Post on 31-Aug-2019
transcript
WWF MAGAZIN4/2014
Food Waste Mit Ihrer Unterschrift
gegen die VerschwendungSeite 6
BuchtestVerlage auf dem
Holzweg: Tropenholz in vielen Büchern
Seite 18
MobilitätSo machen Sie Ihr
Velo fit für die kalte Jahrezeit
Seite 24
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Bosch Hausgeräte sind so energieeffizient, daran werden sich andere die Zähne ausbeissen.
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GOOD NEWS S. 4 Willkommen zurück, Wisent; Erfolgreiche BärenPetition; FSC in Laos; Rekordproduktion erneuerbarer Energien in der Schweiz.
TITEL: FOOD WASTE S. 6 Firmen und Private wehren sich gegen Food Waste. Denn ein Drittel aller Lebensmittel landet im Abfall. Jetzt fordert der WWF: Die Politik muss handeln!
DIE WELT IN ZAHLEN S. 12Vermessenes aus Tier- und Pflanzenwelt: Kleinstböckchen, Seeelefant, Rizinuspflanze, Kaiserpinguin und Brüllaffe. AKTUELLMadagaskar S. 14Endlich Trinkwasser: Der WWF hilft den Menschen und schützt so die Natur.Buchtest S. 18Der WWF liess Bücher auf Tropenholz testen. Bei jedem zehnten wurde er fündig.Klima S. 22Wegschauen geht nicht: Wenn die Temperaturen weiter steigen, wird es teuer – oder tödlich.Mobilität S. 24Mit dem Velo durch den Winter? Keine Sache mit unseren Tipps.
NACHHALTIG LEBEN S. 26Welche Kerzen kaufen; Lüften im Winter; Licht im Garten; Worauf achten bei edler Wolle.
MEIN WWF Testament S. 29Cédric Burgat wird dem WWF einen Teil seines Vermögens vererben.Tipps S. 31Unterschreiben: Keine zweite GotthardRöhre!Shop S. 33Kreuzworträtsel S. 35Leserbriefe/Impressum S. 36Leserfotos S. 37Porträt S. 39Tanja Grandits, Koch des Jahres und WWFMitglied.
Titelbild: Lebensmittel sind zu wertvoll, um im Abfall zu landen.
INHALTEDITORIAL
Unser Ziel: Wir wollen die weltweite Zerstörung der Umwelt stoppen und eine Zukunft gestalten, in der Mensch und Natur in Harmonie miteinander leben.
Liebe Leserin, lieber Leser
Ist es nicht seltsam, dass wir uns bei Lebensmitteln eher auf Zahlen verlassen als auf unsere Sinne? Zum Beispiel beim Joghurt: Ist das Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen, landet es oft im Abfall – ohne dass
wir mit Augen, Nase und Mund geprüft hätten, ob das Joghurt noch geniessbar ist.
Zahlen braucht es aber, um zu zeigen, dass ein weggeworfenes Joghurt mehr ist als nur ein weggeworfenes Joghurt. Vielmehr ist es Teil eines riesigen Problems: Ein Drittel aller geniessbaren Lebensmittel gehen in der Schweiz verloren. Das machte der WWF vor zwei Jahren publik. Ein enormer Verschleiss an natürlichen Ressourcen. Den grössten Teil davon – nämlich rund 45 Prozent – verschwenden nicht etwa Produzenten oder Händler, sondern wir, die privaten Haushalte.
Diese Zahlen wirkten für viele wie ein Weckruf. Einzelpersonen, Vereine und Firmen engagieren sich heute gegen Food Waste – ganz unbürokratisch. (Lesen Sie die Titelgeschichte auf Seite 6.)
So wichtig dieses Engagement ist: Es erfasst noch lange nicht alle wichtigen Akteure. Daher sind heute Parlament und Bundesrat gefragt: Sie müssen handeln, und als ersten Schritt braucht es verbindliche Ziele zur Vermeidung von Food Waste. Das fordert der WWF in einer Petition. Andere europäische Länder wie Deutschland, Frankreich und Österreich haben das längst getan.
