihrer Gegenwart die Rheinischen Landschaften zu erfreuen gedenken, so würde ich mich sehr glücklich schätzen, bey dieser Gelegenheit Ew. Exc. persönlich aufwarten zu können, und ich würde einem hi-erüber erhaltenen Winke auf das schleunigste Folge leisten.

Quelle: Briefe von und an August Wilhelm Schlegel. Gesammelt und erläutert durch Josef Körner. Bd. 1. Zürich u.a. 1930, S. 333; 334.

506. August Wilhelm Schlegel an Friedrich Ludwig Graf zu Solms-Laubach

Hochgebohrner Graf! Hochzuverehrender Herr Ober-Präsident!Ew. Excellenz zu schreiben habe ich diese Zeit immer gezögert, weil ich nichts zuver-läßiges und amtliches zu melden hatte. Jetzt, da ich eine Entscheidung habe, säume ich keinen Augenblick länger. Alles was ich für ein Lieblingsfach der wissenschaftlichen Forschung, und für meine Mitwirkung dabey wünschte, ist mir, und zwar auf die erfreulich-ste und ehrenvollste Weise, durch einen gestern empfangenen Brief des Fürsten-Staatskanzlers, zugesichert worden. Ich werde den Sommer in Bonn zubringen, aber mit der Vergünstigung, weniger Vorlesungen als gewöhnlich zu geben, um desto mehr Muße für die Ausarbeitung meiner Lateinischen Schrift und die Vorbereitung auf eine gelehrte Reise übrig zu behalten. Alsdann wird mir ein halbjähriger Urlaub zugesagt, um in Paris die Handschriften zu benutzen, besonders aber um Indische Typen stechen und gießen zu lassen, wozu die Regierung 2000 Thl. bewilligt. Das erwünschteste dabey ist noch, daß der Fürst Staatskanzler meinen Gedanken, die Universität Bonn durch den daselbst zu veranstaltenden Druck Indischer Bücher auszuzeichnen, genehmigt. Ich werde also im Frühling des nächsten Jahres mit meinen zurückgebrachten Schätzen gleich hier am Orte zum Werk schreiten können. Dieß giebt mir also die Gewißheit in Bonn zu bleiben, und die Hoffnung, ein Verhältniß erneuert zu sehen, das mich so glücklich machte, und an das ich

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nicht ohne dankbare Rührung zurückdenken kann. Auf jeden Fall habe ich die Aussicht, in der aufmunternden und wohlthätigen Nähe eines verehrten Gönners zu leben. Um die ersten Proben der erworbenen Kenntnisse mitzutheilen, die Theilnahme des Pub-licums zu gewinnen, und sogleich in Bonn den Anfang meiner Wirksamkeit in diesem Fache zu bezeichnen, werde ich unverzüglich eine periodische Schrift, unter dem Titel: Indische Bibliothek, herausgeben, wovon ich Ew. Excellenz vielleicht schon in sechs Wochen, das erste Heft zu überreichen hoffe.Mit den ehrerbietigsten und dankbarsten Gesinnungen habe ich die Ehre zu seyn Ew. Excellenzunterthänig gehorsamsterA. W. von SchlegelBonn d. 1sten April1820

Quelle: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 2. Der Texte zweite Hälfte. 1809‒1844. Bern u.a. 1969, S. 358; 359.

275. A. W. Schlegel an das preußische Unterichtsministerium[Bonn, 15. Mai 1882]Das gnädige Schreiben eines hohen K.[öniglichen] Minist.[erii] vom 22ten April, wodurch mir eröffnet wird, daß die Kgl. Akademie der Wissenschaften mir die Ehre erwiesen, mich zum auswärtigen Mitgliede zu erwählen, und daß des Königs Allergnädigst geruhet, diese Wahl zu bestätigen, habe ich am 12ten d. M. Empfangen, und ermangle nicht, der darin erhaltenen Aufforderung, meine Wünsche in Betreff der Festsetzung meiner Amtsverhält-nisse vorzutragen, unverzüglich zu entsprechden. Nach dem Ausdrucke meines aufrichtig-sten Dankes für die Gnade des Kgl. Ministeriums, meiner persönlichen Neigung bey einer Sache Gehör verleihen zu wollen, worin ich, laut des mir anfänglich zum Theil gewordenen Rufes, verplichtet wäre, unbedingt der Entscheidung Hochdesselben Folge zu leisten, sey es mir vergönnt, zu erklären, daß ich wünsche, mit Verzichtleistung auf die glänzenden Vortheile, welche mit meiner Amtsführung in Berlin ohne Zweifeö verknüpft seyn würden, in dem hiesigen Wirkungskreis zu verbleiben; und zwar aus folgenden Gründen:1. Eine beynahe vierjährige Erfahrung hat mich überzeugt, daß ich an der kgl. Rhein-Universität mit eigenem Nutzen lehren kann. Auch solche Vorlesungen, welche nicht zu den unentbehrlichen irgendeiner Facultät gehören, namentlich die, welche die Deutsche Sprache und Litteratur betrafen, sind mit Teilnahme angehört worden, und ich halte es nicht für unwichtig, die Neigung zu dem genannten Fache, welches in der hiesigen Gegend niemals recht einheimisch gewesen, und während der Trennung der Rheinprovinzen von Deutschland gänzlich verabsäumt worden, bey der hiesigen studierenden Jugend anzuregen.2. Wenn ich gegenwärtig Bonn verließe, so würden die der hiesigen Universität verliehenen Indischen Druckschriften, wenigstens bis auf den Zeitpunkt einer neuen dießhalb zu treffenden Einrichtung ungenutzt bleiben, da ich hingegen hoffe durch eine Reihe von gedruckten Arbeiten, welche Typis Regiis aus einer hiesigen Presse hervorgehen werden, die Bereicherung der Rhein-Universität mit einem noch so seltenen gelehrten Hülfsmittel zu beurkunden. Es ist mir bis jetzt noch nicht gelungen einen Schüler zu bilden, den ich der künftigen Berücksichtigung eines hohen Kgl. Ministeriums hätte empfehlen dürfen, da ich jedoch fortwährend unentgeldlich das Sanskrit lehre, so kann ich hoffen, die hierzu erforderliche Verbindung von Talent und Fleiß bei einem Schüler aufzufinden, der in Zukunft meine Bemühungen würde fortsetzen können.3. Wiewohl ich im Ganzen einer guten Gesundheit genieße, so bin ich doch in den Jahren,

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wo man das Bedürfniß einer ruhigen, mäßigen und genau georneten Lebensweise spürt. Diese läßt sich leichter in der Stille und Eingezogenheit einer kleinen Stadt beobachten, als unter den geselligen Anehmlichkeiten der Hauptstadt, denen mich ganz zu entziehen, ein für meine Gesundheit und meine Arbeiten unerläßlicher, aber schwer durchzuführender Entschluß seyn möchte.4. Die Fortdauer meines Aufenthaltes in Bonn wird für die unternommene Förderung des Studiums der Indischen Sprache und Literatur vorteilhafter seyn, weil ich von hier aus ohne einen außerordentlichen Urlaub, während der Ferien, mich in wenigen Tagen nach Paris oder London verfügen kann, um die handschriftlichen Vorräthe zu besichtigen und mich mit den dortigen Gelehrten zu besprechen, welches von Berlin aus wegen der weiten Entfernung unmöglich fallen würde.Ich hoffe das Kgl. Ministerium werde diese gewissenhaft dargelegten Gründe nicht missfällig vernehmen, und erwarte ehrerbietigst dessen hohe Entscheidung über meine definitive Bestimmung.Sollte meine Anwesenheit in Berlin auf einige Zeit zu irgend einem besonderen Zwecke oder Geschäfte für nützlich erachtet werden, so werde ich mich sehr gern auf erhaltenen Befehl dahin verfügen, überhaupt jeden wissenschaftlichen Auftrag bereitwillig übernehmen, welchem Genüge zu leisten in meinen Kräften steht.

Quelle: Briefe von und an August Wilhelm Schlegel. Gesammelt und erläutert durch Josef Körner. Bd. 1. Zürich u.a. 1930, S. 390; 391.

Konzept eines Gutachtens August Wilhelm Schlegels über die architektonische Dekoration der Universitäts-Aula zu Bonn.

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An den Rector Magnificus und den hochlöblichen Senat der Rhein. Friedrich-Wil-helms-Universität.Ew. Magnificenz und dem hochlöblichen Senat beehren wir uns dem empfangenen Auftrage gemäss über die von dem Maler Götzenberger vorgeschlagene architek-tonische Dekoration der Aula nach wiederholter, auch mit Herr Bau-Conducteur Ley-del vorgenommener Besichtigung folgendes gutachtlich zu berichten. Wir können die Aufstellung wirklicher Säulen in solcher Entfernung von der Wand, dass das darüber angebrachte Gebälk bis an den vorderen Rand der oben herumlaufenden Gallerie vortritt, auf keine Weise anrathen, und zwar aus folgenden Gründen.1) Die Säulen würden, um in dem gehörigen Verhältnisse zur Höhe zu stehen, von beträchtlicher Dicke seyn müssen, und würden starke Schlagschatten auf die Gemählde werfen.2) Da der Saal einen grossen Theil seines Lichtes von den oberen Fenstern erhält, so würde durch die so weit vortretende Bretterbekleidung des Gebälkes der obere Theil der Gemälde ebenfalls sehr in den Schatten gestellt werden.3) Durch die beiden Säulen neben dem Catheder würde dasselbe eingeengt und der Aufgang dazu unbequem gemacht werden, da die Stufen zu dem oberen Catheder zwischen der Säule und der Wand, zu dem unteren aber vor der Säule angebracht werden müssten.4) Der Verlust an Raum würde beträchtlich seyn, da der Saal ohnehin schon für die bei feierlichen Gelegenheiten zu erwartende Frequenz kaum geräumig genug ist.5) Durch Ausführung des vorliegenden Plans steht, ungeachtet aller dazu erforder-lichen Aufopferungen dennoch keine den Regeln der Architektur gemässe Decora-tion zu erreichen. Denn die Säulen an der rechten und linken Seite des Saales ste-hen einander zwar symmetrisch gegenüber, aber die Säulenweiten fallen überall in einem ganz unerlaubten Grade verschieden aus.6) Da die Säulen nichts zu tragen haben, als die leichte Gallerie mit ihrer Balustrade, welche Last in gar keinem Verhältnisse zu ihrer Stärke steht, so wird ihre Zweck-losigkeit sehr auffallend seyn. Die Säule, wiewohl der vorzüglichste Schmuck der Architektur ist doch ihrer Natur nach eine Stütze und darf nur da angebracht werden, wo sie als solche erforderlich ist. Die Aufgabe der Architektur ist, den nothwendigen Gliedern eine schöne Form zu geben, aber es widerspricht ihren Grundgesetzen, überflüssige Glieder als blossen Zierrath anzubringen.Bei einem neu entworfenen Bau pflegt der Architekt dem Bildhauer und Maler die zu decorirenden Räume anzuweisen. Da diess hier aber nicht hat geschehen können, weil man sich mit dem Vorhandenen begnügen musste, so steht es wohl dem Ar-chitekten zu, die leidlichste Lösung der bedingten und irrationalen Aufgabe zu finden.Das rathsamste dürfte demnach seyn mit der Decoration bis zur Vollendung der Gemälde zu warten, und alsdann die Sache der Ober-Bau-Deputation in Berlin vorzulegen, um von dorther, wo man eine grosse Uebung und Erfahrung in dergle-ichen Dingen hat, einen Riss zu erhalten.Vielleicht würde es vortheilhaft seyn, den durch die Gemälde nicht bekleideten Theil der Wände nicht einfarbig zu malen, sondern zu marmoriren. In dem oberen Theil liessen sich etwa gemalte Drapperien anbringen, welche nach den Tragsteinen, wenn diese nicht wegzuschaffen sind, angeordnet und abgetheilt, den Uebelstand derselben weniger auffallend machen würden.Unter den Gemälden könnte in geringer Entfernung von der Wand eine wirklich in Holz oder Eisen ausgeführte Balustrade hingeführt werden, um sie vor Beschädigun-gen zu schützen.Bonn den 5ten Jan. 3

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Quelle: Sulger-Gebing, Emil: Die Brüder A. W. und F. Schlegel in ihrem Verhältnisse zur bildenden Kunst. Mit ungedruckten Briefen und Aufsätzen A. W. Schlegels. München 1897, S. 87; 88; 89.

Kriegskapitel

Kriegserlebnis. Von Berthold Litzmann

Liebe Kommilitonen! Wenn auch ich aus der Stille des Arbeitszimmers ein Wort an Euch richte, so stocke ich schon bei der Anrede, bei dem Wort, das in Friedenszeiten nicht nur durch alten Gebrauch geheiligt, sondern auch im inneren Sinn das treffendste und erschöpfendste schien für das Verhältnis des akademischen Lehrers zu seinen Schülern. Wir kämpften aus demselben Boden, um ein gemeinsames Ziel, mit gleichen Waffen um denselben Siegespreis, als Führer wir, als dereinst zur Führerschaft Berufene Ihr. Wenn wir Euch in die Augen blickten, sahen wir darin die Frage, was wirst Du uns geben? mit welchen Waffen kannst Du, willst Du uns ausrüsten für den Kampf, den wir einst führen, bestehen sollen? Und diese Frage, die wir immer wieder ablasen von den jungen hoffnungs- und vertrauensvollen Gesichtern der einander im Laufe der Jahre und Jahrzehnte ablösenden geistigen Jungmannschaften, die war es, die uns selbst jung erhielt. Und diese innere Jugend, die Ihr in uns wittertet, die war es wieder, die dem, was wir Euch aus Erfahrung und Wissen mitteilten, den Weg bahnte zu Euren Herzen und Euch das von uns Gewonnene und Erarbeitete erkennen liess als etwas für einen jeden von Euch persönlich Gegebenes, das in dem Augenblick, da Ihr es empfingt, mit dem Werdenden in Euch sich zu einer neuen, für die Zukunft weiterbauenden Kraft verschmolz.So standen wir zueinander bis zu dem Tage, der Euch ins Feld rief, Kommilitonen, zu einem Kampf mit anderen Waffen und anderen Zielen. Und in den langen Monaten, die seitdem vergangen, habe ich mich oft gefragt: Wie wird es sein, wenn wir uns wiedersehen, wenn wir wieder im Hörsaal, im Seminar uns zusammenfinden, um die durch den Krieg jählings zerrissenen Fäden wieder anzuspinnen? Manche von denen, die mit eifrig suchenden Fragen in den Augen und auf den Lippen damals Abschied nahmen, sind inzwischen stumm und wissend geworden! Sie werden uns nie mehr fragen, sie bleiben in unsrer Erinnerung in der Gestalt, in der sie von uns geschieden sind, als junge fröhliche Helden, denen an der Schwelle des Lebens die grösste Liebestat zu tun vergönnt war, ihr Leben zu lassen für ihre Freunde. Aber Ihr andern, die Ihr wiederkommt, und die Ihr nun mit den in harter Körperarbeit schwer und steif gewordenen Händen wieder zu Büchern und Federn greift und wie aus tiefem Schacht einst schon zu eigen Besessenes mit einem Gemisch von Sorge und Freude wieder ans Licht, in den Gesichtskreis Eurer Gegenwarts- und Zukunftstage herauszuarbeiten Euch anschickt, Ihr werdet andere sein; wir werden anders zu Euch und mit Euch sprechen müssen. Nicht nur deshalb, weil Ihr in manchem einer verstehenden, Euren besonderen Gedankengängen bis in die verschütteten Regionen nachgehenden, Hindernisse wegräumenden, neue Bausteine zureichenden Hilfe bedürft, - an der keiner von uns es wird fehlen lassen – sondern nicht zum mindestens deswegen, weil auf Euren Gesichtern der Widerschein liegt eines Erlebnisses. Eines Erlebnisses, das Euch über Euch selbst

