Zwischenfallbeschreibung: Kanülen in Redon-Flaschen

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Zwischenfallbeschreibung: K

Bei fast jeder Operation kann esnach dem Eingriff zur Ansammlungvon Wundsekret, Blut oder Gewe-beflüssigkeit kommen. Um den Hei-lungsprozess zu erleichtern und dieAnsammlung von Flüssigkeit in derWundhöhle zu verhindern, werdenDrainagen eingelegt.30 verschiedene Drainage-Systemegibt es auf dem Markt. Die ge-bräuchlichste Gewebedrainage istdie nach dem französischem Kie-ferchirurgen Henry Redon benannteRedon-Drainage. Das Unterdruck-Dauersogsystem ist fest in den klini-schen Alltag integriert.Es kommt in den unterschiedlichstenAnwendungsbereichen zum Einsatz.In der Extremitätenchirurgie werdenRedon-Drainagen unter anderem beiKnie- und Hüftgelenk-Operationenim tiefen Wundgebiet platziert, umWundsekret zu fördern und das Risikoeines Hämatoms zu senken. Auch inder Weichteilchirurgie werden sieangewendet. Die Redon-Drainage wirdvorwiegend in das Unterhautfettge-webe oder subfaszial platziert.Bei der Redon-Drainage handelt essich um eine (bedingt) geschlos-sene Saugdrainage mit unkontrollier-tem, also nicht einstellbarem Sog(Unterdruck-Drainage mit Hochva-kuum). Über einen Kunsttoffschlauchwird Sekret aus dem gesamten Wund-bereich abgesaugt. Außen ist derSchlauch mit einer Vakuumflasche(Redon-Flasche) verbunden.

Der hier erzeugte kontinuierlicheSog bewirkt, dass die Wundflächenzusammengezogen werden und eineHohlraumbildung vermieden wird. Einschnelleres Verkleben und Zusammen-wachsen der Wunde wird so geför-dert. Wundsekret oder Blutaustritt

(Hämatombildung) wird verhindert.Redon-Drainagen werden in Abhän-gigkeit von der Wundsekretion, auf-grund ansteigender Infektionsgefahr

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Z. Evid. Fortbild. Qual. Gesundh. wesenhttp://dx.doi.org/10.1016/j.zefq.2013.03

ülen in Redon-Flaschen

pätestens nach 48 -72 Stunden,ezogen.in Risiko ist die Gefahr der Diskon-ektion bei jedem Flaschenwechsel,ls auch Komplikationsmöglichkeitenuf Grund des hohen Unterdrucks.m Meldesystem für Fehler- und Bei-ahezwischenfälle CIRS (Critical inci-ent reporting), des St. Franziskus-ospital Münsters ging in diesemusammenhang folgende Meldung ein:in Mitarbeiter aus der Pflege hattem Bett eines Patienten eine gelösteanüle gefunden.ach einer chronologischen Aufarbei-ung des Geschehens stellte sich derblauf des gemeldeten Zwischenfal-

es folgendermaßen dar: Wie bereitsben erwähnt handelt es sich umine gängige Handhabung, dass nachenügendem Ablaufen des Sekretesft postoperativ kein Sog mehr ge-ünscht wird. Um die Sogfunktionufzuheben, wird mit Hilfe eineranüle in die obere Öffnung der Fla-che gestochen und die Flasche sontlüftet. Mit einem Pflasterstreifenird die Kanüle fixiert.er Patient wird auf die Station ge-racht, die Redonflasche mit deringesetzten Kanüle wird im Bettlatziert.ier besteht das Risiko der Diskonnek-ion und eine Beeinflussung der Hei-ung, wenn der Patient sich bewegtzw. mobilisiert wird. Die Gefahr ei-er Stichverletzung, wenn die Kanüleich aus der Flasche löst gefährdenor allem Patient und Mitarbeiter.in interdisziplinär zusammengesetz-es Analyseteam im St. Franziskus-ospital Münster hielt diese Fehleregünstigenden Faktoren fest. So wareine Sicherung der Kanüle möglich.ie postoperative Infektionsgefahrurch die gestochene Öffnung prä-ent. Durch die Kontaktaufnahmend den Besuch des Herstellers vorrt konnte folgende Zwischenlösungefunden werden.us infektionspräventiven Gründen,m der zusätzlichen Gefahr einerakteriellen Infektion entgegen zuirken, wurde ein Bakterienfilteruf die Kanüle gesetzt. Auch dieser

urde mit einem Pflasterstreifenxiert.uf einen Wechsel der Fla-che bereits im OP durch eine