Nur wenn Private, Politik und Wirtschaft das gleiche Ziel verfolgen, erreichen wir, dass wir unsere Lebensmittel essen, anstatt sie wegzuwerfen. Unterschreiben Sie deshalb die Petition. Und: Geniessen Sie Ihr Essen mit all Ihren Sinnen. So bekommen Lebensmittel den Wert, den sie verdienen.
Herzlich, Ihr
Thomas Vellacott, CEO WWF Schweiz
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GOOD NEWS
DER WISENT IST ZURÜCK17 Wisente haben die Organisation «Rewilding Europe» und der WWF Rumänien diesen Sommer in den TarcuBergen in den rumänischen Südkarpaten freigelassen. Nächsten Frühling sollen weitere 20 folgen. Es handelt sich um die grösste WisentAuswilderung überhaupt, in der Region waren die Tiere seit über 200 Jahren ausgestorben. Neben anderen Wildtieren kommen hier auch Bären und Wölfe vor. WisentKälber gehörten früher zu ihren Beutetieren. Bis 2025 sollen in dem Gebiet rund 500 Wisente in mehreren Herden leben, so dass die ökologischen Beziehungen zwischen ihnen und ihrer Umgebung wieder hergestellt werden können. Für die wirtschaftliche Randregion bedeutet die Wiederansiedelung eine besondere Entwicklungschance. Als touristische Attraktion sollen die Wisente zahlreiche SafariGäste anlocken. – lis
www. rewildingeurope.com
Eine Chance für Bären in der Schweiz.
Am Anfang des letzten Jahrhunderts war der Wisent
fast ausgestorben. Jetzt streift er wieder durch Osteuropa.
ÜBER 22 000 UNTERSCHRIFTEN FÜR DEN BÄRENIn nur einem Monat haben über 22 000 Personen die WWFPetition für den aus Italien eingewanderten Jungbären M25 unterschrieben. Sie fordert von den Behörden, dass der Braunbär nicht wie seine Artgenossen JJ3 und M13 abgeschossen wird. Massnahmen dafür sind Herdenschutz, die Sicherung von Bienenhäuschen, neue Abfallkonzepte und die Aufklärung der betroffenen Bevölkerung. Bei der Petitionsübergabe haben die WWFVerantwortlichen dem Bündner Regierungsrat einen bärensicheren Abfallkübel geschenkt. Solche können Braunbären nicht «knacken», was sie von Dörfern fernhält. Gleichzeitig hat sich der WWF verpflichtet, sich auch weiterhin für ein friedliches Zusammenleben von Mensch und Bär in der Schweiz einzusetzen. – mli
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Q U E L L E : B F E / B R A N C H E N V E R B Ä N D E / H O C H R E C H N U N G E N U W A
LAOS: GUTER START FÜR FSCDie Waldzerstörung in den Ländern entlang des MekongFlusses ist alarmierend: Die Gründe dafür sind illegale Holznutzung, Strassen und Siedlungsbau sowie Wälder, die für Landwirtschaftsflächen abgeholzt werden. Umso erfreulicher, dass
in Laos seit 2006 bereits 132 162 Hektaren und somit vier Prozent der produktiv genutzten Waldflächen FSC-zertifiziert wurden. Mehr als ein Viertel davon sind RattanWälder, die von sechs Dorfgemeinschaften in der Provinz Bolikhamsay bewirtschaftet werden. Das WWFProjekt hat in der Region eine neue Dynamik ausgelöst. Dank höheren Preisen für nachhaltig produzierte Produkte werden Gelder für DorfProjekte frei, die dem Gemeinwohl zugute kommen. Ferner wird in Baumschulen investiert, um in noch mehr Wäldern RattanpalmenSetzlinge zu pflanzen. – cgy