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hinausgehoben und Euch für alle Dinge zwischen Himmel und Erde einen anderen Ausblick und Einblick erschlossen hat. Wie oft haben wir im engeren und weiteren Kreise in den vergangenen Jahren vom „Kriegserlebnis“ gesprochen. Wir, die wir aus frühesten Kinder- und Knabentagen die Erinnerung an drei Kriege in der Seele trugen, und denen, sobald an diese Saite gerührt wurde, die ganze heilige Zeit in einer Fülle von tief in die Seele gegrabenen Einzelbildern wach und lebendig wurde, und Ihr, die Ihr das Alles nur aus Büchern und aus Erzählungen der Alten vernahmt!Wie oft habe ich, wenn in der Vorlesung, im Seminar, in den Sitzungen unserer Literarhistorischen Gesellschaft vom Krieg in irgend einem Zusammenhang die Rede war, in Euren Augen zu lesen gesucht, wie dies unser grösstes Erlebnis von Euch wiedergespiegelt werde. Und oft glaubte ich auf dem tiefsten Grunde Eurer Seelen den Widerschein einer überlegenen Skepsis, eines leisen Spottes zu lesen über das Grosshermachen von Dingen, die ja an und für sich gut, respektabel, nützlich, aber für die Jugend von heute doch erst in zweiter Linie, gewissermassen als zweite, dritte Reverse in Betracht kämen, nicht irgendwie tongebend und bahnbestimmend für die eigentliche und Hauptarbeit des heutigen und des kommenden Geschlechts. Und das gab zuweilen ein schmerzlich empfundenes Gefühl von Fremdheit angesichts der anscheinenden Unmöglichkeit eine Brücke der Verständigung in diesen Dingen von Euch zu uns zu schlagen. Besonders lebhaft habe ich das empfunden, als wir im Sommer 1913 in einer unserer Sitzungen uns über Gerhart Hauptmanns Breslauer Festspiel „1813“ unterhielten. Bei fast allen jungen Freunden, die damals das Wort ergriffen, zeigte es sich, dass sie den von mir und anderen anwesenden älteren Kollegen angeschlagenen Ton nicht verstanden, dass sie es als übertrieben, einseitig, antiquiert empfanden, wenn wir gegen diese Auffassung weltgeschichtlicher Tragödien uns empörten.Wenn wir uns in Zukunft wieder in Rede und Gegenrede auf diesem Boden begegnen, dann wird es anders sein! Dann werdet Ihr nicht nur uns auch hierin verstehen, sondern wir Älteren werden dann mit Euch die Rollen tauschen, Euch das Wort lassen: wenn wir Alten früher vom Kriege sprachen, so war das bei den meisten von uns doch nur ein Ereignis, das, so tief es sich in unsre Seele eingegraben, in Wahrheit nur unsre Knabenstirnen flüchtig gestreift hatte; wir waren Zuschauer gewesen, Zuschauer, wie wir es auch heuer zum grössten Teil bleiben mussten. Ihr aber durftet selbst die Hand anlegen, durftet Euch selbst einsetzen, durftet mit Leib und Seele Euch dem grossen Erlebnis zu eigen geben und aus ihm Seelenkräfte schöpfen, die Euch und Euren Kindern und Enkeln noch bahnweisend leuchten werden auf dem aufwärtsführenden Pfad, der vor unserem Volke liegt. Und darum werden wir, die wir zu Hause geblieben, Euch, wenn Ihr heimkehrt, gern von den Augen und den Lippen ablesen, was Ihr uns von dem Grossen was Euch beschieden war, zu sagen, zu erzählen, zu zeugen habt. Schon mancher Ton ist ja von draussen zu uns geklungen. Wir spüren deutlich, dass es diesmal nicht, wie es im anfang scheinen konnte, auf eine plötzliche äussere Umstimmung herausläuft, die in vielen Fällen erzwungen und daher nicht immer erfreulich wirkt, sondern dass wirklich eine neue Seele in unserem Volk die Flügel zu regen beginnt. Wer freute sich nicht an Ihr, mag er zu den Alten oder den Jüngsten gehören, an dieser neuen Seele, wie sie in unserer Lyrik schon zu singen begonnen hat, an diesen ganz schlichten, tiefen, innigen Tönen, die auf den ersten Blick mit dem was man „vaterländische“ Lyrik nennt, nichts gemein zu haben scheinen, und die doch von einer so tief innerlichen aus Gesinnung und Erlebnis geborenen Liebe zum deutschen Land durchtränkt sind, dass einem beim lesen das Herz vor Freude stillsteht. Was da anklingt und was aus Feldpostbriefen – gedruckten und

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ungedruckten – zu uns spricht von innigster reifster Erfassung des Augenblicks, weckt Erwartung und Hoffnung auf grösseres Kommendes. Ihr braucht aber nicht zu besorgen, dass wir Euch mit neugierigen Fragen plagen, dass wir zerren werden an den Schleiern, die der innerliche Mensch über das innerlichste Erlebnis breiten muss, bis aus dem chaotischen, aus dem in Widersprüchen und Dissonanzen ringenden Kampf der Tatsachen mit den durch diese Tatsachen geweckten, geborenen Empfindungen die neue Seele, das neue Weltbild, sich geläutert und durchgearbeitet hat. Wir werden nicht in den Fehler der Alten und Jungen nach 1870 verfallen, die vom nächsten Tage schon, wie Pallas Athene aus dem Haupte des Zeus, die Geburt einer neuen Dichtung erwarteten und begehrten. Denn wir wissen nicht nur, dass dies schon damals ein Fehler war, sondern wir sind uns vor allem auch bewusst, wieviel tiefer dieses Kriegserlebnis in die Wurzeln grade auch unsres geistigen Daseins eingegriffen hat. Wir warten geduldig auf den Tag der Ernte. Wir warten auf das, was Ihr uns heimbringt, liebe Kommilitonen, und alle unsre Kräfte und all unsre Liebe sollen lebendig und wach sein, Euch, dann wieder „Kommilitonen“ wie einst, zu raten, zu helfen, dass das, was Ihr erlebt habt, eine gesegnete fruchtbringende Arbeit werde für Euch, für uns und für alle, die nach uns kommen.

Quelle: Litzman, Berthold: Kriegserlebnis. In: Ostergruss der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Bonn an Ihre Angehörigen im Felde 1916. Bonn 1916. S. 62; 63; 65, 66.

JubiläumskapitelGildemeister 1843-09: An die Mutter, Bremen; 03.11.1843, Bonn[…] Als ich zuletzt schrieb, war unser Jubilaeum vor der Thür, davon muß ich ein Weniges berichten. Es war unpassend genug, ein fünfundzwanzigjähriges Jubiläum zu feiern, besonders da die Univ. doch eigentlich so wenig geleistet hat; indeß hatte man Andeutungen erhalten von oben her, daß man dazu Geld fordern könne, was man sich auch nicht zweimal hatte sagen lassen. Das Fest zerfiel in die zwei gewöhnlichen Theile, die nothwendige akademische Rede und das nothwendige Es-sen. Man hatte die Aula mit Gewächsen aus dem botanischen Garten verziert, und nachdem erst der am 18 Oct. geschehende Rectoratswechsel mit langen Reden der beiden Rectoren abgemacht war hielt der Narr erster Classe, Hr. Delbrück, eine deutsche Festrede, ein alter Mann in weißen Haaren, sich gebärdend wie ein Schauspieler, albernes Zeug redend, besonders abgeschmackte politische Ansichten kund gebend, z. B. die jetzige Verfassung Preußens sei ein Muster für alle Völker, und diese würden die ihrige danach einrichten. Die Rede fiel allgemein durch bei allen gescheiten Leuten, bloß die Bonner Philister waren davon entzückt. […] Die Hauptsache war natürlich das Essen, das sonderbar genug auf der Aula gehalten werden sollte, die aber nur 150 Couverte faßte, davon das akademische Corpus etwa 60 einnahm; außerdem waren 30 Studenten, Assistenten u. drgl. Leute geladen. Es blieben also nur etwa 60 über für Behörden u Honoratioren, deren Ver-theilung der Senat in corpore übernahm. Das gab nun einige Tage hindurch grim-miges Gerede in der Stadt, viel Neid und Erboßung. Überhaupt zeigte sich unter den Philistern, den Bürgermeister (der sechsmal ab u sechsmal zusagte und endlich

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doch kam) an der Spitze, das entschiedenste Übelwollen. Das Volk das rein von der Universität lebt und ohne sie hungern würde, will dies sich nicht eingestehn über-haupt giebt es hier verhältnismäßig außerordentlich wenig anständige Leute und so kam es, daß sie durchaus nichts ihrerseits zur Feier thun wollten, wie es anständig war; obgleich nichts gewünscht wurde, als sie sollten einen trockenen Ball oder drgl. arrangiren, der jeden ½ Thaler gekostet hätte. Endlich nahmen sich einige anständige Bürger für sich des Dinges an und als das Pack sah, daß es ohne sie zu Stande käme, kamen sie in hellen Haufen an, um auch dabei zu sein, aber erst im letzten Augenblicke. Dies machte wenigstens einige Tage lang das Nest interessant. Bei Tische sollten wir jeder einen der Eingeladenen zur Seite nehmen; ich hatte mir bei Zeiten meinen Mann ausgesucht. Die Mahlzeit war sehr splendid; für das Couvert wurde ohne Wein 2 ½ Thaler bezahlt, und nach dem ersten Wein bloß Johannis-berger und Champagner in Massen getrunken (Hollweg ist nämlich, da solche Kosten dem Ministerium nicht aufgerechnet werden konnten, als Bonifacius in den Hintergrund getreten), daher aber auch sehr stürmisch. Sie fing um halb fünf an und halb sieben waren Rector und Senat vollkommen in Thran. Die Herren waren selbst Schuld, denn sie fingen mit ihren 8 officiellen Toasten (König von Hollweg, Königin von Oberberghauptmann von Dechen, Minister vom Rector, Curator von Welcker, Stadt von Arndt, Universität vom Bürgermeister, der darin im Namen der Stadt gleich-sam Abbitte leistete, Studenten von Harleß und akademische Lehrer von einem Stu-denten ausgebracht) so früh an, und ließen diese so schnell abschnurren, daß damit alles Essen zu Ende war, als man noch nicht zum Braten vorgedrungen war. Die Toaste fielen fast alle ungeheuer schlecht aus; nach jenen achten konnten eine Menge Schwätzer ihr vom Wein beherrschtes Maul nicht mehr regieren und nun fol-gte ein einfältiger Toast auf den andern, wenn man sie nämlich zu Wort kommen ließ. Arndt brüllte förmlich und riß schlechte Witze; Jakob Grimm, der gerade durchreiste, wollte toasten und blieb mit Blamage stecken, der kleine dicke Professor der Astronomie stand auf dem Stuhl und quikte mit seiner dünnen Stimme einen un-zusammenhängenden Toast auf „die Wissenschaft und das Leben“!! u. drgl., dazu man freilich die Professoren kennen muß um das rechte Salz zu schmecken. Von mehreren hochansehnlichen Professoren sagt die böse Welt, sie hätten gar nicht auf den Ball kommen können weil sie hätten zu Bett gebracht werden müssen, zum großen Verdruß der Fräulein Töchter, die ihre schönen Ballkleider vergeblich ange-zogen hatten. Die Geschichte schloß im Aufruhr zwischen 8 u. 9; Urlichs und ich hat -ten den Professor Forchhammer aus Kiel bei uns, der auch zufällig hier durchgekom-men war und sich gern zu dem Feste halten ließ. (Daß Urlichs jetzt neben mir wohnt, habe ich doch früher geschrieben?); mit diesem begaben wir uns erst noch zu Haus, um zu rauchen und uns zu unterhalten und gingen spät auf den Ball, der natürlich höchst plebejisch ausgefallen war, aber sehr voll war. Hier war indes nicht viel zu thun; zum Kneipen war man auch nicht aufgelegt; daher man sich nach einiger Zeit wieder zu Haus verfügte. Zwei Tage darauf hatte ich bei Schlegel ein in gewähltester Gesellschaft Grimm zu Ehren gegebenes Diner zu bestehen, wo außer mir nur Dahlmann, Welcker, Blume, Lassen und der Oberberghauptmann von Dechen waren; hier ging es freilich in jeder Beziehung besser zu. Ich nahm Gelegenheit, Grimm zu sagen, daß ich noch immer mit größter Dankbarkeit seiner unermüdlichen Gefälligkeit auf der Göttinger Bibliothek gedächte, was er ungemein wohl aufnahm u sich noch wohl erinnerte, wie ich ihn damals darauf herumgejagt. […]

Hoffman-Ruf, Michaela (Hg.): Johann G. Gildemeister. Briefe 1831 – 1888. Studium, Reisen und der „Hl. Rock zu Trier“ (1831 – 1845), Stephan Conermann (hrsg.), Göt-tingen, S. 725; 727;730.

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Die Gründung der Universität BonnFestrede zum Fünfzigjährigem Jubiläum der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Univer-sitätGehalten von dem 3. Rektor Heinrich von Sybel

Indem ich an diesem Ehrentage unserer Hochschule als deren zeitiger Vorstand das Wort ergreife, empfinde ich im höchsten Maaße die Schönheit und die Schwere meine Aufgabe.Denn selten ist einem Redner ein so dankbarer, selten aber auch ein so reicher Gegenstand geboten worden, dessen würdige Behandlung ein weit höheres Maaß von Zeit und Kraft erfordern würde, als mir zu Gebote steht. Ich darf nur hoffen, daß die gnädige und geneigte Gesinnung, welche Sie als Gönner und Freunde der Universität hier versammelt hat, auch dem Redner derselben zu Gute kommen wird.In alter Zeit pflegte man bei der Geburt eines Menschen zu untersuchen, welche Sterne über dem Neugeborenen gestanden und auf seine erste Lebensstunde eingewirkt hätten. Wir lächeln über die abergläubisch-poetische Form, in die sich hier ein tiefer und ächter Gedanke gehüllt hat. Die großen Welteinflüsse, welche ein neues Dasein in das Leben rufen oder in seinen ersten Augenblicken umgeben, bes-timmen die Signatur seines Wesens und die Richtung seiner Laufbahn für immer. Welche Sterne haben nun geleuchtet im Schein und Gegenschein, als ein hoher königlicher Willen für unsere Hochschule das Schöpferwort aussprach?Der Befreiungskrieg gegen die Uebermacht des ersten Napoleon war ausgekämpft. Preußen war nach unermeßlichen Anstrengungen mit höchstem Ruhme daraus her-vorgetreten; der Staat war zu seiner frühern Macht und Größe hergestellt, und durch die Erwerbung der Rheinprovinz auch im Westen Deutschlands stark geworden. Die gewaltigen Schlachten und Siege hatten das ganze Volk mit patriotischem Selbstge-fühle und nationaler Begeisterung erfüllt; der Willenskraft und dem Todesmuthe, der auf dem Schlachtfelde so herrliches geleistet, schien auch im innern Leben das Höchste und Schwerste rasen erreichbar; die großen Forderungen politischer Frei-heit, constitutioneller Verfassung, deutscher Einheit bewegten alle Herzen. Zu dieser Fülle des idealen Strebens bildete einen ergreifenden Gegensaz die Dürftigkeit des äußern Zustandes. Das Land war durch den Krieg mit beispiellosen Lorbeeren aber auch mit tausend Wunden bedeckt. Der Acker war durch die colossalen Heereszüge zertreten, der Handel durch das Continentalhälfte zerstört, die Industrie durch den langen Absatzmangel gelähmt. Es gab keine Familie, die nicht unersetzliche Opfer an Gut und Blut gebracht hatte: was damals leiblicher Wohlstand hieß, würde uns als bittere Entbehrung erscheinen; statt alles äußern Lebensgenusses hatte man glühende Herzenswärme, den Stolz großer Thaten, die Hoffnung einer größeren Zukunft. Und wie das Volk so der Staat. Auch er stand im Sonnenglanz der her-rlichen Waffensiege; aber wenn anderwärts die Triumphe goldne Beute und schim-mende Trophäen gebracht, wenn sie Reichtum und Wohlleben in den siegenden Staat geführt hatten, so stand man sich hier nach der schwern Arbeit des Kampfes einer schwereren Arbeit des Friedens gegenüber, bei tief erschöpften Mitteln einer unendlichen Aufgabe der Heilung und Herstellung, der Organisation und Neubildung. Unmittelbar mit dem Ende des Krieges begann diese Thätigkeit, die nach Umfang und Gehalt zu dem Rühmeswerthesten gehört, was jemals auf deutschem Boden