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PATIENTENSICHERHEIT

chwerkraft-Drainage, bei der dasekret ohne Sog abgeleitet wird,urde verzichtet, da dieses Verfahrenen Nachteil der Diskonnektion beimlaschenwechsel birgt und die Gefahrer bakteriellen Infektion erhöht.as fehlerhafte Vorgehen entstandlso durch die Abweichung von denorgaben des Herstellers und derweckentfremdung der Flasche. Auchie Anforderungen an ein geschlosse-es System waren nicht mehr erfüllt.rotz einer Vielzahl verschiedenerrainagesysteme auf dem Marktonnte zu der hier belüfteten Re-onflasche bisher keine Alternativeefunden werden.m Kontext des vom Bundesministe-ium für Wirtschaft und Technologieeförderten und von der Universitätitten/Herdecke geleiteten Verbund-

rojektes ‘Knowledge Communitiesn der Medizintechnik (KnowMore) —ptimierungspotentiale und Innova-ionsimpulse für Patientensicherheitn der Medizintechnik aus dem klini-chen Versorgungsalltag generieren’,urde der Fall vom St. Franziskusospital Münster, welches hier Ko-perationspartner war, vorgestellt.n der Rückmeldung der teilnehmen-en Häuser zeigte sich, dass dieseandhabung kein Haus spezifischesorgehen ist, sondern auch von ande-en Häusern praktiziert wird.ei der Poster Präsentation des Fallesuf dem 2. nationalen Cirs-Forumn Berlin vom 24.02.2012, gewannie Darstellung den 1. Preis und be-tätigte durch Rückmeldungen dereilnehmer, dass sich bei dem Einsatzer Drainage und das Entlüften umine gängige Handhabung handelt.ach einer Befragung Ende der 90er-ahre von 704 chirurgischen Klinikenm deutschsprachigen Raum kam Prof.hristian Willy vom Bundeswehrkran-enhaus Ulm zu dem Ergebnis, dassei 80% der Operationen Drainagenm Einsatz waren [1]. Es ist zu vermu-en, dass auch hier das Entlüften derlasche mittels Kanüle zum klinischenlltag gehört.o empfiehlt Lerch z.B. eine Sicker-lutung nicht zu begünstigen, ,,In

iesen Fällen sollte der Unterdruckurch Belüften des Systems für einigetunden aufgehoben werden. Dazuird eine Kanüle von oben in den

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nterdruck anzeigenden Kunst-toffbalg der Redon-Drainage ein-estochen, wodurch eine Überlauf-rainage entsteht. Die Kanüle darfach dem Belüften nicht entfernterden, da sich die Perforationsstelle

onst wieder abdichten würde.‘‘ [2]nsgesamt habe sich aber das Red-nsystem über Jahrzehnte bei derunddrainage bewährt. (ebenda)as Entlüften der Flasche mit eineranüle birgt ein Risiko, aber nicht nureswegen wird schon seit längerereit überhaupt der routinemäßigeinsatz von Drainagen in Frage ge-tellt.o spricht sich auch Willy generell ge-en den Einsatz von Redon-Drainagenus.,Beweise dafür, dass sie [die Draina-en] wirklich nützen, gibt es kaum.ennoch halten sich Wunddrainagenach chirurgischen Eingriffen hart-äckig als Regelversorgung. Allenoran solche, die mit einem Va-uum arbeiten.‘‘ [1]. Zunehmendird der Routineeinsatz kritisiert.s gibt ,,. . .nicht genügend Evidenzür den Einsatz dieser Drainagen iner ganzen Orthopädie. . .‘‘ [1]. Ininer prospektiven randomisiertentudie von 200 Patienten im Zeit-aum von Mai 2003 bis Dezember004, wurde der Einfluss subkutaneredon-Drainagen auf die Entstehungon Wundinfektionen in der Visceral-hirurgie untersucht. Hier konnteeder ein positiver noch ein nega-

iver Einfluss auf die Wundheilungachgewiesen werden. Man kam aberuch hier zu keiner Empfehlung innbetracht der erhöhten Schmerzin-ensität beim Ziehen der Drainage,es Auftretens eines Hämatoms,es Mehraufwandes bei der OP under anfallenden Kosten [3]. Ebensoiegen für chirurgische Fachgebietels auch für orthopädische Eingriffeahlreiche Studien vor, die bei dererwendung von Drainagen keinenignifikanten Unterschied in Bezug aufämatombildung und Inzidenz von

undinfektionen feststellten [4].udem bilanziert eine S3 Leitlinieur Versorgung akuter Schmerzenach Operationen aus dem Jahr 2007:

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,,Soweit wie möglich sollte auf dasEinlegen von Drainagen verzichtetwerden.‘‘ Diese Leitlinie ist versehenmit dem höchstmöglichen Gütesiegelder Evidenzbasierten Medizin (EbM)— einem Grade of Recommendation(GoR) Stufe A. [4]. Ob generell aufDrainagen verzichtet werden soll,wie hier Leitlinienkoordinator Prof.Edmund Neugebauer vom Institut fürForschung in der Operativen Medizinan der Universität Witten/HerdeckeGmbH in Köln fordert bzw. um klareEmpfehlungen für Drainagen in be-stimmten Fällen zu geben, sindweitere Studien nötig. Ist die Drai-nagetechnik demnach überflüssig undprovoziert man mit ihren Einsatz einvon vorneherein vermeidbares Risiko?Für die Handhabung im St. Franziskus-Hospital heißt es nach wie vor Wund-drainagen nicht routinemäßig, son-dern nur bei klarer Indikation einzu-setzen. In der Wirbelsäulenchirurgiegeschieht die Entlüftung der Kanülenur bei zwei Ausnahmen. 1. bei ei-ner intraoperativen Eröffnung derDura/Hirnhaut mit Liquoraustritt.Trotz Verschließen der Naht kannder unkontrollierte Sog zu einerLiquoraustritt führen. Die zweiteAusnahme ist eine weitreichende De-kompression des Spinalkanals, bspw.die vollständige Entfernung einesoder mehrerer Wirbelbögen, wo eineDrainage mit Sog sich dem Dural-schlauch anheften kann. In diesenFällen verhindert die Redon-Drainageausreichend die Entstehung einesrelevanten epiduralen Hämatoms. DieFallmeldung hatte auf jeden Fall zurFolge, dass kritisch über den Einsatznachgedacht wird.Vor- und Nachteile einer postopera-tiven Wunddrainage müssen je nachIndikation abgewogen werden. DieLiteratur zeigt sich hier weiterhingespalten. Ob sich die 2000 Jahrealte Drainagetechnik auf dem Rückzugbefindet, oder ob es im Fall der zuvorbeschriebenen Handhabung in Zusam-menhang mit der Entlüftung an der

Zeit einer Weiterentwicklung einerRedon-Flasche ist, wird weiter dis-kutiert werden und dieses vor allemvor dem Hintergrund der Erhöhung

Z. Evid. Fortbild. Qual. Gesundh

der Patientensicherheit. Der sinnvolleEinsatz kann nach heutigem Standnicht gänzlich ausgeschlossen werden.Um aber Komplikationen, wie sie zumTeil benannt wurden auszuschließen,ist ein alternatives Drainagesystemnötig.

Literatur

1] Willy, Christian, Wunddrainagen — ImZweifel bitte nicht! In: Zeitschrift fürOrthopädie und Unfallchirurgie. GeorgThieme Verlag KG Stuttgart, New York2010; 148(6): 624-626.

2] Lerch, K. Drainagetechniken in Ner-lich Michael, Berger Alfred TscherneUnfallchirurgie: Weichteilverletzun-gen Und -Infektionen, Band 6; S.98-99 Springerverlag Berlin Heidelberg2003.

3] Glück, Nadine Cathe’rin: Die Wer-tigkeit subkutaner Redon-Drainagenbei viszeralchirurgischen Eingrif-fen: Eine randomisierte Studie.URN: urn:nbn:de:bsz:25-opus-28093/URL:http://www.freidok.uni-freiburg.de/volltexte/2809/(Zugriff:26.11.2012)35.

4] Deutsche interdisziplinäre Vereinigungfür Schmerztherapie (DIVS) e.V. (Prä-sident: Prof. Dr. Heinz Laubenthal):S3-Leitlinie: ,,Behandlung akuter undposttraumatischer Schmerzen‘‘ (AWMF-Register Nr. 041/001) Stand 21.05.2007inkl. Änderungen vom 20.04.2009 URL:http://www.awmf.org/uploads/txszleitlinien/041-001 S3 Behandlungakuter perioperativer undposttraumatischer Schmerzenaktualisierte Fassung 04-2009 05-2011.

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Korrespondenzadresse:Dipl. Päd. Susanne EschkötterQualitätsmanagerinTQM Assessorin nach EFQM/Netzmanagerin im Gesundheits-wesenSt. Franziskus-Hospital GmbHHohenzollernring 7248145 MünsterTel.: +0251/935-3872Fax: +0251/935-3637

E-Mail:susanne.eschkoetter@sfh-muenster.de

. wesen (ZEFQ) (2013) 107, 191—192http://journals.elsevier.de/zefq