DIE SCHWEIZ ERNEUERT SICHGeht es um erneuerbare Energien, so ist die Schweiz zwar immer noch ein Entwicklungsland. Doch die Energiezukunft nimmt Fahrt auf. Nach Hochrechnungen der Umweltverbände dürfte 2014 ein Rekordjahr für Investitionen in erneuerbare Energien werden. Entsprechend wird die Produktion zulegen. – pge
STAND UND AUSBLICK ERNEUERBARE STROMPRODUKTION(PHOTOVOLTAIK, WIND KRAFT UND BIOMASSE)
Bette MidlerEine Million Bäume für New York – das ist eines der Ziele, welche sich Bette Midler, 69, gesetzt hat. In wenigen Monaten wird es so weit sein, pünktlich zum 20. Jubiläum des von ihr gegründeten «New York Restoration Projekt» (NYRP). Gemeinsam mit dem städtischen ParkDepartement sorgen die Mitglieder der NYRP besonders in benachteiligten Quartieren New Yorks für mehr Grün: Sie befreien Parks von Abfällen, pflanzen Bäume, legen Gärten an. Die grünen Flächen werden für soziale Projekte genutzt. Bette Midlers Traum ist es, aus New York einen lebenswerten Garten zu machen – dessen Bewohner ihre Umwelt zu lieben und zu schätzen wissen. – cst
BRAVO
Rattan wächst in den Wäldern Südostasiens. Im Bild: Laos.
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TITEL FOOD WASTEFLORA MÄRKI, FOOD-DIVERIN, ZÜRICH «Nach Ladenschluss tauche ich in die Container von Super-märkten ein und durchwühle Abfallsäcke. Ich will mit food-diven ein Zeichen gegen die heutige Konsumgesellschaft und die Lebensmittelver-schwendung setzen. Denn es macht mich traurig, dass wir so viel wegwerfen und die Res-sourcen so gar nicht mehr schätzen. In den Containern finde ich Lebensmittel, zum Beispiel Fleisch, Joghurts oder auch Schokolade. Ich nehme nur mit, was ich selbst gebrau-chen oder Freunden verschen-ken kann. Ich selbst bin Vegeta-rierin. Eigentlich ist es schöner, nichts zu finden. Denn das heisst auch keinen Verschleiss an Ressourcen.»
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Gemeinsam gegen
VerschwendungBereits vor zwei Jahren machte es der WWF publik: Ein Drittel aller Lebensmittel wird verschwendet.
Seither engagieren sich zahlreiche Einzelpersonen, Firmen und vereinzelte Branchen gegen Food Waste.
Jetzt fordert der WWF mit einer Petition: Auch Parlament und Bundesrat müssen handeln!
Von Corina Gyssler, Bilder: Gian Paul Lozza
nannten Food Waste, inzwischen die Leute erreicht hat, spürt Ortwein: Die Bestellungen von Broschüren für Infoveranstaltungen von Bürgern, Unternehmen oder Vereinen hätten deutlich zugenommen. «Und unsere App mit RestenRezepten und Einkaufsplaner ist mit mehr als 600 000 Downloads die am meisten nachgefragte unter den Apps der deutschen Bundesregierung.»
Auch zahlreiche andere europäische Länder wie Frankreich, Österreich, Schweden oder die Niederlande haben
I m September kochte Kassel. Unter dem Motto «Aktionstag für Knubbelkartoffel & Co.» wurden Passantinnen und Passanten dazu aufgerufen, sich aktiv gegen die Lebensmittel
verschwendung zu engagieren und aus «verschmähtem» Gemüse eine GratisSuppe zu kochen. «Da banden sich Menschen, die eigentlich Einkäufe erledigen wollten, Schürzen um und schnippelten und kochten für 30 Minuten mit», erzählt Steffen Ortwein von
der Initiative «Zu gut für die Tonne!». Sie führt solche Aktionen regelmässig in deutschen Städten durch.