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geleistet worden ist. Es ist Pflicht ihr Verdienst um so nachdrücklicher her-vorzuheben, je mehr sie selbst, nach der persönlichen Art des sie leitenden Monar-chen sich in Gediegenheit und Stille vollzogen, je weniger sie also in der historischen Betrachtung die gebührende Würdigung gefunden hat. […]Was die eigentlich localen Momente betrifft, welche damals von hüben und drüben geltend gemacht wurden, so kann ich heute mich kurz darüber fassen. Das Meiste, was in dieser Hinsicht die beiden Parteien anführten, war übertrieben an sich selbst, oder ist durch die spätere Erfahrung vollständig widerlegt werden. So wurde z.B. für Bonn die damals etwas größere Wohlfeilheit sehr nachdrücklich geltend gemacht, während seitdem das Verhältniß sich umgekehrt hat; es wurde es wurde auf der an-dern Seite Köln gepriesen als ausgestattet mit allen großstädtischen Hilfsquellen und Anregungen, während damals der Ort dünn bevölkert, zum großen Theile verarmt und fast ohne geistige oder litterarische Regsamkeit war. Von allen Gründen dieser Art, mit welchen man 1817 und 1818 gestritten, bleibt nur einer, dieser aber, wie ich es ohne Bedenken aussprechen darf, von völlig durchschlagendem Gewichte. Wenn nur nicht ganz zwingende, ganz unabweisliche Umstände für Köln wirkten, wenn nur die Waage nur sonst gleichschwebend in der Mitte stand, so mußte allein schon die freie Atmosphäre, die erquidende Gesundheit, die strahlende Schönheit unserer Landschaft für Bonn entscheiden. Ich glaube nicht, daß heute ein einziger unserer Kölner Freunde und Mitbürger sich diesem Argumente verschließen wird. Was 1816 betrifft, so erinnert sich einer unserer ehrwürdigen Veteranen mit warmer Freude des Tags, an dem er den Minister von Schudmann auf die Höhe unseres Koblenzer Thores führte, und dieser bei dem damals noch völlig freien Blick auf den Strom, das Gebirg und das korn- und rebengeschmückte Thal mit Begeisterung ausrief: Hier sind unsere Räume, dies ist der Ort und kein anderer. Aber wie gesagt, es waren nicht bloß Momente localer Art, um die es sich handelte. Es waren zwei große geistige Strömungen der Zeit, welche um die Zukunft der noch ungeborenen Schöpfung stritten, und ihre Ansprüche unter dem Namen der wet-teifernden Städte zur Geltung zu bringen suchten. Um es kurz zu sagen, während die Anhänger und Zöglinge unserer classischen Litteratur für Bonn arbeiteten, meinten die damaligen Romantiker bei Köln ihre Rechnung zu finden, oder auch umgekehrt, glaubten die damaligen Vertreter Kölns keine kräftigeren Argumente als romantische Stimmungen und Hoffnungen in das Feld führen zu können. Diese Dinge liegen zum Theile weit hinter uns, zum Theile haben sie in der Gegenwart bei gleichem Wesen völlig anderes Costüm angenommen. […]Und so weihe ich, auf unsern Ursprung zurückblickend, die Zukunft dieser Univer-sität. Möge sie wachsen und gedeihen durch die Jahrhunderte hindurch, so lange sie sich ihres Anfangs würdig zeigt, so lange sie bleibt, in Lehrern und Lernenden, was sie bisher gewesen, eine Stätte gelehrten Fleißes, sittlichen Ernstes, confessioneller Eintracht, so lange ihre Mitglieder des hohen Berufes eingebend find, Diener des wissenschaftlichen Gebantens zu sein, Hüter der freien Forschung, Wächter des deutschen Geistes. So möge sie sich ferner des Schutzes unserer Könige, der Achtung Deutschlands, der Liebe des rheinischen Volkes erfreuen; so möge Gott, der die Geschichte der Nationen lenkt, auch ihr endlich das höchste Glück vergön-nen, in Streben und Wirken, in Thun und Leiden, und wenn es sein muß, in Kämpfen, Siegen und Sterben, untrennbar Eins zu sein mit dem Vaterlande.

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100 Jahre: Hochansehnliche Versammlung!

Manche Jubelfeier haben deutsche Universitäten in den letzten Jahren begangen. Mit heiterem stolzem Festklang sind sie an uns vorübergerauscht. Von allen solchen Festen das festlichste, so dachten wir einst, würde das in Bonn werden: herbeiströ-men würden geradezu Völkerscharen, die Häuser, die Straßen, den Markt unserer lieben Stadt würden sie mit frohem Leben füllen und die Erinnerung an „wonnevolle Jugendzeit“ mit dem Zauber sonnbeglänzter Gegenwart zu heiterem Genusse verbinden. Es ist anders gekommen. Die schwarzweisse Fahne mit dem preußischen Adler, unter dessen weitgespannten Flügeln wir ein Jahrhundert lang in sicherer Ruhe siedelnd hier gearbeitet haben, darf auf der Universität nicht wehen. Die Fes-thalle der Stadt, die so manchen stolzen Tag gesehen hat, steht uns nicht offen. Sogar den Trost einer völlig ungehemmten Aussprache haben wir nicht mehr. Das höchste Gut, das Gut der Freiheit ist uns genommen. Aber wenn das alles auch nicht wäre, wenn wir frei wären wie in früherer Zeit: ein Fest könnten wir doch nicht feiern. Denn in unserer Seele zerrt und brennt der tiefe nur immer noch heisser werdende Schmerz um die Gegenwart und die bange Sorge um die Zukunft – müssen wir doch glauben, daß wir den Kelch des Leides noch lange nicht bis zum Grunde geleert haben. Ein Trauertag ist der heutige Tag eher als ein Festtag.Und doch trotzdem und alledem, wir durften ihn nicht stillschweigend dahin gehen lassen. Denn die Vollendung eines hundertjährigen Lebenszzeitraumes legt auch Pflichten auf, die Pflicht, laut vor aller Welt Dankbarkeit zu bezeugen für die, die uns auf dem langen Wege Helfer gewesen sind, und die Pflicht, Rechenschaft abzulegen über das, was wir aus dem anvertrauten Pfunde in dem Jahrhundert gemacht haben. Diesen Pflichten darf sich die Universität nicht entziehen, und darum sind wir zu hof-fentlich guter Stunde hier vereint, in einer schlichten, dem ernsten Gesamtbilde der deutschen Welt angepaßten Feier. […] Unvergänglich in der Erinnerung wir stehen für alle Zeit, was gerade auch unsere akademische Jugend im Felde geleistet hat. Singend ist sie in den Tod gezogen. Mehr als 900 Bonner Studenten sind nicht wiedergekehrt - - wir gedenken ihrer in heiligem Schweigen - -, und die wiedergekehrt sind, haben alle ein Stück ihres besten Lebens, im körperlichen und im geistigen Sinne, geopfert. Sie sollen wissen, daß wir stolz auf sie sind und uns glücklich schätzen, ihnen auf ihrer bürgerlichen Lebensbahn vorwärts helfen zu kön-nen. Wenn ich nun den Blick zurückwende, auf das durchmessene Jahrhundert, das fast bis zu seinem Schluß ein Jahrhundert reichen und trotz mancher Schwankungen doch stetigen Glückes gewesen ist, so tue ich das nicht leichten Herzens. Denn nur all zu wahr ist es, was der große Florentiner sagt, es gebe keinen größeren Schmerz als den, im Elend sich der glücklichen Zeit zu erinnern. Doch diesen Schmerz wollen wir bewußt erleben. Wir sind seit geraumer Zeit so sehr der Schmerzen gewohnt, daß wir uns davor nicht scheuen. Solch ein Schmerz birgt auch Heilkraft in sich, ihm entspringt, indem wir Wandel und Wandelbarkeit alles Irdischen betrachten, mit dem Stolz auf die Vergangenheit auch Trost und Hoffnung für das Kommende und damit Kraft und Wille zu neuem Werk.Unsere Universität ist der rheinischen Erde nicht in natürlichem Wachstum entsprossen, sie ist kein bodenständiger Baum; vielmehr ist sie in bewußter Staatskunst hierher gepflanzt worden. Wie noch während der Freiheitskriege die Lenker des preußischen Staates inmitten allen Elends die Berliner Universität gegründet haben, in dem Wissen, daß auf die Länge auch im Völkerleben allein geistige Werte entscheidend sind, so hat das neu erstandene Preußen hier in dem rheinischen Lande, das es nur widerwillig dem alten Bestande hinzugefügt hatte, die Universität geschaffen, um dieses neue Land auch geistig mit dem alten zu

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verbinden. So ist unser Geschick mit dem des preußischen Staates von vornherein auf das engste verbunden gewesen. Und ist es auch geblieben: sein Glück wurde unser Glück, sein Niedergang ist unser Niedergang. Den Männern, die mit hohem Verständnis geistiger Werte, mit weitreichender staatsmännischer Einsicht, mit be-harrlicher Willenskraft vor einem Jahrhundert die Bonner Universität geschaffen haben, ihnen gebührt unser erster feierlicher Dank.Nicht rasch hat sich der junge Baum entwickelt. Man kann eher sagen, daß die Uni-versität, wesentlich unter dem schweren Drucke innerpolitischer Verhältnisse, Jahrzehnte hindurch in ihrer Entwicklung gehemmt gewesen ist. Das hat sich seit den deutschen Einigungskriegen völlig geändert. Die Schaffung des Reichs schuf auch unserer Universität den Raum zu freiem Aufstieg. In großem Weitblick und mit starker Willenskraft haben die Leiter der preußischen Geistesangelegenheiten un-serer Universität ihre verständnisvolle Fürsorge zugewandt. Mit großem Dank erken-nen wir dies an und gedenken ehrend der Männer, die an diesem Werke mitgeholfen haben. […] Entsprechend ist die Zahl der Studierenden gewachsen. Wir begannen mit 47 Studenten und haben jetzt zufällig genau 7047, ungerechnet die vielen Hun-derte von Gasthörern. [...]Dieses äußere Wachstum ist nicht entscheidend. Die kleinste Universität kann in der Geschichte des Geistes das größte leisten. Wichtig ist allein die Frage: haben wir uns auch innerlich entwickelt? hat die Universität Bonn ihre Zeit und deren Forderung verstanden? Man hat ja öfter außerhalb der Universitäten die Vorstellung, als ob sie so ziemlich versteinerte Reste einer reichen Vergangenheit, aber nicht neuen Auf-gaben gewachsene lebensvolle Gebilde seien. Man meint, daß sie abhold jeder Neuerung streng bei dem Gewesenen beharrten: „Ich lieg‘ und besitze: laßt mich schlafen“. Aber das ist eine Täuschung. Auch diese Gebilde sind beständigen leisen Änderungen unterworfen, jede einzelne für sich vielleicht nicht bedeutend, aber in ihrem Zusammen doch schließlich eine völlige Wandelung darstellend. [...]Noch immer fehlt viel daran, daß sie alle Wissenschaftszweige umfaßte; aber viele früher beiseite gelassene oder gar ungeahnte Gebiete sind der Forschung und Lehre in den durchmessenen Jahrhundert doch neu erschlossen worden, und so viele Wünsche noch unbefriedigt, wir dürfen die gemachten Fortschritte doch mit Freude feststellen.

Quelle kommt noch!Seite 3; 4; 6; 7; 8; 11; 12; 13.

Burschenschaften

Corpsgeschichte im engeren Sinne. - In: Devens, Friedrich Karl (Auftraggeber): Biographisches Corpsalbum der Borussia zu Bonn 1827-1902. Düsseldorf 1902, S. 3; 4; 12;13.

Seite 3

Corpsgeschichte im engeren Sinne.

[...] Das Studentenleben der am 18. Oktober 1818 gestifteten rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, der schönsten Gabe der Hohenzollern an die durch die Freiheitskriege erworbenen Rheinlande, ward sogleich von der Burschenschaft mit

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Beschlag belegt, so dass sich in dieser Zeit der Gährung kein Corpsleben entwickeln konnte. Erst als nach 1819 der Umschwung der Meinungen ein Wiedererstarken der Corps herbeiführte, kam es auch in Bonn zur Gründung einzelner Corps.

Seite 4

Bereits 1820 thaten sich Rhenania mit blau-rot-weiss und Guestfalia mit grün-weiss-schwarz auf. Diese und die 1825 mit schwarz-rot-weiss bestehende Lahnania erfreuten sich indessen keiner ungetrübten Jugend. Schon im Jahre 1822 waren alle Verbindungen aufgehoben worden, doch bestanden sie in der Stille weiter. Unter ihnen scheint auch eine Borussia gewesen zu sein, denn als im Jahre 1826 die Burschenschaft aufgelöst ward und die bedrängten Corps der Rhenanen und Lahnanen freiwillig auseinander gingen, wird berichtet, dass ausser den Westfalen noch ein Corps Borussia bestanden habe. [...]

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Den festen, schneidigen Grundsätzen, auf denen die Stifter die Borussia gegründet, war es zu verdanken, dass das Corps schweren Zeiten Trotz zu bieten vermochte. Denn läuternde Prüfungsjahre blieben nicht erspart. Zwei Gegner waren es, mit denen das junge Corps gleich den anderen Bonner Corps zu kämpfen hatte. Sieg auf Sieg ist im Kampfe mit dem einen Gegner, den Burschenschaften, zu verzeichnen. Schwieriger war die Stellung gegenüber Regierung und Universitätsbehörde. Da hörten Verdächtigungen und Verfolgungen nicht auf, obwohl die Corps nicht ermüdeten, ihre loyale Gesinnung zu betätigen.Die schlimmen Folgen der Karlsbader Beschlüsse Metternichs vom Jahre 1819, die in der heranwachsenden Jugend die Entwicklung und Stärkung eines freimütigen deutschen Geistes zu verhindern suchten, waren zwar von den Corps, weil sie weniger verdächtig erschienen, glücklich überwunden. Als aber die französische Juli-Revolution von 1830 neue Bewegung in die deutschen Lande brachte, lebte die alte Anschauung wieder auf, dass die Corps heimlich verbotene, staatsgefährliche Zwecke verfolgten und mehr als einmal vermochten sie sich nur dadurch zu retten, dass sie sich äusserlich für kurze Zeit suspendierten. Schon im Winter-Semester 1833/34 heisst es in den Annalen unterm 27. Januar: „Die Borussia löst sich auf! Das Ministerium hat es für nötig erachtet, einen Kammergerichtsreferendar hierher zu senden, dessen Auftrag dahin lautet, gegen die Burschenschaftler und Mitglieder geheimer Studentenverbindungen zu agieren.“ [...]

Seite 13

Unterdessen bestanden die Corps in der Stille fort. Mit ihnen aber auch ihre Verfolgung. Im Winter 1836/37 waren abermals mehrere Preussen und viele Mitglieder anderer Verbindungen vor den gestrengen Salomon oder Salamander, wie sein Spitzname lautete, geladen. Es ward ihnen eröffnet, dass sie in dem Verdachte ständen, verbotenen Verbindungen anzugehören. Die Untersuchung verlief jedoch ergebnislos. Ein August-Kommers, während dessen Dauer Polizeibeamte an der Türe Wache hielten, musste ohne Farben abgehalten werden. 1839/40 mussten die

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Bücher, Bänder und Pauksachen des Corps abermals in Sicherheit gebracht und beschlossen werden, die Verbindungen für aufgelöst zu erklären, sobald ein Mitglied vor den Untersuchungsrichter citiert werde, ein Beschluss, der noch im Sommer 1842 abermals eingeschärft ward, als „die Untersuchungen einen bedenklichen Charakter annahmen“. Man beschloss, sich auf keine Fragen des „Salamanders“ einzulassen, der Sicherheit halber jedoch vorläufig keinen S. C. abzuhalten.Das Verhältnis der Bonner Corps zu einander war damals in allen wichtigen Fragen ein durchaus freundschaftliches. [...]

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Studentische Ausflüge in die Bonner Umgebung

Zehn Jahre aus meinem Leben oder meine Bemühungen und Erfahrungen im Studenten-, Kandidaten- und Hauslehrerstande.Bon, Dr. F. W. Krug, Elberfeld, 1857Teil, umfassend mein fünfjähriges akademisches Leben.

Seite 1-3Erstes Buch. Erstes Semester.Aller Anfang ist schwer, Gottes Wege sind hehr.

