Post on 01-Feb-2016
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Universität zu Köln
Philosophische Faklutät
Romanisches Seminar
HS: Süditalien aus linguistischer Perspektive
Referentin: Silvia Urso
Die Italianisierung der süditalienischen Gebrauchsprosa am Beispiel Sizilien
I.Einleitung
Sizilien
- wurde im Altertum und Mittelalter von Griechen, Römern, Arabern, Normannen beherrscht bzw. bewohnt
- es findet sich hier ein besonders „gemischter“ Wortschatz, der auch durch Anreicherungen aus norditalienischen Dialekten durch Einwanderer in der Normannenzeit ergänzt wird.
- das florentinische Modell verdrängt die lokalen süditalienischen
Schreibdialekte
→ bereits vor Beginn des Buchdrucks und der Questione della lingua
- trotzdem bleiben dialektale Interferenzen innerhalb jener Epoche weiterhin zahlreich
- der Grad der Florentinisierung variiert von Schreiber zu Schreiber
→ auch im Königreich Neapel werden während der aragonesischen
Herrschaft verschiedene Dialekte nebeneinander verwendet
II.Beispiele
Beispiel 1:
Diplomatische Korrespondenz mit florentinisch-toskanischen, latiniserende und südliche Elemente
August 1480: Ippolita Sforza, Königin von Kalabrien an ihren Bruder nach der Einnahme Otrantos durch die Türken (zit. nach Foucard 1881-154)
- keine Zuordnung einer bestimmten Mundart möglich
→ florentinisch- toskanische Elemente: forono, hebbeno, questo, quelli, il,
el.
→ latinisierende Elemente: heri, nocte, predicto.
→ südliche Elemente: casone, jovedì, rebudati, migliaro, cavallaro.
Beispiel 2:
Eine Verordnung vom 28. Mai 1497
Elemente der lateinischen und sizilianischen Kanzleisprache
- noch keine eindeutige Zuordnung zum toskanischen Sprachmodelle
möglich
→ trotzdem bereits überregionale Elemente: Endung -o überwiegt gegenüber -u: lo, loro, tanto, ruffiano, quando, etc. vs. comu, lu)
Sizilianische Merkmale:
* weibliche Pluralendung auf -i bei Substantiven, die im Singular auf -
aenden (fimmina- fimminivs. it. femmina – femmine)
* männliche Pluralendung -urj (honurj it. Onore)
* adjektivische Singularendung auf -i(felichi it. felice)
* Infinitivendung -ari (arj): guadagnarj, farj, lassarj . it. guadagnare, fare,
lasciare.
* Lexikalische Sizilianismen: cantunera- Ecke
Beispiel 3:
Erlass vom 20. Dezember 1588, Italienische Merkmale überwiegen gegenüber dem Sizilianischen
- unübersehbarer Italianisierungsprozess
- italienische Merkmale überwiegen gegenüber den sizilianischen
Einige sizilianische Interferenzen, z. B.:
* alli donni dishonestistatt. it. alle donne dishoneste
* li peni it. le pene
Beispiel 4:
Bando chi li don[n]i Cortigiani stiano
arrassoil Sacro R. Palazzo canni 200 vom 14. Juli 1645
- Dialktale Interferenzen:
* weibliche Pluralbildung li don[n]i (statt it. le donne), di detti casi (di dette case), unzi (once)
* Adverb arrasso (dietro)
* Artikel lo normalem Konsonanten (lo fine statt it. il fine)
Beispiel 5:
Bando zur Prostitution aus dem Jahre 1761:
Weitgehend abgeschlossener Italianisierungs
prozess
- Italianisierungsprozess der Schriftsprache weitgehend abgeschlossen
- vor allem in Bezug auf Kanzleisprache
- in Volkssprache: dialektales Substrat bleibt bis weit ins 19.
Jahrhundert erhalten
Vergleich mit Beispielen aus dem Seicento:
* regionale Formen durch Italienische ersetzt: locodurch luogo
* Interferenzen vom Typ li donnikommen nicht mehr vor
* wenige sizilianische Elemente übrig: Azzottata
(Hispanismus, ˂azotada „Peitschenhieb“)
* italianisierte Dialektalismen: pennata „Traufe“ (˂siz. pinnata„La parte del
tetto che sporge furi il muro: “gronda”)
III. Fazit
1. Die Italianisierung der süditalienischen Gebrauchsprosa ist im 18. Jahrhundert weitgehend abgeschlossen.
2. Während hingegen die Italianisierung der mündlichen Kommunikation wesentlich langsamer verläuft.
3. Sie erfasst die sizilianische Bevölkerung
faktisch erst nach dem II. Weltkrieg.
IV. Literatur
1. Bollée, Annegret: Geschichte der italienischen Sprache, Bamberg, 2002.
2. Bruni, Franceso: L’italiano nelle regioni, Torino,1994.
3. Durante, M.: Dal latino all´italiano moderno. Saggio di storia linguistica e culturale, Bologna, 1981.
4. Marazzini, Claudio: Storia della lingua italiana. Il
secondo Cinquecento e il Seicento, Bologna,
1993.
5. Michel, Andreas: Italienische Sprachgeschichte,
Hamburg, 2005.