«Zu gut für die Tonne!» ist keine GrassrootBewegung, sondern wurde vom deutschen Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft lanciert. Deutschland hat sich 2012 dem Ziel der Europäischen Kommission angeschlossen, die Menge der geniessbaren Lebensmittelabfälle bis 2020 zu halbieren. Dass die Problematik der Lebensmittelverschwendung, des soge
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sich Ziele zur Vermeidung der Lebensmittelverluste gesetzt. Nicht so die Schweiz: «Zwar sind Gespräche zwischen dem Bund und Interessensvertretern am Laufen», sagt Jennifer Zimmermann, Verantwortliche Konsum beim WWF Schweiz. «Im Gegensatz zu den anderen Ländern ist die Schweiz aber noch weit davon entfernt, sich konkrete Ziele zu setzen.»
Obwohl der WWF gemeinsam mit dem Verein Foodwaste.ch bereits vor zwei Jahren erstmals die enormen Ausmasse der Lebensmittelverschwendung publik machte: Rund ein Drittel der für den Schweizer Konsum produzierten Lebensmittel gehen entlang der Wertschöpfungsketten verloren. Das sind zwei Millionen Tonnen einwandfreie Nahrungsmittel. «Ein gigantischer Verschleiss an wertvollen natürlichen Ressourcen», so Zimmermann. «Jedes produzierte Lebensmittel braucht Boden, benötigt Energie und setzt Treibhausgase frei bei Transport, Vertrieb und Verarbeitung.»
Zwar erreichte der WWF, dass zahlreiche Medien über die Food WasteProblematik berichteten. In der Folge wurden auch Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen und manche Branchen aktiv. Parlament und Bundesrat hingegen blieben weitgehend passiv: Hier zulande weiss man nicht einmal, wo innerhalb der LebensmittelWertschöpfungsketten die Verluste anfallen und sich folglich senken liessen. Zu dünn ist die Datenlage. Nur zum Thema Brotweizen ist eine einigermassen verlässliche Studie vorhanden – allerdings handelt es sich dabei nicht um von einem Bundesamt veröffentlichte Zahlen, sondern um eine Masterarbeit.
FiletStücke bevorzugtAnders in Grossbritannien: Dort nahm das «UK Waste & Resource Action Programme» bereits 2009 die Lebensmittelverluste über die gesamte Wertschöpfungskette bei Fleisch, Gemüse und Früchten unter die Lupe. Die zwei Jahre später veröffentlichte Publikation zeigt auf, wie durch gezielte Zusam
menarbeit innerhalb der verschiedenen Wertschöpfungsketten Lebensmittelverluste deutlich gesenkt werden können. Mangels inländischer Daten liess der WWF deshalb Teile dieser Studie auf die Schweiz umrechnen. Die Vergleichbarkeit der Daten ist gegeben, da in beiden Ländern rund ein Drittel aller Lebensmittel verloren gehen.
Fleisch: In einem Kilo Fleisch stecken zwischen 7 und 15 Kilo Futtermittel – oft Getreide, Soja, Hülsenfrüchte oder Kartoffeln. Deshalb ist weggeworfenes Fleisch nicht nur aus Tierethischen, sondern auch aus ökologischen Gründen besonders störend. Lässt man die Verluste weg, die bei den Konsumenten anfallen, zeigt sich: Am meisten, nämlich 9 Prozent der Verluste, fallen bei der Schlachtung an. Es sind zum Beispiel Innereien, die nicht mehr gegessen werden. Deren Nachfrage ist gesunken, da Konsumenten heute mehrheitlich nur noch die «Filet Stücke» der Tiere essen wollen.