Es war im Anfange des Blumenmonats 1832, als ich in meinem dreiunddreißigsten Lebensjahre nach der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Bonn zog. Beziehen im eigentlichen Sinne konnte ich sie darum nicht, da ich dazu noch keinen Rechtstitel hatte. Autodidakt, wie ich nicht ohne allen gelehrten Beistand gewesen war, hatte ich in. Ermangelung eines ordentlichen Gymnasialbesuchs auch kein Abiturienten-Examen gemacht, und so war ich ohne die gewöhnliche Legitimation geblieben. Dieses war aber für meinen Entschluß, ordentliche akademische Studien zu machen, kein Hinderniß gewesen, weil damals noch die nicht lange nachher abgeschaffte Einrichtung bestand, daß sowohl Autodidakten, als gewesene Gymnasialschüler ein sogenanntes Immatriculations-Examen, gleichsam als Ersatz des umgangenen oder mißglückten Abiturienten-Examens machen konnten. In einem solchen gedachte auch ich mir das Zeugniß der Reife, und damit alle Rechte eines immatriculirten akademischen Bürgers zu erwerben. Da ich hier übrigens nicht ab ovo beginnen wollte, also weder von der eigenthümlichen inneren und äußeren Begründung, noch von der materiellen Anbahnung dieses meines Lebensweges, so spreche ich schlechtweg von meinem Ziehen zur Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität. [...]Nicht zum ersten Mal in meinem Leben, jedoch zum ersten Mal in dieser höheren Gegend, befand ich mich am linken Rheinufer, sein ganzes lenzbeseeltes Panorama vor Augen. Links den majestätischen Rhein mit seinen grünen Wogen, rechts am Vorgebirge der Eifel das gigantische Schloß Brühl mit seiner reizenden Umgebung, in der Fronte das hehre herrliche Siebengebirge, und dabei den Glanz und Duft der neuen Wiedergeburt der Natur. An tiefer, warmer Empfindsamkeit für die zugleich sinnlich und geistig ergreifende Offenbarung Gottes in der Natur hatte mir‘s nie gefehlt, aber auf meiner damaligen Reise konnte ich mich ihren mächtigen, reinen Eindrücken nur wenig hingeben. Meine Seele war zu voll von der Vergangenheit und Zukunft, von Gottes bereits erfahrener und weiter zu erwartender Führung, von Grund und Ziel meines Weges, als daß ich der räumlichen Gegenwart meine ganze Aufmerksamkeit hätte zuwenden können. Doch wie könnte ich diese Zustände und Bewegungen hier schildern wollen! Mit Uebergehung hiervon will ich daher in meiner Geschichte fortfahren.Es war Nachmittags gegen vier Uhr, als ich am Ziele meiner Reise anlangte. Mit unbeschreiblichen Gefühlen trat ich durch das Kölnthor in die Kölnstraße ein, durchwanderte ich sie nebst der Bonngasse bis auf den Markt. Der Gegenstand dieser meiner Gefühle war indeß nicht die Stadt an sich in ihrem grauen Alter und in ihrer frischen Jugend mit ihrer interessanten Geschichte und den davon zeugenden Denkmälern, sondern die Stadt eben als holder Musensitz oder hohe Schule für

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Wissenschaften und freie Künste, als ehrwürdige Mutter höchster, weitester, humaner Bildung, so wie auch alle akademischen Bürger in der Stadt und mein zukünftiges Verhältniß und Leben unter ihnen. Wie schlug mir das Herz, wenn mir junge Männer mit farbigen Mützen oder Mappen unter dem Arme begegneten! Durfte ich in ihnen schon stillschweigend meine künftigen Commilitonen begrüßen, oder durfte ich es nicht? Ach, Sein oder Nichtsein – dieses war für mich die inhaltschwere Frage! Doch hierüber nicht hier, sondern an einem anderen Orte. Ich nahm mir auch nicht die Zeit, lange Monologe oder Selbstgespräche zu halten. Es handelte sich zunächst um die nöthigen Schritte zur Erlangung einer Wohnung. Doch nicht an Bürger Großgarten als wohlbestallten Quartiermeister der Musensöhne war ich dabei zunächst gewiesen, wenigstens brauchte ich zunächst nicht unmittelbar mit Aufsuchen zu ihm meine Zuflucht zu nehmen. Wie fremd ich auch in der Musenstadt war, so winkten mir in ihr doch schon recht freundliche Gestirne. Wie es sich damit verhielt, muß ich kurz erzählen. [...]

Seite 41-42[...] Von der Immatriculation ist mir außer der Matrikel auch noch der Revers oder vielmehr dessen gedruckte und schriftlich beglaubigte Copie übrig, welchen ich wie alle angehenden akademischen Bürger im Original unterschreiben mußte. Als Denkmal der damaligen Verhältnisse will ich ihn hier wörtlich mittheilen.

„Ich Endes-Unterzeichneter verspreche hierdurch, nach geleistetem Handschlage auf mein Ehren-Wort: daß ich, bei Vermeidung der Strafe der Relegation, keiner von der akademischen Obrigkeit nicht autorisirten Studenten- oder andern Verbindung, welchen Namen dieselbe auch führen sollte, beitreten, und im Falle des auf hiesiger oder auf einer andern Universität schon erfolgten Beitritts, sofort aus derselben austreten wolle.

Insbesondere erkläre ich mich für verpflichtet, den Forderungen des hohen Bundestags-Beschlusses vom 20. Septbr. 1819, und zwar vorzüglich in §§. 3 und 4, welche mir vorgelesen worden und in den akademischen Gesetzen S. 66–67 abgedruckt sind, stets nachzukommen und mich allen gegen die Uebertreter daselbst ausgesprochenen Strafen und nachtheiligen Folgen zu unterwerfen. Endlich erkläre ich noch, in einem Anhang zu den akademisches Gesetzen einen Abdruck der Kgl. Kabinets-Ordre d.d. 21. Mai 1824 erhalten zu haben, deren Inhalt mir bei meiner Immatricualtion auch noch besonders bekannt gemacht worden ist.

Bonn, den 11. Mai 1832.Gez.: Fr. W. KrugFür gleichlautende Abschrift Königl. Universitäts-Sekreteritat:Oppenhoff.[...]

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1834-08: An den Vater, Bremen; 15.05.1834, BonnBonn Donnerst. 15 Mai 34Lieber Vater, ich komme so eben von einer vortrefflichen Tour in das Siebengebirge zurück, von der ich Euch sogleich in der ersten Hitze einen Bericht entwerfe. Auf Antrieb G. Menkes, der auf einige Tage hierher zum Besuche zurück gekehrt ist, gin-gen wir, er nämlich und 2 Lübecker Füchse außer mir, gestern Abend um 10 Uhr bei hellem Sternenschimmer und dem schwachen Lichte des Viertelmonds aus Bonn, um die Nacht hindurch im Gebirge umherzudämmern. Eine Stunde unterhalb Bonn setzten wir über den Rhein und erreichten den Wald, als grade der Mond gegenüber im Westen unterging. Auf den dunkeln, ganz beschatteten Wegen stiegen wir in den Thälern, oft unsicheren Schrittes, stolpernd und fallend, allmählich aufwärts, mitunter weilen an helleren, Übersicht und Aussicht bietenden Stellen, wo die schöngeformten Berge und die engen Thäler, ernst und schweigend, unter dem Schleier der Nacht halb verhüllt, wenn nur unser laut und lange wiederhallendes Rufen und Schießen die Stille unterbrach, uns die bequemere Position unserer Bonner schlaflustigen Gesellenschaft nicht beneiden ließ. Unser erstes Ziel war der Ölberg, vulgo Nitzschnase genannt, weil seine Gestalt eine frappante Ähnlichkeit mit der Nase dieses ehrenfesten Theologus entwickelt, der höchste und zugleich am weitesten zurück gelegene Berg des Gebirges. Nach einer zuletzt mühsamen Kletterei kamen wir um 2 Uhr sämmtlich mit geschundenen Knien und Schienbeinen oben an und ruhten ¾ Stunden lang im Anschauen des klaren Sternenhimmels und der dunkeln Umgegend, die man etwa auf 10 Meilen im Durchmesser übersehen mag. Von dort aus, anfangs über die steilen Klippen einer nach dem andern herabsteigend, kneipten wir auf die Löwenburg. Es begann heller zu werden, Berge und Thäler traten in deutlicheren Umrissen aus der Dämmerung heraus. Der Weg führt durch kleiner Berge und Thäler; angenehme Aussichten forderten uns oft auf zu weilen; doch gebot der herannahende Morgen Eile. Pittoresk war die Aussicht von dem Fuß der Löwenburg, von einem einzelnen Hause, Burghof, aus (Bist Du da gewesen?). Ein enger tiefer Kessel, umschlossen von schöngeformten Bergen, deren junges Mailaub mit dem schönsten Grün renommirte und dahinter im Osten der in Gold und Purpur strahlende Himmel. Eine Stunde hatten wir gebraucht, als wir oben ankamen, und auf den hohen Mauern der alten Ruine sitzend erwarteten wir das Erwachen des Tages. Unvergleichlich herrlich, wie ich es noch nie gesehn habe, ging die Sonne auf und wundersam war es, als in demselben Moment wo der erste Strahl, einem großen Stern gleich, in N.O. aufflammte, von hinten her aus dem Thal das melodische Läuten einer Kirchglocke zu uns herauf tönte, wie ein Hymnus, den die nun wieder lebendige Natur dem Beleber aus Osten sang. Wir verweilten noch einige Zeit, um die Gegend in der stets wechselnden Morgenbeleuchtung zu betrachten. Das Siebengebirge dessen Höhen u Thäler fast alle man unter sich und um sich erblickt, stand mit seinen erleuchteten Gipfeln und seinen noch dunkeln Gründen in seiner ganzen Pracht vor uns, und das Rheintal konnten wir weit hinauf verfolgen. Wir stiegen nun zum Rhein hinab, Nonnenwerth gegenüber, und der Drachenfels <[…] dieser, der Südseite her, die schönste Aussicht bietet> sollte nach unserm Plane auch heute noch unseres Besuches theilhaftig werden. Ich, so frisch noch, als käme ich eben vom Schlafe, wünschte dies sehr, aber die andern, todmüde waren nicht mehr capabel; selbst der robuste, vierschrötige Menken hatte den Muth verloren, noch die schlechten 1000 Fuß wieder hinauf und hinabzusteigen. So gingen wir nach Königswinter, und da wir die ganze Nacht bei der Anstrengung Nichts gegessen hat-ten, so behagte uns ein tüchtiges Frühstück sehr; doch schlief der eine Fuchs, auf seinem Stuhl sitzend, plötzlich ein und wir hatten ganz viel Amüsement, indem wir allerlei Affenschande mit aufstellten, ihm Fidibus in’s Maul steckten etc. etc. Wir nah-

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men einen Nachen und fuhren fidel nach Bonn in einer Stunde herunter, wo wir denn um ½ 9 völlig satisfaits ankamen, wenigstens von dem, was wir gesehn und weniger von dem, was wir erduldet hatten. Denn man verschwor sich, nicht wieder die Nacht nach dem Siebengebirge zu gehen und sich noch einmal so schandbar anzustrengen. Ich aber gedenke diese Streiferei, so bald es sich macht, mit Glanz zu wiederholen und nicht bloß einmal.

Hoffman-Ruf, Michaela (Hrsg.): Johann G. Gildemeister. Briefe 1831 – 1888. Studium, Reisen und der „Hl. Rock zu Trier“ (1831 – 1845), In: Stephan Conermann (Hrsg.), Bonner Islamstudien, Band 35 I.,Göttingen, S. 154 – 156.

Elisabeth Nees an Baer, Poppelsdorf, 23. Januar 1820

Nachweis: UB Gießen, Nachlass BAER, Bd. 16.

Seiten: 4 Seiten, ohne Anschrift.

Format: 1 Blatt, ca. 42x25 cm, in der Mitte zu 4 Seiten gefaltet.

Zustand: Stempel „Bibliothek der Ludwigs-Universität Gießen“ auf S. 1; Textbeschädigung durch Faltung

Poppelsdorf d. 23ten Jenner 20.

Ich habe Ihnen sehr lange nicht geschrieben daß mein Schweigen wohl einer Entschuldigung oder wenigstens Erklärung bedürfte wüßte ich mir nur selbst darüber Rechenschaft zu geben. Nicht daß ich Ihrer nicht häufig mit dem Wunsche gedacht hätte öfter von Ihrem Leben und Wirken Nachricht zu erhalten; aber schreiben – Sie an mich erinnern, konnte ich dennoch nicht. Ich muß wünschen , daß meine entfernten Freunde auch ohne Briefe zuweilen an mich denken möchten, denn mir wird mit jedem Tage schwerer etwas von mir zu sagen,das Innerliche meines Lebens heraus zu kehren , zu eigner und fremder Betrachtung. In mir wird es still, ganz still, und wenn es wahr ist daß unser inneres Leben nur der Abdruck unseres Äußeren ist, so ist der umgekehrte Fall doch nicht weniger wahr.

Ich lebe völlig einsam hier im Schlosse mit meinen Kindern, Nees ist in der Stadt zurückgeblieben; außer mir mein Schwager, Inspektor des Gartens und Prof. Goldfus, mit dessen Familie ich doch wenig Verkehr habe. Das Schloß ein weitläufiges zerfallenes Gebäude, nothdürftig zu Wohnungen eingerichtet, nicht ländlich, nicht häuslich bequem, Spuren ehemaligen Prunks in den marmornen Kaminen und Säulengängen u. Sälen. Wind und Regen schlagen durch die zerklüfteten Fenster , und Schutt (S. 2 = Rückseite von S. 1) und Graas ist auf den Stiegen, in den Hallen u. im innern Hofraum. Die unteren 16 Säle noch völlig leer; - überall neue Winkel und Eckchen neben den größeren Räumen. Noch ist mir das ganze Gebäude kaum zur Hälfte bekannt. Neben meinem Wohnzimmer die, ehemals

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heitere Schloßkapelle, jetzt von Goldfuß für die Abtheilung der Insekten bestimmt. Um das Schloß der botanische Garten, dann ein Graben, Brüke und eisens Gatter, auf dem Platz vor dem Eingang hohe dunkle Fichten. Der Garten , wie jede neue Anlage, ohne Scgatten, die Nachtigallen zogen mit den belaubten Gängen. Das Treibhaus zum dritten Theil kaum fertig, am Neuen Jahre bezog man das warme Haus, so starben die meisten Gewächse. Die Aussicht ist schön aus den oberen Zimmern, vornen die sieben Berge, links der Kreuzberg mit der schönen Kapelle, am Fuße das Dorf. - Die Entfernung von der Stadt ist gros genug um selten dahin zu kommen, noch weniger sehe ich Besuche von dorther. Nees kommt jeden Abend zum Essen u. Kehrt in der Nacht zurük. Wollen Sie mich fragen was denn nun von dieser Lebensweise zu halten sey, so kann ich Ihnen nichts als Gutes davon sagen; es hat die Einsamkeit abermals ihre wohltätige Macht an mir geübt, ich habe mich allein durch sie aus einem verwirrten, unlautern, und trüben Leben herausgefunden das mich hier am Rheine begrüßte;- eben Ihr Brief traf mich im Junius ein einem (S. 3) Zustande großer äußerer u. innerer Unruhe. - Lange hätte ich keinen unbefangen, nicht formellen, Brief schreiben können, einige Monate von Krankheit folgten.

So geschah es, daß ich bis jetzt geschwiegen, ohne doch Sie und Ihr Leben vergessen zu haben. Rechnen Sie mir es nicht allzu hoch an, schreiben Sie mir bald, über Sie, und ihre Braut – oder Frau? - über Ihre Aussichten, Antheil an Ihrem Wohlergehen nehmen als ich. Es ist auch keineswegs mein Fall etwa über neuen Freunden die alten zu vergessen; die Zahl derer die mich kennen und verstehen wie Sie mich kennen, ist so klein daß ich nicht Einen entbehren könnte, ohne sehr zu verarmen.

Nachdem ich so viel von mir gesprochen, erwarten Sie wohl auch einiges von Bonn zu hören; hier wäre sehr viel zu sagen; getäuschte Erwartungen, unerfüllte Hoffnungen, Mismuth, Partheygeist, Ungeduld, dies umfaßt dennoch so ziemlich alles. Beklagen Sie es nicht zu sehr die hiesige Stelle nicht erhalten zu haben; Ihre äußeren Verhältniße würden schwerlich dadurch gewonnen haben; die Zahl der Lehrer beläuft sich wohl auf 50, ein Drittheil wenigstens hat keine Zuhörer. Für Naturgeschichte, im weitesten Sinne, sind die Gemüther am verstoktesten. Prosektor ist ein gewisser Weber aus Landshut ein Schüler Walthers. Mayer, der Pr(of). Der Anatomie ist ein einfacher (S. 4 = Rückseite von S. 3) etwas unbedeutender Mann, nicht geeignet für seine Sache und die der Wissenschaft zu begeistern. Walther dagegen wird sehr geschätzt und ich glaube er verdient es in jeder Rüksicht. Man sagt er habegegen Döllinger gewürkt. Dieser ist seit kurzem als Akademiker nach München berufen. Sömmering privatisirt künftig in Frankfurt. Einige glauben, daß Oken Döllingers Stelle bekommen würde. Oker war im letzten Herbst in München, mit Döllinger. - Daß D´Alton hier Professor ist werden Sie wissen, ob zu seiner und des Publikums Zufriedenheit will ich nicht beantworten. Er lebt mit seiner Familie sehr zurükgezogen u. Still; doch scheint ihm das bürgerlich-einfache dieser Lebensweise nicht sehr zuzusagen, und in der That ist er derselbe D´Alton nicht mehr der er in Würzburg u. Sikershausen war. Panther habe ich im vorigen Frühjahr auf seiner Durchreise aus Frankfurt gesehen, die heitersten Stunden die ich hier verlebte. Die Liebenswürdigkeit seiner Erscheinung hat mir eine ganze Welt angenehmer Erinnerungen vor die Seele geführt. Wie reich waren jene Zeiten, an Lust und Thränen reich! Ich glaube, daß Panther doch sehr unverdorben zurückgekehrt ist, obwohl ich Ihre Besorgniß in Rüksicht seiner völlig theilte. Ich hatte noch an wenig Menschen ein so inniges herzliches Wohlgefallen wie an Panther; wolle ein gütiges

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Schiksal über ihm walten! Er schrieb meinem Manne kürzlich aus Dorpat, wo er nicht eben glücklich zu seyn scheint.

Können Sie mir etwas über die Professoren Delbrük und Hüllmann sagen die früher in Königsberg waren? Auch über Hüllmanns Frau? Kennen Sie Doktor Moterby? - Minna Doro?