Dass es auch anders geht, zeigt der Verband Schweizer Eierproduzenten. Da Legehennen nach ihrem «Dienst» nicht mehr als Suppenhühner nachgefragt wurden, hat man sie noch vor wenigen Jahren zu Tiermehl verarbeitet. Deshalb gründeten die Eierproduzenten die Genossenschaft «Gallo Circle». Diese fand Partner, die das Fleisch für rund 30 verschiedene Geflügelprodukte wie Wurst, Fleischkäse oder andere CharcuterieProdukte abnahmen. «Wir nutzten auch die Nachfrage von Zuwanderern aus südlichen und muslimischen Ländern, bei denen Suppenhühner noch auf dem Menüplan stehen», erklärt der Geschäftsführer Reto Strässle. «Damit werden bereits 70 Prozent der Legehennen in Form von Charcuterie oder als Suppenhuhn verzehrt.»
Lagergemüse: Hier fallen am Anfang der Wertschöpfungskette am meisten Verluste an: auf dem Feld (18 Prozent) und bei Handel und Verarbeitung (7 Prozent). Viele Produkte entsprechen nicht der Norm. Sie sind zu gross, zu klein oder zu krumm. So schaffen es 26 Prozent der Lagergemüse wie Randen nicht bis ins Ladenregal, bei den Kartoffeln liegt dieser Anteil sogar bei 35 Prozent.
Weg geworfenes Fleisch ist
nicht nur aus Tierethischen,
sondern auch aus öko
logischen Gründen besonders
störend.
TITEL FOOD WASTE
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MIRKO BURI, MEIN-KUECHENCHEF.CH «Ich ärgere mich sehr über Food Waste. Deshalb eröffnete ich im März nach Jahren in der Gastronomie in Bern ein Ge-schäft. Ich biete meinen Kun-den auf einer Online-Speise-karte 14 saisonale Menüs an, gekocht aus beispielsweise zu kleinen Kartoffeln. Aus Rüst-abfällen produziere ich Fonds, die ich zum Kochen der nächs-ten Speisen benötige. Die Haltbarkeit meiner Gerichte wird durch die Kochtechnik und die Verpackung, beispielsweise Weck-Gläser, verlängert. Die Speisen bleiben auch dann frisch, wenn meine Kunden spontan ihre Essenspläne än-dern. Zusammen sparen wir so Lebensmittel.»
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TITEL FOOD WASTESARA D’ORIA, RESTAURANT- MANAGERIN EINES PERSONALRESTAURANTS DER SV GROUP, LUGANO«Für mich ist Food Waste nicht nur ein wirtschaftliches Prob-lem, sondern hat bei so viel Hunger auf der Welt auch einen ethischen und moralischen As-pekt. Als Restaurantmanagerin versuche ich, die Mengen der Lebensmittelabfälle so gering wie möglich zu halten. Ich arbeite in einer Kantine für Bankangestellte und kenne daher die Kundschaft und ihre Ansprüche sehr gut, was die Sache erleichtert. Viele der von uns angebotenen Gerichte werden sofort an Ort und Stelle zubereitet, wodurch weniger Lebensmittelabfälle entstehen. Dies ist in erster Linie dank unseres speziell geschulten und aufmerksamen Personals möglich, und nicht zuletzt hängt es auch von der Sensibilität eines jeden Kunden ab.»
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Mirko Buri gehört zu denjenigen, die sich vor allem für die inneren Werte der Gemüse interessieren. Der Berner Küchenchef beliefert Privatpersonen mit vorgekochten Speisen zum Aufwärmen und kocht nach der Devise «no Food Waste». Das beginnt bereits beim Einkauf: «Es sind ja nicht nur die Lebensmittel, die man wegwirft, sondern auch die Arbeitsstunden der Bauern», so Burri. «Deshalb kaufe ich aussortierte Kartoffeln beim Bauern in der Region.»