Ich habe kürzlich wieder einen großen Verlust arlitten an Julien, meiner so lieben Freundin. Sie ist nicht todt, aber verheurathet, u. Somit am Todt für mich. Ist die Ehe immer das Grab der Freundschaft? Ich fürchte es, u. ehre es zugleich. - Gott sei mit Ihnen, und Ihrer Auguste. Wie gerne möchte ich diese kennen! Noch einmal, leben Sie glücklich.

(Nachtrag am linken Rand:)

Meine kleine Emilie entwikelt sich zu meiner großen Lust. Sie allein fesselt mich ans Leben. Auch meine anderen Kinder sind gut, u. besonders der jüngere Knabe, Carl, sehr gemüthlich und brav; doch schwebt über dem kleinen Mädchen ein gewißes namenloses Etwas, eine Anmuth u. eine Ruhe bey so reicher Phantasie, die sie ungemein (Fortsetzung am oberen Rand der Seite, um 180º gegen die Schreibrichtung gedreht) liebenswürdig macht. Sie ist nicht schön, aber graziös. Nur die Augen sind vom schönsten blau mit langen schwarzen Wimpern. - Lächeln Sie nicht, Sie wissen daß ich die Eitelkeiten der Mütter nicht kenne.

Fliegende Blätter – 1861, Bd. 34, Nr. 832, S. 185 f.

Herrn Graf’s RheinreisetagebuchWenn man das sogennante Siebengebirge hinter sich gelassen hat, so hört damit auch die Schönheit von die Naturgegend auf und man fließt mit dem Rhein in eine große Fläche dahin. Da nun aber eine oberflächliche Umgebung kein boetisches Reizungsmittel nicht mehr für einen Freund von naturhistorischer Schönheit hat, so beschlossen wir uns, blos noch bis zu die beriemte Universidätstadt Bonn zu fahren. [...] Die Herren Studenten oder wie sie sich noch all auf altrömerlich nennen: die Herren Studiofibus, machen in Bonn die Haubtsache aus und geben für die ganse Stadt ein sogenanntes burschikosiges Ansehn. Dieses kann man an alle öffentlichte Einrich-tungen sehen. Zum Beisbiel tragen die Nachtwächter in Bonn jahraus jahrein als haubtsächliche Bekleidung am gansen Leibe braune und blaue Flecke, welche sie in die nächtlichen Begegnungen als Andenken von die Herren Studiofibus beziehen. Ebenfalls sehr auffällig ist es für den fremden Beobachter, daß die untern Fenster von dem Gebeide, wo oben die Universitätsbibliothek ist, fast alle eingeworfen sind. Dieses kommt wahrscheinlich daher, daß die Herren Studenten in ihre Zwischen-stunden sich hierdarin einüben, damit sie bei vorkommende festliche Angelegen-heiten auch die richtigen Fenster zu treffen wissen.Nicht weit davon liegt mitten in eine schöne Bromenade ein nettes Haus, welches man uns sagte, daß dieses ein Theader wäre. Es kam uns sehr sonderbar vor, daß bei hellerlichten Tage dorthinein so viele Menschen gingen, welches besonders lauter Studenten waren. Wir fragten also, ob denn jetzt schon in dem Theader etwas los wäre und bekamen eine kopfnickende Beantwortung. Wir schlossen und deshalb

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an das Bublikum hinten mit an, weil wir alle zwei Beide sehr große Theaderfreinde sind. Auch hörten wir von einem erhängten sprechen, der heute sollte gegeben wer-den, welches wahrscheinlich, wie wir dachten, so ein schönes schauerlichtes Trauer-spiel von der Madame Bergfeifern wäre, wo man recht angenehm bei alle Nerfen angegriffen wird. Aber diese Entsetzlichkeit will ich keinen Menschen nicht winschen, denn wie wir endlich in einen Saal kamen, so lag da eine tode Leiche auf einem Tisch und von dieser schnitt ein Mann, welchen sie Herr Brofesser betitelirten, mit ein großes Messer Stücken ab, die er an die Herren Studenten vertheilen that, welche darum herumstanden. Weil wir nun nichts andres nicht denken konnten, als daß wir hier unter Leite gekommen wären, die sich wollten auf Menschenfresser einstudiren lassen, so ergriffen wir die eiligste Flucht und waren froh, wie wir uns erst wieder draußen in die Bromenade befanden. Hier stand auch der Mann noch, welcher uns gesagt hatte, daß dieses Gebeide ein Theater wäre; auf diesen stirzten wir uns nun los und machten ihn Vorwirfe über seine an uns verbrauchte Unwahrheit. Aber er sagte, wir sollten getrost jeden Menschen fragen, welcher uns ebenfalls antworten würde, daß dieses wirklich das sogenannte annadomische Theader wäre und worin die Herren Studenten lernten, daß man allemal eine Krankheit gans genau erkennen kann, wenn man den Menschen auseinander schneidet, wo es freilich zum Kuhriren dann zu sbät ist. Daß man aber so etwas ein Theader nennt, dieses scheint mir doch gar nicht recht bassend zu sein, wenn zumal Einer durch den Namen, so wie wir angelockt, sich etwas ganz Andres erwartet.Aber an den letzten Abend in Bonn will ich auch Zeit meines Lebens und noch dariber hinaus gedenken. Denn wie wir ein baar Studiosibus auf der Straße nach einer guten Bierkneibe fragten, weil diese Herren sich besonders viel mit dieser Wis-senschaft beschäftigen und auch wir nach einem Töpfchen Bier Verlangen fihlten, so sagten uns diese Herren, daß wir nur sollten mit ihnen kommen, weil sie gerade zu Rulanden gingen, wo man einen sehr guten Stoff bekommen thäte.In unsre einfache Unschuldigkeit und unsrer fremden Unbekanntschaft mit die hiesigten Verhältnisse gingen wir also mit und wurden von den Herren Studenten in ihr sogenanntes Kneiblokal eingefihrt, wo sie uns den andern Herren, die sie Komm-militonnen nannten, als aufgefundene fremde Filister vorstellen thaten. Dieses muß ein großer Ehrentitel sein, denn die Herren Komilitonnen sbrangen auf und umarmten uns so heftig, daß uns davon die Hüte bis über die Mase hinunterfuhren und dann mußten wir mit an die lange Tafel Blatz nehmen. Sie sagten, daß dies eine wissenschaftliche Versammlung wäre, um hier auch in dem Komerschiren erschiren die erforderliche Fertigkeit zu erhalten. So sehr schwer schien mir diese Wis-senschaft aber nicht zu sein, denn wenn Einer nur dichtig trinken und dazu singen oder schreien konnte, so waren damit schon die Hauptgrundzige von dieser Wis-senschaftlichkeit gelegt. Wir mußten mittrinken, daß uns ordentlich die Augen überlaufen thaten, wobei auf die gestillte Durstigkeit gar keine Bericksichtigung nicht genommen wird, so daß sie ihre Bedrifnisse an Bier wahrscheinlich allemal gleich auf einen Monat brämunerando befriedigen, wenn die lieben Herren Aeltern grade Geld geschickt haben. [...]

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Alles, was wir noch nicht Kapiteln zugeordnet haben

Colli, Giorgio: Friedrich Nietzsche. Briefwechsel. Kritische Gesamtausgabe. Erste Abteilung. Zweiter Band. Berlin 1975,S. 31-33; S. 49-51. Quelle stimmt noch nicht!

457. An Franziska und Elisabeth Nietzsche in NaumburgBonn, Weihnachten 1864

Meine liebe Mamma und Lisbeth,

ich erzähle Euch jetzt der Reihe nach.-Sonnabend war herangekommen; ich hatte zu Mittag gegessen und blieb zu Hause, denn ich dachte, daß möglicher Weise etwas ankäme. Wenn die Thür des Hauses gieng, wenn die Treppe herauf jemand gieng, so steigerte sich meine Erwartung. Es wurde dunkel; noch war nichts da. Ich setzte mich auf das Sopha, zündete die Lampe nicht an und stellte mir vor, daß um diese Zeit Ihr Euch bescheeren würdet. Ich aß etwas zu Abend, es war sieben Uhr. Ich gieng auf unsre Kneipe, auf dem Wege sah ich viel hell erleuchtete Fenster. Dort fand ich die andern Frankonen und einen schönen Christbaum. Dann bescheerten wir uns kleine lächerliche Sachen, z. B. bekam einer, der viele Pumpe hat, eine Sparbüchse, ich erhielt wegen meiner Vorliebe für Hektor Berlioz einen Halbmond. Wir tranken mehere schöne Bowlen, die der Wirth setzte und waren heiter. Gegen 11 kam ich nach Hause, aber ich fand nichts.Morgens wurde ich zur Bescheerung des Wirths heruntergeladen, ich bekam ein höchst elegantes Portemonais. Dann war ich ein Stündchen bei dem Russen, der unter mir wohnt. Wie giengen dann zusammen in die Kirche und wieder heraus. Noch war nichts da. Es wurde Mittag. Da aber brachte man mir zu meiner größten Freude die Kiste. Der Postbote hatte gestern den ganzen Nachmittag herumgesucht, wem die Kiste gehören möchte. Die Addresse war falsch; ich wohne ja Bonngasse 518.Nun gieng ich eifrig ans Werk mit Hammer und Zange. Und was fand ich alles!Auf meinem Tisch baute ich alles auf das Schönste auf und setzte mich davor und las zuerst die allerliebsten Briefe. Und was hast Du, liebe Lisbeth, für ein niedliches Gedicht gemacht mit der burschikosen Mischung studentischer Phrasen und mädchenhafter Empfindung! Wie hübsch sieht der weißrothgoldne Uhrhalter aus! Und ebenfalls wie schön passen die schwarzrothgoldnen Schuhe, die ordentlich unheimlich mir vorkommen! Daß ich all die schönen Eßsachen mit großer Sympathie aufgenommen habe, versteht sich von selbst. Wie hübsch habt Ihr doch an alles gedacht!Nach Tische und einer guten Mahlzeit, wie sie eines Festtags würdig ist, machte ich mich denn an meinen Manfred, den ich mit Herzklopfen aus der Kiste hob, und der von dem Notenpult bis jetzt noch nicht fortgekommen ist. Alle, die etwas daraus gehört haben, sind davon entzückt. Bitte, sprecht der lieben Tante meinen großen Dank aus, ich denke Neujahr an sie zu schreiben.Nachmittag kam Gaßmann zu mir, die andern Frankonen waren in Köln. Wir haben zusammen gesungen und Manfred gespielt und Thee getrunken und von der schönen Stolle gegessen. Um 8 gieng ich dann mit ihm in seine Wohnung und aßen

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dort Spickgans und tranken feurigen Walporzheimer; er las mir seine eignen Novellen vor. Es war ein höchst befriedigender, genußreicher Tag, und wir waren beide in gehobener Stimmung. Ueber alles, was Ihr mir geschrieben habt, habe ich mich sehr gefreut. Sehr leid thut mir nur der arme Zerboni, ich werde wahrscheinlich bald an ihn einmal schreiben, er wird es zwar nicht erwarten.Gersdorff schrieb mir einen langen, sehr interessanten Brief und erzählt auch, daß er bei Euch gewesen„Ich habe dort, schreibt er, aus Deinen Briefen und durch Erzählungen viel von Deinen Reiseerlebnissen von Deiner Einrichtung gehört und mich über alles herzlich gefreut, woraus ich sah, daß es Dir wohlgeht, daß Du allerhand Beobachtungen machtest, die Dir die Deinige gar nicht zugetraut hätten. (So!!) Die Stunde, die ich dort zugebracht, war mir eine sehr angenehme und erheiternde, wie ich sie in einem solchen letzten Winter brauchen kann –“Ueber den Entschluß des Onkel Theobald bin ich recht froh. Ostern werde ich ihn besuchen.Ihr werdet euch offenbar über meine großartige Correspondenz jetzt wundern, wenn Ihr die eingelegten Briefe gefunden habt. Ein paar Tage vorher hatte ich zwei Briefe nach Pforte an Redtel und Kuttig abgesandt. Das ist aber wahr, ich werde nächstens müde, man braucht zu viel Zeit dazu, und schreibt auch nicht jeden Brief mit gleichem Interesse. Ich habe in diesem Quartal außer an Euch geschrieben an den Vormund, an Gustav und Wilhelm, an Gersdorff, an Schenkel, an Redtel, an Kuttig, an Bormann nach Weimar, an den Onkel Edmund, an die Großmama, an die Tanten, an die meisten hiervon zwei oder dreimal. C´est trop! –Der Kalender der Tante Rosalie mit den Notizen darin hat einem längst gefühlten Bedürfniß abgeholfen –Ich weiß immer noch nicht recht, wie lang ein Brief gehen muß um zu Euch zu kommen. Schreibt mir das doch!Und nun lebt recht, recht wohl und verlebt den Rest des alten Jahres anmuthig und träumt in den Nächten die schönsten Träume. Mögen sie in Erfüllung gehn! Meinen herzlichsten Dank!Euer Fritz.

Antwort auf nicht überlieferte Briefe von Franziska und Elisabeth Nietzsche.

465. An Franziska und Elisabeth Nietzsche in Naumburg

Bonn, am dritten Mai. (1865)

Liebe Mama und Lisbeth,

vielleicht habt Ihr schon einige Tage lang auf einen Brief von mir gewartet. Nicht sowohl, um viel Neues von mir zu hören, als um einige allgemeine Bemerkungen über die verflossne Zeit des Zusammenlebens zu vernehmen.Es kam mir darauf an, die Gegensätze des Naumburger und des Bonner Lebens recht scharf einmal neben einander zu stellen. Zudem macht die Verbindung im Beginn des Semesters größere Ansprüche, denen man auch gern willfahrtet, da man

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alte liebe Menschen nach längerer Trennung wieder zu genießen wünscht, neue in reichlicher Fülle kennen lernt. Dabei stärkt man sich in der „Verführungskunst“, obgleich man anderseits ebenfalls verführt wird und muthig seine Zeit zumeist im Freien und in der Kneipe verbringt.Die Collegien haben erst spärlich begonnen. Wir haben uns auf vieles Interessante zu freuen. Der Streit Ritschl’s und Jahns ist in ein neues und äußerstes Stadium getreten, und Ritschl ist beim Ministerium um seine Entlassung eingekommen. Niemand kann sich der Sache freuen, vielleicht mit Ausnahme der hiesigen Theologen, denen ein Skandal dieser Art unter den Philosophen, den Vertretern der Humanität, gar nicht unangenehm sein mag.Es ist ein wunderschöner Frühlingsmorgen; wir haben ein gleichmäßiges Wetter mit heißen Mittagen, schönen Abendsonnen und mäßig kühlen Nächten, wie es wohl zusammenstimmt mit den Blüthenbäumen und dem grünwogenden hellen Rheine. Wir benutzen häufig die Dampfschiffe, die jetzt schon bunte Rheinreisende Fremde in reicher Anzahl auf und nieder führen. Für ein nicht zu blödes Gemüth findet sich Gelegenheit Bekanntschaften zu knüpfen, allerdings so flüchtig wie die Stromwelle. Noch mehr muthen mir Kahnpartien zu, wir haben ein paar Flaschen Wein mit darin, die Sonne ist untergegangen, und der Abendstern tritt hell an dem klaren Himmel herauf. Dann denken wir oft an das liebe Saalthal und singen „An der Saale kühlem Strande“ Dir, liebe Lisbeth, werden offenbar diese sentimentalen Züge gefallen, und ich hätte fast noch Lust, Dir einiges von der Poesie meiner Kaffemaschine, von meinen „saure Milch- und Fischmahlzeiten“ mitzutheilen. Weniger angenehm ist die Schwüle meines Zimmers, das trotz der drei Rouleaux nur am Morgen bewohnbar ist. Ebenso unlieb ist mir der Mangel eines Klaviers. Mein neuer Anzug wird heute ankommen. Ich habe mir einen hübschen Stoff gewählt und den modernsten Schnitt bestellt. Das Thier kostet 17 Thl., einen Thaler habe ich abgehandelt. Das Geld vergeht „wie die Blume des Feldes oder wie die Welle des Stroms.“[…]Ich wünschte Euch wohl einmal heran an den Rhein. Meine Pläne für das Zukünftige reifen allmählich. Seit gestern habe ich erst das rechte philologische Bewußtsein, da ich nun unwiderruflich der philos. Fakultät angehöre. Diesen Sommer will ich vor allem noch etwas Französisch sprechen lernen. Ueber die Herbstferien und das nächste Semester schreibe ich Euch nächstens einmal.In jeder Beziehung habe ich jetzt das Bestreben mich zu centralisiren. In meinen Stiefeln sind wieder schreckliche Unebenheiten und Hügel. Sie können es nicht vertragen mit Füßen getreten zu werden.Nun, liebe Lisbeth, ist Dir die tiefe Idee des Gleichnisses klar? Denke nur darüber nach und vertiefe Dich andächtig in den – Stiefel.- Es ist wieder ein schöner Morgen, meine Arbeit ist vor kurzem vollständig fertig geworden, und heute wird sie abgegeben. Um 7 Uhr werde ich in das Colleg gehn.Das ist sicher, daß wir jetzt noch schönere Ferien mitsammen verleben würden. Denkt an Morgenspaziergänge.Die Entfernung bis zu den Herbstferien kommt mir erstaunlich gering vor. Aber es soll viel in der Zeit geschehn. Schreibt mir recht bald einmal.Aufrichtig, wenn ich Euch immer Geschichten und äußere Erlebnisse mittheilen soll, da wird das Briefschreiben oft recht schwer. Spritzfahrten sehen sich auf ein Haar äußerlich ähnlich und mit einem „Schön und Reizend“ ist niemandem gedient.Erkiesen wir uns andre Briefgegenstände.Nun meine liebe liebe Mamma sammt der guten Elisabeth und den freundlichen Tanten

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denkt meiner recht oft.Fritz.