Brot: Auch hier liesse sich einiges an Verlusten vermeiden, geht doch zwischen Feld und Konsum knapp die Hälfte der ursprünglichen Energie verloren. Die vermeidbaren Verluste fallen zu 22 Prozent beim Getreidevertrieb, bei den Müllereien, Bäckereien und beim Verkauf an. Dieses «Angebot» nutzt Flora Märki: Sie taucht abends in die Mülleimer von Supermärkten und fischt unter anderem auch nach Brot. «Eigentlich ist es schöner, nichts zu finden», gesteht die Zürcher Studentin. «Denn nichts finden heisst auch kein Ressourcenverschleiss.»
Mit 21 Prozent liegt das grosse Sparpotenzial beim Brotweizen aber auch bei den Endkonsumenten. Ist das Brot nicht mehr frisch, landet es schnell einmal im Hausmüll und damit in der Kehrichtverbrennung. «Dabei gibt es für Brot ausgezeichnete Restenrezepte», sagt Jennifer Zimmermann vom WWF. «Auch Verfüttern, Vergären und Kompostieren ist aus ökologischer Sicht sinnvoller als wegwerfen.» Und schliesslich könne die gezielte Förderung von Vollkornbackwaren den Anteil Kleie, welcher in der Müllerei während dem Mahlprozess vom Weissmehl getrennt wird, verkleinern.
Wichtig ist jedoch, dass die Abfallvermeidung über die gesamte Wertschöpfungskette angegangen wird. Darum kümmert sich neuerdings die freiwillige Brancheninitiative «United against Waste». Deren Mitglieder wollen bis 2020 die vermeidbaren Lebensmittelverluste um die Hälfte reduzieren – entsprechend dem Ziel der Europäischen Union. «Mit dabei sind Gastronomen, Caterer, Bäcker, Logistiker, Verbände, Grosshändler oder Produzenten», erzählt Markus Hurschler,
Geschäftsführer der Initiative. Lauter Unternehmen, die mit Lebensmitteln handeln, die in den Ausserhauskonsum gelangen – also nicht zuhause gegessen werden. Deren Lebensmittelverluste entstünden nicht nur innerhalb der Firma, sondern vor allem an den Schnittstellen zwischen den Unternehmen. «Im FoodBusiness ist es eine Herausforderung, Kosten noch weiter zu reduzieren. Die Abfallthematik ist auf jeden Fall ein Ansatzpunkt», so Hurschler.
Das bestätigt Sara D’Oria, Restaurantmanagerin eines Personalrestaurants der SV Group. Sie fügt an, dass
Abfallvermeidung in den Köpfen beginnt: «Wir erreichen die gewünschten Reduktionen, indem wir das Personal schulen. Das bedeutet zum Beispiel, dass kleinere Portionen geschöpft werden.» Da müssen auch die Kunden umlernen: «Sie müssen wissen, dass bei uns ein Nachschlag möglich ist.»
Umlernen – keine Sache, wenn viele daran beteiligt sind. «Deshalb ist es Zeit, dass das Parlament endlich verbindliche Ziele gegen Food Waste festlegt», so Jennifer Zimmermann vom WWF. «Nur wenn wirklich alle mitanpacken, wird die Lebensmittelverschwendung kleiner.» ■
JETZT FOOD-WASTE-PETITION UNTERSCHREIBEN
Das Ausland handelt bereits, zahlreiche europäische Staaten haben sich Ziele zur Verminderung von Food Waste gesetzt. Jetzt fordert der WWF in einer Petition: Der Bundesrat und die eidgenössischen Räte sollen sich ebenfalls verbindliche Ziele setzen und die Lebensmittelverluste bis 2025 um mindestens 50 Prozent reduzieren. Setzen auch Sie ein Zeichen, unterzeichnen Sie die Petition! Damit Sie selber aktiv werden können, erhalten Sie nach der Unterzeichnung vom WWF konkrete Ratschläge, um private Lebensmittelverluste zu reduzieren.
www. wwf.ch/foodwaste
aller Lebensmittel wird verschwendet.