Elisabeth Nees an Baer, Bonn, 24. Februar 1819

Hier fehlt die Quelle! S. 92-94

Bonn, d. 24ten Febr. 19.,

Sie haben mir so viel aus Ihrem Leben mitgetheilt daß ich weniger Antheil an Ihnen nehmen müßte als ich es thue, wenn ich Ihnen nicht recht bald antworten sollte. Rathen kann ich Ihnen nicht, will es auch nicht, doch glaube ich zu wissen was Sie ergreifen werden, zu ahnen sollte ich sagen, denn ich müßte schweigen wenn ich Sie als völlig entschieden dächte.Nach Dorpat gehen Sie wohl nicht; daß Sie nicht nach Liefland aufs Land zurükkehren, darum möchte ich Sie fast einzig bitten. Lassen Sie nicht ein, durch langes Entbehren vielleicht allzu empfänglich gewordenes Herz hier die einzige Stimme haben. Das idealische solcher in patricharchalischer Zurükgezogenheit verlebten Jahre der ersten glücklichen Liebe wird nur zu oft vom Schiksal auf eine unfreundliche Weise zurükgefordert, wenn wir den rechten Augenblik versäumen wo der wieder aufwachende Trieb nach Würksamkeit, nach Wissenschaft und ausgedehnter praktischer Weltumfassung den Mann aus dem Familienkreise ins Leben zurükführen will. Wir selbst täuschen uns oft gerne über diese innre Anfoderungen und eben so oft binden uns äußere Verhältniße. Neigungen die wir lange mit Liebe genährt und gepflegt, können wohl für eine gewisse Zeit durch gewaltigere Gefühle unterdrückt, aber gewiß nicht getödtet werden. – Ich sollte dies nicht sagen, denn Sie wissen das Alles besser als ich, und doch glaube ich so Manches erlebt zu haben was mir wenigstens bey einem nachsichtsvollen Freunde eine Stimme erlaubt wenn vom Glük und Unglüke des Lebens die Rede ist. Über den wichtigsten Schritt Ihres Lebens haben Sie entschieden, möge alles Heil und Glük für Sie daraus hervorgehen dessen Sie so empfänglich sind. Ich denke und fühle bey dieser Veranlassung mancherley was ich nicht sagen kann.Meine besten Wünsche begleiten Sie, dies glauben Sie.Sagen Sie mir einmal wenn Sie erst Worte gefunden haben, etwas von ihr.Nees trägt mir auf, da er selbst in diesem Augenblik sehr beschäftigt ist, einige Ihrer Fragen in Beziehung auf die hiesige Universität zu beantworten. Seltsam ist es daß Sie abermalen von mir hören müssen daß Meyer von Aarau für die Professur der Anatomie berufen ist. Ich habe nie ernstlich an Döllinger geglaubt; es schien mir sein Bemühen, wie es sich vielleicht auch jetzt ergiebt, eine etwas rundte Speculation auf Gehaltszulage in Würzburg. Ich zweifle ob Sie durch den Tausch verlieren würden. Es lebt sich nicht immer gut mit Döllinger im näheren Verhältniß.Anatomische Sammlungen sind so wenig vorhanden wie andere, doch hat die Regierung für Alles bedeutende Summen bewilligt, jeder Professor sorgt für seine Sphäre. Büchersammlungen werden gekauft, auch geschenkt; Die Bibliothek soll jetzt schon bedeutend seyn. Am meisten scheint der Minister v. A. doch die Naturgeschichte zu begünstigen; im Lustschlosse Poppelsdorf, 10 Minuten von der

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Stadt, erhält sie die 12 Säle, welche das Erdgeschoß des Schlosses bilden; oben Wohnungen für Kästner, Goldfus, uns, die Aufseher u.s.w. (auch die Physik und Chemie siedelt sich dort an.) rings um das Schlos der botanische Garten, große neue Treibhäuser, Büsche von ausländischen Holzarten, in dem kleinen Park der schon da ist, wohnten bis jetzt 20 Nachtigallen. Mögten sie nicht durch das neue Wesen vertrieben worden seyn. In der Stadt sind die Wohnungen ziemlich theuer, wie überhaupt alle Lebensbedürfnisse, wenigstens theurer als in Franken; doch soll dies sonst nicht gewesen seyn. Man rühmte ehemals Bonn wegen der Wohlfeilheit der Lebensmittel. Um den Professoren u. Staatsdienern überhaupt, wohlfeilere und bessere Wohnungen zu verschaffen hat der König 400,000 Thl angewiesen zur Erbauung von 20 Häusern im Schlosgarten, die die Professoren mit 40 PCt. Gewinn zu kaufen oder vermiethet erhalten. – Handwerker, Dienstboten und sonstige Verhältniße des innern Hauswesens sind hier dem Fremden anstößig und schwer anzueignen. Schon die Steinkohlen statt des Holzes sind wegen des beständigen feinen Staubes, schmuzig und widrig, doch wissen dies die Eingebohrnen gut zu versteken, denn die Einrichtungen sind nett und gefällig; in Kleidung kein großer Luxus. Die Gesellschaft im Ganzen mit Geist, man genießt gern u. viel. Das hiesige Bergamt verknüpft die ernstere Wissenschaft freundlich mit der Natur. – Von dieser erwarten Sie wohl auch etwas zu hören. Doch mögte ich hier lieber schweigen; ich bin diesen ganzen Winter hindurch kränklich gewesen und habe die Stadt wenig verlassen. Eine unangenehme Zugluft vom Rheine her, die hier herrschend seyn soll, scheuchte mich immer wieder zurük. Ich hoffe auf das Frühjahr. – Neue Professoren die auf Ostern hier erwartet werden, sind Walther von Landshut u. Mittermaier, Bischoff aus Erlangen (ob Kieser ist noch ungewiß) Münchow aus Weimar für Astronomie; Wenzel aus Frankfurt für die Entbindungskunst hat abgelehnt. Noch ist die Medizin nicht voll besetzt, die Rechtswissenschaft u. katholische Theologie, Philosophie am stärksten. Auch Philologie. – Von Delbrük u. Hüllmann hörten Sie wohl in Königsberg. Delbrük bin ich sehr gewogen. Auch Windischmann, Arndt, Sak sind werthe Namen. Arndt´s Frau, Schleyermachers Schwester, ist anziehend, still, sinnig, in deutscher Tracht, verschleyert möchte man sagen. Gräfin Dohna, ehemals auch in Königsberg, Scharnhorsts Tochter, ist eine der vorzüglichsten hiesigen Frauen. So weit Bonn. – […]

Fliegende Blätter Nr. 832 (Herrn Graf’sRheinreisetagebuch): Die Herren Studenten oder wie sie sich noch all auf altrömerich nennen: Die Herren Studiosibus, machen in Bonn die Hauptsache aus und geben für die ganze Stadt ein sogenanntes burschikosiges Unsehn. Dieses kann man an alle öffentliche Einrichtun-gen sehen. Zum Beispiel tragen die Nachtwächter in Bonn jahraus jahrein als haupt-sächliche Bekleidung am ganzen Leibe braune und blaue Flede, welche sie in die nächtlichen Begegnungen als Studenten von die Herren Studiosibus beziehen.Ebenfalls sehr auffällig ist es für den fremden Beobachter, daß die untern Fenster von dem Gebeide, wo oben die Universitätsbibliothek ist, fast alle eingeworfen sind. Dieses kommt wahrscheinlich daher, daß die Herren Studenten in ihre Zwischen-stunden sich hierdarin einüben, damit sie bei vorkommende festliche Angelegen-heiten auch die richtigen Fenster zu treffen wissen.Nicht weit davon liegt mitten in eine schöne Bromenade ein nettes Haus, welches man uns sagte, daß dieses ein Theader wäre. Es kam uns sehr sonderbr vor, daß

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bei hellichten Tage dorthinein so viele Menschen gingen, welches besonders lauter Studenten waren. Wir fragten also, ob denn jetzt schon in dem Theader etwas los wäre und bekamen eine kopfnickende Beantwortung. Wir schlossen uns deshalb an das Publikum hinten mit an, weil wir alle zwei Beide sehr große Theaderfreinde sind. Auch hörten wir von einem Erhängten sprechen, der heute sollte gegeben werden, welches wahrscheinlich, wie wir dachten, so ein schönes schauerlichtes Trauerspiel von der Madame Bergfeifern wäre, wo man recht angenehm bei alle Nerfen angegrif-fen wird.Über (oder Uber) diese Entsetzlichkeit will ich keinen Menschen nicht winschen, denn wie wir endlich in einen Saal kamen, so lag da eine tohte Leiche auf einen Tisch und von dieser schnitt ein Mann, welchen sei Herr Brofesser betitelirten, mit ein großes Messer Stücken ab, die er an die Herren Studenten vertheilen that, welche darum herumstanden. Weil wir nun nichts anderes nicht denken konnten, als daß wir hier unter Leite gekommen wären, die sich wollten auf Menschenfresser einstudieren lassen, so ergriffen wir die eiligste Flucht und waren froh, wie wir uns erst wieder draußen in der Bromenade befanden. Hier stand auch der Mann noch, welcher uns gesagt hatte, daß dieses Gebeide ein Theader wäre; auf diesen stirzten wir uns nun los und machten ihn Borwirfe über seine an uns verbrauchte Unwahrheit. Aber er sagte, wir sollten getrost jeden Menschen fragen, welcher uns ebenfalls antworten würde, das dieses wirklich das sogenannte annadomische Theader wäre und worin die Herren Studenten lernten, daß man allemal eine Krankheit ganz genau erkennen kann, wenn man den Menschen auseinander schneidet, wo es freilich zum Kuhriren dann zu spät ist.Daß man aber so etwas ein Theader nennt, dieses scheint mir doch gar nicht recht bassend zu sein, wenn zumal Einer durch den Namen, so wie wir angelockt, sich etwas ganz Andres erwartet.Aber an den letzten Abend in Bonn will ich auch Zeit meines Lebens und noch dariber hinaus gedenken. Denn wie wir ein baar Studiosibus auf der Straße nach einer guten Bierkneibe fragten, wie diese Herren sich besonders viel mit diese Wis-senschaft beschäftigen und auch wir nach eine Töpfchen Bier Verlangen fühlten, so sagten uns diese Herren, daß wir nur sollten mit ihnen kommen, weil sie gerade zu Rulanden gingen, wo man einen sehr guten Stoff bekommen thäte.In unsre einfache Unschuldigkeit und unsrer fremden Unbekanntschaft mit die hiesigten Verhältnisse gingen wir also mit und wurden von den Herren Studenten in ihr sogenanntes Kneiblokal eingefirht, wo sie uns den andern Herren, die sie Kom-militonnen nannten, als aufgefundene fremde Filister vorstellen thaten. Dieses muß ein großer Ehrentitel sein, denn die Herren Kommilitonnen sbrangen auf und umarmten uns so heftig, daß uns davon die Hüte bis über die Nase hinunterfuhren und dann mußten wir mit an die lange Tafel Blatz nehmen. Sie sagten, daß dies eine wissenschaftliche Versammlung wäre, um hier auch in dem Komerschiren die er-forderliche Fertigkeit zu erhalten. So sehr schwer schien mir diese Wissenschaft aber nicht zu sein, denn wenn Einer nur richtig trinken und dazu singen oder schreien kon-nte, so waren damit schon die Hauptgrundzige dieser Wissenschaftlichkeit gelegt.Wir mussten mittrinken, daß uns ordentlich die Augen überlaufen thaten, wobei auf die gestillte Durstigkeit gar keine Beridsichtigung nicht genommen wird, so daß sie ihre Bedirfnisse an Bier wahrscheinlich allemal gleich auf einen Monat brämunerando befriedigen, wenn die lieben Herren Ueltern grade Geld geschickt haben.Zuletzt hieß es, daß sie wollten einen Herrn Landesvater singen, wo wir uns auch nicht ausschließen durften, da wir schon nicht mehr gans Herrschaft über unsre ver-lorene Sinne waren. Aber dieses war doch doch ein Bischen gar zu sehre arg, denn da brachte Einer einen langen Säbel und auf diesen wurde einen Feben seine Witze

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aufgesbiest. Weil wir nun unsre neuen Hüte aufgesetzt hatten, so wollten wir uns von dieses Vergnigen zurückzihen. Aber da kamen wir schöne an und durften nicht fort, sondern sie sagten, daß sie uns damit nur die größte Ehre anthun wollten, weil un-sere Hüte zu allererst aufgesbiest worden sollten. Mit kimmerlichen Blicken mußten mir uns auch dahinein figen und durften gar nicht einmal mucksen, wie sie fast den halben Deckel aus unsre Hüte stoßen thaten. Dabei wurde aber gesungen, daß die Fenster wackelten und auf den Tisch geschlagen, daß wir fast vor Schreck selbst darunter gefallen wären. Oh weh, dachte ich, wenn das bei den Herrn Landesvater so böse zugeht, wie muß es da erst bei der Frau Landesmutter sein! Endlich gaben sie uns unsre durchgelöcherte Hüte wieder, wobei sie sagten, daß wir diese Löcher könnten als Ehrenzeichen in die anständigste Gesellschaft tragen. Aber wir fihlten, daß wir selbst schon lange nicht mehr die Herren von uns selbst waren und freiten uns wie es endlich fortgehen sollte, wobei sie uns aber von wegen unsere wankelmithige Unbekanntschaft mit die Bonner Straßen mußten unter die Arme greifen. Nun ging es fort zuerst an den Dwelisten, wo es erst sollte noch ein Bischen Holzerei geben, wie sie sagten, und auch uns wollten sie als Fremde damit bekannt machen. An den Dwelisten gab es nun einen firchterlichen Schkandal mit die Herren Nachtwächter, wobei es gehörige Brigel gab, von denen wir auch unsern Antheil bekamen, ohne einen Grund davon angeben zu können. Endlich zogen sich die Her-ren Studiosibus zurück und ließen uns als Geiseln in die Nachtwächtergewalt, welche uns trotz alle Verweigerung auf die Bolizei brachten. Oh weh! Ehe wir noch auf unser hartes Lager ausgeschlafen hatten, kam auch schon die Untersuchung mit das Urtheil, wonach wir gegen zehn Thaler Nachtruhegestörthabungsstrafe endlich in die Freiheit gesetzt wurden. An ein Leignen war gar nicht zu denken, denn die Löcher von den Herrn Landesvater in un-sre Hüte waren als Hauptzeugen gegen uns in das Brodikoll aufgenommen gewor-den. Von den Katzenjammer, der unser gedemüthigtes Innere durchbohrte, will ich gar nicht reden, weil dieses aus Anständigkeitsricksichten nicht hierher gehört.Nachdem Kohle noch erst die Landesvaterlöcher in unsre Hüte nothdirftiger Weise mit ein Bischen schwarzes englisches Flaster zugeklebt hatte, so verließen wir in einer sehr triebseligen Verstimmung die Stadt Bonn und winschten die Herren Stu-diosibus alle als Abschied zum Teifel.

Fliegende Blätter, 1894, Band 100, Nr. 2535, S. 89

Der gehorsame Sohn

Es zog ein Bursche an den Rhein

Nach Bonn, dort zu studiren.

Der Vater sprach: „Sollst fleißig sein

Und keine Zeit verlieren!“

Die gute Mutter aber sprach:

„Schau’ nicht den rhein'schen Mädchen

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nach

Mit ihren Feuerblicken

Sie könnten Dich bestricken!“ –

Und sieh', der liebe Sohn am Rhein

War fleißig bei der Kanne;

Er trank allzeit den besten Wein

Bei'm Wirth „zur grünen Tanne".

Bei Bonn da liegt das Thal der Ahr,

In dem die „grüne Tanne" war -

Dort that er baß studiren,

Die Zeit nicht zu verlieren! —

Und als das vierte Jahr am Rhein

Sich neigte seinem Ende,

Er und des Wirthes Töchterlein,

Sie reichten sich die Hände.

Der Studio seiner Mutter schrieb:

„Gehorsam Deinem Wort ich blieb,

Ich mied die rhein'schen Mädchen —

Im Ahrthal wohnt mein Käthchen!"

Franz Ulrich

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Fliegende Blätter - 144.1916 (Nr. 3675-3701), S.79 ??????????

In UnehrI.Das war in Bonn, in Bonn am Rhein,Studenten saßen beim Mahl.Grüngolden rauschte in’s Land hineinDer Strom im Abendstrahl.

Die Linden blühten am „alten Zoll“, Hell tönte der Burschen Gang:„O Bonn, du aller Schönheit voll,Dein denken wir lebenslang!“

Dem jungen Lord von Tyndall-HallEntbrannte das kühle Blut,Ihm galten sie nichts, die Germans all‘,Nur einer! - Dem war er gut.

Nur einem trank er den Becher zu,Nur einem die Hand er bot:„Stoß‘ an, Herzbruder! - auf du und du,Herzbruder, in Leben und Tod!“

- T. Rcsa.Schorn - Lebenserinnerungen

IV.Auf der Universität (1836 – 1839)

Wenn zum ersten Male ein Sohn der Familie das elterliche Haus verläßt, um das freie Leben der Universität zu beginnen, so verursacht dies manche Unruhe im elter-lichen Hause und manche bange Muttersorgen. Ein neuer Reisekoffer wird gekauft und mit allem Nöthigen und Unnöthigen vollgepackt, ein neuer Anzug beschafft, der in der Universitätsstadt sogleich als unpassend verworfen wird, und der Augenblick naht, wo unter thränenreichem Abschied das liebe Vaterhaus verlassen wird.So erging es auch mir, und in zweitägiger Fahrt über Düsseldorf und Köln langte ich an einem Oktoberabende in Bonn an. Ich logirte in dem damaligen Gastof von Col-mant an der Ecke der Stockenstraße und Neugasse, verbrachte die Nacht in fieber-hafter Erwartung unter allerhand Studententräumen, und als ich andern Morgens zum Fenster hinausschaute, war ich erstaunt, keinen Bruder Studio in Bikesche und mit Sporenstiefeln (denn so hatte ich meinen Corpsbruder und Freund Eduard Gü-zloe früher bei seinen Ferienbesuchen in Essen gesehen) zu erblicken. Beim Aus-gang in die Stadt wunderte ich mich darüber, nicht sogleich von einem halben Dutzend „alter Häuser“ ankrakehlt und für dieses oder jenes Corps gekeilt zu wer-den. Das Semester hatte noch nicht begonnen, und zudem stand es bei mir auch ziemlich fest, dem Corps der Westphalen beizutreten, welches in meiner Heimath in großem Ansehn stand und bereits viele ältere Mitschüler als Mitglieder gezählt hatte. Andern Tags traf mich denn auch bald der zwei Semester vor mir abgegangene

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Christian Willich aus Rheinberg als Aktiver des Corps, und binnen 24 Stunden war ich Renonce der ungefähr fünfundzwanzig Personen zählenden Verbindung. Sofort wurde der obligate Sammetrock bestellt, eine grüne Mütze beim alten Kemp gekauft und das erhaltene grünweiße Renoncenband der Weisung gemäß, nachdem es eine Stunde lang die Brust geschmückt hatte, sorgfältig eingeschlossen, weil ja Corpora-tions-Farben und Bänder von der ängstlichen Regierung strenge verpönt waren. Jeder Student mußte bei seiner Immatrikulation einen Revers unterschreiben, keiner verbotenen Verbindung beitreten zu wollen. Dieser Revers konnte leichten Herzens gegeben werden, weil ja kein spezielles Verbot gegen eine der aller Welt, nur nicht der Universitäts-Behörde bekannt sein sollenden Verbindungen ergangen war. Das gewählte Corps, so lautete also die streng logische Consequenz, gehörte demnach nicht zu den verbotenen Verbindungen, um so weniger als seine Tendenzen und Principien nichts mit der Politik und der gefürchteten Burschenschaft gemein hatten. Seine Ziele waren dieselben wie heute noch, nämlich Förderung aller ritterlichen Tu-genden und vor allem Ehrenhaftigkeit, Mannesmuth, Freundestreue und Vaterland-sliebe.In Bonn existirten bei meinem Eintritt nur vier aus früheren landsmannschaftlichen Verbindungen entstandene Corps: Westphalen, Rhenanen, Borussen und Sachsen, wozu in meinem dritten Semester noch das aus einer bisherigen Verbindung mit dem Namen „Kölner“ hervorgegangene Corps der Hanseaten trat. Die ältesten Corps mit fast gleichzeitigen wenig präzisen Geburtsdokumenten waren Westphalen und Rhenanen aus dem Jahre 1827, später zurückdatiert auf 1820, sodann die Borussen aus dem Jahre 1827 und dann einige Jahre später die Sachsen. Die Westphalen hat-ten zu meiner Zeit ihre Kneipe in der Rheingasse, und zwar anfangs daselbst in einem dicht am Rhein gelegenen kleinen aber gut eingerichteten Gasthof bei Bauer, später im Engel bei dem vor etwa zehn Jahren in hohem Alter verstorbenen Wirth Hartzem, die Rhenanen kneipten bei Jupp Schmitz in der Bonngasse, wo wir auch unser bescheidenes Mittagsmahl für fünf Silbergroschen einnahmen. Die Preußen hausten in der Baumschule; die Sachsen bei Ruland in der Stockenstraße, eine Treppe hoch, und endlich die Hanseaten in der Josephstraße, dem späteren katholischen Vereinshaus. Sämmtliche Kneiplokale hatten die damals in fast allen Bierhäusern übliche höchst primitive Einrichtung mit Tischen, Stühlen und Bänken von Eichenholz, an den Wänden als einzige Dekorationen ältere Kneipbilder und auf den schlichten Consolen die damals in fehlenden sogenannten Birkenheimer, auch Birkenmeyer genannt, d.h. aus einem rohen Birkenstamm von 15 – 20 Centimeter Durchmesser hergestellte Trinkpokale mit ausgebrechseltem Fuß und Deckel, 1 bis 1 ½ Fuß hoch, der innere Raum ausgepicht zur Aufnahme eines entsprechenden größeren Quantums Bier. Bei sogenannten Bierscandälern war das Leeren dieses Birkenmeyers die höchste Bravour.Wie die Einrichtung der Kneipe, so war die ganze Lebensweise eine äußerst ein-fache. Die Wohnungen selbst bei den besseren Bürgern waren sehr bescheiden möblirt und gehört ein Sopha schon zu den selteneren Bequemlichkeiten; meistens begnügte man sich auch mit nur einem Zimmer, auf welchem man ja tagsüber wenig zu treffen war. Wir besuchten nämlich fast ausnahmslos sämtliche vorgeschriebenen Collegien ziemlich regelmäßig und bewahrten unsre Collegienhefte mit großer Sorgfalt. Die Institution nach Puggé und die Pandekten nach Böckings Vorträgen be-sitze ich in Nachschrift noch am heutigen Tage. Kein offizieller Frühschoppen (diese verderbliche Institution der neuen Zeit) bildete ein Hinderniß des Collegienbesuchs, und die Collegienmappe war an Wochentagen die fast constante Begleiterin. So kam es, daß damals ein Ueberschreiten der vorgeschriebenen Semesterzahl zu den sel-tenen Ausnahmen gehörte. […]

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Warmes Abendbrod gehörte nicht zur täglichen Gewohnheit, und ebensowenig der Genuß von Wein. Zwar hatten Rhenanen und Preußen den sogenannten Wein- statt unseresBier-Comments, allein die Erzeugnisse der Bonner Rebengelände waren namentlich in sauern Jahren nicht danach, im Uebermaaß getrunken zu weerden, und unsre Westphalenkneipe, auf der nebst Ruland das relativ beste Bier herrschte, wurde namentlich von den mit uns enger befreundeten Preußen häufig besucht. Es war nämlich damals der Verkehr einzelner Corps unter einander ein ganz freund-schaftlicher. Man besuchte sich gegenseitig zwanglos und in jedem Semester mehrmals in Deputationen an den offiziellen Kneipenabenden; - man begrüßte sich ohne Abziehen der Mütze und zeigte eine meist nur gekünselte Feindschaft Abends beim Contrahiren an der allbekannten historischen Markt-Pyramide, um die sich sämmtliche Corps nach Schlussder Kneipe unter lauten Gesängen sammelten. Außer diesen abendlichen allgemeinen Versammlungen gab es noch eine sehr be-suchte Versammlung Sonntags Vormittags ebenfalls mitten auf dem Markte, wo nach einem kurzen allgemeinen Frühschoppen beim nahe gelegenen Ruland umherflanirt und mit den zahlreichen Corpshunden allerlei Scherze und Kampfspiele aufgeführt wurden. Die Hunde machten einen Höllenlärm, hatten zum Theil die ergötzliche Eigenschaft, von den an den Ladenthüren ausgehängten Manufakturgegenständen, ja zuweilen aus den Metzgerläden Fleischstücke herbeizuschleppen, um welche dann wie um die Leiche des Patroklus gekämpft wurde. Bei dem Umstande, daß Bonn damals noch eine kleine Stadt war und mehr oder weniger unter der Herrschaft des Studententhums, namentlich der ein Viertel der gesammten Studentenschaft ausmachenden Corps stand, galten solche Scherze und Alarm-Scenen als herkömmlich und gewissermaßen historisch berechtigt und fanden sogar den Beifall der den Studenten wohlgesinnten Bürgerschaft, da der etwaige Schaden selbstre-dend sofort vergütet wurde. […] Wenn eben erwähnt wurde, daß wir Corpsstudenten mit wenigen Ausnahmen unsere Collegien besuchten, so muß hinzugefügt werden, daß damals die Kneipe auch öfter die Stätte nicht bloß heiterer Lieder und fideler Kneiperei, sondern auch geistiger und oft geistreicher Unterhaltung war. Im Winter mußte jeden Samstag Abend eine soge-nannte Bierzeitung erscheinen, mit deren Redaktion eine eigene Commission von drei Mitgliedern betraut und diese dabei verpflichtet war, bei einer bestimmten Bier-strafe stets für hinreichenden und erheiternden Stoff zu sorgen. Wenn dieser fehlte, mußte sie selbst zur Ausfüllung der Lücken herhalten, was öfters vieles Kopfzer-brechen verursachte. Die Zeitung lieferte zunächst einen „offiziellen Theil“, d.h. Wochenberichte über die Vorfälle der Woche und sodann freie Aufsätze und Ab-handlungen in Prosa und studentischer Poesie. Wir hatten im Corps mehrere sehr beanlagte Poeten, unter denen Nikolaus Delius, der hier in Bonn im vorigen Jahrzehnt gestorbene berühmte Shakespeare-Forscher hervorragte. Er sprudelte in jungen Jahren von Humor und war als geistreicher Conkneipant eine Zierde der Verbindung. Fast jede Bierzeitung brachte Gedichte vom „Bruder Niklas“, und es ist schade, daß dieselben größtentheils der Vergessenheit anheimgefallen sind. Einzel-ner Gedichte weiß ich mich noch gut zu entsinnen. Eins war betitelt:Studenten-Träume und lautete:

Ein Corpsbursch sitzt vergnüglichZu Bonn der Stadt am RheinEr träumt und schläft betrunken,Am Ende drüber ein.Er träumt von einem Pudel (Pedell)Der durch die Straßen irrt

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Und ihn zum SalamanderFür’n nächsten Tag citirt.Er träumt von einer Sackuhr,Die längst im Pfandhaus hängt u. f. w.Er träumt von einem Carcer,In dem sichs heiter lebtEr träumt von einem AnschlagLateinisch abgefaßt,Der schließt: „te relegamus!“Zu Deutsch: „Du bist geschaßt.“Und noch viel schöne DingeTräumt er die ganze Nacht,Bis er im KatzenjammerAm andern Tag erwacht.

Delius hat viele Fuchsfibeln mit Bezugnahme auf studentisches Leben und auch sehr schöne sonstige geistreiche Gedichte verfaßt, die im Selbstverlag in einem zier-lichen Bändchen zur Dedikation an seine Freunde erschienen sind (Bremen 1853), unter denen auch manche sich befinden, die er als Student uns geliefert hat. […]Sodann eine humoristische Parodie auf die bekannte Sage von Nonnenwerth, wo oben am Rolandsbogen statt des Ritters ein Mylord mit seiner Mylady steht und aus dem Inselkloster nicht fromme Gesänge andächtiger Nonnen, sondern fidele Studen-tenlieder herauf klingen. Das Lied beginnt:

Auf Nonnenwerth am Rheine erhebt sich froher GangVon zechenden Studenten bei hellem Becherklang.Sie klingen und sie singen im alten Klostersaal,Und durch die offnen Fenster fällt Abendsonnenstrahl ;Und drüben auf den Trümmern an Rolands stolzem Bau,Da steht mit ihrem Gatten die schönste Britenfrau.Mylord verwünscht das Singen, das aus dem Fenster schallt,Und in Myladys Busen romantisch wiederhallt.

Ins Rolandsecker Wirtshaus tritt dann das holde Paar.Mylord ging bald zu Bette, so schläfrig, wie er war.Mylady aber wurde darob die Zeit nicht lang.Sie lauscht am offnen Fenster dem lockenden Gesang.Und lauter übers Wasser scholl her der Saus und Braus.Und später ward’s und finstrer; doch lehnt sie zum Fenster hinaus.Von nie empfundner Sehnsucht ihr zartes Herz entbrennt,Und leise, leise seufzt sie: „O wär ich ein Student.“[…]

Es war damals in Bonn wie in allen rheinischen Städten für alle Wirthschaften, also auch für die Studentenkneipen der Schluß der Wirthschaft auf 11 Uhr Abends polizeilich bestimmt. In den von Studenten ausschließlich besuchten Localen übten die 3 Pedelle, der lange Krüger, der feinere Odenkirchen und der sanfte Baude die abendliche Controle in durchaus höflicher Weise mit einem freundlichen „Guten Abend“ und der Weisung: „es ist Polizeistunde.“ In der darauf folgenden Viertel-stunde waren denn auch der Regel nach die Kneipen geleert, denn die „Pyramide“ mit ihrem Ulk durfte nicht verpaßt werden. Wenn trotzdem bei dem wiederholten Be-

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such des Pedellsdennoch Nachzügler in der Kneipe saßen und dann nicht sofort sich entfernten, dann gab es Protokolle und Geldstrafen durch den gestrengen Univer-sitätsrichter von Salomon, dem passiven Urbild des weltberühmt gewordnen „Sala-manders“. Die Pedelle hatten die Exekution der akademischen Strafbefehle und be-zogen dafür ihre Sporteln. Machten sich einzelne Individuen durch besondre Ex-cesse und Zuwiderhandlungen bemerklich, so gab es statt Geldbußen Carcerstrafen, die als fideles Gefängniß in den schön gelegenen südlichen Räumen der zweiten Etage des Coblenzer Thors unter der Aegide des dritten Pedells Baude abgesessen wurden. Ich sage: fideles Gefängniß, denn den Inhaftirten war der Empfang des fast nie fehlenden Besuches bei Wein und Bier und Kartenspiel gestattet, und zuweilen ging es dabei hoch her, so daß die beträchtlichen Bewirthungskosten, verbunden mit den Verpflegungs- und Bedienungskosten seitens der Ehefrau Baude, eine bedeu-tende Auszehrung des mit inhaftirten Monatswechsels im Gefolge hatten; dazu ka-men noch beträchtliche Nebenausgaben für das aus einem nahen Gasthof geholte Mittagessen und für Herbeischaffung des einem anständigen Menschen nothwendi-gen Bettwerks auf der harten und wenig einladenden Matratze. Wenn man sich gut mit seinen Hausleuten stand und diese besonders honorirte, konnte man auch das eigene Bettzeug mit Decken und Kissen herbeischaffen lassen.Die Carcerstrafen waren also wesentlich Strafen für den elterlichen Geldbeutel. Damals bestand noch für die Studenten die (nun auch aufgehobene) besondere akademische Gerichtsbarkeit, die sich nicht allein auf Disciplinarsachen, sondern auch auf leichtere, sonst vor den ordentlichen Richter gehörende Vergehen und Schuldsachen erstreckte. In den gewöhnlichen Disciplinarsachen urtheilte der Uni-versitätsrichter als Einzelrichter; in allen wichtigen Fällen, wo Carcerstrafen oder gar Relegirung vorgesehen war, bestand das Gericht aus den Mitgliedern des Senats, dem der Universitätsrichter, zugleich Untersuchungsrichter und Referent, mit oft entscheidender Stimme angehörte. […]In der philosophischen Facultät war die significanteste Erscheinung der sich mit vornehmen Nimbus umgebende Shakespeare-Uebersetzer und Romantiker August Wilhelm von Schlegel. Dieser eitle, selbstgefällige Herr wohnte in einem al-therrschaftlichen Hause auf der Sandkaule (später Wirtschaft Clouth), war dort in dem ersten Stock sehr elegant eingerichtet und zeigte sich beim Anmelden und Te-stiren, sowie in seinem zum Theil aus Neugier stark besuchten Colleg, stets in tadel-los gewählter Toilette. Er las damals im Winter über deutsche Litteratur und zwar zur Abendzeit, ließ sich von einem gallonirten Diener ins Colleg begleiten und denselben während des Vortrages am Fuß des Katheders stehen, um von ihm die auf eigens mitgebrachten silbernen Leuchtern befindlichen Wachskerzen von Zeit zu Zeit schneuzen zu lassen.Der Besuch dieses Collegs gehörte zu den ergötzlichen Abendunterhaltungen. Besser, wie ich es im Stande bin, hat Heine (1819 Studiosus in Bonn) den komis-chen Herrn geschildert. Sein Aeußeres, so sagt Heine, gab ihm eine gewisse Vornehmheit. Auf seinem dünnen Köpfchen glänzten nur noch wenige silberne Härchen, und sein Leib war so dünn, abgezehrt und durchsichtig, daß er fast so aus-sah, wie ein Sinnbild des Spiritualismus. Noch heute fühle ich den Schauer, der durch meine Seele ging, als ich vor seinem Katheder stand und ihn sprechen hörte. Ich trug damals einen weißen Flausch, und eine rothe Mütze, lange blonde Haare und keine Handschuhe! Herr A.W.v.Schlegel trug aber Glacéhandschuhe und war ganz nach der neuesten Pariser Mode gekleidet und parfümirt mit Eau de mille fleurs. Er war die Zierlichkeit und Eleganz selbst, und wenn er vom Großkanzler von England sprach, setzte er hinzu: Mein Freund, und neben ihm stand sein Bedienter in der Freiherr von Schlegelschen Hauslivree und putzte die Wachslichter, die auf

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silbernen Armleuchtern brannten, und neben einem Glase Wasser vor dem Wunder-manne standen Livreebedienter, Wachskerzen, silberne Armleuchter, mein Freund der Großkanzler von England, Galcéhanschuhe, Zuckerwasser! Welch unerhörte Dinge im Collegium eines deutschen Professors! Dieser Glanz blendete uns junge Leute nicht wenig und mich besonders und ich machte auf Herrn von Schlegel damals drei Oden, von denen jede anfing mit den Worten: O du, der, u. f. w. […]Ernst Moritz Arndt lebte einsam und vom Katheder ausgeschlossen in seiner patriar-chalischen, noch intakt erhaltenen Villa an der Coblenzer Straße und wurde, wenn er sich in seinem Vorgarten oder auf seinen täglichen Promenaden in seinem con-stanten Kostüm, dem sog. deutschen Rock mit Stehkragen, tief umgeschlagenem Hemdkragen und einem deutschen Barett auf dem ehrwürdigen Haupte zeigte, von uns stets ehrfurchtsvoll gegrüßt und auch zuweilen zu kurzer Unterhaltung angere-det. Von allen Persönlichkeiten an und außerhalb der Hochschule wurde keiner von uns begeisterungsfähigen jungen Leuten so hoch geschätzt wie dieser muthige Vorkämpfer für deutsche Freiheit und sein mächtiges Lied vom deutschen Vaterland erklang auch zuweilen auf unsern Märschen durch Feld und Flur. Auf der Kneipe dasselbe zu singen wäre gefährlich gewesen, da der Dichter sowohl wie seine Dich-tungen für demagogisch und für die Jugend staatsgefährlich galten. […]In Bonn existirte damals auch ein Theater an dem Vierecksplatz, was aber mehr der „Publicae laetitiae“ als den Musis et moribus (so war die geistreiche Inschrift des Coblenzer Theaters) diente. Die Studiosen hatten gegen niedriges Eintrittsgeld fast ausnahmslos das verhältnismäßig sehr geräumige Parterre inne und gaben in dem-selben ihrem Uebermuth durch Mitsingen oder Mitdeklamiren bekannter Opernmelo-dien und klassischer Dramen-Stellen ziemlich regelmäßig freien Lauf. Das Parterre spielte förmlich mit, und das Publikum, selbst aus den höhern Ständen, und die Be-sucher des ersten Ranges, wozu die Damen des Bankhauses Cahn und bekannter Professoren gehörten, hatten sich an die Auswüchse studentischen Humors allmäh-lich gewöhnt und nahmen keinen Anstoß daran. […]

Quelle: Schorn, Karl: „Lebenserinnerungen. Ein Beitrag zur Geschichte des Rhein-lands im neunzehnten Jahrhundert.“. Erster Band. Bonn 1898, S. 53-63, 66-68, 70, 71 und 73.

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Schänzchen

Hurrah! Das Schänzchen lebe hoch!Die schönste Kneipe ist es doch,Die weit und breit zu finden. Sehr nur die sieben Berge dort,Wie stolz sie stehn, des Rheines Hort,Wie unsern Blick sie binden!

Und aus der grünen Matte hier,Da hebt sich Godesberg herfür,Im hellen Sonnenstrahle.Inmitten strömet stolz der Rhein,Grüßet seine Burgen, seinen WeinUnd Dorf und Stadt im Tale.

Beim Schänzchen muß er auch vorbei,da hört er oft ein wild Geschrei,das sind die Alemannen.Dort fingen, spielen, trinken sieUnd gehen selten oder nieVor Mitternacht von dannen.

Wohl kommt’s auch vor, daß, wenn man spätUm ein Uhr dann nach Hause geht,die Stern’ zu tanzen scheinen.Doch das erhöht die Freude nur.Ein jeder denkt: Wie schön, Natur,Bist du im allgemeinen!

Und hat man sich im MondenscheinIns Haus und auch ins Bett hineinGefunden ohne Sorgen,Dann ruft man noch: Das Schänzchen hoch!Die schöne Kneipe ist es doch!Auf Wiedersehen bis morgen!

F. Döllen.

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Nächtliches Bild aus EndenichDrei alte Weiber stehen auf der Dorfstraße und lauschen auf ein fernes Geheul.

Erstes Weib:„ Gevarttrin, o hört ihr den nächtlichen Grauß,Das wilde, das teuflische Heulen?Ich ertrug’s nicht länger in meinem Haus,Ich muß’t auf die Straße eilen.Hu! Ich zittre vor Angst! Mir beben die Knie!Vernahm ich folgendes Getöse doch nie!“

Zweites Weib:„Wohl hörte auch ich das SchreckensgetönIn meiner einsamen Stube.Ich vermeinte den Bösen gar selber zu sehn,Schlug ein Kreuz, da verschwand der Bube.Gevattrin, Gevattrin, ich wollt es beschwören,es will uns der Satan was Böses bescheren!“

Drittes Weib:„Gevattrin, ach hört, Ihr sollt es erfahren:’S giebt Krieg auf Erden, das sollt Ihr sehn!Drum jauchzen die teuflischen Geisterscharen,Daß bald zur Hölle viele Tausende gehn.Ich hört in der Stadt den Matthes sagen,Es will sich der Türk mit dem Russen schlagen.“

Und lange noch jammern die alten Frau’n,Bis erbleichen im Osten die Sterne,Und lange noch tönt das nächtliche GraunDurch die schwindende Nacht in der Ferne.Und woher das Geheul und das wilde Getön,Das der Weiber Mut so konnte bändgen?Es brachten der Alte*), der Mötte**), die Tant***)Dem Pensionante – ein Ständchen.

H. Blendermann

*) A. Bogeler. - **) G. Bertelsmann - ***) R. Froning.

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Fürchterliche Mordtat eines Metzgers in Godesberg.S.1893.

Jetzo schweigt und seid wie selten still,Weil genau ich euch vermelden willEine schauderöse Tat,Die sich jüngst begeben hat.

Lange lag der Schleier tiefer NachtSchon auf Godeshügels Kieferpracht,Und aus ganz demselben GrundLag im Schlaf ein Metzgerhund.

Sieh, da kam des Wegs ein stiller Gast *),Der des Biers etwas zu viel erfaßt,Und aus ganz demselben GrundStreichelt er den Metzgerhund.

Metzgerhunde unbezähmlich find,Weil sie nämlich etwas dämlich sind.Drum auch dieser MetzgerhundÖffnet seinen Schwätzgermund.

Häufig werden kleine Kinder wach,Wenn sie schlafen süß im Hinterfach.Von des Hunds Gebell geschwindWachte auf das Metzgerkind.

Metzgerväter, wie sie immer sind,Nicht erbaut von Kindsgewimmer sind.Darum, als das Kindlein schrie,Der Herr Vater Galle spie.

Ganz gewaltig er ergrimmerte,Was die Sache sehr verschlimmerte,Und er hat den stillen GastHöchst brutal am Arm gefaßt.

Sieh, da kam des Wegs das Roß**) gerannt,Das die Sache ganz famos verstand.Doch der Metzger rief herbeiDer Proleten allerlei.

Schleunigst aus dem Staub das Roß sich macht,Weil zu sehr ihm die Carotis tracht,Und mit Schritten riesengroßSucht er Schutz in Ännchens Schoß.

Als der stille Gast allein sich sahDachte er: „Das Ding ist peinlich da!“

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Denn man stieß den armen Man,Daß er sich nicht halten kann.Ohne gradezuInatschgeck zu sein,Fiel Herr Hofmann in den Dreck hinein,Und die Mütze und das Band Rollten in den Wüstenstand.

Schon war August *) auch, der volle, nah,Und als er die Mütze rollen sah,Rief er in den Schwarm hinein:„Metzger, ihr müßt freidlich sein!“

Dies vernahm ein roher Schlachtgesell,Der schon manches Kalb gebracht ums FellUnd mit Vorsicht und BedachtManches Schwein schon umgebracht.

Nicht genug, daß zum Skandal er hetzt,Hintertückisch seinen Stahl er metzt,Und er stieß – daß Gott erbarm! –Ihn dem August in den Arm.

Nun rauft August zwar fürs Leben gern,Aber dies lag seinem Streben fern,Und am andern Tage kaltGilte er zum Staatsanwalt.

Sühnen wird nun die GerechtigkeitDieses rohen Metzgers Schlechtigkeit.Die Moral von der Geschicht‘:Streichle Metzgerhunde nicht! –

O. Oppermann.

*) Hofmann, Heidelberger Allemanne. – **) H. Thomas.

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Am RheinS.S. 1888.

Willst frei von Sorgen auf der Welt du leben,Mußt du zum Rheine deine Schritte lenken,In seine Schönheit deinen Blick versenkenUnd seiner Zauberkraft ganz hin dich geben.

Schau auf den Bergen rings die Edelreben,Durchzittert von der Sonne Strahlengluten.Laß auf des Stromes leis bewegten FlutenIm Mondesglanz den leichten Nachen schweben.

Und wo von Bergeshöh die Burgen blicken,Dort mache Rast und laß von holden TräumenUmgaukeln dich, und in den alten Räumen Wird Phantasie dich wunderbar entrücken.

Viel bunte Bilder schauest du im SinnenAus alter Zeit, aus längst vergangnen Tagen,Von Schlachten, die die kühnen Ritter schlagen,Und von der Edelfräulein süßem Minnen.

Steig von den Bergen dann herab zu TaleUnd laß in fröhlicher Gesellen RundeManch schönes Lied entströmen deinem Munde,Und kreisen laß die vollen Weinpokale.

So schwinden wie im Träume dir die Stunden;Im Wonnerausch verfliegen dir die Tage.Verstummen müssen Schmerzen hier und Klage,Das kranke Herz, hier muß es ganz gefunden.

W. Edding.

Quelle: Aus der Bierzeitung der Burschenschaft Alemannia zu Bonn, S.7,8, 63,64,84, 107, 108.

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„Satzungen der Organisation der Bonner Finkenschaftt. Die Organisation der Bonner Finken will den nichtinkorporierten Studenten Gelegenheit geben, sich ohne jeden Korporationszwang zur Wahrung ihrer Interessen, zur gemeinsamen Pflege des Sports und des Frohsinns zu vereinigen.“

Art der Organisation§1.Vertreten wird jeder an der Bonner Universität immatrikulierte Student, der keinem abgeschlossenen akademischen Vereine aktiv oder als Verkehrgast angehört; es sei denn, daß er seinen Willen, nicht vertreten zu sein, dem Vorstande anzeigt.

§2.Jeder Nichtinkorporierte, der den obigen Voraussetzungen genügt, hat aktives und passives Wahlrecht, sowie das Recht, an allen Veranstaltungen der Organisation teilzunehmen.

§3.Die nötigen Geldmittel werden durch freiwillige Beiträge aufgebracht.

§4.Eine Generalversammlung findet mindestens zweimal im Semester und zwar gegen dessen Anfang und Ende statt. Sie hat zu Ende jedes Semesters den Bericht des Vorstandes über die Tätigkeit während des Semesters entgegen zu nehmen, ihn zu entlasten und einen Vorstand für das neue Semester zu wählen.

§5.Der Vorstand besteht aus 5 von der Mitgliedsversammlung, d.h. Versammlung der-jenigen Nichtinkorporierten, bei denen die in §1 aufgestellten Bedingungen zutreffen, zu wählenden Mitgliedern, die möglichst aus allen Fakultäten zu wählen sind. Die 5 Vertreter wählen aus ihrer Mitte einen ersten Vorsitzenden, der von der Generalver-sammlung zu bestätigen ist. Dem Vorstande liegt die Vertretung der Nichtinkorpori-erten nach außen, sowie die Verwaltung der inneren Angelegenheiten der Organisa-tion ob, soweit es nicht Sonderangelegenheiten der Abteilungen sind. Ueber Abteilungsangelegenheiten entscheidet der Ausschuß unter Vorsitz des Vorstandes.

§6.Der Auschuß wird gebildet durch die Vorsteher jeder Abteilung, die zur Besorgung ihrer Abteilungsangelegenheiten von der Abteilung zu Beginn eines jeden Semesters zu wählen sind. Berufen und geleitet wird der Ausschuß von dem Vorstande der Or-ganisation. Der Vorstand ist verpflichtet, den Ausschuß innerhalb 14 Tagen min-destens einmal, sowie auf Verlangen von mindestens 7 Mitgliedern jederzeit einzu-berufen.

§7.Die Bekanntmachungen der Organisation der Bonner Finkenschaft erfolgen durch Anschlag am schwarzen Brett sowie durch Bekanntmachung in Bonner Zeitungen.“

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Gebührentarif des Studentischen Arbeitsamts.

§1.Jeder Studierende, der seinen Namen als Stellensuchender in die Liste des Arbeit-samts eintragen läßt, hat eine Einschreibungsgebühr von 10 Pfennig zu zahlen.

§2.Die Gebühr ist zu Anfang jeden Semesters zu zahlen, ausgenommen von den Stu-denten, denen bisher keine Stelle vermittelt werden konnte.

§3.Es steht dem Ausschuß frei, besonders hohe Portoauslagen, die im Interesse eines Studenten gemacht wurden, diesem nach seiner Vermittlung in Anrechnung zu brin-gen.

§4.Für eine geschehene Vermittlung wird eine Vermittlungsgebühr erhoben.1. Die Minimaltaxe beträgt 30 Pfennig.2. Die Gebühr beträgt ½ % des Betrages, der dem Studenten aus der vermittelten Stelle pro Semester zufließt.3. Hierbei wird für Kost und Logis bei Hauslehrerstellen als Normaltete 50 Mark, für Reisebegleiterstellen als ideeller Wert 60 bis 80 Mark pro Monat angenommen.4. Behält ein Student seine Stelle auch für die kommenden Semester, so ist für jedes Semester die Hälfte des erstmalig erhobenen Betrages zu zahlen.

Tarif für den Beitrag der Vereine.

§1. Jede Korporation oder Verein oder Organisation, deren Mitglieder das Arbeitsamt in Anspruch nehmen wollen, hat einen bestimmten Semesterbeitrag zu zahlen.

§2.Dieser Beitrag beträgt für Vereine bis zu 20 Mitgliedern 3 Mark, bis 80 4 Mark, darüber 5 Mark.

§3.Wollen Mitglieder von Vereinen, die diesen Beitrag nicht bezahlt haben, das Arbeit-samt in Anspruch nehmen, so haben sie doppelte Vermittlungsgebühr und eine Ein-schreibegebühr von 50 Pfennig zu zahlen.

§4.Im Uebrigen gilt der Gebührentarif des Studentischen Arbeitsamts.

Quelle: Wagner, Georg Wilhelm: Zehn Jahre Bonner Freistudentenschaft. Ein Beitrag zur Kulturgeschichte unserer Tage. 1912, S. 12,13, 14, 18, 19.

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